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German Pages [309] Year 2018
Heidi Beutin / Wolfgang Beutin
Fanfaren einer neuen Freiheit Deutsche Intellektuelle und die Novemberrevolution
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Academic ist ein Imprint der wbg. © 2018 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Satz: primustype Hurler GmbH, Notzingen Einbandgestaltung: Harald Braun, Berlin Einbandabbildung: Georg Ledebour (USPD) spricht anlässlich der Beisetzung der Opfer nach den Kämpfen um das Berliner Stadtschloss vom 24. Dezember 1918. Aufnahme vom 29. Dezember 1918. © bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-27045-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-534-74406-0 eBook (epub): ISBN 978-3-534-74407-7
Inhaltsverzeichnis Einleitung. .......................................................................
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I. Grundzüge der Novemberrevolution............................... Eine Revolution oder keine. ............................................ Zusammenbruch, Friedenssehnsucht. ............................... Revolution von oben, Revolution von unten....................... Bürgerlich-demokratische Revolution, geistige Revolution. .... Ende der Revolution, Ergebnisse. ..................................... Die Konterrevolution. ...................................................
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II. Die „Intellektuellenfrage“ in der Diskussion um 1918. ....... Revolution, Arbeiterbewegung und Intelligenz.................... Affirmative Würdigung. ................................................. Polemische Distanzierung. ............................................. Arten der Betätigung Intellektueller in der Revolution...........
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III. Positionen.................................................................. 67 Bürgerliche Intellektuelle in demokratischen Parteien. .......... 67 „Intellektuelle der Arbeiterklasse“..................................... 90 Beobachtende Interessierte. ............................................ 114 Künstlertum und Revolution. . ......................................... 120 Auf Seiten der Konterrevolution....................................... 132 IV. Dem Aktivismus und Pazifismus verbundene Intellektuelle. ............................................................. 143 Aktivismus und der Politische Rat geistiger Arbeiter. ............ 143 Pazifisten und Pazifistinnen............................................ 149 V. Intellektuelle im Spartakusbund und in dessen Umkreis..... 171 Die sich über den Krieg erhoben. ..................................... 171
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Inhaltsverzeichnis
VI. Intellektuelle und die Rätebewegung............................... 199 Der Rätegedanke. ......................................................... 199 Die Räterepubliken Bremen und München und die Intelligenz.......................................................... 207 Hamburg keine Räterepublik „nach Münchener und Bremer Art“............................................................ 219 Betriebsräte................................................................. 231 Nachwort ........................................................................ 237 Anmerkungen . ................................................................. 249 Literatur . ........................................................................ 277 Zeittafel .......................................................................... 293 Danksagung .................................................................... 301 Personenregister . .............................................................. 303
Einleitung Als Titel des hier vorliegenden Buchs fungiert ein Wort von Kurt Eisner, der im November 1918 vor den Soldatenräten in München sagte: „Der Ton der Fanfaren einer neuen Freiheit, das fröhliche Herz will sich wieder betätigen.“1 Es war ein Dur-Klang zu Beginn einer Ereignisfolge, in die sich bald schon, im Dezember desselben Jahres, die ersten Moll-Klänge mischen sollten und worin am 21. Februar 1919 ein hinterhältiger Attentäter den Umstürzler ermordete, der die Initiative ergriffen hatte, Bayern zum Freistaat umzuwandeln. In Berlin trifft am 9. November 1918 Hellmut von Gerlach, Journalist, liberaler Demokrat und Pazifist, den Sozialisten Karl Liebknecht. Ungeachtet der politischen Differenzen, die zwischen ihnen bestehen und beiden bekannt sind, ist ihnen die freudige Erregung an diesem Tage gemeinsam. Liebknecht sagt: „Gerlach – endlich die Freiheit!“2 Die Pazifistinnen und Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann erinnerten sich bewegt des Auftakts der Revolution, als auch sie hoffnungsvoll in die Zukunft schauten: „Zurückdenkend erscheinen die folgenden Monate wie ein schöner Traum, so unwahrscheinlich herrlich waren sie. Das schwer Lastende der Kriegsjahre war gewichen; beschwingt schritt man dahin, zukunftsfroh! Der Tag verlor seine Zeiten, die Stunde der Mahlzeiten wurde vergessen, die Nacht wurde zum Tage, man brauchte keinen Schlaf; nur eine lebendige Flamme brannte: sich helfend beim Aufbau einer besseren Gemeinschaft zu betätigen. … Das waren Winterwochen voller Arbeit, Hoffen und Glück.“3 Gegenwärtig wird man die Novemberrevolution nicht so leicht als schönen Traum klassifizieren, wie er diese Frauen vor einem Jahrhundert begeisterte. Vielmehr ist es mittlerweile gang und gäbe, die Revolution als von Anfang an unheilvoll umwölkt zu sehen. Es hat sich eingebürgert, sie in die Vorgeschichte der NS-Ära einzuordnen und von ihrem „Scheitern“ zu sprechen. Sie fügt sich so für manche Betrachter
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allzu gut ein in die Reihe der – tatsächlich oder vermeintlich – mißlungenen Umwälzungen in Deutschland, vom Bauernkrieg 1525 über 1848 bis 1918/19, angeblich unwiderlegbarer Beweise dafür, daß die deutsche Bevölkerung der Fähigkeit ermangele, in einer kollektiven Aktion für das Land die fortschrittliche Staatsform zu erstreiten, die andere europäische Nationen längst verwirklichen konnten. Jörg Berlin kam bei Sichtung der Forschungsbeiträge zur Revolution von 1918/19 in seinem Buch (1979) zu dem Schluß: „Das Interesse der meisten Autoren zielt mit dem Blick auf den Sieg des Nationalsozialismus auf die Frage, welche wesentlichen Vorentscheidungen in den Revolutionsmonaten für die Möglichkeit einer demokratischen Entwicklung Deutschlands fielen.“4 Oder unterblieben, – weil nicht fielen, nämlich verpaßt wurden, gar absichtlich verhindert worden sind. Die negative Bewertung, so Alexander Gallus, scheine zwar zunächst plausibel, allerdings nur, wenn man vom Zeitpunkt des 30. Januar 1933 auf 1918/19 schaue. Dies verbiete sich methodologisch jedoch als „unzulässige Geschichtskonstruktion“, als „eine rückwärtsgewandte Teleologie des Scheiterns“.5 Was ging im Winter 1933 vor sich? In Köln beschloß eine Clique damals einflußreicher Männer um den Ex-Reichskanzler Franz von Papen, das Amt des Reichskanzlers an Hitler zu vergeben. War es eine Intrige? Jedenfalls keine historische Notwendigkeit.6 Wäre die Republik nicht durch die Diktatur abgelöst worden, hätte die „Teleologie des Scheiterns“ sich schwerlich ausbreiten können. Aber nicht die späteren Ereignisse entscheiden darüber, ob vierzehn bis fünfzehn Jahre zuvor die Novemberrevolution gelungen war, und das Gesamturteil über die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, läßt sich auch nicht von deren unglücklichem Ende ableiten. Es ist ebenfalls kein Zwang vorhanden, eine Tradition gescheiterter Umwälzungsversuche im Deutschen Reich zu konstruieren. In der Moderne existiert in allen Kreisen der Bevölkerung eine allgemeine Vorstellung von dem, was unter einer Revolution zu verstehen sei, eine ungefähre Idee zumeist, aber zumindest eine verbreitete. Der Ausdruck selber drang seit Anfang der frühen Neuzeit durch, ohne daß er gleich stets in politischem Kontext verfügbar gewesen wäre. Der Re-
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formator Martin Luther mußte, wie bekannt, nicht für seine Lehre bluten, brachte aber sein Erwachsenenleben nach dem Thesenanschlag bald in der Erwartung zu, es dereinst wie Jan Hus auf dem Scheiterhaufen beendigen zu müssen. Dabei wurde er im Laufe der Zeit sich selber zur „Idee“, oder vielmehr: in seiner eigenen Sicht wandelte er sich in eine Idee, zur Chiffre um, eine Metamorphose, die er im gleichen Atemzug auch seinem einstmaligen Anhänger, späteren Kontrahenten Thomas Müntzer angedeihen ließ. Ohne im Besitz der Begriffe zu sein, offerierte er dennoch eine sinnvolle Bestimmung der Sachverhalte „Revolution“ hier, „Reformation“ oder „Reform“ dort. In seiner Schrift Warnung D. Martin Luthers an seine lieben Deutschen (1531) traf er zunächst die Unterscheidung zwischen dem Aufrührer (oder Eroberer, Revolutionär) und dem Gesetzesübertreter: „… der heißt ein Aufrührer, der die Obrigkeit und das Recht nicht ertragen will, sondern greift sie an und streitet wider sie und will sie unterdrücken und selbst Herr sein und Recht erlassen, wie der Müntzer tat (der Eroberer ist etwas anderes als der Übertreter).“ Ja, Müntzers Name geriet ihm schlechterdings zur Bezeichnung für ‚Revolution‘. Einmal erklärte er, selber nicht „müntzerisch“ zu sein, also kein Umstürzler, kein Revolutionär. Den Obrigkeiten empfahl er indes grundlegende Reformen, wofür er als Merkzeichen seinen eigenen Namen gebrauchte. So mahnte er die zeitgenössischen Regenten: „Wiewohl mich auch zuweilen dünkt, daß die Regierungen und Juristen wohl auch eines Luthers bedürften.“ Sie sollten sich, wünschte er, der Reform also nicht länger sperren. Jedoch schätzte er die Adressaten pessimistisch genug ein, weshalb er eine Voraussage wagte, die durch die Revolutionen der frühen Neuzeit seit den Oraniern, den Hugenotten und Cromwell – im 16. und 17. Jahrhundert – bewahrheitet worden ist: „Aber ich befürchte, sie möchten einen Müntzer kriegen.“ [Alte Wortbedeutung: „möchten“ = ‚könnten‘.]7 Ein viertel Jahrtausend später war das Publikum in die Lage versetzt, mit der Anschauung zweier spektakulärer europäischen politischen Revolutionen den Begriff zu verbinden. Noch immer eignete ihm erst einmal die umfassende Bedeutung der ‚Änderung‘ überhaupt, spezifisch einer solchen in der Natur. So verzeichnet Adelung zum Lexem „Revolu-
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tion“: „eine gänzliche Veränderung in dem Laufe oder der Verbindung der Dinge. So nennet man ungewöhnlich große Überschwemmungen, Erdbeben, welche große Landstriche verändern, Revolutionen in der Natur, die Reformation eine Revolution in dem menschlichen Verstande8. Besonders die gänzliche Veränderung in der Verfassung eines Reiches, wenn z. B. eine Monarchie in eine Republik, diese in eine Monarchie verwandelt, die Erbfolge auf eine gewaltthätige Art verändert wird. Die Englische, die Französische Revolution.“9 Ein Jahrhundert darauf findet man in einem Lexikon-Eintrag als Äquivalent des Lexems „Revolution“ zwar immer noch die ‚Umwälzung, Umdrehung‘ in der Natur (Astronomie), dann aber auch die Erweiterung: „jede gewaltsame Umgestaltung sowohl in der physischen Welt (Naturrevolution) als im politischen und sozialen Leben der Völker, insbes[ondere] die Umgestaltung einer bestehenden Staatsverfassung, welche widerrechtlich, d. h. mit Verletzung der Rechtsordnung des Staates, bewerkstelligt wird.“ Weiterhin präsentiert der Artikel an unterschiedlichen Bestimmungen: Reform im Gegensatz zur Revolution, Gewaltanwendung oder deren Fehlen, „Palastrevolution“ als Revolution ‚von oben‘ oder ‚von unten‘, Staatsstreich im Unterschied zur Revolution.10 In Nachschlagewerken der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist in der Regel ein weiteres – dann gewöhnlich vorrangiges – Definitionsmerkmal hinzugekommen, wenigstens stärker akzentuiert worden: der gesellschaftliche Umbruch, die soziale Revolution. Zwei mehr oder minder zufällig ausgewählte Beispiele: Drechsler definiert die Revolution: „Grundlegende – meist plötzliche und gewaltsame – Umwälzung der Gesellschaftsordnung; Gegensatz: Evolution.“ (Im Anschluß erweitert er seine Definition um den Bestandteil „Staats-“:) „Revolution im engeren Sinne bedeutet immer die radikale Umwälzung der bestehenden Staatsund / oder Gesellschaftsordnung.“ Der Verfasser unterscheidet an „äußeren Formen“: die gewaltsame – „als blutiger Bürgerkrieg“ – oder friedliche; die – „meist spontane – Massenaktion“, entweder „in Gestalt der klassischen Volksrevolution“ oder „als bewußte ‚Revolution von oben‘“; endlich eine, „die – über Palastrevolution und Staatsstreich hinausgehend – unter Einsatz der Machtmittel des Staates eine weitreichende
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Umgestaltung der politischen und / oder Gesellschaftsstruktur bewirkt“ – wobei er als Muster Bismarcks Reichseinigungskriege 1864–1871 heranzieht –.11 In dem in der DDR fast gleichzeitig entstandenen Kleinen Politischen Wörterbuch wird im Artikel „Revolution“ vor allem die soziale und sozialistische Revolution akzentuiert. Revolution sei: „grundlegende qualitative Umgestaltung der Gesellschaft als Ganzes oder einzelner, wesentlicher gesellschaftlicher Erscheinungen (z. B. die wissenschaftlich-technische Revolution, die R. auf dem Gebiet der Ideologie und Kultur usw.), eine der wichtigsten Phasen und Formen der Entwicklung. Unter einer sozialen R. versteht man einen qualitativen Sprung in der Entwicklung der Gesellschaft, in deren Ergebnis eine ökonomische Gesellschaftsformation durch eine andere abgelöst wird.“ Als deren Eigentümlichkeit erscheine: „Die sozialistische R. ist eine R. grundsätzlich neuen Typs. Ihr Ziel besteht darin, jede Form der Ausbeutung zu überwinden und die Entwicklung zur klassenlosen Gesellschaft einzuleiten.“ Von der Revolution streng zu unterscheiden seien die Konterrevolution, dazu außerdem auch Vorkommnisse wie: „bewaffneter Aufstand“ und „Bürgerkrieg“: Gelinge es der bereits entmachteten Klasse, „ihre Herrschaft zeitweilig wiederherzustellen, oder wenn sie diesen Versuch unternimmt, so spricht man von einer Konterr[evolution].“ Zahlreiche Aufstände und Bürgerkriege in der Geschichte seien nicht als Revolutionen zu bewerten, „weil sie nicht darauf zielten, eine neue sozialökonomische Ordnung zu errichten. Auf der anderen Seite sind R[evolutionen] auch ohne bewaffneten Aufstand, ohne Bürgerkrieg möglich.“12 Zumindest unter einem Aspekt existiert in den umstürzenden Vorgängen in Deutschland indessen eine Gemeinsamkeit: In allen ist die Mitwirkung Intellektueller bezeugt. Im Bauernkrieg befanden sich unter den Parteigängern der Aufständischen Wendel Hipler (um 1465–1526); Michael Gaismair (1532 ermordet); der zugleich predigend und dichterisch tätige Theologe Thomas Müntzer (um 1490–1525, hingerichtet) sowie einer der großen bildenden Künstler der Epoche, der Schöpfer von Schnitzaltären und Steinbildhauer Tilman Riemenschneider (um 1460– 1531). An der Revolution von 1848/49 beteiligten sich Gelehrte aller Disziplinen in bedeutender Anzahl, darunter einige der bekanntesten For-
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scher der Epoche. Nicht wenige von ihnen wurden in die Deutsche Nationalversammlung gewählt, die in der Frankfurter Paulskirche tagte. Neu war 1918/19 gegenüber der älteren Zeit bloß, daß man sie nun regelmäßig mit dem seit etwa der Jahrhundertwende geläufig gewordenen Begriff als „Intellektuelle“ bezeichnete. Der Untertitel des vorliegenden Buches lautet: „Deutsche Intellektuelle und die Novemberrevolution“. Es soll Aufschluß geben über die Partizipation von Männern und Frauen einer herausgehobenen soziologischen Schicht in einem bestimmten historischen Zeitraum und in einem nationalen Wirkungsbereich. Beabsichtigt ist nicht eine Monographie über ein historisches Ereignis, sondern es soll versucht werden, auf der Folie der Geschichte ein Tableau beteiligter Intellektueller zu entwerfen. Es ist als Beitrag gedacht zur schärferen Konturierung der Ereignisfolge vom Herbst 1918 bis zur Jahresmitte 1919 in Deutschland. Zu fragen ist: Wie spiegelt sie sich in Aktion, Gedankenwelt und Niederschrift zeitgenössischer intellektueller Persönlichkeiten wider? Der Fokus liegt primär auf denjenigen unter ihnen, die sich in den vielfältigen Vorgängen als Akteure hervortaten. Unter den zeitgenössischen Intellektuellen, die passive Zeugen der Revolution waren, wie auch unter den Akteuren sind seinerzeit einzelne zu Geschichtsschreibern der Vorgänge geworden. Ferner wäre dasselbe Tableau als Beitrag zur „Intellektuellenfrage“ zu denken, zu einer älteren Diskussion also oder vielleicht sogar alten, antiken13. Sie ist gegenwärtig, zu Beginn des 21. Jahrhunderts erneut aufgeflammt. Im Juni 2007 brachte die Zeitschrift „Z“14 eine Auswahl von Abhandlungen zum Thema: Intellektuelle im Neoliberalismus. In seiner Untersuchung Der Intellektuelle der sozialen Frage erinnert hier David Salomon daran: „Der moderne Intellektuelle ist ein genuines Produkt des Bürgertums und seines Aufstiegs.“ Die „geistige Haltung“, die dem Intellektuellen zugeschrieben werde, habe Kant in die Formel gepreßt: „sapere aude“, ein Imperativ: habe den Mut, dich deines Verstandes „ohne Leitung eines anderen zu bedienen“.15 In der weiteren Geschichte zeige sich dann „als erste konsequente Erscheinungsform eines Intellektuellen der sozialen Frage“ der „Intellektuelle der Arbeiterklasse“, „der
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das Kantsche sapere aude aus seiner bürgerlichen Beschränktheit gelöst“ habe.16 Indessen treten von Zeit zu Zeit Kritiker auf, die in merkwürdiger Verwerfung ihres eigenen, doch auch intellektuellen Habitus die Legitimität des Intellektuellen anzweifeln, überhaupt dies Phänomen an sich. Wie vor einem Jahrhundert Thomas Mann in den Betrachtungen eines Unpolitischen, so ähnlich jetzt noch einmal der Schriftsteller Botho Strauß. Er prophezeit: „Alle Zukunftsträume, den Typus des Intellektuellen betreffend, sind schon deshalb Schäume, weil Intellektuelle von der Mutter aller Revolutionen zur Welt gebracht wurden und nun im Alter von über 200 Jahren als verbraucht und überlebt angesehen werden müssen; sie werden also wieder aus der Geschichte verschwinden.“ Intelligenz wäre in summa eine abgetane Sache: „die kritische, die durch Kommunikation ausgeleierte, erschöpfte, die immer im Ganzen überblickbare, die nie und niemanden überraschende Intelligenz“. Daraus ergibt sich für ihn seine antihumanistische Konfession: es solle Schluß sein mit dem „Kitsch der Toleranz, Kitsch des Weltweiten, Humankitsch, Kitsch der Minderheiten und der Menschenrechte, Klima-Kitsch und Quoten-Kitsch“.17 Damit bestätigt sich die historische Erkenntnis, die Peter Stein formulierte: „Es spannt sich also ein Bogen von den Debatten über die Neuheit und die Berechtigung des (später) sog. ‚universellen Intellektuellen‘ zur Zeit der Jahrhundertwende 1900 bis zu den Debatten über das Altgewordensein und über die Berechtigung, diesen Typus zum Jahrhundertende verabschieden zu können.“18 Einen zunächst von der Intellektuellenfrage getrennten Gegenstand, einen in der Öffentlichkeit, insbesondere in der Publizistik, Historiographie und Politologie vielfach erörterten bildet „die Revolution“, bilden sowohl die historische Erscheinung an sich als auch die einzelnen Fallbeispiele, dazu die Revolutionen ‚des Geistes‘, die „révolutions de l’esprit“, wie D’Alembert sie benannte, und wofür er zum Beleg die Renaissance, die Reformation, die moderne Philosophie seit Descartes und die Aufklärung anführte. Es sind die Perioden großer Umschwünge, worin beide Phänomene einander kreuzen, einander auffällig begegnend, die Revolution und die Intelligenz, in der Weise, daß Intellektuelle
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sich gefordert fühlen, mit der Revolution zu gehen, oder, diese abwehrend, die Konterrevolution aufzurüsten. Ein Kreuzungspunkt dieser Art war ebenfalls die Novemberrevolution in Deutschland. Neu sind darin mehrere Aspekte. Einmal schon die größere Menge von Menschen aus geistigen Berufen, deren Auftreten durchaus nicht von allen Seiten mit Fassung wahrgenommen wurde, so wenn ein namhafter Wissenschaftler, Max Weber, gegen die involvierten „Literaten und Glaubenskämpfer“ polemisierte19. Als „Glaubenskämpfer“ karikiert Weber vermutlich in erster Linie diejenigen Intellektuellen, die sich der Arbeiterbewegung verpflichten sowie der sozialistischen Doktrin, die er als ‚Glaubensbekenntnis‘ betrachtet, und mit dem Wortbestandteil „-kämpfer“ rügt er ihre Streitbarkeit im Namen des Marxismus. Eine überproportionale Beteiligung von Künstlern monierten ihre Gegner insbesondere in der Bayerischen Räterepublik. Gern attackierte man die Trias Toller – Landauer – Mühsam, wie zuvor schon Eisner und seine Gründung des Freistaats. Worüber Thomas Mann – zu diesem Zeitpunkt einer ultrakonservativen Weltanschauung anhängig – am 8. November 1918 in seinem Tagebuch notierte: „München, wie Bayern, regiert von jüdischen Literaten.“20 Die größere Quantität erklärt sich aus dem Anwachsen der Schicht der Intelligenz seit etwa der Reichsgründung sowie der Zunahme der Künstlerschaft, spürbar in der Reichshauptstadt, aber vor allem auch in München. Mit Hilfe welcher Kategorien können die beteiligten zeitgenössischen Intellektuellen und ihre damaligen Positionen beschrieben werden? Ein vergleichbares Problem ergibt sich in der Darstellung wichtiger Protagonisten jeder größeren historischen Bewegung, der Träger einer wechselhaften Ereignisfolge. Zuweilen wird nach dem Muster der Bildergalerie verfahren, indem eine Anzahl einzelner Porträts angefertigt wird. Sollten die Historiker, auch Literatur- und Kunsthistoriker, sich mit der bewährten Arbeitsweise begnügen und separat die Biographien jeweils einzelner wesentlichen Persönlichkeiten abfassen? Für eine Anzahl der an der Novemberrevolution Beteiligten gibt es sie. Aber für manche, über die man gern Näheres erfahren würde, ist das Fehlen zu beklagen, wie es Gerhard Engel im Fall des Matrosenführers Eugen Lieby fest-
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stellte. Lieby agierte in den Räterepubliken Cuxhaven und Bremen außerordentlich umsichtig, sehr kraftvoll, so daß ihm die Verteidiger der Hansestadt den Oberbefehl über ihre Streitkräfte übertrugen. Detaillierte Untersuchungen über Lieby und andere wären von großem Wert, so Engel, „da man aus dem biographisch erhellten Mikrokosmos Einzelner bedeutende Einblicke in den Makrokosmos der Entwicklungen während ihrer Lebenszeit zu gewinnen vermag.“21 Wer die systematisierende Analyse anstrebt, setzt sich leicht dem Vorwurf der Pedanterie aus. Und sie mißlingt oft. Ein Autor z. B. wie Kurt Hiller: bürgerlicher Herkunft, sein Leben lang kritisch den Arbeiterparteien gegenüber, wird in der Revolution in Berlin der Vorsitzende des Politischen Rates geistiger Arbeiter, etabliert sich danach als Pazifist, nennt sich selber Sozialist. Einer also, der in manche Schublade gepaßt hätte, doch in eine für sich gehört. Zweites Beispiel: Ernst Toller; ebenfalls bürgerlicher Herkunft, als Sozialist Mitglied der USPD, führend in der Münchener Räterepublik, als Pazifist zum Kommandeur der RäteArmee in Bayern geworden, später in der „Gruppe Revolutionärer Pazifisten“ (GRP) aktiv, die Kurt Hiller führte. Sozialist, Räterepublikaner, Heerführer, Pazifist? Persönlichkeiten gleich diesen sperren sich augenscheinlich gegen jede Einordnung. Dennoch, am weitesten scheint der Vorsatz zu führen, die zeitgenössischen Intellektuellen, die in der Novemberrevolution tätig wurden, experimentell in Gruppen zusammenzudenken, welche mit geschichtlichen, nachweislich institutionalisierten in eins fallen können, aber nicht müssen. Soweit sich Intellektuelle in der Tat den in der Realität existierenden Gruppen, Bünden, Vereinigungen oder Parteien usw. anschlossen, ist diese Zugehörigkeit ein Kriterium. Es kann jedoch nicht für sich allein in Betracht kommen, da auch andere Merkmale von Wichtigkeit sind, z. B. die politisch-philosophische Lehre des Protagonisten. Als Quellen eignen sich vorzüglich: Autobiographien und Biographien – darunter am wichtigsten: die zeitnah verfaßten –, Tagebücher, Briefwechsel, andere Niederschriften, gedruckte Artikel. Die Befassung mit der Intellektuellenfrage schließt die Bemühung ein, zu erkunden wer oder was das ist, ein Intellektueller. Es existiert
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nicht ein Idealtypus mit einem gestanzten Lebenslauf, ein Musterexemplar, welches dann in der Regel dem Bürgertum entstammen sollte, um die konventionelle Laufbahn zu beschreiten: am liebsten aus ‚guter Familie‘, Gymnasium, Abitur, Universitätsstudium, Übernahme eines geistigen Berufs. Notwendig ist es daher zunächst, eine differenzierte Vorstellung des Intellektuellen zu gewinnen. In den Jahrzehnten um 1900 kommt einmal bereits der ausgebildete „Intellektuelle der Arbeiterklasse“ auf. Es gibt den Arbeiter aus Arbeiterfamilie, der sich – meist autodidaktisch – bildet und zum Intellektuellen ‚hinaufarbeitet‘. Daher entscheiden über die Zugehörigkeit zur Intelligenz nicht die Anfänge eines Menschen. Nicht die Stationen seiner Ausbildung bestimmen die Zugehörigkeit, sondern in erster Linie der erlangte persönliche Status in Verbindung mit einer mehr als durchschnittlichen individuellen Leistung. Zur Ausstattung der Intelligenz rechnet der Besitz eines Bilds der Welt sowie eines Selbstbilds, eingeschlossen das Verständnis der Rolle in den Zeitverhältnissen, rechnet eine gewisse Autonomie im Tun – das kantische Postulat: sich seines Verstandes „ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, eventuell mit der zusätzlichen Funktion, andere zu leiten. Als Merkmal des Intellektuellen kommt häufig sein energisch eingreifendes Handeln in Betracht, das sich anfänglich meist als Kritik an ungerechten Beschlüssen von Institutionen sowie an der Praxis staatlicher Autoritäten äußert. Diesen Gesichtspunkt heben Drechsler u. a. in ihrem Lexikon unter dem Lemma „Intellektuelle“ hervor: „Häufig werden alle Personen als Intellektuelle angesehen, die einen geistigen Beruf ausüben. In der politischen Diskussion wird diese Bezeichnung jedoch vorwiegend auf jene Personen angewandt, die als Kritiker der Gesellschaft auftreten und dabei meist eine radikaldemokratische Position einnehmen. Viele von ihnen sind Schriftsteller und Wissenschaftler.“22 Maßstäbe setzten etwa Voltaire, der mit geistigem Elan die Gerichte Frankreichs zwang, das – bereits vollstreckte – Todesurteil gegen den nachweislich unschuldigen Jean Calas, das Opfer eines Justizmords, aufzuheben (Rehabilitation 1765), und später Émile Zola, der den Richtern, die das Unrechtsurteil gegen Dreyfus ausgesprochen hatten, sein „J’accuse“ ent-
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gegen schleuderte. Zu dem allen kommt als spezifisch für die Intelligenz hinzu: die Gewandtheit im sprachlichen Ausdruck, die überlegene Fertigkeit im Sprechen und Schreiben. In der deutschen Revolution 1918/19 zählten deshalb zu den bekanntesten Intellektuellen: Journalisten, Publizisten, Künstler, politisierende Schriftsteller und schriftstellernde Politiker (das Beispiel Walther Rathenau). Besonders zeichnete sich die Mentalität der am stärksten an den Ereignissen beteiligten Intellektuellen durch die Komponente außergewöhnlichen Mutes aus. Er manifestierte sich in ihren revolutionären Aktivitäten, wie überhaupt in der Opposition gegen überlebte politisch-gesellschaftliche Zustände, und in der raschen Aufnahme konstruktiver Tätigkeiten, u. a. in Form der Ausübung eines Mandats in Arbeiter- und Soldatenräten oder eines Amts in einer der aus dem Umsturz hervorgegangenen Regierungen. Im Ausnahmefall sogar in militärischer Tätigkeit (Ernst Toller, Friedrich Wolf, Max Hoelz). Mit unscharfer Abgrenzung zur Intelligenz, als deren künstlerisches Seitenstück etablierte sich in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert die Bohème. Ein Anteil von ihr stellte sich an die Seite der Revolutionäre. Deshalb gehören einige Künstlerinnen und Künstler in das Tableau. Außerdem wirkten im politischen Milieu der Revolution und der nachrevolutionären Ära diverse Halb- oder Pseudo-Intellektuelle bzw. Personen mit angestrebtem, aber verwehrtem Künstlerdasein, als deren Prototyp ein Adolf Hitler gelten kann. Wie für die Intellektuellen, so für die Revolution: Vermieden werden muß die Ansetzung eines Ideals, welches dann den Maßstab abgäbe dafür, was eine Revolution sei. So wurde vielfach die Französische Revolution als das überzeitliche Modell benutzt, um daran die folgenden Revolutionen zu messen, sogar auch frühere. Mit Abwandlung eines Hinweises von Sigmund Freud, man könne nicht sagen, was „die Frau“ ist, allerdings ermitteln, wie sie geworden sei: Man wird darauf verzichten müssen, a priori festzulegen, was „die Revolution“ wäre, dafür allerdings zu ermitteln suchen, wie ein revolutionäres Ereignis oder eine umstürzende Ereignisfolge zustande kam, wie diese verlief und welches Ergebnis sie zeitigte. Als Kategorien der Untersuchung bieten sich an: Revolution von oben oder Revolution von unten, Putsch, politische und soziale
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Revolution, bürgerliche oder Räterepublik, Aufstand, Gegenrevolution. Ob nun ein gewissermaßen punktuelles Ereignis eintrat, ob eine Sequenz mit mehreren unterschiedlichen Stufen, üblich ist, trotz aller Verschiedenheit im einzelnen den Geschehnissen die einebnende Bezeichnung „Revolution“ aufzuprägen. Der Umsturz in Deutschland 1918 bildete nicht ein isoliertes Ereignis in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er gehört in den Gesamtzusammenhang, den Eric Hobsbawm als „Das Zeitalter der Extreme“ charakterisierte, so wie auch die russische Revolution – die sich in Wirklichkeit in drei zerlegte: eine 1905, zwei im Jahre 1917 –. Um das Tätigkeitsfeld zu umreißen, auf dem sich die Intellektuellen bewegten, von denen die Rede sein soll, wird im I. Kapitel eine Übersicht über die Grundzüge der deutschen Revolution von 1918/19 vorangestellt. Äußerungen der Intellektuellen und zeitgenössische Beschreibungen der Vorgänge werden nach Möglichkeit den Quellen entnommen. Nicht anders in den nächsten Kapiteln. Vergleichend sind Ergebnisse der späteren Forschung und historische Darstellungen herangezogen worden. Allerdings kann kein Historiker bei der Fülle des Quellenmaterials und dem Ausmaß der wissenschaftlichen Literatur eine Vollständigkeit erreichen, nicht einmal eine annähernde. Das II. Kapitel enthält eine kursorische Auseinandersetzung mit den Aspekten der Intellektuellenfrage in der Diskussion zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den darauf folgenden Kapiteln wird es darum gehen, eine Auswahl der in der Revolution und Gegenrevolution mitwirkenden Intellektuellen gemäß ihrem vornehmlichen Wirkungsfeld und auch ihrem politischen Impuls zu präsentieren. Wegen der vorhandenen Materialmenge ist es unvermeidlich, in den Ausführungen nur bei einer Anzahl herauszuhebender Persönlichkeiten länger zu verweilen, bei den übrigen kürzer. Es ergeben sich vier größere Gruppierungen: Kapitel III. Unterschiedliche Abschattungen: Intellektuelle in den bürgerlich-demokratischen und sozialdemokratischen Parteien, interessiert beobachtende Personen, Künstlerinnen und Künstler, Intellektuelle auf Seiten der Konterrevolution. IV. Intellektuelle in Verbindung mit dem Aktivismus und Pazifismus.
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V. / VI. Radikale Vorstöße: Intellektuelle im Spartakusbund sowie in dessen Umkreis. Intelligenz im Verhältnis zu den Räten, die Räterepubliken und die Errichtung der Betriebsräte. * Wir widmen dies Buch dem Andenken an hervorragende Persönlichkeiten aus der wissenschaftlichen Forschung, die verstarben. Dankbar sind wir der nachfolgend genannten Kollegin und den Kollegen, mit denen wir intensiv zusammengearbeitet haben: Till Böttger, Leipzig; Walter Grab, Tel Aviv; Eberhard Hilscher, Berlin; Ursel Hochmuth, Hamburg; Thomas Höhle, Halle / Magdeburg; Ulrich Müller, Salzburg, und Gerhard Wagner, Berlin.
I. Grundzüge der Novemberrevolution Eine Revolution oder keine Dem ersten Weltkrieg folgten in Deutschland die Novemberrevolution und die aus ihr entspringende Weimarer Republik. Ihnen 1933 – nur anderthalb Jahrzehnte nach 1918 – die Umwandlung der Republik in die NS-Diktatur, dem Kriegsende von 1918 im Abstand von 21 Jahren der zweite Weltkrieg. Teile der Forschung neigen dazu, beide Weltkriege als einen Zusammenhang aufzufassen. Darin hätte dann die Revolution eine Zäsur gebildet und die Republik von Weimar ein – knapp vierzehn Jahre währendes – Zwischenspiel. Eric Hobsbawm schreibt, das 20. oder „kurze“ Jahrhundert sei „von Krieg gekennzeichnet“, und wer seine Geschichte verstehen wolle, müsse „mit der Geschichte des einunddreißigjährigen Weltkriegs beginnen“ (1914–1945).1 Mit derselben muß auch beginnen, wer den Charakter der Zäsur samt dem Zwischenspiel verstehen möchte, die Novemberrevolution und die Gründung der ersten deutschen Demokratie, die sich mit dem Namen Weimar verbindet. Mit der Geschichte des Weltkriegs beginnen, heißt jedoch, nach dessen Ursache fragen. Hätte vielleicht ein gemeinsames – doch verheimlichtes – Interesse aller bedeutenderen Regierungen dazu beigetragen, 1914 den Krieg auszulösen? Mit einem Zitat von Fernand Braudel verwies Canfora darauf, „daß sich der Westen 1914 nicht nur am Rand des Krieges, sondern auch am Rand des Sozialismus befand. Dieser schickte sich an, die Macht zu erobern und ein Europa aufzubauen, das genauso modern sein würde wie das gegenwärtige, wenn nicht moderner.“ Der Eroberung der Macht durch die Sozialisten schob der Krieg sofort einen Riegel vor.2 Hellmut von Gerlach argwöhnte 1922: „Die einen sahen in einem Kriege die einzige Möglichkeit, dem immer wachsenden Zustrom der deutschen Arbeiter zum Sozialismus einen Damm entgegen zu stellen. … Andere ersehnten vom Kriege eine Gegenwirkung gegen den nach ihrer Meinung immer zunehmenden materiellen Sinn.“3 Hätten aber die Herrschenden den Dolus gehegt, die Arbeiter der Nationen an
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I. Grundzüge der Novemberrevolution
die Fronten zu schicken, um die der einen durch die der anderen zu dezimieren? Friedrich Heer verdächtigte 1966 „die Reaktionäre“ und ihr Ansinnen: „die Massen, die neuentstandenen Massen der unruhigen europäischen Arbeiterschaft, zumal des Proletariats, sind in einem europäischen Krieg zu verheizen.“4 Bewußter Plan oder unbewußter Impetus? Es gelang. Die Arbeiter ließen sich ohne entschiedene Widerwehr ins Feld schicken, wie Rosa Luxemburg 1918 klagte: „Das deutsche Proletariat, das verabsäumt hat, dem Sturmwagen des Imperialismus in die Speichen zu fallen, wird von ihm nunmehr zur Niederringung des Sozialismus und der Demokratie in ganz Europa herumgeschleift. Über die Knochen der russischen und ukrainischen, baltischen, finnischen revolutionären Proletarier, über die nationale Existenz der Belgier, Polen, Litauer, Rumänen, über den wirtschaftlichen Ruin Frankreichs stampft der deutsche Arbeiter, bis über die Knie im Blute watend, vorwärts, um überall die Siegesfahne des deutschen Imperialismus aufzupflanzen.“5 Dagegen standen die Kriegsgegner unter den Intellektuellen auf, so Kurt Eisner. Felix Fechenbach zitierte aus einem Brief Eisners (1917) an das Münchener Generalkommando, worin der Absender schrieb: „Der Schriftsteller hat die Aufgabe, die Wahrheit gewissenhaft zu suchen, und, wenn er sie gefunden hat, zum Nutzen der Allgemeinheit zu bekennen und zu verbreiten.“6 „Spartacus“ zitierte im August 1918 den deutschen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Richard von Kühlmann (1873–1948), mit seiner Reichstagsrede vom 24. Juni 1918, wonach auf „militärischem Wege“ das Ende des Kriegs nicht mehr zu erwarten sei.7 In heutiger Sicht wäre seine Aussage zu vervollständigen: ein für das Deutsche Reich siegreiches Ende. Denn richtig ist, auf „militärischem Wege“ kam es im Verlauf desselben Jahres ja alsbald, eben nur als Sieg der Gegenseite. Symbol dafür war der 8. 8., der „schwarze Freitag“ mit Angriff der Entente-Truppen östlich von Amiens, den Tanks und Flugzeuge unterstützten. Den Sieg auf militärischem Wege erwarteten nicht einmal die Verfasser der Spartakusbriefe. Sie sagten: „Nein, ein Ende kann eben einzig und allein die proletarische Revolution bringen“, und: „Objektiv ist Deutschland heute das reifste Land für die proletarisch-sozialistische Revolution, für die
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führende Rolle in der Weltrevolution der Arbeit“.8 Reife hin oder her, die doppelte Selbsttäuschung der Schreiber wird offenbar: Weder bewirkte die proletarische Revolution die Schließung des Völkerschlachthauses, noch übernahm die deutsche Arbeiterklasse die führende Rolle in der Weltrevolution. Diese blieb bekanntlich aus. Die militärische Niederlage des Reichs jedoch kam. Der Historiker Hans Herzfeld resümierte 1968, „daß der Erste Weltkrieg auch militärisch mit der vollen und unbestreitbaren Niederlage Deutschlands endete“.9 In wessen Hände geriet das Land jetzt? Eine Politikerin vom rechten Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung schilderte den Anblick, der sich ihr in Hamburg in Gestalt der „gut genährten Matrosen“ bot, „die machtberauscht mit ihren rotbeflaggten Geschützen durch die Straßen donnerten, vor denen man die Nahrungsmittelvorräte der Stadt vergebens zu schützen versuchte, das war die blinde und brutale Gewalt, in deren Fäuste im unglücklichsten Augenblick das deutsche Schicksal gefallen war.“10 Dermaßen entwarf sie nicht nur ein Zerrbild der Aufständischen, die sie als räuberisch anprangerte, sondern verkannte vor allem, daß zu dem „erschütternden Zustand von düsterer Auflösung“ keineswegs zuerst die Matrosenerhebung geführt hatte. Zwar gab es diese, aber nicht als Hauptursache. Einige Zeitgenossen, die kritisch genug waren, vermuteten damals gleich, daß dieselben Kräfte, die den Krieg 1914 inszeniert hatten, nach einer Weile des Atemschöpfens daran gehen würden, das Menschenschlachthaus erneut zu eröffnen. Heinrich Mann ahnt ein mörderisches neues militärisches, kulturelles und ökonomisches Desaster in Form eines zweiten Waffengangs. Er spricht im Dezember 1918 „von jenen alldeutschen Fanatikern“, „die bis gestern das Wort hatten, und die nur darauf warten, es wieder an sich zu bringen, um womöglich das Land noch einmal zu entvölkern, noch einmal zu entsittlichen, noch einmal an den Bettelstab zu bringen.“11 Düstere Ahnungen hegt auch Graf Kessler. Am 10. Januar 1920 vermerkt er: „Eine furchtbare Zeit beginnt für Europa, eine Vorgewitterschwüle. die in einer wahrscheinlich noch furchtbareren Explosion als der Weltkrieg enden wird. Bei uns sind alle Anzeichen für ein fortgesetztes Anwachsen des Nationalismus.“12 Auf
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der anderen Seite, im Lager jener nationalistischen Kräfte, die demnächst beginnen, sich unter dem Hakenkreuz zu sammeln, wird ein zweiter Krieg sogar gewünscht als Möglichkeit, wiederholt „die Ramme gegen den Feind zu kehren“, der ihnen Frankreich heißt.13 Wie der liberale Politiker Eugen Schiffer den Kaiser während des Krieges hatte schwadronieren hören, prophezeite auch dieser einen zweiten Krieg, er aber gegen England.14 Wer oder was aber war es wirklich, welche Instanz oder Kraft beendete den Krieg, der, wie sich zeigen sollte, nur der erste „Deutschlands gegen die Welt“ (Hitler) war? Das Militär der Entente, das deutsche Proletariat, die „gutgenährten Matrosen“? War es die Revolution? Der Soldatenrat Frick (MSPD) stellte am 17. 11. 1918 die Frage: „Was ist diese Revolution, von wem wurde sie entfacht, von wem ist sie getragen?“ Und selber beantwortete er seine Frage: „… die Revolution ist getragen von den großen Massen, und zwar von den sozialistisch denkenden Massen.“15 Also doch – die Massen? Der Kontrast könnte nicht größer sein. Eine Frau vom linken Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung, Helene Stöcker, spricht im Februar 1919 von „dem großen Werk der Erneuerung der Welt“. Überzeugte sie ihre Leserschaft vom Wesen der Vorgänge, wie sie selber sie sah? „Wir wollen von jeher, und heute erst recht, vor allen Dingen Lebensreformer, Mitgestalter an dem großen Werk der Erneuerung der Welt, d. i. der Herzen der Menschen, sein.“16 Den „sozialistisch denkenden Massen“ Fricks hätte die Formel „Erneuerung der Welt“ zwar zusagen können, aber nicht unbedingt die Revolution als Erneuerung der Herzen. Besonders frappieren mag Kesslers Tagebuch-Notiz vom 30. September 1918: „Seit Iena keine solche Umwälzung.“17 Gewiß will der Verfasser mit der Parallele „Iena“18 die Bedeutung des Vorgangs hervorheben. Verwunderlich das Datum! Am 30. September oder um diesen Zeitpunkt herum gab es keine Vernichtungsschlacht à la Jena. Was dann war die Umwälzung? Am 29. September forderte die Oberste Heeresleitung (OHL) von der kaiserlichen Regierung die sofortige Herbeiführung des Friedens auf Grundlage der 14 Punkte des US-Präsidenten Wilson. Das Eingeständnis der militärischen Niederlage! Umwälzend aber auch, was die Regierung demnächst oktroyierte, eine neue – parlamentarische – Verfassung.
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1918 arbeitet im deutschen Kriegsministerium in der Funktion des Chefs der Kavallerie-Abteilung Paul Freiherr von Schoenaich (1866– 1954), ein preußischer Offizier, der 1919 bei seiner Entlassung zum Generalmajor befördert werden wird. Die Novemberrevolution ist in seinem Urteil keine, sondern nur „ein sang- und klangloses Abtreten der alten Gewalten“.19 Der führende Kopf der Bremer Linksradikalen, Johann Knief, kam, so Gerhard Engel, zu der Einschätzung, was vorfiel, wäre ein „Militärputsch“, und in der ersten Ausgabe der von ihm gegründeten Tageszeitung der IKD (der Internationalen Kommunisten Deutschlands) „Der Kommunist“ stand noch stärker übertrieben: er sei „konterrevolutionär“; weshalb? Eine dogmatisch-verquere Argumentation: Die aktuelle Bewegung erstrebe den Frieden und die Demokratie, anstatt, wie es notwendig wäre, die Diktatur des Proletariats oder die „unmittelbare Herbeiführung des Kommunismus“.20 Ein vergleichsweise harsch tadelndes Urteil gab Walther Rathenau 1919 ab: „Den Generalstreik einer besiegten Armee nennen wir deutsche Revolution. Die Arbeitsaufnahme einer neuen Versuchsarmee nennen wir deutsche Gegenrevolution.“21 Die „Versuchsarmee“: wohl die Freikorps in der Entstehung. Ein radikales Nein trug im selben Jahr auch Kurt Tucholsky vor: „Wir haben in Deutschland keine Revolution gehabt – aber wir haben eine Gegenrevolution.“22 Vergleichbar Ernst Toller. Die 1918 errungene bürgerliche Demokratie wertete er als die Begleiterscheinung des Friedensangebots, das die Reichsleitung auf Anforderung der Obersten Heeresleitung Anfang Oktober an Wilson absandte: Sie „weckt keinen Widerhall, weder der Reichstag erkämpfte sie noch das Volk, sie wurde diktiert …“23 Daß eine Revolution stattgefunden hätte, bestritt auch Max Hoelz: „Was 1918 in Deutschland vor sich ging, war keine Revolution. Die feigen Fürsten flohen, und die ‚tapferen‘ Herren Ebert und Scheidemann setzten sich auf die leergewordenen Sessel.“ Genuine Revolutionen seien nur die französische und die russische.24 Mit den zeitgenössischen Äußerungen, es hätte keinerlei Revolution gegeben, deckt sich die spätere des Historikers Fritz Fischer: Die Novemberrevolution werde häufig als das ausgegeben, was sie gerade nicht war: „Als bolschewistische Revolution wird oft noch verstanden, was, in der
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ersten Phase lediglich Revolution ‚von oben‘, in Wirklichkeit also überhaupt keine Revolution gewesen war: Im Oktober 1918 ging es – auf Geheiß des Monarchen – um weiter nichts als eine bloße Verfassungsreform in Richtung auf die konstitutionelle Monarchie britischer Prägung … Den guten Bürgern (und die sind in Deutschland ja zumeist auch rechte Bürger), war das bißchen verordneter Revolution und die sicherlich zum Teil erschreckende ‚revolutionäre Gymnastik‘ linksradikaler Arbeiter schon zuviel.“25 Wäre die Revolution von oben, weil nicht mehr als eine Verfassungsreform, „überhaupt keine“ gewesen, würde der Vorgang immerhin eine Phase historischer Umwandlungen eingeleitet haben, die sich inzwischen ein Jahrhundert lang bedeutend auswirken. Sie setzte sich zusammen aus Aktionen sowohl von ‚rechts‘ als auch von ‚links‘. Um mehrere davon wurden Legenden gebildet, um einige andere gibt es Differenzen bis hinein in die gegenwärtige wissenschaftliche Forschung. Sigmund Freud schreibt in seinem grundlegenden Werk Die Traumdeutung (1900): „Der Traum ist ein Konglomerat, das für die Zwecke der Untersuchung wieder zerbröckelt werden soll.“26 Als Konglomerat oder „Knäuel“ bietet sich auch die deutsche Geschichte von 1918 ff. dar, wie Immanuel Geiss festhält: „Novemberrevolution 1918, Versailles 1919 und Weimarer Republik bilden daher zusammen ein schier unentwirrbares Knäuel innerer und äußerer Komplexe …“ 27 Für „die Zwecke der Untersuchung“ muß man es wie den Traum „zerbröckeln“, in Einzelbestandteile zerlegt, die jeweils gesondert zu beurteilen sind. So ist die Forschung gehalten, bei der Interpretation der deutschen Revolution von 1918/19 grundsätzlich der Vielfalt der Vorgänge Rechnung zu tragen. Bei einer Konferenz der ‚Hellen Panke‘ in Berlin anläßlich des 90. Jahrestags der Revolution (2008) verfuhr Jost Hermand dementsprechend. Er sagte: „Schließlich handelte es sich damals um eine Revolution, die in mehrere Richtungen tendierte: 1. eine von den kriegsmüden Soldaten begonnene; 2. eine sozialdemokratische im Gefolge Philipp Scheidemanns; 3. eine spartakistisch-kommunistische sowie 4. eine künstlerisch-expressionistische.“ 28 Ob man nun die Liste der vier „Richtungen“ übernimmt, noch weitere dazu zählt oder sie sämtlich anders betitelt, Geiss führt anschaulich das ‚Zerbröckeln‘ vor, die umsichtige Zerfaserung in Einzelvorgänge.
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Zusammenbruch, Friedenssehnsucht Das Lexem „Zusammenbruch“ ist in den Quellen aus der Novemberrevolution und in der späteren Forschung überaus häufig. Karl Alexander von Müller, poetisierend: „Derweil dröhnten von draußen, erst in meine Arbeits-, dann in meine Krankenstube, in nie abreißender, sich steigernder Folge, die grausamen Stundenschläge unseres politischen und militärischen Zusammenbruchs …“29 Eugen Schiffer vermutet eine Abfolge: „Nach dem Zusammenbruch der Monarchie, nicht nach dem Sieg über sie, aus dem horror vacui heraus, war die deutsche Revolution geworden.“ Dieselbe im Bilde der Selbstkastration: „Die Monarchie entmannte sich selbst, ehe sie durch das Volk beseitigt wurde.“ Schiffer auch, mit Griff zur Natur-Allegorie: „Sie fiel keinem Ansturm zum Opfer, sie brach in sich zusammen wie eine hohle Eiche unter einem Windstoß.“30 Wilhelm Kaisen stellte ein Kapitel seiner Autobiographie unter die Überschrift Der Zusammenbruch und beschrieb diesen näher: „Ludendorffs Verlangen nach einem sofortigen Waffenstillstandsangebot brachte den Stein ins Rollen, der in kurzer Zeit eine Lawine auslösen sollte . . .“31 Die Autoren der Zeit greifen also nach Synonymen für das Lexem „Zusammenbruch“, diesen mit Naturphänomenen oder -vorgängen vergleichend: Eiche, Windstoß, Erdbeben, Stein, Lawine. Daß die Politik mit Blut und Eisen, die ein Hauptkennzeichen der preußischdeutschen Staatsgründung gewesen sei, 1918 auch deren Ende herbeiführte, hebt Eduard Bernstein mit Verwendung sogar zweier Metaphern hervor (Geburt, Totengräber): „Das deutsche Kaiserreich der Hohenzollern brach zusammen. Die Macht, die bei seiner Erstehung Geburtshilfe hatte leisten müssen, die Politik von Blut und Eisen, ward sein Totengräber.“32 Der Pazifist Ossietzky räumt ein, daß sich anfangs „kein einheitliches Bild ergeben wollte“ und daß „zunächst Chaos eintreten mußte“, „eine geschichtliche Wende“. Tatsache sei: „daß eine Welt zusammengebrochen ist und neu errichtet werden muß.“33 Immerhin an eine Revolte rückte Carl Zuckmayer (1896–1977) den Matrosenaufstand heran: „Es gab keine ‚Novemberverbrecher‘. Es gab
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keine allgemeine große Volkserhebung, auch keinen organisierten Aufstand. … Einer elementaren Revolte glich höchstens der Aufstand bei der Kriegsmarine.“ Weiter im Text, eine äußerst sachliche Mitteilung über eine Verfassungsreform: „Was stattfand, war die Überleitung einer militärisch und wirtschaftlich ruinierten Nation aus ihrer historischen in eine der Gegenwart gemäße, demokratische Ordnung.“34 Karl Liebknecht analysierte den Vorgang mit dem Befund, daß die Revolution nach ihrer politischen Form doch nicht einzig eine proletarische Aktion gewesen sei, sondern eine überwiegend vom Militär ausgehende: „Ihre politische Form war in erster Reihe eine militärische Aktion, die nur mit manchem Körnlein Salzes proletarisch genannt werden kann; ihre Antriebe waren zum großen Teil nicht proletarische Klassennöte, sondern mehr oder weniger allgemein gesellschaftliche Gebrechen; der Sieg der Arbeiter- und Soldatenmassen war nicht so sehr ihrer Stoßkraft zu verdanken als dem inneren Zusammenbruch des früheren Systems; die politische Form der Revolution war nicht nur proletarische Aktion, sondern auch Flucht der herrschenden Klasse vor der Verantwortung für den Gang der Ereignisse; Flucht der herrschenden Klassen, die mit einem Seufzer der Erleichterung die Liquidation ihres Bankrotts dem Proletariat überließen und so der sozialen Revolution zu entgehen hoffen, deren Wetterleuchten ihnen den Angstschweiß auf die Stirn treibt.“ 35 Der Verfasser, der mit mehreren Naturmetaphern arbeitet (Salz, Wetterleuchten), bietet einen Komplex von Ursachen der Revolution an: neben jenem „inneren Zusammenbruch des früheren Systems“ den Anstoß durch das Militär (Ludendorff), „gesellschaftliche Gebrechen“ (etwa das preußische Klassenwahlsystem?), und beschreibt mit Hilfe eines ökonomisch-finanziellen Terminus („Bankrott“) das Gesamtgeschehen, wobei er die proletarische Aktion mit einem Anteil einkalkuliert. Von Erich Mühsam stammt eine methodologische Forderung: „Der Ursprung der Revolution aus dem Friedens- und Freiheitswillen der Soldaten muß deshalb in den Vordergrund jeder Betrachtung gestellt werden, weil er entscheidend ist für die revolutionären Ziele, die jetzt zu erstreben sind.“ (18. November 1918)36 In seiner Autobiographie bezeugt
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Richard Scheringer (1904–1986) ähnlich: „In Wirklichkeit war der 9. November ein gewaltiges Sichaufbäumen gegen Hunger und Krieg.“37 Und Carl Zuckmayer in der seinigen: „Das Volk war müde, erschöpft, enttäuscht, und in seiner Mehrheit keineswegs revolutionär gestimmt. ‚Friede und Brot‘ stand auf den Schildern, die bei Demonstrationszügen vorangetragen wurden; es stand auch das Wort ‚Freiheit‘ darauf, unter dem sich aber jeder etwas anderes vorstellte und das für die Mehrheit ebensogut durch das Wort ‚Ruhe‘ hätte ersetzt werden können.“38 Ossietzky will als einzigen Erfolg des Novembers sogar nur die Erringung des Friedens anerkennen, überzeugt, daß „der militärische Zusammenbruch“ gekommen wäre auch ohne meuternde Matrosen.39 Bramke hielt für die Forschung fest (2009): „Es herrscht Übereinstimmung darüber, die große Mehrheit der Bevölkerung wollte 1918 Frieden und – mit einigen Prozent Abstrichen – demokratische Verhältnisse.“40 Scherer insistierte: „Das ist die wichtigste Tatsache und der größte unter den Erfolgen der Revolution des 9. November 1918: Sie hat einen Weltkrieg beendet.“41 Es bleibt die Frage, inwiefern, was in der Wirklichkeit nicht absolut geschieden auftrat, die Friedensbewegung und die politische Revolution, in der Gedankenwelt getrennt aufzufassen wäre. Der Soldat, der den Frieden wünscht, sein Gewehr in den Straßengraben wirft und nur noch die eine Bestrebung kennt, auf dem schnellsten Wege seinen Heimatort zu erreichen, wird tatsächlich von einer revolutionären Partei nicht zu bewegen sein, wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen und für den Umsturz zu fechten. Hier treten die Friedenssehnsucht des Heimkehrers aus dem Schützengraben und die Revolution, die den kampfbereiten Streiter benötigt, in der Tat erkennbar auseinander. Doch gab es Umstürzler, die beides mit einander verschmolzen sehen wollten. Oskar Maria Graf erwähnt eine Versammlung von Syndikalisten, Angehörigen anderer politischen Richtungen, Freidenkern und einigen Intellektuellen, sonst „ziemlich viel Arbeiterfrauen und vereinzelte Soldaten“ darunter. Der ihm bis dahin unbekannte Kurt Eisner sprach und legte dar: „Die Herren von der Obersten Heeresleitung und die weisen Richter am grünen Tisch der Reichskanzlei irren, wenn sie annehmen, die überall
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aufflackernden Meutereien, die Streiks und Demonstrationen des Proletariats seien nur eine Bewegung für den Frieden allein. Nicht um eine bloße Gegenbewegung, Genossen und Genossinnen, handelt es sich mehr – es handelt sich, darüber müssen wir uns alle klar werden, um eine Fortbewegung in die Revolution hinein!“42 Der Redner bezeugte damit, daß er jene scharfe Trennungslinie zwischen den zwei Zielen: Frieden und (proletarische) Revolution abwies, weil er eine schnellere oder langsamere Entwicklung erwartete: Friedensbewegung als Revolution.
Revolution von oben, Revolution von unten Was vorfiel, hieß zuerst einmal bei den Initiatoren die „Neuordnung unseres Staatswesens“, schon eine Woche vor dem 9. November. Von wem in Gang gebracht? Erstaunlicherweise vom Obermilitärbefehlshaber. Er gab einen Befehl aus, welcher lautete: „Berlin, 2. November. Der Obermilitärbefehlshaber hat den stellvertretenden Generalkommandos, Gouvernements und Kommandeuren nach stehenden Erlaß zugehen lassen: Dem Grundgedanken der Neuordnung unseres Staatswesens entspricht es, wenn dem deutschen Volke in weitherzigster Weise das Recht zur freien Meinungsäußerung in Wort und Schrift gegeben wird.“ Es folgen Bestimmungen über Versammlungsfreiheit, Einschränkung der Zensur usw.43 Aus heutiger Sicht erstaunlich? Ein Militär verteilt Lizenzen, die in neuerer Zeit „Grundrechte“ heißen. Erstaunten die Menschen nicht, als sie plötzlich mit ihnen bis dahin versagten Freiheiten beglückt wurden? Wilhelm Kaisen bezeugt: „Wir horchten aber auf, als plötzlich auf Befehl der obersten Heeresleitung in der gesamten Armee Soldatenräte zu wählen waren. Jetzt erhielt jede unserer Batterien ihren eignen Soldatenrat. … So war ich nun Soldatenrat geworden.“44 K. A. von Müller hält fest: „Die Regierung, energischer als je, wo es sich um die eigene Selbstverstümmelung handelte, erzwang (! – d. Verf.) schließlich in langen Aussprachen vom 30. Oktober bis zum 2. November die Lösung: volle Parlamentarisierung, neues Kabinett, allgemeine Verhältniswah-
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len.“45 In seinem Buch über „die Rolle der SPD“ (1969) resümierte Malanowski: „Der erste Akt der Revolution war vollzogen – von oben. Deutschland war nun eine konstitutionelle Monarchie.“46 Die nun etablierte Demokratie, der Parlamentarismus waren frühzeitig bereits am 28. Oktober 1918 in der Reichstagsrede des Abgeordneten Otto Rühle auf Widerstand gestoßen, nicht um der Neuerungen selbst willen, sondern weil er ihren Geburtsfehler nicht hinzunehmen wünschte: nämlich den Umstand, daß die Regierung sie der Bevölkerung oktroyiert hatte. Rühle bekannte: „Wir lehnen weiter die sogenannte Demokratie und den Parlamentarismus ab, womit die bürgerlich-kapitalistische Regierung das deutsche Volk just in demselben Augenblick beglückt hat, in dem der Militarismus, bisher das stärkste Bollwerk der reaktionären Klassenherrschaft, unleugbar und unaufhaltsam zusammengebrochen ist und die Oberste Heeresleitung selbst zu der Überzeugung kommt, daß der Krieg rettungslos verloren ist.“47 Eine Woche darauf – antwortete jetzt der Revolution von oben die von unten? Nein, noch immer nicht. Vielmehr verkündigte der Kaiser nun den nächsten Revolutionsakt, die fortgesetzte Verfassungsänderung: der Reichskanzler künftig dem Reichstag verantwortlich; Kriegserklärung und Friedensschluß nur mit Zustimmung des Reichstags; die Kommandogewalt der Krone reduziert. Die Merkmale dessen, was inzwischen vollzogen worden war, erweisen es als nichts anderes denn als „Revolution von oben“. „Statt des von den Mehrheitsparteien erwarteten scharfen Widerstandes der OHL gegen eine Reform der politischen Struktur des Reiches griff die OHL mit dem Programm der ‚Revolution von oben‘ die Idee der Bildung einer von der Reichstagsmehrheit getragenen Volksregierung auf, um die Chancen der Friedensvermittlung zu erhöhen und der Verantwortung für die Konsequenzen der Niederlage auszuweichen.“48 Ludendorffs Zynismus. Am 1. Oktober 1918 informiert er die Abteilungsleiter der OHL: militärische Lage aussichtslos, Krieg nicht mehr gewinnbar, und läßt sich höhnisch über die neuen Minister des Kabinetts aus: „Die sollen nun den Frieden schließen, der jetzt geschlossen werden muß. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt
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haben!“ Seine Ansprache vor den Offizieren enthält auch die Behauptung: „Unsere eigene Armee sei leider schon schwer verseucht durch das Gift spartakistisch-sozialistischer Ideen.“49 Die Kalkulation geht so: Die Parteien des Reichstags schließen den Friedensvertrag ab, wobei sie sich vor aller Augen mit der Verantwortung für ihn und die Niederlage belasten. Von einer Tat der Heimtücke seitens der demokratischen und vor allem Arbeiterparteien, die eine ehrenhafte Weiterführung des Kampfs verhindert hätte, kann keine Rede sein. Die Liberalen sowie die Sozialdemokraten, die nun das Heft in die Hand bekommen, werden die Suppe essen, die nicht sie eingebrockt haben, und diejenigen essen sie nicht, die sie tatsächlich eingebrockt haben. Sie suchen das Weite. Als Hinterabsicht der OHL ist eine doppelte erkennbar: 1. den führenden Klassen, Schichten und Wirtschaftsverbänden in Deutschland ihre Machtposition zu sichern, auch wenn sie den Preis zahlen, daß der Operettenkaiser abdankte, was ihnen nicht sonderlich weh tat; 2. die Mittel in der Hand zu behalten – Generalstab, Armee, Rüstungsindustrie – , um nach der Sammlung und Konzentration der militärischen Kräfte dem Reich die Möglichkeit des zweiten Kriegs offen zu halten. Kurz, das Ende des ersten, wie schon dessen Anfang, verursachten keine anderen Instanzen als die OHL und die Reichsleitung. Der Matrosenaufstand konnte ihnen in einer Weise sogar gelegen kommen, ließen sich hinter dessen romantischer Fassade doch ihr eigenes reales Tun und ihre weiteren Absichten um so leichter verbergen. Mit ihm begegnete der Revolution von oben nun diejenige von unten. Am 3. November fand in Kiel auf dem Exerzierplatz eine Kundgebung statt, an der Angehörige der Marine und Arbeiter teilnahmen. Als sich ein Zug nach der Feldstraße aufmachte, um die wegen schwerer Gehorsamsverweigerung in der MilitärArrest-Anstalt festgehaltenen Matrosen des 3. Geschwaders zu befreien, befahl ein Offizier, scharf zu schießen. Es gab 8 Tote und 29 Verwundete. Am Folgetag, dem 4. November, wird in der Friedrichsorter TorpedoDivision „der erste Soldatenrat in der Geschichte der Revolution gebildet, der unabhängige Sozialdemokrat Karl Artelt zum Sprecher bestimmt; am Abend hatten die aufständischen Matrosen die ganze Macht
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in ihrer Hand.“50 War der Matrosenaufstand „die erste Kraftprobe zwischen Gegenrevolution und Revolution“? So Sebastian Haffners Deutung. Der Marineleitung schrieb er den Vorsatz zu, durch den Befehl zum Auslaufen der Flotte die „Revolution von oben“ ungeschehen zu machen. „Die Revolution von unten wollte die ‚Revolution von oben‘ nicht kassieren, sondern ergänzen, beleben, vorwärtstreiben …“51 Weshalb ging die Erhebung von der Marine aus, obwohl sie die von der Reichsleitung seit langem am stärksten favorisierte Teilstreitkraft war? Gerhard Engel ermittelte, daß sie ihrer Qualifikation nach „zumeist gewerkschaftserfahrene Arbeiter“ waren, welche sich „auf dem kleinen Raum von Schiffen leichter für den Antikriegskampf organisieren ließen als Angehörige von Feldtruppen.“52 Sie seien deshalb als Ausschnitt der Arbeiterbewegung zu betrachten: „Die Matrosenbewegung war nicht ein Spezialfall militärischer Meuterei und Revolte, sondern inhärenter Bestandteil der Arbeiterbewegung während Krieg und Revolution.“53 OHL und Reichsregierung verwirklichten die Revolution von oben nicht ernstlich, um den Mehrheitsparteien und der Bevölkerung eine lupenreine Demokratie zu bescheren, sondern mit einem „Hintergedanken“. Paul Frölich erkannte: „Die Kapitalistenklasse … machte der Arbeiterklasse politische und wirtschaftliche Konzessionen mit dem Hintergedanken, das aufgegebene Terrain später zurückzuerobern.“54 Die Verfassungsreform bestand aus „Konzessionen“, deren Rücknahme offensichtlich ins Kalkül gehörte. Den in Wahrheit ungeschwächten Machtwillen der alten Kräfte erfuhren – nach einigen anfänglichen Versuchen am 6. und 24. Dezember 1918 – die aufständischen Arbeiter und Soldaten in den Januar-, dann in den Märzkämpfen in Berlin, und gleichermaßen die Verteidiger der Räterepubliken. Egon Günther sprach 2005 in bezug auf Bayern vom Bürgerkrieg „von oben“, in dem die ‚weiße‘ Brutalität ihre Exzesse feierte.55 Nach Ralf Hoffrogge gehört zu den Verdiensten Richard Müllers in seiner Geschichtsschreibung der Nachweis, „daß die Eskalation der Konflikte eine gezielte Strategie der Gegenrevolution war. Es gab niemals einen Bürgerkrieg von links, auch wenn dies bis in die Gegenwart immer wieder behauptet wird. … Das bevorzugte Mittel auch der radikalen Räterevolutionäre war der Generalstreik. …
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Die Mittel der Gegenrevolution hingegen sahen anders aus. Sie betrieb den Terror einer Minderheit, ihre Kampfmittel umfassten von anfang an Gewalt gegen Streikende und den politischen Mord am Gegner. Der Bürgerkrieg wurde also geführt, und zwar von rechts.“56 Wie die Dinge standen, befürchteten Parteigänger der Revolution schon in deren Anfängen einen Bürgerkrieg. Manche sahen ihn zugleich auch von links her drohen. Deshalb warnte im Dezember Heinrich Mann: „Diktatur selbst der am weitesten Vorgeschrittenen bleibt Diktatur und endet in Katastrophen.“ Und gekleidet in den Optativ: „Die Revolution sei eine Gemeinschaft aller Freunde der Wahrheit, die der Weg des Menschen ist, – und kein Krieg nach dem Kriege, kein Bürgerkrieg!“57 Den veritablen Bürgerkrieg sah Berlin im Januar 1919 und noch einmal im März desselben Jahres. Der Januaraufstand ist lange als „Spartakus- oder kommunistischer Aufstand“ bezeichnet worden. Diese Kennzeichnung entstammt der Ära unmittelbar nach den Vorgängen. Sie findet sich früh bereits etwa bei Bernstein (1921)58, verzerrt jedoch den Sachverhalt. Immerhin kritisierten die Verfasser einer Schrift aus der DDR: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung diejenigen Sprecher des Proletariats, die sich verleiten ließen, „in falscher Einschätzung der Lage und des Kräfteverhältnisses …, die Berliner Arbeiter und Soldaten für den 6. Januar zum bewaffneten Kampf für den Sturz der Regierung Ebert-Scheidemann und für die Eroberung der ‚Macht des revolutionären Proletariats‘ aufzurufen.“59 Letzthin untersuchte Ottokar Luban den Anteil der KPD und ihrer Zentrale in allen Einzelheiten und stellte fest, eine Legende sei es, daß die Partei sich während des Aufstands konsequent dem Regierungssturz entgegengestemmt hätte. Vielmehr habe sie sich in den Tagen des Aufstands mehrfach schwankend verhalten.60 Verantwortliche Personen waren in den Vorständen der USPD (Ledebour61) und der Revolutionären Obleute zu finden, dazu in der KPD, hier Liebknecht und Pieck. Mit dem Matrosenaufstand und den Januarkämpfen bot die Novemberrevolution keineswegs das Musterbeispiel einer vollständigen ‚Revolution von unten‘, wenngleich sich unleugbar starke Züge von dieser in ihrem Gesamtbild wiederfinden, zugleich auch Züge einer proletari-
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schen Revolution. Ist es dann gerechtfertigt, sie als „Arbeiterrevolution“ zu definieren? Vor einem knappen Jahrzehnt untersuchte Hartmut Henicke die – wie er sie benannte – „Weltkriegsrevolutionen“. Damit sei etwas Neues geschaffen worden, die Arbeiterrevolution: Deren Akteure hätten in den Industriezentren „einen proletarischen Revolutionstyp“ geschaffen. „Der Machtanspruch der Räte und die Sozialisierungsabsicht prägten erheblich den Charakter der Revolution.“62 Im Geleitwort zu ihrer Anthologie spricht Ulla Plener zwar von einer „bürgerlich-demokratischen Revolution“, wenn man die Ergebnisse von 1918/ 19 als Ganzes bewerte. Es sei in ihr aber ein Grundzug enthalten gewesen, der doch über diese hinausgewiesen habe: der „ausgeprägte soziale und basisdemokratische Grundzug … reflektierte das damalige Potenzial (Chance) für einen neuen Typus der Demokratie – der sozialen Demokratie …“63
Bürgerlich-demokratische Revolution, geistige Revolution Hugo Preuß (1860–1925), ein liberaler Demokrat, war im November 1918 zum Staatssekretär des Innern ernannt worden und schrieb auch den Entwurf für die Verfassung der Weimarer Republik. 1919 amtierte er für ein knappes halbes Jahr als Reichsinnenminister. Er verglich am 14. November 1918 die Novemberrevolution mit der Großen Französischen: „Wenn es das unabwendbare Schicksal in allen Revolutionen wäre, daß die Gironde von jakobinischer Schreckensherrschaft überrannt wird, so ist es deren Schicksal, von einem gesellschaftsrettenden Säbelregiment überwunden zu werden.“64 Damit prophezeite er als Phasen der Revolution: 1. die Regierung des Großbürgertums – 2. das radikalisierte Kleinbürgertum an der Macht (so in Frankreich 1793/94; in der Wahrnehmung des Verfassers: in Deutschland die Arbeiter- und Soldatenräte?) – 3. die Militärdiktatur. Andere zogen den Vergleich mit der Revolution von 1848. Am 28. Januar 1918 beschlossen in Berlin 414 Delegierte als Vertreter von ca. 400000 Arbeiterinnen und Arbeitern in einem Forderungskatalog u. a., „den preußischen Obrigkeitsstaat zu stürzen und die 1848 verpaßte bür-
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gerliche Revolution nachzuholen“.65 In seiner Rede aus Anlaß des 40. Jahrestags der Novemberrevolution erinnerte Walter Ulbricht an die Sicht der Spartakusgruppe, die im Oktober 1918 festgestellt habe: daß „eine revolutionäre Situation“ gekommen sei, „die alle Probleme neu entrollt, die die deutsche Bourgeoisie in der Revolution von 1848 nicht zu lösen fähig war.“ Gemäß dieser Feststellung und nach umfangreichen wissenschaftlichen Forschungen müsse man „die Novemberrevolution als bürgerlich-demokratische Revolution einschätzen, die in gewissem Umfang mit proletarischen Mitteln und Methoden durchgeführt wurde.“66 Ähnlich berechnet Gerhard Engel die „historischen Chancen“ der Novemberrevolution: „Überfällig war sicher die Vollendung dessen, was bereits 1848 auf der Tagesordnung gestanden hatte …“: die bürgerlich-demokratische Republik, „die volle Ausbildung“ eines demokratischen Parlamentarismus.67 Nicht wenige Intellektuelle verkannten 1918 und in den Folgejahren, was unter ihren Augen geschah. Sie zerbrachen sich nicht den Kopf, ob eine bürgerliche, eine soziale oder sozialistisch-proletarische Revolution auf der Tagesordnung stand. Sie begehrten eine geistige Revolution als seelische Umkehr, als mentale Abwendung vom Obrigkeitsstaat, Krieg und Militarismus. Sie ersehnten eine geistig-seelische Erneuerung und zeigten sich bald enttäuscht, daß diese ausblieb. Sie beklagten dann sehr die gegebenen Zustände, das Defizit an Humanität und Menschenliebe. Walther Rathenau suchte die Revolution in drei Komponenten aufgeteilt zu denken: die ungeistige oder „Revolution der Ranküne“, die ökonomische oder Revolution „des Güterausgleichs“ sowie die „der Verantwortung“. „Die echte Revolution wird im Geiste entschieden.“68 Gustav Landauer imaginierte den Geist als den Revolutionär, der „das alte Reich gestürzt“ habe, – von der Revolution von oben oder unten kein Wort. Und was sei die Aufgabe des Sozialismus? Man glaubt die Stimme Robespierres zu vernehmen: „die Verwirklichung des Geistes und der Tugend“.69 Die Frauenrechtlerin und Pazifistin Helene Stöcker verlangte, als wolle sie dem ganzen beginnenden Jahr diese Parole verordnen, im Heft 1 / 1919 ihrer Zeitschrift: „Zu den Waffen – des Geistes und der Güte!“ Für Heinrich Mann ist „Geist“ das vornehmste Lebenselement. Er
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lehnt es ab, die politisch-ökonomische Veränderung als höchstes Ziel zu akzeptieren, heischt, an die Adresse der Sozialisten gewandt: „Man gebe doch nicht vor, die Vergesellschaftung noch der letzten menschlichen Tätigkeit sei das Radikalste, das sich tun läßt. Einen Radikalismus gibt es, der alle wirtschaftlichen Umwälzungen hinter sich läßt. Es ist der Radikalismus des Geistes.“ Was ein Republikaner sei? „Republikaner nennen wir Menschen, denen die Idee über den Nutzen, der Mensch über die Macht geht.“70 Hier finden sich die Gründe dafür, daß in seiner Rezension (1919) von Heinrich Manns Roman Der Untertan Kurt Tucholsky besonders rühmt, daß der Verfasser dem Geist den höchsten Rang einräume.71 Dem Geistprinzip, wie es sich in den Zitaten äußert, sind liiert die Ideale der Güte und der Menschenliebe. In der Revolution traten einige Autoren auf, die verlangten, diese nun als Leitmotive aller Veränderungen zu wählen. In seiner Rede im Politischen Rat geistiger Arbeiter in München am 10. Dezember 1918 führte Bruno Frank (1887–1945) aus: „Vier Jahre lang war der Mensch, war die Liebe zum Menschen nichts, – jetzt, jetzt sind ihr die Tore aufgestoßen, und sie steigt frei zum Lichte. … dieses Wort Liebe, Menschenliebe steht in leuchtenden Buchstaben über dem offenen Eingang zu der neuen Zeit.“72 In seinem Erfolgsbuch – ebenfalls von 1918 –: Der Mensch ist gut kontrastiert Leonhard Frank dasselbe Prinzip den Verheerungen des Krieges: „Eine Welle der Liebe wird die Herzen der Menschen öffnen im Angesichte der ungeheuerlichsten Menschheitsschändung.“73 Soll aber der Geist nicht frei im Raume schweben, nicht ungebunden in der Sphäre die Liebe, müssen Menschen vorhanden sein, die vom Geist beflügelt sind, überzeugt, daß Liebe das Rettende sei. Träger des Geistes und Enthusiast der Liebe müßte der neue Mensch sein. Wer revolutioniert, wird erfolglos bleiben, wenn er vergißt, neue Menschen zu schaffen – ein Gedanke, der in der Epoche vor allem in der Dichtung aufflammt. Auch Graf Kessler erwägt ihn (30. März 1920), wobei er sich an Franz von Assisi (1181 oder 1182–1226) anlehnt: „Eine wirkliche Revolution kann nur gelingen, wenn die Welt auf ganz neue Grundlagen gestellt und gleichzeitig ein neuer Mensch geschaffen wird. Daß das eine
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ohne den andren ergebnislos oder fast ergebnislos ist, beweisen Franz von Assisi und Robespierre, die beiden großen entgegengesetzten Halbrevolutionäre. Vielleicht wäre die Synthese in Tolstoi und Lenin gegeben.“74
Ende der Revolution, Ergebnisse Für das Ende eines Krieges wird meistens ein präzises Datum anzugeben sein, das des Waffenstillstands oder der Unterzeichnung des Friedensvertrags. Das Ende einer Revolution läßt sich oft schwieriger ermitteln. Es ist manchmal günstiger, statt vom Ende von einer Endphase zu sprechen, gerade auch in Bezug auf die Novemberrevolution. Hier befindet sich die historische Wissenschaft in einer gewissen Verlegenheit, wenn sie einen Endpunkt auffinden soll. Resolut entscheiden sich die Verfasser der Geschichte der Arbeiterbewegung für den 19. Januar 1919.75 Wer so entscheidet, hat er das zweifellose „Enddatum“ ermittelt? Er durchschneidet einmal schon die Entwicklung in Berlin von den Januar- bis zu den Märzkämpfen, er zertrennt die Entwicklung in München von der Ausrufung der Republik über die Ermordung Eisners bis hin zur Räterepublik, er zerlegt die Geschichte der Räterepublik Bremen in zwei ungleiche Abschnitte. Andere Autoren anders. Graf Kessler notiert sich am 2. September 1919: „Mein Eindruck ist jetzt auch, daß die Revolution vorläufig zu Ende ist. Was gegenwärtig marschiert, ist die Gegenrevolution, hinter der die Monarchie schon deutlich wiederauftaucht. … da nichts dauernd stillstehen kann, so kommt jetzt die rückläufige Bewegung, die Gegenrevolution.“ Den vollen Ernst in Kesslers Fazit wird man nicht verkennen: „Das wird Deutschlands wirkliche Niederlage.“76 Im vorliegenden Buch wird die Novemberrevolution vom 29. September 1918 bis zum Anfang Mai 1919 gerechnet, also vom Beginn der Revolution von oben bis zur Niederwerfung der einstweilig letzten Aktion der Revolution von unten, dem Ende der Bayerischen Räterepublik … womit doch nicht ein Scheitern des Gesamtvorgangs, des Konglomerats, des so schwer entwirrbaren „Knäuls“ in eins fällt.
Ende der Revolution, Ergebnisse
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Es kommt auf die jeweilige Perspektive an. Aus welcher wird geurteilt? „Gescheitert“: aus Sicht der Räte? Aus Sicht der Räte, gewiß. Indessen die Vorstellungen der Räte waren ebenso wenig wie die der Massen – die man alles in allem heutzutage doch nicht mehr rekonstruieren kann – mit „den“ Zielen „der“ Revolution identisch. Fragwürdig ist daher eine ältere Erläuterung von Karl Korsch (1920): „Der konterrevolutionäre Charakter der gesamten politischen Entwicklung in Deutschland seit dem 9. November 1918 zeigt sich am deutlichsten in der Geschichte der politischen Arbeiterräte.“77 Wenn es wirklich darum ging, die Entwicklung als ganze zu bewerten, mußte dies auch anhand der ganzen Entwicklung geschehen. Hier wurde aber ein Urteil aus einer vereinzelten Perspektive abgegeben, derjenigen der politischen Arbeiterräte. Als 1919 am 10. Januar Mitglieder der USPD und KPD in Bremen die Räterepublik schufen, war dies, so Engel, ein „Akt der Solidarität mit den Berliner Januarkämpfern“ und „zugleich Ausdruck der Illusion der Linksradikalen wie der Linkssozialisten in der Bremer USPD, man müsse und könne die Revolution noch über den erreichten bürgerlichdemokratischen Fortschritt bis zu einer sozialistischen Umwälzung vorantreiben.“78 Der bürgerlich-demokratische „Fortschritt“ – ein Ergebnis der Revolution, ein positives, wenn auch partielles, neben den erwähnten negativen, wiederum partiellen. Erforderlich bleibt die differenzierende Untersuchung unter der Fragestellung: In welcher Hinsicht endete die Revolution negativ, mit einem unglücklichen Ergebnis, in welcher anderen Hinsicht erzielte sie ein positives? Verfährt man so, gelangt man vielleicht sogar dahin, der Revolution zu attestieren: erfolgreich – in Maßen oder mehr –. So konnte zum 90. Jahrestag der Revolution ausgesprochen werden: „Mit der Annahme der Verfassung in Weimar im August 1919 wurde die bürgerlich-demokratische Staatsordnung in Deutschland etabliert, und sie bedeutete auch den Durchbruch zur Anerkennung wesentlicher Rechte der Lohnarbeitenden. Insofern war die Revolution 1918/19 die erste erfolgreiche Revolution in Deutschland – und das wurde maßgeblich von der Arbeiterbewegung erreicht.“79 1928 stellte Hermann Müller einen Katalog dessen zusammen, was sich „durch die Revolution grundlegend geändert hat“: nicht allein „die
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Verfassungsverhältnisse“, sondern es gebe auch „die Verbesserungen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens“. Außer der Veränderung der „Verfassungsverhältnisse“ was? – Die Revolution habe die Gesindeordnung und die ausnahmegesetzlichen Bestimmungen für die Landarbeiter beseitigt und diesen das Koalitionsrecht gegeben; den Kreis der Sozialversicherten bedeutend erweitert; die Beamten zu freien Staatsbürgern gemacht; die Grundlage für ein deutsches Tarifrecht geschaffen; den Achtstundentag verankert; sie gab „den Betriebsräten ihre Stellung im Gesetz. Das war ein erster kleiner Versuch zu dem großen Ziel: neben die politische Demokratie die Wirtschaftsdemokratie zu setzen.“80 Gerhard A. Ritter und Susanne Miller zogen den Schluß: „Dennoch entsprach es der Realität …, wenn die Führer der Arbeiterbewegung die ‚Errungenschaften der Revolution‘ priesen und ihre eigene Politik mit dem Hinweis auf die Aufgabe, sie zu bewahren, rechtfertigten. Denn in der Sozialpolitik, im Arbeitsrecht, in der Stellung der Gewerkschaften und vor allem in der demokratischen Gleichstellung aller Staatsbürger und -bürgerinnen sind Forderungen mit einem Schlag erfüllt worden, um die jahrzehntelang gekämpft worden war. Auf diesen Gebieten liegen die bleibenden innenpolitischen Verdienste der Revolution. Ihre staatspolitische Leistung war die Abwehr des drohenden Zerfalls des Reiches.“81 Ulla Plener begründete die Notwendigkeit, der Revolution in der deutschen Geschichte einen herausragenden Platz zuzuschreiben, mit Hinweis auf das wichtigste Resultat: Beendigung des Kriegs, Sturz des Kaisertums und Errichtung der Republik. Sie betonte auch die spontanen Massenaktionen, die in erster Linie von der Arbeiterbewegung getragen wurden, und stellte fest: Es war ihr „ein ausgeprägter sozialer und basisdemokratischer Grundzug eigen, was sich besonders in der Bildung und dem anfänglichen Wirken der Arbeiter- und Soldatenräte und in der Forderung nach Sozialisierung niedergeschlagen hatte.“ Sie folgerte: „Insgesamt ging es also um Frieden, demokratische Republik, individuelle staatsbürgerliche Freiheiten – und um die Lösung der sozialen Frage, um kollektive soziale Rechte aller, die Eigentumsfrage eingeschlossen.“82
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Die Konterrevolution Wie das historische Gebilde der Novemberrevolution bei eingehender Untersuchung viele Facetten zeigt, so gleicht ihr die Konterrevolution darin. Sie weist politische, militärische, ökonomische und ideologische Aspekte auf. Große Energie investierte sie, um politische Kräfte gegen die Revolution und ihre Maßnahmen zu mobilisieren, rüstete sowohl öffentlich als auch geheim militärisch gegen sie auf – diese militärische Aufrüstung forcierend im weiteren Verlauf der Revolution – und gebrauchte mit professioneller Raffinesse alle verfügbaren Propagandamittel, bevorzugt kompakte Unwahrheiten und Legenden, die seither nicht sämtlich verschwunden sind, sondern sich bis heute in Teilen der Forschung und Öffentlichkeit erhalten haben. Daß sie die Konterrevolution geplant und realisiert hätten, bildet eine geläufige Anschuldigung, die in zahlreichen Quellen und historischen Darstellungen gegen führende Sozialdemokraten erhoben wird. Richard Müller bewährte sich als einer der umsichtigsten Führer der Revolutionären Obleute und vorzüglicher Theoretiker der Rätebewegung, als einer der entschlossensten Protagonisten der Revolution. Bei der Untersuchung der Gegenrevolution, fragte er, wer diese initiierte, und benannte: Angehörige des Bürgertums, darunter in der Presse, Mitglieder der Obersten Heeresleitung – „der stärkste Hort, der aktivste Teil der Gegenrevolution“ – und Männer aus dem Offizierskorps des Frontheeres. Als „das politische Haupt der Gegenrevolution“ jedoch identifizierte er den sozialdemokratischen Volksbeauftragten Ebert.83 Paul Frölich, ebenfalls ein agiler Protagonist der Revolution, hat die Arbeiterbewegung im Blick: „Das Kraftzentrum der Gegenrevolution befand sich mitten in ihr.“ Es sei der „Generalstab der alten Sozialdemokratie, die Ebert, Noske, Legien, Scheidemann, Landsberg usw.“84 Gegen die zitierten Autoren könnte allerdings ins Feld geführt werden, sie seien Repräsentanten des Linkssozialismus und Kommunismus, jener illusionären Politik verpflichtet, die mit dem Versuch auftrat, die Revolution weiter zu einer sozialistischen zu entwickeln. Nur teilten dieselbe Sicht ebenso
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Personen aus dem Bürgertum. Lida Gustava Heymann schrieb: „Ein Noske, Scheidemann, Wels, Ebert und wie sie alle hießen, verrieten die Arbeiter und Soldaten …“85 Unter den Intellektuellen existierten jedoch unterschiedliche Meinungen. Aus einer Gesprächsrunde, die er selber als deutschnational und reaktionär empfindet, berichtet am 30. Dezember 1918 Graf Kessler: „Überwiegend war aber der Widerwille gegen die jetzige Regierung und Anarchie.“ Der Kreis erklärt sich offensichtlich gegen beides, die Regierung der Volksbeauftragten und deren linkssozialistische Opponenten, diese verstanden unter dem Begriff „Anarchie“. Kessler möchte aber darauf hinaus, „daß man die Ebertsche Regierung stützen müsse“, worauf man ihm heftig entgegnet: „man müsse alles tun, um sie zu stürzen“.86 Offensichtlich wäre es dem Kreis genehm gewesen, reinen Tisch mit beiden zu machen, der Regierung und den Kräften links von ihr; also mit der gesamten Revolution, der gemäßigten und der radikalen. Kessler nimmt auch bei anderer Gelegenheit Partei für Ebert. Vergleichbar Arnold Brecht. Er nimmt Ebert und Noske ausdrücklich in Schutz, beide hätten die Ermordung Liebknechts und Rosa Luxemburgs als „schwere Belastung“ angesehen.87 Dagegen wiederum der Sozialdemokrat Loewenfeld aus persönlicher Kenntnis Noskes: „Er zeigte die abstoßende Geste eines jovialen Diktators, dem es auf ein bisschen mehr oder weniger Menschenunglück nicht ankommt.“88 Ein anderer Sozialdemokrat, Kaisen, merkt an, der Krieg habe ein „Chaos“ hinterlassen, und schreibt: „Daß aus diesem Durcheinander schließlich wieder ein handlungsfähiger deutscher Staat als demokratische Republik entstand, ist vor allem den Männern um Friedrich Ebert zu danken, die rechtzeitig die Unvermeidlichkeit dieser Umstellung erkannt hatten.“ 89 So urteilte auch Gustav Radbruch: „Diese Rettung Deutschlands, das war die große Leistung der Zeit, die der Sozialdemokratie zu danken ist …“90 Wer die Revolution verstehen will, muß sie als ganze verstehen wollen. Wer die Gegenrevolution verstehen will, muß auch sie als ganze zu verstehen suchen. Unbestreitbar ist das Faktum: Es gab sie. Sie war unbezweifelt vorhanden, ihre Einstellung ist ermittelbar z. B. aus den Mitteilungen (1921) von Oberst Max Bauer, der als Abteilungschef bei der OHL
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tätig war. Sie äußert sich in den Vorwürfen, die er gegen andere Strömungen richtet: „… 1914 sah ein einiges Volk, die zersetzenden Tendenzen des Liberalismus und die Sozialdemokratie fanden keinen Rückhalt.“ Bei dem anhaltenden Kriege aber zeitigte deren „Hetze“ Erfolg, nicht zuletzt vermittels der Schlagworte „Freiheit“ und der nunmehr „‚Internationale‘ genannten „Brüderlichkeit des Proletariats … Das jüdisch-demokratisch orientierte Bürgertum sekundierte tapfer …“ Sein Vorwurf trifft am härtesten die kaiserliche Regierung, sie trägt „neben den Verführern ein gut Stück Schuld“, sie hätte „mit eiserner Faust die zersetzenden Elemente ausrotten müssen. … Die O. H. L. hat sich redlich bemüht, gütlich die Regierung zu ihrer Pflicht zu bringen, vergebens; aber sie hat unterlassen, selbst zuzufassen und die sogenannte innere Politik in richtige Bahnen, meinetwegen mit einer Diktatur zu leiten.“ Hier fällt auf, er vergißt, daß sich in der zweiten Hälfte des Weltkriegs Hindenburg und Ludendorff in einer Position befanden, die einer Diktatur gleichkam, und er läßt den 29. September 1918 unerwähnt! „Die Revolution kam nicht plötzlich“, sie sei „fabriziert“ worden, u. a. von „zielbewußten Verbrechern. Zuletzt stellte das Judentum das Hauptkontingent …“ Die Schmähung „Novemberverbrecher“ ist nicht mehr weit. Und die ‚Dolchstoßlegende‘ zugegen: „Die Heimat hat das Heer von hinten erdolcht! … Liberalismus und Sozialdemokratie haben unter Zusehen des Bürgertums und der Regierung schon vor dem Kriege hinterlistig dem Heer die Schlinge um den Hals gelegt und ganz langsam zugezogen. Erst zuletzt, als sie die Macht in Händen und das Heimatheer entwaffnet hatten, kamen dann doch die Dolchstöße …“ (Späterhin:) „Die Regierung war hilflos, da fanden sich wackere Offiziere, die … sich an die Spitze von ‚Freikorps‘ stellten.“ Zu den Schäden, von denen Bauer behauptet, daß sie durch die Revolution eingetreten wären, zählt er: „Das Proletariat übt tatsächlich eine Diktatur aus. … Zerstörung des Wirtschaftslebens … Vernichtung des Bürgerstandes und der Intelligenz … unglaubliche Demoralisation, allgemeine Korruption … die naturwidrige Gleichstellung des Weibes, Verdirnung des befreiten Weibes in allen Gesellschaftsklassen … das gleiche Wahlrecht für alle … die Einsetzung von Arbeiter- und Betriebsräten, die Lohnerhöhungen …“91
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Aus Bauers Expektorationen erhellt, mit welchen Behauptungen die Konterrevolution sich bemühte, propagandistisch ihre Sicht der Dinge, darunter die ‚Dolchstoßlegende‘ zu verbreiten. Und nicht die Konterrevolution allein verbreitete diese, die in stetig erneuerten Variationen erschien. Der Liberale von rechts, Gustav Stresemann, trug in einer Versammlungsrede am 20. Dezember 18 in Oldenburg vor: Man habe an den Sieg des Reiches geglaubt, jawohl, doch hätten nicht allesamt geglaubt. „Wenn die Geschichte des Krieges einmal geschrieben sein wird, wird die Frage eine Rolle spielen, welche Schuld die Heimatfront trägt an dem Zusammenbruch, welchen Zersetzungsprozeß jene Kreise … genährt, wie sie systematisch den Glauben an den Sieg … durch Zweifelsucht zerstört haben …“92 General Groener versicherte: „Ich bin aber auch heute noch der Überzeugung, daß wir ohne Revolution im Innern an der Grenze Widerstand hätten leisten können …“93 Das Beispiel einer Verschwörung der Lüge. Gerade weil von den Experten bezweifelt werden mußte, daß die Grenzen noch zu halten waren, wurde die Revolution gebraucht, und also begann man sie: die Revolution von oben! Einer, der ihr Handdienste leistete, der ehemalige Reichskanzler Prinz Max von Baden, bezeugte es in deutlichen Worten: „Für den Schritt trägt die Oberste Heeresleitung ebenso wie für seine Folgen die Verantwortung; sie hat die militärische Lage als aussichtslos bezeichnet …“94 Stresemann, Groener und andere befleißigten sich noch einer gemäßigten Stilistik, gemessen an der extrem brutalen eines Adolf Hitler. Dieser schreibt: „So wie es sich im Jahre 1918 blutig gerächt hat, daß man 1914 und 1915 nicht dazu überging, der marxistischen Schlange einmal für immer den Kopf zu zertreten …“ usw., und man müsse 1923 nun wenigstens „denjenigen Kräften den Kampf “ ansagen, „die fünf Jahre vorher den deutschen Widerstand auf den Schlachtfeldern von innen her gebrochen hatten.“95 Ein Experte war auch der Generalmajor a. D. von Schoenaich. Richard Müller zitiert ihn, der Offizier widerspreche „der Behauptung, daß die agitatorische Arbeit der linken Gruppen den Kampfwert der Truppen behindert habe. Selbst ohne sozialistische Agitation wäre der Ausgang des Krieges nicht anders gewesen.“96
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Was sich in Bauers Text abzeichnet, es ist zugleich, wie kaum zu verkennen: der Umriß des sich auch im Reich herausbildenden Faschismus. Mit Peter Scherer gesprochen: „Faschismus war das politische System der Konterrevolution.“97 Der Autor beschreibt eine Stufenfolge: „Zweimal hat die deutsche Konterrevolution versucht, ihre Herrschaft aufzurichten: das erste Mal am 13. März 1920, das zweite Mal am 9. November 1923. Beim dritten Mal, am 30. Januar 1933, hat man den Putschisten von 1923 die Macht auf dem Silberteller überreicht. … Die Revolution von 1918 war der zentrale Punkt. Ihre Ergebnisse sollten ausgelöscht werden, ihre Vorkämpfer ermordet, ihre Idee diffamiert und dem Vergessen anheimgegeben werden.“ Und was die antisemitische Komponente der Konterrevolution anlangt, zitiert Scherer einen Satz aus der Zeitung „Fränkische Tagespost“ vom 23. Mai 1919: „Sie schlagen die Juden und meinen die Revolution.“98 Die Konterrevolution, die zugleich mit der Revolution die Bühne der Geschichte betrat, behielt schließlich die Oberhand. Daher ist nicht neben dem großen Erfolg der Revolution deren verheerendes Versagen zu vergessen: die Konterrevolution niederzuwerfen. Das hätte auf der anderen Seite bedeuten müssen, den Volkskräften, den Massen, der Demokratie mehr Freiraum zu verschaffen. Dazu existiert eine bemerkenswerte Stellungnahme von dem deutschen Schriftsteller Reck-Malleczewen (1884 geb., verst. im KZ Dachau am 17. 2. 1945). Egon Günther erinnert daran: „Über die Folgen einer durch ‚Ruhe und Ordnung‘ zum Stocken gebrachten revolutionären Situation urteilt der in dieser Hinsicht sehr hellsichtige Monarchist Friedrich Reck-Malleczewen in seinem Tagebuch eines Verzweifelten, dieser wahren Fundgrube für jeden, der sich etwas Aufschluß über ein recht heilloses Geschehen verschaffen will: ‚Ich weiß nicht, ob uns dieses Martyrium der Hitlerei nicht erspart worden wäre, wenn man sich damals, sei es aus sehr konservativen Gründen heraus, zu einer gründlichen Revolution und zu einem gründlichen Sichaustoben der schließlich von selbst ermüdenden Masse entschlossen hätte.‘“99 Dies Versagen bleibt untilgbar doch auch auf dem Schuldkonto der Sozialdemokratie und vor allem ihrer Führung. Walter Oehme sprach
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1932 mit dem ehemaligen sozialdemokratischen preußischen Innenminister Severing, der zugab: „Alles war schon verloren, als wir uns 1919 bedingungslos in die Hände des Militärs begaben. Was heute geschieht, ist nichts anderes als die Konsequenz dieser Politik.“100 Daß Severings eigene Amtshandlungen sehr wohl scharfe Kritik verdienten, merkt Paul Frölich an: Der Kriminalbeamte Ernst Tamschick hatte in der Haftanstalt in Berlin zwei an der Novemberrevolution in herausragender Funktion beteiligte Männer ermordet: den Mitgründer der KPD Leo Jogiches (1867–1919) sowie den Kommandeur der Volksmarinedivision, Heinrich Dorrenbach, erschossen ‚auf der Flucht‘. Den überführten Totschläger beförderte der sozialdemokratische Minister „in Anerkennung seiner Verdienste“ zum Offizier in der preußischen Schutzpolizei.101
II. Die „Intellektuellenfrage“ in der Diskussion um 1918 Revolution, Arbeiterbewegung und Intelligenz Der Begriff „Intellektuellenfrage“ entstammt der zeitgenössischen Diskussion. Unter diesem Titel hielt am 7. Juli 1924 Clara Zetkin auf dem V. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale ein Referat. Die Auseinandersetzung um das Thema erreichte gerade damals einen Höhepunkt. Die Ursache dafür war die Beteiligung vieler Intellektueller, Männer und Frauen, an den Revolutionen, schon der russischen, dann vor allem auch der deutschen. Ob sie nun an der Spitze einer Revolution standen, sie gar organisierten, umsichtig anleiteten wie 1917 in Rußland, dann wie am 7. / 8. November 1918 in München1, ob ihre Namen in jenen Tagen als Symbole für die Revolution, zumindest für eine revolutionäre Strömung gebraucht wurden (Liebknecht, Luxemburg), ob sich Intellektuelle im Politischen Rat geistiger Arbeiter zusammentaten – sicher ist allemal: Sie fielen auf, sie kamen ins Gerede. Und ließen sich gern nun als „geistige Arbeiter“ ansprechen, mit diesem Synonym für „Intellektuelle“. Kommt als vornehmliches Merkmal des Intellektuellen sein energisch eingreifendes geistiges Handeln in Betracht, dann gilt: Welches Ereignis ermöglicht dies eher als gerade die Revolution, erfordert es sogar? Dabei auch kann sie die rasche, augenblickliche Wandlung eines Theoretikers der Politik zum politisch Handelnden bewirken, wie es in Bayern Erich Otto Volkmann an Eisner wahrnahm: „Der Intellektuelle, der Skeptiker … ist über Nacht zum Tatmenschen geworden.“2 Wie in der Sphäre der Politik, so im Künstlertum. Auch hierin gab es die sichtliche Veränderung, worüber Graf Harry Kessler anläßlich einer Aufführung (1919) von Walter Hasenclevers Drama Der Sohn (1914) reflektierte: „Und eines empfindet man auch bei diesem sehr brüchigen Werke: den Übergang der deutschen Intellektualität von einem fast reinen Kultur-Revolutionarismus, wie ihn Nietzsche und später in den neunziger Jahren unser
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Kreis in Kunst und Literatur vertrat, zum praktischen, politischen und wirtschaftlichen Radikalismus, dessen Extrem augenblicklich die Spartakusbewegung ist.“3 Dazu fiel die deutsche Revolution von 1918/19 in eine Epoche, worin die Arbeiterbewegung einen Umfang annahm wie nie zuvor. Sie und die Nachkriegs-Revolution bildeten ursprünglich zwei separate politische Projekte, die einander jedoch alsbald durchdrangen. Auf der anderen Seite, in der Konterrevolution, gab es für Intellektuelle längst ebenso viele Offerten mitzumarschieren, offensiv gegen sie beide, die Revolution und die Arbeiterbewegung, und es mag sein, daß die Zahl ‚geistiger Arbeiter‘ in der Gegenrevolution proportional höher lag als in der Revolution. Richard Müller argumentiert, während der Umwälzung hätten Arbeiter und Angestellte sich vor allem einer Aufgabe widmen sollen: der Kontrolle der Produktion. Dafür seien der beste Zeitpunkt und das geeignete Personal vorhanden gewesen: „Ein großer Teil der Intellektuellen, Techniker, Ingenieure, Chemiker, Architekten, Ärzte usw. waren in den ersten Monaten bereit, bei der Sozialisierung der Industrie, der Bergwerke, der Banken usw. mitzuwirken. Unter den Intellektuellen gab es auch solche, die sabotierten, die sich sofort auf die Seite der Gegenrevolution stellten. Auch psychologisch lagen die Verhältnisse außerordentlich günstig. In den Konferenzen, die Richard Müller (der Autor selber – d. Verf.) im Dezember mit den Räten der Intellektuellen abhielt, kam das Verlangen nach einem Mitwirken bei der Neugestaltung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sehr stark zum Ausdruck. Es gab viele, die bis zur Revolution keine Verbindung mit Arbeitern gehabt hatten, die aber die Revolution als das Werk der Arbeiter ansahen und sichtlich erfreut waren, als eine Annäherung der Hand- und Kopfarbeiter erfolgte, die dankbar waren, als man sie über die Ziele der Arbeiter und über den Zweck der Revolution unterrichtete, die nun ihre schöpferische Kraft ungehemmt von kapitalistischen Profitinteressen dem gesamten Volke dienstbar machen wollten.“4 Dabei ist vorausgesetzt, daß die Kooperationswilligen unter den Intellektuellen nicht Mitglieder in einer der drei Arbeiterparteien werden mußten, um beteiligt zu sein. Müller errechnet, daß der Spartakusbund „über gute intel-
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lektuelle Kräfte“ verfügte, doch wegen seiner organisatorischen Schwäche – kaum 1000 Mitglieder – „keinen Einfluß auf die Arbeitermassen der industriellen Betriebe“ auszuüben vermochte. Umgekehrt seine eigene Organisation, die Revolutionären Obleute: sie hatte großen Einfluß, aber in ihrer Reihe nur zwei Intellektuelle (Ernst Däumig, Georg Ledebour).5 Bramke verzeichnet, daß bei den Unabhängigen Sozialdemokraten „nicht wenige hervorragende Intellektuelle“ in ihrem „Führungsstab“ mitwirkten, „während unter ihren Mitgliedern der Arbeiteranteil noch größer als in der MSPD war.“6 Müllers Angabe im 1. Satz des Langzitats erfordert besondere Aufmerksamkeit: „in den ersten Monaten“. Zu unterscheiden sind demnach die größere Gruppe intellektueller Unterstützer, die dies zeitweilig sind, und die kleinere der dauerhaften. Unter den dauerhaft der Revolution verpflichteten Intellektuellen wiederum unterschieden sich diejenigen bürgerlicher Herkunft von denen aus der Arbeiterklasse. Erich Mühsam, 1921 wegen seiner Beteiligung an der Bayerischen Räterepublik in Haft, urteilte damals in seinem Essay Die Intellektuellen, daß nicht wenige Arbeiter mittlerweile eine Voreingenommenheit abzubauen gelernt hätten. Sei die „Voreingenommenheit für oder gegen die ‚Intellektuellen‘ bei der Arbeiterschaft“ im Schwinden, erkläre sich das „aus den unterschiedlichen Erfahrungen“, „die sie sowohl mit den Flüchtlingen aus der Bourgeoisie als auch mit den ‚Führern‘ aus dem Proletariat selbst gemacht habe. Es kann schlechterdings keinem Proletarier einfallen, die ‚Literaten und Akademiker‘ Lenin, Trotzki, Lunatscharski, Bucharin, Sinowjew, Liebknecht, Luxemburg, Mehring, Landauer und so weiter als nicht zugehörig zu betrachten.“ Nicht zu leugnen sei außerdem die Existenz solcher, die, trotz Herkunft aus dem Proletariat, zur Bourgeoisie überwechselten.7 In seiner Biographie Dr. Rudolf Franz (1882–1956) verwies Gerhard Engel darauf, daß einem Studierten gegenüber in Bremen anfänglich die „marxistische Zuverlässigkeit des aus dem Bürgertum herkommenden Intellektuellen noch beargwöhnt worden“ war. Selber setzte Franz seine Gelehrsamkeit zugunsten der Arbeiterklasse ein: „Er blieb ein intellektueller Revolutionär, der mit der Feder, mit den Mitteln der Bildung und der Kultur focht.“8
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Ob die Intellektuellen zu ihrer Zeit aus ‚guter Familie‘ kamen, aus der Bourgeoisie oder – nicht ganz selten auch – aus dem Adel, ob aus der Klasse der Arbeiter oder vielleicht aus bäuerlicher Familie vom Lande, unbestreitbar war der Ausbildungsweg fast aller schwierig. Wie etwa kämpfte sich eine Frau, die dem Bürgertum entstammte, über viele Hindernisse hinweg zum Status einer Intellektuellen durch? Als Beispiel hier in Stichworten die Vita einer Sozialistin, Toni (eigentlich: Sidonie) Sender (1888–1964). Ursprünglich arbeitete sie als Angestellte, dann als Büroleiterin. Als junge Frau trat sie 1906 der Sozialdemokratie bei, opponierte im Weltkrieg gegen den Krieg und nahm 1917 am Gründungskongreß der USPD teil. Sie betätigte sich führend in der Revolution in Frankfurt am Main, wurde 1919 dort Stadtverordnete, übernahm 1920 die Redaktionsleitung der „Betriebsräte-Zeitung“ der Metallarbeitergewerkschaft und war vom selben Jahr an Reichstagsabgeordnete der USPD, seit 1922 der SPD (bis 1933). Als knapp Vierzigjährige (1927) nahm sie ein Hochschulstudium auf; sollte sie von da an eine Intellektuelle gewesen sein – vorher aber nicht? Aufstrebenden aus Arbeiterfamilie blieb es oftmals überlassen, die Gymnasial- und Hochschulbildung, die ihnen fehlte, durch autodidaktische Bemühungen zu ersetzen. So teilt der Herausgeber der unvollendeten Lebenserinnerungen von Paul Frölich (1884–1953) Im radikalen Lager, die erst 2007 aufgefunden werden konnten, über Pauls Vater mit: „Was ihn und die ganze Familie auszeichnete, war das autodidaktische Streben nach Bildung.“9 Dem Sohn diente die Lektüre der „Leipziger Volkszeitung“ – zu dieser Zeit redigiert von Bruno Schoenlank (1859– 1901) – „zur ersten politischen Schule“.10 Wie viele Linke, führte auch den jungen Paul sein Weg über den Journalismus; 1914 beschäftigte ihn die „Bremer Bürgerzeitung“ – trotz ihrem Namen ein linkssozialistisches Blatt, u. a. mit Pannekoek und Lenin als Mitarbeitern – als Lokalredakteur. Der Bremer Wilhelm Eildermann (1897–198811) trat nach seinem Abschluß in der Volksschule 1912 sofort in die Organisation der Arbeiterjugend „Junge Garde“ ein. Für diese gab es im Parteihaus zwei große Räume als Jugendheim. „Ich nahm an Kursen teil, die der Parteischriftsteller und Lehrer Anton Pannekoek über das Erfurter Programm und
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hauptsächlich über politökonomische Themen abhielt, während Johann Knief, Redakteur der ‚Bremer Bürger-Zeitung‘, in der Jugend einen Kursus über Fragen der deutschen Geschichte durchführte.“12 Auch sein Weg führte ihn über den Journalismus; er wurde Volontär bei derselben Zeitung, 1918/19 Redakteur der Tageszeitung „Der Kommunist“ in Bremen. Der in Hamburg-Eppendorf geborene Wilhelm Kaisen (1887– 1979), der nach dem 2. Weltkrieg als Bremer Bürgermeister (Senatspräsident) bekannt gewordene Sozialdemokrat, schreibt: „Es war eine Zeit des geistigen Aufbruchs der Arbeiterschaft. … Auch an mich trat die Frage heran, wie ein solides und überzeugungskräftiges Gedankengebäude zu finden war. … Dazu bot der Arbeiterbildungsverein mit etlichen Kursen die erwünschte Gelegenheit.“13 Später besuchte er die Parteischule der SPD – sie bestand von 1906–1914 in Berlin –, die „in sechsmonatigen Internatslehrgängen Lehrstoffe aus der Geschichte, der Nationalökonomie, der Soziologie und der Gewerkschafts- und Genossenschaftsarbeit behandelte.“ Eine Hauptabsicht der Parteischule bestand darin, „bei den Kursusteilnehmern das Verlangen nach einer selbständigen Weiterbildung zu wecken …“14 Arbeiterbildungsverein und Parteischule waren immerhin renommierte Anstalten, die ihren Namen Ehre machten. Außerdem gab es bescheidenere Bildungsinstitute, wie sie Maxim Gorki in seiner autobiographischen Darstellung Meine Universitäten schilderte, das Leben im Alltag, auf der Straße und auf Flüssen. Gleichfalls von einer ungewöhnlichen Hochschule, an der sein Held Michael studiert, erzählt Leonhard Frank (1882–1961): das Münchener Café Stephanie wurde „seine Universität“.15 Durch eine unkonventionelle Art Privatunterricht erlangt Charlotte Kornfeld (1896– 1974) ihre Bildung – vermöge ihrer brieflichen Korrespondenz mit Johann Knief im Jahre 1918, als beide sich getrennt in verschiedenen Haftanstalten in Berlin befinden. Er, ein examinierter und in der Praxis bewährter Volksschullehrer außer Dienst, deutet ihr in seinen Schreiben in eindringlichen Exkursen wichtige Abschnitte der Geschichte und Dichtungsgeschichte. Zu ihrer Lektüre gehört z. B. das Werk des zeitgenössischen Historikers Guglielmo Ferrero (1871–1942): Größe und Niedergang Roms (6 Bände, 1908/10).16 Es gibt unter den Zeitgenossen der
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Novemberrevolution den einen oder anderen, der sich redlich autodidaktisch zum ‚Gebildeten‘ hoch arbeitete, von dem man sich doch nur mit Anstrengung vorstellen kann, daß er zu den „Intellektuellen“ gehöre. Ein Beispiel wäre etwa Oskar Maria Graf (1894–1967), der sich aus den trübseligsten Anfängen heraus allmählich zu einem beachtlichen Schriftsteller zu entwickeln vermochte. Ebenso die Anfänge von Max Hoelz (1889–1933), und dennoch, seine Autobiographie erweist ihn als Autor von hoher Intelligenz. Gangolf Hübinger setzte in seiner „Intellektuellengeschichte“ die „Erfolgsperiode der Intellektuellen“ in dem Halbjahrhundert zwischen 1880 und 1930 an. Sie decke „sich nicht zufällig mit der Zeit der erschütterten Gewißheiten in den Wissenschaften …“ Seine Übersicht beginnt mit Georg Gottfried Gervinus (1805–1871).17 Die Novemberrevolution würde also der „Erfolgsperiode“ angehören. Ein erster Höhepunkt wurde die Erscheinung der Intellektuellen schon etwa um 1900, – „Erscheinung“ in dem Doppelsinn: ‚Heraufkunft‘ der Gruppe wie ‚das Phänomen, der Typus“ –. Damals drang der Begriff des „Intellektuellen“ von Frankreich aus auch in Deutschland durch, hier allerdings sehr zögerlich. Hübinger kennt jedenfalls einen „Idealtypus“: des „Gelehrten-Intellektuellen“. Insofern dieser sich von der Orthodoxie abgrenzt, befindet er sich in steter Opposition: „Ihre Leistung für die Ideenzirkulation einer Epoche erbringen Intellektuelle in prägender und multiplizierender Form. … Jede soziale Klasse findet in spezifischen Situationen ihre typischen intellektuellen Sprecher, etwa den Arbeiterintellektuellen . . .“18 Als Beispiel für den von ihm favorisierten „Gelehrten-Intellektuellen“ dient ihm u. a. Max Weber (1864–1920): „Er kämpfte im Stil eines ‚spezifischen Intellektuellen‘, der die Arbeitsteilung zwischen Wissenschaft, Journalismus und Politik als Merkmal demokratisierter Gesellschaften wünschte, in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie für die Innovation und Institutionalisierung sozialwissenschaftlicher Forschung. Schließlich verzahnte er Theorie und Praxis im Votum für eine plebiszitäre Demokratie zur Erneuerung des politischen Systems in der Kriegsniederlage von 1918.“19 Einige der von Hübinger eingebrachten Stichwörter wie „Ideenzirkulation“ lenken wiederum zu dem Verhältnis „Intellektuelle und Re-
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volution“ hin. Peter Nettl suchte es am Beispiel der Frau zu veranschaulichen, die für ihn die repräsentative Intellektuelle war, Rosa Luxemburg: „… sie vertritt den Anspruch der Intellektuellen auf Mitwirkung an der Umgestaltung der Gesellschaft. Als Hüter der Kultur, als Artikulatoren der Ideologie, vor allem als Beschreiber des Ziels, für das gekämpft und das erreicht werden soll, sind Intellektuelle wesentliche Mitgestalter der Revolution …“20
Affirmative Würdigung Peter Stein zeigt, daß der Intellektuelle nie eine allgemeine Anerkennung erfuhr.21 Weshalb? Um das zu ermitteln, müsse man sich „den Grundkonflikt der Dreyfus-Affäre vergegenwärtigen“. Für die Verteidiger der Unschuld von Dreyfus sei der Name „intellectuels“ gebraucht worden, zuerst von ihnen in Anwendung auf sich selber, von ihren Gegnern „dann auch in beschimpfender Form …“, ein Begriff, „der alsbald für ein engagiertes Sprechen bzw. für eine öffentliche Intervention mittels des geschriebenen Wortes einstand …“ Schnell bildeten sich zwei Lager her aus, dem der Dreyfusards gegenüber das ihrer Gegner: „Die politischliterarische Öffentlichkeit wurde definitiv gespalten, der operative Schriftsteller konnte – jeweils Universalität für sich beanspruchend – in beiden Lagern auftreten bzw. zwischen ihnen wechseln.“22 Anders im Reich: „Die in Frankreich selbstverständliche Anerkennung der Kompetenz von Schriftstellern, Gewissen der Menschheit bzw. der Nation zu sein, sei es in links- oder rechtsintellektueller Hinsicht, gab es in Deutschland um 1900 und danach nicht. … Heinrich Mann, von dem bis 1904 keine Reaktionen auf die Dreyfus-Affäre überliefert sind, war einer der ersten, der den Begriff ‚Intellektueller‘ ab diesem Zeitpunkt positiv zu verwenden begann …; dagegen mied Thomas Mann bis 1915 … den Begriff, näherte sich ihm jedoch mit der positiven Bestimmung des ‚Literaten‘ in dem Fragment Der Künstler und der Literat (1913; vgl. aber die ironische Rücknahme in den Betrachtungen eines Unpolitischen …).“23 Wie Stein hervorhebt, war es Heinrich Mann auch, der „die Gegenfigur zum universellen Intellektuellen beschrieb“;
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das ist „der ‚abtrünnige Literat‘“24 Das Muster für ihn bildete ihm sein eigener Bruder, als dieser 1914 den Krieg und die deutsche Kriegführung glorifizierte. Der Zola-Essay (1915) ist das Dokument der Absage Heinrichs an ihn, ein „Bruch“, der jetzt zugleich auch in Deutschland „die Spaltung von Links- und Rechtsintellektuellentum artikuliert, indem den ‚Ideen von 1914‘ die ‚Ideen von 1789‘ gegenübergestellt werden.“25 Ständig gibt es auch die Möglichkeit des Seitenwechsels vom Saulus zum Paulus oder umgekehrt. Ein international bekannt gewordener Seitenwechsler war u. a. Mussolini, der 1914 vom Sozialismus zum Nationalismus konvertierte und dessen Karriere ihn weiterführte zum Faschismus, den er 1919 gründete. Loewenfeld skizziert den Fall des Münchener Publizisten Paul Nikolaus Cossmann (1869–1942), des Herausgebers der „Süddeutschen Monatshefte“ (1904–1933). Vor dem Kriege „ein entschiedener Vorkämpfer [des] demokratischen Liberalismus“, nahm er in den ersten Kriegsjahren „eine politische Schwenkung von 180 Grad“ vor und scheute sich fortan nicht, zur „alldeutschen Agitation“ zu greifen, endlich sogar auch zum Antisemitismus, den er verbreitete, obwohl er selber aus jüdischer Familie stammte. Das alles hinderte nicht, daß die Gestapo ihn 1933 verhaftete, 1942 nach Theresienstadt schleppte und dort ermordete.26 Umgekehrter Fall: Hier zu vergleichen ist die Autobiographie Hellmut von Gerlachs, deren Titel gleichzeitig ein Bekenntnis ist: „Von Rechts nach Links“. Auch Heinrich Mann greift statt der Bezeichnung „die Intellektuellen“ in der Revolution manchmal jetzt die modisch werdende auf: „Wir geistigen Arbeiter …“27 Außerdem gebraucht er so gut wie synonym: „der Literat“. Den Terminus verwendet er u. a. in der Gedenkrede auf Eisner (16. März 1919), worin er eine bemerkenswerte Inversion wagt. Die Abwertung, mit dem Thomas Mann in den Betrachtungen den Typus des Linksintellektuellen belegte: „Zivilisationsliterat“, – in der Eisner-Ehrung verkehrt der Redner sie ins Gegenteil: „Wer so unwandelbar in der Leidenschaft der Wahrheit und, eben darum, so mild im Menschlichen ist, verdient den ehrenvollen Namen eines Zivilisationsliteraten.“28 Wenn Helene Stöcker den ‚Internationalen Völkerbundkongreß‘ von Bern 1919 (5.–12. 2.) im April des Jahres kommentiert, gedenkt sie
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dabei des prominentesten Deutschen, der dort anwesend war. Sie schreibt über ihn – ohne Nennung seines Namens, jedoch meint sie Eisner und seine Bemühungen zugunsten des revolutionierten Deutschen Reichs. Das Buch von Hugo Ball (1886–1927) Zur Kritik der deutschen Intelligenz entstand aus seinen Beiträgen, die er auf Anregung René Schickeles für das Emigrantenblatt „Die Freie Zeitung“ – es erschien in Bern von 1917–1920 – verfaßt hatte (1919). Es enthält u. a. polemische Äußerungen gegen Beispiele deutscher nationalistisch-antisemitischer Publizistik, darunter das Werk des Historikers Heinrich von Treitschke und des eingedeutschten, aus England stammenden Autors Houston Stewart Chamberlain, der sich die ‚wissenschaftliche‘ Begründung des Antisemitismus zur Aufgabe gesetzt hatte. Als „Sinn dieses Buches“, versichert der Verfasser, denke er sich, „daß es die während des vierjährigen Krieges gegen die Regierungen der Mittelmächte erhobene Schuldfrage systematisch ausdehnt auf die Ideologie der Klassen und Kasten, die diese Regierungen möglich machten und stützten.“29 Bruno Frank bestimmt in seiner Rede am 10. Dezember 1918 die Aufgabe der Intellektuellen in der Revolution. „Aber wir sind die Bürger, die dem Neuen am ehesten sich eingliedern können, weil wir am klarsten seine Notwendigkeit einsehen und weil uns Menschenliebe über die ökonomischen Interessen unserer Klasse am leichtesten hinwegträgt. Unsere große und schöne Pflicht ist es, als geistiges Mittelglied für das Bürgertum um Vertrauen zu werben bei der Arbeiterklasse, die sich befreit hat.“30 Es bedeutete doch eine erhebliche Verkennung der Arbeiter, wenn er wähnte, diese müßten die Intellektuellen als Vermittler beanspruchen, um sich mit dem Bürgertum und der Republik zu arran gieren. Der Hauptgesichtspunkt, der in der Mehrzahl der Ausführungen sozialistischer Autoren dominierte, war die Bündnismöglichkeit. So bereits 1909 in Pannekoeks Übersicht Die Klassen der bürgerlichen Gesellschaft und ihre Funktion im Klassenkampf. Gleichzeitig vergewärtigte der Autor sich, daß die Intelligenz, zusammen mit den „Privatangestellten“ – den nicht beim Staat und seinen Behörden beschäftigten – „eine
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Uebergangsschicht zwischen Proletariat und Bourgeoisie“ bilde, da sie kein Eigentum an Produktionsmitteln besitze und einzig vom Verkauf ihrer Arbeitskraft lebe. Und ebenso: wie sich daher gewisse Teile der Intelligenz der Arbeiterklasse nähern, näherten sich den „untersten Schichten der Intelligenz“ „einige aus dem Proletariat emporsteigenden Schichten, die Arbeiter, die durch besondere Ausbildung und Fähigkeiten unentbehrlich sind, besser entlohnt werden, und so eine Arbeiteraristokratie bilden …“31 Edwin Hoernle benutzt in seinem Aufsatz Die kommunistische Partei und die Intellektuellen (1919) für diese überwiegend das Synonym „Kopfarbeiter“. Es sei die „wachsende wirtschaftliche Notlage …, die auch unter den Kopfarbeitern den Gedanken der Organisation, der wirtschaftlichen und politischen Interessenvertretung weckte.“ Er glaubt, euphemistisch das Fazit ziehen zu können: „Das proletarische Klassenbewußtsein war durchgebrochen … Unter Vorantritt der Bankbeamten, Verkehrsbeamten, Handelsangestellten reiht sich das Kopfproletariat mit wachsender Entschlossenheit in die proletarischen Kampforganisationen.“ Womit sich nunmehr der KPD die Aufgabe stelle, „mit dem ganzen Rüstzeug ihrer politischen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen, dem Entwicklungsprozeß bei den Kopfarbeitern zu Hilfe zu kommen“. Sein Euphemismus verleitet den Verfasser, das bestimmte Eintreffen der proletarischen Revolution anzukündigen, und jetzt liege es an den Intellektuellen, ob sie „mit allen Schrecken des Bürgerkrieges kommen“ werde oder „wie ein leichter Herbstwind“.32 Im Vergleich zu Hoernles optimistischen Ausführungen ist die Einschätzung der Intellektuellen durch Clara Zetkin, fünf Jahre später, doch bedeutend skeptischer. Sie schaut zurück: „Ohne Rücksicht auf ‚Volksgemeinschaft‘ und ‚Vaterland‘ verwandelte der Kapitalismus die Intellektuellen aus Mehrern der deutschen Kulturwerte in Händler mit gangbaren geistigen Waren.“33 Sie seien in drei Ränge zerteilt: einen obersten, wo die einflußreichsten Vertreter der Intelligenzschicht „in der Pose von Herrenmenschen auf die leidenden, ausgebeuteten Proletarier als auf Herdentiere“ hinabschauen – hier verwendet sie Nietzsches Sprache –. Sodann: „Die breite Schicht der Geistesarbeiter, die noch in mittel- oder
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kleinbürgerlichen Verhältnissen lebte und nun hinabgeschleudert worden ist in die Tiefe einer proletarischen Existenz, beginnt den Zusammenhang zwischen ihrer Knechtschaft und der Macht der Besitzenden zu ahnen …“ Diese Gruppe öffnet sich der Erkenntnis jedoch nur widerwillig und bevorzugt es, „noch den Wahn“ fortzuträumen, „daß sie eine besondere, bevorzugte Kaste“ sei.34 „Unterhalb dieser beiden Schichten gab es eine dritte Gruppe von Geistesarbeitern, die weder Glück noch Stern hatten, die unaufhörlich an der Grenze des Lumpenproletariats hin- und herwanderten und sehr häufig in diesem versanken.“35 Clara Zetkins Ergebnis lautet: „Die Intellektuellenfrage enthüllt sich letzten Endes als die Krise der geistigen Arbeit und der Kultur selbst in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie kündet uns, daß die bürgerliche Gesellschaft nicht länger Hüterin, Fortentwicklerin ihrer eigenen Kultur sein kann.“ Damit sei die Intellektuellenfrage eben keine alleinige Frage der Intellektuellen mehr, auch keine Frage mehr nur der bürgerlichen Gesellschaft, sondern werde zu einer Frage des Proletariats.36 Gehe der Intellektuelle, über seinen eigenen Schatten springend, endlich doch mit ihnen, so müssen die Kommunisten die Intellektuellen „als Bundesgenossen nicht verschmähen und zurückstoßen“.37
Polemische Distanzierung Sind Intellektuelle Vogelscheuchen? Eine ältere Form des Wortes „Mumpitz“ soll für ‚Schreckgestalt, Vogelscheuche‘ gestanden haben. Aus der Novemberrevolution ist der Ausspruch eines Arbeiters (am 2. Dezember 1918) überliefert: „Intellektuelle sind Mumpitz.“38 August Bebel griff zu einem weniger krassen Ausdruck. Doch deutliches Mißbehagen ließ auch er erkennen: „Seht Euch jeden Parteigenossen an, aber wenn es ein Akademiker ist oder ein Intellektueller, dann seht ihn Euch doppelt und dreifach an.“39 Nicht nur von einer Seite allerdings erfuhren die Intellektuellen und ihr Habitus Kritik. Eine erste war, wie Bebels mahnende Worte bezeugen, die Arbeiterbewegung. Eine andere der Konservatismus. Thomas Mann führte in seiner Schrift Gedanken im Kriege erst einmal das Ge-
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genbild vor, lobend den Dichter als Verächter des Friedens, der den Krieg feiernd besingt: 1756, zu Beginn des Siebenjährigen Krieges? 1914, zu Beginn des Weltkriegs? Wie auch immer, der Autor läßt beides in einander fließen. „Wir kannten sie ja, diese Welt des Friedens und der cancanierenden Gesittung“. (Der Cancan: ein erst im 19. Jahrhundert aufgekommener Tanz.) „Wimmelte sie nicht von dem Ungeziefer des Geistes wie von Maden? Gor und stank sie nicht von den Zersetzungsstoffen der Zivilisation?“ Paukenschlag: „Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden, und eine ungeheuere Hoffnung. Hiervon sagten die Dichter, nur hiervon. … Was die Dichter begeisterte, war der Krieg an sich selbst, als Heimsuchung, als sittliche Not. Es war der nie erhörte, der gewaltige und schwärmerische Zusammenschluß der Nation in der Bereitschaft zu tiefster Prüfung …“ Und der Schriftsteller am Schreibtisch preist „den Siegeszug unseres Volksheeres bis vor die Tore von Paris“, wobei er unerwähnt läßt, daß er wirklich dorthin „vor die Tore“ kam, jedoch nicht weiter und hinein.40 Konträr die Intellektuellen. Was „die Dichter“ begeisterte, begeisterte nun eben keineswegs jene, soweit sie pazifistisch gesinnt waren. Was sie begeisterte, der Friede, begeisterte im mindesten nicht „die Dichter“. Aus Antithesen baut der Unpolitische sich seine Metaphysik des Deutschtums. In der Vorrede zu seinen Betrachtungen manifestiert er sein Fundament: „Der Unterschied von Geist und Politik enthält den von Kultur und Zivilisation, von Seele und Gesellschaft, von Freiheit und Stimmrecht, von Kunst und Literatur; und Deutschtum, das ist Kultur, Seele, Freiheit, Kunst und nicht Zivilisation, Gesellschaft, Stimmrecht, Literatur.“41 Für sich selber nimmt er die erste Reihe in Anspruch: Kultur etc., um die zweite zu verwerfen: Zivilisation usw. Die Betrachtungen enthalten auch seine bellizistische, zum Pazifismus konträre Konfession zur Zeit des Weltkriegs: „Der Pazifismus war mir eine Puschel (?) gewesen … Ich fand es oberflächlich, maniakalisch und kindlich, die Welt aus dem Punkte des militärischen Friedens kurieren zu wollen; ich glaubte nicht, daß das Leben je friedlich sein könne, und auch nicht, daß die liebe Menschheit in ewigem Frieden sich wesentlich schöner ausnehmen werde, als unter dem Schwerte.“42 Freilich, in der Weimarer Republik fiel seine Vorliebe für das Leben „unter
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dem Schwerte“ dahin. Jetzt hieß es (1929): „Der Weltkrieg, diese Riesenexplosion der Unvernunft …“43 Zu den von ihm behaupteten Unterschieden u. a. von Kultur und Zivilisation gehört es, daß er eine Bezeichnung für den Verfechter von Zivilisation und Literatur schuf: „Der Typus dieses deutschen Anhängers der literarischen Zivilisation ist, wie sich versteht, unser radikaler Literat, er, den ich den ‚Zivilisationsliteraten‘ zu nennen mich gewöhnt habe, – und es versteht sich deshalb, weil der radikale Literat, der Vertreter des literarisierten und politisierten, kurz, des demokratischen Geistes, ein Sohn der Revolution, in ihrer Sphäre, ihrem Lande geistig beheimatet ist. … Frankreich ist sein Land, die Revolution seine große Zeit, es ging ihm gut damals, als er noch ‚Philosoph‘ hieß und in der Tat die neue Philosophie, nämlich die der Humanität, Freiheit, Vernunft vermittelte, verbreitete, politisch zubereitete …“44 So im Kapitel: „Der Zivilisationsliterat“, worin Mann am Schluß das von diesem angestrebte Ziel abermals verdammt: „die Politisierung, Literarisierung, Intellektualisierung, Radikalisierung Deutschlands“; mit einem Wort: Deutschlands „Entdeutschung.“45 Für sein Haßobjekt, den „Zivilisationsliteraten“, hat Mann eine weitere Schmähung parat, in Deutschland eine alte, veraltete: „Jakobiner“. So schreibt er: „… was ich mir nicht träumen ließ, das war die Auferstehung der Tugend in politischer Gestalt, das Wieder=möglich=werden eines Moralbonzentums sentimental=terroristisch=republikanischer Prägung, mit einem Worte: die Renaissance des Jakobiners.“46 Die Distanz zwischen einfachen Menschen, vor allem den Handarbeitern, und den „geistigen Arbeitern“, hielt an, und wenn sie sich in der Novemberrevolution auch vermutlich hier und da verringerte, – nach deren Ende vergrößerte sie sich neuerlich, sogar unter den gefangenen Teilnehmern an der Revolution. Ernst Toller bezeugt es. Aus der Haft in Niederschönenfeld berichtet er: „Der Haß gegen den Intellektuellen ist nicht mehr ‚Überlegungshaß‘, ist reiner Triebhaß geworden.“ (1920) Doch liege die Ursache nicht auf einer Seite allein, denn in der Geschichte machten sich die Intellektuellen „der immer gleichen Verwechslungen zwischen den Nöten der Massen“ und ihren eigenen schuldig (1922).47
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Gegen Toller wütete in der Haft ein anderer Gefangener: Erich Mühsam. Sein Tagebuch verrät: „Die ‚Intellektuellen‘ also bilden hier eine Partei“ – ausdrücklich nominiert er Toller und Niekisch –, „während unsre Gruppe sich sehr scharf dagegen abhebt.“48 Zuvor bereits hatte er Tollers politische Auffassung als „Schleimrevolutionarismus“ diffamiert.49 1920 dichtete er gar einen Gesang des Intellektuellen50 mit sieben Strophen. Die erste: „R-r-revolution / macht man nur mit Liebe. / Weist den Hetzer von der Schwelle. / Nur der Intellektuelle / kennt das Weltgetriebe.“ Die sechste: „Folgt dem geistigen Führerrat / zu des Werkes Krönung. / Einerseits die rote Fahne, / andrerseits die Buttersahne / lieblicher Versöhnung.“51 Im selben Atemzug machte er den „Politischen Rat geistiger Arbeiter“ nieder. Seine Ermahnung erging in direkter Anrede: „Proletarier, hütet euch vor ‚geistigen Arbeitern‘!“52 Nicht zufällig erinnerte Richard Müller in seinem historiographischen Werk an die sog. „Professoreneingabe“ von 1915, einen Text im Umfang von ca. 10 Seiten, der von zahlreichen Intellektuellen unterzeichnet wurde. Darunter waren: 325 Hochschullehrer, 148 Juristen, 145 Bürgermeister und höhere Verwaltungsbeamte, 158 Geistliche, dazu Parlamentarier und ranghohe Militärs. Müller merkt an, daß der Text 1915/16 unter den Arbeitern verbreitet worden sei zwecks revolutionärer Propaganda als Dokument, mit dessen Hilfe Stimmung gegen den Krieg und die Masse der Kriegsbefürworter gemacht werden konnte. Im Anhang druckt Müller den Text komplett ab, teilt dazu aber mit, daß er ihn bewußt nicht kommentiere. Er läßt ihn für sich selber sprechen. Von den „Feinden“ sagen die Unterzeichner, daß deren Pläne „bis zur Vernichtung des Deutschen Reiches gingen. Da haben wir Deutschen, einmütig vom Höchsten bis zum Geringsten, uns erhoben in dem Bewußtsein, nicht nur unser äußeres, sondern vor allem auch unser inneres, geistiges und sittliches Leben, Deutschlands und Europas Kultur verteidigen zu müssen gegen die Barbarenflut aus dem Osten und die Rache- und Herrschaftsgelüste aus dem Westen. …“ Es folgt der Katalog der vom Reich zu annektierenden Länder und Provinzen!53 Gertrud Bäumer warf damals den Intellektuellen vor, nicht die Aufgabe erfüllt zu haben, der Masse gerecht zu werden. In ihrer Selbst-
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lebensbeschreibung zitiert sie aus dem Jahrgang 1919 ihrer Zeitschrift „Die Hilfe“ einen Beitrag, worin es heißt, die vergangene Gesellschaftsordnung habe „den Fluch der Masse“ herbeigeführt, und die Schuld treffe auch die „Führerschaft“, die den Massenmenschen „verkauft“ habe: „Eine doktrinäre Führerschaft hat seine dunkle Sehnsucht an ein äußeres Ziel verkauft, hat ihm die vertrocknende Seele mit dem Messer ihres programmatischen Materialismus schmerzlos entfernt, statt sie zu erquicken und wachsen zu machen. Die ‚Gebildeten‘, Geistigen sind in eine Welt verkapselt gewesen, aus der nur wenige die Liebe hinübertrug zu den anderen. Sie haben die Masse peinlich gefühlt, analysiert, gehaßt, verachtet, zuweilen gefürchtet, beklagt, gebrandmarkt – aber nicht überwunden.“54 Die verquollene Stilgebung des Texts läßt immerhin so viel erraten, daß der Vorwurf auf die sozialdemokratisch-sozialistischen Intellektuellen gemünzt ist; Lexeme wie „doktrinär“ und „programmatischer Materialismus“ deuten darauf hin. In seinem propagandistischen Werk Mein Kampf poltert Adolf Hitler mehrfach gegen die „Intelligenz“. Für 1918 zeichnet er ein Bild, wonach das Volk in zwei Teile „zerrissen“ sei, „die breite Masse der handarbeitenden Bevölkerung“ sowie eine „weitaus kleinere“, „die Schichten der nationalen Intelligenz“ umfassend. Er beklagt: „Die sogenannte ‚Intelligenz‘ sieht ja ohnehin immer mit einer wahrhaft unendlichen Herablassung auf jeden herunter, der nicht durch die obligaten Schulen durchgezogen wurde und sich so das nötige Wissen einpumpen ließ.“55 Die Intellektuellen widerständen auch nicht den übelsten Zeichen der Zeit, der „Judenkrankheit“, der „Kulturschande“. „Da aber konnte man so recht die jammervolle Feigheit unserer sogenannten Intelligenz studieren, die sich um jeden ernstlichen Widerstand gegen diese Vergiftung des gesunden Instinktes unseres Volkes herumdrückte …“56 Was heißt bei ihm „Judenkrankheit“? Die Intelligenz ordne der Ausbildung des Körpers die intellektuelle über, die Bevölkerung degeneriere dann, wodurch in bestimmten Regionen der Boden für „die bolschewistische Welle“ geschaffen ist.57 Kaum vorstellbar, daß ein Autor dies hat drucken lassen können in der Meinung, eine so krude Auseinandersetzung mit der Intellektuellenfrage würde als seriöser Beitrag dazu in Betracht kommen.
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Arten der Betätigung Intellektueller in der Revolution In der DDR erschien 1960 die Anthologie Vorwärts und nicht vergessen, mit dem Untertitel: „Erlebnisberichte aktiver Teilnehmer der Novemberrevolution 1918/19“.58 Es sind mit wenigen Ausnahmen weithin ‚Namenlose‘, die hier mit ihren Erfahrungen zu Wort kommen, Arbeiter und ehemalige Soldaten, die sich an Räten beteiligten und an Kämpfen, darunter z. B. ein Matrose der Volksmarinedivision, und Initiatoren und Verteidiger der Räterepubliken. So interessantes Material in dem Band geboten wird, der Kreis „aktiver Teilnehmer“ ist allzu eng gezogen, er wäre zu erweitern. Gerade auch um die verschiedenen Gruppierungen Intellektueller. Versucht man eine Übersicht über die Arten ihrer Betätigung in der Revolution, so hebt sich einmal schon eine aufschlußreiche Antithese heraus: hier die Aktiven – dort die interessiert Zuschauenden; wobei außerdem zugleich vorhanden sein können: der beobachtende Teilnehmer ebenso wie der Beobachter im Übergang zum Handeln. Dazu sind neben den Revolutionären deren Feinde zu berücksichtigen, die Konterrevolutionäre. Denkende und Schreibende aller Kategorien in der Revolution waren unermüdlich, sich mit sich selber und mit anderen über ihren Status zu verständigen, wobei es meistens Aktive waren, die sich über die bloß Zuschauenden mokierten, während diese sich manchmal dafür rechtfertigten, daß sie passiv blieben. Franz Jung (1888–1963), ein Beweglicher, der gern unterwegs war, darunter in Rußland, gestand (1920): „Ich hasse die Leute, die hinterm Schreibtisch sitzen und durch Hornbrillen sich die Ereignisse belesen.“59 Stefan Großmann (1875– 1935) ekelte sich vor den Enthusiasten der Revolution, die ruhig im Saal saßen und selber keine Hand rührten (1919): „Nichts Widerwärtigeres als diese jähe Revolutionsseligkeit der passiven Mitbürger, die bis nun von den Samtstühlen ihrer Zuschauerloge dem Ringen der anderen zugeschaut hatten.“ Er wählte für seine Einsicht die Formel: „Nie wird der eine revolutionäre Wirklichkeit meistern, der nur denkend am Ufer steht.“60
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Leo Trotzki, in Rußland einer der energischsten Protagonisten, identifizierte spöttisch die Passiven mit den Opportunisten: „Während der Revolution ist der Aufenthalt auf der Mauer mit großen Gefahren verbunden. Im übrigen pflegen in unruhigen Augenblicken die Priester der ‚ausgleichenden Gerechtigkeit‘ gewöhnlich in ihren vier Wänden zu hocken und abzuwarten, auf wessen Seite der Sieg sein wird.“ Und sich selber stellte er bescheiden als Schreibenden vor, der sich in der Revolution betätigt hatte und sorgsam der Autorenpflicht genügte: „Der Umstand, daß der Autor Teilnehmer der Ereignisse war, enthob ihn nicht der Pflicht, seine Darstellung auf streng nachgeprüften Dokumenten aufzubauen.“61 In Deutschland intendierte Rosa Luxemburg, sie möchte „Teilnehmerin sein“, wie sie im Streit mit Kautsky bekannte (schon 1907), während dieser im Kontrast zu ihr darauf beharrte, er „wollte Zuschauer bleiben“.62 Graf Kessler amtierte während der Revolution kurzzeitig als deutscher Botschafter in Polen, und er hoffte, daß „man mich aber bei den polnischen Dingen auch heranziehen“ müsse: „Hier sitzen und nichts tun sei nicht meine Sache.“63 Über Eisners Einstellung vermerkte Helene Stöcker aus persönlicher Bekanntschaft, dieser so oft „verhöhnte Mann“ gehörte „zu den wenigen, die begriffen, was nottat“: „Immer wieder kam er von München nach Berlin herüber, um hier zu Klarheit und Mut anzufeuern, um der Erkenntnis, daß wir uns nicht länger durch Dulden und Stillschweigen, durch Tatenlosigkeit mitschuldig machen dürften, zum Sieg zu verhelfen.“ Man habe den Eindruck gewonnen, „daß hier ein Mann stand, der bereit war, für seine Erkenntnis auch sein Leben einzusetzen: eine Bereitschaft, die wir nicht bei allen Geisteskämpfern finden.“64 Erich Mühsam zeigte sich in seinem Rechenschaftsbericht Von Eisner bis Leviné als „einer von denen, die die Revolution in München vom ersten Tage an mit erlebt und zum Teil wohl auch in ihrem Verlauf beeinflußt haben …“; auch kokettierend schlicht als ein „mitwirkender Zeitgenosse“.65 Toni Sender bekannte, daß sie in der Revolution „im öffentlichen Leben eine aktive Rolle“ innehatte. Sie verlangte diese von den Frauen insgesamt: „Es ist immer meine Überzeugung gewesen, daß in einer freien Gesellschaft ohne die Mitarbeit der Frauen, zumindest ohne ihre Sympathie, keine tiefgreifenden sozialen
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Umwälzungen bewirkt werden können.“66 Für Ossietzky war „Herr Durchschnittsmensch“ förmlich ein Greuel: „Er hat alle Erschütterungen der Weltgeschichte überlebt, ist immer Gaffender gewesen, niemals Erlebender, immer Zeuge, niemals Blutzeuge.“67 Welches Motiv hätte der Beobachter? Entweder muß er von der Wahrheit dessen, was er sieht, überzeugt sein, oder von der Relevanz des Gesehenen und Erlebten, was ihn zum Niederschreiben drängt. Peter Martin Lampel antwortete, von seinem Chef befragt, was er beabsichtige (1921): „Nur immer schreiben, was ich wirklich sehe und was ich glauben kann. Nur das schreiben, was wahr ist.“68 Philipp Loewenfeld meint, was er vorlege, sei etwas wie „ein einzelner Zeugenbericht“, der dadurch seinen Wert erlange, daß „der Verfasser an einem Beobachtungsposten“ weilte, „an dem man zu gewissen Zeiten mehr Zusammenhänge sehen konnte, als an den meisten anderen Punkten der Welt, München …“69 Marcel Martinet redet in seinem Poem Dichter Deutschlands, o ungekannte Brüder … diejenigen an, die leiden „ins Dunkel geduckt“, weil „Euerer Seele Flügel gebrochen und gefesselt“ sind, „– Doch eure Augen sahen.“70 Im Geleitwort zu seiner Darstellung „Bilder aus dem Zuchthaus“ avisiert Felix Fechenbach: „Aber ich habe Augen und Ohren. Und was ich beobachtet, geschaut und erlebt habe, erzählen … diese Blätter.“71 Toller liest in der Haft Briefe von Männern, Frauen und Kindern und notiert, „ich beobachte ihre Nöte und ihre Freuden, ihre Schwächen und ihre Tugenden, wie herrliche Kräfte sind hier verschüttet.“72 Victor Klemperer kam zu dem Ergebnis (1920), „daß man nicht gleichzeitig bloßer Zuschauer sein kann, wenn man Deutscher ist.“73 Bei Beurteilung der Verhaltensweise eines Zeitgenossen, Hans Meyerhof, produzierte er eine innovierende Kategorie des Zuschauers: die Rolle, „um es paradox und doch am genauesten auszudrücken, eines aktiven Zuschauers“.74 Im Titel der „Spektator=Briefe“ von Ernst Troeltsch erscheint die lateinische Vokabel für die Tätigkeit des Beobachters (1918/20). Endlich existiert noch die Position derer, die weder teilnehmen noch auch nur beobachten, die kein Ereignis zu sehen, keines zu wissen wünschen. Helene Stöcker richtete ihre Aufmerksamkeit am Jahrestag des 9. November (1919) auf eine Politik, die sich von der gegenwärtigen Ent-
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wicklung abwende, anstatt sie gestalten zu helfen: „So wissen wir heute, daß eine Vogelstraußpolitik uns nicht helfen kann, die an eine gesonderte Spezialarbeit, wie vor dem Kriege, glaubt und den Lauf der Welt ignorieren zu können meint.“75 Wenn ein Weg nicht beschritten werde, der aus der vorhandenen Situation herausführt, seien daran diejenigen schuld, die sich weigerten, von der Krise der Zeit Kenntnis zu nehmen: „Viel furchtbarer als alle Qual, alle Not dieser Tage scheint die Tatsache, daß ein so großer Teil der Menschen sich dessen, was sich begibt, gar nicht bewußt zu sein scheint. Aus diesem Nichtwissen, ‚Nichtmiterleben‘, vielleicht oft ‚Nichtwissenwollen‘ stammt sicherlich ein großer Teil unserer unseligen Verwirrung.“76
III. Positionen Bürgerliche Intellektuelle in demokratischen Parteien Der Umbau des Staates, wie ihn die Oberste Heeresleitung (OHL) Ende September 1918 angebahnt hatte, bedeutete für die Intellektuellen die Notwendigkeit der Entscheidung: Wie es mit ihm halten, dazu mit der Revolution von unten, die ihm entsprang, und wie mit der demnächst neu entstehenden Republik? Das traf die Schicht als ganze, besonders jedoch zwei Gruppen: einmal die Intellektuellen im Staatsdienst, Minister und höhere Beamte, in der Verwaltung und Justiz Tätige sowie die Akademiker im Hochschuldienst; sodann die Intellektuellen in den Parteien. Die Staatsbeamten standen vor der Frage, ob sie beiseite treten und sich ins Private zurückziehen sollten, falls nicht sogar die Opposition verstärken, oder ob sie sich der nunmehrigen Regierung zur Verfügung stellten. Intellektuelle in den Parteien konnten, soweit diese sich den neuen Verhältnissen anbequemten, den Prozeß der Umorientierung mit vollziehen, zu einer anderen wechseln oder ihr Parteibuch abgeben. Bei Anfang der Revolution erstarrten einige der bürgerlichen Parteien gleichsam vor Schreck, ehe sie sich wieder auf die politische Bühne trauten. Die rechts von der Sozialdemokratie angesiedelten benannten sich vor den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 um. Die Konservativen, die freikonservative Reichspartei sowie antisemitische und deutsch-soziale Gruppen firmierten jetzt als „Deutschnationale Volkspartei“; das Zentrum als „christliche Volkspartei“; die fortschrittliche Volks- oder Freisinnige Partei als „Deutsche Demokratische Partei“ (DDP); der Rest der Nationalliberalen als „Deutsche Volkspartei“. Fast sämtlich stimmten sie darin überein, daß sie erst einmal Zurückhaltung übten und es an einem klaren Bekenntnis zur Demokratie fehlen ließen, mit Ausnahme der DDP. Doch „nicht abseits zu stehen“ verlangte Carl von Ossietzky im Dezember 1918: „… wer nur ein wenig Gefühl und Augenmaß hat für das gewaltige heroische Schauspiel, das die sich immer wieder verjüngende
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III. Positionen
und erneuernde Kraft der Menschheit darbietet, der wird nicht murrend und maulend abseits stehen können. Der wird sich auf den Boden des Tatsächlichen stellen, und das ist: daß eine Welt zusammengebrochen ist und neu errichtet werden muß.“1 Den Boden des „Tatsächlichen“ betrat, wenn auch unter Skrupeln, der liberale Politiker Eugen Schiffer, vor der Revolution zuletzt beschäftigt als Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt. Im Laufe eines langen Lebens (1860–1954) wurde er nach einander Mitglied in mehreren liberalen Parteien: früh bei den Nationalliberalen, dann in der Deutschen Demokratischen Partei, im letzten Jahrzehnt bei der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands, einer Gründung in der Sowjetischen Besatzungszone und in Berlin, sowie kurz noch in der FDP. In seiner Autobiographie (1951) schildert er die „Gewissensfrage“, vor der ihn 1918 stellte: „Die Revolution brachte mich in schwere äußere und innere Bedrängnis. Sie stellte mich vor eine Gewissensfrage, die eine schleunige Antwort erheischte. Ich war Monarchist und hatte meine monarchische Überzeugung oft betont. … Wie hatte ich mich dienstlich und parteipolitisch zur neuen, republikanischen Staatsform zu stellen?“ Er besinnt sich auf „die weltanschaulichen Endziele des Liberalismus“: „Die Erhaltung und Entfaltung der Persönlichkeit … Wir halten es mit Kant, daß ‚der Mensch nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt‘ werden kann. Das bedarf aber der materiellen und ideellen Ergänzung und Verbürgung durch die Menschen- und Bürgerrechte: Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, Freiheit und Duldsamkeit, Gleichberechtigung und soziale Gemeinschaft, Privateigentum und Privatleben, Vaterlands- und Friedensliebe, nationales Ehrgefühl und internationale Verständigungsbereitschaft.“ Der politisch Handelnde gerät aber nicht selten in den Zwiespalt: seine „Grundsätze … zu befolgen“, und zugleich dem Vorhaben gerecht zu werden, „die Ansprüche der Zeit“ zu befriedigen. „Dann genügt es aber auch nicht, nur notgedrungen und wehleidig hinter einer unaufhaltsamen Entwicklung herzulaufen und sich widerstrebend von ihr nachziehen zu lassen. Wenn man die Unaufhaltsamkeit einer Entwicklung bejaht, darf man sie nicht hintenherum verneinen, sondern muß sich positiv zu ihr stellen, sich tatkräftig in sie einfügen
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und ohne Hinterhältigkeit und Winkelzüge ehrlich an ihr mitarbeiten.“ Zu den unaufhaltsamen Entwicklungen der Ära rechnet er das „große Sterben der Monarchien“, den Fall der Throne der Hohenzollern und der übrigen Reichsfürsten, im Ausland der Habsburger in Österreich, der Romanows in Rußland, der Herrscher in der Türkei und auf dem Balkan. Die Aufgabe laute dann, den „richtigen Ausgleich zwischen den Endzielen und Grundforderungen des Liberalismus und den Zeichen und Anforderungen der Zeit zu finden … Am 9. November 1918 stand der deutsche Liberalismus wieder einmal vor dieser Aufgabe. Ich selbst mußte mich schleunigst wegen meines Verbleibens auf meinem Posten im Reichsschatzamt entschließen. Meine erste Regung ließ mir ein Ausscheiden als selbstverständlich erscheinen, und in diesem Sinne sprach ich mich auch gegenüber meinem Amtsvorgänger Graf Roedern aus. Aber er beschwor mich, das Amt nicht zu verlassen. Auch der Direktor der Deutschen Bank von Gwinner redete auf mich ein2, und ebenso legten die Volksbeauftragten auf meine Mitarbeit großes Gewicht. Nach dreitägigen Verhandlungen mit Ebert erklärte ich mich bereit, bis auf weiteres in meinem Amt zu verbleiben, wenn die Wahlen zur Nationalversammlung unverzüglich stattfänden. Ich trat in den Dienst der demokratischen Republik.“ – Schiffer erwähnt, daß die Frage der Monarchie sich ihm noch einmal stellte. Als der Widerstand der Militärs gegen die NS-Herrschaft „organisiert werden sollte“, erörterten diese mit ihm die Rückholung der Hohenzollern als Mittel, „das Heer oder doch das Offizierskorps für die Widerstandsbewegung zu gewinnen“. Schiffers Stellungnahme: ja, „wenn die Arbeiterschaft keinen Anstoß nehme.“ Für ihn selber galt seit 1918: „Ich machte meinen Frieden mit der Republik, einen offenen und ehrlichen Frieden.“3 Der im November 1918 neu gegründeten DDP schien zunächst eine bedeutende politische Zukunft bevorzustehen. Gute Wahlerfolge ließen dies vermuten. In ihr betätigten sich einige der bedeutendsten deutschen Intellektuellen der Epoche, Wissenschaftler, Publizisten und Journalisten. Jedoch wie in anderen Parteien auch gab es in ihr auf Dauer keine ideologische Ausgewogenheit. Zu den Mitgliedern zählten Personen, die
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politisch mehr nach rechts tendierten, und andere, die nach links neigten. Ein Resultat zunehmender Rechtslastigkeit war es, daß die Partei während der Jahre der Weimarer Republik stetig der mehr nach links neigenden Persönlichkeiten verlustig ging. Kurt Hiller erinnerte daran 1947: Man dürfe „nicht vergessen, daß gerade in der linken Flügelpartei des deutschen Bürgertums die paar ehrenhaften, dem Frieden und der Freiheit ergebenen Persönlichkeiten, die ihr angehörten, seit 1920 planvoll aus aller Wirksamkeit geschaltet, an die Wand gedrückt, wenn nicht sogar hinausgedrängt, ja ausgeschlossen wurden: die Hellmut v. Gerlach, Harry Graf Keßler (!), Ludwig Quidde, Theodor Wolff.“4 Unter den Gründern der Partei befanden sich: Friedrich Naumann (1860–1919), ein rühriger liberaler Politiker schon in der Kaiserzeit, der 1919 Vorsitzender wurde, die Frauenrechtlerin Gertrud Bäumer und der Staatsrechtslehrer Hugo Preuß. Naumann, von Beruf ursprünglich evangelischer Pfarrer, war 1896 Mitgründer des „Nationalsozialen Vereins“, der bis 1903 existierte. Er agitierte zugunsten der Flottenpolitik der Regierung, verfocht aber auch die Erforderlichkeit demokratischer und sozialer Reformen, um so, wie er hoffte, die Arbeiterschaft für den Staat und ein soziales Kaisertum zu gewinnen. 1907 errang er einen Sitz im Reichstag. Im Weltkrieg kam er auf ein brisantes Thema: die Revolution: „Eine Frage wie die, ob unter gewissen Vorbedingungen eine Revolution möglich sei, ist ganz eine Anfrage ins Dunkle.“ Inwiefern „ins Dunkle“? Er legte seine Überzeugung dar: „Die Weltgeschichte wird im wesentlichen vom Unbewußten gemacht; weder nach dem Schema der Personalhistorie noch nach dem des Materialismus.“5 Am 6. Oktober 1918 schreibt er an Gertrud Bäumer: „Wir haben den Krieg zusammen angefangen und müssen nun auch zusammendenken wo er schließt. … Daß das Ende eine Niederlage sein würde, war Ihnen und mir von Anfang an nicht ganz verborgen und seit dem Anfang des unbeschränkten U=Bootkrieges habe ich den heutigen Tag kommen sehen; aber es ist nun doch noch etwas anderes, das Vorhergesehene real vor sich zu haben. Die Katastrophe ist leider sehr vollständig.“ Der Schreiber wendet sich dann gegen die in der Öffentlichkeit verbreitete Ansicht, daß der für das Reich unglückliche Ausgang auf den Einfluß der russischen Revolution oder
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von deren deutschen Parteigängern rückzuführen wäre. Den wahren Sachverhalt durchschauend, erläutert er psychologisierend: „Man schiebt die schlechten Erfahrungen auf Bolschewismus, aber das ist nur ein Ausdruck für das einfache Zuendesein der seelischen und körperlichen Kräfte.“ Zwar distanziert er ich von den Pazifisten und „Internationalisten“ (= Sozialdemokraten aller Richtungen?), versperrt sich aber nicht der Einsicht, daß sie Recht haben: „Alles zerfließt mit einem Male: Türkei, Bulgarien, Oststaaten, Mitteleuropa, Imperialismus. Es ist für uns, die ältere Generation sind, eine Götterdämmerung. Überall stecken diejenigen die Köpfe empor, die von vornherein à la baisse spekuliert haben6: Pazifisten und flache Internationalisten. Dabei muß man ihnen zugeben, daß sie Recht haben: wir brauchen jetzt eine gewisse Allerweltsflachheit, um weiter leben zu können und müssen aus dieser Not eine Tugend machen. Mir wird diese notwendige Einstellung noch blutsauer, aber ich ermuntere andere, sie schnell zu vollziehen, denn wir brauchen jetzt Völkerbundsoptimismus sowohl als politisches Hilfsmittel wie als Ersatz für verloren gegangene nationale Hoffnungen.“7 Ist Schiffer angesichts der staatsrechtlichen Entwicklung überzeugt, für ihn gebe es nur dies eine: „sich positiv zu ihr stellen, sich tatkräftig in sie einfügen“, so will gerade dies einem Friedrich Naumann nach seinem eigenen Geständnis nur mit Anstrengung gelingen, wie er es jedenfalls am 6. Oktober des Jahres einräumt. Das Adjektiv „blutsauer“ spricht eine klare Sprache. Gertrud Bäumer (1873–1954) nahm in der bürgerlichen Frauenbewegung eine Position am äußersten rechten Rand ein. Als sie von 1910–1919 den „Bund Deutscher Frauenvereine“ (BDF) leitete, initiierte sie dessen „Öffnung nach rechts.“8 Mit Naumann arbeitete sie seit dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts eng zusammen. Bis 1908 galt in Deutschland das Verbot, wonach Frauen sich nicht einer politischen Partei anschließen durften. Als es fiel, trat Gertrud Bäumer der linksliberalen Fortschrittlichen Volkspartei bei. Politisch hielt sie wie ihr Mentor Naumann die Weltpolitik des Reiches und dessen Streben nach Machtausweitung für legitim. In diesem Sinne begrüßte sie 1914 den Krieg. Am 1. August 1914 gründete sie den „Nationalen Frauendienst“. Ihre Bemühungen zu-
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gunsten der deutschen Kriegführung setzte sie bis zuletzt fort. Ein Blick auf das, was sie unter Frauenpolitik auch verstand (1918): „Noch Ende September und in den ersten Oktobertagen habe ich Werbeversammlungen für die Gewinnung von Munitionsarbeiterinnen gehalten.“9 Nach Kriegsende faßte sie sich rasch, um gleich schon 1918 mit Naumann zusammen die DDP zu konstituieren. In dieser übte sie bis 1930 das Amt der 3. Vorsitzenden aus. Von 1919 bis 1933 hatte sie einen Sitz im Reichstag. Als erste Frau in Deutschland wurde sie 1920 Ministerialrätin im Reichsinnenministerium mit Zuständigkeit für das Schulreferat und die Jugendwohlfahrt. Als Pädagogin war sie für diese beiden Bereiche qualifiziert. Wie sie berichtet, eröffneten sie und ihre Mitstreiterinnen im vorletzten Kriegsjahr, am 30. April 1917, in Hamburg „die soziale Frauenschule und das sozialpädagogische Institut mit über hundert Schülerinnen“.10 „Aus der Kindernot des Krieges, die so sehr seelische Not war, stieg die Frage auf, ob nicht Schule und Jugendhilfe viel näher zueinander gehörten, ob die Schule nicht in viel höherem Maße ein wissendes und handelndes soziales Organ der ihr anvertrauten Jugend gegenüber werden müsse.“11 Mit dem herannahenden Kriegsende sorgte sich der Bund Deutscher Frauenvereine um die Frauen, die sonst von Männern besetzte Arbeitsplätze eingenommen hatten, sie jetzt jedoch rasch wieder räumen sollten. Es erschien „selbstverständlich, daß die Frauen nicht nach dem Kriege wieder aus der aktiven Mitverantwortung herausfallen konnten.“12 Seine Forderungen formulierte der Bund in einer „Denkschrift“. Auch hielt er sich für kompetent, zum „Notenwechsel“, der dem von deutscher Seite an die Kriegsgegner gerichteten „Friedensangebot“ folgte, eine „Erklärung“ zu veröffentlichen, in der es an nationalistischen Tönen nicht fehlte. Als wesentlich erkannten Gertrud Bäumer und ihr Kreis „die Vorarbeit für die Nationalversammlung. So mußten wir uns mit allem Nachdruck auf die politische Mobilisierung der Frauen werfen, denn wir wußten, auch ehe die Einberufung und das Wahlgesetz kam, daß man die Frauen nicht ausschließen würde.“13 In die Nationalversammlung gewählt, bemüht sich Gertrud Bäumer sehr, Grund und Boden unter die Füße zu bekommen und den Anfor-
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derungen gerecht zu werden, die sie an sich selber stellt. Ihre Autobiographie vermittelt allerdings Aufschluß darüber, daß sie weder über einen historisch zutreffenden Begriff von der Revolution verfügte noch den Zweck des Wirkens einer demokratischen Abgeordneten erfaßte. Ihr Ausgangspunkt: „Wir sind gerufen durch die Revolution. Aber wir sind auch gerufen gegen die Revolution.“ Gegen sie: denn die Revolution wäre „in ihrem letzten Kern sozialistisch“ und – weil dies so ist – unwiderruflich aufzulösen. Wer leistet das? Sie meint: „nur sozialer Geist“, argumentiert also mit der Antithese: „sozial“ contra „sozialistisch“. Gegen die Revolution, wie sie diese sieht, und ihren – vermeintlich – sozialistischen Kern schwört sie auf einen ‚wahren‘ Sozialismus, und welches wäre das? „… Erneuerung des wirtschaftlichen und politischen Geistes im Sinne eines durchschlagenden Gemeinschaftsbewußtseins – Umgestaltung der wirtschaftlichen Organisation unter dem Gesichtspunkt der Überwindung des Klassenkampfes.“14 Wie hätte ein durchschlagendes Gemeinschaftsbewußtsein hergestellt werden können? Ein Jahrzehnt später versuchte die NS-Partei, es mit Gewaltsamkeit einzuführen. Wenngleich Gertrud Bäumer und ihre politischen Freunde die Brutalität verabscheut hätten, es ist unbestreitbar, daß sie innenpolitisch dasselbe Ziel erstrebten, mit Gertrud Bäumers Worten: „Arbeiterschaft und Bürgertum im nationalsozialen Geist als Volksgemeinschaft zusammenzufassen“.15 Von den Gründern der DDP entschloß sich wie Eugen Schiffer und Gertrud Bäumer auch der Staatsrechtslehrer Hugo Preuß (1860–1925), am Aufbau der neuen Republik mitzuwirken. Bereits 1918 Staatssekretär des Innern, wurde er 1919 Reichsinnenminister. Sein Name bleibt verbunden mit dem Entwurf der neuen Verfassung des Deutschen Reichs, der Weimarer Verfassung (11. August 1919). Er zieht am 14. November 1918 ein erstes Fazit seit „dem Sturz des alten Obrigkeitssystems in Deutschland“. Dessen „Ueberalterung“ betrachtet er als „die Ursache seines Bankerotts und des gegenwärtigen Umsturzes“, und er rühmt, daß „dieser Umschwung … sich bisher jedenfalls mit einer Ordnung vollzogen“ habe, „die für eine Revolution von so ungeheuerlicher Bedeutung erstaunlich und wunderbar“ sei. Wo-
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vor er indes warnt, ist die Gefahr des Verlusts der Ordnung und der Übergang zur Gewaltanwendung „im Zeichen des Klassenkampfes“. Fehlte es im alten Obrigkeitsstaat an Freiheit des einzelnen, so sieht er „im Augenblick“ dies Defizit keinesfalls abgeschwächt, sondern im Gegenteil vergrößert, denn „das Volk in seiner Gesamtheit“ bilde wiederum nichts anderes als das „Objekt einer Regierung“. Wichtig wäre, „heute nicht vor den neuen Machthabern“ zu schweigen, sondern ihnen zuzurufen: „Ihr könnt dem geschlagenen deutschen Volke Erhebung, dem zerrütteten deutschen Staate neues Leben unmöglich unter Entrechtung seines Bürgertums, unmöglich im Zeichen des Klassenkampfs bringen.“ Es offenbart sich, daß Preuß wie seine Parteikollegin Bäumer sich am Dogma des Klassenkampfs reibt. Er führt an dieser Stelle den Terminus der „Gleichberechtigung“ ein. Der gegenwärtige Zustand werde nicht lange haltbar sein. „Wenn er bis dahin seine Lösung nicht in einer auf der Gleichberechtigung aller Volksgenossen ruhenden politisch-demokratischen Organisation gefunden hat, so gibt es keinen anderen Ausweg als rechtlose Gewalt und mit ihr völlige Zerrüttung des wirtschaftlichen Lebens.“ Das begreift er als Nachahmung des Bolschewismus. Dem Bürgertum hält er zugute, es werde sich nicht der Gegenrevolution andienen: „Nicht zum Vortrupp reaktionärer Bestrebungen darf und will sich das Bürgertum hergeben; es will Hand in Hand gehen mit den neuen Mächten, aber nicht als Handlanger, sondern als gleichberechtigter Genosse. Nicht Klassen und Gruppen, nicht Parteien und Stände in gegensätzlicher Isolierung, sondern nur das gesamte deutsche Volk, vertreten durch die aus völlig demokratischen Wahlen hervorgehende deutsche Nationalversammlung, kann den deutschen Volksstaat schaffen.“ Anders als Gertrud Bäumer kommt er nun jedoch nicht zur Forderung der Unterdrückung des Klassenkampfs. Vielmehr unterscheidet er zweierlei Auseinandersetzungen, den Klassenkampf sowie die „sozialpolitischen Kämpfe“ mit friedlichen Mitteln. Er notiert: „Im Rahmen der zu schaffenden demokratischen Verfassung sind die unausbleiblichen sozialpolitischen Kämpfe der Zukunft friedlich auszutragen.“16 Statt der Unterdrückung einer Klasse und ihrer Angehörigen durch eine andere Klasse demnach beider Gleichberechtigung; statt der
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Gewaltsamkeit in den Auseinandersetzungen der Klassen: die Gewaltlosigkeit, die Friedlichkeit. Walther Rathenau (1867–1922, von Offizieren der nationalistischen „Organisation Consul“ ermordet) war unter den liberalen Intellektuellen derjenige, der in der Weimarer Republik eine der höchsten Stufen im Staat erklomm: als Reichsaußenminister. Eine „Persönlichkeit“, wie Fritz Fischer hervorhebt, „die zugleich in Wirtschaft, Politik und Literatur schöpferisch hervorgetreten ist“.17 Noch fast ein Halbjahrhundert später reihte Kurt Hiller ihn in eine Liste der Schöpferischen ein, die von inferioren Schlagetots gewaltsam zu Tode gebracht wurden: „Der Idiotismus und die Raserei der Nur-Animalischen in der Menschheit arbeitet an ihrem Untergang. Der Gegentyp ist vorhanden, wohl bei allen Nationen, auch in ausreichender Zahl; doch er kommt nicht zum Zuge – warum nicht? weil er, schwache Ansätze ausgenommen, nur als Individuum lebt, der Zusammenfassung in Machtkörperschaften entratend. Tritt bisweilen das Ungewöhnliche ein, daß Exemplare dieses Typs schöpferisch in die Demos-Sphäre dringen, dann pflegt das allmächtige Gesindel sie zu ermorden; man denke an die Fälle Lincoln, Jaurès, Gandhi, Kennedy; Rosa Luxemburg, Kurt Eisner, Karl Gareis und Rathenau; Matteotti, Trotzki, Münzenberg; Archetypen dieser höheren Menschenart bleiben Sokrates und Jesus.“18 Sein Lebensweg zeigt Rathenau auf drei Bahnen zugleich: als Großindustrieellen, als Politiker sowie als Schriftsteller. 1893–1899 leitet er als Direktor die Elektrochemischen Werke Bitterfeld; 1902–1907 als Geschäftsinhaber die Berliner Handelsgesellschaft. Seit 1915 amtiert er als Präsident der AEG. Im Krieg organisiert er (1914/15) im Preußischen Kriegsministerium die Kriegs-Rohstoff-Abteilung, womit er „eine für die weitere Kriegführung grundlegende Funktion“ übernimmt.19 Am 21. November 1918 bekennt Rathenau seine Absicht, „das Bürgertum zur Revolution herüberzuziehen“.20 1921 wird er für ein halbes Jahr Wiederaufbauminister im 1. Kabinett Wirth21; in der 2. Regierung Wirth, im ersten Halbjahr 1922, Reichsaußenminister. In verschiedenen Konferenzen vertritt er das Reich in der Reparationsfrage und erwirbt den Ruf eines ‚Erfüllungspolitikers‘. Im April 1922 nimmt er an
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der Weltwirtschaftskonferenz in Genua teil. Am Rande dieser Zusammenkunft gelingt es ihm in Rapallo (16. 4. 1922), mit dem sowjetischen Außenminister Tschitscherin ein deutsch-sowjetisches Abkommen zu schließen, das auf die Verständigung beider Staaten untereinander abzielt. Sie verzichten darauf, von der Gegenseite die Erstattung der Kriegskosten zu verlangen. In Deutschland zieht er sich als Jude den Haß der Antisemiten zu, mit seiner Politik die Feindschaft von rechts und links. Heinrich Hannover und Elisabeth Hannover-Drück resümieren: „Rathenau war aber nicht nur als Jude verfemt. Von seinen Standesgenossen unter den Großindustriellen wurde er wegen seiner Arbeiterfreundlichkeit mit Mißtrauen betrachtet, von den linken Parteien als Kapitalist abgelehnt. Aus seinen Feinden wurden Todfeinde, als er unter Reichskanzler Wirth, der ihn persönlich hochschätzte, in die politische Arena einziehen konnte. Er wurde 1921 Wiederaufbauminister und Anfang 1922 Außenminister, wohl wissend, daß ein solcher Posten für ihn lebensgefährlich war. Der von Rathenau konsequent verfolgte Kurs einer Erfüllungspolitik, die seiner Überzeugung nach den Siegermächten sehr schnell klarmachen mußte, daß ihre Forderungen aus dem Versailler Vertrag nicht einzutreiben waren, gab der Rathenauhetze ebenso neue Nahrung wie der Abschluß des Rapallovertrages, von dem die einen glaubten, daß er die Westmächte zum Schaden für Deutschland verärgert und neues Mißtrauen gesät habe, während nationale Kreise in dem Vertrag mit Rußland den Anfang einer schleichenden Bolschewisierung erblickten.“22 Hellmut von Gerlach berichtet in seinen Memoiren, daß er selber auf der Liste derer stand, die von den Nationalisten zur Ermordung vorgesehen waren. Einer der Leute aus diesem Kreise suchte ihn auf, um ihn zu warnen. Derselbe erschien ein zweites Mal im Februar 1922, wiederum mit einer Warnung: es sei Rathenaus Ermordung geplant. Gerlach eilte sofort zu dem Gefährdeten. Der zeigte sich weder überrascht noch erschüttert. Er kannte das Risiko, das er einging.23 In einer Mitteilung an Arthur Holitscher am 21. November 1918 enthüllt Rathenau seine Absicht, „das Bürgertum zur Revolution herüberzuziehen“.24 Am 20. Februar 1919 besucht ihn in Berlin Graf Kessler, der
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ihn seit der Revolution nicht mehr gesehen hat, im Palais von Rathenaus Mutter gegenüber der Italienischen Botschaft. „Wir saßen in einem kunstvoll parkettierten, mit Deckenfresken versehenen, etwas steifen italienischen Renaissanceraum auf Löwensesseln.“ Das Gespräch erstreckt sich auf Rathenaus politische Einsichten, und was zum Vorschein kommt, mag den Tagebuchschreiber aus dem Munde eines Großindu striellen denn doch nicht wenig verblüfft haben: „Zum Bolschewismus ließ er starke Hinneigung durchblicken. Es sei ein großartiges System, dem wahrscheinlich die Zukunft gehören werde. In hundert Jahren werde die Welt bolschewistisch sein. Der gegenwärtige russische Bolschewismus gleiche einem wunderbaren Theaterstück, das auf einer Schmiere von Schmierenschauspielern gespielt werde. Und Deutschland werde den Kommunismus, wenn er zu uns komme, genauso im Schmierenstil aufführen. Uns fehlten die Männer für ein so überaus kompliziertes System. Es verlange eine viel feinere und höhere organisatorische Begabung; als bei uns zu finden sei.“25 Der so argumentiert, ist selber ein Mann von hoher Begabung, gerade auch, wie er im Kriege zum Überfluß bewiesen hat, ein Experte für Organisation! Und doch, ist von der Art der Beteiligung Rathenaus an der Novemberrevolution die Rede, muß es heißen: in keiner, denn er konnte sich an ihr überhaupt nicht beteiligen. Kessler weist in seiner Biographie über den Lebensweg des Ermordeten 1928 darauf hin, und was er wiedergibt, ist in Wahrheit eine tragische Nuance im Leben Rathenaus: Es „ging die Revolution … an ihm vorbei“. Kessler verwendet sogar den Ausdruck „Vereinsamung“ für die Persönlichkeit Rathenaus zu diesem Zeitpunkt. Er zitiert aus einem Brief Rathenaus vom 16. Dezember 1918: „An den ersten Tagen der Revolution habe ich, meinem Gewissen folgend, mich der Volksregierung zur Verfügung gestellt. Sie hat von meinen Diensten keinen Gebrauch gemacht …“26 Als Beleg dafür benennt Kessler einen aufschlußreichen Vorgang: Für die Mitwirkung in der Sozialisierungskommission, die der Rat der Volksbeauftragten einsetzt, ist anfänglich auch Rathenau vorgesehen, doch verschwindet sein Name aus der Mitgliederliste. In der Berufungsurkunde für die Kommission vom 4. Februar 1919 fehlt er.27
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Im Gespräch mit Kessler am 20. 2. 1919 zeigt sich, daß Rathenau – wie eine große Zahl seiner Zeitgenossen – von der Novemberrevolution kein zutreffendes Bild hat. Vom 9. November an gerechnet, liegt sie über drei Monate zurück, oder, falls man vom Septemberende herkommt, fast fünf. Rathenau behauptet: „Eine Revolution habe bei uns gar nicht stattgefunden; nichts sei passiert: nur ein kleiner Militärstreik.“28 Ein Irrtum, wie er unterläuft, wenn der Betrachter nicht mehr als eine vereinzelte Aktion in den Blick nimmt wie hier die von der OHL ausgehende Retirade in den Herbstmonaten 1918, jedoch beansprucht, damit ein Urteil über das ganze Geschehen zu fällen. Kaum zufällig schließt der Graf an dieser Stelle ein Porträt seines Gastgebers an, ein über die Maßen vernichtendes, welches er mit seiner Biographie, neun Jahre darauf deutlich aufbessern wird. Er schreibt: „Rathenau doziert das alles in selbstsicheren, langen Reden, die auch das Richtige häufig falsch beleuchten. Überhaupt ist er der Mann der falschen Noten und schiefen Situationen: als Kommunist im Damastsessel, als Patriot aus Herablassung, als Neutöner auf einer alten Leier. Allerdings ein Virtuose; aber leider auch ‚der große Mann‘, derjenige, welcher an sein Denkmal denkt und dieses posthume Erz auf seinem Geiste lasten läßt: vor fünfzehn Jahren war dieser üppiger und beweglicher. Heute ist sein Gespräch trotz des pomphaften Tones bis auf einzelne richtige Beobachtungen steril; seine Haltung eine Mischung aus Verbitterung und Eitelkeit, wobei sein sehr undurchsichtiges Verhältnis zu den Frauen gewiß mitspricht; etwas von der männlichen alten Jungfer steckt in ihm und seinem Denken, seiner Überhebung.“29 War Rathenau in der Tat „der Mann der falschen Noten und schiefen Situationen“? Richtig ist, daß es mit dem pauschalen Lob, wie es ihm ein Kurt Hiller spendete, nicht getan ist. In seiner politischen Einstellung insbesondere während des Krieges findet sich manch allzu Fragwürdiges. Dasselbe gilt ebenfalls für sein literarisches Werk. Bereits vor dem Kriege erörtern der Kaiser und der Kanzler Bethmann Hollweg mit ihm eine Konzeption, die er in die Debatte geworfen hat: „ein deutschbestimmtes Mitteleuropa“.30 In einer Mitteilung an Bethmann Hollweg bringt Rathenau seinen Gedanken einmal auf die schlichte Formel: „Mitteleuropa geeinigt unter deutscher Führung, gegen England und
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Amerika einerseits, gegen Rußland andererseits.“31 Dieselbe Idee findet sich während des Krieges dann wieder als Kern des „Septemberprogramms“ von Bethmann Hollweg.32 Rathenau unterbreitet Vorschläge, „die auf ein Zollbündnis mit Österreich-Ungarn als Kernzelle abzielen“, und empfiehlt tollkühn, „die tiefgreifende Neuordnung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich in einem ‚Handstreich‘ während des Krieges durchzusetzen …“33 Rief er im letzten Kriegsjahr, am Ende des Krieges zu einer Levée en masse auf?34 Man versteht ihn jedenfalls so. Für dieselbe Idee findet sich ein Propagandist, der sie begeistert verbreitet: der zu dieser Zeit berühmte Lyriker Richard Dehmel. Hingegen in Rathenaus Schrift Kritik der dreifachen Revolution (1919) verteidigt der Verfasser sich, er hätte nicht „die levée en masse“ initiieren wollen, sondern statt der falschen Bildlichkeit „Bankrott“ (‚Einstellung der Zahlungen‘) die „Liquidation“ verlangt, also gleichfalls metaphorisch ‚die Auflösung der Firma‘, oder anders: kein Verhandeln über den Waffenstillstand, sondern die „Verhandlung in Waffen“.35 Arnold Brecht forderte, um der Persönlichkeit Rathenaus gerecht zu werden, dürfe seine Philosophie nicht ausgeklammert bleiben, und verwies auf das Hauptwerk: Zur Mechanik des Geistes. Vom Reich der Seele (1913). Übrigens bemerkt Rathenau in seiner Schrift Zur Kritik der Zeit in der Widmung an Gerhart Hauptmann, er selber verstehe sich „als geschulter Physiker“. Brecht hebt als Entdeckung Rathenaus hervor, daß die Seele „sich grundlegend vom Intellekt unterscheide“.36 Der Theologie entnahm Rathenau die Vorstellung vom Gottesreich, welches er mit dem Reich der Seele identifizierte. Graf Kessler zitiert aus einem Aufsatz Rathenaus vom Oktober 1918: „Die Welt bedarf eines Menschenreiches als Abbild des Gottesreiches, des Reichs der Seele.“37 Ein Forscher schreibt, Rathenaus Philosophie „enthält nichts wirklich Originelles“38. Hiergegen wird man schwerlich argumentieren können. Die Antithese: Geist (oder Intellekt) contra Seele fügt sich ohne weiteres ein in eine irrationale Weltanschauung, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in zahllosen Publikationen zu Wort meldete.39 Es ist nicht zu verkennen, Rathenaus Lehre gehört mit einem auffälligen ihrer Bestandteile eben-
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falls in den Gedankenstrom der damaligen Ära. Dieser Bestandteil ist der Rassismus in Form der Verklärung des Germanischen.40 Wenn ‚arische‘ Autoren des Zeitraums, Scharen nichtjüdischer Intellektueller dem Rassismus anheimfielen, weshalb sollten die ‚nichtarischen‘ unter ihnen, hochstehende Intellektuelle aus jüdischer Familie davor gefeit gewesen sein, gleichfalls ihm anheimzufallen? Sie lebten und webten in derselben Gedankensphäre wie die gesamte Intelligenz, ihnen stand dieselbe Möglichkeit offen, sich den höchsten Idealen anzugeloben, die in der Menschheitsgeschichte florieren, aber auch, sich den dürftigsten Vorurteilen auszuliefern, die in ihr zirkulieren. War die Novemberrevolution in Rathenaus Sicht nicht mehr als ein bescheidener „Militärstreik“, so erhoffte er im Jahr darauf die „echte Revolution“, die „im Geiste“ entschieden werde. Für sie gebraucht er auch Formulierungen wie: „Die Revolution der Verantwortung“, „die Revolution der Gesinnung“: „Nur die zweite Revolution kann uns retten, doch nicht die Revolution der Kosaken, sondern die Revolution der Gesinnung.“41 Wer verwirklicht sie und mit welchen Mitteln? Darüber gibt Rathenau keine Auskunft. Nur eins steht für ihn fest: „nicht die Revolution der Kosaken“. Die Kosaken stehen hier für die Bolschewiki. Es gibt allerdings ein Element der Revolution in Rußland, dem er hohe Anerkennung zollt. Er spricht darüber mit Ernst Niekisch: „Mit Entschiedenheit bekannte sich Rathenau zur Planidee. Sie sei die Idee der Zukunft, und es sei beklagenswert, daß nicht das deutsche, sondern das russische Volk sich zum Vorkämpfer dieser Idee gemacht habe.“42 Unter den liberalen Wissenschaftlern der letzten Kaiserzeit und in der Epoche der Novemberrevolution ist einer der bis heute Meistgenannten der Nationalökonom und Soziologe Max Weber (1864–1920). Er hatte Rechtswissenschaft studiert und sich für Handelsrecht und römisches Recht habilitiert. Vermittelt durch das Studium der römischen Agrargeschichte kam er zur Nationalökonomie und Soziologie.43 Auf Drängen mehrerer Persönlichkeiten, u. a. Naumanns, tritt er 1918 der Deutschen Demokratischen Partei bei.44 Von ihr wird er in Hessen-Nassau für die Wahl als Kandidat aufgestellt, allerdings nicht auf einem aussichtsreichen Listenplatz.45 Die Monate der Revolution sind an Walther
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Rathenau vorbeigegangen, ohne daß ihn die nun Maßgebenden zur Mitwirkung heranziehen. In Webers Leben bestätigt sich die Wahrheit der Prophezeiung, die er schon im Sommer 1918 aussprach. Einen Artikel aus dieser Zeit: Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland versah er mit der Vorbemerkung: „Der Verfasser, der vor bald drei Jahrzehnten konservativ wählte und später demokratisch, dem damals die ‚Kreuzzeitung‘ und jetzt liberale Blätter Gastrecht gewährten, ist weder aktiver Politiker, noch wird er es sein.“46 Der Unterschied zu Rathenau besteht nur darin, daß diesem im Weltkrieg ein wichtiges Regierungsamt anvertraut war, er sich im Gespräch mit den politischen Spitzen des Kaiserreichs befand und auch nach der Revolution wieder unter Wirth hohe Regierungsämter erhielt, während Webers Tod diesen im Frühsommer 1920 der Chance beraubte, sich in politischer Praxis zu bewähren. In der Novemberrevolution blieb ihm wenig mehr als die Begleitung der Vorgänge vermittels wissenschaftlicher Kritik. Seine Darlegungen fußen insgesamt auf der Feststellung, daß den „‚Staat‘ überhaupt im Sinne einer politischen Anstalt … nur der Okzident“ kenne, und daß es nicht anders „auch mit der schicksalsvollsten Macht unseres modernen Lebens: dem Kapitalismus“ stehe.47 Daß diese vermöge revolutionären Handelns eliminiert werden könne, bestritt er leidenschaftlich. Demzufolge nahm er zur marxistischen Geschichtsauffassung eine ablehnende Position ein: „Als innerweltliche Erlösungslehre verurteilte er den dialektischen Materialismus mit äußerster Schärfe; er hielt jeden Gedanken, ‚durch irgendein noch so sozialistisches Gesellschaftssystem … die Herrschaft des Menschen über den Menschen zu beseitigen, für eine Utopie‘.“48 Im Sommer 1918 fordert er wie dann einen Augenblick später die OHL ebenfalls die Parlamentarisierung und Demokratisierung. Seine damals aktuelle Sicht der Dinge im Reich geht von der gründlichen Kritik an der Erbschaft Bismarcks aus. Diese, konkret faßbar in der Reichsverfassung von 1871, verurteile jede deutsche Politik zum Mißerfolg. Deswegen mahnt er die Umbildung der staatlichen Ordnung an, kritisiert vor allem das Versagen der Monarchie: „Die Monarchie hat ihre eigentliche Funktion in einem Militärstaat: die reine Militärherrschaft zu hindern, nicht erfüllt.“49 Er be-
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klagt somit die einer Militärdiktatur ähnelnde Machtstellung Ludendorffs und Hindenburgs im Krieg. In seinem Aufsatz: Deutschlands künftige Staatsform vom November / Dezember 1918 skizziert er sein Ideal: „Für viele von uns, auch den Schreiber dieser Zeilen, war und ist die streng parlamentarische Monarchie die technisch anpassungsfähigste und in diesem Sinne stärkste Staatsform, ganz unbeschadet der ganz radikalen und sozialen Demokratisierung, die wir erstreben und die dadurch nicht notwendig gehindert wird.“50 Zu den Voraussetzungen zählt er die Errichtung u. a. einer Föderativrepublik sowie die „großdeutsche“ Lösung (Einbeziehung Österreichs).51 Mit seiner Forderung, fortan „auf imperialistische Träume“ zu verzichten,52 sagt er der deutschen „Weltpolitik“ ab, wie sie die Reichsleitung offiziell im Jahr 1897 ausgerufen hatte. Doch kommt ihm nicht in den Sinn, von den „imperialistischen Träumen“ eine Verbindungslinie zum Kriegsbeginn 1914 zu ziehen: er hält an der in Wirklichkeit unhaltbaren Beschuldigung fest, daß es Rußland wäre, das „unter allen Umständen den Krieg um seiner selbst willen wollte“.53 Webers Kritik trifft aber nicht die ältere Machtstruktur allein und mit ihr die alten Mächtigen, sondern sie gilt im selben Atemzuge der Masse. Weshalb ihr? Sie wäre doch ja „stets der aktuellen rein emotionalen und irrationalen Beeinflussung ausgesetzt“54, eine durchaus konventionelle Ansicht, ein massenfeindlicher Topos. Damit geht die Aufwertung des Charismas und seiner Weltwirkung einher. Was ist das Charisma? Es „ruht in seiner Macht auf Offenbarungs- und Heroenglauben, auf der emotionalen Überzeugung von der Wichtigkeit und dem Wert einer Manifestation religiöser, ethischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, politischer oder welcher Art immer, auf Heldentum, sei es der Askese oder des Krieges, der richterlichen Weisheit, der magischen Begnadung oder welcher Art sonst.“55 Insbesondere legt er den „Rückweg“ nahe „aus der Gewaltherrschaft der Soldatenräte zur bürgerlichen Ordnung“.56 Er plädiert wie gleichzeitig die Mehrheit der Parteien und überwiegende Zahl der an der Macht befindlichen Politiker, nicht zuletzt selbst die Majorität der Mitglieder der Arbeiter- und Soldatenräte für die „baldige Einberufung ei-
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ner freien Konstituante“.57 Und wie andere demokratische Politiker, etwa Hugo Preuß, bemüht er sich sehr darum, daß nunmehr dem Bürgertum ebenfalls ein ihm gemäßer Anteil an der politischen Macht zufalle, die Forderung erhebend: „auch das Bürgertum endlich politisch auf eigene Füße zu stellen“.58 Er geht immer noch davon aus, daß eine Teilung der Macht zwischen Bürgertum und den Vertretern der sozialen Bewegungen angezeigt sei, und er kündigt an: „Wir wollen die demokratischen Errungenschaften dauernd sichern helfen. Aber nur in den Formen einer paritätischen bürgerlich-sozialistischen Regierung.“59 Darüber hinaus sei dem Bürgertum wirtschaftliche „Eigenverantwortlichkeit“ zuzusichern60, und das bedeutet die Weigerung, die Demokratisierung in die Wirtschaft zu übertragen. So in einer Rede am 1. Dezember 1918, worüber ein Bericht in der „Frankfurter Zeitung“ erschien. Wie daraus hervorgeht, führte Weber aus: „… daß wir fremde Rohstoffe haben müssen und dazu Auslandskredit … Den erhalte aber nun einmal weder eine Literatenregierung wie die Münchener, noch eine rein proletarische wie die Berliner, sondern nur eine solche, hinter der als Garant das Bürgertum stehe.“61 Zu den liberalen Wissenschaftlern mit bedeutendem Namen gehörte seinerzeit auch Ernst Troeltsch (1856–1923), Theologe, Religionssoziologe und liberaler Politiker. Er hatte 1919/20 eine Position als parlamentarischer Staatssekretär im preußischen Kultusministerium inne. In den von ihm verfaßten Aufsätzen aus dem Zeitraum 1918–1922, die er Spektator=Briefe betitelte, suchte er im November 1920 eine Übersicht über den „Gang der Revolution“ zu geben.62 Will Max Weber jeder künftig drohenden Militärdiktatur den Weg verlegen, erklärt Troeltsch – voreilig, wie sich herausstellen soll – den Militarismus für allezeit erledigt.63 Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky und andere befürchteten gerade das Gegenteil. Verabschiedet Max Weber die „imperialistischen Träume“, die auch die seinigen waren, findet sich bei Troeltsch die Annahme, die er als verläßliches Wissen ausgibt – abermals voreilig jedoch –: „Ich weiß nur, daß jetzt für uns die Weltmachtpolitik auf lange Zeit und wohl überhaupt zu Ende ist.“64 Mit Rathenaus Kennzeichnung „ein kleiner Militärstreik“ läßt sich Troeltschs Einschätzung vergleichen: „Die Revolu-
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tion war in erster Linie eine Militärrevolution, sie ist gleichzeitig an weit auseinanderliegenden Stellen der Front und in der Heimat aufgeflammt.“65 Dieser Aussage widerspricht der Verfasser selber später, wenn er die Revolution kennzeichnet, sie sei „von der legitimen Regierung selbst vorgenommen und die alte Militärmonarchie in eine lediglich repräsentative Verkörperung der Volksmehrheit verwandelt“ worden. Endlich bricht dann (am 29. Dezember 1918) haltlos seine Emotion durch: „Da geschah das Furchtbare. Eine zweite, eine sozialistische Revolution zerriß über Nacht diese Überleitung …“ („Überleitung“: steht offensichtlich für die von oben „vorgenommene“ Revolution.)66 Harry Graf Kessler (1868–1937) ist ein an Einsichten reicher Zeitgenosse der Novemberrevolution, ehemaliger Garde-Ulan und Reserveoffizier, den seine Standesgenossen als überzeugten Demokraten und Präsidenten der „Deutschen Friedensgesellschaft“, als „roten Grafen“ und halben Kommunisten aus ihren Verbänden ausstießen.67 Würde gefragt, welche unter den historischen Persönlichkeiten der Welt- oder enger: der Religions- und Kulturgeschichte er am meisten verehrte, wäre die Antwort überraschend. Er schreibt: „Franz von Assisi fesselte mich lange Zeit mehr als jede andere geschichtliche Figur; und sein Naturgefühl erscheint mir noch heute als der Grundton, der nicht nur der Kultur Italiens, sondern auch der ganzen europäischen Dichtung und Kunst ihre besondere, sie von denen der Antike und des Orients unterscheidende Klagfarbe gab.“68 Seine Tagebücher führte er über Jahrzehnte hinweg, womit er Zeugnisse seines Lebens und seiner Lebenszeit schuf, die ihn als exzellenten Autor erweisen, Niederschriften, aus denen man Informationen entnimmt, die das Gesamtbild der Epoche wünschenswert abrunden. Nicht zuletzt das der Novemberrevolution. Bereits am 14. November erreicht ihn die Erkundigung, ob er sich für die neue Regierung im diplomatischen Dienst betätigen möchte; in Polen gibt es eine organisatorische Schwierigkeit, deren Lösung viel Fingerspitzengefühl verlangt.69 Fürst Hatzfeldt vom Auswärtigen Amt „fragte mich, ob ich den Gesandtenposten in Warschau annahmen würde“. Zu seinen Obliegenheiten werde eine zählen, die nicht zu den alltäglichen
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der Diplomaten gehöre: „Meine Hauptaufgabe werde zunächst sein, dafür zu sorgen, daß unsere Truppen aus Polen und aus der Ukraine her auskommen.“ Am 16. muß er sich in der Reichskanzlei den Volksbeauftragten vorstellen, von denen die Mehrzahl sich „sehr reserviert“ verhält: „Daß der erste von der deutschen Republik ernannte Gesandte ein Graf und Garde-Kavallerie-Offizier sein soll, ist offenbar allen ungemütlich und nicht geheuer …“70 Dennoch bekommt er seine Ernennung am 19. November. Auf der Urkunde befindet sich der Stempel der neuen Macht: „Vollzugsrat des A. u. S.-Rates von Groß-Berlin. Deutsche sozialistische Republik.“71 Kesslers nächste Tagebuchaufzeichnung stammt bereits aus Warschau (vom 20. 11.). Es erweist sich alsbald, daß sein Aufenthalt als Gesandter in der polnischen Republik nicht mehr als ein Intermezzo bleibt. Am 15. Dezember bricht Polen – gegen Pilsudskis Wunsch – die Beziehungen zum Deutschen Reich ab, Kessler vermutet dahinter den Einfluß Frankreichs. Er wird ersucht, „immédiatement“ mit der Gesandtschaft abzureisen. Acht Uhr morgens früh am 17. Dezember trifft er wieder in Berlin ein. Am Jahresende ist er noch einmal für einen Posten im diplomatischen Dienst im Gespräch, diesmal in der Schweiz. Wolle er „die Gesandtschaft in Bern als Sprungbrett für Anknüpfung mit Frankreich übernehmen“? Ein „Gewaltfrieden“ droht. Da „ein neuer Krieg … für Deutschland unmöglich“ wäre, „Bolschewismus … zu kostspielig“, lautet seine Option: „Stärkung der dem Gewaltfrieden abgeneigten Parteien in den bisher feindlichen Ländern“.72 Nach einigem Hin und Her verzichtet er jedoch auf den Eintritt in den diplomatischen Dienst, ohne sein Interesse an der Außenpolitik aufzugeben; so etwa begleitet er Rathenau zur Konferenz von Genua. Den Völkerbund in der von der Entente dominierten Form lehnt er ab. Einem Lobredner widerspricht er „auf das schärfste, indem ich den wahren Charakter dieses sogenannten Völkerbundes als eines imperialistischen Bündnisses einiger Großmächte klarstellte.“73 Er veröffentlicht einen Plan zur Umformung des Völkerbunds, dem er durch einen alle Staaten umgreifenden Zusammenschluß überstaatlicher Organisationen – z. B. Kirchen und Gewerkschaften – eine verbesserte Gestalt zu verleihen gedenkt.74 Auch übernimmt er den Vorsitz im Komitee der Weltjugendliga.75
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Am 9. November kehrt er nach dem Besuch des Kriegsministeriums in seine Wohnung zurück, um sich zivil zu kleiden, weil Offizieren die Kokarden und Achselstücke abgerissen werden. Er geht dann in die Viktoriastraße zu Paul Cassirer, wo der „Bund Neues Vaterland“76 tagt. Dieser Bund, eine Sammlung fortschrittlicher Intellektueller und Arbeiterführer, konstituiert sich in diesem Monat gerade neu. Ihm tritt eine Reihe einflußreicher Persönlichkeiten bei. René Schickele wirft den Gedanken auf, „das Elsaß durch Matrosen zu revolutionieren, als rote Republik auszurufen und so für das deutsche Volk zu retten. Währenddessen hörte und sah man aus dem Hinterzimmer die Schießerei beim Schloß. … Das Schloß war nach Nachrichten bereits in den Händen der Revolutionäre …“77 Kessler geht mit Schickele und Leo Kestenberg, einem Ministerialrat im Kultusministerium, in den Reichstag. Ihm wollen sie Schickeles Plan überbringen. Sie geraten in eine wogende Menschenmenge, worunter sich Parlamentarier befinden, auch die führenden Köpfe der USPD. Dem Abgeordneten Hugo Haase (1863–1919, ermordet) tragen sie Schickeles Idee vor. Kessler erhält einen Ausweis, der ihn berechtigt, „‚den Ordnungs- und Sicherheitsdienst in den Straßen der Stadt zu versehen‘ … Ich bin also sozusagen Schutzmann in der roten Garde.“78 Gegen ein Uhr nachts trifft er wieder bei sich zu Hause ein. Am 10. November notiert er im Tagebuch: „Alles dreht sich jetzt um die Frage, ob die Liebknechtleute und mit ihnen der rote Terror oder der gemäßigte Teil der Sozialdemokratie siegen wird.“79 Kessler kann dem Dichter Theodor Däubler (1876–1934) behilflich sein. Diesem macht ein Hoteldirektor Schwierigkeiten, der ihn nicht als Gast aufnehmen will. Auf den Ausweis und die Berechtigung pochend, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, befiehlt Kessler dem Hotelier, den Dichter aufzunehmen. Im Tagebuch spricht er dem Volk sein Lob aus: „Alles in allem war trotz der Schießereien die Haltung des Volkes in den beiden bisherigen Revolutionstagen ausgezeichnet: diszipliniert, kaltblütig, ordnungsliebend, eingestellt auf Gerechtigkeit, fast durchweg gewissenhaft.“80 Am 18. November entwickelt er in der Versammlung der jüngeren Beamten des Auswärtigen Amtes im „Hohenzollernsaal“ des „Kaiserhofs“ sein politisches Konzept für die Zukunft: „Ich versuche, soweit
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ich kann, sie nach links festzulegen … ein Rückgrat, und ein absolut steifes, sei irgendwo im Programm und in der Gesinnung nötig. Das, was bisher als Skelett der ganzen Staatsanschauung gegolten habe, die monarchische Gesinnung, habe sich als durch und durch morsch erwiesen. Daher gelte es jetzt, ein neues Gerüst zu finden. Ich möchte als solches auf dem definitiv anzuerkennenden Boden der Republik und des Sozialismus den Kampf um das Selbstbestimmungsrecht und die möglichste Freiheit des Individuums. Trotz Sozialismus, oder gerade weil Sozialismus, keine Staatssklaven, sondern freie Menschen. In der auswärtigen Politik Selbstbestimmungsrecht der Völker und gerechte Rohstoffverteilung, den wachsenden oder schwindenden Bedürfnissen der Völker jeweilig angepaßt. Kein starrer Völkerbund.“81 Während seiner kurzen Zeit in Warschau konferiert er in der Gesandtschaft mit zwei Vertretern der Truppe wegen der Räumung des Buggebiets, dem Major Wolpmann und dem Vorsitzenden des Soldatenrats der Etappe, dem Gefreiten Müller. Danach diniert er mit ihnen sowie einigen anderen Gästen, u. a. dem Fabrikanten Korff, im „Europejski“: „Der geschniegelte Generalstabsmajor und der in einen Schafspelz gehüllte Gefreite Müller, seines Zeichens Dekorateur in Essen, waren für ein elegantes Souper im Cabinet particulier des ‚Europejski‘ selbst mir etwas merkwürdig. Korff erblaßte sichtlich, als ich mit dem Paar eintrat. Aber die Überlegenheit des einfachen Soldaten Müller über den Generalstäbler stellte sich so schnell heraus, daß die Befangenheit verwehte. Er kam ganz natürlich als der Besonnenste und Klarste in den Mittelpunkt der Unterhaltung. Der Major saß daneben wie eine Hofschranze …“82 In Berlin zurück, besichtigt Kessler am 28. Dezember, wenige Tage nach der „Blutweihnacht“, zusammen mit dem sozialdemokratischen Politiker Rudolf Breitscheid das Schloß. Den Matrosen der Volksmarinedivision hatten deren Gegner erhebliche Plünderungen angelastet. Kessler hält seinen Eindruck fest: „Die Privaträume, Möbel. Gebrauchsgegenstände, übriggebliebenen Andenken und Kunstobjekte der Kaiserin und des Kaisers sind aber so spießbürgerlich nüchtern und geschmacklos, daß man keine große Entrüstung gegen die Plünderer aufbringt, nur Staunen, daß die armen, verschreckten, phantasielosen We-
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sen, die diesen Plunder bevorzugten, im kostbaren Gehäuse des Schlosses zwischen Lakaien und schemenhaften Schranzen nichtig dahinlebend weltgeschichtlich wirken konnten. Aus dieser Umwelt stammt der Weltkrieg oder was an Schuld am Weltkrieg den Kaiser trifft: aus dieser kitschigen, kleinlichen, mit lauter falschen Werten sich und andere betrügenden Scheinwelt seine Urteile, Pläne, Kombinationen und Entschlüsse. Ein kranker Geschmack, eine pathologische Aufregung die allzu gut geölte Staatsmaschine lenkend! … Ich empfinde kein Mitleid, nur, wenn ich nachdenke, Grauen und ein Gefühl der Mitschuld, daß diese Welt nicht schon längst zerstört war, im Gegenteil in etwas andren Formen überall noch weiterlebt.“83 Am 14. Januar 1919, nach der Niederschlagung des Januaraufstands, reflektiert Kessler das Geschehene: „Das Schrecklichste wäre, wenn diese ganzen Verwüstungen und Leiden nicht die Geburtswehen einer neuen Zeit wären, weil nichts da wäre, was geboren sein will; wenn man schließlich nur kitten müßte. Das Gefühl, daß es so kommen könnte, die Angst vor diesem Ende, ist, was die Besten der Spartakisten antreibt. Die alte Sozialdemokratie will rein materielle Veränderungen, gerechtere und bessere Verteilung und Organisation, nichts ideell Neues. Dieses dagegen schwebt den Schwärmern weiter links vor, und nur dieses lohnte in der Tat die ungeheuren Blutströme des Weltkrieges.“84 Indessen scheut Kessler durchaus nicht den Kontakt zu Repräsentanten jener alten Sozialdemokratie, grenzt sich von diesen allerdings schroff ab. Symbolisch etwa ein Vorkommnis am 26. Februar 1919: „Abends aß Wolfgang Heine bei mir im ‚Goldenen Adler‘. Das Gespräch war insofern merkwürdig, als er immerfort bemüht war, mich von seiner konservativen und nationalen Gesinnung zu überzeugen, während ich durchaus ehrlich ihm mein Bekenntnis zum Sozialismus beizubringen versuchte.“85 Ein Liberaler – mit einem Bekenntnis zum Sozialismus? In Weimar trifft er am 24. Juli 1919 mit Naumann zusammen sowie mit dem Leiter der Ostabteilung im Auswärtigen Amt, Rudolf Nadolny, dazu dem Völkerrechtler und Pazifisten Schücking. „Abends aßen außer Naumann noch Nadolny und Walter Schücking bei mir. Nadolny sagte mir, ich gälte allgemein als ‚Unabhängiger‘ (Mitglied der USPD – d. Verf.). Ich
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machte ihn darauf aufmerksam, daß ich eingeschriebenes Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei bin und den Klassenkampf vermeiden möchte, also nicht gut als Unabhängiger mich bezeichnen könne.“ Und das Gerede über ihn, den angeblichen Unabhängigen, werde mittlerweile sogar schon überboten: Solf, der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, solle gesagt haben, er – Kessler – „sei Spartakist geworden“.86 Dem Gründungsausschuß der DDP gehörten neben den bereits Erwähnten auch „Journalisten und Publizisten an, die mutig gegen die imperialistische Kriegspolitik aufgetreten waren“87, darunter Theodor Wolff (1868–194388) und Hellmut von Gerlach (1866–1935, verstorben im französischen Exil)89. Gerlach fand eine schlüssige Formel für die DDP: sie sei die Partei aller konsequenten Demokraten, „die zwar keine Sozialisten, aber noch weniger Feinde des Sozialismus sind, die den inneren Feind nicht links, sondern rechts erblicken“.90 Wolff arbeitete als maßgebender Redakteur der einflußreichen liberalen Zeitung „Berliner Tageblatt“ und erhielt im Weltkrieg zeitweiliges Schreibverbot, womit die Maßgeblichen seine Stellungnahmen gegen den deutschen Chauvinismus und gegen die Annexionswünsche des Reichs unterdrückten. Bei der Bücherverbrennung im Mai 1933 waren Wolffs Schriften unter denen, die in Berlin den Flammen übergeben wurden.91 Kurt Hiller stellte ihm 1948 das Zeugnis aus, im Kriege habe man „den klaren Anti-Annexionismus (bereits während der Jahre der Hindenburgtriumphe), die Friedens- und die Vernunftpolitik außer in der ‚Leipziger Volkszeitung‘ der Unabhängigen Sozialisten, in der ‚Welt am Montag‘ des unabhängigen Demokraten und Pazifisten Hellmut v. Gerlach einzig in Theodor Wolff ’s ‚Berliner Tageblatt‘“ gefunden.92 Die politische Rechte, wie sie sich in Teilen des Offizierkorps, in Geheimbünden und in den nationalistischen Parteien und Vereinigungen sammelte, richtete ihre Attentate insbesondere gegen solche Politiker, die während des Krieges öffentlich gegen diesen opponiert hatten, um sich danach energisch der Friedenspolitik zuzuwenden. Die Opfer entstammten in der großen Mehrzahl den Arbeiterparteien, eher selten den bürgerlichen Parteien, aber auch ihnen. Obwohl das Zentrum insgesamt die Novemberrevolution ablehnte, zielte die Rechte unvergleichlich hef-
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tig auf einen ihrer bekannten Abgeordneten: Matthias Erzberger (1875– 1921). Lehrer und Journalist, Mitglied des Reichtags seit 1903, hier der Führer des linken Flügels seiner Partei, gerierte er sich anfangs durchaus nicht als Gegner des Krieges und unterstützte die deutsche Kriegführung. 1917 aber macht er von sich reden, als er die Friedensresolution des Reichstags initiiert. Als Staatsekretär unterzeichnet er 1918 den Waffenstillstand im Wald von Compiègne, im Kabinett plädiert er für die Annahme des Vertrags von Versailles.93 Der in der Revolution entstandenen Republik dient er 1919/20 als Reichsfinanzminister. In diesem Amt verwirklicht er die zur Festigung der Zentralgewalt erforderliche Finanzreform. Für die Rechte ist Erzberger nicht zuletzt als Urheber der Reichstagsresolution ihr Haßobjekt. In ihrem Furor greifen seine Gegner ihn in der Öffentlichkeit persönlich an und zwingen ihn, gegen sie einen Strafprozeß zu führen. Diesen gewinnt er zwar, doch muß er sein Amt räumen. Einen ersten Mordanschlag auf ihn im Jahre 1920 überlebt er. Dem zweiten im Folgejahr 1921, den ehemalige Mitglieder der Brigade Ehrhardt, Angehörige der „Organisation Consul“, ausführen, erliegt er.94
„Intellektuelle der Arbeiterklasse“ Arbeiterintellektuelle finden sich zur Zeit der Novemberrevolution in beachtlicher Anzahl in allen drei Parteien der Arbeiterbewegung: in der Mehrheitssozialdemokratie wie bei den Unabhängigen und in der KPD / Spartakusbund. Es existieren beträchtliche Unterschiede zwischen den Intellektuellen, die sich der neuen Republik verschreiben, aber konstant in der Gedankenwelt des Liberalismus verharren, auf der einen Seite, und den Intellektuellen der Arbeiterbewegung auf der anderen. Doch die Unterschiede zwischen den Intellektuellen in den diversen Strömungen innerhalb der Arbeiterbewegung sind oft die beträchtlicheren. Vielfach tritt der Fall ein, daß die Konturen der einzelnen Persönlichkeiten zerfließen, weil diese häufig unstet agieren, z. B. einer Partei den Rücken kehrend, allen Parteien aufsagend oder die Partei wechselnd, auch wiederholt wechselnd.
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Ein Beispiel ist Heinrich Ströbel (1869–1944). In Stichwörtern: Er trat 1889 in die SPD ein und arbeitete an den Publikationsorganen dieser Partei mit. 1908–1918 war er Mitglied im Preußischen Abgeordnetenhaus, 1914–1916 Chefredakteur des „Vorwärts“. 1917 wechselte er zur USPD. 1918/19 amtierte er für kurze Frist als preußischer Ministerpräsident, kehrte 1920 zur SPD zurück. 1924–1932 Mitglied des Reichstags, wendete er sich 1931 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), in der er einer der Vorsitzenden wurde. 1932 kehrte er zur SPD zurück. Seit 1933 Exil in der Schweiz. Neben den zahlreichen Parteiwechseln sind die Parteiausschlüsse nicht zu vergessen, besonders zahlreich in der KPD. Zu welchen Grotesken es im damaligen Parteileben zuweilen kommt, mag bis heute Verwunderung erregen. In der bayerischen USPD arbeitet Eisners Sekretär Felix Fechenbach mit, zeichnet auch eine politische Vereinbarung in ihrem Namen und wirkt im Vorstand der USPD – ohne aber überhaupt Parteimitglied zu sein.95 Das Bild der Arbeiterparteien in der Novemberrevolution ist von Verwerfungen geprägt. Mehrfache Schwenkungen in der Politik jeder dieser drei und die Widersprüche im Handeln ihrer Führungskräfte in dem Zeitraum sowie die erhalten gebliebenen Dokumente mit den eher seltenen sachlichen, überwiegend entweder apologetischen oder aber polemischen Einschätzungen erschweren die Übersicht sehr. So oszilliert das Urteil über die Tätigkeit der MSPD, der wirkungsmächtigsten der drei Parteien zwischen vollkommener Verwerfung und kritikloser Rühmung, zwischen dem Vorwurf des „Verrats“ an der Revolution hier, dem Lob der Vollbringung einer entscheidenden Aufbauleistung dort. Jedenfalls stimmt jenes „Bewundert viel und viel gescholten“ (Faust II, 3. Akt, Anfang) für die alte Sozialdemokratie nicht, denn das „viel gescholten“ überwiegt entschieden, und die viele Bewunderung mangelt. Um aus der Menge der Stellungnahmen die von Oehme herauszugreifen: „Wir wollten die Revolution, glaubten an die Sozialistische Republik, aber da wir nichts über das Wie wußten, so verließen wir uns auf die Weisheit der SPD-Führer und ahnten nicht, daß sie uns betrogen. Viele Hunderte kleiner, oft gar wenig bedeutsamer Ereignisse waren es, die mich allmählich erkennen ließen, daß hinter Lippenbekenntnissen zur
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Sozialistischen Republik in Wahrheit der Wille zur Konterrevolution stand.“96 Sebastian Haffner (1907–1999), der die Ereignisse bloß als Heranwachsender erlebt hatte, urteilt: Die SPD „verspielte“ ihre Chance „‚für immer‘, als sie die Revolution, statt sie zu nutzen, unterdrückte – ‚verriet‘“.97 Einen Vorklang davon bedeutet es bereits, als Lenin im Herbst 1914 „die sozialistischen Parteien der wichtigsten europäischen Länder“ und ihre Führer anschuldigt, ihre Aufgabe nicht erfüllt, sondern eine „Haltung“ eingenommen zu haben, die „an direkten Verrat an der Sache des Sozialismus grenzt“, wobei er insbesondere die deutsche Sozialdemokratie im Visier hat.98 Aber in der Erkenntnis, daß die moralisierende Verurteilung am Ende untauglich sei, wendeten sich einige Teilnehmer an der Novemberrevolution der historischen Analyse zu. So Johann Knief: „Nicht ein Verrat der Führer liegt hier vor, sondern eine ganz konsequente Entwicklung … der Sozialdemokratie. Sie ist ihrem Wesen nach eine bürgerliche Partei geworden mit einem für bürgerliche Begriffe immerhin ausgedehnten Reformprogramm. Aber die Partei des Umsturzes ist sie gewesen.“99 Eine Äußerung Erich Mühsams bezeugt die Übereinstimmung von Kniefs Analyse mit Eugen Levinés: „Immer zugeben werde ich, daß Leviné den Charakter der Sozialdemokratie besser beurteilte als Landauer und ich, insofern er das Verhalten der Ebert, Scheidemann, Noske und so weiter nicht als Verräterei minderwertiger Subjekte ansah, sondern als zwangsläufige Folgen der sozialdemokratischen Parteipolitik im ganzen.“ Allerdings sei die SPD in der Praxis nicht davor gefeit, Verrat zu üben, falls man sie „zu gemeinsamem Handeln für das Proletariat zuließe.“100 Allgemein besagt der Vorwurf des Verrats, wie schon Adelung wußte: ‚In der Absicht zu schaden dem Feinde überliefern‘.101 Aber hätte damals wirklich ein sozialdemokratisches Parteimitglied in der ausgesprochenen Absicht Politik gemacht, der Partei und der Bevölkerung des Reichs zu schaden und dem Gegner zu nützen? So wenig wie mit dem Vorwurf des Verrats ist auch mit pauschalen Vorwürfen etwas gewonnen, und ihnen sah die SPD sich reichlich ausgesetzt. Spartakus schreibt im Oktober 1918: „Der Regierungssozialismus stellt sich mit seinem jetzigen Eintritt in die Regierung als Retter des
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Kapitalismus der kommenden proletarischen Revolution in den Weg.“102 Jedoch daß eine proletarische Revolution auf dem Wege sei, war nichts anderes als ein dogmatisches Postulat, das hier als ein reales Zukunftsereignis ausgegeben wurde. Radek behauptete: „… diese Leute sind für uns nicht bündnisfähig, sie können dem Kapitalismus nicht trotzen, aus dem einen Grunde, weil sie seine Lakaien sind.“103 Vergleichbar äußerte ein Jahrzehnt später Kurt Hiller (1928): „Die Sozialdemokratie, geboren, das kapitalistische System aus den Angeln zu heben, ward zu einer Funktion des kapitalistischen Systems. Im August 1914 wurde das zum ersten Mal kraß offenkundig. Im Winter 1918/19 zum zweiten, im Herbst 1923 zum dritten Male. Symbolwort für diesen Zustand: Ebert.“104 Nimmt man das Wort „Kapitalismus“ in seinem Wesen als das, was es ist: als einen hochaggregierten Begriff, steht dieser für eine „ökonomische Gesellschaftsformation“105, meint aber keinesfalls ein Kollektiv, dem eine Partei als Lakai zu dienen oder zu der sie im Verhältnis einer Funktion zu stehen vermöchte. Ledebour zielte auf einen anderen Punkt. Er attackierte die Mitglieder der „Scheidemanngruppe“ mit den Worten: „Bis zum Ausbruch der Revolution waren sie die Nutznießer des Belagerungszustandes, nach dem Erfolg der Revolution wurden sie die Nutznießer der Revolution, und nach dem 6. Dezember sind sie die Nutznießer der Konterrevolution geworden.“106 Was sollen aber „Nutznießer“ sein? Leute, die vom Wehrdienst verschont bleiben? Minister werden? Ihre Ministertätigkeit im Wechsel der Zeiten ungerührt fortsetzen? Unterläßt man nun moralisierende und pauschalierende Vorwürfe, bleiben aber einige konkrete Kritikpunkte. Der ernsteste ist die von den Maßgeblichen der Sozialdemokratie befohlene oder geduldete Gewaltausübung in der Novemberrevolution. Es sei falsch, kritisiert in jüngster Zeit Mark Jones, „die Sozialdemokratie im Rückblick als Verfechter und Verteidiger der Weimarer Republik und als Opfer des NS in deren Endphase“ hinzustellen, „während ihre Rolle als aktiver Förderer neuer Formen brutaler Gewalt in der Entstehungsphase dieser Republik aus dem Blick gerät.“107 Bramke moniert, daß die MSPD und „mit ihr der Rat der Volksbeauftragten“ sich schon „im frühen Stadium der Revolution in teilweiser direkter Abhängigkeit von der monarchisch gesinnten Hee-
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resführung“ befanden. Doch wer hing in der Revolution von wem ab? Frölich resümiert z. B.: „Hindenburg, die Spitze der Armee, ordnete sich Ebert unter.“108 Sicher trug die MSPD einen gehörigen Anteil der Verantwortung dafür, daß das vorgefundene Personal der Verwaltung und Justiz nicht gegen eines ausgetauscht wurde, das energisch republikanischen Grundsätzen Geltung verschafft hätte. In einer Resolution der SPD von 1921, woran Gustav Radbruch mitarbeitete, heißt es: „Unter dem Schutze der richterlichen Unabhängigkeit hat sich in der deutschen Republik eine Justiz erhalten, die sich als obrigkeitsstaatlicher Fremdkörper im sozialen Volksstaat darstellt.“109 Reichten jedoch die Kräfte der SPD aus, um den Umbau der Verwaltung und Justiz vorzunehmen? Von ihr hätten zumindest heftige Kämpfe gewagt werden müssen. Hier liegt eine der Schwierigkeiten der Sozialdemokratie in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, aber selbst schon der deutschen Republikaner in der Revolution von 1848/49, wie auch noch der Demokraten in der Nachkriegsperiode der Bundesrepublik Deutschland. Der neben Ebert und Noske am häufigsten in die Kritik geratene Philipp Scheidemann (1865–1939, verstorben im dänischen Exil, in Kopenhagen) begann seine Laufbahn im Druckgewerbe als Setzer, um sich dann dem Journalismus zuzuwenden. 1912 und 1918 amtiert er als 1. Vizepräsident des Reichstags und wird 1918 Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett des Prinzen Max von Baden. In der Revolution gehört er zu den drei MSPD-Volksbeauftragten (nach dem Austritt der drei USPD-Volksbeauftragten nahm die MSPD zwei Ihrige hinzu). Vom Februar 1919 bis Juni des Jahres ist er Reichskanzler der ersten Koalitionsregierung der Weimarer Republik. Mit seinem Namen verbindet sich in der historischen Erinnerung am ehesten noch die Ausrufung der Republik am 9. November 1918: „Mit Ebert, der nun auch aus der Reichskanzlei in den Reichstag gekommen war, und anderen Freunden saß ich hungrig im Speisesaal. Es gab wieder nur eine dünne Wassersuppe.“ Er wird herausgerufen, damit er redet und der Konkurrenz – dem Spartakuspolitiker Karl Liebknecht, der vom Balkon des Schlosses aus die sozialistische deutsche Republik ausruft – das Wasser abgräbt. In seiner Rede sagt er: „Große und unübersehbare Arbeit steht uns bevor.“ Nun
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zitiert er Lincoln: „Alles für das Volk, alles durch das Volk! Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht. Seid einig, treu und pflichtbewußt! Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik!“ … Er kehrt in den Speisesaal zurück, „um den Rest meiner Wassersuppe zu retten. … Ebert war vor Zorn dunkelrot im Gesicht geworden, als er von meinem Verhalten hörte. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie mich an: ‚Ist das wahr?‘ Als ich ihm antwortete, daß ‚es‘ nicht nur wahr, sondern selbstverständlich gewesen sei, machte er mir eine Szene, bei der ich wie vor einem Rätsel stand. ‚Du hast kein Recht, die Republik auszurufen! Was aus Deutschland wird, ob Republik oder was sonst, das entscheidet eine Konstituante!‘“110 Wegen ihrer politischen Fehler und Versäumnisse, vor allem jedoch wohl wegen ihrer unbedenklichen Gewaltanwendung in der Revolution verfällt die neue Regierung der politischen Kritik, ja extremer Verachtung in der linken Publizistik, wie es eine Schmähung von seiten Tucholskys demonstriert (1921): „Zu wissen, daß Figuren wie Noske, Heine, Scheidemann und Geßler auf der Welt sind, ist bitter …“111 Als ein nationalistischer Mörder ein Attentat auf Scheidemann unternimmt – der Angegriffene überlebt –, solidarisiert Tucholsky sich jedoch mit dem Opfer und zieht die Linie aus: „Von Liebknecht bis zu dir heut.“112 Radbruch (1878–1949) zählt zu den Intellektuellen in der SPD, die daran gingen, den Umbau durch Stärkung der Freiheitsrechte voranzutreiben. Philipp Loewenfeld erteilt in seiner Autobiographie dem sozialdemokratischen Politiker und Rechtswissenschaftler hohes Lob: „einer der feinsten Köpfe in der deutschen Rechtsphilosophie“.113 In seiner Einführung in die Rechtswissenschaft (1910) unternimmt Radbruch den Versuch, die zu dem Zeitpunkt vorhandenen Gesellschaftslehren mit einander zu vergleichen. Dabei bricht er eine Lanze für die freien, individualistischen Staatsauffassungen, nicht ohne die Verwandtschaft des Liberalismus und des Sozialismus zu konstatieren: „So stellen bei uns Konservatismus und Zentrumspartei die autoritäre, Liberalismus und Sozialismus die individualistische Staatsauffassung dar.“114 Aus der Spanne der Novemberrevolution berichtet Radbruch: „Es war ja die Zeit der
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politischen Unruhen, die Zeit des Mordes an Karl Liebknecht … Es war die Zeit, wo mannigfache politische Ideen miteinander kämpften und Stellungnahme verlangten. Damals erst nahm meine Abneigung ein Ende, den Reichtum der Möglichkeiten für eine begrenzte Wirklichkeit, die Fülle der Widersprüche für eine feste Überzeugung dahinzugeben. Auf politischem Gebiet bildeten sich jetzt bei mir feste demokratische und sozialistische Überzeugungen, und in ihrem Dienst kam endlich die bisher unverwendbare aufgestaute Aktivität und Produktivität kräftig zum Durchbruch. … ich führe ja nur einen kleinen Teil davon an, wenn ich sage: meine Bemühungen um die werdende Reichsverfassung, um die Verankerung der Sozialisierung in ihr, um die verfassungsmäßige Garantie, um den staatsbürgerlichen Unterricht in den Schulen, um die Völkerversöhnung als eins der Ziele des Schulunterrichts.“115 Hans-Ernst Böttcher verweist in einer rezenten Untersuchung auf eine bemerkenswerte Äußerung Radbruchs, die in einem Brief von der Front 1918 an seine Frau Lydia steht. (Sie ist hochschwanger.) Er empfiehlt ihr: „Wenn irgend Gefahr ist, stell Dich unter Liebknechts Schutz!“ Was bewegt ihn, ihr diesen Rat zu geben? Eine Wendung Radbruchs erklärt das: „Karl Liebknecht, dem ich, ohne seine politischen Ansichten zu teilen, menschlich nahegestanden hatte.“116 Böttcher kommentiert: „So nahe offenbar, dass Radbruch für den Fall von – wie immer gearteten – Unruhen und/oder Gefahrenlagen in Berlin für seine Frau Lydia, für die dreijährige Renate und für das Kind, dessen Geburt erwartet wurde die größte Gewähr des Schutzes und der Sicherheit bei Karl Liebknecht und in seinem Umkreis sah …“117 Zehn Jahre später, am 5. April 1928, publiziert Radbruch in der Vossischen Zeitung zum 50. Geburtstag des Schriftstellers Erich Mühsam einen Glückwunsch: „Alles, was unter dem Feldzeichen der Freiheit und des Menschenrechts ficht, durch wie große Gegensätze auch getrennt, muß sich doch irgendwie in einer Kampfgemeinschaft verbunden fühlen, und in dieser Verbundenheit drücke ich Dir, Erich Mühsam, und deiner tapferen Frau heute die Hand.“118 Schon 1921/22 hatte sich Radbruch gegen Angriffe auf seine Person wehren müssen: „Man verlangt von mir, dass ich meine Freunde ausschließlich bei den Deutschnationalen suche, und wirft mir vor, dass
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ich die Person von der Sache trenne, dass ich Erich Mühsam in Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit am Lübecker Katharineum auch in schwerer Zeit die Treue halte, dass ich Ernst Toller menschlich und künstlerisch hochschätze. All das berührt mich nicht.“119 Radbruch beklagt einmal, daß die Sozialdemokratie es nicht vermochte, nach der Revolution „der demokratischen Staatsform … ein hinreichendes Pathos zu verleihen. Man konnte bei Umzügen der Arbeiterjugend auf mitgeführten Schildern folgende Inschrift lesen: ‚Republik das ist nicht viel / Sozialismus unser Ziel.‘ Man hätte umgekehrt der Masse mit Nachdruck sagen müssen, daß mit der Demokratie die Hälfte des sozialdemokratischen Programms verwirklicht sei, und daß es nun zuerst gälte, die gewonnene Stellung fest auszubauen.“120 In diesem Sinne betätigt sich Radbruch unermüdlich: 1920–1924 als Abgeordneter im Reichstag, 1921/22 und noch einmal 1923 als Reichsjustizminister. Am ersten Tag des Kapp-Putsches, dem 13. März 1920, nehmen die Putschisten ihn in ‚Schutzhaft‘. Es liegt bereits ein Todesurteil gegen ihn vor. Nach der Niederschlagung des Kapp-Putsches wurden die zweiunddreißig Toten der Arbeiterschaft, die bei der Verteidigung der Republik gefallen waren, am 24. März in Kiel bestattet. Radbruch hielt die Trauerrede. Darin sagte er: „Gedenkt auch des Bodens, in den wir sie betten! Es ist der stolzeste, den wir besitzen: Die Märzgefallenen von 1920 sollen ihre Ruhe finden neben den Novembergefallenen von 1918.“ Und weiter: „Die Novembergefallenen haben den Grund gelegt, erst die Märzgefallenen haben den Bau begonnen. … Erst am 18. März sind die alten Gewalten endgültig zusammengebrochen. … Hier ruhen die, welche sterben mußten, damit wir leben konnten in einem glücklicheren Gemeinwesen der Gleichheit all dessen, was Menschenantlitz trägt. Und Worte tiefer Dankbarkeit werden es sein, die wir dann sprechen.“121 Außer auf der Freiheit und der Brüderlichkeit ruht die Demokratie auf der Gleichheit – im 19. Jahrhundert bestimmte Heinrich Heine sie als das demokratische Kernprinzip –. Böttcher erinnert: „Es gibt den Gleichheitssatz als unumstößliche Größe. Radbruch hat das immer betont, wie elementar der Satz ist, dass ‚für alles, was Menschenantlitz trägt‘ gleiches Recht gilt. Gustav Radbruch brauchte nicht erst nach 1945
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zu betonen: Ein Recht, das den Gleichheitssatz leugnet und die Menschen in wertes und unwertes Leben einteilt, das ist kein Recht.“122 In seiner Abhandlung Parteienstaat und Volksgemeinschaft untermauert Radbruch ein anderes Grundprinzip der modernen Demokratie. Er vermittelt die Erkenntnis: „daß der Volksstaat unumgänglich ein Parteienstaat ist. Volk muß unvermeidlich ein Inbegriff streitender Parteien sein, so lange nicht ein Engel vom Himmel uns die untrügliche Offenbarung des Allgemeinwohls gebracht hat.“123 Er bekämpft die in der damaligen Zeit von mehreren Seiten vorgetragene Forderung, die Demokratie zur „Volksgemeinschaft“ umzubilden. Nicht zuletzt trat der NS lautstark mit dem obersten innenpolitischen Ziel an, die „Volksgemeinschaft“ herzustellen. Mit deren zusammengeballter Kraft sollte sodann die Wiederholung des „Griffs nach der Weltmacht“ geschehen. Mit seiner Polemik gegen den „Volksgemeinschafts“-Gedanken attackierte Radbruch den Grund und Boden, auf dem der NS sein ‚3. Reich‘ zu errichten beabsichtigte. So beginnt Radbruchs Gedankengang: „Wir beobachten die Kristallisation einer neuen Staatsmetaphysik, welche den Kampf der ‚organischen‘ Staatsmystik gegen die ‚atomistische‘ Staatsauffassung aufzunehmen und fortzuführen bestimmt erscheint. … Die Kampffront dieser neuen Staatslehre richtet sich gegen den Parteienstaat: Parteiung ist das Gegenteil von Integration und Repräsentation, Sonderung im Gegensatz zu der Verganzung und der Darstellung der dadurch gewonnenen Ganzheit des Staatsvolkes, das Ergebnis mangelnden Willens zur oder mangelnder Bewußtheit der Volksgemeinschaft – etwas, was nicht sein sollte.“ In ihrer klassischen Gestalt habe jedoch zugleich auch die Staatslehre der Demokratie „jede Parteiung“ abgelehnt; die Wahrheit werde sich „aus der unbeschränkten Diskussion, aus dem freien Wettbewerb der Meinungen“ ergeben, und diesen störten – die Parteien. Es könne aber „keine eindeutige Wahrheit über das Allgemeinwohl geben, sondern nur die verschiedenen Parteiauffassungen vom Allgemeinwohl, jede von ihnen so unbeweisbar wie die andere …, jede aber auch so unwiderlegbar wie die andere … Dieser Relativismus … ist die Grundlage demokratischen Denkens …“ Man solle sich nicht hindern lassen, „zu der unleugbaren und unvermeidli-
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chen Tatsache des Parteienstaates laut, mit Überzeugung und mit gutem Gewissen Ja zu sagen. … Was aber wird im Parteienstaat aus dem ‚Volk‘ . . .? Der Parteienstaat kennt weder das Volk in seinem individualistischen Begriffe: als die Summe der einzelnen, noch das Volk in seinem überindividualistischen Begriffe als Ganzes über den einzelnen. Ihm wird das Staatsvolk ein Inbegriff kämpfender Parteien. Vor dieser Tatsache kann uns in der Tat keine Predigt von der Volksgemeinschaft retten. Volksgemeinschaft ist die Kulturnation – das Staatsvolk ist keine Volksgemeinschaft.“ Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands bestand in größerem Umfang nur wenige Jahre (Gründung 1917), da die Mehrheit ihrer Mitglieder sich 1920 entschloß, zur KPD überzuwechseln. 1922 kehrte ein anderer Teil in die SPD zurück; ein kleiner Rest mit Ledebour an der Spitze existierte weiter. Nach anfänglichen Wahlerfolgen verlor sie ihre Wähler, besonders katastrophal bei der Landtagswahl am 12. Januar 1919 in Bayern, wo sie immerhin den Ministerpräsidenten stellte, aber nur 2,5 % der Stimmen erhielt – was ihr 3 von 180 Sitzen eintrug –. Nur selten konnte die Partei bei Wahlen die MSPD überflügeln.124 Unter den Intellektuellen der Arbeiterbewegung, die sich der Sozialdemokratie verschrieben, aber während des Krieges zur USPD wechselten, um zur Herbeiführung des Friedens beizutragen, waren mehrere politische Kapazitäten der Linken, darunter Karl Kautsky (1854–1938, verstarb im Exil in Amsterdam), Rudolf Breitscheid (1874–1944, Tod im KZ Buchenwald) und Rudolf Hilferding (1877–1941, Tod in Gestapohaft). Sie beteiligten sich nach Kräften an der Revolution und an dem Aufbau der Weimarer Republik. Bei der zweiten Spaltung der USPD 1922 kehrten alle drei zur Mehrheitssozialdemokratie zurück. Kautsky, in Prag geboren, wurde 1875 Mitglied der österreichischen Sozialdemokratie. Er gewann den Ruf des führenden Theoretikers der deutschen Sozialdemokratie sowie in der Organisation der sozialistischen Parteien und Gewerkschaften (Kurzbezeichnung: Zweite Internationale, 1889–1914). 1883–1917 wirkte er als Chefredakteur der führenden Zeitschrift der II. Internationale, Titel: „Die Neue Zeit“. Während der Novemberrevolution wurde er 1918 Staatssekretär im Aus-
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wärtigen Amt und Vorsitzender der Sozialisierungskommission, eines Gremiums, dem weder Rechte noch Befugnisse zukamen, sondern ausschließlich die Aufgabe, Vorschläge für eine künftige Nationalversammlung auszuarbeiten.125 1924 ging er nach Österreich zurück, um fortan in Wien zu leben. Während der letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens griff er in mehreren Schriften den Bolschewismus an, so z. B.: Die Diktatur des Proletariats (1918). Gleichzeitig handelte er sich die überaus scharfe Kritik Lenins ein: Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky (verfaßt Oktober/November 1918). 1919 skizzierte er die „Schuld“ des Bolschewismus, wie sie sich ihm darstellte: „Die Motive der Bolschewiki waren sicher die besten. Sie zeigten sich beim Beginn ihrer Herrschaft auch ganz erfüllt von den Humanitätsidealen, die der Klassenlage des Proletariats entspringen. … Ihre Schuld fällt in die Zeit, als sie gleich den Bakunisten Spaniens aus dem Jahre 1873 die ‚sofortige vollständige Emanzipation der Arbeiterklasse‘ trotz der Rückständigkeit Russlands proklamierten und zu diesem Zwecke, da die Demokratie ‚versagte‘, ihre eigene Diktatur unter der Firma der Diktatur des Proletariats aufrichteten. – Hier mag man ihre Schuld suchen. Sobald sie einmal diese Bahn betreten hatten, konnten sie dem Terrorismus nicht entgehen. Der Gedanke einer friedlichen wirklichen Diktatur ohne Gewalttat ist eine Illusion.“126 Breitscheid war von Beruf Nationalökonom. Zunächst Demokrat, trat er 1912 in die SPD ein, 1917 in die USPD. 1918–1923 gab er die Wochenzeitschrift dieser Partei heraus: „Der Sozialist“. Franz Mehring lobte 1918: Es habe ein anderes Organ der USPD, die „Sozialistische Auslandspolitik“, sich „bekehrt“ von ihrer „Bolschewistenfresserei“, – ihr Redakteur Breitscheid sei „aus einem Saulus zu einem Paulus“ geworden, der „für die Bolschewiki kämpft wie die Löwin für ihr Junges“.127 1918/19 wirkte er als preußischer Innenminister, in den Jahren 1922–1933 als Abgeordneter der SPD im Reichstag. 1933 emigrierte er nach Frankreich. Im antifaschistischen Kampf plädierte er für die Zusammenarbeit mit der KPD. Das Vichy-Regime lieferte ihn an die Gestapo aus, die ihn 1943 ins KZ Buchenwald einwies. Hier kam er 1944 ums Leben, womöglich durch eine alliierte Fliegerbombe.
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Hilferding, ein geborener Wiener, schloß sich zuerst der österreichischen Sozialdemokratie an. Von Beruf war er Arzt. 1907–1915 redigierte er den „Vorwärts“. Als antikapitalistischer Theoretiker verfaßte er in dieser Zeit die Schrift „Das Finanzkapital“ (1910), die eine sehr gemischte Aufnahme fand, sowie marxistische Beiträge zur Analyse des Imperialismus. 1917 trat er der USPD bei, 1922 wechselte er in die SPD zurück. Für diese Partei betätigte er sich als Abgeordneter im Reichstag (1924–1933). 1923 und 1928/29 amtierte er als Reichsfinanzminister. Ab 1933 im Exil in Frankreich, ließ ihn das Vichy-Regime verhaften. Im Winter 1941 kam er im Gefängnis La Santé um (ermordet?). Zunächst Sozialdemokrat war auch Ernst Niekisch (1889–1967), von Beruf Lehrer. Er wechselte während der Revolution in die USPD. Für diese Partei erhielt er ein Abgeordnetenmandat im bayerischen Landtag, nach der Rückkehr in die SPD eines für diese Partei 1922/23 ebendort. Als am 21. Februar 1919 der bayrische Ministerpräsident Kurt Eisner ermordet wird, gründen Mitglieder aller drei Arbeiterparteien – SPD, USPD und KPD – sowie die Vollzugsorgane der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte den Zentralrat der Bayerischen Republik. Niekisch ist sein Vorsitzender, „in gewissem Sinne vorläufiger Regierungschef des bayerischen Staates“128. Einige Jahre darauf wendete er sich dem Nationalbolschewismus zu.129 Einer der gegenwärtig nur noch wenig bekannten intellektuellen Protagonisten der Novemberrevolution ist Adolph Hoffmann (1858– 1930), von Beruf Autor, Verleger und Buchhändler. Er hatte eine nur kümmerliche Schulbildung genossen: 3 Jahre Volks- bzw. Armenschule, um sich autodidaktisch weiter zu entwickeln.130 Über Jahrzehnte hinweg betätigte er sich politisch.131 Bereits 1876 hatte er sich der „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ angeschlossen, der späteren SPD. Während der Jahre des Sozialistengesetzes (1878–1890) verließ er nach einer fingierten Anklage gegen ihn wegen „Hochverrats“ und einer Inhaftierung Berlin und siedelte nach Halle über. 1908 wurde er in Gemeinschaft mit sechs weiteren Sozialdemokraten, darunter Karl Liebknecht, in den preußischen Landtag gewählt; 1913 zum Vorsitzenden der Freireligiösen Gemeinde Berlin. Im Abgeordnetenhaus unterstützte er
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Liebknecht bei dessen Bemühungen zur Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts. 1914 manifestierte er im Abgeordnetenhaus (22. 10.) seinen Widerstand gegen den Krieg sowie die Burgfriedenspolitik der SPD-Führung und der Gewerkschaften, als er mit Liebknecht und drei anderen Sozialdemokraten den Saal verließ. Die Frage der Reorganisation der Partei führte ihn in heftige Konflikte mit Liebknecht und Rosa Luxemburg. Hoffmann erstrebte die „Reaktivierung der Partei von unten“, während die Gruppe „Internationale“ seit 1915 auf einen Neubeginn setzte. Im Januar 1917 schließt die SPD-Landtagsfraktion Hoffmann aus. Im April desselben Jahres wird er zu den Gründern der USPD gehören. Am 24. Januar 1918 erklärt er im Abgeordnetenhaus: „Sie tanzen auf einem Vulkan. … Wir stehen wie in Österreich 10 Minuten vor dem Ausbruch der Katastrophe. Das Volk hat es satt, weiter in den Krieg gehetzt zu werden.“132 Am 7. November spricht er im Wedding und entgeht nur knapp seiner Verhaftung. Am 9. und 10. November leitet er die Besetzung des Berliner Rathauses und des Abgeordnetenhauses. Der Vollzugsrat der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte drängt ihn, in die neue, von Mitgliedern der MSPD und USPD paritätisch gebildete preußische Regierung einzutreten. Im Kabinett ist er neben Konrad Haenisch (MSPD) gleichberechtigter Minister für die Ressorts Volksschulwesen, Kirchen- und Theaterfragen. Er beansprucht, seinen Kompetenzbereich grundlegend umzugestalten. Daher seine Anweisung an einem ihm unterstellten Geheimrat: „Merken Sie sich eins: ‚Ich will hier weniger Minister als Ausmister sein!‘“133 Mit Haenisch zusammen zeichnet er eine Verfügung, worin es heißt: „Das Ministerium ist gegenwärtig ein Organ der durch die Revolution ans Ruder gekommenen Volksgewalt.“134 Mit Erlaß vom 15. 11. untersagt Hoffmann „jede Form von Volksverhetzung, tendenziöse und falsche Belehrungen über den Weltkrieg und dessen Ursachen sowie das Schüren von gegenrevolutionärer Propaganda in der Schule“.135 Mit einer Verordnung vom 29. November schafft das Ministerium die geistliche Ortsschulaufsicht sowie das obligatorische Schulgebet ab.136 Der katholische Episkopat, die evangelische Kirche, der Philologenverband, Lehrerverbände und die Zentrumspartei protestieren und organisieren den Widerstand, eine „Kul-
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turkampfstimmung“ anheizend. Der Pfarrer Otto Dibelius in BerlinSchöneberg bläst zum Angriff: „Was man jetzt entfesselt hat, ist ein Kampf gegen die Grundlagen der christlich-deutschen Kultur. Wir treten ein in diesen Kampf als Kämpfer für dieses von den Vätern ererbte Gut. Wir erheben den alten Kreuzfahrerruf: ‚Gott will es!‘“137 Haenisch weicht davor zurück; er hebt die Verordnung im Dezember auf. Am 3. Januar 1919 verläßt Hoffmann zusammen mit den übrigen Kollegen der USPD die preußische Regierung. Im selben Monat wird er für die USPD in die Verfassungsgebende preußische Landesversammlung gewählt. Er verurteilt die Ermordung von Liebknecht, Rosa Luxemburg und Leo Jogiches, mit dem Appell: „Kehren Sie zur Menschlichkeit zurück! Sorgen Sie dafür, dass wir das Deutsche Reich errichten als einen freien Menschenstaat, der in der Kultur vorangeht, aber nicht immer tiefer sinkt durch solche Rohheiten und Brutalitäten unter der Regierung sogenannter sozialistischer Minister!“138 1920 tritt Hoffmann mit dem linken Flügel der USPD zur Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands (VKPD) über, wechselt aber 1921 zur USPD und 1922 mit dem größeren Teil dieser Partei zur SPD zurück. Im Jahrzehnt von 1920 bis zu seinem Tode 1930 nimmt er verschiedene Mandate als Reichstags- und Landtagsabgeordneter wahr. Georg Ledebour (1850–1947; 1933 in die Schweiz emigriert, wo er auch verstarb) war ein gelernter Kaufmann, dann Journalist, der sich im Kaiserreich hervorragend in der demokratischen Bewegung betätigte: „Er war neben Mehring der bekannteste demokratische Journalist in Norddeutschland, und arbeitete als Redakteur der ‚Demokratischen Blätter‘ sowie der Berliner ‚Volks-Zeitung‘.“139 In der Balkankrise 1885/86 griff er die offizielle Politik des Bismarck-Reiches scharf an, wofür er vor Gericht gestellt wurde. Als 1887 in der Reichstagswahl dem von Bismarck favorisierten „Kartell“ – aus Konservativen, Nationalliberalen und Freikonservativen – die Mehrheit zufiel, überließen sich viele Anhänger der Demokratie der Resignation; nur nicht die „besten Vertreter der norddeutschen Demokraten, wie Mehring und Ledebour“, die sich aus Enttäuschung über die kleinbürgerlichen Demokraten der Sozialdemokratie annäherten.140 Ledebour trat 1890 der SPD bei. Von nun an ein gutes
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halbes Jahrhundert lang fand er seine Wirkungsstätte in der Arbeiterbewegung auf dem linken Flügel. Mehr als zwanzig Jahre nahm er ein Reichstagsmandat wahr (1900–1918, noch einmal wieder 1920–1924). Während des Weltkriegs beteiligte er sich an den Internationalen Sozialistischen Konferenzen in Zimmerwald (1915) und Kienthal (1916). Unter dem von Zimmerwald ausgehenden Aufruf Proletarier Europas! findet sich neben dem Namen Adolph Hoffmanns auch der seinige. In dem Text heißt es: „Dieser Kampf ist der Kampf für die Freiheit, für die Völkerverbrüderung, für den Sozialismus. Es gilt dieses Ringen, um den Frieden aufzunehmen, für einen Frieden ohne Annexion und Kriegsentschädigungen.“141 Nach dem Krieg gehörte zu den Opfern von Mitgliedern der bayerischen „Einwohnerwehr“ – einer der nationalistischen Organisationen, die nicht vor Mord zurückschreckten – auch der junge Politiker Karl Gareis (1889–1921). Aus der SPD kommend, trat er 1917 zur USPD über, für die er 1920/21 im bayerischen Landtag ein Mandat wahrnahm. Von Beruf Gymnasiallehrer, war er Mitglied im Verband Sozialistischer Lehrerinnen und Lehrer Deutschlands und Deutsch-Österreichs. Das Reichsgesetz über die Entwaffnung der Bevölkerung vom 8. August 1920 sah die Ablieferung aller Kriegswaffen vor. Ein Reichskommissar überwachte die Einhaltung der Bestimmungen. Sie verpflichteten jede Person, die von Waffen und Munitionslagern Kenntnis besaß, dies unverzüglich bei der deutschen Entwaffnungskommission anzuzeigen. Die nationalistischen Verbände betrachteten es hingegen als ihre Pflicht, die illegalen Waffenvorräte zu beschützen. Dementsprechend wurden Waffen-‘Verräter‘ umgebracht. So z. B. ein Dienstmädchen namens Marie Sandmayer, die im September 1920 ein Waffendepot bei der Entwaffnungskommission hatte anzeigen wollen. Das gerichtliche Verfahren gegen den mußmaßlichen Mörder verlief im Sande; es wurde wie andere, vergleichbare eingestellt (1925). Der Landtagsabgeordnete Gareis zeichnete sich durch seinen besonderen Mut aus. Er bemühte sich um die Aufklärung des Mords an dem Mädchen und einer Reihe ähnlicher Fälle.142 Nicht zuletzt brachte ihn in die Schußlinie, daß er die Rolle der von dem Polizei-Präsidenten Pöhner
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geleiteten Polizei als Mitwisser und Förderer der Fememorde aufdeckte.143 In den zahlreichen Quellen, die aus der Novemberrevolution übrig sind, ist einer der häufigsten Namen: Kurt Eisner (1867–1919). Während in Norddeutschland die Kronen auf das Pflaster rollten in dem Augenblick, da die Matrosen unter der roten Fahne auf der Bildfläche erschienen, benötigte Bayern zum Sturz der Monarchie in Bayern nicht erst das Eingreifen der Mariner: „Dort wichen die alten Gewalten nicht kriegsmüden Soldaten, dort kapitulierten sie vor einem einzigen Mann. Das war Kurt Eisner.“144 Sebastian Haffner, der die Sozialdemokratie als Vollstreckerin des „Verrats“ an der Revolution und Republik betrachtete und den Vorsitzenden der SPD, Friedrich Ebert, als Hauptverantwortlichen für den Vorgang, sah in Eisner dessen Gegenpol, den großen Redlichen – er sei daher der „wahre Gegenspieler“ Eberts gewesen.145 In dem Gasthof „Goldener Anker“ in der Münchener Schillerstraße sammelte Eisner seit Dezember 1916 einen Diskussionskreis mit 25 bis 100 meist jungen Menschen um sich. Felix Fechenbach (1894–1933), ein Unteroffizier, mit dem Beinamen „der rote Korporal“, teilte aus seiner Erinnerung mit: „Kurt Eisner lehrte uns richtig lesen, zeigte, was in Zeitungsartikeln, Regierungskundgebungen und anderen Dokumenten zwischen den Zeilen und Worten stand und was nicht gesagt worden war. Der politische Sinn wurde geschärft.“146 Auch von seiten der Feministinnen erfuhr Eisner Anerkennung, so von Lida Gustava Heymann: „Was dieser Mann wollte, deckte sich mit unsern Bestrebungen, denen unsere Lebensarbeit galt; uns verband die gleiche Sehnsucht nach Befreiung von jeder Knechtschaft, nach Freiheit und Gerechtigkeit für Mann und Frau.“147 In anerkennende Urteile mischt sich jedoch nicht selten dazu Kritik. Otto Neurath (1882–1945), ein österreichischer Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe, äußerte: „Es kann … kein Zweifel darüber sein, daß Kurt Eisner zu den tatkräftigsten, entschlossensten und sicherlich überzeugtesten Sozialisten Deutschlands gehörte.“ Allerdings warf er ihm eine von Fall zu Fall fehlerhafte Personalpolitik vor: „Ebenso kann kein Zweifel darüber sein, daß er eine ungewöhnliche politische Begabung besaß, und doch hat dieser Revolutionär, der mit von
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München aus den Anstoß zu Umwälzungen in ganz Deutschland gab und über große Macht in Bayern verfügte, als Unabhängiger zum Vorsitzenden der Sozialisierungskommission Lujo Brentano148 ernannt. … der offensichtlich die Sozialisierung nicht wollte …“149 Die Konservativen in Bayern sowie die ausgesprochen konterrevolutionär tätigen Feinde der Revolution verzichteten auf jegliche Argumentation. Vielmehr inszenierten sie eine Hetze gegen Eisner, der seit dem 8. November als neuer bayerischer Ministerpräsident amtierte. Eine so bodenlose mörderische Hetze, „wie sie selten gegen einen Revolutionär in Gang gesetzt wurde“, mit Verwendung antisemitischer Schablonen.150 Ein nationalistischer Beobachter der Vorgänge in Bayern, der Lehrer Josef Hofmiller, vermerkte in seinem „Revolutionstagebuch“ 1918/19 über die letzte, nicht mehr gehaltene Rede des von einem nationalistischen Attentäter Ermordeten haßvoll: „Sie wäre genau so verlogen und unverschämt gewesen, wie seine früheren.“151 K. A. von Müller räumte zwar ein: „Alle, die Eisner kannten, bestätigten, daß er selbstlos war, früh durch die Schule des philosophischen deutschen Idealismus gegangen, ein ästhetisch feinfühliger Mensch, der in der Kunst den rettenden Ausweg aus der qualvollen Gegenwart sah.“ Dann aber schlug er zu: „War sein Aufstieg zur Macht etwas anderes als ein außerordentlich klug ausgedachter, persönlich stark durchgeführter, vom Glück der Stunde begünstigter Theatererfolg, seine Herrschaft etwas anderes als Diktatur, das erste Beispiel jener Mischung von überlegter psychischer Massenverführung und politischem Dilettantismus, die wir später bis zur letzten Steigerung erlebten?“152 Seinen Haß preßte Müller in die Formel: „… ein Fanatiker seiner irrigen wie seiner begründeten Überzeugungen“.153 Wie von rechts, kam Polemik gegen Eisner ebenfalls von links, postum z. B. von Erich Mühsam in einem Artikel in der „Weltbühne“ (1929): Mein Gegner Kurt Eisner154. Er verfaßte ihn „in Erinnerung an einen Mord, der in dem irrenden, schwankenden, abgleitenden Manne den zielklaren, aufrechten, revolutionärentschlossenen Willen einer in Aufruhr geratenen Masse treffen wollte und traf …“ Bei Erwähnung des Mehrheitssozialdemokraten Erhard Auer, den Eisner als Innenminister in seine Regierung holte, hätte er, Mühsam, im Landtag gleich am 9. No-
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vember von der Tribüne aus gerufen: „Dann haben wir schon die Gegenrevolution!“ Seinen Artikel beendigte er mit einem Zitat aus einer älteren eigenen Würdigung (1919), die zeigt, worin des Verfassers Differenz mit Eisner bestand: „Er war ein aufrechter, tapferer Revolutionsentzünder, ein fanatischer Kämpfer für sein eignes Werk, aber kein Grundmauern-Einreißer.“ Wirklich war der „Neuerer“, wie ihn Mühsam nennt, kein bedenkenloser Draufgänger oder skrupelloser Aktivist. Zuweilen befielen ihn Anwandlungen der Melancholie. Am 10. Januar 1919 offenbart er seiner Frau brieflich aus Berlin: „Es bedrängt mich eine trübe Ahnung, als ob sich mein Schicksal bald vollenden könnte.“155 Er denkt an die Zusammenführung aller Kräfte der Arbeiterbewegung. Aber nach einem Disput mit Karl Liebknecht, der den Neuaufbau „erst nach der Vernichtung des gesamten kapitalistischen Systems“ für möglich hält, sieht er, daß die Kluft zwischen den Auffassungen des Spartakusführers und den seinigen unüberbrückbar bleibt. In München berichtet er danach trostlos: „… die Revolution ist gescheitert.“156 Vielleicht trägt zu dieser Aussage bei, was er in Berlin hat erleben müssen. In einer Rede am 28. 11. 18 teilt er eine Beobachtung mit: „Ich kam nach Berlin als Vertreter Bayerns und sah da zu meiner großen Überraschung, daß in Berlin die Konterrevolution nicht droht, sondern ruhig regiert.“157 Die Anteilnahme der Münchener Bevölkerung nach der Ermordung Eisners ist überwältigend, vergleichbar vielleicht nur mit der Anteilnahme der Stadt Berlin nach dem Tode Wilhelm Liebknechts im Jahre 1900. Am 26. Februar findet die Trauerfeier für Eisner statt. An dem Trauerzug beteiligen sich ca. 100000 Menschen.158 Die Totenrede hält Eisners Freund Landauer. Er charakterisiert ihn als Propheten, „weil er mit den Armen und Getretenen fühlte und die Möglichkeit, die Notwendigkeit schaute, der Not und Knechtung ein Ende zu machen.“159 Im Namen der Frauen spricht bei der Beisetzung Lida Gustava Heymann.160 Bei einer Trauerfeier für Eisner im Odeon am 16. März 1919 hält Heinrich Mann die Gedächtnisrede und ehrt ihn mit dem Namen „eines Zivilisationsliteraten“.161 Eisner war zu seiner sozialistischen Überzeugung nicht durch die Lehre von Marx gelangt. Er studierte Philosophie, Geschichte und Lite-
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raturgeschichte, mit Bevorzugung des deutschen Idealismus. Unter dem Stichwort „Sozialer Idealismus“ wird er sich später mit Autoren auseinandersetzen wie Jan Hus, Kant, Herder, Fichte, Rousseau und Tolstoi. Die Variante des Sozialismus, der er selber anhing, war der „ethische“ Sozialismus; und er selber – mit Freya Eisners Bezeichnung – ein „Ethischer Sozialist“162. Freya Eisner markiert die Differenz des ethischen Sozialismus und des Marxismus wie folgt: „Stand für die Marxisten fest, daß der Sozialismus ökonomisch gesetzmäßig kommen müsse, so war der Standpunkt ethischer Sozialisten wie Eisner, daß der Sozialismus kommen solle.“ Das „Sollen“ verlange „die politisch bewußte Tat“, was sich in Parolen ausdrücke wie: „Erziehung zur Tat!“; „Sozialismus der Aktion!“; „Tatkräftiges, tägliches Eingreifen in die Politik!“163 Seine früheste Schrift ist eine Polemik gegen Nietzsche und den Immoralismus. Seit 1893 betätigt er sich als Journalist. Nach dem Tod von Wilhelm Liebknecht (1900) übernimmt er die Leitung des sozialdemokratischen „Vorwärts“. Erfreut gibt Rosa Luxemburg vom sozialdemokratischen Parteitag in Mainz (1900) eine lobende Bemerkung Eisners wieder: „Eisner erklärte heute beim Mittagessen, ich beherrsche die deutsche Sprache meisterhaft (was auch Herzfeld164 sagte) und daß ich hinsichtlich der Form der beste Redner des Parteitags bin!!“165 1917 beteiligt Eisner sich an der Gründung der USPD. Ende Januar 1918 kommt es in München zu Streiks. Die Arbeiterschaft fordert, den Krieg zu beenden. Eine Entschließung der Streikenden, die Eisner unterzeichnet, beginnt: „Die streikenden Arbeiter Münchens, voran die Krupp-Werke, entbieten ihren brüderlichen Gruß den belgischen, französischen, englischen, russischen, italienischen, amerikanischen, serbischen Arbeitern. Wir fühlen uns mit Euch eins in dem feierlichen Entschlusse, dem Kriege des Wahnsinns und der Wahnsinnigen sofort ein Ende zu bereiten. Wir wollen uns nicht mehr morden.“166 Wegen Rädelsführerschaft nehmen die Behörden Eisner in Untersuchungshaft (Vorwurf: Landesverrat). Er benutzt diese Zeit, um seine Gesammelten Schriften abzuschließen. Am 14. Oktober wird er entlassen. In der Nacht vom 7. zum 8. November 1918 stürzt eine Volksmenge unter seiner Leitung die Monarchie, der „Volksstaat“ oder „Freistaat“ Bayern entsteht.167 Am Morgen des 8. November
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erscheint eine von Eisner unterzeichnete „Proklamation“, worin es heißt: „Das furchtbare Schicksal, das über das deutsche Volk hereingebrochen [ist], hat zu einer elementaren Bewegung der Münchner Arbeiter und Soldaten geführt. Ein provisorischer Arbeiter-, Soldaten und Bauernrat hat sich in der Nacht zum 8. November im Landtag konstituiert. … In dieser Zeit des sinnlos wilden Mordens verabscheuen wir alles Blutvergießen. Jedes Menschenleben soll heilig sein.“168 Eisner wird der Vorsitzende des Münchener Arbeiter- und Soldatenrats. Es bildet sich eine Koalitionsregierung von MSPD und USPD mit Eisner als dem Ministerpräsidenten, der zugleich das Außenministerium übernimmt. In einem Gespräch kommentiert Eisner den Umsturz: „Ist es nicht etwas Wunderbares, wir haben eine Revolution gemacht, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen! So etwas gab es noch nicht in der Geschichte.“169 Es klingt wie Selbstlob, ist aber eine historische Tatsache. Eisners Aktion in der Nacht zum 8. November 1918 war unblutig und erfolgreich, Bayern blieb seither – inzwischen bereits ein Jahrhundert lang – Republik. Wenn Friedrich Weckerlein 1994 seine Anthologie mit einer Satire im Umfang eines Aphorismus einleitete, worin er die Existenz eines Kurt-Eisner-Flughafens bei Freising voraussetzt, ist dessen Benennung außerliterarisch keineswegs Tatsache, läßt aber daran denken, daß sie es sein könnte, würde der Freistaat sich „endlich zu seiner ganzen Geschichte bekennen“.170 Dem Andenken des Mannes, dem vor einem Jahrhundert der Neubeginn in Bayern glückte, wäre in der Gegenwart indessen keineswegs mit einer unkritischen Glorifizierung gedient. So benannte Max Hirschberg (1883–1964; vom März bis August 1933 in ‚Schutzhaft‘, danach Exil, Tod in New York), der in München zusammen mit seinem Sozius Philipp Loewenfeld eine Anwaltskanzlei innehatte, in seinen Memoiren eine gravierende „Fehlentscheidung“ Eisners: die Einsetzung der bayerischen „Volksgerichte“. Die reaktionäre Ministerialbürokratie im Justizministerium drängte den neuen Ministerpräsidenten, dem für diese Frage die Sachkenntnis abging: die Republik benötige ein „Schnellgericht“ zur drakonischen Aburteilung der schwersten Verbrechen. „Gegen die Urteile der Volksgerichte gab es keinerlei Rechts-
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mittel, nicht einmal die Wiederaufnahme des Verfahrens bei offensichtlichen Fehlurteilen. Dieser Einbruch in die Rechtsgarantien, die in jedem Kulturstaat selbstverständlich sind, … hatte verhängnisvolle gegenrevolutionäre Folgen …“171 So wurde 1922 der engste ehemalige Mitarbeiter Eisners, Felix Fechenbach, nach einer Kampagne vom Volksgericht, dem ein konterrevolutionärer Richter vorsaß, aufgrund einer – in Wahrheit ungesetzlichen – Anklage wegen Preßvergehens zu der monströsen Strafe von 11 Jahren Zuchthaus verurteilt. Eine „Woge bedrohlichster Feindseligkeit“ löst Anfang Februar 1919 in Bayern Eisners Auftritt als bayerischer Außenminister in Bern aus, wo er an der Internationalen Sozialistenkonferenz teilgenommen hat. Was erregt den Zorn der Gegner? Daß Eisner sich hier zur Schuld Deutschlands bei der Herbeiführung des Weltkriegs bekennt und sagt: „Wir wollen unsere Schuld sühnen, indem wir auf dem Wege zum Sozialismus voranschreiten.“ Eisner bringt zusammen mit dem französischen Sozialisten Pierre Renaudel eine Resolution zur Frage der Kriegsgefangenen ein, worin deren rasche Freilassung gefordert wird. In der Berichterstattung der bayerischen Presse werden Eisners Stellungnahmen wahrscheinlich bewußt verfälscht wiedergegeben.172 Zeugen, die nicht zur Gegnerschaft gehören, bewerten Eisners Auftreten hervorragend. So der schweizerische Journalist Heinrich York-Steiner: Es „hatte doch Eisner nicht nur den größten Erfolg unter den Deutschen, sondern auch einen der größten Erfolge des ganzen Arbeiterkongresses. Es war der Erfolg der Intelligenz und der tiefen, fast naiv wirkenden Überzeugung.“173 So die Dichterin Annette Kolb (1870–1967): „Was nun verlautete, war ein Plädoyer für Deutschland, wie es niemals ergreifender formuliert wurde … vor uns stand ein Entronnener aus eben jener Schar stummer Blutzeugen für die Ideen der Gewaltlosigkeit, der Wahrheit und der Menschenliebe.“174 Eine andere deutsche Teilnehmerin, Lida Gustav Heymann, die mit Anita Augspurg in Bern gewesen war, bezeugt: „Wir hatten Kurt Eisners Rede über zukünftige Friedenspolitik gehört, über Verständigung und gegenseitiges Vertrauen nach diesem Weltkriege, wir hatten erlebt, welchen Jubel seine Rede ausgelöst hatte, die tatsächlich den Höhepunkt der Tagung bedeutete. Sie stärkte bei allen Anwesenden
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den Glauben an ein wiedererwachtes kulturelles Deutschland, welches einst der Welt einen Goethe, einen Beethoven geschenkt hatte. Diese Rede enthielt nichts von dem, was die ihm übelwollende Presse darüber berichtete, die Kurt Eisner, weil er eine völlige Schuldlosigkeit Deutschlands am Weltkriege nicht anerkennen konnte, mehr oder weniger zum Vaterlandsverräter stempelte, eine maßlose Hetze gegen ihn entfachte und so mitschuldig wurde an seiner Ermordung.“175 Helene Stöcker mahnte in ihrem Nekrolog: „In einer seiner letzten Reden, dir mir gerade am Abend vor seinem Tode in die Hand kam, hat er in der Güte und Einsicht seines Wesens erklärt, angesichts der Berner Verleumdungen über ihn: ‚sie wissen nicht, was sie tun‘.“ Sie forderte auf, im Andenken an den großen Toten wie er „den einzigen Weg zu gehen … den Weg der Einsicht und der Güte“.176 Und wie eine Formel für die Persönlichkeit Eisners klingt Gustav Reglers Wort: „Der Mann, der keine Leibwache brauchte, der Deutschland mit Güte ändern wollte.“177 Er wollte Deutschland mit Güte ändern, ebenso wie Bayern. Aber nicht planlos, sondern auf Grundlage einer gut durchdachten Konzeption. Sie ruht auf einer Analyse und zwei Basisaxiomen. Die Analyse (1919) ist, wie unschwer erkennbar, falsch, weil nicht mehr als Wunschvorstellung, die Eisner mit vielen teilte: „Die gesamte kapitalistische Gesellschaft bricht zusammen.“178 Das wäre die Revolution. Aber ist die Revolution die Demokratie? „Die Revolution ist keine Demokratie. Sie will sie erst schaffen. Arbeiter- und Soldatenräte müssen überall die Grundlage der neuen Entwicklung bilden, und die Nationalversammlung kann und darf erst dann einberufen werden, wenn die Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte sich so sehr entwickelt haben, daß alles von dem neuen Geist erfüllt ist, dann darf vielleicht an die Nationalversammlung gedacht werden, sie wird dann auch schon überflüssig sein, weil wir, die A-, S. und B-Räte, schon die Nationalversammlung sind.“179 Der Regierung stelle sich die Aufgabe: „die Massen aufzuklären“, wofür „nur zwei leitende Gedanken“ vorhanden seien: Demokratie und Sozialismus, wobei „die demokratische Organisation unmittelbar der Massen selbst künftig die Grundlage aller Entwicklung sein“ müsse.180
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Und „die demokratische Organisation unmittelbar der Massen“, was ist es anderes als das Rätesystem? „Die Räte sollen die Schulen der Demokratie werden; daraus dann sollen die Persönlichkeiten emporsteigen zu politischer und wirtschaftlicher Arbeit.“181 In der gesellschaftlichen Konzeption Eisners tritt also der Rätegedanke stark hervor, allerdings mit der ausdrücklichen Versicherung, daß nicht dessen russische Realisierung angestrebt werde.182 Weder dem Postulat, alle Macht den Räten zuzuteilen, neigt er zu, noch dem gegenteiligen, sie ihrer Macht, die ihnen die Revolution gegeben hat, wieder zu berauben. Was dann bleibt, ist die mittlere Lösung: die Räte bestehen zu lassen, jedoch die Macht sorgfältig austarierend zwischen ihnen und den konventionellen demokratischen Institutionen, vorab dem Parlament. Seinen Pazifismus drückt Eisner, der jegliche Gewalt und jegliches Blutvergießen verabscheut, in seiner scharfen Ablehnung der Romantik aus, denn diese – worin er eine verfehlte nationalistische Schwärmerei wittert – ist ihm gleichbedeutend mit Weltmachtpolitik: „Romantik ist der Weltmachtswahn genauso wie die Phantasien eines Novalis am Anfang des [19.] Jahrhunderts über die Wiederherstellung der deutschen Mittelalterherrlichkeit. … Die Neuzeit wird gerade bezeichnet durch die Überwindung der brutalen Weltmachtpolitik durch das Absterben der kolonialen Herrlichkeit.“183 Der junge Felix Fechenbach (1894–1933) erschien dem Beobachter O. M. Graf als „Apostel“, wie er da im „Goldenen Anker“ ständig neben Eisner saß.184 Hermann Schueler würdigt in Fechenbach „das Idealtypische eines Vertreters der Arbeiterbewegung“185; er sei der Prototyp des „Intellektuellen der Arbeiterklasse“ gewesen.186 Er begann als Hilfsarbeiter im Arbeitersekretariat der Gewerkschaft. Ein älterer Kollege führte ihn in die marxistische Lehre ein. Sein erster – nach Auskunft der Forschung mit Sicherheit von ihm rührender – Artikel erschien 1913. Eine seiner Aufgaben im Beruf war die Organisierung der Arbeiterjugend. 1914 eingezogen, wurde er 1915 verwundet und fand Verwendung im Schreibdienst und im Münchener Traindepot; 1916 zum Unteroffizier befördert. Wegen des Besuchs einer Veranstaltung Eisners und wegen Fechenbachs Betätigung im Streik wird ein Kriegsgerichtsverfahren ge-
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gen ihn angestrengt und seine Strafversetzung nach Passau angeordnet. Zur Verhandlung in München kommt es tatsächlich in der letzten Oktoberwoche 1918 noch. Aber an dem entscheidenden Abend des 7. November, so schildert Fechenbach, sprechen drei Redner nacheinander, zuerst Eisner, dann der Bauernführer Ludwig Gandorfer, als dritter Fechenbach selber: „Dann trete ich vor in Uniform, die rote Fahne in der Hand, erinnere daran, daß die Soldaten in den Kasernen zurückgehalten werden. Und dann: ‚Soldaten! Auf in die Kasernen! Befreien wir unsere Kameraden! Es lebe die Revolution!‘“187 Fechenbach wird Mitglied im Landessoldatenrat. Sein Arbeitsplatz ist jetzt die Staatskanzlei, wo er als Sekretär des Ministerpräsidenten eng mit diesem zusammenwirkt. Er war aber nicht nur der prototypische Arbeiterintellektuelle, sondern zugleich auch der Arbeiterrevolutionär mit der tiefsten Tragik eines Beteiligten der Novemberrevolution. 1922 das Opfer eines Gerichtsverfahrens, das man bloß als terroristisch bezeichnen kann, arbeitete er nach der Entlassung (1924) u. a. als Journalist in Lippe-Detmold. 1933 „stilisierten ihn die Nationalsozialisten als ‚Novemberverbrecher‘, Juden, Sozialdemokraten und Pazifisten zu ihrem Feindbild schlechthin.“188 Bereits am 15. Januar erhielt er in Lippe Redeverbot. Dem folgte die Festnahme am 11. März. Nach einer Haftzeit steht angeblich die Überführung des Gefangenen nach Dachau bevor. Aber während des Transports ermorden ihn Beauftragte des NS-Regimes am 7. August 1933 im Lippischen.189 Hierin hat man einen Beleg für die These von Immanuel Geiss: Es „siegte 1933 im radikalen Gegenschlag die rechtsextreme Anti-Revolution“.190 Dem Opfer wurde angedeutet, daß seine Teilnahme an der Novemberrevolution und sein alter Prozeß seine Verfolgung durch die NS-Regierung bewirkten. Fechenbach selber schreibt, ihm wurde im Lippischen Gelegenheit gegeben, „dem Herrn Staatsminister vorgeführt zu werden. … Ich wurde an Eisner und an meinen Prozeß erinnert …“191 Fechenbach handelte durchaus in Eisners Tradition, wenn er der Öffentlichkeit Unterlagen zur Verfügung stellte, aus denen Deutschlands
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Schuld am Weltkrieg hervorging. Eisner beabsichtigte, dem Ausland vorzuführen, daß das Reich sich in dieser Weise von den Schuldigen distanziere. So beweise es, daß es sich einer tatsächlichen Selbstreinigung unterzog. Auf Bitten des Schweizer Journalisten Payot übergab Fechenbach192 diesem im April 1919 zwei Dokumente, ein Memorandum von Erzberger und das „Ritter-Telegramm“. Das letztgenannte datiert vom 24. Juni 1914 und stammt von dem bayerischen Gesandten im Vatikan, v. Ritter. Die Kernaussage darin lautet: „Papst billigt scharfes Vorgehen gegen Serbien …“ Es kam hinzu, daß Fechenbach einige Berichte an ein Pressebüro übermittelt hatte, die von diesem an die Auslandspresse weitergegeben worden waren und die fast ausschließlich Material über die illegalen rechtsradikalen Organisationen enthielten. Das Volksgericht München verurteilte Fechenbach wegen Landesverrats zu insgesamt elf Jahren Zuchthaus. Davon mußte er etwas über zwei Jahre verbüßen. Sofort nach seiner Verurteilung setzte von seiten demokratischer Persönlichkeiten eine Kampagne ein, die zum Ziel hatte, den Unrechtsspruch aufzuheben. An ihr beteiligten sich mit höchster Energie Fechenbachs Anwälte, Max Hirschberg und Philipp Loewenfeld, und Juristen in hohen Positionen wie Gustav Radbruch, der das Urteil im Reichstag scharf angriff (Juli 1923).193 Die „entscheidende Wende“, so hält Hirschberg fest, habe ein Aufsatz von Friedrich Kitzinger194 gebracht, der nachwies, daß ein „offensichtliches Fehlurteil“ vorliege. Fechenbachs Tun, falls überhaupt strafbar, sei nach dem Pressegesetz in sechs Monaten verjährt gewesen.
Beobachtende Interessierte Die heute Lebenden können von den Erfahrungen und Beobachtungen derjenigen Intellektuellen, die das in der Novemberrevolution Gesehene und Gehörte für sich behielten, nichts wissen. Umgekehrt im Falle der intellektuellen Zeitgenossen, die es aufzeichneten. Einige gingen unmittelbar während der Ereignisse ans Werk, andere später, vielleicht im Zusammenhang mit autobiographischen Projekten. Manche präsentierten schon der Mitwelt ihre Aufzeichnungen, vor allem in gedruckter Form,
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andere hinterließen sie der Nachwelt. Sie lassen sich grob unterteilen: in Texte aus der Revolution in der kürzeren Form von Artikeln und Briefen oder in der längeren, vorzugsweise in Tagebüchern, und in Texte von Zeitgenossen der Revolution, die das Material erst nach einer geraumen Spanne schriftlich fixierten, gern in Autobiographien oder Berichten. Wer in der Revolution agierte, ob für die Revolution und die neu entstehende Republik, ob dagegen, – daß er als Handelnder immer auch beobachtete, ist natürlich vorauszusetzen. Es gab nicht viele Menschen, die sich a priori als Beobachter einstuften, eindeutig als Zuschauer allein, und über diesen ihren Status vielleicht auch noch reflektierten wie Victor Klemperer. Und es gilt für alle beobachtenden Intellektuellen, deren Niederschriften erhalten blieben, daß in keinem Detail, was festgehalten, und in keiner Erfahrung, die registriert wurde, sich nicht ein Zug der beobachtenden Person ausdrückt. Stets läuft eine politische oder weltanschauliche Tendenz mit unter, ist eine ausgesprochene Idee dabei oder eine mitschwingende. Oder gäbe es ein interesseloses Beobachten? Allerdings muß die Tendenz nicht stets so drastisch hervortreten wie im Revolutionstagebuch von Josef Hofmiller (1872–1933). Den Zwischenruf: „Hannibal“, der einmal in München im Zentralrat ertönte, kommentiert er spießergemäß: „Beweis, wie literatenhaft die ganze Bagage ist. Schwabing!“ Am 7. April 1919: „Seit heute früh haben wir die Räterepublik nach russischem und ungarischem Muster“, wobei er die tatsächlich gravierenden Unterschiede großzügig unter den Tisch fallen läßt, und so unbekümmert geht es weiter: die Münchner Garnison ist ihm eine Ansammlung „dieser kostümierten Strolche“, er vermutet in der Räterepublik die „Bewaffnung sämtlicher Zuhälter“, behauptet, daß „die Nichtdeutschen“ unter den Revolutionären, „Russen und Juden, meistens beides, die Massen aufpeitschen“.195 Was sich in alledem ausdrückt, erweist den ubiquitären Rassismus Hofmillers, die Verachtung ihrer aller: der Literaten, Räterepublikaner, Zuhälter, Nichtdeutschen, nämlich der Russen, Juden – wobei er verschweigt, daß im Reich und in Bayern die meisten Angehörigen jüdischer Familien biedere Deutsche sind –. In hohem Maße berührt peinlich, wie Hofmiller dilettantisch mit Fachtermini aus der Psychologie hantiert, z. B.: Eisners letzte Rede sei „durch
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und durch hysterisch und verlogen“, auch wäre der Ministerpräsident „Hysteriker, mit allen körperlichen und geistigen, intellektuellen und moralischen Eigenschaften eines Hysterikers“196. Er leistet sich sogar bereits einen Vorgriff auf die Verfemung der modernen Kunst im NS, wenn er diese verdächtigt: „Die Bolschewisierung der Kunst hatte schon längst vor dem Krieg begonnen.“197 So eindeutig abweisend äußert sich Ricarda Huch nicht. Als Bewohnerin Münchens empfindet die damals bereits sehr renommierte, liberal-konservative Dichterin die bayerische Revolution als extrem unbehaglich: Die „russischen Zustände“ sind auf dem Wege, man begegnet auf den Straßen „einem kleinen Demonstrationszug …, wie man solche seit der Revolution häufig zu sehen bekommt“; darunter „böse, unmenschliche, gefahrdrohende“ Gesichter. Sie befragt sich entsetzt: „Kamen sie früher aus ihren Höhlen nicht in die eleganten Viertel?“ Naiv mißversteht die Historikerin den sozialistisch-kommunistischen Eigentumsbegriff:198 „allgemeine Besitzlosigkeit“ sei nun verlangt. In ihrem Trotz sich versteifend gegen das, was sie daher befürchtet, betritt sie einen Laden und kauft – eine goldene Uhrkette.199 Mit alledem scheinbar das perfekte Bild einer geängsteten Bürgerin. Aber gegenläufige Bemerkungen der Verfasserin zur selben Zeit stören es. Sie trägt am 4. November 1918 ein: „Alles, was jetzt untergeht, mußte zweifelsohne untergehen, und es ist gut, daß etwas Neues kommt; das hindert aber nicht, daß dies alles furchtbar schmerzlich ist.“200 Noch überraschender vielleicht: „In Deutschland haben nur mehr, wie es scheint, die Bolschewisten Kraft, Energie, Unternehmungsgeist, und wenn das so ist, gehört ihnen die Zukunft mit Recht.“201 1921 legt Ricarda Huch ihre positive Sicht der Räte dar, deren Existenz sie als eines der Charakteristika der Novemberrevolution erkennt. Sie rezensiert das Buch von Siegmund Rubinstein: „Romantischer Sozialismus“.202 Sie, die Geschichtsschreiberin der deutschen Romantik, erwählt ein neues Ideal, den „romantischen Sozialismus“, der sich in den Räten verkörpere, worin Spuren der mittelalterlichen Zünfte erhalten geblieben wären. Sie empfiehlt Rubinsteins Lehre, einen in Wahrheit grauenhaften Mischmasch aus Romantik, Sozialismus, Mittelalter, Zünf-
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ten und Räten, ohne zu erkennen, was sie da anpreist. Alles in allem zeichnet sie kein widerspruchsfreies Bild der Vorgänge, weil sie sich abwechselnd von Furcht und Vorliebe leiten ließ. Viktor Mann (1890–1949), Bruder von Heinrich und Thomas Mann, der als Berufsbezeichnung angab: „Diplomlandwirt“, ein Weltkriegssoldat, erlebt die Revolution in Bayern als Adjutant des Kommandeurs einer Ersatzabteilung. In seiner Einheit kursieren Gerüchte über „Hungerdemonstrationen“ und „Radau“ in München, doch die ernsteste Frage der Kameraden ist die nach dem nächsten Einsatzort. Wo werde der sein nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie? Jedenfalls doch wohl an der bayerisch-österreichischen Grenze? Welches wird er also sein? Salzburg, Lindau, der Scharnitzpaß (an der Isar und der Straße von Zirl nach Mittenwald)? „Es klang ja absurd, daß sich die Rückendeckung des Reiches jetzt an das Café Tomaselli und den Peterskeller am Fuß des Festungsberges verlagern sollte, aber wenn es schon so kommen mußte, war der Salzachgau wenigstens ein sympathischer Kriegsschauplatz.“203 Eine Sichtweise, die von den Bewohnern der Region sicher kaum geteilt worden wäre! Aber der Adjutant erhält von der OHL den Befehl, eine frisch eintreffende Division, genannt „die eiserne“, anzuweisen, den „Marsch nach München“ anzutreten, um „die dort ausgebrochene Rebellion niederzuschlagen“.204 Durch den Bruder Thomas läßt Viktor sich über die Situation in München informieren, vor allem aus Sorge um seine junge Frau und seine Geschwister. Ergebnis: „Von dieser Revolution – das fühlte ich – konnte ihnen keinerlei Gefahr drohen.“205 Der Eingriff der „eisernen Division“ bewirkte nichts mehr, da sie „zerschmolz wie Schnee an der Sonne“; der entthronte König, Ludwig III., entband sein Militär von dem Treueid und verpflichtete es, sich der neuen Regierung zur Verfügung zu stellen.206 Viktors Neffe, der Sohn Klaus (1906–1949) von Thomas Mann, führte während der Revolution als elfjähriger Schüler ein Tagebuch, räumt in der Autobiographie jedoch ein, daß „die kleinen privaten Interessen“ ihm „eine direktere, vitalere Anteilnahme“ abnötigten. Immerhin, er läßt sich hinreißen, sich an einem Drama zu versuchen: „Bayerns Revolution“, worin der Schriftsteller Wilhelm Herzog, Mühsam und Eisner
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auftreten. Während in der Schule, in seiner Klasse bei der Nachricht von Eisners Ermordung Jubel ausbricht, erschüttert den Tagebuchschreiber diese, und noch mehr die Erschießung Levinés.207 Zeitgenössische Akademiker, die ihre Eindrücke einem während der Vorgänge entstehenden Revolutionstagebuch oder einer späteren Autobiographie anvertrauten, wie – auch in München – der Philologe Victor Klemperer (1881–1960) und der Historiker Karl Alexander von Müller (1882–1964), gestanden ihre Parteilichkeit freimütig ein. Klemperer, im November 1918: „Der Revolution oder mindestens der Revolution in einem so fatalen Augenblick habe ich geringe Sympathie entgegengebracht, und jetzt, wo man sich um die Errichtung einer wahren Demokratie bemüht, ist mir Spartakus tausendmal verhaßter, als mir zu Wilhelms Zeit die Rechte und die Offiziere waren.“208 Mit der Abneigung gegen Spartakus eine Antipathie in bezug auf das Gesamtereignis Revolution begründen, wäre das methodologisch korrekt? Daraufhin in positiver Wendung: „Wo lagen meine Sympathien? Am ehesten noch nach wie vor bei den Akademikern.“ 209 Das allerdings ist eine wenig überzeugende Auskunft, oder es müßte ganz allgemein in der Akademikerschaft und selbst unter den Lehrkräften einer einzelnen Hochschule eine einhellige Einstellung zu den Problemen des Zeitalters geben. Das veranschaulicht der Verfasser selber, wenn er berichtet, wie er mit einem Kollegen disputierte, einem Mitglied vom linken Flügel des Zentrums. Die beiden erörtern, daß die Münchener Universität nun mit Epp einen förmlichen Bund schließt, und die Frage des Kollegen, wem man eigentlich diene, wenn man bei Epp diene, beantwortet Klemperer: „Jedenfalls dem kleinsten Übel.“210 Vor dieser horrenden Einschätzung bewahrt den Akademiker nicht einmal sein Liberalismus, zu welchem er sich doch in seinem Buche emphatisch bekennt.211 Immerhin heißt Eisner ihm: „dieser umjubelte Mann, dem niemand den reinen Willen absprechen konnte“.212 Das Attentat verurteilt Klemperer: „Aber eine erbitterndere Sinnlosigkeit als der Mord an Eisner ist selbst in diesen letzten Monaten kaum jemals begangen worden.“213 K. A. v. Müller läßt seine Parteilichkeit bereits in der Wortwahl erkennen, wenn „der stille alte
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Adelspalast Montgelas‘ und Hohenlohes am Promenadeplatz“ während der Revolution zu schildern ist: „Im Toreingang … lungerte jetzt sanskülottisches Matrosengesindel mit seinen Weibern … Schnapsflaschen machten die Runde, Betten und Strohsäcke lagen umher wie in einem Hafenbordell.“214 Der Umsturz hält ihn nicht davon ab, seinen beruflichen Pflichten zu genügen: zum Zwecke, „ein allgemeines Chaos hintanzuhalten“:215 Gleich fünf Tage nach der Revolution in Bayern läßt er sich in dem neu gegründeten „Beamtenverein“ „für unseren gesamten Bereich“ als „Vertrauensmann“ wählen.216 Schon vier Wochen nach dem Umsturz macht ihn nach einem seiner Vorträge jemand auf einen auffällig unangepaßten Hörer aufmerksam, den man ihm als „Hitler vom List-Regiment“ bezeichnet. Damit also begegnet er erstmalig „dem blutigen Schicksalsmann …, der bald ein ganzes Volk … in einen Zusammenbruch reißen sollte ….“217 Zwei kompetente Beobachter, vor allem auch der Tätigkeit der Gerichte, die sich anschickten, nach der Niederschlagung der Räterepublik Bayern die juristische Sühnung von Morden und anderen Greueltaten in Angriff zu nehmen, waren die Münchener Juristen Philipp Loewenfeld (1887–1963) und Max Hirschberg (1883–1964). Sie erkannten, daß der überwiegende Teil der deutschen Justiz die Forderungen der Verfassung verletzte und kraß gegen die Republik von Weimar arbeitete. Hirschberg ließ sich durch seine Beobachtungen bewegen, seine berufliche Einstellung zu ändern. „Diese Orgie von Brutalität, Mordgier und Ungerechtigkeit rief in mir eine entscheidende Wendung hervor. Ich fühlte, wohin ich gehörte, ohne noch eine klare Position erreicht zu haben. Ich beschloß, mich den verhafteten und angeklagten Arbeitern und Revolutionären als Verteidiger zur Verfügung zu stellen.“218 Der Fechenbachprozeß, so notiert er, eröffnete „die lange Reihe von Strafverfahren wegen Landesverrats gegen Journalisten, die im Interesse des Friedens und der Weimarer Republik die Aufdeckung dieser illegalen verfassungswidrigen Organisationen und der geheimen Aufrüstung unternahmen. Der Zweck dieser Strafverfahren, die pazifistischen und linksstehenden Journalisten mundtot zu machen und die faschistischen Organisationen zu schützen, die sich den Sturz der Reichsregierung und die Beseitigung der
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geltenden Verfassung zum Ziele gesetzt hatten, war damit erreicht. Damit übernahm die politische Justiz den Schutz der Todfeinde der geltenden demokratischen Verfassung.“219 Die zahlreichen justizförmigen Morde an angeklagten Arbeitern und Revolutionären in der Ära nach der Revolution qualifizierte Hirschbergs Sozius Loewenfeld: „Niederträchtig wie die Taten selbst“. Vor allem verwarf er „dieselbe rein anarchistische Theorie, die jedes Verbrechen von Militärpersonen von jeder gesetzlichen Verantwortung freistellte …“220 Die Unrechtsjustiz der Weimarzeit und beginnenden NS-Ära habe schließlich in Carl Schmitt (1888–1985) gegipfelt, einem Juristen, der nicht zögerte, als Rechtfertiger „alles Hitler’schen Rechts- und Verfassungsbruches“ aufzutreten und sich „vom Beginn der Hitlerkonjunktur an vor wildem Antisemitismus“ „überschlug“.221
Künstlertum und Revolution Ein Teil der deutschen Künstler schwenkte beim Beginn der Revolution sofort zu dieser ab. So veröffentlichte etwa das Präsidium der Deutschen Bühnen=Genossenschaft schon am 15. November 18 einen Aufruf: Die Revolution und das Theater. Er beginnt: „Bühnenangehörige! Der Geist einer neuen Zeit ist da! Die Willkürherrschaft veralteter Tradition ist dahingesunken; das Evangelium der Menschheit tritt in seine Rechte und an Stelle der Gewalt Vernunft und Recht.“ Weiter heißt es: „Laßt uns den freiheitlichen Geist der neuen Zeit mit Freuden für unsern Stand und Beruf begrüßen und laßt uns mitarbeiten an der Vermenschlichung aller Ideale und an der Verwirklichung dessen, was unsere großen Geistesheroen gedacht und verkündet haben.“222 Das mag sich aus der Sicht späterer Jahrzehnte allzu pathetisch ausnehmen, und selbst damals mögen literarisch Versierte es entsprechend kritisiert haben, die Antithese von großen „Geistesheroen“ der Humanitätsklassik hier, obsoleter Gewaltherrschaft da als arge Vereinfachung. In bürgerlichen Kreisen wollte man wissen, daß bedeutende Teile des Künstlertums unbedingt mit der Revolution sympathisierten, und es
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wurde ein allgemeines Zusammengehen beider, der Kunstschaffenden und der Revolution, geargwöhnt. Das führte dazu, daß wilde Gerüchte aufkamen sowie exotische Phantasien kursierten. Eine Schauspielerin, die während der Räterepublik in München weilte, Tilla Durieux (1880– 1971, im 2. Weltkrieg zu den Tito-Partisanen geflüchtet), schreibt in ihren Memoiren: „… in einer der großen Zeitungen wollte man mich sogar in Dachau auf einem Schimmel mit einer roten Fahne den Soldaten voraussehend gesehen haben.“ Die Mimin selber dementiert: „Abgesehen davon, daß ich seit Jahren nicht in Dachau war und daß mein Gesundheitszustand mir keinen Schimmel erlaubt hätte, konnte man meine Aktivität in der Räterepublik nicht als erheblich bezeichnen.“ Immerhin, einem Flüchtling in seiner Not leiht sie ihre Unterstützung, und während der Revolutionsmonate hat sie Kontakt mit den wichtigsten Akteuren in München; sie habe „Toller zur Flucht Geld gegeben; das letztere konnte zudem niemandem bekannt sein. Eisner, Landauer und auch Toller hatten wohl manche politische Gespräche mit mir gehabt, aber um Rat fragte mich keiner, und ich hätte auch keinen zu geben gewußt.“223 Die Tänzerin Valeska Gert (1892–1978, während der NS-Ära im Exil) ist beim Beginn der Revolution 26 Jahre alt. Sie lebt in Berlin. Das politische Ereignis packt sie sehr. Sie sieht Matrosen und Soldaten in offenen Lastwagen durch die Straßen fahren, in den Händen rote Fahnen. „Mir ging der Anblick wie Feuer durch das Blut. Das ist die Revolution! Die alte Welt ist morsch. Ich will helfen, sie zu zerstören.“224 Für sie war die Revolution, dies Unerhörte, auch das Inspirierende. Sie schuf ihren Tanz bewußt als Parallele zur Revolution, machte selber eine Revolution, eine künstlerische, tänzerische, mit der sie berühmt wurde, als Entsprechung der politischen. Dennoch hätte das Gros der Kunstschaffenden für sich geltend machen können, was der Maler Heinrich Vogeler (1872–1942, gestorben im sowjetischen Exil) in bezug auf sich sowie auf den befreundeten Bildhauer Bernhard Hoetger (1874–1949) und die deutsche Künstlerschaft der Kaiserzeit angab: „Beide waren wir, wie die meisten Künstler, politische Analphabeten, die die treibenden Kräfte im gesellschaftlichen Leben der Menschen nicht erkannten.“225 War das politische Analphabe-
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tentum Kunstschaffender zumindest bis zur Mitte des Weltkriegs die Regel gewesen, so änderte sich dies seit ungefähr 1916 jedoch, als eine erhebliche Anzahl von ihnen dazu überging, sich wenigstens Grundkenntnisse der Politik zu verschaffen, auf diesem Wege sich selber allmählich politisierend. Stimulans war der Krieg, seine Dauer und der Mißerfolg der deutschen Waffen. Vogeler liest französische Autoren, Proudhon und Fourier.226 Andere verhalten sich chamäleonartig, wie es Vogeler an dem Kollegen Hoetger wahrnehmen muß: „Er konnte reformierend, sozialdemokratisch, revolutionär-kommunistisch, demokratisch, feudal und faschistisch denken, so wie seine Kunst sich allen jeweiligen Richtungen anpaßte.“227 Die Grundkenntnisse sind das eine. Das andere die Kunstschöpfungen. Einige der bedeutendsten bildenden Künstler der Epoche lassen sich von der Revolution inspirieren, versuchen mit ihren Werken Beiträge zur Festigung der neuen Republik zu leisten. Manchmal drückt ein Künstler seine Parteilichkeit mit nur einem kleinen Teil seines Œuvres aus, vielleicht sogar nur mit einem einzigen Werk. Louis Corinth (1858– 1925) erweist seine mitempfindende Parteilichkeit, als er um 1920 nach der Totenmaske seine Zeichnung Karl Liebknechts anfertigt.228 George Grosz (1893–1959) definiert seine Kunst militant als Waffe im Freiheitskampf: „Meine Kunst sollte Gewehr sein und Säbel; die Zeichenfedern erklärte ich für leere Strohhalme, solange sie nicht am Kampf für die Freiheit teilnähmen.“229 Vor Gericht verteidigt er sich in einem von mehreren Prozessen, die ihm die Justiz anno Weimar wegen seiner Zeichnungen anhängt, er habe da „eine bestimmte Mission“, – seiner eigenen Zeichenfeder, die kein leerer Strohhalm sein sollte, schrieb er die Funktion der „Zuchtrute“ zu.230 Wen wollte er züchtigen? Die Verantwortlichen für die Mißstände, die verhinderten, aus der Weimarer Republik eine Bastion der Demokratie zu machen. In seinem Atelier besucht ihn am 16. März 1919 Graf Kessler. Dieser notiert: „Er bekennt sich jetzt als Spartakist. Auch Gewalt sei nötig, um die Idee durchzusetzen; denn anders könne man die Trägheit des Bourgeois nicht überwinden. Ich widersprach, weil jede Idee durch Verbrüderung mit der Gewalt entwertet werde.“231 Die größte bildende Künstlerin der Zeit ist Käthe Koll-
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witz (1867–1945). Aus Empörung greift sie einmal auch zur Polemik. Am 22. Oktober 1918 veröffentlicht der Lyriker Richard Dehmel (1863–1920) einen Aufruf zur Levée en masse, womit er die Absicht verbindet, selber noch einmal wieder an die Front zu gehen. Weigere sich die deutsche „Mannschaft“ – er meint: die Gesamtzahl der Männer in Deutschland –, zur letzten Schlacht ins Feld zu ziehen, dann stehe fest, daß sie „lieber ein würdeloses Leben als einen würdigen Tod erwählt“. Käthe Kollwitz veröffentlicht daraufhin am 30. Oktober ihre Antwort An Richard Dehmel. Sie sieht die Zukunft des Reichs woanders als gerade auf dem Schlachtfeld: „Seine Ehre soll Deutschland daran setzen, das harte Geschick sich dienstbar zu machen, innere Kraft aus der Niederlage zu ziehen, entschlossen der ungeheuren Arbeit, die vor ihm liegt, sich zuzuwenden. … Es ist genug gestorben! Keiner darf mehr fallen!“232 Am 9. November 1918 spaziert sie durch den Tiergarten zum Brandenburger Tor, weiter zum Reichstag. Sie beobachtet die Ausrufung der Republik durch Scheidemann, hört einen jungen Offizier, der ruft: „Hoch das freie Deutschland!“ Sie hält fest: „Dann nach den Linden zurück. Das Lastauto gedrängt voll mit Matrosen und Soldaten. Rote Fahnen.“ Und Vorgänge symbolischen Charakters: „Hinter dem Brandenburger Tor sah ich, wie die Wache abtrat. … Soldaten sah ich, die ihre Kokarden abrissen und lachend auf die Erde warfen.“233 Aufmerksam registriert sie am 24. Dezember den Kampf um das Schloß und den Marstall. Detailliert beschreibt sie den Januaraufstand. Am 16. heißt es: „Niederträchtiger empörender Mord an Liebknecht und Luxemburg.“234 Sie entwirft ihr „Gedenkblatt“ für den toten Liebknecht. Stellt am 1. Januar 1920 eine Liste der Toten des Vorjahrs auf, worin sie außer Liebknechts und Luxemburgs Namen noch die von Eisner, Landauer und Haase (17. 11. 1919 ermordet) aufnimmt. Sie kontrastiert die Gerichtsverfahren gegen die Mörder, die für diese meist glimpflich ausgehen oder die man entfliehen läßt, und „die Prozesse[,] die gegen Unabhängige und Kommunisten geführt werden“ und gewöhnlich mit härtesten Urteilen enden.235 So nimmt sie Stellung gegen die erzkonservative Justiz. Von allen deutschen bildenden Künstlern ist es Vogeler, der sich mit größter Leidenschaft in die revolutionären Vorgänge einmischt und in
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das politische Leben der Weimarzeit. Wilhelm Kaisen verbucht die Aktivitäten des Malers und Gleichgesinnter unter dem Stichwort „merkwürdige Verirrungen“, nämlich Vogelers und der Worpsweder Kommunisten.236 Im Vorfeld der Revolution sucht Vogeler den führenden sozialistischen Politiker der „Linksradikalen“ in Bremen auf, Johann Knief, den er in einer Druckerei an der Druckmaschine stehend vorfindet. Wenige Tage vor dem 9. November 1918 ist Vogeler abermals in Bremen, um sich ein Bild der Situation zu machen. Sofort schließt er sich einer Gruppe bewaffneter Matrosen an, um mit diesen zur Infanteriekaserne zu marschieren. Hier gibt es Verhandlungen zwischen dem Garnisonskommando und den Vertretern der Arbeiter und Soldaten. Das Ergebnis ist: Die militärische Gewalt wird fortan von dem Garnisonsältesten, Oberst Lehmann, im Verein mit dem Soldatenrat ausgeübt. Am 8. November findet auf Vogelers Anwesen, dem Barkenhoff, eine Versammlung von Kleinbauern und Handwerkern statt, die ihn in den Arbeiter- und Soldatenrat der Gemeinde wählen. Am 12. November hält Vogeler sich in der Kreisstadt Osterholz auf. Mit 19 anderen Personen bildet er den dortigen Arbeiter- und Soldatenrat. Im weiteren Verlauf übernimmt er praktische Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit. So berichtet er: „Im Dorf mußte Kleinarbeit geleistet werden, in erster Linie Kontrolle unterschlagener Lebensmittel.“237 Doch durchlebt er zugleich eine Zeit theoretischen Lernens. Er spricht in Versammlungen. Schreibt Broschüren. Der Tod Kniefs, des Kampfgefährten, am 6. April 1919 erschüttert ihn zutiefst. Er geht mit in dem Trauerzug zur Beisetzung des Arbeiterführers. Im Gespräch mit dem Bremer Großkaufmann Ludwig Roselius legt er seine politische Einstellung offen: „Ich bin davon überzeugt, daß die zum Bewußtsein erwachte Arbeiterschaft uns einer großen freiheitlichen und schöpferischen Zeit entgegenführen wird.“238 Damit steht er in der Nähe der KPD, obwohl er sich in der Revolution durchaus nicht zum Marxismus bekennt. Im Oktober 1918 entsteht seine Schrift: Expressionismus der Liebe. Sein Sozialismuskonzept baut auf der Ethik auf, ist ethischer Sozialismus – wie Kurt Eisners Konzeption –. Er lehnt ab: Krieg und Klassenhaß. Dem Gesprächspartner versichert er: „Kann sich
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der Sozialismus jetzt nicht auf ganz breite menschliche Basis stellen: ethisch, so fallen wir wieder zurück und müssen mit demselben Schwindel von 1914 anknüpfen; dann, wehe, werden wir von Revolution zu Revolution fallen. Ich … verdamme jede Macht, die auf der Spitze der Bajonette ruht, und weiß, daß eine Weltanschauung(,) die sich auf Haß und Klassenhaß aufbaut, zum inneren Krieg führt … Ganz recht, die russischen Verhältnisse können nicht einfach von uns übernommen werden.“239 Er nennt seine Variante des Sozialismus dennoch auch „Kommunismus“ und erläutert: „Daß Kommunismus der Weg zur stärksten Ausbildung der individuellsten Lebensform ist – das ist die zukunftsfreudige Erkenntnis unseres Weges.“ Diese überschwengliche Aussage nimmt ihm der bremische Großkaufmann nicht ab, einwendend: der Maler belüge sich selbst, „denn Sie sind in Ihrer intensiven Kraftentfaltung und in Ihrem reinen Aktivismus die stärkste Verneinung des Kommunismus.“240 Eine nachdenkliche spätere Leserschaft wird kaum zweifeln, wer hier Recht hatte, der Künstler oder der Bürger? Der Barkenhoff in Worpswede war „in dem Wirrwarr der Jahre 1920/21 ein Stützpunkt für die Bremer Arbeiterschaft“, berichtet der Schriftsteller Friedrich Wolf (1888–1953), der „als Siedler und Torfarbeiter“ damals zeitweilig auf dem Anwesen Vogelers lebte. Demnächst sollte er als bedeutender sozialistischer Dramatiker neben Bertolt Brecht Erfolg haben. Er hatte zuerst ein Studium der Malerei in München begonnen, wechselte dann zur Medizin über und wirkte im Krieg als Truppen-, nach dem Krieg noch als Lazarettarzt. Im November Mitglied der „Sozialistischen Gruppe der Geistesarbeiter“ in Dresden, versteht er unter Sozialismus vorrangig die geistige Erneuerung. Am 10. des Monats wird er in den zentralen Arbeiter- und Soldatenrat Sachsen gewählt. 1920 stellt ihn Remscheid als Stadtarzt ein. Mitglied der USPD, spricht er während des Kapp-Putsches auf einer großen Versammlung aller drei Arbeiterparteien. Bei der Besetzung Remscheids durch das Freikorps Lützow fällt er in die Hände der Weißen, kommt aber schnell wieder frei. Es gelingt der aus Arbeitern gebildeten Roten Ruhr-Armee, die Freikorps Lützow und Lichtschlag aufzureiben. Die bürgerliche Presse verleiht Wolf den Namen „der Rote General“.241
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Schwenkte beim Beginn der Novemberrevolution ein Teil der Künstlerschaft, darunter auch eine Reihe von Schriftstellern, sofort zu ihr ab, so votierten andere für die Gegenrevolution. Für diese betätigt sich zunächst auch der junge Peter Martin Lampel (1894–1965), dem es in der Weimarzeit ebenfalls gelingen wird, als Dramatiker zu reüssieren (u. a.: Revolte im Erziehungshaus, 1928). Er zog 1914 als Kriegsfreiwilliger ins Feld, wurde Fliegeroffizier, in der Revolution Freikorpskämpfer, danach Offizier bei der Schutzpolizei in Thüringen. 1920 begann er ein Studium der Philosophie, der Staats- und Rechtswissenschaft in Breslau. Das NSRegime verbietet seine Schriften 1933. Der Autor emigriert über drei Kontinente hinweg in die USA. Einem Mitkämpfer in der Revolution rettet das Faktum, daß er sich zunächst auf die Seite der Gegenrevolution geschlagen hatte, um dann die Seite zu wechseln, nach der Niederschlagung der bayerischen Räterepublik das Leben: Gustav Regler (1898–1963242). Er studierte, promovierte zum Dr. phil., wirkte als Lehrer, sodann als Journalist – am „Berliner Tageblatt“ –. Er ist im Mai 1919 in München bereits von den Weißen gefangen genommen worden, was gemeinhin Todesurteil und Erschießung bedeutet. Aber der kommandierende Offizier findet in Reglers Brieftasche eine Bescheinigung, worauf er den Text liest: „Zugführer Regler hat vom Dezember 1918 bis Januar 1919 treu der Republik gegen die bolschewistischen Horden gedient.“243 Der Offizier entschuldigt sich, Regler ist in Gnaden entlassen. Der berühmteste deutsche Autor des Zeitalters, Gerhart Hauptmann (1862–1946), nahm für keine der beiden Seiten Partei, weder für die Revolution noch für ihre Gegner. In seinen Schriften der Ära findet sich „kein Ansatz, die Revolution als Beginn einer neuen Epoche zu verstehen“.244 Daher konnte er sich auch nicht zugunsten der Revolution aussprechen: „Nicht Revolutionen bringen die Fortschritte, aber eine immerwährende, wie das Leben selber gegenwärtige, stille Reformation.“245 Den Ruhm seiner Anfangszeit hatte er während des Kriegs durch Lieferung von Propagandatexten erheblich beschädigt: „Im traurigsten Kapitel seiner Lyrik schrieb er in den ersten Monaten des Kriegs Verse wie: ‚… / Eh ich nicht durchlöchert bin, / Kann der Feldzug nicht geraten.‘“246
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Das bildete jedoch kein Hindernis dafür, daß er in der Weimarer Republik zu ihrem repräsentativen Autor aufstieg. Eine Anzahl von Schriftstellern spricht sich energisch für die Revolution aus, hält aber mit ihrer Kritik an bestimmten Aktionen und Perspektiven nicht zurück. Von ihnen betätigt sich ein Anteil während der Revolution in den revolutionären Organen, die in den Ereignissen entstanden. Darunter der prominenteste war Heinrich Mann (1871–1950, seit 1933 im Exil, zuletzt in den USA). 1918 sympathisiert er mit dem Ministerpräsidenten Eisner. Nach dessen Ermordung hält er ihm am 16. März eine Gedenkrede. Am 13. November hatte er in München den Vorsitz des Politischen Rates geistiger Arbeiter übernommen. Seine Zustimmung zu der Revolution kleidete er in die Formel: „Wir sind deutsch, demokratisch und europäisch.“247 Im Gegensatz zur Mehrzahl seiner bürgerlichen Schriftstellerkollegen verfügt er über eine komplexe Theorie des Zeitalters. Zwar essayistisch entworfen, aber in ihren Grundzügen konsistent, gestattet sie ihm, die Ereignisse gedanklich einzuordnen. Die Vorkriegszeit in Deutschland „unterstand dem junkerlichen Bürger. Seine übermächtige Geistesart prägte auch den sozialistischen Nachwuchs.“ Die Klassenkämpfe hätten das Reich nur „an der Oberfläche“ berührt, darunter war Einigkeit – hier vernachlässigt er den Widerstand entschlossener Sozialdemokraten und bürgerlicher Gesellschaftskritiker –. Als „höchste Aufgabe und Pflicht“ erschien allen Deutschen: „reicher werden, härter werden, Weltmacht sein“.248 Im „wirtschaftlichen Militarismus“ sieht Mann „die Seele der Epoche“:249 „Gewaltanbetung … Was die Welt erblickte, war ein Herrenvolk aus Untertanen.“250 „Sie kommen auf einmal aus allen Verlegenheiten und kürzen durch einen Krieg, selbst wenn er verlustreich wäre, immer noch um ein Menschenalter den Weg ab, der sie zur vollendeten Weltherrschaft führt.“ Es war ein deutscher Angriffskrieg: „Der Glaube an den schnellen Sieg, der nur ein deutscher Glaube war, setzt eine Vorbereitung nicht auf den Krieg nur, auch auf den Angriff voraus.“251 Einstmals werde kein Zweifel mehr sein, „die Rede so selbstverständlich von dem Welteroberungskrieg Deutschlands gehen …, wie von dem des ersten Napoleon“.252
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In einer Ansprache vom Dezember 1919 wendet er sich gegen eine sozialistische Diktatur: „Diktatur selbst der am weitesten Vorgeschrittenen bleibt Diktatur und endet in Katastrophen.“ Alles solle mitwirken, „daß die sittlichen Gesetze der befreiten Welt in die deutsche Politik eingeführt werden und sie bestimmen“.253 Dem ermordeten Eisner rühmte er nach, er habe die Einsicht besessen, „wie furchtbar gerade dieses Volk von seinen alten Machthabern überanstrengt worden war im Blutdienst eines Staats- und Machtwahnes, dem Menschen nichts galten. Fortan sollte Schonung walten, Versöhnung, Brüderlichkeit.“ Und daher: „… kein Krieg nach dem Kriege, kein Bürgerkrieg!“254 Er ist sich dessen gewiß, eine „wahre und reine Demokratie wird heranwachsen“255, registriert aber auch, daß die „Lügen des Kaiserreichs … übernommen“ werden; „die regierenden Sozialdemokraten schon wieder Gefangene des Militärs sind“ und „Revolutionäre unter Qualen getötet werden …, indessen den schlimmsten Kriegsfurien niemand ein Haar krümmt.“256 Die Vorzüge des Rätesystems leuchten ihm ein, und zwar möchte er es auch als Instrument der Kommunismusabwehr verstehen: „…. ja, gerade ein Rätesystem, sofern es alle irgend Arbeitenden umschlösse, würde, indem es sie von Grund auf politisierte, jedem vernunftwidrigen Äußersten, ob Imperialismus oder Kommunismus, den Zugang sperren.“257 Ungeachtet des klaren Blicks dieses Autors auf die deutsche Geschichte und seine eigene Zeit, – die Prognose, die er der neuen Republik 1919 stellte, erwies sich in den knapp anderthalb Jahrzehnten danach als irrig: „Eine wahre und reine Demokratie wird heranwachsen trotz unserer tiefen Not …“258 Der jüngere Bruder, Thomas Mann (1875–1955, seit 1933 im Exil), zeigte sich während des Kriegs und in der Revolutionsperiode durchweg als konservativer Ultra. In den Betrachtungen eines Unpolitischen offenbart er angeekelt seine Ablehnung des Friedensgedankens: „Vielleicht war ich nicht Pazifist gewesen, nein, das nicht.“259 Am 5. Oktober 1918 trägt er im Tagebuch ein, daß seine Grundeinsicht darauf hinauslaufe, „die Trennung des geistigen und nationalen Lebens vom politischen“ einzufordern. „Die Tendenz meiner Betrachtungen richtet sich gegen die Verquickung beider Gebiete, gegen die ‚Politisierung‘ Deutschlands im
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Sinne der absoluten, auch geistigen Herrschaft des siegreichen demokratisch-civilisationellen Prinzips in Deutschland.“260 Er fürchtet vor allem die „feindliche Presse, grauenerregend, die losgelassene Bestie der Demokratie“.261 Seine Verwerfung der Revolution kommt keinesfalls ohne Rassismus aus: „Bei uns ist Mitregent ein schmieriger Literaturschieber wie Herzog. der sich durch Jahre von einer Kino-Diva aushalten ließ, ein Geldmacher und Geschäftsmann im Geist, von der großstädtischen Scheißeleganz des Judenbengels, der nur in der Odeonbar zu Mittag aß, aber Ceconi’s Rechnungen für die teilweise Ausbesserung seines Kloakengebisses nicht bezahlte. Das ist die Revolution!“262 Und das ist abermals ein Beispiel für die Methodik, einen Einzelfall zu benutzen, um zu einem Gesamturteil über die Revolution zu gelangen. Was steckte in Wahrheit hinter Manns Schmähung? – Wohl die Tatsache, daß Wilhelm Herzog (1884–1960) zur Zeit des Kriegsbeginns eine Zeitschrift ediert hatte, die sehr entschieden den Pazifismus vertrat: „Das Forum“, die 1915 von den Behörden verboten worden war. Während der Revolution in Bayern übernimmt Herzog die Leitung des Presse- und Propagandabüros des Arbeiter- und Soldatenrats.263 Obgleich Thomas Mann die Umwälzung grundsätzlich ablehnt, schwankt er dennoch, ob er diese nicht unter bestimmten Aspekten tolerieren solle: „Revolutionen kommen erst, wenn sie gar keinen Widerstand mehr finden (auch bei dieser war es so) und eben dies Fehlen beweist, daß sie natürlich und berechtigt sind.“264 Dann wieder erfüllt ihn Angst, befallen ihn „Vorstellungen von Revolutionstribunal und Hinrichtung“: „Kommt es extrem, so ist es nicht unmöglich, daß ich infolge meines Verhaltens im Kriege erschossen werde.“265 Am meisten ängstigt ihn offensichtlich die Möglichkeit „einer proletarischen Klassendiktatur in Deutschland.“266 Doch irritiertes Schwanken selbst hier: „Aber mein Haß auf den triumphierenden Rhetor-Bourgeois muß mich eigentlich die Bolschewisierung Deutschlands und seinen Anschluß an Rußland wünschen lassen.“267 „Ich bin imstande, auf die Straße zu laufen und zu schreien: ‚Nieder mit der westlichen Lügendemokratie! Hoch Deutschland und Rußland! Hoch der Kommunismus!‘“268 Wiederum anders wenige Wochen später. Am 17. April bekennt er seine Unsicherheit, dazu
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doch sehr präzis wiederum sein Verlangen: „Mein Verhalten zu den Dingen sehr unsicher, doch gehen meine Privatwünsche auf den Einzug der ‚Weißen‘ und Herstellung der bürgerl(ichen) Ordnung.“269 Am 5. Mai 1919 verschweigt er nicht seine Sympathie für die Militärdiktatur – zu gerade dem Zeitpunkt, als sie in München am verheerendsten mit Mord und Terror haust –: „K(atia)‘s Mutter geht es aber schon wieder zu ‚militaristisch‘ zu, aber ich bin voller Einverständnis und finde, daß es sich unter der Militärdiktatur bedeutend freier atmet, als unter der Herrschaft der Crapule.“ (‚Des Lumpenpacks.‘)270 Insgesamt erweisen Thomas Manns Tagebuchaufzeichnungen aus der Revolutionszeit die Unzuverlässigkeit seiner Analysen der Situation und die Veränderlichkeit der flinken Verteilung seiner Sympathien und Antipathien, beides zu erklären aus dem Fehlen einer Theorie des Zeitalters. In seinem Erinnerungsbuch Wir sind Gefangene berichtet Oskar Maria Graf (1894–1967, seit 1933 auf der Flucht über Österreich, Sowjetunion und Tschechoslowakei in die USA) aus der Spanne vom 11. bis zu seinem 25. Lebensjahr.271 Graf sucht in München früh Anschluß an die Anarchisten, obschon ein wohlmeinender Polizist sich bemüht, ihn davon abzuhalten. Er schließt Bekanntschaft mit Erich Mühsam und übernimmt es, die Zeitschrift „Sozialist“ unter die Leute zu bringen. Später lernt er Eisner kennen, und er besucht „fast allwöchentlich die Diskussionsabende der Unabhängigen … Ich dachte nicht mehr daran, eine Arbeit anzunehmen. Ich wartete gleichsam jeden Tag auf die Revolution und schrieb Gedichte auf sie.“272 Graf erlebt die Ausrufung der Republik auf der Theresienwiese, sieht die Hauptakteure: Eisner, Fechenbach und Gandorfer, er hört von der Wahl des Arbeiter- und Soldatenrats, erfährt am nächsten Tag von der Bildung der provisorischen Regierung des „Volksstaats“. Selber gibt er sich zeitweilig dem Trieb purer Müßigkeit und nichtssagenden Wohllebens hin: „Ereignisse, Gegenwart, Zukunft, Politik, Massen, Revolution waren aus meinem Gedächtnis gewischt, nur die Minute galt noch.“ „Abends manchmal fuhren wir in die Stadt, soupierten in der ‚Bonbonniere‘ oder im ‚Simplizissimus‘, ein Rudel Lebeweiber und Männer, Maler, Dichter und Künstler speisten mit, Marietta rezitierte unablässig
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Gedichte von Lichtenstein und van Hoddis und ließ sich bewundern.“273 Es kommen nacheinander die zwei Räterepubliken in Bayern. Während die Konterrevolution ihre Truppen gegen sie in Marsch setzt, zieht durch Grafs Kopf immerfort der eine Ausdruck: „Die Schlachtbank, die Schlachtbank“, und er bezeugt: „Mit nie wieder erlebtem Mut verteidigten sich die Arbeiter.“274 Bei der Niederwerfung der Räterepublik wird auch Graf verhaftet. Während auf dem Hof des Gefängnisses die Erschießungen vorgenommen werden, stimmt er in seiner Zelle mit einigen anderen Häftlingen die Marseillaise an.275 Einige Künstler mischten sich während der Revolution in die Vorgänge eher sporadisch ein oder temporär, so daß ihre Namen in den Berichten immer einmal erscheinen, doch eher beiläufig. Am 7. November 1918 berichtet Rilke brieflich von einer Volksversammlung: „… der Dunst aus Bier und Rauch und Volk ging einem nicht unbequem ein, man gewahrte ihn kaum, so wichtig war’s und so über alles gegenwärtig klar, daß die Dinge gesagt werden konnten, die endlich an der Reihe sind, und daß die einfachsten und gültigsten von diesen Dingen, soweit sie einigermaßen aufnehmlich gegeben waren, von der ungeheueren Menge mit einem schweren massiven Beifall begriffen wurden.“276 Graf äußert über Rilkes Verhalten während der Revolution: „Dennoch hat dieser scheinbar ganz unpolitische, abseits stehende Mensch von der Revolution in Deutschland sehr viel erhofft. Er schätzte, was wenig bekannt ist, Kurt Eisner sehr und leitete manche Anregung, manchen besänftigenden Rat durch Mittelsleute an ihn und Toller.“277 In einem seiner Briefe an eine junge Frau zieht Rilke 1923 ein Resümee aus der Revolution, in seiner Sicht einer verpaßten Chance: „Deutschland hätte, im Jahre 1918, im Moment des Zusammenbruchs, alle, die Welt, beschämen und erschüttern können durch einen Akt tiefer Wahrhaftigkeit und Umkehr. Durch einen sichtlichen, entschlossenen Verzicht auf seine falsch entwickelte Prosperität … es hat sich nicht vom Grunde aus erneuert und umbesonnen, es hat sich nicht jene Würde geschaffen, die die innerste Demut zur Wurzel hat, es war nur auf Rettung bedacht in einem oberflächlichen, raschen, mißtrauischen und gewinnsüchtigen Sinn, es wollte leisten und hoch- und davonkommen … Es
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wollte beharren, statt sich zu ändern. Und so fühlt man nun: … etwas ist ausgeblieben.“278
Auf Seiten der Konterrevolution Hermann Sudermann (1857–1928) schuf sich als Autor des Naturalismus beim Publikum und in der Kritik einen guten Namen, und nicht selten wurde er mit Gerhart Hauptmann in einem Atemzuge genannt. Im Jahre 1921 ließ er in dem renommierten Verlag J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger eine „vaterländische Dramenreihe“ unter dem Titel Das deutsche Schicksal erscheinen. Sie enthält drei Schauspiele: Heilige Zeit (aus der Phase um den Kriegsbeginn 1914), Opfer (spielt 1917 und im Folgewinter) sowie Notruf (Zeit Winter 1918/1919). Wer wissen möchte, was eine schlechthin konterrevolutionäre Dichtung in der Revolution bedeutete, muß einmal in das letztgenannte Bühnenwerk blicken. Die Zentralfigur darin ist ein Oberleutnant namens Heinz Wölfert. Er skizziert den Zustand des kaiserlichen Heeres: „Die deutsche Armee liegt im Dreck – ein verfaulter Kadaver. Was nicht desertiert is (!), das meutert. Und was nicht meutert, das stiehlt.“279 Er malt die Gesamtsituation aus: „… der große Niederbruch, die große Entehrung, das mörderische Bewußtsein des Umsonst …“280 In der Rückschau tadelt eine Offizierswitwe, Frau v. Storck, die Hofgesellschaft im Kaiserreich: „Es gab viel zu viel geadelte Jüdinnen, die sich da ‚rumtrieben.“281 Oberstleutnant v. Hecklingen sinnt darüber nach, wie man auf militärischem Gebiet Abhilfe schaffen könnte: „Die letzte Rettung bleiben die Freiwilligenverbände.“282 Wölfert sehnt sich nach der alten Glorie des Reiches zurück: „Ich will, daß Deutschland so groß sein soll, wie es war.“283 Im französischen Lexikon gibt es die Vokabel „assassin“ für ‚Meuchelmörder‘. Sie leitet sich her von dem mittelalterlichen ismaelitischen Geheimbund der „Assassinen“ (1090–1256), dessen Tätigkeit darin bestand, mit dem Mittel des Mordes auf die politischen Zeitverhältnisse einzuwirken. In Sudermanns Drama postuliert Wölfert, daß sie sämtlich, die deutschen Mütter, Väter und Kinder zu Assassinen mutieren: „Ein Bund der Rache müßte entstehen, wie er nicht da war seit – hast Du einmal von den
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Assassinen gehört? … Vor ihrem Dolch war keiner sicher, ob Moslem oder Christ … Dem Opfertode jauchzten sie entgegen – Marter war ihnen Wollust – nur morden, was ihnen im Wege stand – morden, morden, morden, was sie irgend bedrohte. Der Geist müßte einkehren unter uns. … Jede Mutter müßte ihn mit der Milch ihrer Brüste den Säuglingen zu trinken geben. Jeder Vater müßte ihn seinem Sohne ins Fleisch ritzen unter unvergeßlichen Qualen. Jeder Erfinder müßte ihm dienen, jede Dichtung müßte ihm Hymnen singen, jede Predigt Ansporn und Verkündigung sein … Und selbst der Herrgott darf nur noch den Zweck haben, wieder ein Gott der Rache – und zwar unserer Rache zu sein – sonst schmeißen wir ihn von seinen letzten Altären.“284 Wesenloses Gerede von Phantasiegestalten im Drama, nicht mehr als nur naive Fiktionen? – In Wahrheit ein Teil der Realität im Reich. Organisationen von Offizieren, die nach dem verlorenen Kriege und in der Weimarer Republik das Handwerk der Assassinen ausübten, agierten in demselben Zeitraum, als Sudermanns Dichtung entstand. Die Liste ihrer Opfer ist lang: Eisner, Landauer, Erzberger, Haase, Rathenau, Heinrich Dorrenbach, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Leo Jogiches, Gareis u. a., noch nicht mitgezählt die vielen namenlosen Toten bei den Aufständen in Berlin, die bei den Kämpfen um die Räterepubliken Gefallenen und die während des Kapp-Putsches Umgekommenen. So weit zur Praxis der Konterrevolution. Sie war blutig genug. Und Intellektuelle wie Sudermann lieferten ihr die Handlungsanweisungen in der Dichtung. Das andere ist die gegenrevolutionäre Theorie. Deren Basisaxiome lauten: 1. Die Revolution und die aus ihr hervorgehende Republik mit allen Mitteln niederkämpfen. Als ein vorrangiges Instrument dafür dient die krude Rassenideologie, in erster Linie in der Form des Antisemitismus. 2. Die Notwendigkeit der Auslöschung der Aufklärung, primär der Lehren der Französischen Revolution sowie der aus ihr ererbten Grundlagen der Gesellschaftsordnung, der Volkssouveränität, der Menschenrechte usw. 3. Unbedingt zu fördern ist der Militarismus, zu verurteilen sind der Pazifismus und mit ihm zusammenhängende Ideen, vor allem: zwischenstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit, Völkerbund. 4. Die Beseitigung des Parteienstaats und dessen Ersetzung durch die „Volksgemein-
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schaft“ in Gestalt der Diktatur, welche die Energien der Bevölkerung zusammenzuballen versteht als Voraussetzung des neuen (und Rache-) Kriegs. Diese Gedankenwelt erwuchs nicht unvermittelt aus der Bevölkerung, sondern wurde ersonnen und vermittelt durch einen sehr breiten Ausschnitt der Intelligenz. Hübinger nominierte als Verantwortliche u. a.: „Die hunderte von völkischen Vereinen, Bünden und Orden, ihre Autoren wie August Julius Langbehn oder Jörg Lanz von Liebenfels …“285 Kaufmann erwähnt als Werkzeuge der Konditionierung im Sinne der Gegenrevolution zahlreiche Klubs, Kreise, Stiftungen, schöngeistige Gesellschaften, Zirkel sowie literarisch-politische Zeitschriften, die allesamt stetig darauf hinwirkten, ihr Publikum zu indoktrinieren.286 Dazu kamen die vielfach rechtsgerichteten Verlage, politisch ähnlich sortierte „Volksbüchereien“ und Formen des Buchverleihs. Das Beispiel eines konterrevolutionären think tanks war die am 1. Dezember 1918 gegründete ‚Antibolschewistischen Liga‘, Tarnname: „Liga zum Schutze der deutschen Kultur“. Sie griff die Losungen der proletarischen Revolution in Rußland demagogisch auf, um sie ins ‚Nationale‘ und ‚Völkische‘ umzufälschen. Ihr Gründer, Eduard Stadtler (1886–1945), finanzierte sie durch Gelder von der großen Industrie. Er gehörte auch zu den Mitgründern des „Juni-Klubs“, später umbenannt in „Herren-Klub“. Zu den Mitgliedern zählte der Schriftsteller Ernst Jünger. Bei den regelmäßigen Klubabenden gaben u. a. Oswald Spengler und Adolf Hitler Gastspiele. Direkt oder mittelbar mit Stadtlers Klub verbunden waren der führende Ideologe der ‚konservativen Revolution‘, Arthur Moeller van den Bruck (1876–1925), aus dessen Programmschrift Das dritte Reich (1923) die NSPartei die Bezeichnung für ihr staatspolitisches Projekt übernahm, und Hans Grimm (1875–1959), der mit dem Titel seines voluminösen Romans Volk ohne Raum (1926) die aggressive Formel für die Expansionspolitik des ‚Großdeutschen Reichs‘ unter die Leute brachte.287 Gleichzeitig waren nicht wenige zeitgenössische Wissenschaftler emsig am Werk, die Gegenrevolution ‚wissenschaftlich‘ zu stützen, in Wahrheit: kraß pseudowissenschaftlich. Etwa ein Adolf Bartels (1862–1945) betrachtete es als seine Hauptaufgabe, die deutsche Literaturgeschichte
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nach dem Anteil von Schriftstellern jüdischer Herkunft abzusuchen, um diese apart zu stellen: die Parallele zur Aussortierung der jüdischen Deutschen aus der Bevölkerung des Reichs. Bereits vor Beginn des Weltkriegs bestellte eine Garde politisch konservativ-nationalistischer Autoren das Feld, die meisten Apologeten des Kaiserreichs und solche, die es sich zur Aufgabe machten, die Ziele des deutschen Imperialismus zu vertreten. 1914 waren als Kriegspropagandisten plötzlich nun auch solche Autoren aufgetreten, deren Schriften sonst humane Gesinnung bezeugten oder die sich zuvor durch soziale Motivik einen Namen gemacht hatten. So ließen sie sich zu „Haßausbrüchen und blutrünstigen Phantasien“ hinreißen wie Gerhart Hauptmann. Es sei dahingekommen, „daß der größte Teil der deutschen Schriftsteller in dieser Schicksalsstunde seine Autorität für eine schlechte Sache einsetzte“.288 In der Revolution gab es Autorinnen und Autoren, von denen augenblickliches Eingreifens im Sinne der Gegenrevolution berichtet worden ist oder die selber ihre entsprechende temporäre Betätigung erwähnten. Setzte, wer sich der Abwehr der Revolution bereits widmete, seine Hoffnung auf die Rückkehr der Fronttruppen, so handelte schon, wer sich zu deren Begrüßung einfand, in gewissem Sinne gegenrevolutionär. Anfang Dezember 1918 zieht so z. B. das „Leibregiment“ in München ein, das noch diszipliniert ist und dem Kommando seiner Offiziere gehorcht. Die Begrüßungsfestivität organisiert ein Empfangsausschuß der Bürgerschaft. Ihm stellt sich die Dichterin Isolde Kurz (1853–1944) zur Verfügung. Aus ihrer Erinnerung erzählt sie: „Münchens Frauen gaben eine Empfangsfeier im Hoftheater mit Ansprache und Festvorstellung nebst allerlei Unterhaltung, wozu sie sich die Einwilligung der Provisorischen Regierung unter Eisner und ihr Versprechen, den Abend nicht zu stören, gesichert hatten.“289 Der Lyriker Richard Dehmel (1863–1920) hatte im Krieg „nationalistische Kriegsgedichte“ drucken lassen.290 Sein Kriegstagebuch endet mit einer Passage, die als „Ausgang“ deklariert ist, worin er seinen Aufruf291 wiedergibt, mit dem er eine Levée en masse hervorrufen wollte. Darin ermahnt er die OHL: „Sie rufe … jeden deutschen Mann zur Waffe, der in der Heimat, in der Etappe oder in den besetzten Gebieten sich für den
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Kampf in vorderster Linie bereit fühlt …“ Den Aufruf in Prosa unterstützt er „mit einem rhythmischen Aufruf “, worin es heißt: „Reinen Frieden verheißt die weiße Fahne / … / Wer stirbt, stirbt für die weiße Fahne: / Sieg! –“292 Die Verse sind eindeutig. Die weiße Fahne symbolisierte die Konterrevolution, ob in Rußland, ob in Deutschland. Allerdings erlaubte es die Stimmung im Reich kaum, die Gegenrevolution offen als solche zu bezeichnen. So wurde von ihren Verfechtern zu dem Mittel gegriffen, sie zu maskieren. Am besten gleich als Revolution. Eine Maskerade dieser Art hieß: „Konservative Revolution“. Man mußte ihr auf den Grund gehen, um zu erfahren: „Was sie als Revolution bezeichnet, das ‚Wiederheraufkommen‘ eines früheren Zustandes, nennt die übrige Welt gewöhnlich Konterrevolution.“293 Was diese anfeindete, waren zwar die radikalen Bewegungen in der Revolution, doch im Kern die Revolution mit allen ihren Ergebnissen, an der Spitze die bürgerlichparlamentarische Demokratie: „Und in der Tat haben wir es hier mit der radikalen Gegenrevolution zum liberalen Rechtsstaat zu tun, den sie als ‚Reaktion von heute‘ verunglimpft.“294 Zum Beleg zitiert Pross u. a. aus der Schrift Ruf der Jungen (vermutlich 1920) von Max Hildebert Boehm (1891–1968): „Den stärksten Widerwillen empfindet die Jugend gegen die Reaktion von heute, gegen die westlerische liberale Weltreaktion, der der Präsident Wilson die Fahne vorangetragen hat, die uns niedergeworfen und vergewaltigt hat, und deren Henkersknechte die Erzberger und Scheidemänner, die Formaldemokraten aus allen Parteilagern sind.“295 Die Invektive arbeitet hier mit einer Anhäufung von herabsetzenden Ausdrücken zwecks Schmähung der aus der Revolution entstandenen Republik, als deren hauptsächlicher Tonangeber – so verlangt es eben die Sichtweise des Antisemiten – „der jüdische Zeitungsschreiber“ erscheint. Stadtler attackierte wie Boehm die bürgerlich-liberale Republik, wenn er ihre Parteien schmähte: „Es gibt nur einen einzigen Feind des deutschen Volkes, d. i. das alte deutsche Parteiwesen; weil es zur Zeit einer Zusammenfassung aller gesunden Kräfte im Wege steht.“296 (Das Ziel ‚Volksgemeinschaft‘!) Werbung für die Konterrevolution konnte zunächst die Gestalt einer einfachen Diskriminierung der Revolution annehmen. Prototypisch
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hierfür ist die Aussage des Kardinals Michael von Faulhaber (1869–1952), die er selber 1936 dokumentierte: „1922 habe ich den marxistischen Umsturz von 1918 und 1919 als ‚Meineid und Hochverrat‘ bezeichnet und trotz aller Bedrohungen das Wort nicht zurückgenommen. Bald darauf erschienen die ersten Maueranschläge der ersten Nationalsozialisten mit dem Aufruf ‚Gegen die Novemberverbrecher‘.“297 Er wiegt sich in der Pose eines, der die Priorität für den Gebrauch des Schimpfworts beansprucht, so als ob die Nationalsozialisten dann bloß hinterher getrabt wären. Der Verdacht ist nicht abwegig, der Kleriker ziele insgesamt auf den bürgerlich-parlamentarischen Staat. Da dieser unleugbar aus der Novemberrevolution entstand, wäre er das Produkt aus „Meineid“ und „Hochverrat“ und insofern mit einem üblen Makel behaftet. Wie sehr der Kirchenfürst sich überhaupt im Gebrauch von Schimpfwörtern übt, zeigt seine Äußerung aus demselben Jahr, womit er die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg angreift: „Wie die Untermenschen, vom Juden aufgehetzt, als Bestien in Spanien hausen, darüber habe er genaue Berichte …“298 Es gab Widersacher der Revolution, die ihre Tätigkeit, die perennierende Deklassierung des Rechtsstaats samt Forderung der Eliminierung rechtsstaatlicher Prinzipien, mit nichts geringerem als ihrem Leben büßen mußten, als erst einmal die von ihnen selber herbeigeredete Konterrevolution tatsächlich an der Macht war. Den öfter erwähnten Paradefall stellt hier Edgar Julius Jung dar, über den Pross vermerkt: „Die Leichtigkeit, mit der er, ein unerbittlicher Gegner der Nationalsozialisten, behauptet hatte, der Rechtsstaat gehöre der Vergangenheit an und die Zeit der Menschenrechte sei vorüber, rächte sich bitter an ihm. Er hatte beides für die ‚staatliche Neuordnung deutschen Rechtes, die jenseits aller Willkür und Gewalt‘ liege, preisgegeben. Seine Ermordung im Juli 1934 stand im Zeichen der ‚Neuordnung‘, aber diese war, wie das nach der jahrelangen Verhöhnung der Menschenrechte durch die Gegenrevolutionäre nicht anders sein konnte, ein Akt brutaler Willkür.“299 Denselben Akt kommentierten die „Schweizer Republikanischen Blätter“: „Man kann nicht die Prinzipien der Hölle verherrlichen und den Teufeln die Existenz verbieten, sonst holen sie einen.“300
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Dem Historiker Otto von Gierke (1841–1921) liegt in seinem Vortrag Der germanische Staatsgedanke (1919) zuerst die Wiederaufrüstung am Herzen: „Denn nur wenn wir für unsern Staat das unentbehrliche Maß von Waffengewalt zurückgewinnen, können wir hoffen, der drohenden Vernichtung des deutschen Wesens durch innere und äußere Feinde zu trotzen.“ Er möchte sie im Innern ebenso angewendet wissen wie nach außen, bis dies geschieht: „Die altgermanische Freiheit, die Blütezeit des alten Reichs, der Staat Friedrichs des Großen, die Herrlichkeit des neuen Reichs von 1870 bis 1918 – sie werden wieder als leuchtende und wärmende Erinnerungen das deutsche Volksgemüt durchdringen und von neuem deutsche Männer und deutsche Frauen mit Begeisterung für deutsches Wesen erfüllen.“301 Das eine ist die unter den Nationalisten geläufige Fiktion eines „deutschen Wesens“, das andere die „altgermanische Freiheit“, beides vermutlich gemeint als Mahnung: wie die Mehrheit der Germanenstämme nicht den Römern, so solle das deutsche Volk der Nachkriegszeit sich nicht den Ententemächten beugen. Ein Spezifikum der Konterrevolution ist der in ihr geläufige Vergleich des Gegners mit Exemplaren der Tierwelt. Moeller van den Bruck fürchtet: „Das Tier im Menschen kriecht heran. Afrika dunkelt in Europa herauf.“302 Diesen Passus färbt ein paranoider Rassismus. Bei anderen Autoren der Gegenrevolution liest man es anders; der Mensch, oder genauer: der Imperialist wird aufgefordert, dem Raubtier gleich rühmlich auszugreifen – ob ein Verfasser sich Raubtierart nun richtig oder falsch vorstellt –. Ein besonders wirksames Propagandainstrument der Gegenrevolution war das Buch Der Untergang des Abendlandes von Oswald Spengler (1880–1936), erschienen in zwei Bänden 1918/22. Spengler ordnet allen anderen Zwecken einer Zivilisation als höchsten die Expansion oder Ausdehnung über: „Ich lehre hier den Imperialismus … Imperialismus ist reine Zivilisation. … Deshalb sehe ich in Cecil Rhodes303 den ersten Mann einer neuen Zeit. Er repräsentiert den politischen Stil einer ferneren, abendländischen, germanischen, insbesondere deutschen Zukunft.“304 Im Jahre 1931 ergänzte er: „Es gibt Völker, deren starke Rasse den Raubtiercharakter bewahrt hat, räuberische, erobernde, Herrenvölker, Liebhaber des Kampfes gegen Menschen, welche den wirt-
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schaftlichen Kampf gegen die Natur den anderen überlassen, um sie zu plündern und zu unterwerfen.“ Was sei das Raubtier? Nichts anderes als „die höchste Form des freibeweglichen Lebens“.305 Auf dem Boden einer solchen antihumanistischen Anschauung konnte ein Urteil desselben Autors über die Novemberrevolution nur vollkommen negativ lauten. Der gegenwärtige Historiker Axel Schildt zitierte es, wonach sie lediglich eine Aktion der „Gemeinheit“, beruhend auf dem Bündnis des „Packs mit dem Literatengeschmeiß“, gewesen wäre; mit alledem die „sinnloseste Tat der deutschen Geschichte“.306 Wie Hitler und Spengler gehörte auch Ernst Jünger (1895–1998) zu den radikalen Widersachern der Weimarer Republik, zu jenen Autoren der Epoche, die aus ihrer Gegnerschaft zur Demokratie und zum Humanismus kein Hehl machten. Die Novemberrevolution? In seiner Sicht keine „wirkliche Revolution“. Eine wirkliche wäre nur, die im Zeichen des Hakenkreuzes stattfände, mündend in die Diktatur.307 1925 gestand er: „Ich hasse die Demokratie wie die Pest.“308 Auf den (1.) Weltkrieg anspielend, versichert er: „Nur im Angesicht des Todes war es möglich, daß die germanische Unschuld sich in den Herzen der Besten erhielt.“309 Die germanische Unschuld konnte aber nicht anders, sie mußte sich mangels germanischer Krieger in Soldatenherzen erhalten, die deutschen Kriegern gehörten. Wenig verwunderlich: das Raubtier kehrt in Jüngers Prosa ebenfalls wieder. 1922 heißt es in seiner Schrift Der Kampf als inneres Erlebnis: „Der Geist der Materialschlacht und des Grabenkampfes, der rücksichtsloser, wilder, brutaler ausgefochten wurde als je ein anderer, erzeugte Männer, wie sie bisher die Welt nie gesehen hatte. … Jongleure des Todes, Meister des Sprengstoffes und der Flamme, prächtige Raubtiere, schnellten sie durch die Gräben.“310 Als Wasserträger der Konterrevolution fungierte neben deren Ideologen eine nicht unbeträchtliche Anzahl schöngeistiger Schriftsteller. Hans Johst (1890–1978) pflegte in seiner Dramatik (Der Einsame. 1917; Der König, 1920) den Führerkult und Kult der Führerpersönlichkeit wie wenige andere. Das NS-Regime ließ sich nicht lumpen und verlieh ihm zur Belohnung dafür stattliche Titel und Ämter: SS-Brigadeführer, Preußischer Staatsrat, Präsident der Reichsschrifttumskammer (1935/45).
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Bezeichnend vor allem ist für ihn, daß er sich anmaßte, ein Organ des Menschen herabzuwürdigen, welches er als gegnerisch zum Leben hinstellte: das Gehirn. Mit gemeint sind unter diesem Ausdruck auch: der Geist, der Intellekt, die Vernunft. Er ruft aus: „Ich bin ein Deutscher! Somit weiß ich deutlich, daß sich das Leben nicht mit dem Gehirn vergewaltigen läßt.“311 Mit diesem Ausruf reiht er sich ein in die Phalanx derjenigen, die das Ideologem des „Kriegs aller gegen alle“ (Bellum omnium contra omnes; Hobbes, 1651) im 20. Jahrhundert sogar auch auf die psychischen Instanzen des Menschen übertragen und so etwas wie einen Bürgerkrieg nicht bloß zwischen Leben und Gehirn anzetteln, sondern dazu auch zwischen Geist und Seele. Ein seinerzeit vieldiskutiertes Werk stammt von Ludwig Klages (1872–1956): Der Geist als Widersacher der Seele (3 Bände, 1929– 1932). Dessen Kerngedanke lautet: Der Körper und die Seele sind die zwei Konstituentien des Lebewesens, mit einander im Einklang. Um sie zu entzweien und das Leben zu eliminieren, zwängt sich von außen her gleich einem Keil zwischen beide der Geist.312 Der Geist, ein mörderischer Eindringling, Invasor? Eine verquere Vorstellung. Denn was „Seele“ oder „Psyche“ heißt, bildet in Wirklichkeit ein komplexes Geschehen, das sich zum Zwecke wissenschaftlicher Betrachtung als in diverse „Instanzen“ zerlegt denken läßt, unter denen eine der Geist ist (das Bewußtsein, die Intelligenz, die Vernunft, der Verstand), der in der älteren Psychologie auch als „Vermögen“ (‚Fähigkeit‘) bezeichnet wurde. Er ist in jedem Menschen innerhalb der Seele angelegt. Also nicht: er dränge „von außen her“ gegen sie beide, Leib und Seele ein. Vor allem ist die Lehre vom Geist als „Widersacher“ der Seele nicht haltbar. Unbestreitbar zwar ist, daß in der menschlichen Seele das Gemüt oder Wunschleben mit der Vernunft, dem Denkvermögen in Streit liegen kann, doch falsch, daß dies notwendigerweise so sein müsse und daß es allezeit so geschähe, wobei gar noch der Geist mit dem Vorhaben aufträte, das Leben zu ertöten. Es ist geradezu ein Merkmal der gesunden Psyche, daß sie die sämtlichen Seelenvermögen verträglich integriert, was am glücklichsten unter der Vorherrschaft des Geistes (Freud: des „Ichs“) gelingt.
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In der von einflußreichen Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurechtphantasierten Opposition von „Geist“ und „Seele“ steht der Geist kaschierend für: Aufklärung, analytische Fähigkeiten, Kombinatorik, letztlich politisch auch für Entente, westliche Werte, Revolution, Demokratie, und „Seele“ als Deckbegriff für Konservatismus, Irrationalismus, eingewurzeltes Deutschtum, für Revolutions- und Demokratieverweigerung, also schlechterdings für die Konterrevolution. Eine gesonderte Gruppe von Autoren beteuert gleichfalls die Opposition Geist / Seele, spricht indessen von der Notwendigkeit der Vereinigung beider, des Geists und der Seele. Für dies findet sich der Beweis bei Thomas Mann in seinem Brief an Hermann Grafen Keyserling (1920).313 Hierin erläutert er die ideologisch-weltanschauliche Situation, von der er in den Betrachtungen (1918) seinen Ausgang habe nehmen müssen: „das geistige Faktum, mit dem ich zu rechnen hatte, war der unaufhaltsame Triumph, der sieghafte Fortschritt des Geistes, das heißt des alle seelische Form zersetzenden revolutionären Prinzips …“ In seinem Brief bezieht Thomas Mann sich auf des Grafen Keyserling (1880–1946) Projekt einer „Stiftung für freie Philosophie“. Er schreibt dem Empfänger zu, was diesem „aus höheren Gründen wünschenswert“ dünke, sei: „die Geburt der neuen Synthese von Seele und Geist in Deutschland.“ Seinen, des Absenders Betrachtungen liege dasselbe Problem zugrunde, und jetzt sei es ein „unvergängliches Verdienst“ Keyserlings, dasselbe mit „vollkommener Klarheit“ erfaßt zu haben – „das Problem der Wiederverknüpfung und -versöhnung von Seele und Geist.“ Ihm selber sei damals die Aufgabe zugefallen „das seelische Prinzip, das erhaltende, das Prinzip der Form gegen das Prinzip des ‚Geistes‘ zu verteidigen.“ Das sei nichts weniger als „das Problem der Probleme, die vielnamige Frage des Menschen selbst“. Zur Erinnerung: Das ist aus dem Metaphysischen ins Historische übertragen nichts anderes als die Frage: Revolution oder Konterrevolution? Durch alle Hüllen, mit denen der Verfasser sie kaschiert, dringt doch diese Antithetik hindurch: „Die fortschreitende Zerstörung aller psychischen Wirklichkeit und seelischen Form, die scheinbar unaufhaltsame Anarchisierung und Barbarisierung der Menschenwelt durch den revolutionären Intellekt war es, was das
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Buch als Grundtatsache unseres Lebens voraussetzte … Und die dialektische Aufgabe fiel ihm zu, das seelische Prinzip, das erhaltende, das Prinzip der Form gegen das Prinzip des ‚Geistes‘ zu verteidigen.“ An dieser Stelle läßt der Autor es zu, daß sein simpler Nationalismus, seine Voreingenommenheit für Deutschland und alles Deutsche ans Licht dringe. Er postuliert, „daß in Deutschland am meisten ‚Seele‘ lebendig geblieben war und ist, daß hier die relativ stärksten Hemmungen gegen den allgemeinen und reißenden Niedergang seelischen Lebens sich erhalten hatten.“ Die Hemmungen: gegen den „Verstand“ gewendet; denn es gelte: „Der Verstand hat zersetzt, was zu zersetzen war …“ Der Verfasser schreibt sich selber die Legitimation zu, sich „gegen den nachweislichen Urheber dieses Unheils, nämlich den emanzipierten Intellekt, zur Wehr zu setzen“. Für ihn, diesen „emanzipierten Intellekt“, gebraucht er obendrein die Synonyme „neues Freimaurertum“ und „Demokratie“: „Und wie war es mit jener generösen Mischung aus Politik und Literatur, die ein neues Freimaurertum der erstaunten Welt und dem besonders erstaunten Deutschland unter dem Namen der ‚Demokratie‘ als Heilmittel aufreden wollte?“ In Manns Brief an den Grafen kündigt sich nun allerdings spurenweise schon auch der Übergang zur Demokratie an, den er 1922 offen bekennen wird; kündigt sich an womit? Damit, daß er deren Feinde, wie sie zur Zeit der entstehenden Weimarer Republik auftraten, mit einer Woge distanzierender Vokabeln überschwemmt: „Reaktion, Obskurantismus, Roheit, Pogrom-Monarchisten, Patriotenlümmel“. Das hieß endlich doch, daß er selber sich genötigt sehen würde, ebenfalls die „Wiederverknüpfung und -versöhnung von Seele und Geist“ anzustreben. Das mußte heißen: mit der Allianz von Seele und Geist der „Reaktion“ usw. entgegen zu wirken. Als Voraussetzung dafür benannte er: daß „der Geist aufhöre, nur sich selbst, das heißt die Zerstörung zu wollen“, und „daß er zur Weisheit werde“ – zu Kultur.
IV. Dem Aktivismus und Pazifismus verbundene Intellektuelle Aktivismus und der Politische Rat geistiger Arbeiter Schon im Weltkrieg und vermehrt während der Novemberrevolution traten in der Öffentlichkeit des Reichs neben die bekannten alten und neu gebildete Parteien auch neue politisch-literarische Bewegungen. Sie wurden in aller Regel von Intellektuellen initiiert. Eine kleinere, jedoch sehr agile darunter war der Aktivismus. Eine Anzahl von Repräsentanten des literarischen Expressionismus vereinigte sich unter der Bezeichnung „Aktivisten“ zu einem Bund, während andere, ebenfalls als Expressionisten bekannte Autoren sich seit der zweiten Hälfte des Weltkriegs in den Reihen der Friedensbewegten einfanden. Das bedeutete für sie alle anfangs keineswegs, den politischen Umsturz anzustreben. Der Theoretiker des Expressionismus in Berlin, Kurt Hiller (1885–19721) äußerte am 2. Dezember 1918, die Idee der politischen, auch sozialen Revolution habe Zeit gebraucht, um sich zu verbreiten.2 Retrospektiv (1966) führte er den Aktivismus auf vier Initiatoren zurück: die Schriftsteller Alfred Kerr, Gustav Landauer, Heinrich Mann und Ludwig Rubiner.3 Der Kernbegriff sei „Geist“, und dessen „Werk“ „die Total-Befreiung der Menschheit . . . Geist ist nämlich die Bezeichnung der Kraft in der Menschheit, die aus ist auf Befreiung der Menschheit. Wo steckt nun der Geist? Potentiell und weckbar unstreitig in jedem; aktuell und wach in wenigen.“4 Die Aktivisten müßten nach Hillers Definition die „kulturpolitische Radikale“ sein. Sie bündeln alle Bestrebungen, die der Erneuerung der Kultur gewidmet sind: „… wir wollten den großen Bogen schlagen über alle ernsten, auf Änderung der Welt abzielenden Einzelbewegungen: die völkerrechtlichen und staatsrechtlichen, sexualreformerischen und pädagogischen, wirtschaftlichen und künstlerischen; wir wollten die umfassende Repräsentation der kulturpolischen Radikale sein.“5 Idealer Repräsentant des Aktivismus ist der „Litterat“6. Hiller greift auf die Antithese wieder des nur beobachtenden Zeitgenossen und des
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Akteurs zurück: „Kein Ausgeschloßner mehr, kein ironisch Danebenstehender und bloß formulierender Gaffer, sondern ein Eingreifender; nicht länger Statist, sondern Held.“7 Im übrigen seien „Litteraten“ diejenigen Leute, denen die Lösung einer Spezialaufgabe zufalle; sollten sie regieren, dann laute ihr Auftrag: „die Zertrümmerung und der Neuaufbau der Presse.“8 „Zertrümmerung“ und „Neuaufbau“ als Koppelung antithetischer Termini ist eine typische Argumentationsfigur expressionistischer Texte. Sie stimmen darin mit der biblischen Offenbarungsliteratur überein. Die Struktur ist die der Apokalypse.9 In Titeln wie Untertiteln der von Hiller während des 1. Weltkriegs und in der Novemberrevolution verfaßten und herausgegebenen Schriften erscheinen die Schlüsselwörter des Aktivismus, allen voran: „Geist“. Die Geistbetonung drückt vor allem eine Aversion aus: gegen die Geistlosigkeit oder sogar Geistwidrigkeit der herkömmlichen Politik. Geistlosigkeit ließe sich wiedergeben als Fehlen des Messianismus. Messianisch, zugleich dem Aktivismus entsprechend klingt z. B. der Titel: Der Aufbruch zum Paradies von Hillers Aphorismen- oder Thesenbuch (zuerst 1922, erweitert 1952 neu). Von Amtswegen, nicht zuletzt unter dem Druck der sämtlichen Generalkommandos, wurde das erste Ziel-Jahrbuch verboten, beschlagnahmt auf dem Weg des Erlasses, Begründung (Oberzensurstelle Berlin, am 27. Juli 1916): es enthielte „revolutionäre, antireligiöse, antimilitaristische und frauenrechtlerisch-pazifistische Beiträge“.10 Was besagt „frauenrechtlerisch-pazifistisch“? Friede ist weiblich, gar weibisch – unpassend für Männer in Uniform die Bemühung um ihn. 1917 11 kommen auf Einladung von Hiller „gleichgesinnte“ Persönlichkeiten – Autoren, Kulturschaffende, Wissenschaftler – zu einer geheimen Konferenz im Westend zusammen, die sich zu einer Gruppe vereinigen, die sie „Bund zum Ziel“ taufen – „bewusst ihre Absichten verschleiernd“ –. 1918 lädt Hiller für den 7./8. November „alle verfügbaren“ Beiträger seiner Jahrbücher „nebst einer Anzahl Sympathisierender“ zu einer Konferenz ins Berliner Nollendorf-Kasino ein, wo der „Bund zum Ziel“ in „Aktivistenbund“ umgetauft wird. In der Versammlung präsentiert er einen Programmentwurf. Zu den in ihm enthaltenen Forderun-
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gen gehören u. a.: Abschaffung der Wehrpflicht, Vergesellschaftung von Grund und Boden und Umwandlung kapitalistischer Unternehmungen in Arbeiterproduktivgenossenschaften (ein Gedanke Lassalles); weitgehende Freiheit des Geschlechtslebens und damit Liberalisierung des Strafrechts. Dies Revolutionsprogramm erweist sich im wesentlichen als eine Verbindung von Zügen des Sozialismus mit solchen des Pazifismus und der sexuellen Revolution. Der 9. November 1918 ist ein Tag, an dem die Aktivisten nicht müßig bleiben. So sucht namens des neu formierten „Aktivistenbunds“ dessen Mitglied Leo Matthias den Vorsitzenden des Berliner Zentralrats der Soldatenräte, Hauptmann Hans-Georg von Beerfelde, auf. Beerfelde verspricht, „uns neben seinem Soldatenrat und dem Arbeiterrat als dritte Macht in die Exekutive und die für später in Aussicht genommene Legislative der Revolution, mit Kulturpolitik als Spezialaufgabe, einzubauen …“ Er stellt nur die Bedingung, den Rat als Parallele zu Soldaten- und Arbeiterräten sichtbar zu machen, indem er die Bezeichnung „Rat geistiger Arbeiter“ annimmt. Ebenso entstehen in anderen Städten des Reichs sowie in Österreich Räte geistiger Arbeiter. Darunter in München, wo Heinrich Mann den Vorsitz hat, sowie einer in Wien, wo Robert Müller an die Spitze gestellt wird. Heinrich Mann regt an, dem Namen des Rats das Adjektiv „Politischer“ voranzusetzen, damit nicht arbeitslose Intellektuelle ihn mit einer Behörde für Arbeitsvermittlung verwechseln. In Berlin steht dem Rat ein Sitzungszimmer im Reichstag zu, doch nur kurze Zeit. Nicht länger als 4–5 Tage, dann ist schon wieder Schluß. Das Gremium muß sich bescheiden, seine Tätigkeit in einem in Charlottenburg angemieteten Raum fortzusetzen, wofür glücklicherweise eine Geldspende vorhanden ist. Nach der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 büßen die Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland recht rasch an Bedeutung ein. So auch der „Politische Rat geistiger Arbeiter“ in Berlin. Als Vordenker des Aktivismus ist Ludwig Rubiner (1881–1920) kaum in Erinnerung. Seinen Namen hält am ehesten noch die Anthologie expressionistischer Lyrik von Kurt Pinthus wach: Menschheitsdämmerung (1919). Darin sind Gedichte von insgesamt 23 Lyrikern aufgenommen,
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von Rubiner fünf.12 Außerdem klingt über ein Jahrhundert hinweg eine Parole in das unsrige, die er einem seiner Essais zur Überschrift gab: Der Dichter greift in die Politik13. Als dieser Aufsatz zuerst in der – 1911 gegründeten – expressionistischen Zeitschrift „Die Aktion“ in zwei Teilen am 22. Mai und 5. Juni 1912 erschien, trug er einen um eine Namensangabe längeren Titel: Der Dichter – Alfred Kerr – greift in die Politik. Damit betonte Rubiner den spezifischen Bezug des Texts zu seinem zeitgenössischen Kollegen. Bei der Wiederveröffentlichung entfiel die Namensangabe, der Titel bekam somit den Charakter der allgemeinen Aussage. Gleich auf der ersten Seite des Texts definiert Rubiner: „Politik ist die öffentliche Verwirklichung unserer sittlichen Absichten.“14 Zunächst wäre man vielleicht geneigt, diese Bestimmung als allzu karg zu beurteilen. Und legt der Verfasser es fernerhin auf Irrungen-Wirrungen an? Der Autor versichert: „Ich weiss, daß es nur ein sittliches Lebensziel gibt: Intensität, Feuerschweife der Intensität, ihr Bersten, Aufsplittern, ihre Sprengungen. Ihr Hinausstieben, ihr Morden und ihr Zeugen von ewiger Unvergessenheit in einer Sekunde.“15 Soll man an eine Volksbelustigung denken, an das Abbrennen eines Feuerwerks? Wie verträgt sich das: eben noch „sittliche Absichten“, jetzt ein Verbum, was deren genaues Gegenteil bezeichnet – „Morden“? Ist in der phantastischen Worthäufung überhaupt ein Sinn? Vage zu ahnen wäre eine Grundidee: Geburt eines neuen Weltzustands aus dem Chaos. Den Philister-Vorwurf aber, der lautet: „Destruktion“, tut Rubiner verächtlich ab, um dagegen zu setzen: „Uns macht nur die (einzig!) sittliche Kraft der Destruktion glücklich.“16 Erneut die apokalyptische Antithese, in Form zweier Personen: Zerstörer / Schöpfer. Mit der Definition der Politik als „Verwirklichung unserer sittlichen Absichten“ meldet sich eine der Haupttendenzen des Aktivismus, die Tendenz: Dichtung und sittliche Politik miteinander zu verschmelzen. Bestimmungen dieser Art enthalten eine unausgesprochene Gegenposition – gegen die damals aktuelle Politik des Kaiserreichs Deutschland. Ihr Widerspruch muß den Autoren gar nicht in voller Schärfe bewußt gewesen sein; doch das Moment des Protests ist herauszulesen. Die Maßgeblichen in der Reichsleitung hatten etwa fünfzehn Jahre zuvor (1897) die deutsche „Weltpolitik“ ausgerufen, ein Pro-
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gramm der Eroberung der Hegemonie auf dem Erdball. Dies war zu verwirklichen nur, wenn man die vorherige Entwicklung des Völkerrechts, der Humanität beiseite setzte. Der Dehumanisierung leistete man Vorschub mit der Betonung des Prinzips der „Staatsräson“. Es besagte: einem – dem eigenen – Staat müsse Rechtswidriges erlaubt sein, selbst unter Bruch des Völkerrechts vielleicht, um seinen eigenen Vorteil zu suchen. Dagegen entstand nun in der deutschen Öffentlichkeit eine gedanklich-literarische Opposition, zu deren führenden Schlagwörtern „Ethik“ gehörte. Es ist daran zu erinnern, daß Immanuel Kant in seiner Schrift Zum ewigen Frieden drei Typen von Politikern gemustert hatte, um schließlich einen brauchbaren herauszufiltern. Er eliminierte den moralisierenden Politiker und den politischen Moralisten, um einzig den moralischen Politiker anzuerkennen. Rubiners Aufsatz gehört unverkennbar in die Reihe der Bemühungen fortschrittlicher Literaten um die Politisierung der Literatur. Diese bahnte sich am Beginn des zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts an, steigerte sich während des 1. Weltkriegs und wurde in der Weimarzeit im proletarischen Realismus fortgeführt. Den Anfang machte im Jahre 1910 Heinrich Manns Aufruf Geist und Tat, ein Manifest, dem in den Debatten der Berliner Moderne fortan eine Schlüsselfunktion zukam. Es waren die Geistigen, die Heinrich Mann stimulierte, indem er schrieb: „Die Zeit verlangt und ihre Ehre will, daß sie endlich, endlich auch in diesem Lande dem Geist die Erfüllung seiner Forderungen sichern, daß sie Agitatoren werden, sich dem Volke verbünden gegen die Macht, daß sie die ganze Kraft des Wortes seinem Kampf schenken, der auch der Kampf des Geistes ist.“17 Seit dem Erscheinen dieses Aufrufs drehten sich die intellektuellen Debatten der Berliner Moderne stetig um die Verbindung der Kunst mit der Politik. Eine Auswirkung sind im Expressionismus etwa die Programmgedichte von Ernst Wilhelm Lotz18. Für Rubiner zählte der „Primat des Ideellen“; der Ablehnung verfielen: Materie, Materialismus, damit auch der Marxismus, der Entwicklungsbegriff und einiges andere aus dem ideologischen Fundament der Arbeiterbewegung. Er leistet sich sogar eine Polemik gegen einen demokratischen Basisbegriff, die „Gleichheit“, und verspricht, es werde „eine
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alte Schiefheit zurechtgerückt, das Missverständnis von der Gleichheit aller Menschen“. Er setzt in Klammern hinzu – als wisse er, was er da gerade anrichtet –: „(Auch die treuesten Anhänger werden verlegen.)“ Welches Argument verwendet er? Die Gleichheit würde zur Bewegungslosigkeit führen, weil der Mensch, falls von vornherein gleich, um nichts mehr zu kämpfen braucht. Von daher rühre die Notwendigkeit, daß den Menschen des Stillstands, den Trägen, Ungeistigen, sich die Geistigen gegenüberstellen. Denn: „Diese Weltträgheit muß immer wieder durchbrochen werden. Dazu sind die Geistigen da.“19 Dem aktiv eingreifenden Geistigen tritt wiederum sein Kontrahent entgegen, der „Beschauer“.20 Der politische oder prophetische Dichter, der wegweisende Geistige, ist zugleich – der Führer. So kommt es bei Rubiner zu einer Inflation dieses Begriffs.21 Was hier Rubiners Sicht bestimmt, ist der platonische Aristokratismus, wonach die Philosophen die Zügel ergreifen sollen, um die Staaten zu lenken. In seiner späteren Entwicklung als Dichter und Theoretiker näherte Rubiner sich dem Sozialismus und Lenins Politik, womit sich immer stärker eine Verwerfung des Führerbegriffs verband. Als Gegensatzbegriff zum Führerbegriff erscheint die „Masse“. Man erkennt, wie der Pazifismus sich jetzt aus dem Aktivismus her aushebt: In seinem Aufsatz Legende vom Orient verkündet Rubiner: „Die nächste, primitivste Aufgabe des Menschen auf der Erdkugel heisst geistige Friedensgemeinschaft …“22 Durch eine „geistige Endabsicht“ wäre selbst auch der Kapitalismus einst abzulösen: „Der Ersatz jener Besitz-Macht-Kapitalisten-Abenteuer-Endabsicht durch eine rein geistige Endabsicht.“23 In Texten Rubiners aus der Zeit nach dem Oktober 1917 drängen sich die Ausdrücke nach vorn, die seiner vorherigen Kritik unterlagen oder ihm überhaupt gefehlt hatten: Klassenkampf, „Massenaktionen“, Proletariat. Er schreibt – eine Anrede an sich selbst? –: „Ein Augenblick kommt, da bist du nicht mehr Klasse: nicht mehr Bürger. Wer führt die Massenaktionen aus? Die Arbeitenden. Das Proletariat. Sie handeln, die andern schauen zu.“ Die Antithese heißt also nicht mehr: die Geistigen / die „Beschauer“, sondern: Proletariat / Zuschauer. „Es gibt aber keine Zuschauer mehr. … Du hast heute zu handeln. Mein Freund, dein Weg geht zum Proletariat.“24
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Pazifisten und Pazifistinnen Seit 1920 bringt Kurt Hiller nun für ein Jahrzehnt seine Energie in die Deutsche Friedens-Gesellschaft ein. Die Berliner Ortsgruppe schickt den Pfarrer August Bleier, den Berliner Ortsvorsitzenden, und ihn Ende September 1920 zur Generalversammlung der DFG nach Braunschweig. Hier hält Hiller am 30. September seine Rede Linkspazifismus.25 Ein Jahr später legen er und seine Mitstreiter in Bochum der nächsten Generalversammlung einen stilistisch lakonischen Antrag vor (eine Zeile Länge!), der mit Zweidrittelmehrheit Zustimmung findet. Er lautet: „Die Deutsche Friedens-Gesellschaft fordert die Abschaffung der Reichswehr.“26 Im Jahre 1924 nimmt Hiller am XXIII. Weltfriedenskongreß des Internationalen Verbandes der Friedensgesellschaften in Berlin teil. Hier wählt er, um seine Kongreßrede zu betiteln, die Formel Das Recht auf Leben, die er selber als „Urgrundformel des Pazifismus“ versteht.27 Unter dem Druck seiner Gegner schließt ihn 1930 die Friedens-Gesellschaft aus. Bereits vier Jahre zuvor, im Juli 1926, hatte Hiller mit Freunden die „Gruppe Revolutionärer Pazifisten“ gegründet. Ihr schließen sich Schriftstellerkollegen wie Kurt Tucholsky, Klaus Mann, Ernst Toller, Walter Mehring an. Der revolutionäre Pazifismus bildete die letzte Stufe der Entwicklung des Pazifismus im Denken Hillers. Die erste war der Absolutpazifismus, dem er in der Revolution leidenschaftlichsten Ausdruck gab. Hätte die erfolgreiche Gegenwehr der Matrosen und Arbeiter am Heiligabend 1918 ihn nicht vielleicht inspirieren können, am Absolutpazifismus ein Fragezeichen anzubringen? Aber seine friedenspolitische Einstellung veränderte sich nur langsam. Mit seinem Konzept des „revolutionären Pazifismus“ steht Hiller am anderen Ende, wenn man vom Absolutpazifismus herkommt, dessen genaues Gegenteil der revolutionäre bildet. Dieser schließt weder die Auseinandersetzung der Klassen im Innern eines Landes aus noch die Gewaltanwendung gegen einen Angreifer, den der Verteidiger mit der Waffe in der Hand abwehrt. Ein Faktum ist, daß während des Weltkriegs auch die Frauen und Verbände der Frauenbewegung sich nicht von der Kriegsbegeisterung
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fern gehalten haben. Eine Ausnahme bildete die Handvoll der mutigsten Frauen, darunter die Autorinnen der Gruppe „Internationale“ und ein kleiner Anteil des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung. Lida Gustava Heymann: „Verglichen mit England gab es in Deutschland 1914 wenige innerlich gefestigte Pazifisten, aber diese wenigen litten unmenschliche Qualen. Abgeschnitten von der übrigen Welt, durch nichts verbunden mit der eigenen, der Kriegsfurie verfallenen Nation, dem Hohn und Spott ihrer Umgebung preisgegeben, verlassen von Freunden, Bekannten und Verwandten, waren sie einsam, einzeln zerstreut unter den über 60 Millionen Einwohnern des Deutschen Reiches.“28 Im Jahrzehnt nach der Novemberrevolution erfuhr die Friedensbewegung eine ungemeine Stärkung. Damals betätigten sich in ihr einige der intellektuellen Persönlichkeiten des linken Flügels der Frauenbewegung wie Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann, außerdem Helene Stöcker, die zum Kreis um Hillers Ziel-Jahrbücher gehörte. Durch die Novemberrevolution hatte sich für die Frauen das Tor zur politischen Betätigung weiter geöffnet. Sie bevorzugten das pazifistische Arbeitsfeld. Anita Augspurg (1857–1943, seit 1933 im Schweizer Exil) war in der deutschen Frauenbewegung neben Minna Cauer die wichtigste Wortführerin des linken Flügels. Sie entstammte einer Mediziner- und Juristenfamilie und nahm selber in höherem Alter in Zürich ein Jurastudium auf (Abschluß: Promotion, 1897) Von ihren Rechtskenntnissen machte sie zur Förderung der Interessen der Frauen verständigen Gebrauch, indem sie feministische Anregungen in Gesetzesänderungsvorschläge einbrachte, über die der Reichstag verhandelte.29 Sie arbeitete in Vereinen der Frauenbewegung mit und gründete selber solche, so 1902 in Gemeinschaft mit Lida Gustava Heymann den ersten deutschen „Verband für Frauenstimmrecht“, dessen Präsidentin sie lange Jahre hindurch war. Im Weltkrieg widmete sie ihre Kraft überwiegend der Friedensarbeit; 1915 betätigte sie sich als Mitinitiatorin der Internationalen Frauenfriedenskonferenz in Den Haag. Der „Bund Deutscher Frauenvereine“ schloß sie wegen ihrer friedenspolitischen Aktivitäten aus. 1918 unterstützte sie in München den Aufbau der Republik, begeistert vor allem von der Idee, Frauenräte einzuberufen. Als Repräsentantin der Frauen-
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bewegung gehörte sie im November 1918 im „Volksstaat“ Bayern dem Provisorischen Nationalrat an, der bis zur Landtagswahl 1919 als Platzhalter eines Parlaments fungierte; Anita Augspurg war eine von acht Frauen, die sich unter den insgesamt 256 Delegierten befanden. Ohne Mitglied der USPD zu sein, kandidierte sie doch für diese Partei am 12. Januar 1919 zum Bayerischen Landtag. Ohne Erfolg. Nach der Ermordung Eisners arbeitete sie als eine von fünf Frauen im bayerischen Rätekongreß mit. Am 7. März 1919 beantragte sie dort die Einrichtung von Frauenräten, „um die Frauen auf dem Lande in Stand zu setzen …, daß sie politisch aufgeklärt werden. Dafür halten wir als bestes Organ die Aufstellung einer Anzahl entsprechend politisch gebildeter und auf radikalpolitischem Boden stehender Volksschullehrerinnen.“ Die ‚gemäßigten‘ Mitglieder des Kongresses, die darin die Mehrheit hatten, versagten sich dem Antrag und verhinderten dessen Annahme.30 Die von Anita Augspurg projektierten Frauenräte hätten ein Seitenstück zu den Arbeiter- und Soldatenräten sein können, die nach Eisners Staatsumbau Gremien der politischen Sozialisation von Teilen der Bevölkerung gewesen wären. Zusammen mit Anita Augspurg wirkte in der bürgerlichen Frauenbewegung Lida Gustava Heymann (1868–1943, Exil in der Schweiz seit 1933).31 Ihre Berufstätigkeit begann sie damit, in einer Armenschule Unterricht zu geben. Sie gründete Organisationen für kaufmännische Angestellte und Schauspielerinnen. Im Alter von 35 Jahren entschied sie sich, an den Universitäten Berlin und München ein Studium aufzunehmen, um sich für die politische Arbeit zu schulen. Im Weltkrieg behaupteten Anita Augspurg und sie „die Linie eines feministischen Pazifismus“32, und nach der Internationalen Friedenskonferenz bürgerlicher Frauen in Den Haag (1915) gehörten beide zu den Gründerinnen des „Internationalen Ausschusses für dauernden Frieden“ (seit 1919 unter der Bezeichnung „Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit“, deren Vizepräsidentin Lida Gustava Heymann 1919–1943 war). Noch während des Krieges inspirierten beide Frauen in deutschen Städten nationale „Ausschüsse für dauernden Frieden“. So blieb es nicht aus, daß sie Auftrittsverbot erhielten. Der „Bund Deutscher
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Frauenvereine“ verstieß sie. Der bayerische Staat verbannte Lida Gustava. Seit 1918 nahm sie wie ihre Lebensgefährtin am Aufbau der Republik teil. Ohne Mitglied der USPD zu sein, kandidierte sie auf deren Liste für die deutsche Nationalversammlung an 2. Stelle nach Kurt Eisner, aber glücklos. Wie konnte es den wenigen gefestigten Pazifistinnen gelingen, sich dem Kriegstaumel zu entziehen? In ihren Memoiren verweist Lida Gustava Heymann auf die Geschichte und pazifistisch eingestellte Menschen während aller Epochen. Sie schreibt: „Die Technik ist so weit vorgeschritten, daß es nur ein Entweder-Oder gibt, nämlich: entweder die Menschen überwinden den Krieg, oder Krieg überwindet die Menschheit. Wer die kosmischen Gesetze kennt, spürt deutlich, daß letzteres nicht der Sinn des Lebens ist.“ Die Verfasserin erinnert an die Ära zwischen dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und dem Weltkrieg: „Zwei Bücher waren es, die in jener Zeit einen Teil der deutschen Bevölkerung stark beeinflußten: Kants Zum ewigen Frieden und Bertha von Suttners Buch: Die Waffen nieder.“ 33 Aus der Perspektive eines in Teilen weiter entwickelten Feminismus von heute basiert allerdings Lida Gustava Heymanns Pazifismus auf einem brüchigen Fundament, der essentialistischen Behauptung, es gäbe zwei Prinzipien, ein weibliches und ein männliches, von denen stets das zweite „das Leben der Individuen und der Völker untereinander seit Jahrhunderten völlig beherrscht“. „Diesem männlichen, zerstörenden Prinzip ist das weibliche aufbauende Prinzip der gegenseitigen Hilfe, der Güte, des Verstehens und Entgegenkommens diametral entgegengesetzt.“ Sämtliche Pazifisten beiderlei Geschlechts müßten deshalb „das heute alles vernichtende männliche Prinzip … bekämpfen und gewillt sein, es durch das … weibliche Prinzip … zu ersetzen.“34 Der Vorstellung, daß allen Frauen humane Eigenschaften zukämen, die den Männern sämtlich mangelten, widersprach zu etwa demselben Zeitpunkt Mathilde [Themis]-Vaerting (1884–1977, von der NS-Regierung aus dem Hochschuldienst entfernt). Sie gab zu bedenken: „Die Geschichte aber zeigt, daß es sowohl friedliebende als kriegerische und eroberungslustige Frauenstaaten gegeben hat, ganz ebenso wie es auch bei den Männerstaaten der Fall ist.“ Ihr Fazit würde grundsätzlich
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besagen, daß ein wirksamer Pazifismus sich nicht auf eine spezifische Wesensart des weiblichen Geschlechts bauen ließe. Mathilde Vaerting war es, die 1929 in Berlin einen Artikel veröffentlichte, worin sie dafür plädierte, den Friedensnobelpreis der Feministin Helene Stöcker (1869–1941; Exil in der Schweiz, in Schweden und in den USA) zuzuerkennen.35 Helene Stöcker36 tritt, inspiriert von Bertha von Suttners Roman Die Waffen nieder!, noch während ihres Studiums in die – 1892 gegründete – „Deutsche Friedensgesellschaft“ (DFG) ein. Sie beschäftigt sich vor dem Weltkrieg allerdings bevorzugt mit der Frage der Sexualrechtsreform. Im Krieg und Nachkrieg legt sie jedoch den Schwerpunkt ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf die Friedenspolitik und beteiligt sich „maßgebend an nahezu allen nicht religiös oder parteilich gebundenen pazifistischen Initiativen“; u. a. als Vizepräsidentin der DFG 1919–1929. 1920 fordert sie eine „Linksfront“ gegen die Gefahr des „weißen Terrors“. 1926 wird sie Mitglied der „Gruppe Revolutionärer Pazifisten“. In ihrem Artikel Mutterschutz und Pazifismus (1919) schildert sie ihren Weg und den ihrer Mitstreiterinnen Sie hätten ihren Blick erweitern müssen, von der Fixierung auf das erotische Leben auf „das staatliche Leben“: „Sein oder Nichtsein der bewohnten Erde hängt am Ende von der Anerkennung ab, daß die Gesetze der Moral, die wir erst nur für beide Geschlechter innerhalb des Liebeslebens zur Geltung bringen wollten, ebenso für das staatliche Leben, für das Leben der Völker miteinander zur unumschränkten Herrschaft kommen müssen.“37 Sie verneint die Behauptung, „daß wir ja Demokratie, Wahlfreiheit und Preßfreiheit schon besitzen“.38 Sie benennt, was sie und ihre Freunde vom Marxismus trennt: „die Skepsis, ob mit den sicher mannigfach notwendigen wirtschaftlichen Reformen schon die Ziele erreicht werden können, die für die Begründung einer wahrhaft gerechten Ordnung des Staates oder vielmehr der idealen menschlichen Gesellschaft wünschenswert sind.“ Sie versichert, nach wie vor dem Idealismus anzuhängen und ihrem Bekenntnis treu zu bleiben: „daß für uns trotz allem – so wenig wir die Bedeutung der wirtschaftlichen Probleme verkennen – dennoch die Idee, der Geist, das Höchste und Primäre ist.“39 Worin sie philosophierend den sicheren Rettungsanker erblickt? Sie ordnet sich mit ihrer
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Gedankenwelt einer Tradition ein, die zur selben Zeit auch ihr Kampfgefährte Hiller propagiert, in eine Linie, die bis zu Platon zurückreicht: daß „wir, um zu idealen Zuständen menschlicher Gesittung und Weltgestaltung zu gelangen, nach der Führung der geistig Reifsten und sittlich Besten streben müssen“, nach der „Herrschaft der Besten“.40 Vom 13. bis 15. Juni 1919 veranstaltete die Deutsche Friedensgesellschaft in Berlin einen Pazifistenkongreß, um sich neu zu konstituieren und ihre Aufgaben und Ziele neu zu bestimmen. „Das verstärkte Hervortreten linkspazifistischer Kräfte wurde auch bei der Wahl der neuen Führung sichtbar.“41 Sie gab sich eine neue Spitze in Form eines dreiköpfigen Präsidiums, zu welchem neben Helene Stöcker Ludwig Quidde und Hellmut von Gerlach gehörten. Der liberale Historiker Quidde (1858–1941; seit 1933 Exil in der Schweiz; Träger des Friedensnobelpreises 1927)42 hatte sich bereits im Kaiserreich politisch betätigt und zählte damals zu den bekannten deutschen Oppositionellen. Die Veröffentlichung seiner Satire Caligula (1894), mit der er den Kaiser, Wilhelm II., verspottete, bedeutete für ihn das Ende seiner wissenschaftlichen Laufbahn als Professor, so daß er sich fortan als Privatgelehrter durchschlagen mußte. Er zog nach München um, wo er in verschiedenen Gremien politisch wirkte: 1902/11 im Münchener Gemeindekollegium, 1907/18 im Bayerischen Landtag, seit 1902 im Präsidium der DFG, als deren Präsident er seit 1914 amtierte (bis 1929). 1918/19 Mitglied des Provisorischen Bayerischen Nationalrats, wurde er 1919 für die Deutsche Demokratische Partei in die Deutsche Nationalversammlung gewählt. Wegen eines Artikels, worin er sich über die illegalen Rüstungen der Reichswehr geäußert hatte, inhaftierten ihn 1924 die bayerischen Behörden. Aufgrund ausländischer Demarchen mußten sie ihn aber frei- und die Anklage wegen Landesverrats gegen ihn fallen lassen. 1929 verlor er den Vorsitz der DFG. Mit Ruprecht Großmanns Worten: Quidde „war einer der bedeutendsten Kriegsgegner und Friedenskämpfer“ in Deutschland.43 Weniger als Theoretiker, denn wie Kurt Hiller anmerkt: „Quidde’s Hauptverdienst um die Friedensbewegung dürfte organisatorischer Art gewesen sein.“44 Seines Wirkens wird in vielen Publikationen seiner Zeitgenossen
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gedacht. In seinem langen Leben traf man ihn an verschiedenen Orten, in verschiedenen Situationen, in verschiedenen Funktionen. Am 16. November 1914 schlossen sich Kriegsgegner und Antimilitaristen aus der Schicht der Intellektuellen, aus dem Adel, dem Bürger- und Kleinbürgertum zum „Bund Neues Vaterland“ zusammen. Darunter waren außer Quidde u. a.: die Frauenrechtlerinnen Minna Cauer und Helene Stöcker, Sozialdemokraten wie Eduard Bernstein und Rudolf Breitscheid, die Schriftsteller Eduard Fuchs und Wilhelm Herzog sowie der Pazifist Hellmut von Gerlach. Am 30. Juli 1916 errichteten in Frankfurt am Main Mitglieder der DFG, des Bundes Neues Vaterland und andere Kriegsgegner die „Zentralstelle ‚Völkerrecht‘“ (ZV), die als „Deutsche Zentralstelle für dauernden Frieden und Völkerverständigung“ firmierte. Den Gründungsaufruf, der im August 1916 in linksliberalen und sozialdemokratischen Blättern erschien, verfaßte Quidde gemeinsam mit Gustav Landauer. Felix Fechenbach erlebt Quidde in der Novemberrevolution: „Im Sitzungssaal des Landtags trat am Nachmittag der Provisorische Nationalrat des Volksstaates Bayern zu seiner ersten Sitzung zusammen. Er bestand aus den Mitgliedern des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates, den Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei und des Bauernbundes aus dem alten Landtag und einigen freisinnigen Abgeordneten, darunter Professor Ludwig Quidde.“45 Ludwig Quidde führte ein halbes Jahrhundert lang ein- und denselben Kampf, den er früh als seine Lebensdevise hervorhob. 1893 veröffentlichte er seine Polemik: Der Militarismus im heutigen Deutschen Reich. Eine Anklageschrift. Darin heißt es: „Jede Stärkung des Militarismus kommt schließlich reaktionären Bestrebungen zugute, und will man einer freieren Auffassung im Staatswesen die Bahn öffnen, so muß man entschlossen den Militarismus angreifen: denn in ihm steckt der Kern und der Halt des im Grunde doch noch immer halbdespotischen Systems.“46 Nach der Novemberrevolution zählte Quidde zu denjenigen Demokraten, die annahmen, daß nunmehr das politisch-gesellschaftliche, militaristisch fundierte System des Reichs während der Kaiserzeit im wesentlichen überwunden wäre, denn es hätte eine Umwälzung stattgefunden, die „so tiefgehend wie niemals eine in der deutschen Geschichte gewesen“ sei.47
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Paul Freiher von Schoenaich (1866–1954; 1933 zehnwöchige Haft, danach Ausgangs-, Veröffentlichungsverbot u. a. Schikanen) übernahm in Quiddes Nachfolge in der DFG das Amt des Präsidenten. Den Weg dahin fand er nach siebenunddreißigjähriger Militärdienstzeit, die er im Rang eines Generals beendete. Im Vorwort seines Buchs Mein Damaskus nennt er sich ein „lebendes Beispiel der deutschen Entwicklung“, was er zwar „mit all seinen Altersgenossen gemeinsam“ habe. Jedoch: „Was mich von ihnen unterscheidet, ist, daß ich einer der sehr wenigen bin, die sich von ihrem bisher beschrittenen Wege radikal abgewendet haben.“48 Seit März 1919 steht er an der Spitze mehrerer Kavallerieeinheiten. Später im selben Jahr erfährt er bei einer Besprechung mit General von Lüttwitz von dessen konterrevolutionären Plänen. Er widersetzt sich. Vier Wochen später veranlaßt der General Schoenaichs Entlassung aus der Reichswehr. Lüttwitz ist im März 1920 Miturheber des Kapp-Putsches. Im Dezember 1918 tritt Schoenaich der Deutschen Demokratischen Partei bei. Schnell wird er in Ämter gewählt: darunter in den Reichsparteiausschuß und in den Landesvorstand Schleswig-Holstein der DDP. Im Jahre 1930 faßt er sein politisches Glaubensbekenntnis nach Stichwörtern zusammen: „Pazifismus, Bodenreform, Abrüstung und Sozialpolitik“.49 1922 war er Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft geworden, wird 1929 deren Präsident. Im „alten schwertgläubigen Preußentume“ befangen50, war er 1913, dem Jahr der Feiern zum Andenken an die „Befreiungskriege“, noch „felsenfest von der Notwendigkeit, Nützlichkeit und Unvermeidlichkeit der Kriege im allgemeinen überzeugt“.51 Vom Saulus zum Paulus: „Seit ich aber weiß, wieviel selbstsüchtiger Schwindel sich hinter dem Wort Vaterland versteckt, da spreche ich es mit aller Deutlichkeit aus, daß der, der den Krieg kennt, und dann noch leichtfertig mit dem Gedanken des Krieges spielt, womöglich von Frische, Fröhlichkeit und Ritterlichkeit faselt, ein Verbrecher ist oder ein Narr.“52 Er hebt das materielle Motiv hervor: „Auch der Weltkrieg war in seinem inneren Wesen ein Ringen um kapitalistische Rohstoff- und Absatzmärkte.“53 Er klagt die Machthaber an, „die ihrem persönlichen Eigennutz die Interessen der von ihnen regierten Massen opfern. Am be-
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zeichnendsten ist in dieser Hinsicht die Rüstungsindustrie aller Länder, für deren Profit sich die Millionenmassen hinschlachten lassen müssen.“54 Durch die NS-Jahre rettete er sich nicht zuletzt mit der Abfassung seines geheimen Tagebuchs – veröffentlicht 1947, abgedruckt in dem Buch: Mein Finale –, einer brillanten Kommentierung der Zeitereignisse, eines historischen Zeugnisses von beträchtlichem Wert Wie Schoenaich wählte auch Hans Paasche (1881–1920; von Freikorpsangehörigen ermordet) den Weg vom kaiserlichen Offizier zum Pazifisten und Kritiker der Politik des Reiches.55 Er schied 1908 aus der Kriegsmarine aus, nachdem er in Deutsch-Ostafrika die menschenfeindlichen Methoden des Kolonialregimes beobachtet hatte. 1912 beginnt er mit der Veröffentlichung der Briefe des Afrikaners Lukanga Mukara, worin er – getarnt als Schwarzer – den Verfall der Zivilisation im Deutschen Reich anprangert, zugleich auch dessen koloniale Ambitionen. Bei Kriegsbeginn nimmt er den Militärdienst in der Marine wieder auf, bis 1916, als er definitiv daraus ausscheidet. Mitgründer der Zentralstelle ‚Völkerrecht‘, verbreitet er in der Bevölkerung von den Zensurbehörden in Deutschland verbotene Literatur. Damit zieht er die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich. Im Oktober 1917 arretieren sie ihn und klagen ihn wegen der Aufforderung zum Hochverrat an. Nach Perioden der Untersuchungshaft in Schneidemühl und Berlin-Moabit lassen sie ihn 1918 in ein Nervensanatorium in Berlin-Grunewald verlegen, aus dem ihn am 9. November des Jahres revolutionäre Matrosen befreien. Er wird in den Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte gewählt. Mitglied im Vorstand des Bundes Neues Vaterland, setzt er während der Novemberrevolution seine literarisch-antimilitaristische Agitation in Flugschriften fort. 1919 mahnt er. „Mache dir das ganz klar, Deutscher: Du bist ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Völker, wenn du nicht endlich Erbitterung zeigst gegen das System, das dich zum Henker deiner Nachbarn machte und dich schließlich selbst zerschunden hat. Du hast dich anstiften lassen, friedliche, glückliche Länder zu überfallen und in eine hoffnungslose Wüste zu verwandeln. … Es war deine historische Bestimmung, die Begriffe Vaterland, Nation bis zur Verrücktheit zu übertreiben; jetzt er-
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kenne deine Verführer, die Schuldigen des Weltkrieges, … dies Gemisch von Biederkeit, Heuchelei, Opportunismus, dies kriechende Untermenschentum mit Phrasenschwall …“56 Am 21. Mai 1920 erscheinen ca. 60 Soldaten der „Brigade Ehrhardt“ auf Paasches Gut „Waldfrieden“, die durch die schwindelhafte Anzeige herbeigelockt worden sind, der Hausherr verstecke Waffen für einen kommunistischen Aufstand. Paasche, der gerade vom Schwimmen in seinem See kommt, wird „auf der Flucht“ erschossen. Wie Paasche war auch Lothar Persius (1864–1944, Tod in der Schweiz) ursprünglich kaiserlicher Marineoffizier.57 Als Kommandant eines Kreuzers nimmt er Aufgaben im Fernen Osten wahr, entwickelt sich aber gleichzeitig zum Kritiker der deutschen Kolonialpolitik gegenüber China, der seine Artikel unter einem Pseudonym veröffentlicht. 1908 nimmt er seinen Abschied, um fortan als Journalist zu wirken. Da er die Schädlichkeit der deutschen Flottenbaupolitik erkennt und ihr Fiasko voraussieht, wendet er sich dem Pazifismus zu. Später wirkt er zeitweilig im Vorstand der Deutschen Liga für Menschenrechte. Um die Voraussetzung für die Konsolidierung einer demokratischen Republik in Deutschland zu schaffen und um die Drohung des preußischen Militarismus zu eliminieren, spricht er sich in der Revolutionszeit dafür aus, die Kriegsschuldfrage zu klären und einen Gerichtshof zur Aburteilung der Kriegsverbrecher einzusetzen. Als Mitarbeiter der „Weltbühne“ publiziert er eine große Anzahl marinekritischer Beiträge in dieser Wochenschrift. „Die Weltbühne“ der Zeit vom April 1918 bis 1933 (im März vom NS verboten) nannte sich „Wochenschrift für Politik, Kunst, Wirtschaft“. Sie entstand im Vorfeld der Novemberrevolution, als der Gründer der 1905 etablierten Theaterzeitschrift „Die Schaubühne“, Siegfried Jacobsohn (1881–1926) sich entschloß, diese fortan unter dem Namen „Die Weltbühne“ herauszugeben. In der Forschung und in Nachschlagewerken wird ihr nicht selten das rühmend gemeinte Epitheton verliehen: „Kampfblatt“.58 Im Gegensatz zu Betrachtern der damaligen Ära, die der „Weltbühne“ wegen ihrer Kritik an Mißständen in der Weimarer Republik (Mit-)Schuld an deren Untergang zuschreiben, urteilt Klaus-Peter
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Schulz: „Es ist kaum übertrieben zu behaupten, daß Redaktion und Mitarbeiter der ‚Weltbühne‘ an ihrem bescheidenen Platze für die Erhaltung und Festigung der Demokratie mehr getan haben als alle Regierungen der Weimarer Republik zusammengenommen.“59 Wie zahlreiche andere Publizisten in der Novemberrevolution und Nachkriegszeit forderte auch Jacobsohn „als Voraussetzung der Demokratisierung Deutschlands die Abkehr von der militaristischen Tradition“.60 Für ihn bildete es einen Hauptvorwurf gegen die Mehrheitssozialdemokratie, daß sie, anstatt die Abkehr einzuleiten, das Gegenteil erwirkte: die Wiederherstellung des Militarismus.61 Der Tagebuchschreiber Mühsam hielt dankbar fest, daß Jacobsohn den Gefangenen, die als Protagonisten der bayerischen Räterepublik nach deren Ende auf der Festung Niederschönenfeld inhaftiert waren, eine Summe in beträchtlicher Höhe als Unterstützung zukommen ließ.62 Nach Jacobsohns Tod übernahm sein Freund und Hauptmitarbeiter Kurt Tucholsky (1890–1935; im schwedischen Exil Depression, schließlich Tod durch eigene Hand) für ein knappes Jahr die Funktion des Herausgebers (Dezember 1926 bis Oktober 1927). Er hatte von 1909 bis 1912 an den Universitäten Berlin und Genf Jura studiert (Promotion: 1914). Während des Weltkriegs eingesetzt an verschiedenen Fronten in Osteuropa, diente er zuletzt als Vizefeldwebel. Nach dem Kriege arbeitete er als Journalist, für kurze Zeit auch als Volontär in einem Bankhaus. In der Novemberrevolution trat er zunächst der USPD bei (bis 1922, danach Mitglied der SPD), und auch mehreren Organisationen der Friedensbewegung: u. a. der DFG, der Deutschen Liga für Menschenrechte (in ihr seit 1926 im Vorstand), und der Gruppe Revolutionärer Pazifisten. Gleich seinem Freund Jacobsohn erkannte er den Hauptfeind der neu errungenen Demokratie im Militarismus. Hier ist ein herausgehobener Satz, der als seine Lebensdevise über seinem ganzen literarischen Werk und seinem politischen Agieren stehen könnte: „Das Ding liegt so: da steht der Militarismus, da stehen wir.“63 Ein Beispiel für Tucholskys antimilitaristische Einstellung bildet seine Schrift von 1919: Militaria64. Darin untersucht er in mehreren Abschnitten die Schäden in der deutschen Weltkriegsamee, so im ersten
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das Verhältnis von Offizier und Mann. Mit Wendung zugleich auch contra Spartakus betont er: „Worauf es uns ankommt, ist dies: den Deutschen, unsern Landsleuten, den Knechtsgeist auszutreiben, der nicht gehorchen kennt, ohne zu kuschen – der keine sachliche Unterordnung will, sondern nur blinde Unterwerfung. Unser Offizier hat schlecht und recht seinen Dienst getan, und auch den teilweise mäßig genug – aber er hat sich überzahlen lassen, und wir haben auszufressen, was ein entarteter Militarismus uns eingebrockt hat. Nur durch völlige Abkehrung von dieser schmählichen Epoche kommen wir wieder zur Ordnung. Spartakus ist es nicht; der Offizier, der sein eigenes Volk als Mittel zum Zweck ansieht, ist es auch nicht – was wird es denn sein am Ende? Der aufrechte Deutsche.“ 65 Im Abschnitt Vaterländischer Unterricht rügt er die Intelligenzschicht – die Literaten ausgenommen –: „Es gaben sich zu dieser schändlichen Tätigkeit fast alle deutschen Professoren – besonders die Philosophen – und fast alle bekannten Schriftsteller her. Die sogenannten ‚Literaten‘ hielten sich von diesem Gewerbe meist fern, was zu ihrer Ehre gesagt werden muß.66 Der große Teil der Publikumslieblinge aber tat – reklamiert oder aus freier Neigung oder des Geldes wegen – mit und log das Blaue vom Himmel herunter über die Minderwertigkeit der Feinde und über die gottgefällige Verfassung des deutschen Heeres.“67 Gegen Ende des Artikels erhebt Tucholsky seine warnende Stimme: „Die Entwicklung des deutschen Militarismus ist nicht als abgeschlossen zu betrachten.“ Und daher gibt es, wie er vermutet, nur eine Art von Abhilfe: „Wir werden dafür zu sorgen haben, daß ohne zerschlagene Fensterscheiben und ohne politische Morde in den Köpfen unsrer Volksgenossen eine geistige Revolution entsteht, wie sie bisher gefehlt hat. … Wir bekämpfen nicht den einzelnen Offizier. Wir bekämpfen sein Ideal und seine Welt und bitten alle Gleichgesinnten, an ihrer Zerstörung mitzuhelfen.“68 Doch sei etwas in der Demokratie besonders Wichtiges in Deutschland nicht vorhanden: die demokratische Mitte in Gestalt eines republikanisch gesinnten Bürgertums. „Dieses deutsche Bürgertum ist ganz und gar antidemokratisch, dergleichen gibt es wohl kaum in einem andern Lande, und das ist der Kernpunkt alles Elends. … Sie kennen zwi-
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schen patriarchalischer Herrschaft und einem ins Räuberhafte entarteten Bolschewismus keine Mitte, denn sie sind unfrei. Sie nehmen alles hin, wenn man sie nur verdienen läßt. Und dazu sollen wir Ja sagen?“69 Die Unfreiheit ist das Kleben am Patriarchalismus, und das heißt ins Politische übertragen: an der 1918 abhanden gekommenen Monarchie. Zu den Versäumnissen des Bürgertums erschien in seinen Augen nicht zuletzt, daß es zuließ, wie einige der besten intellektuellen Protagonisten der Novemberrevolution sowie demokratische Politiker, die am Aufbau der neu entstehenden Republik mithalfen, von Attentätern ermordet wurden. Denkt man an die Toten in Kiel, an den 6. Dezember in Berlin und den 24. Dezember, so waren in den ersten beiden Monaten der Novemberrevolution von deren Parteigängern bereits zahlreiche gefallen. Obgleich politisch ein Gegner der Spartakisten, ehrt Tucholsky doch die Mordopfer: „Und eben, weil alle feinen Leute noch für den letzten Verbrecher und Rohling eintreten, wenn er nur Liebknecht totschlägt, und eben, weil die schlechtesten Deutschen aufatmeten, als zwei Idealisten ermordet wurden, eben deshalb bewahren wir unsre Trauer und unsern Schmerz und vergessen nicht.“ Tucholsky nennt die Konterrevolutionäre: „Die da drüben“, um fortzufahren, sie „kleben zusammen wie die Kletten – wir sind aneinander geschmiedet durch das Gedächtnis an Eisner und seine Brüder. An unsre Brüder.“70 In seinem Gedicht Eisner listet er vier Mordopfer auf: „Es starb Jaurès, Karl Liebknecht, Luxemburg, / Kurt Eisner –. / Wir wissen wohl, wie jener groß war, dieser kleiner – / wer feilscht hier um Formate! Eine Reinheit / ging von den vieren aus, / die leuchtete auf ihren Stirnen und den Händen. / Und ihre Stimme sprach: Ihr sollt nicht leiden!“71 Tucholsky schätzte weder den Schriftsteller noch den Politiker Rathenau. Als aber dieser 1922 dem Attentat zum Opfer fällt, reagiert er scharf, um mit den Einflüsterern der Mordtat abzurechnen. Er scheut sich nicht, die Namen derjenigen preiszugeben, die er für die Hauptverantwortlichen hält: Vor allen anderen Karl Helfferich (1872–1924), Volkswirt, dem zahlreiche Ämter zufielen: 1906 Direktor der Bagdadbahn, 1908 Direktor der Deutschen Bank, 1915 Staatssekretär im Reichsschatzamt, 1916/17 Staatssekretär des Innern und stellvertretender Reichskanz-
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ler, nach der Novemberrevolution Gründer und Führer der Deutschnationalen. Tucholsky bezichtigt ihn: „So, wie Karl Helfferich intellektuell an der Ermordung Erzbergers schuld ist, so sind die beiden Rechtsparteien – die Deutschnationale und die Deutsche Volkspartei – schuld an der Verbreitung der faustdicken Lügen und Verdrehungen, die Rathenau das Leben gekostet haben. … Denn das ist hier noch immer so gewesen: was der Junker versaut, muß der Jude ausfressen.“72 Zum Schluß seiner Darlegungen fordert der Autor energische Konsequenzen: „Was seit dem 9. November 1918, nach dem Kapp-Putsch, nach der Ermordung Erzbergers versäumt worden ist: jetzt und heute muß es Wirklichkeit werden. Hinaus mit den paar tausend Beamten aus der Republik, die gegen uns arbeiten! Hinaus mit den unzuverlässigen Generalen! Her mit der Auflösung der nationalen Verbände! Herunter von den Straßen mit allen Monarchisten und schwarzweißroten Tüchern! Walther Rathenau soll nicht umsonst gefallen sein. Wenn Ihr wollt, dann habt ihr an seiner Bahre endlich die Republik!“73 Beharrlich hält Tucholsky an Prinzipien fest, wovon er sich die Besserung der deutschen Zustände erhofft. Darunter die wichtigsten: „Der unbedingten Solidarität aller Geldverdiener muß die ebenso unbedingte Solidarität der Geistigen gegenüberstehen. … Aber alle positiven Vorschläge nützen nichts, wenn nicht die rechte Redlichkeit das Land durchzieht.“74 „Wir kämpfen allerdings mit Haß. Aber wir kämpfen aus Liebe für die Unterdrückten, die nicht immer notwendigerweise Proletarier sein müssen, und wir lieben in den Menschen den Gedanken an die Menschheit.“75 Das sind die Grundpositionen, für die Tucholsky sein Leben lang einsteht: Geist, Geistigkeit, Redlichkeit, Liebe, Humanität. Mitte des Jahres 2014 äußerte der pazifistische Publizist Jürgen Todenhöfer: Man müsse „für den Frieden sehr laut werben. Manchmal auch provokant. Vor den letzten zwei Weltkriegen waren die Friedensanhänger viel zu leise. … Seit ich Kriege und ihr unglaubliches Leid miterlebe, überlege ich, wie man Kriege verhindern kann. Mein Ergebnis ist, daß die einzige, Erfolg versprechende Methode darin besteht, den Menschen zu zeigen, daß es keine anständigen Kriege gibt und nie geben wird. Man muß den Krieg ächten.“76 Was er der pazifistischen Bewegung
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an die Hand geben möchte, ist also die effektive Methode der Bekämpfung des Phänomens Krieg. Damit steht er in Tucholskys Tradition, der plante, dem wirkungslosen Pazifismus mit dessen Widerspiel zu begegnen, dem wirkungsvollen Pazifismus. Daß der Pazifismus vor dem 1. Weltkrieg nicht genügt hatte, erwies für ihn die Geschichte. Seine Untersuchung Über wirkungsvollen Pazifismus stammt aus dem Jahre 1927.77 Darin argumentiert der Verfasser: Die Friedensgesellschaften der verschiedenen Länder versuchten aufzuzeigen, „wo die wahre Anarchie sitzt“, welche die Kriege erzwingt: im Staat, mehr noch, „was wahre Kriegsursache ist“: „die Wirtschaft und der dumpfe Geisteszustand unaufgeklärter und aufgehetzter Massen“.78 Notwendig sei es daher, die Bevölkerungen aufzuklären: „wie ein Staat wirklich aussieht; wie die Struktur der Gesellschaft ist; wie die wahren Grenzen in Europa und anderswo laufen“79; – was heißt jedoch „die wahren Grenzen“? Die Erkenntnis muß da sein, daß nicht „drüben der Feind steht – er steht hüben“80, d. h. die Einsicht soll verbreitet werden, er stehe im eigenen Land. Als im Folgejahr im Reichstag bei den Beratungen über den Panzerkreuzerbau das Wort vom „gesunden Pazifismus“ fiel (1928), setzte Tucholsky mit einer Glosse nach, wobei er das Wort als Titel wählte: Gesunder Pazifismus.81 In dem Text widersprach er einer Unterscheidung des Pazifismus in gesund oder ungesund, denn: „Jeder Pazifismus, der den Krieg für Petroleum, für Industrien, für Schutzzölle nicht rundweg ablehnt, ist weder gesund noch ungesund, sondern überhaupt keiner .“82 Carl von Ossietzky (1889–193883) begann seine Arbeit für den Frieden 1913. Seine öffentliche Wirksamkeit (bis 1933) umfaßte zwei Jahrzehnte eines Zeitraums, zu dessen beherrschenden Themen der Militarismus und der Krieg zählten. Der Friedenskämpfer kündigte sich u. a. in dem Artikel mit der ironischen Überschrift an: Der heilige Mars (1913).84 Er enthält, wie Werner Boldt betont, „nicht nur eine Anklage gegen den Militarismus, sondern mehr noch eine Warnung vor dem Krieg“.85 Nach dem Kriege verlangte Ossietzky, „den neuen Geist zu schaffen“, „endlich jene geistige Erneuerung“ zu beginnen, „die der deutsche Michel jahrhundertelang versäumt hat“.86 Das vormalige Reich sei „zugrunde gegangen an der Überspannung des Machtgedankens, an
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dem blinden Vertrauen, daß Gewalt und blankes Eisen allein maßgeblich seien und Recht und Wahrheit läppische Phrasen … Wir müssen den plumpen Glauben an die Macht niederringen. Wir müssen der Macht vertrauen lernen, die im Geiste wurzelt, der die Tochter der Gerechtigkeit ist. … Wissenschaft und Technik … waren nicht in erster Linie da, zu helfen. Sie schufen Werkzeuge der Vernichtung, Werkzeuge gräßlichsten Mordes. Wir müssen die Wissenschaft wieder menschlich machen.“87 Es klingt wie ein Einwand gegen Eisners „Fanfaren einer neuen Freiheit“, wenn Ossietzky im November 1919 hadert: „Uns umweht noch nicht die Gottesluft der neuen Freiheit, wir leben noch inmitten von Zusammenbrüchen und Katastrophen.“88 Ein effektiver Pazifismus mußte nach 1918 vor allem einmal darauf gerichtet sein, eine Zweitauflage des Weltkriegs unmöglich zu machen. Seine Aufgabe lautete, sich zu befähigen, sich einem neuen Kriegsabenteuer in den Weg zu legen, überhaupt dem Phänomen Krieg. Dabei ließ Ossietzky sich von Immanuel Kants Schrift Zum ewigen Frieden inspirieren. Er zitierte diese, erwähnte sie. Einmal rühmte er sie begeistert: „aber das Lied des Immanuel Kant wird für ewige Zeiten Finsternisse durchdringen und die Nacht besiegen“.89 In einem seiner bekanntesten, zugleich sehr ausführlichen Artikel: Rechenschaft, blickt Ossietzky zum Zeitpunkt des Beginns seiner Gefängnishaft im Mai 1932 auf seine Parteinahme für die Republik, nach Ende der Monarchie, zurück. Er fragt – vielleicht mehr noch sich selbst als seine Leserschaft –, was es für einen Sinn gehabt haben würde, hätte er den Richtern die Aufklärung zuteil werden lassen, „daß ich in den ersten im Zeichen der monarchistischen Konterrevolution stehenden Nachkriegsjahren mich an den Versuchen beteiligt habe, eine republikanische Bewegung auf die Beine zu stellen? Daß ich seit 1920 in der Redaktion der ‚Berliner Volks-Zeitung‘ an der Schaffung der ersten republikanischen Abwehrorganisationen mitgewirkt habe …?“ Unter dem Begriff „Republik, republikanisch“ versteht er die gewaltenteilende Demokratie, antimilitaristische Politik und soziale Verpflichtung. Tatsächlich sah er die Festigung des demokratischen Rechtsstaats als unabdingbare Voraussetzung für die verläßliche Sicherung des Friedens. Rechts-
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staat aber bedeutete zugleich: Abwehr aller Anschläge auf die Demokratie samt Enttarnung der Feinde des Rechtsstaats. In der zweiten Hälfte der Weimarzeit waren unbestritten die gewaltsamsten darunter die Faschisten. Von einem Zeitabschnitt zum nächsten rückten sie militanter gegen die Demokratie ins Feld – oder: wurden ins Feld gerückt. Verfolgte nun der – zunächst immerhin noch demokratisch verfaßte – Staat nicht sie, sondern die pazifistischen Demokraten, wo war der tiefste Grund dafür? Ihn legt Ossietzky in offen: sie wurden von offizieller Seite bekämpft, weil sie „einen deutschen Lieblingsgedanken nicht teilen: wir glauben nicht an den Primat des Militärischen in der Politik“.90 Was stärkte damals diesen Lieblingsgedanken? Ossietzky antwortet: Die Republik habe es versäumt, den „spontanen Antimilitarismus, den unsre Heere aus dem Kriege mitbrachten“, auszubauen. Statt dessen unterdrückte sie ihn nach Möglichkeit. „Aus alledem aber wuchs als gefährlichste Frucht: die Suprematie der Militärs in der Politik.“91 Hatte den überlieferten „Primat des Militärischen“ nach dem verlorenen Krieg zunächst ein verbreiteter Antimilitarismus aufgewogen, büßte dieser doch dann rasch an Kraft ein, wodurch auf der anderen Seite sich der Militarismus neuerlich kräftigte, so wie auch die Begeisterung für die Demokratie sich in dem Maße verlor, wie die mit ihr anfangs verbundenen Hoffnungen sich als illusionär erwiesen. Bereits ein Jahr nach dem Ende des Kriegs, im November 1919, schrieb Ossietzky: „Neue Zeit? Nein, noch taumelt alles im Labyrinth des Krieges. Damit ist aber unsere pazifistische Arbeit notwendiger denn jemals. … Es ist vielmehr unsere höchste Pflicht, uns mit aller Kraft für die Durchdringung Deutschlands mit pazifistischem und demokratischem Geist einzusetzen.“92 Die Gründung des ‚Völkerbunds‘ nach Ende des 1. Weltkriegs erscheint auf den ersten Blick als die Verwirklichung eines Gedankens von Kant, als Erfüllung eines der Vermächtnisse der Aufklärung. Ossietzky hing daran, aber er hing an ihm nicht in seiner nunmehr realisierten Gestalt. 1920 plädierte Ossietzky dafür, ihn zu einer Organisation „gleichberechtigter Völker umzugestalten“93. Boldt weist darauf hin: „Seinen Vorstellungen entsprachen die ‚Richtlinien für einen wahren Völkerbund‘, die Harry Graf Kessler auf dem Braunschweiger Kongress94
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mit großem und nachhaltigem Erfolg vorgestellt hatte …“95 Kessler legte seine Kritik bereits 1919 dar: „Ein Fehler, der in die Augen springt, ist, daß er von den Staaten ausgeht, die in einer natürlichen Kampfstellung zueinander stehen, statt von den großen wirtschaftlichen und menschlichen Interessen und Verbänden, die von sich aus zur Internationalität streben.“96 Für Ossietzky, so notiert Boldt, war faszinierend „der Gedanke eines ‚demokratischen Bundes der Völker‘, wie ihn Kessler propagierte“.97 Wäre nicht der Völkerbund nach dem Weltkrieg verpflichtet gewesen, vor allem zugunsten der Freiheitsbewegungen in den Kolonien und den vom Imperialismus bedrohten Ländern der außereuropäischen Welt einzugreifen? Zum Unglück war von ihm nicht zu erwarten, daß er den Emanzipationsbewegungen Hilfe leistete, ja, vielleicht nahm er die Vorgänge nicht einmal wahr? Daher mahnte Ossietzky: „Nicht Einbalsamierung modernder Präponderanzen, sondern Schutz des Werdenden, Versuche, unvermeidliche Entwicklungen möglichst zu entbarbarisieren, – das müßte sein Programm sein.“98 Wie er beobachtete, begegnete der zeitgenössische Pazifismus in Deutschland dem in der ganzen Welt angefachten Freiheitskampf der kolonialen Völker phrasenhaft kraftlos, und darin sah er einen Beweis der mangelnden Solidarität. Er schrieb: „Aber wenn der kommunistische Redner fragt, ob der geschundene chinesische Kuli nicht ein Recht hat, sich zu wehren, ob etwa Abd el Krim99 nicht ein Recht hatte, zur Empörung aufzurufen, dann serviert der pazifistische Sprecher Humanität oder verweist auf den Völkerbund oder wird ganz einfach grob.“100 Eine ähnliche Sorge wie diejenige Tucholskys wegen der Schwäche des Pazifismus in Deutschland bewegte Ossietzky früh. 1921 manifestierte er seinen Begriff von Pazifismus: „Was ist der Pazifismus heute? Eine Addition von Gruppen und Vereinen. Was muß er werden? Der Wille von Millionen, sich nicht zum Schlachtvieh degradieren zu lassen.“101 Eine Übereinstimmung mit den späteren Ausführungen Tucholskys ist in der Anweisung zu finden, die das Zentrum von Ossietzkys Überlegungen bildet: „Der Weg zum Volk muß gefunden werden, damit das deutsche Volk endlich wieder den Weg zu den Völkern findet.“102 Die Friedensbewegung, so vermerkt er, habe lange als ausgesprochen fe-
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minin gegolten: „An das Friedensproblem zu rühren galt seit Sedan als schlapp, weibisch und antinational.“ Es wäre als „unmännlich“ erschienen: „Der Pazifismus trug für die Menge stets das Cachet (Gepräge – d. Verf.) des Exklusiven, ärger noch, des Unmännlichen.“103 Aber befürwortete Ossietzky nicht gerade, daß der Pazifismus ins Volk, in die Menge getragen werde, und zählten dazu nicht auch energisch-kämpferische Frauen, deren Bemühungen für den Frieden mit Prädikaten wie „unmännlich“ kaum zu charakterisieren waren? Mehrere Jahre lang, bis 1924, betätigte Ossietzky sich in Vereinigungen des ‚organisierten‘ Pazifismus. Auch nachdem er sich von diesem verabschiedet hatte, arbeitete er weiter auf den entscheidenden Mentalitätswandel hin. Mindestens sollte er in Deutschland, wie Ossietzky es sich vorstellte, Millionen bewegen, sollte er als Idee die Massen ergreifen – und in dieser seiner Anstrengung liegt womöglich in erster Linie Ossietzkys Größe als Autor –. Als Ossietzky am 10. Mai 1932 seine Gefängnishaft antrat, übernahm die Redaktionsleitung ein anderer seiner bewährten Mitsarbeiter: Hellmut von Gerlach (1866–1935; seit 1933 Exil in Frankreich, Tod in Paris). Der Jurist und Journalist, der preußischem Adel entstammte, der Radikaldemokrat und Pazifist leitete seit 1901 lange Jahre die Wochenzeitung „Welt am Montag“. Er gehörte zu den politischen Kämpen des Zeitraums, Mitglied in mehreren demokratischen und friedenspolitischen Parteien und Vereinigungen: u. a. in der DFG, im Bund Neues Vaterland (der Deutschen Liga für Menschenrechte)104, und er wirkte bei der Gründung der Zentralstelle Völkerrecht mit, ebenso bei der Gründung der Deutschen Demokratischen Partei. In seiner Autobiographie Von Rechts nach Links gesteht er, er empfinde sich „als geborener Frondeur“.105 Zur Erklärung des Buchtitels heißt es bei ihm, dieser beziehe sich auf eine grundlegende Veränderung seiner Position: den Übertritt vom Kreis um den antisemitischen Hofprediger Adolf Stoecker zum „Nationalsozialen Verein“ um Friedrich Naumann; das sei „der entscheidende Schritt für mich von rechts nach links“ gewesen.106 Vor allem machte auf ihn Friedrich Engels, den er in England kennenlernte, den größten Eindruck.107 Von 1903 bis 1906
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wurde er für die „Freisinnige Vereinigung“ in den Reichstag gewählt. Bei Kriegsbeginn sah er sich vollkommen isoliert. „In Zeiten allgemeiner Unvernunft Vernunft behalten, ist gefährlich.“ Dann fand er „Vereinzelte“, die „gegen den Kriegswahnsinn gefeit geblieben waren“, darunter Kapitän Persius, Theodor Wolff, Rudolf Breitscheid und Hugo Haase.108 In der Novemberrevolution fordert er am 8. November vor den Arbeitern von Telefunken in Berlin die sofortige Abdankung des Kaisers, sonst die Ausrufung des Generalstreiks. Er übernimmt das Amt des Unterstaatssekretärs im Preußischen Innenministerium. Schon am 18. November 1918 reist er in diplomatischer Mission nach Polen, wo er über Lebensmittellieferungen verhandelt, die im Reich dringend benötigt werden.109 Beim Kapp-Putsch, erfährt er, figuriert er auf der Liste derer, die nach dem von den Putschisten erhofften Sieg auf dem Potsdamer Platz erschossen werden sollen – er als erster.110 Im Exil setzt er seine publizistische antifaschistische Tätigkeit fort, ist auch führend an der Kampagne beteiligt, die für die Verleihung des Friedensnobelpreises an Ossietzky eintritt. Er fühlte sich bestätigt, als inmitten des Krieges der Sozialdemokrat Heinrich Ströbel zu ihm kam und ihm gestand: „Im Kriege haben die bürgerlichen Pazifisten die Probe bestanden, viele meiner Parteigenossen nicht. Ich sehe ein, daß besondere pazifistische Organisationen nötig sind.“111 1922 liefert Gerlach im Handbuch der Weltfriedensströmungen der Gegenwart eine Definition der auswärtigen Politik des Pazifismus (und des Pazifismus selber); man darf sie als seine Konfession auffassen: „Ihr ist zunächst der Staat kein Gott und kein Götze, sondern lediglich ein Mittel zum Zweck. Nämlich zu dem Zweck, der größtmöglichen Zahl seiner Angehörigen die bestmögliche Lebenshaltung zu gewährleisten. Der Mensch allein ist Selbstzweck. Erhaltung des Menschenlebens ist die elementarste Aufgabe des Staates. Ebensowenig wie der Pazifismus utopisch genug ist, um die Interessengegensätze innerhalb eines Volkes zu leugnen, leugnet er die Gegensätze zwischen den nun einmal bestehenden Staaten und die Unterschiede zwischen den verschiedenen Nationen. Er bestreitet nur, daß diese Unterschiede und selbst Gegensätze zu Kriegen zu führen brauchen. … Die auswärtige
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Politik des Pazifismus geht davon aus, daß es überhaupt keinen internationalen Konflikt geben kann, der nur durch Krieg beigelegt werden könnte. Wie das Faustrecht im nationalen Leben beseitigt ist, so kann es auch im internationalen Leben verschwinden. Voraussetzung dafür ist zweierlei: internationale Rechtsformen, die den nationalen Rechtsformen entsprechen, und ein die Mehrheit der Menschen erfüllender pazifistischer Geist, der diesen Rechtsformen zwingende Autorität verleiht.“112 1922 erscheint unter dem Titel Die große Zeit der Lüge seine Schrift, die er aus Beiträgen zusammenstellt, die als Artikelfolge in der „Weltbühne“ veröffentlicht worden waren. Hierin charakterisiert er den Gegner, den Antipazifismus: „Dieselben Kreise, die bewußt antirepublikanisch sind, sind auch bewußt antipazifistisch. Sie glauben nicht an Völkerversöhnung, wollen sie zum großen Teil auch gar nicht. Sie wissen wohl, daß heute Deutschland keinen Krieg führen kann. Aber sie wollen den kriegerischen Geist im Volk aufrechterhalten oder, soweit er nicht mehr existiert, ihn wieder wachrufen. Sie predigen Haß und Hoffnung auf Revanche.“113 Für seinen bemerkenswert scharfen Blick spricht, daß er bereits im Sommer 1920 (30. August) die Gefahr sichtete, die von den ‚Nationalsozialisten‘ ausging, welche kaum jemand sonst der Beachtung würdigte: „Es gibt keine größeren Schädlinge des deutschen Volkes als die Hakenkreuzhelden.“114 Am Ende seiner Autobiographie entfaltet er noch einmal seine politische Konfession: „Von den Zinnsoldaten meiner Jugend her habe ich mich entwickelt zu dem überzeugten Bekenner des Kriegsrufs: ‚Nie wieder Krieg!‘ Nicht, als wenn ich glaubte, es könne keine Kriege mehr geben. Gerade weil ich sie für möglich halte, scheint mir die planmäßige Bekämpfung des Kriegsgedankens und der Kriegsbevölkerung unerläßlich. Die Parole ‚Nie wieder Krieg!‘ ist kein Glaubenssatz, sie ist ein Willenssatz. Es braucht keine Kriege mehr zu geben, wenn homo wirklich sapiens ist, wenn er den Beweis erbringen will, daß er sich wirklich von den anderen Lebewesen durch Vernunft unterscheidet. Es wird keinen Krieg mehr geben, wenn die Massen einsichtig und entschlossen genug sind, ihren Willen dem der Rüstungsindustrie überzuordnen.“115
V. Intellektuelle im Spartakusbund und in dessen Umkreis Die sich über den Krieg erhoben Besaßen andere Vereinigungen größeres Gewicht durch den Umfang ihrer Mitgliedschaft – voran die sozialdemokratischen, MSPD und USPD –, so hob sich der zahlenmäßig schwächere Spartakusbund (seit der Jahreswende 1918/19: KPD) gerade dadurch heraus, daß in ihm gleich mehrere bekannte Intellektuelle des Zeitraums wirkten. In der Perspektive einer Menge von Zeitgenossen, der befreundeten wie der verfeindeten, rückten zwei davon während der Novemberrevolution in die Rolle von Symbolen: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, kämpferische Persönlichkeiten, die man, so Haffner, weithin als Inkarnation der Novemberrevolution betrachtete. Beider Tötung habe dieser insgesamt gegolten: „mit ihnen erschlug man die Revolution“. Haffner zufolge handelten die Mörder 1919 aus noch einem zweiten Motiv. Man hätte wahrgenommen, „daß sie wie niemand sonst das falsche Spiel, das von Anfang an mit der deutschen Revolution von ihren angeblichen Führern getrieben wurde, erkannten und ihre Erkenntnis täglich laut herausschrien.“1 Die Angabe „wie niemand sonst“ wird in bezug auf die Analysen anderer Zeitgenossen der Revolution, bedeutender Demokraten und Pazifisten, doch zu relativieren sein – selbst wenn ein Tagebuchschreiber die seinigen ja keinesfalls ‚herausschreit‘ –. Spricht Gerhard Engel von der „Illusion der Linksradikalen wie der Linkssozialisten in der Bremer USPD“2, so wird seine Feststellung zu erweitern sein, denn dieselbe Illusion hegten bedeutende Teile der gesamten Linken im Reich, auch Spartakus. Die Wahrheit ist, daß ihre Gedankenwelt sich stark als durch eine Mehrzahl von Illusionen geprägt erwies. Eberhard Kolb bezieht sich auf zwei Grundannahmen in der sozialistischen Lehre: Es gebe „geschichtliche Entwicklungsgesetze“, eine Garantie, daß die Sozialisten unvermeidlich ins Ziel getragen würden – eine Art von historischem Fatalismus –, wozu „jener beinahe mystische
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Glaube an die revolutionäre Masse“ komme.3 Die Menschengattung, zumindest in den europäischen Ländern, durchläuft geschichtlich drei Stufen vom Feudalismus über den Kapitalismus zum Sozialismus. Diese letzte wäre an der Zeit. Doch entspräche die durch die Novemberrevolution im Reich herbeigeführte Demokratie nicht dem Drängen der Epoche zum Sozialismus, der Notwendigkeit des Weiterschreitens. Dem Gesamtverlauf schrieb man dann „Gesetzmäßigkeit“ zu, so etwa Trotzki.4 Politisch-gesellschaftliche Vorgänge erscheinen deshalb in der sozialistischen Gedankenwelt nicht selten als naturgemäße; naturgesetzliche. Ein Beispiel ist die oftmalige Verwendung des Verbums „reifen“, etwa in einer Überschrift: Das Heranreifen der Revolution in Deutschland unter dem Einfluß der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution (November 1917-Oktober 1918).5 Die radikalen Revolutionäre, in Rußland wie in Deutschland, agierten in der Erwartung, daß der Vorstoß zum Sozialismus sich durchaus nicht einzig in einem Land vollziehen werde, sondern auf dem ganzen Erdball. Man stehe unmittelbar vor der „Weltrevolution“, wo nicht schon mitten in ihr. Sie sei als Leistung dem Proletariat im Weltmaßstab auferlegt, in den einzelnen Ländern der „Masse“ der Bevölkerung. In Wahrheit belastete diese Forderung die Vielzahl der Proletarier, der Entrechteten unverhältnismäßig und ging tatsächlich weit über deren Kräfte hinaus. Doch die Mehrzahl der Mitstreiter innerhalb der Arbeiterbewegung übernahm diese Vorstellungen gläubig. Ein anderer Teil akzeptierte eine Auswahl davon. Nicht alle Anhänger der Lehre verstanden diese jedoch im selben Sinne, so daß es Unterschiede zwischen ihnen gab. Franz Mehring (1846–1919), seiner Ausbildung nach klassischer Philologe, arbeitete Jahrzehnte lang als Journalist und Historiker, um die vorletzte Jahrhundertwende als wirkungsmächtigster wissenschaftlicher Publizist der deutschen Sozialdemokratie. Er hatte einen komplizierten Entwicklungsgang hinter sich, als er 1891 in die Sozialdemokratie eintrat.6 Bei Beginn des Weltkriegs bereits in höherem Alter, beteiligte er sich jedoch in der „Gruppe Internationale“ (seit Jahresanfang 1916: Spartakusbund), worin er der Älteste war, energisch an deren Aktivitäten gegen die Kriegspolitik und den Krieg. Er sah sich schon vor der Novem-
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berrevolution genötigt, dem aufflammenden Enthusiasmus für die „Diktatur des Proletariats“ die nüchterne Aufklärung entgegenzusetzen, wobei er auf die Intention von Marx verwies, von dem die Formel stammt7. Er verdeutlichte, „daß es sich dabei nicht um ewige Prinzipien, sondern um einen vorübergehenden Zustand handelt, nämlich um das Übergangsstadium der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaft, wo das Proletariat bereits die politische Macht erobert hat, aber zunächst die Trümmer der alten Gesellschaft beseitigen muß, um Bahn für die neue Gesellschaft zu schaffen.“8 Die Begrifflichkeit mißverstehe, wer die Parolen „Frieden“ und „Demokratie“ als einen – metaphysischen – Gegensatz zur Diktatur des Proletariats interpretiere, sie kurzerhand als konterrevolutionär abweisend. Bereits während der bürgerlichen Februarrevolution 1917 in Rußland hatte er auf die russischen Sozialisten gezählt, weil er sich ihnen im Abwehrkampf gegen den Krieg verbunden fühlte. In seinem Brief An den Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Arbeiter- und Soldatenrates; Genossen Tschcheïdse (vom 29. April 1917, also vor der Februarrevolution) versichert Mehring: „Die brennendste Aufgabe für uns alle ist gegenwärtig die Erkämpfung des Friedens …“ Derselbe Brief zeigt, daß auch in die Gedankenwelt des Briefschreibers, eines sonst imgrunde realistisch gestimmten Historikers, sich eine gehörige Illusion einzuschleichen vermochte. „Die Revolution in Rußland …, verbürgt den Sieg des gestern noch scheinbar zur völligen Ohnmacht verurteilten Sozialismus in allen Kulturländern.“9 Der Überschwang steckt in der Wendung vom verbürgten Sieg. Wiederum in einem Artikel zum vierten Jahrestag des Kriegsbeginns (1. 8. 1917), worin Mehring vom Beobachter sagt: „Aber sowenig wie von voreiligem Optimismus wird er sich von voreiligem Pessimismus irreführen lassen: Der dauernde Sieg wird der Revolution bleiben.“10 Einige Wochen später, und Mehring deutet immerhin an, daß der Ausgang der Revolution in Rußland von einer wichtigen Bedingung abhänge: „Die Bolschewiki selbst werden nicht müde zu wiederholen, daß ihr endgültiges Schicksal abhängt von der Teilnahme und dem Verständnis, den ihr Kampf in dem europäischen Proletariat findet, und sicherlich haben sie allen Anspruch darauf, daß na-
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mentlich auch die deutsche Arbeiterklasse ein richtiges Verständnis ihrer Politik gewinnt.“11 Also sucht er nach der Möglichkeit, der russischen Revolution das Interesse der deutschen Proletarier zu gewinnen. Immerhin kann er nach Rußland melden, daß eine – nicht zu große, doch beachtliche – sozialistische Minorität in der deutschen Sozialdemokratie an ihrer Seite streite. Vom 3. Juni 1918 datiert ein Offenes Schreiben Franz Mehrings an die Bolschewiki, worin er sich als „Ältester der Gruppe Internationale“ vorstellt, „nicht als einzelner“, sondern als Angehöriger „derjenigen sozialdemokratischen Richtung in Deutschland, die seit vier Jahren unter den schwierigsten Umständen, auf demselben Boden, mit derselben Taktik kämpft, wie sie von Euch angewandt worden …“12 Franz Mehrings freundschaftliches Gefühl für Karl Liebknecht (1871–1919, Mordopfer) drückt sich besonders in seinem Artikel Karl Liebknecht aus, der nach der Revisionsverhandlung (23. August 1916) in der Zeitschrift „Freie Jugend“ (Braunschweig) erschien. Karl war ein Sohn von Wilhelm Liebknecht (1826–1900), dem neben August Bebel bedeutendsten Schöpfer der Sozialdemokratischen Partei.13 Der Sohn Karl studierte Jura und Nationalökonomie (Dr. jur. 1897) und arbeitete seit 1899 in Berlin als Rechtsanwalt. 1900 Mitglied der SPD, gehörte er zum linken Flügel der Partei, für die er seit 1908 ein Mandat im Preußischen Abgeordnetenhaus wahrnahm, seit 1912 auch eines im Reichstag. Er wurde international zum bekanntesten deutschen Gegner des Weltkriegs, weil er als einziger Reichstagsabgeordneter am 2. Dezember 1914 die Bewilligung der zweiten Rate der Kriegskredite ablehnte. Seine Kriegsgegnerschaft gipfelte in seinem öffentlichen Protest in Berlin am 1. Mai 1916. Er sandte damit zugleich eine die Länder überstrahlende Botschaft aus, die bei allen Friedenswilligen Gehör fand. So rühmte Henri Barbusse (1873–1935) in seinem Roman Le Feu (‚Das Feuer‘, 1916), dem besten französischen Antikriegsbuch: „… sieh! Da ist ein Mensch, der sich über den Krieg erhoben hat, und sein Name wird voranleuchten, weil dieser Mut so selten und so groß ist …“ Eine helle Stimme merkt dazu an: „Liebknecht!“14 Als Zeitzeuge äußert Karl Kautsky in einem Brief vom 7. August 1916 an Victor Adler: „Liebknecht ist heute der
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populärste Mann in den Schützengräben, das wird von allen übereinstimmend versichert, die von dort kommen. Die unzufriedenen Massen verstehen nichts von seiner besonderen Politik, aber sie sehen in ihm den Mann, der für das Ende des Krieges wirkt, und das ist ihnen jetzt die Hauptsache.“15 Liebknecht wurde nach seiner Demonstration für den Frieden auf der Stelle verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen versuchten „Landes- und Kriegsverrats“ in 1. Instanz zu 2½ Jahren Zuchthaus verurteilt. In der Revisionsverhandlung verschärfte das Oberkriegsgericht das Urteil noch. Es lautete jetzt: 4 Jahre plus ein Monat. Ihn befreite erst am 23. Oktober 1918 die Novemberrevolution aus dem Zuchthaus Luckau Wie wirkte die Erscheinung Karl Liebknechts in der Novemberrevolution? Graf Kessler nimmt ihn als den Propheten des Fanatismus in einem Religionskrieg wahr, quasi als neuen Mohammed, der nicht im Zeichen des Islams, sondern im Zeichen des Bolschewismus kämpft. Am 5. Januar 1919 hört er ihn zum ersten Mal auf dem Alexanderplatz, als er vom Balkon des Polizeipräsidiums spricht. Kessler meint: „Die Fahne des Propheten weht auch vor Lenins Heeren.“ Der Liberale empfindet die „Welle, … die von Osten kommt“, als gefährliche Drohung, die sich in der Person Liebknechts verkörpere.16 Einen Monat später (4. 2. 19) besucht Kessler einen Vortragsabend im Auswärtigen-Amt-Verein. Als Referent tritt Eduard Stadtler auf, der Vorsitzende der Antibolschewistischen Liga. Er hält einen Vortrag über den Bolschewismus. In der anschließenden Diskussion äußern sich zwei Gäste, von denen einer Nichtstun empfiehlt, der andere dem Bolschewismus „jede Idee und Bedeutung“ abstreitet. Sie reizen den Grafen zu einer tiefer lotenden Entgegnung: „Ich trat beiden in einer längeren Rede entgegen, indem ich das Fehlen jeder Idee im Bolschewismus bestritt, seine Zertrümmerungstheorie im Gegenteil auf eine Grundanschauung von Karl Marx und eine Tendenz der ganzen modernen intellektuellen Welt zurückführte; und auch sonst die Tiefe und Breite der bolschewistischen oder spartakistischen Bewegung, ihre weit hinter den Krieg zurückreichenden Anfänge sowohl bei uns wie in England und Frankreich, ihre Verwandtschaft mit den bereits seit Jahren die Kunst revolutionierenden
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Richtungen betonte.“17 Am 10. desselben Monats hört Kessler noch einmal Stadtler. Die nachfolgende Debatte empfindet er so beschämend wie trivial, wonach er resümiert: „Das ungeheure Erlebnis des Bolschewismus ist trotz der Spartakuswoche noch dem Berliner Spießer fern.“18 Bei ihm findet sich außerdem eine andere aufschlußreiche Stelle, wo er die Verwandtschaft der radikalen sozialen Bewegung mit dem Umbruch in der Kunst der Moderne um 1910 behauptet. Am 16. Januar 1919, drei Tage nach der Niederschlagung des Januaraufstands, wohnt Kessler einer Theateraufführung bei. Sie ist „trotz der Unruhen gut besucht“. Es steht von Frank Wedekind (1864–1918) das Schauspiel Musik (1908) auf dem Programm. Für den Grafen Anlaß zu sinnieren: „Diese Wedekindsche, überhaupt berlinische Café-des-Westens-Welt mit ihren kühn gemeinten, fragmentarischen, etwas schwach-geistigen und naiven Tastversuchen nach neuer Ethik ist die, aus der Liebknecht zu verstehen ist. Für eine Weltrevolution ist das alles zu wenig, zu unreif, nicht menschlich und überzeugend genug. Liebknecht könnte aus einem Wedekindschen Stück entsprungen sein; er hatte das närrisch Revolutionäre, Donquichottehaft-Abenteuerliche, Prédikantenhafte, echt Humane, aber um jeden Preis Sensationelle des typischen Wedekindschen Räsoneurs: die Wedekindsche Mischung.“19 Man mußte schon das feine Gespür eines Literaturliebhabers und Kunstkenners besitzen, um aus den Schriften und Reden sowie aus dem Tun des Revolutionärs damals diese Kategorien aufzuspüren (neue Ethik, das echt Humane) und ihre Relevanz für die Gedankenwelt Liebknechts zu wittern. Es wartete auf die Zeitgenossenschaft der Beweis, daß der Revolutionär aus einem ethischen Impuls heraus handelte und daß ihm als gedankliche Basis seiner Aktivität eine philosophisch-humanistische Anschauung diente. Er legte diese während seiner Haft in Luckau (1916/18) schriftlich nieder in seinem Buch: Studien über die Bewegungsgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung. Als er es abfaßte, war ihm die Materie bereits seit fast dreißig Jahren vertraut (Vorform 1907/09). Seine Erben veranlaßten, es aus dem Nachlaß herauszugeben (1922).20 Überraschenderweise bezeugt es keine marxistische Grundauffassung.21 Nicht nur, daß Liebknecht sich auf Größen stützt wie Goethe,
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Hans Sachs, Hutten, Shakespeare, Spinoza, Tasso, die französischen Aufklärer, sondern er statuiert auch „Verwandtschaft“: „wie mit klassischer Antike, so mit Renaissance und Humanismus und der Periode der Reformation, Städterevolution usw. – als der Ideologie einer gleichfalls wirtschaftlich, politisch, religiös, ethisch, künstlerisch-revolutionären Epoche.“ Vor den zitierten Satz fügt er den Ausruf „ego!“ ein, wozu der Herausgeber bemerkt, daß Liebknecht hier seine eigene Überzeugung markierte.22 In dem Abschnitt: Der neue Humanismus skizziert Liebknecht seine Utopie in Miniatur sowie seine ökologische Sicht: „Eine künftige Menschheit wird – frei in allen ihren Gliedern: gleichviel welcher Rasse, welcher Farbe, welchen Geschlechtes – in überzeugter und fröhlich-starker Solidarität einander in allen ihren Gliedern unterstützend als eine einige und unteilbare Gesellschaft des äußeren Reichtums, der inneren Wohlfahrt, des Wohlwollens, der Menschenliebe, des Glückes, in ernster Arbeit und in heiterem Genuß ihre Bahn ziehen. … Nicht ferner, wie heute, die Natur feindlich zu hassen, zu entstalten (dies Verbum im Original – d. Verf.), zu zerstören, ist die künftige Menschheit da, sondern sie zu erhalten, sie zu lieben. Nicht Kampf und Haß, sondern Harmonie und Friede winkt am Ziele des steilen, dornigen Sturmweges der strebenden Menschheit.“23 Von Liebknechts eigentümlicher Sozialphilosophie her ist seine politische Motivation zu verstehen, wie Trotnow sie aufzeigt: „Sein Ziel war nicht die Erringung politischer Macht per se, sondern die Höherentwicklung der Menschheit mit Hilfe der Emanzipation des Proletariats.“24 Ohne Kenntnis des „Urmanuskripts“ wagt Trotnow doch die Studien als „das schriftliche Lebenswerk“ ihres Verfassers einzuschätzen. Aus ihrer Lektüre gewinnt er die folgende Formel: „Ideologisch betrachtet war Karl Liebknecht ein humanistischer Aufklärer … Kriterien der menschheitlichen Höherentwicklung waren dabei die von Liebknecht selbst definierten Ideale von Menschlichkeit und Gerechtigkeit.“25 Die Frage nach dem Wesen der Novemberrevolution sah Liebknecht eng verbunden mit dem Problem der Beendigung des Weltkriegs: „Es handelt sich zum großen Teil um eine politische Empörung speziell gegen den Krieg.“ Der Empörung verliehen zuerst die Matrosen Ausdruck:
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„Sie ist unmittelbar entzündet worden durch die Befürchtung der Marine, daß nach dem Zusammenbruch der Landfronten die Admiralität den Krieg auf eigene Faust fortsetzen wolle.“26 Der Friedensbegriff, den er gebraucht, erweist sich als dem kantianischen benachbart, weil er darauf abzielt, alle Kriege künftig unmöglich zu machen: „der dauernde Völkerfriede.“ Die Frage nach dem Interesse der Arbeiterbewegung am Frieden hängt allerdings zusammen mit der Frage: nach dem Ursprung der Revolution. Liebknecht antwortet: „Die deutsche Revolution ist … in der Hauptsache ein Werk der deutschen Soldaten und Arbeiter …“ 27 Indessen verkennt er nicht, daß die Revolution keineswegs allein auf die Volksmassen zurückzuführen sei. Beweis: seine Wendung „in der Hauptsache“. Er weiß nämlich vom Anteil anderer Kräfte, sagt ja auch, „daß die ‚Revolution‘, die sich fast unter behördlicher Aufsicht vollzog, bisher nicht mehr war als ein Zusammenbruch der autokratischen Formen, die das ‚tolle Jahr‘ übriggelassen hatte, als die Vollendung der bürgerlichen Revolution.“28 Fast „unter behördlicher Aufsicht“ wäre ein semantisches Äquivalent für ‚die Revolution von oben‘. Eines war also, das Werk der Fortyeighters zum erfolgreichen Abschluß zu bringen. Jedoch weshalb klagten Unzufriedene? Fehlte etwas? „Zunächst fragt sich, welche Revolution? Denn die jetzige Revolution hat mehrere sehr verschiedene Inhalte und Möglichkeiten. Sie kann sein und bleiben wollen, was sie bisher war: eine Friedens- und eine bürgerliche Reformbewegung. Oder sie kann werden, was sie bisher nicht war: eine proletarisch-sozialistische Revolution.“29 Liebknechts Analyse bezeugt seinen realistischen Blick auf die aktuelle Wirklichkeit, auf die Mentalität der Soldaten. Erstens, so berücksichtigt er, seien sie nicht alle Proletarier. Der Belagerungszustand im Kriege, die Zensur, die regierungsamtliche Kriegspropaganda, die Presse der Mehrheitssozialdemokratie, sie alle „waren nicht wirkungslos“. Zweitens: „Die Masse der Soldaten ist revolutionär gegen den Militarismus, gegen den Krieg und die offenkundigen Repräsentanten des Imperialismus; im Verhältnis zum Sozialismus ist sie noch zwiespältig, schwankend, unausgegoren. Ein großer Teil der proletarischen Soldaten wie der Arbeiter … wähnt, die Revolution sei vollbracht; nun gelte es nur noch
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den Frieden und die Demobilisation. Sie wollen Ruhe nach langer Qual.“30 Wirklich, fehlte nicht dennoch etwas? – In den Massen das Bewußtsein von der Notwendigkeit des Sozialismus, die sozialistische Revolution sei unausgeführt, es mangele an einem „sozialistischen Frieden“.31 Das ist es, worunter Liebknecht leidet, weil er fürchtet, daran könne das revolutionäre Gesamtvorhaben scheitern. Solange der Friede nicht ein sozialistischer sei, die Revolution keine proletarische, die Arbeiter und Soldaten nicht in ihrer großen Mehrheit dem Sozialismus gewonnen, schwebe alles Erreichte in Gefahr, verloren zu gehen. Weil er die Menschen, die Mehrzahl der Soldaten und Arbeiter, zum Umsturz der Gesellschaftsordnung vorwärts peitschen möchte, zählt ihm das bis dahin Erreichte doch recht wenig: „Dieses kümmerliche Ergebnis …“32 Zähle zu dem Erreichten die Demokratie? Liebknecht verneint, jedenfalls keine unverfälschte: „… da die ökonomische und soziale Abhängigkeit der arbeitenden Masse auch bei formaler politischer Gleichheit den herrschenden Klassen sachlich ein ungeheures politisches Übergewicht gibt und die ökonomische und soziale Abhängigkeit an und für sich wirkliche Demokratie ausschließt.“33 Und die Arbeiter- und Soldatenräte, wären sie tatsächlich im Besitz der höchsten Macht? „Von vornherein sind nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen, sondern auch viele politische Machtpositionen in den Händen der herrschenden Klasse geblieben. Und was sie davon verloren hatten, haben sie mit Hilfe der jetzigen Regierung zum größten Teile wiedergewinnen können: …“34 Seinen Argwohn, daß die Gegenrevolution frühzeitig unterwegs war, hatte er gleich am 10. November 1918 in der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte offenbart: „Die Gegenrevolution ist bereits auf dem Marsche, sie ist bereits in Aktion!“35 Seine Einsichten bewahren Liebknecht nun nicht davor, von Mal zu Mal in die Dimension des Illusionären abzudriften und sich an die eine oder andere Fata Morgana zu klammern, z.B: es könne die deutsche proletarische Revolution gleich noch zwei weitere Aufgaben in Angriff nehmen, erstens: „Diese Revolution wird die russische Revolution vor allen Schlägen retten ….“ Zweitens: „Die soziale Revolution Deutschlands muß kommen und aus ihr die soziale Weltrevolution des Proletariats
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gegen den Weltimperialismus.“36 Damit langt er beim ersehnten Ziel aller Ziele, der Weltrevolution an. Und so beendet er seine Rede Für die freie sozialistische Republik Deutschland, die er am 9. November 1918 am Berliner Schloß hält, mit der Aufforderung an sein Publikum: „Wer von Euch die freie sozialistische Republik Deutschland und die Weltrevolution erfüllt sehen will, erhebe seine Hand zum Schwur.“37 Liebknechts Wunschvorstellung ist es, daß sich das Projekt, zu dem er das Proletariat aufruft, ohne Gewaltanwendung realisieren lasse: „Also nicht zur Gewalt und nicht zum Blutvergießen rufen wir das Proletariat auf …“38 Liebknechts Mitstreiterin war Rosa Luxemburg (1871–1919, ermordet). Auch sie rief zu keinem Zeitpunkt das Proletariat zur Gewaltanwendung, zum Blutvergießen auf. Wenn dennoch gegenrevolutionäre Kräfte sich in der Öffentlichkeit dazu hinreißen ließen, ihr das Etikett „blutige Rosa“ anzuhängen, so lasteten sie ihr Greueltaten an, deren gerade sie selber sich schuldig gemacht hatten und weiterhin machten. Ausdrücklich sprach sie sich gegen Terror und Blutvergießen aus (14. Dezember 1918): „Die proletarische Revolution bedarf für ihre Ziele keines Terrors, sie haßt und verabscheut den Menschenmord.“ Allerdings der Gewalt der Konterrevolution müsse „die revolutionäre Gewalt des Proletariats“ sich entgegenstemmen – unklar: in Gestalt von Massenstreiks vielleicht? –. Jedenfalls defensiv.39 Als Rosa Luxemburgs Grundpositionen lassen sich erkennen: Die Revolution habe die Aufgabe, den Weltkrieg beenden zu helfen, u. a. durch Entmachtung der Verantwortlichen für diesen, und für einen dauerhaften Frieden zu sorgen. Der politischen Umwälzung müsse die soziale folgen. Nur der Erfolg der proletarischen Revolution im Deutschen Reich rette die russische und trage zur Ausbreitung der Weltrevolution bei. Das internationale klassenkämpferische Zusammenwirken sei Pflicht der deutschen Revolutionäre.40 Rosa Luxemburg kam in Zamośċ im russisch okkupierten Teil Polens zur Welt und wuchs hauptsächlich in Warschau auf, wo sie 1880/87 das Gymnasium besuchte. Erste politische Aktivitäten entwickelte sie in der sozialrevolutionären Partei „Proletariat“. 1889 emigrierte sie in die
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Schweiz und studierte in Zürich die Fächer Naturwissenschaft, Staatswissenschaft und Nationalökonomie (Promotion: 1897). Sie betätigte sich in der 1892 gegründeten vereinigten „Polnischen Sozialistischen Partei“ (PPS). Etwas später als Mitgründerin der „Sozialdemokratie des Königreichs Polens und Litauens“ (SDKPiL), die sich 1893 von der PPS abspaltete. Über die neu entstandene SDKPiL heißt es: „Sie war, lange bevor sie zur politischen Partei wurde, eine Gruppe gleichaltriger, gleichgesinnter Intellektueller.“41 1898 siedelte Rosa nach Deutschland über. Vom Dezember 1905 bis zum März 1906 beteiligte sie sich in Warschau an der (1.) russischen Revolution. Sie wurde verhaftet, doch nach wenigen Monaten frei gelassen. Im Reich trat sie der Sozialdemokratie bei, worin sie schnell ein hohes Ansehen als Theoretikerin und Agitatorin erwarb. Als sie einmal in der sozialdemokratischen Presse angegriffen wurde, protestierte Franz Mehring gegen „diese geschmacklosen Anzapfungen des genialsten Kopfes, der bisher unter den wissenschaftlichen Erben von Marx und Engels hervorgetreten ist …“42 Die Schauspielerin Tilla Durieux veranstaltete vor dem Kriege sonntags in den Arbeitervierteln Berlins zusammen mit dem Musiker Leo Kestenberg (1882–1962, Exil seit 1933) literarische Matinéen: „Wir wählten Melodramen, und Kestenberg begleitete mich, ich rezitierte Goethe, Schiller, Dehmel, Herwegh, Chamisso. Dazwischen spielte Kestenberg klassische Musik. Nach einem solchen Vortrag kam eine unscheinbare Frau auf mich zu und fragte mich: ‚Warum tun sie das?‘ – Ich war erschrocken, denn meine Kollegen ließen es nicht an bissigen Bemerkungen fehlen, so daß ich wieder Vorwürfe befürchtete. Als ich sagte, daß es mir eben Spaß mache, lächelte sie mich an und sagte: ‚Ich bin Rosa Luxemburg.‘ Das war der Anfang einer Reihe von Zusammenkünften mit dieser großen Frau, die ich allerdings geheimhielt, um nicht noch mehr auf mein schuldiges Haupt zu laden. Einmal lernte ich durch sie auf einer Versammlung flüchtig Karl Liebknecht kennen. Während des Krieges konnte ich sie im Gefängnis über Kestenberg unterstützen, und ihr schreckliches Ende war ein großer Schmerz für mich.“43 Mit Rosa Luxemburgs und Liebknechts Ermordung beendete die Konterrevolution ihr Wüten noch lange nicht. Schon knappe zwei Monate nach Rosa Lu-
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xemburg fiel ihr auch Leo Jogiches zum Opfer, ein deutscher Politiker (1867–1919), der ursprünglich aus dem damals russischen Wilna stammte. In ihrer Jugend waren sie Lebensgefährten gewesen. Nach dem Tod der Spartakusführer leitete er zwischenzeitlich die Partei. Im Briefwechsel mit ihm findet sich auch ein Passus (6. März 1899), der Rosas inniges Verlangen nach dem privaten Glück in Zurückgezogenheit verrät: „Aber am meisten erfreute mich dieser Absatz in Deinem Brief, in dem Du schreibst, daß wir beide noch jung sind und daß wir es noch schaffen werden, auch unser persönliches Leben einzurichten. Ach, … wenn Du dieses Versprechen halten würdest! … Eine eigene kleine Wohnung, ein paar eigene Möbel, eine eigene Bibliothek, ruhige und regelmäßige Arbeit, gemeinsame Spaziergänge, ab und zu die Oper, ein kleiner, sehr kleiner Kreis von Bekannten, die man gelegentlich zum Abendbrot einlädt, jedes Jahr im Sommer eine Reise für einen Monat aufs Land, das aber ganz ohne Arbeit! … (Und vielleicht auch noch so ein kleines, ganz kleines Bobo? …)“44 In seiner Biographie Rosa Luxemburgs verneint Peter Nettl – wie auch andere Forscher –, daß man im Deutschen Reich 1918/19 vor der Entscheidung gestanden habe: kommunistische Diktatur oder bürgerliche Demokratie. Er räumt ein, retrospektiv habe es so erscheinen können, indessen bildeten „Rosa Luxemburgs Ideen eine lebendige dritte Alternative.“45 Wäre sie aus den von der Autorin hinterlassenen Schriften rekonstruierbar? Eine nicht geringe Schwierigkeit dabei entsteht durch die Begrifflichkeit, wie sie sich in der Literatur aus der Ära der Revolution findet. Ein Hauptbeispiel dafür ist der umstrittene Terminus „Diktatur des Proletariats“. Meinte er die Negation aller ‚bürgerlichen‘ und Menschenrechte und die Herrschaft einer Minorität über die breite Bevölkerung vermittels blutigen Terrors, mit Blutvergießen und politischem Mord? – Jedoch was Rosa Luxemburg unter dem Terminus verstanden wissen wollte, war umgekehrt gerade die Verteidigung der ‚bürgerlichen‘ und Menschenrechte plus Ergänzung um soziale Rechte. Daher ihre Erklärung: „Nicht darum handelt es sich heute, ob Demokratie oder Diktatur. Die von der Geschichte auf die Tagesordnung gestellte Frage lautet: bürgerliche Demokratie oder sozialistische Demokratie.“46
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Ihr politisches Konzept während der Kriegszeit und in der Revolution läßt sich unter drei Aspekten würdigen. Es sind: ihre Auffassung des Krieges – ihre Interpretation des Wesens der Novemberrevolution – ihr Schreiben und Tun während des Januaraufstands. 1916 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym „Junius“ eines ihrer Hauptwerke: Die Krise der Sozialdemokratie (verfaßt 1915). Gleich in der Einleitung wartet sie mit der – von einem größeren Publikum sicher überraschend zu vernehmenden – Feststellung des Hauptkriegsziels der deutschen Politik auf: „Indem sie (die Schrift – d. Verf.) die Legende des deutschen Verteidigungskrieges kritisch auflöste und die deutsche Beherrschung der Türkei als das eigentliche Ziel eines imperialistischen Angriffskrieges offenbarte, sagte sie voraus, was sich seitdem von Tag zu Tag mehr bestätigt hat und heute, wo der Weltkrieg seinen Schwerpunkt im Orient gefunden hat, vor aller Welt Augen liegt.“47 Mit der Türkei als Basis hätte das Deutsche Reich nach Vorderasien, Asien und Afrika auszugreifen beabsichtigt, nicht weniger als die Länder Indien, Ägypten und Persien standen um die Zeit des Kriegsbeginns auf der Wunschliste des deutschen Imperialismus.48 Und was oder wer aber könnte die Beendigung des Kriegs bewirken? Antwort: „… der revolutionäre Wille und die politische Aktionsfähigkeit des internationalen Proletariats.“49 Hier bricht die illusionäre Dimension im Denken der Spartakusführerin durch. Erstens läge doch eine übermäßige Belastung des Proletariats vor, wenn es ihm obläge, den Weltfrieden herbeizuführen. Zweitens müßte der einheitliche Wille des Gesamtproletariats vorausgesetzt werden können: „In den Kämpfen gegen den Imperialismus und den Krieg kann die entscheidende Wirkung nur von den kompakten Massen des Proletariats aller Länder in die Waagschale geworfen werden.“50 Auch rechnet die Autorin wiederum mit der Gesetzmäßigkeit in der Geschichte. Die deutsche Arbeiterklasse hat sich im Sommer 1914 gröbsten Versagens schuldig gemacht? Dann wäre es an der Zeit, sich zu rehabilitieren, „denn ihre Schwäche ist nur eine Verirrung, und das strenge Gesetz der Geschichte gibt ihr die Kraft zurück, verbürgt ihren endlichen Sieg.“51 Jedoch wer verbürgt sich für ein Gesetz der Geschichte, welches der Arbeiterbewegung im Klassenkampf ihren Sieg „verbürgt“?
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Wie während der Revolution in der Publizistik ihres Mitstreiters Liebknecht stößt man in Rosa Luxemburgs ebenfalls auf die herabsetzende Beurteilung der Geschehnisse. Weshalb? Die „wahre Demokratie“ sei nicht die vorhandene, sondern erst die noch zu erstreitende „Diktatur des Proletariats“.52 Der Gründungsversammlung der KPD ruft sie zu „Ihr habt nichts hinter Euch als die elende halbe Revolution vom 9. November.“53 Und diese: „… zu drei Vierteln mehr Zusammenbruch des bestehenden Imperialismus als Sieg eines neuen Prinzips.“54 Daß sie „eine noch ausschließlich politische Revolution war“, darin liege „das Halbe und Bewußtlose dieser Revolution.“55 Die soziale Komponente fehle, behauptet sie pauschalierend; daher fälschlich. Sie gibt die Devise aus, wo die Arbeit der neuen Partei ansetzen müsse: „von unten“! Diese Formel präsentiert sie mehrere Male: „Wir müssen von unten auf arbeiten …“ Wies sie mit ihrer Devise die geänderte Richtung, um das ‚von oben‘ zu konterkarieren? Und wo wäre ihr Unten aufzufinden? „Unten, wo der einzelne Unternehmer seinen Lohnsklaven gegenübersteht …“56 Sollte das besagen: Erstreitet die Demokratisierung der Wirtschaft? Im Januaraufstand 1919 hält sie die Massenaktionen anfangs für wenig aussichtsreich, wähnt anschließend mehrere Tage lang den Regierungssturz in Reichweite und erkennt endlich die Aussichtslosigkeit des Aufstands: er sei von Anfang ohne Erfolgschance gewesen. Ottokar Luban führt aus, „ihre illusionäre Verkennung des Bewusstseinstandes der Massen“ habe ihre verfehlte politische Taktik und Zielsetzung bewirkt.57 Den Führenden in der Spartakusgruppe hatten zwei Wochen zuvor die Entscheidungen auf dem Reichsrätekongreß vom 16.–21. Dezember in Berlin die Augen geöffnet, als dieser der Wahl der Nationalversammlung am 19. Januar des Folgejahres zustimmte. Vertraten die Arbeiter und Soldaten die Masse, so stand die Masse sicher nicht auf seiten derer, die zur proletarischen Revolution weiterdrängten, sondern wollte sich mit der bürgerlichen Demokratie begnügen. Bot der Januaraufstand die reale Chance, die Diktatur des Proletariats zu erzwingen? Rosa Luxemburgs grundsätzliche Position war: „Aber diese Diktatur muß das Werk der Klasse sein und nicht einer kleinen führenden Minderheit im Namen der Klasse …“58 Auf dem Boden dieser Lehre konnte sie sich in der Janu-
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arwoche nicht zurecht finden, mit ihr verirrte sie sich in dem Dreieck Masse / Partei / Regierung. So ist denn auch die „Bilanz“, die Rosa Luxemburg in ihrem Artikel: Die Ordnung herrscht in Berlin59 aus den Januarkämpfen zog, „ein Dokument der Selbsttäuschung, der Ratlosigkeit und der Flucht in ein fast vollständig deterministisches Geschichtsbild“.60 Der Vertreter der Bolschewiki in Berlin, Karl Radek, beobachtete die Vorgänge und schrieb darüber einen kritischen Bericht, der geeignet ist, jegliche Legendenbildung zu zerstören. Darin heißt es: „Ich war selbst Zeuge, wie in der Redaktion der ‚Roten Fahne‘ alte Genossen händeringend fragten, was sie (die Parteiführer – d. Verf.) denn wollen. Sie wurden mit leeren Phrasen abgespeist, weil man dort selbst auch nicht wußte, was man wollte. Sie (dieselben) hörten einfach auf, zu den Demonstranten auf die Siegesallee hinauszugehen, und die Masse irrte ziellos umher, bis sie sich verlief.“61 Ihr immer noch vorhandenes Wunschdenken bezeigte Rosa Luxemburg selbst nach der Niederlage des Aufstands trotzig, als sie schrieb, die Revolution siege trotz alledem. In dem letzten Artikel vor ihrer Ermordung, geschrieben am 13., erschienen am 14. Januar, sprach sie vom „Endsieg“ und davon, daß er „nur durch eine Reihe von ‚Niederlagen‘ vorbereitet werden kann!“62 Ihr Ausrufezeichen am Satzende kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß tatsächlich die Begründung der Behauptung ausbleibt. Unter den Mitgliedern des Spartakusbundes sowie in dessen Umkreis befanden sich herausragende intellektuelle Personen, die Mehrzahl davon aus journalistischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Berufen. Im Berliner Stadtarchiv wird ein Band aus dem Polizeiarchiv der Stadt aufbewahrt, der die handschriftlich geführte, sorgfältig numerierte Liste des Kommissariats zur Sicherstellung gefundener Leichen von durch Mord und Totschlag, bei einem Unfall oder sonstwie ungewöhnlich zu Tode gekommener Menschen enthält. Sie verzeichnet u. a.: die Namen der im Januaraufstand von Noskes Freikorps erschlagenen Parlamentäre – darunter die Spartakisten Werner Möller und Wolfgang Fernbach –; der in der Französischen Straße ermordeten Matrosen; unter der Nr. 162: Karl Liebknecht (Rechtsanwalt); Nr. 528: Leo Jogiches
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(Schriftsteller, Anmerkung hinzugesetzt: „Kopfschuß“); Nr. 1387: Heinrich Dorrenbach (Kommandeur der Volksmarinedivision); Nr. 1480: Rosa Luxemburg (Dr. jur., Schriftstellerin, Anmerkung bezüglich der Todesursache: „Nicht festgestellt“). Paul Frölich beklagte: „Auf den Gräbern tanzte die Konterrevolution Cancan. Sie glaubte die soziale Revolution sei erschlagen.“63 Dem Verzeichnis läßt sich die Liste der Ehrungen zur Seite stellen, die den Opfern von Mitstreiterinnen und Mitstreitern gewidmet worden sind. Zur Trauerfeier für Rosa Luxemburg im Friedrichshain erschienen fast alle bekannten Politiker der USPD und der KPD, darunter diejenigen, die selber binnen kurzem der Gegenrevolution zum Opfer fallen sollten, wie z. B. Hugo Haase (1863–1919, ermordet am 17. November des Jahres). Es fehlte auch nicht an literarischen Ehrungen. Johannes R. Becher (1891–1958; 1933 im Exil, u. a. in der Sowjetunion) verfaßte die Hymne auf Rosa Luxemburg, worin die Ermordete als „Heilige“ erscheint.64 Von Rudolf Leonhard (1889–1953, seit 1933 Exil in Frankreich, z. T. im Untergrund) stammt das Gedicht: Der tote Liebknecht65, worin er dem Ermordeten zuschreibt, daß zuletzt er triumphiere. Berta Lask (1878–1967, seit 1933 Exil in der Sowjetunion) errang in der Weimarzeit einen guten Namen besonders als Dramatikerin – z. B.: Leuna 1921. Drama der Tatsachen –. 1923 wurde ihr Sprechchor zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg: Die Toten rufen uraufgeführt.66 Arnold Zweig (1887–1968, 1933 nach diversen Zwischenstationen Exil in Palästina) veröffentlichte 1919 seine Grabrede auf Spartacus, worin er Liebknecht und Rosa Luxemburg rühmte: „Urheber der deutschen Revolution, heilige Werkzeuge des Schicksals, Hebel einer neuen Zeit“.67 Als treueste Freundin Rosa Luxemburgs erwies sich Mathilde Jacob (geb. 1873, 1942 vom NS nach Theresienstadt verschleppt, dort gest. 1943). Sie versorgte Rosa Luxemburg während ihres Gefängnisaufenthalts, arbeitete in der Funktion einer Sekretärin, kümmerte sich nach dem Fund des angeschwemmten Körpers ihrer Freundin (31. Mai 1919) um die Beisetzung (am 13. Juni) und danach um den Nachlaß der Toten. Ihr fiel eine wichtige Rolle im Führungskreis der KPD zu; eher sporadisch betätigte sie sich journalistisch, als sie 1921/22 die Verantwortlich-
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keit für die von Paul Levi (1883–1930)68 herausgegebene Zeitschrift „Unser Weg“ übernahm.69 Die engste politische Freundin Rosa Luxemburgs war Clara Zetkin (1857–1933, Tod im Exil). Sie hatte in Leipzig 1874/78 ihre Ausbildung zur Lehrerin erhalten und entwickelte sich zur führenden Repräsentantin der sozialistischen Frauenbewegung. Mit der von ihr gegründeten und redigierten Zeitschrift „Gleichheit“ (1891–1917) gewann sie in der Arbeiterbewegung erheblichen Einfluß. In der Gruppe „Internationale“ kämpfte sie gegen die Kriegspolitik des deutschen Kaiserreichs. Seit 1917 Mitglied der USPD, wechselte sie 1919 zur KPD, in deren Zentrale sie während der Weimarzeit mehrmals führende Ämter innehatte. Dem Reichstag gehörte sie von 1920 bis 1933 an. Sie erkannte die Notwendigkeit, die Demokratie in einer Gestalt zu befestigen, die jeglichem Versuch gegenüber, sie wieder auszutreten, widerstand. Ihre Rede vom März 1923: Der Kampf gegen den Faschismus ist ein frühes Dokument der Bemühung, Möglichkeiten der Abwehr einer neu aufkommenden Gefahr zu erwägen. Clara Zetkin erkennt, daß es einen deutlichen Zusammenhang gebe zwischen dieser und der Revolution von 1918. Sie verkennt nicht, daß man die Ursprünge und Wesenszüge des Faschismus aufdecken muß, der in Italien bereits ein Jahr lang die Macht besitzt. Als eine „Wurzel“ des Faschismus erscheint ihr: „das Stocken, der schleppende Gang der Weltrevolution infolge des Verrates der reformistischen Führer der Arbeiterbewegung.“70 Ohne das Steckenbleiben der Novemberrevolution in Deutschland hätte der Faschismus in Italien nicht bis ins Zentrum der Macht vordringen können. Es zeichnet diese Autorin aus, daß sie versucht, den Blick ihrer Zeitgenossen über die ökonomischen Zusammenhänge hinaus auf die Vielfalt ideologischer Erscheinungen zu lenken, deren Einfluß auf die Politik der Zeit keinesfalls zu vernachlässigen sei. Dem möchte sie mit den Ausführungen ihrer Rede dienen: Die geistige Krise der bürgerlichen Gesellschaft und der ideologische Kampf der Kommunistischen Partei (1926).71 Ein Mitstreiter Rosa Luxemburgs, ein Kämpfer in ihrem Geiste war auch Paul Frölich (1884–1953). Während des Weltkriegs betätigte er sich als Mitglied der Bremer Linksradikalen zusammen mit Johann Knief –
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mit dem er die Wochenzeitschrift „Arbeiterpolitik“ herausgab –. Später beteiligte er sich an der Revolution in München. Der Gründungsparteitag der KPD wählte ihn in den Vorstand (bis 1924), und für die KPD nahm er von 1921–1924 ein Reichstagsmandat wahr. In der Phase der ultraradikalen KPD-Leitung (Ruth Fischer u. a.) wechselte er zur KPDO(pposition) – um Thalheimer (1884–1948, 1933 Exil, u. a. in Kuba) und Brandler (1881–1967, Exil in diversen Ländern, u. a. in Kuba) – und nach dem Ausschluß aus dieser zur SAPD. 1933 verhaftet, gelang ihm nach einer KZ-Haft die Flucht in die Tschechoslowakei, von wo aus er nach Zwischenstationen die USA erreichte. Nach Rosa Luxemburgs Ermordung gehörte er zu den Befreundeten, die halfen, den Nachlaß der Toten zu sichern. Auch gab er einen Teil ihrer Schriften neu heraus. 1939 veröffentlichte er in Frankreich seine wertvolle Biographie: Rosa Luxemburg. Gedanke und Tat. Es gelang ihm damit, das Bild Rosa Luxemburgs von schädlichen Übermalungen zu befreien. Wie auch andere, zieht er eine Verbindungslinie von der Novemberrevolution zur Aushändigung der Macht an den deutschen Faschismus: „Der Sieg der Konterrevolution im Januar 1919 hat den Sieg Hitlers im Januar 1933 nach sich gezogen.“72 Wilhelm Pieck (1876–1960; 1933 Flucht nach Frankreich, seit 1935 Exil in der Sowjetunion) ist einer der „Intellektuellen der Arbeiterklasse“, die sich aus proletarischen Anfängen empor rangen. Zunächst erlernte er den Tischlerberuf, wurde 1894 Mitglied im Deutschen Holzarbeiterverband und trat 1895 der SPD bei. Für diese zog er 1905 als Abgeordneter in die Bremer Bürgerschaft ein (bis 1910). Ab 1910 betätigte er sich als 2. Sekretär des Zentralen Bildungsausschusses der Partei und Sekretär der Parteischule in Berlin. Während des Januaraufstands sprach er sich zusammen mit Liebknecht für die radikale Losung des Regierungssturzes aus. In seiner kaum realistischen Sicht, die auch in seinen späteren Erinnerungen wiederkehrt, wäre die ganze „Bewegung … an den ersten Tagen durchaus in der Lage gewesen, die Regierung zu verjagen und die politische Macht in die Hände der Arbeiter zu bringen …“73 Weshalb gelang dies nicht? Es hätte eine entschlossene Führung gefehlt, die Leitung der USPD die ra-
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dikale Konsequenz gescheut und die KPD, die aus dem Spartakusbund hervorgegangen war, sich als immer noch zu schwach erwiesen. Wie Pieck übernahm auch Ernst Meyer (1887–1930) wichtige Funktionen in der Spartakusgruppe und in der KPD der Weimarzeit. Er war es, der für den Zusammenschluß marxistischer Kriegsgegner die Bezeichnung „Spartakus“ fand. Nach einem Studium der Philosophie und Nationalökonomie betätigte er sich als Journalist. Unter den Redakteuren des „Vorwärts“ war er während des Kriegs der radikalste. Der Parteivorstand der SPD beschloß seine Entlassung. Die damalige Stenotypistin beim „Vorwärts“, Friedel Gräf, berichtete: „So sollte auch unser Genosse Dr. Ernst Meyer, ein enger Mitarbeiter von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, aus der Redaktion des ‚Vorwärts‘ verdrängt werden. Ernst Meyer ließ sich aber nicht einschüchtern und ging nach wie vor in sein Redaktionszimmer. Er sagte, der Parteivorstand habe kein Recht, ihn abzuberufen, da er von der Pressekommission eingesetzt worden sei, und nur diese habe ein Recht, ihn von seinem Posten zu entfernen. Daraufhin ließ der Parteivorstand das Arbeitszimmer von Ernst Meyer verschließen, aber Ernst Meyer holte einen Schlosser und ließ die Tür öffnen. Am nächsten Tag aber hatte der Parteivorstand dafür gesorgt, dass Ernst Meyer nicht mehr in sein Büro konnte. Ein Polizist stand davor.“74 Otto Rühle (1874–1943, seit 1933 in Mexiko) arbeitete als Lehrer, trat 1896 der SPD bei und schrieb seit 1902 für Zeitungen der Partei. Die Besonderheit seines politischen Weges: Am 20. März 1915 wagte er es als der zweite Reichstagsabgeordnete, sich – in Gemeinschaft mit Liebknecht – gegen die Kriegskredite auszusprechen. Er verband sich mit der Spartakusgruppe, leitete 1917 in Pirna und Dresden die Linksradikalen und war Delegierter auf dem Gründungsparteitag der KPD. Seine Mitgliedschaft in dieser Partei endete 1920 durch Ausschluß, im selben Jahr auch durch Ausschluß seine kurzzeitige Mitgliedschaft in der von ihm mitgegründeten Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD). Max Hoelz (1889–1933) gibt in seinen Memoiren an, in revolutionäre Theorie durch Otto Rühle eingeführt worden zu sein.75 Zuvor hatte er lediglich Volksschulbildung genossen und u. a. als Tagelöhner und Hoteldiener gearbeitet. 1918 trat er der USPD bei, wechselte 1919 zur KPD,
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wurde nicht lange danach ausgeschlossen, trat dann der KAPD bei und kehrte wieder zur KPD zurück. 1920/21 tat er sich im Aufstand im Vogtland als militärischer Leiter („roter General“) hervor. Vor Gericht gestellt (1921), errang er durch seine überzeugende Verteidigung den Respekt der Öffentlichkeit. Als ihm in der Verhandlung vorgehalten wurde, daß bei seinen militärischen Aktionen ein Gutsbesitzer ums Leben gekommen sei, wendete er gegen seine Ankläger ein: „Nicht einen einzigen Mord hat das revolutionäre Proletariat in Deutschland begangen. Wie viele politische Morde hat die bürgerliche Gesellschaft Deutschlands auf dem Gewissen?“76 Noch mehr Anerkennung erfuhr er, als seine Briefe aus dem Zuchthaus im Druck erschienen (1927). Daraufhin gab es eine Kampagne, die von namhaften deutschen Intellektuellen unterstützt wurde – u. a. durch die Brüder Mann – und die zur Amnestierung von Hoelz führte (1928). Seine Autobiographie Vom „Weißen Kreuz“ zur roten Fahne erweist ihn als einen bemerkenswerten Autor. Karl Jannack (1891–196877) war Schuhmacher. Ab 1910 in Bremen, gehörte er zu den Bremer Linksradikalen (IKD). 1918 politischer Leiter des Soldatenrats der Bremer Garnison, wurde er 1919 Mitglied im Rat der Volkskommissare der Räterepublik Bremen. Während dieser Tage kam es zu einer bedeutungsvollen Begegnung mit Liebknecht und Rosa Luxemburg in Berlin. In der Hansestadt lautete unter den Revolutionären die Frage, ob anderswo im Reich das Bremer Beispiel befolgt werden würde. Es kam Nachricht über die schweren Kämpfe der Aufständischen gegen die Konterrevolution in Berlin. Jannack erinnerte sich: „So beschloß der Bremer Soldatenrat, Frasunkiewicz78 und mich nach Berlin zu schicken und Rosa und Karl zu bitten, nach Bremen zu übersiedeln. In Bremen wären sie sicherer, von hier aus könnte eine neue Kraft entfaltet werden.“ In Berlin geht Jannack zu Paul Frölich, dann suchen beide Jogiches auf. Dieser übergibt dem Bremer die geheime Adresse von Liebknecht. So trifft Jannack die Parteiführer in einem Hotel nahe dem Anhalter Bahnhof. Als er seinen Auftrag ausgerichtet hat, stellt Liebknecht die Gegenfrage: „Was werden die Berliner Arbeiter sagen, wenn sie erfahren, daß wir nicht mehr hier sind? Mag kommen, was will, wir bleiben hier.“ Rosa Luxemburg stimmt dem zu.79
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Zu den intellektuellen Persönlichkeiten der Spartakusgruppe und später der KPD zählen die Eheleute Duncker. Hermann Duncker (1874– 1960, nach einer Haftzeit 1933 emigriert, Exil in diversen Ländern) studierte zuerst Musikwissenschaft, danach u. a. Nationalökonomie und leitete nach dem Abschluß das Arbeitersekretariat der örtlichen Gewerkschaftskartelle in Leipzig und Dresden. Später widmete er sich dann dem Journalismus und wurde der erste Wanderlehrer der SPD. Käte Duncker (1871–1953, 1939 Emigration in die USA) besuchte das Lehrerinnenseminar in Eisenach (Examen 1890) und bekam danach Stellen als Lehrerin in Friedrichroda, Leipzig und Hamburg, aber wurde mehrmals wegen ihrer politischen Tätigkeit aus dem Schuldienst entfernt. Später nahm sie eine Arbeit als Redakteurin an Clara Zetkins Zeitschrift „Die Gleichheit“ auf. Ihre Korrespondenz mit Hermann aus den Jahren 1894–1941 umfaßt 3606 Briefe und Postkarten, ein Konvolut, das ein inhaltsreiches Zeitzeugnis bildet. Mit ihrer Äußerung vom 24./25. Juni 1919 verurteilt sie prinzipiell „das Kriechen“, sowohl vor dem Thron wie vor den Massen: „Erhebung der Masse zu selbstbewußten und gemeinsinnigen Gliedern des Ganzen, das sollte der Sozialismus bringen, nicht die Entwicklung einer neuen wohlgepflegten Stallviehrasse.“80 Eine Gedichtzeile: „… wir säen feuertrunken / des Aufruhrs tolle Funken …“ Sie stammt von dem literarisch versierten Spartakisten Fritz Rück (1895–1959, seit 1933 Exil in der Schweiz und in Schweden). Gelernter Schriftsetzer, betätigte er sich seit 1917 journalistisch. 1917 nahm er am Gründungsparteitag der USPD teil. Im November 1918 bewährte er sich als Redner und Verhandlungsführer bei Massendemonstrationen in Stuttgart und wurde zum Vorsitzenden des ersten Arbeiter- und Soldatenrats gewählt. Im Januar 1919 nahm er an der Besetzung des Tagblattgebäudes in Stuttgart teil. Wie auch andere seiner Zeitgenossen erwarb er Mitgliedschaften im schnellen Wechsel in den Parteien der Arbeiterbewegung: KPD, SPD, Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), Sozialdemokratische Partei Schwedens, nach der Remigration noch einmal SPD. 1958 verfaßte er im Krankenhaus Erinnerungen: November 1918. Die Revolution in Württemberg81.
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Auch zwei Dichter des Jahrgangs 1888 befanden sich unter den Mitstreitern des Spartakus in der Novemberrevolution. Ein ausgesprochen abenteuerliches Leben führte Franz Jung (gest. 1963). Er studierte 1907/11 Jura und Nationalökonomie und etablierte sich seit 1912 als Mitarbeiter der expressionistischen Zeitschriften „Aktion“ und „Sturm“.82 1914 eingezogen, desertierte er und wurde verhaftet. Die Novemberrevolution sieht ihn als Mitglied eines Arbeiter- und Soldatenrats. 1920 tritt er der KPD bei. Im selben Jahr kapert er das deutsche Schiff „Senator Schröder“, das er nach Murmansk entführt. Nach der Rückkehr folgt eine Haftzeit in Hamburg-Fuhlsbüttel. Doch bereits 1921 agiert er neuerlich revolutionär: Beteiligung am Mitteldeutschen Aufstand. Danach: Flucht nach Holland, Verhaftung dort, Ausweisung. Er siedelt in die Sowjetunion über. Nach der Rückkehr: schriftstellerische und dramaturgische Tätigkeit in Deutschland, Zusammenarbeit mit Piscator und dem Filmregisseur G. W. Pabst. In der NS-Ära Schreibverbot, Tätigkeit im antifaschistischen Widerstand. 1936 verhaftet. 1938 Flucht nach Budapest, Fortsetzung der Widerstandstätigkeit. 1945 in Ungarn gefaßt, zum Tode verurteilt, Flucht aus dem Todeskeller, aber durch den deutschen ‚Sicherheitsdienst‘ gefangen genommen und ins KZ Bozen eingeliefert. Nach der Befreiung: Leben in Italien, in den USA und in der Bundesrepublik. Zu seinen Schriften zählen Reiseberichte und Schilderungen aus dem Rußland der Revolution. Über die Gegenwart – um 1920 – ergeht er sich in höchsten Tönen: „Es ist eine herrliche Zeit …“83 Der deutschen Arbeiterschaft skizziert er ihre künftige Rolle in der Weltgeschichte, wie er sie ausphantasiert: „Die Aufgabe des deutschen Proletariats ist klar vorgezeichnet: sich einzuordnen in die Weltrevolution, in der zweiten Phase Träger des kämpfenden Kommunismus und agitatorisches Bollwerk gegen den Westen zu sein.“84 Der Weg solle das Individuum durch Erziehung und Selbsterziehung zum Kommunismus führen: „Die Erziehung zum Kommunismus ist keine gefühlsmäßige Angelegenheit. Der Kampf gegen die Bourgeoisie ist der Kampf gegen die bürgerliche Geistesrichtung, auch in uns selbst …“85 In einer Porträtskizze, die Gerhard Engel vorlegte, rekapituliert er die Entwicklung des jungen Werner Möller (ermordet im Januaraufstand
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1919) „zu einem wortgewaltigen Dichter der Friedenssehnsucht des Volkes“ und „zum Visionär einer Volksbewegung, die jedwedem Krieg den Garaus machen sollte“.86 Engel zeigt: „Werner Möllers Friedenssehnen war mit der Annahme des linken Flügels der deutschen Arbeiterbewegung verbunden, es sei möglich, die Revolution vom November 1918 über die errungene bürgerlich-demokratische Republik und die mit ihr verbundenen politischen und sozialen Fortschritte hinauszuführen und letztlich eine sozialistische Gesellschaft ohne Kapitalismus, Militarismus und neuerliche Kriegsgefahren zu gestalten.“87 Um die Jahreswende 1918/19 verfaßte Möller sein Gedicht Die deutsche Revolution, worin eine vielmals wiederkehrende Zeile die Vollendung der Revolution anmahnt: „Noch warst Du’s nicht!“ Die Fortsetzung lautet: „Doch nah und immer näher / Schon dröhnt dein Tritt! / Schon schmettert Dein Signal! / Nun gilt es, Volk, die letzte Schlacht / zu schlagen / … / Herbei zum Kampf, – das rote Banner steigt …“88 Das ist sicher inspiriert durch die Arbeiterhymne, die Internationale, nicht einzig wegen der Verwendung des Lexems „Signal“, sondern vor allem durch die endzeitlich-apokalyptische Motivik: „letzte Schlacht“. Immerhin spricht der Verfasser in demselben Gedicht dem revolutionären November seine Anerkennung aus: „Der Freiheitssonne goldne Strahlen blinkten / Schüchtern hervor aus düsterm Nebelgrau. /… / Dein Hauch schon sprengte auf die Kerkerpforten, / Gab Licht und Freiheit manchem Kampfgenoss; / Von hinnen flohen fluch- und schuldbeladen / Die Hohenzollern und ihr Schergentroß.“89 Möller erlernte nach seiner Volksschulzeit den Klempnerberuf. Es gelang ihm, seine Bildung in der sozialdemokratischen Jugendarbeit zu erweitern. Er bekannte sich zu Karl Liebknechts jugendpolitischer Konzeption. 1906 trat er der SPD bei. In der politischen Öffentlichkeit erwarb er Popularität durch seine Lyrik. 1913/14 brachte der Verlag „Freie Presse“ eine Anthologie mit 41 seiner Gedichte heraus unter dem Titel: Sturmgesang. Proletarische Gedichte. Während des Weltkriegs diente er für kurze Zeit als Landsturmmann. Im Sommer 1916 wurde er, gemeinsam mit zwei anderen Kriegsgegnern, bei einer Antikriegsaktion verhaftet, als sie Flugblätter der Spartakusgruppe verbreiteten. Es folgte ein Gerichtsverfahren. Der Vorwurf lautete: „Verbrechen des Versuchs zum
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Verbrechen des Landesverrats“. Mit der Untersuchungshaft und einer Strafe von neun Monaten Gefängnis verbrachte Möller mehr als ein Jahr in Gefangenschaft. Mit seiner Familie zog er am 1. April 1918 nach Berlin-Neukölln. Hier bekam er Kontakt zu dem kleinen Kreis der Anhänger der Bremer Linksradikalen, der Gruppe, die er auch auf dem Gründungsparteitag der KPD vertrat. Während des Januaraufstands gehörte er zu den Besetzern des „Vorwärts“ und redigierte zusammen mit dem Redakteur Wolfgang Fernbach für eine kurze Phase die Zeitung „Vorwärts“, die sich einen geschichtlichen Augenblick lang als „Organ der revolutionären Arbeiterschaft Groß-Berlins“ präsentierte. Beide zählten mit fünf anderen Genossen zu den Parlamentären, die von den NoskeTruppen mißhandelt und erschossen wurden (11. Januar). Werners Witwe Clara und beider Sohn fanden Zuflucht auf dem Barkenhoff bei Vogeler. Dort lernten sie den Metallbildhauer Friedrich Harjes (1888– 1951) kennen, einen Teilnehmer der Revolution (Soldatenrat in Schwerin). Ihm übergab Clara die Gedichte ihres Mannes für eine Edition.90 Am 20. Dezember 1918 schrieb Rosa Luxemburg einen kurzen Brief in russischer Sprache an Lenin: „Teurer Wladimir! Ich benutze die Reise des Onkels, um Ihnen allen einen herzlichen Gruß von unserer Familie, von Karl, Franz und den anderen zu übersenden. Gebe Gott, daß das kommende Jahr alle unsere Wünsche erfüllen wird. Alles Gute! Über unser Leben und Treiben wird der Onkel erzählen. Einstweilen drücke ich Ihnen die Hände und grüße Sie. Rosa“.91 Wer war der „Onkel“, der in geheimer Mission zu jenem „Wladimir“ reiste? Es war Eduard Fuchs (1870–1940, seit 1933 im Exil in Paris), ein Mann, dem nicht nur „zentrale Bedeutung … für die Kulturpolitik der Arbeiterbewegung“ zukam, sondern der überhaupt zu den großen Wissenschaftlern der Epoche zählt. In seiner Fuchs-Biographie erwähnt Weitz ein Verdienst Walter Benjamins: er habe in seiner Biographie herausgearbeitet, daß Fuchs „zum Bahnbrecher in der Kunstgeschichte“ geworden sei.92 In der Kaiserzeit mußte Fuchs mehrmals Anklagen und Haftstrafen wegen seiner politischen Einstellung und der sich daraus ergebenden Aktivitäten erdulden. 1896 tritt er in die SPD ein. Während des Welt-
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kriegs unternimmt er Reisen ins neutrale Ausland, u. a. 1915 zu Romain Rolland in Genf. Er betätigt sich als führendes Mitglied des Hilfskomitees zur Betreuung russischer Zivilisten und Kriegsgefangener in Deutschland. Für die inhaftierte Rosa Luxemburg sammelt er Spenden, darunter auch von Tilla Durieux. Während der letzten Kriegstage arrangiert er einen Empfang für den dank einer Amnestie freigekommenen Liebknecht in der russischen Botschaft. Fuchs ist überzeugt: „Die russische Revolution ist unbedingt das bedeutendste Ereignis in der gesamten Menschheitsgeschichte.“ 93 Am 10. November 1918 benutzt er einen requirierten Pkw, um zusammen mit Mathilde Jacob die aus der Haft entlassene Rosa Luxemburg von Breslau abzuholen und nach Berlin zu bringen. Er wird Mitgründer des Spartakusbundes und der KPD. Von der KPD löst er sich 1928, um 1929 der KPD-O beizutreten. In der Geschichte der Weimarer Republik findet er mehrmals Gelegenheit, in aktuelle Vorgänge einzugreifen. Vogeler erkennt dankbar an, daß vor allem Fuchs – der Kunstsammler und -kenner – sich energisch dafür einsetzte, daß die Wandmalereien im Barkenhoff erhalten blieben, als von offizieller Seite ihre Zerstörung drohte.94 Verdienstlich ist nicht zuletzt seine Bemühung um das Gesamtwerk von Franz Mehring. Geplant war eine Gesamtausgabe in zwölf Bänden, wovon sechs erscheinen konnten. Zu den überragenden Intellektuellen in Deutschland, die durch die Wirren der Novemberrevolution und der frühen Weimarzeit gingen, zählt der Philosoph Karl Korsch (1886–1961, seit 1933 Exil u. a. in Dänemark, zuletzt in den USA, gest. in Belmont/Mass.), der als einer der Erneuerer der marxistischen Theorie gilt. Er studierte Jura, Nationalökonomie und Philosophie (Promotion 1910 mit einer rechtswissenschaftlichen Dissertation). Beeindruckt von den revolutionären Ereignissen in Rußland 1917 und Deutschland 1918, wendete er sich der marxistischen Lehre zu. Er rezipierte sie mit „Hervorhebung der in der Marxschen materialistischen und dialektischen Auffassung der geschichtlichen Welt enthaltenen subjektiven und aktivistischen Komponente“.95 1918 agierte er als Mitgründer des Arbeiter- und Soldatenrates in Meiningen. 1919 wurde er zeitweilig Mitglied in der Sozialisierungskommission für den
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Kohlebergbau (Berlin). Im selben Jahr Eintritt in die USPD. 1923 amtierte er einen Monat lang als Justizminister der Koalitionsregierung aus SPD und KPD in Thüringen, ehe der Reichspräsident Ebert sie unter Bruch der Verfassung gewaltsam auflöste. Hiernach nahm Korsch im Thüringischen Landtag sowie im Reichstag Mandate wahr. Die KPD, deren Mitglied er geworden war, schloß ihn 1926 als einen der Köpfe der „Entschiedenen Linken“ aus.96 In der Mitte der dreißiger Jahre beendigte er seine Monographie: Karl Marx, von der er 1947 eine 2. Fassung herstellte. Darin versichert er, es seien nunmehr „alle Illusionen“ von bürgerlichen Ökonomen definitiv „zerschlagen“, die der marxistischen Prognose entgegengetreten waren mit Hinweis auf die stete Weiterentwicklung des Kapitalismus und die „Überwindung“ der Klassengegensätze in der Demokratie oder „neuerdings“ im faschistischen Staat. Zerschlagen wodurch? Er entwirft eine Liste der Katastrophen: „Der erste Weltkrieg, die durch ihn ausgelöste erste Welle der proletarischen Weltrevolution und der auf die scheinbare Wiederherstellung folgende neue Zusammenbruch des kapitalistischen Gleichgewichts in der alle vergangenen Schrecken erneuernden und überbietenden Krise des ganzen gegenwärtigen kapitalistischen Produktionssystems“, wobei unter dem neuen (zweiten) Zusammenbruch die Weltwirtschaftskrise von 1929 ff. zu verstehen ist.97 Damit legt der Autor sein eigenes Denken offen, seine eigene Illusion manifestierend: Jene „erste Welle der proletarischen Weltrevolution“ müßte ihm die Summe der Revolutionen um 1918 gebildet haben, an der Spitze die russische und die deutsche. Die Ordinalzahl „erste (Welle)“ verweist darauf, daß er damit rechnet, es werde mindestens eine zweite stattfinden. Korschs Aktivismus äußert sich in seiner Prämisse, daß „die ökonomischen Grundbeziehungen der Gesellschaft … sich von selbst nicht entwickeln – weder vermittels einer allmählichen gesellschaftlichen Evolution noch als natürliche Folge einer bloß politischen Revolution. Sie müssen ebenso wie der darüber errichtete ‚Überbau‘ von Rechtsverhältnissen, Staatsformen, gesellschaftlichen Bewußtseinsformen oder ‚Ideen‘, von den Menschen verändert werden. Zur Ausführung dieser Veränderung bedarf es einer radikalen, bis zu den Wurzeln der
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bestehenden Gesellschaftsordnung, bis zur materiellen Produktion hinabdringenden sozialen Revolution.“98 Durch die Wirren der Novemberrevolution und die Republik von Weimar ging auch ein Historiker, der Sozialist Arthur Rosenberg (1889– 1943; 1933 Flucht über Zürich und England, Exil in den USA). Er studierte Alte Geschichte, Archäologie und klassische Philologie und promovierte 1911 mit einem Thema aus der Alten Geschichte. Zwei Jahre später habilitierte er sich. Vor der angestrebten akademischen Laufbahn lag jedoch ein Hindernis: daß er 1918 der USPD beigetreten war und mit deren Mehrheit 1920 in die KPD überwechselte. Für sie betätigte er sich in Berlin von 1921 bis 1924 als Stadtverordneter. Seit 1924 hatte er vier Jahre lang ein Reichstagsmandat inne. 1927 verließ er die KPD. 1928 Eintritt in die Deutsche Liga für Menschenrechte. 1930 setzte der sozialdemokratische preußische Kultusminister Adolf Grimme (1889–1963) Rosenbergs Ernennung zum – allerdings nicht beamteten außerordentlichen – Professor durch. Als Historiker wandte er sich dem Weltkrieg, der Novemberrevolution und ihren Folgen zu. Diese wissenschaftliche Arbeit mündete in zwei Schriften, die bis in die Gegenwart weiterwirken: Entstehung der Weimarer Republik (1928) sowie Geschichte der Weimarer Republik (zuerst Karlsbad 1935). Mit beiden veränderte er die zuvor dominierende Sicht auf die Novemberrevolution. In der erstgenannten Schrift gibt er eine Schilderung des Verlaufs des Weltkriegs.99 Hierin überlegt er, ob der Beginn der revolutionären Entwicklung etwa ins Jahr 1916 falle; – am 29. August des Jahres entließen die Maßgeblichen des Reiches den Generalstabschef Erich von Falkenhayn (1861–1922) wegen des Ausbleibens der Erfolge seiner Strategie (Verdun!), um eine quasioder Halb-Diktatur unter Hindenburg / Ludendorff einzurichten.100 Für die Parlamentarisierung des Reichs 1918, dies grundstürzende Begebnis, liege die Verantwortung bei Ludendorff: „Die Parlamentarisierung Deutschlands ist nicht vom Reichstag erkämpft, sondern von Ludendorff angeordnet worden.“101 Beim Blick auf den politischen Inhalt der Novemberrevolution heißt es bei ihm, sie sei als bürgerlich-demokratisch zu charakterisieren. Die Behauptung, daß in Deutschland
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1918/19 eine bolschewistische „Gefahr“ gedroht hätte, weist er als gegenstandslos zurück.102 In der Geschichte der Weimarer Republik bemüht er sich u. a. darum, die Möglichkeiten der Rätebewegung und der Räte in der Novemberrevolution realistisch zu bewerten. Er schreibt: „Die Räte hätten nicht nur die Aufgabe gehabt, in Deutschland eine entschlossene Demokratie der Volksmassen zu sichern, sie hätten auch auf dem Gebiet der Wirtschaft entscheidende Neuerungen bringen können.“ Im Januaraufstand 1919 sieht er „die entscheidende Wendung der deutschen Revolution“, weil mit seiner Niederwerfung „die Offensivkraft der radikalen Arbeiterschaft gebrochen“ worden sei. Die erste Hälfte des Jahres habe die Vernichtung der Macht der Räte mit sich gebracht. 103
VI. Intellektuelle und die Rätebewegung Der Rätegedanke In der Novemberrevolution sah eine beträchtliche Zahl der Revolutionäre den Rätegedanken als die positive Zentral- oder Leitidee, während eine andere Gruppierung im Lager der Förderer der Revolution sie gegenteilig als ‚bolschewistische‘ Gefahr fürchtete, die alles im Umsturz schon Erreichte in Frage zu stellen drohte. Gegenrevolutionäre hielten diesen allerdings selber für ein Unglück, die Rätebewegung nicht ausgenommen. Zweierlei ist unstrittig: Erstens, so Peter von Oertzen: „Sie wurde besonders von aus dem Bürgertum stammenden Intellektuellen getragen.“ Daraus erkläre sich deren idealistisch-demokratischer Protest gegen die Unmenschlichkeit und „die inhumanen Züge der kapitalistischen Zivilisation“.1 Zweitens: Der Rätegedanke ist russischer Herkunft, er entstammt bereits der Revolution von 1905/07. In der Februarrevolution 1917 wirkten neuerlich die Räte, zunächst noch neben dem Parlament. Nach der Oktoberrevolution aber eliminierte der 2. Gesamtrussische Kongreß der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten (7.–8. 11.) das Nebeneinander, um es durch die alleinige Macht der Räte abzulösen. In der deutschen Revolution kam es gleich anfangs zur Bildung von Räten, die teils von unten auf entstanden, teils von oben, per Ukas durch die Armeeführung gegründet wurden. Doch die zeitgleich sich etablierende Konterrevolution schickte sich an, wie sie die Revolution auszulöschen plante, mit dieser auch die Rätebewegung schleunigst zu beseitigen. Ludendorffs seit 1918 amtierender Nachfolger, der 1. Generalquartiermeister Wilhelm Groener plante, den militärischen Einzug von zehn Divisionen in Berlin am 10. Dezember dafür auszunutzen. Das mißglückte, weil sich die Truppen als kampfesmüde erwiesen. Eine Anzahl der an der Revolution beteiligten gemäßigten Politiker wollte sich unter Abweisung des Rätesystems durchaus mit der Parlamentarisierung in Deutschland begnügen, wäre es hier doch unmög-
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lich zu installieren. Die radikale Richtung befürwortete Lenins „Alle Macht den Räten“, bei vollständigem Verzicht auf parlamentarische Institutionen. Eine dritte Richtung bejahte das Rätesystem für Deutschland, jedoch in abgemilderter Form im Vergleich zur russischen. Zu den Befürwortern der Räte gehörte die Leitung des Spartakusbundes. Rosa Luxemburg vor allem dachte an den Ausbau der Räte. Sie verlangte auf dem Gründungsparteitag der KPD: „Dort liegt die Macht, wir müssen von unten auf den bürgerlichen Staat aushöhlen, indem wir überall die öffentliche Macht, Gesetzgebung und Verwaltung nicht mehr trennen, sondern vereinigen, in die Hände der Arbeiter- und Soldatenräte bringen.“2 Mit dieser Zielstellung näherte sie sich entschieden dem Beschluß des Gesamtrussischen Kongresses der Sowjets 1917; es ist der Vorschlag, ein Grundprinzip der Demokratie aufzuheben: die Gewaltenteilung. Es kam anders, als die Gegenrevolution erhoffte; anders aber auch, als es die Anhänger des Rätegedankens forderten: die politische Rätebewegung liquidierte sich selber. Vom 16. bis zum 21. Dezember 1918 fand in Berlin der Reichsrätekongreß statt. Mit großer Mehrheit stimmte er der Wahl zur Nationalversammlung zu, und nicht nur das; sondern zugleich auch einem extrem frühen Zeitpunkt für diese. Damit akzeptierte die oberste Instanz der Rätebewegung und momentane des Reichs einen Vorschlag des letzten kaiserlichen Reichskanzlers, Prinz Max von Baden.3 Gegen den Vorschlag protestierte Ernst Däumig, als er rief: „… das muß doch jedem Klardenkenden einleuchten, daß die jubelnde Zustimmung zur Nationalversammlung gleichbedeutend ist mit einem Todesurteil für das System, dem Sie jetzt angehören, für das Rätesystem.“ Er räumte ein, daß mit ihm zweifellos die Diktatur verbunden sei; doch nicht die Nachahmung des russischen Beispiels.4 Auch Toller benutzt in bezug auf den Beschluß der Reichsrätekonferenz das Verdikt „Todesurteil“, er jedoch mit Anwendung auf das größere Ganze: „Die Republik hat sich selbst das Todesurteil gesprochen.“5 In der Novemberrevolution verursachten also nicht die offenen Feinde der Rätebewegung deren eilige Ausschaltung im Deutschen Reich, sondern sie selber dankte ab. Was erhielt sich danach von ihr? In der Folgezeit blieb – bis heute – die
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Einrichtung der Betriebs- und Personalräte. Außerdem eine Reihe aufschlußreicher Dokumente, die vor allem in Form wesentlicher Schriften von Fürsprechern des Rätegedankens jetzt bald seit einem Jahrhundert vorliegt. In den Entwürfen äußern sich sowohl die Repräsentanten der „reinen“ Theorie als auch diejenigen Befürworter, die vorschlugen, ein Rätesystem mit dem Parlamentarismus zu verbinden. Für die erste Gruppierung formulierte Däumig: „Der Rätegedanke in seiner reinen und konsequenten Anwendung ist also praktischer Sozialismus …“6 Däumig (1866–1922) diente in jungen Jahren fast ein Jahrzehnt lang als Fremdenlegionär. Er trat 1898 der Sozialdemokratie bei. Von 1912–1918 amtierte er als Vorsitzender des SPD-Bezirksbildungsausschusses von Groß-Berlin. 1917 gründete er die USPD mit, 1918/19 war er Mitglied des Vollzugsrats der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte. Auf dem Parteitag der USPD in Halle 1920 führte er die Linke, die für einen Zusammenschluß mit der KPD votierte, und wurde danach zusammen mit Paul Levi zum Vorsitzenden der Vereinigten KPD (VKPD) gewählt. 1921 legte er seine Parteifunktionen nieder. 1922 kehrte er zur USPD zurück. In den Jahren 1920– 1922 hatte er ein Reichstagsmandat inne. Den Rätegedanken propagierte er in der von ihm seit 1919 herausgegebenen Zeitschrift „Der Arbeiter=Rat“. Er verwirft die Diktatur einer Minderheit und erstrebt diejenige einer Majorität. Sein Ideal ist die Diktatur, die auf proletarischen Massen aufbaut, auf Millionen klassenbewußter Proletarier, eine politische Kraft, die es nicht nötig habe, sich auf militärische Gewaltmittel und terroristische Akte zu stützen.7 Er pocht auf die Räte als „Werkzeug“ des Umbruchs, das Instrument zur Herstellung einer Demokratie der höheren Art: „Die Arbeiterräte – wieviele Hoffnungen werden auf sie gegründet, wieviel Haß wird ihnen entgegengebracht! … Wir bekennen uns mit aller Inbrunst zum Rätesystem. Nicht, weil es sich bei ihm um eine neue Theorie, um eine neue Organisationsform handelt, sondern weil wir in ihm das Werkzeug sehen, das, was Millionen von Proletariern bisher nur für einen fernen Zukunftstraum hielten, in blutvolle, handgreifliche Wirklichkeit zu verwandeln: dem Sozialismus, d. h. einer höheren Menschheitskultur zum Siege zu
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verhelfen. … Wir erstreben eine höhere Form der Demokratie; wir wollen, daß die formale politische Gleichberechtigtheit gegründet sei auf der wirtschaftlichen Gleichberechtigung aller.“8 An energischen Bemühungen um das Rätesystem stand dem Schriftsteller Ernst Däumig der Arbeiter Richard Müller (1880–1943) nicht nach. Über ihn schreibt Wolfgang Wippermann: „Er hat die Novemberrevolution des Jahres 1918 entscheidend mit geprägt und war als Vorsitzender des ‚Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte‘ Staatsoberhaupt der ‚Deutschen sozialistischen Republik‘.“9 Müller war Dreher von Beruf, im Weltkrieg Organisator der Revolutionären Obleute. 1920 wird er Mitglied der KPD (Ausschluß 1922). Er wirkte mit größter Beharrlichkeit für seine Berufsgenossen, für das Proletariat und den Sozialismus, wobei er stets „mit einer geradezu wissenschaftlichen Präzision“ arbeitete.10 In seiner Geschichte der Novemberrevolution zeigt er die Schwäche der Rätebewegung auf, wie sie der Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte im Dezember vor aller Augen sichtbar machte. Bei der Mandatsprüfung werden 490 stimmberechtigte Delegierte gezählt, darunter – soweit sich anhand der Aufzeichnungen feststellen läßt – 71 Intellektuelle, jedoch kaum solche in freier Tätigkeit, sondern in der Mehrzahl Angestellte in leitender Funktion, proportional gleichmäßig auf alle Parteien verteilt. Nur 98 Delegierte bekennen sich als Anhänger des Rätesystems, ein Fünftel aller Kongreßteilnehmer.11 Es verfängt auch nichts, daß eine Delegation des Berliner Proletariats erscheint, unterstützt durch eine Demonstration von Zehntausenden von Arbeitern. Sie trägt einen schmalen Katalog von sechs Forderungen vor, an der Spitze: „1. Deutschland eine einheitliche, sozialistische Republik. 2. Die ganze Macht den Arbeiter- und Soldatenräten. 3. Der vom Zentralrat gewählte Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte als höchstes Organ der Gesetzgebung und Regierungsgewalt, durch das auch die Volksbeauftragten und alle Zentralreichsbehörden zu ernennen und abzusetzen sind.“12 Bereits während einer Versammlung der Arbeiterräte im Zirkus Buch am 19. November 1918 warnte Richard Müller – und es findet sich der düstere Terminus „Todesurteil“ wieder –: „Würden wir jetzt die Nationalversammlung einberufen, so wäre das das Todesurteil für die Arbeiter- und Soldatenräte.“13
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Unter den Revolutionären, die eine Verbindung des Rätegedankens mit dem Parlamentarismus erstreben, ist in München Kurt Eisner. Die Räte sind in seiner Sicht Zusammenschlüsse, die, mit demokratisch versierten Staatsbürgerinnen und -bürgern besetzt, sich als die besten Kontrollorgane eignen, denen das aktuelle Handeln staatlicher Instanzen generell unterworfen werden sollte. Weder dem Postulat, alle Macht den Räten zuzuteilen, neigt er zu, noch dem konträren, sie ihrer Macht, die ihnen die Revolution gegeben hat, wieder zu berauben. Was bleibt, ist die mittlere Lösung: die Räte bestehen zu lassen, jedoch die Macht sorgfältig austarierend zwischen ihnen und den konventionellen demokratischen Institutionen, vorab dem Parlament. So erläutert Eisner seine Aufgabenstellung – zuerst mit dem Blick auf die Arbeiterräte –: „In diesen Räten soll nun versucht werden, die unmittelbare Politisierung der Massen durchzuführen. Die Arbeiterräte sollen das Proletariat unmittelbar politisieren und zur Mitarbeit an der Gesamtheit heranziehen. … Ich bin überzeugt, wenn wir verhindern wollen, daß auch die neue Demokratie sich in einem leeren unfruchtbaren Parlamentarismus verliert, die Berufsparlamente, die Räte, daneben lebendig bleiben müssen. Sie werden die Organisationen der Wähler sein, nicht so, als ob nun über dem Landtag eine neue Oberaufsicht wäre und eine höhere Gewalt eingerichtet würde. Die Nationalversammlung oder der Landtag muß souverän sein; aber die Arbeiter bilden ihr eigenes Parlament …“ „Die künftige Nationalversammlung ist die Gesetzgeberin, die souveräne Gesetzgeberin, aber in den Räten liegt die moralische Kraft der Massen. Von hier aus soll der lebendige Geist der Demokratie und des Sozialismus hinüberströmen in das Parlament der Abgeordneten.“14 Und weiter führt Eisner aus: „Der Gegensatz zwischen Führern und Massen, der bisher uns beherrscht hat, soll verschwinden. Jeder soll lernen, selbst ein Führer zu sein.“15 Daß im Jahre 1919 die Räte-Idee in der deutschen Revolution nicht allein von sozialistischen Politikern aufgenommen wird, sondern durchaus auch von einem kompetenten Sachwalter der bürgerlichen Demokratie, erweisen die Tagebucheinträge des Grafen Kessler. Er bespricht mit Stresemann und dem Reichsaußenminister Ulrich Graf von Brock-
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dorff-Rantzau die von ihm für nötig erachtete Regierungsumbildung. Er fordert, Scheidemann, Erzberger und die Zentrumspartei, die von den Massen „mit dem größten Mißtrauen“ betrachtet würden, müßten „ausgeschifft, dafür Unabhängige und Linksdemokraten hineingenommen werden (Gerlach)“. „Außerdem sei es nötig, den ganzen wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands auf das Rätesystem zu fundamentieren: die Arbeiterräte müßten Recht und Pflicht bekommen, die Produktion wieder in die Höhe zu bringen, für die Arbeitslosen zu sorgen und Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Ihnen müsse die Verantwortung übertragen werden, dementsprechend aber auch die notwendige Macht.“16 Setzt er hier den Akzent deutlich auf die Funktion der Räte für die Wirtschaft, so zeigt sich doch, daß es ihm zugleich um die politische Stabilisierung der Demokratie im Reich geht, insofern er eine erweiterte Bedeutung der Räte ins Auge faßt. Am 17. April trägt er ein: bis „sehr spät“ Diskussion mit Breitscheid und Cassirer (Paul, Verleger und Kunsthändler, 1871–1926, Ehegatte von Tilla Durieux) „über das Rätesystem. Meine Rechtfertigung der Räteverfassung, daß der Betrieb als Lebensgemeinschaft Vertretung hat, während der Wahlkreis keine Lebensgemeinschaft ist. Nur die Lebensgemeinschaft erkennt die Führernaturen und kann deshalb begründet wählen; Wahlkreiswahlen sind papierene Wahlen, bei denen dem Wähler die Unterlagen zur Beurteilung des Gewählten fehlen.“ Ihm stimmt Simon Guttmann (1891–199017) zu (22. 4. 19). Kessler notiert, sein Gesprächspartner lobe „gerade meine Preisgabe der Demokratie zugunsten der menschlichen Persönlichkeit, die in ihren lebendigen Teilen gefaßt werde statt als bloße Zahl wie beim demokratischen allgemeinen Stimmrecht.“18 Heinrich Laufenberg beobachtete während der Revolution in Hamburg, wie überall Räte emporwuchsen, solche „sämtlicher Beamtenkategorien“, der Lehrer usw.19 Heutzutage ist völlig in Vergessenheit geraten, daß nicht nur die Arbeiterschaft, die Marine und das Heer eine Fülle der Räte aus sich heraus schufen, sondern daß auch das Bürgertum nicht zurückblieb und gleichfalls eine kaum übersehbare Zahl von Räten produzierte. Es entstanden seit dem November: Bürgerräte, Bauernräte, Frauenräte, Politische Räte geistiger Arbeiter, Künstlerräte, Schülerräte,
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Studentenräte u. v. a. m. Carl Zuckmayer meldet, er habe dem „Revolutionären Studentenrat“ der Universität Frankfurt angehört.20 In seiner weitgreifenden Untersuchung Bürgertum und Revolution nimmt HansJoachim Bieber eine Tätigkeitsdauer der „Bürgerratsbewegung“ bis zur Inflation von 1923 an. In Resten habe „der Rätegedanke in seiner berufsständischen Variante“ sich noch erhalten, bis heute in den „Personalvertretungen“ im öffentlichen Dienst.21 Den Umfang der Bewegung kann man daraus ermessen, daß sich am 5. Januar 1919 nicht weniger als 300 Bürgerräte in Berlin trafen, um die Gründung einer Dachorganisation einzuleiten. Angelehnt an die „Aktionsformen“ der Arbeiterklasse griff auch das Bürgertum, so Bieber, wie es sich in den Räten sammelte, zu kollektiven Maßnahmen, z. B. Massenversammlungen, Massenwerbung, Demonstrationen und Streiks. Bieber resümierte 1992, es sei seit dreißig Jahren eine auffällige Inversion in der wissenschaftlichen Forschung hinsichtlich der Novemberrevolution eingetreten, oder genauer: hinsichtlich der Rätebewegung. Es waren in der Zeit davor „insbesondere die Arbeiter- und Soldatenräte … meist als linksradikal, bolschewistisch oder kommunistisch, jedenfalls demokratiefeindlich abgestempelt“ worden. Nunmehr wurden diese „eingehend untersucht und als demokratisches Potential überhaupt erst entdeckt …, wenn auch die Meinungen darüber, wie stark und belastbar es war und wieweit es für eine bessere Fundierung der politischen Demokratie hätte genutzt werden können, auseinander gehen.“22 Die Änderung der Einschätzung der Arbeiter- und Soldatenräte in der Forschung geht wesentlich von der Untersuchung aus, die Peter von Oertzen erstmals 1962 als Buch veröffentlichte. Prinzipiell betrachtete er „die Revolution als eine zur Zukunft hin offene Situation“.23 Das bedeutet: Unter anderen Umständen hätten sich die Revolution sowie ihr Produkt, die Demokratie, auch auf Grundlage der etablierten Rätemacht stärken und weiterentwickeln können. Die von der Mehrheitssozialdemokratie imaginierte und propagierte Alternative: Bolschewismus oder (bürgerliche) Demokratie habe in Wirklichkeit in der Novemberrevolution nicht existiert. Vielmehr sei die einzige Alternative gewesen: (bürgerliche) Demokratie hier – dort eine auf die Räte gestützte soziale Demokratie.24 Ist das
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richtig, so hätte es im Reich nicht, wie von der SPD vorgespiegelt, einen Dualismus Ebert contra Lenin gegeben, sondern es würde in diesem Punkt Haffner Recht behalten müssen: der „wahre Gegenspieler“ Eberts war Eisner.25 Auch Eberhard Kolb sieht in der Rätebewegung ein entscheidendes Moment der Novemberrevolution, und er deutet den „Kampf um die Arbeiterräte als Kampf um Verlauf und Ziel der Revolution“.26 Im Jahr 1918/19 seien die Arbeiterräte „für die im November zur politischen ‚Mündigkeit‘ gelangten Schichten nicht nur die einzig zur Verfügung stehenden, sondern auch die geeigneten Instrumente zur Erringung und zum Ausbau von Machtpositionen in der Verwaltung und damit zur Sicherung eines demokratischen Charakters der jungen Republik“ gewesen.27 Den Sozialdemokraten lastet er an, sie hätten den neuen Staat besonders stark dadurch geschädigt, daß sie nicht „die Notwendigkeit einer entschlossenen Besitzergreifung des Verwaltungsapparates erkannten“.28 Einen prinzipiellen Einwand gegen den Rätegedanken untersuchte Ulrich Kluge: „die Frage nach der Antistaatlichkeit und dem Antiparlamentarismus der Räte“. Hätte diese Bewegung sich in der parlamentarischen Demokratie als störendes Element erweisen müssen? Zwar wohl in der reinen Form, jedoch nicht in der vermischten, denn hier taugte sie als „Ergänzung“. „Aber unter dem Aspekt vielfältiger Möglichkeiten technokratischer Manipulation des Sozial- und Wirtschaftsgefüges intendierte die von den Räten popularisierte und vom bäuerlichen und städtisch-gewerblichen Mittelstand geteilte korporative Ergänzung des parlamentarischen Systems und des wirtschaftlich-sozialen Institutionengefüges auf lokaler Basis eine Stabilisierung des politischen Gesamtgefüges der Republik.“29 Man würde heutzutage ähnlich die Frage an die in Deutschland teils regional tätigen, teils überregional arbeitenden zahlreichen Bürgerinitiativen richten können und ähnlich antworten wie Kluge, die korporative Ergänzung durch sie, ob des politischen oder ob des wirtschaftlichen Gefüges erwirke zweifellos doch „eine Stabilisierung des politischen Gesamtgefüges der Republik“. Anzunehmen ist vor allem: Sie würden sich einem neuen 30. Januar mit ihrer Kraft in den Weg legen.
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Hätten dasselbe im Jahre 1933 die Räte nicht auch getan, wären sie mit allgemeineren politischen Kompetenzen ausgestattet noch auf der Bildfläche aktiv gewesen?
Die Räterepubliken Bremen und München und die Intelligenz Räterepubliken entstanden an mehreren Stellen im Reich, so in den Hafenstädten an der Wasserkante, darunter spektakulär in Bremen (10. 1.– 4. 2. 1919), daneben auch in Braunschweig und einigen kleineren Orten. Am bekanntesten geworden sind sie in Bayern, wo zwei von ihnen seit dem 7. April 1919 in unterschiedlicher Gestalt auf einander folgten. Diese zeichneten sich durch eine auffällige Beteiligung von Intellektuellen, insbesondere Künstlern aus. Die Räterepubliken insgesamt erwiesen sich als am weitesten vorangetriebene Experimente mit dem reinen Rätesystem als Instrument der Diktatur des Proletariats. Am 3. Februar 1919 trug im Bremer Arbeiter- und Soldatenrat Adam Frasunkiewicz (USPD) vor, es sei Norddeutschland und speziell Bremen neben Leipzig „als der radikalste Ort“ bekannt.30 Bei linken Kräften genoß die Hansestadt wegen ihrer starken Arbeiter- und revolutionären Bewegung ein großes Prestige als „Hochburg der Freiheit“,31 den gegenteiligen einer verrufenen Hochburg des Terrors jedoch bei anderen, besonders in den konterrevolutionären Parteien und Medien. Das radikalisierte Proletariat bestand vielfach aus den Werftarbeitern und ihren Familien, stets „mit der AG ‚Weser‘ als Epizentrum der Aktion“.32 Beschäftigte dieser Werft traten im letzten Kriegsjahr in großer Zahl in den Streik. Die Arbeiter übernahmen den Forderungskatalog der Berliner Revolutionären Obleute, der als Hauptpunkte die Einstellung der militärischen Feindseligkeiten und die Aufnahme von Verhandlungen für einen Frieden ohne Annexionen enthielt.33 Wie Peter Kuckuk darlegt, war in der Novemberrevolution in Bremen „der eigentliche revolutionäre Akt der Staatsumwälzung“ schon mit der Bekanntmachung vollzogen, die Alfred Henke (USPD) am 14. November dem Arbeiter- und Soldatenrat namens des Aktionsausschusses vorlegte: „Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Ausübung der politischen Gewalt im Bremer Staatsgebiet übernommen, Senat
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und Bürgerschaft bestehen nicht mehr.“34 Zuvor hatte sich der Arbeiterund Soldatenrat die Macht mit den konstitutionellen Instanzen, Senat und Bürgerschaft, geteilt. Am 14. November kassierte der Arbeiter- und Soldatenrat ihren Anteil an der politischen Macht, so daß ihnen nur noch Aufgaben der Verwaltung verblieben. Die Ausrufung der Räteregierung (10. 1. 1919) bedeutete, daß er ihnen selbst diese noch nahm. Die revolutionäre Arbeiterschaft proklamierte die „Sozialistische Republik Bremen“ und verkündete „die Errichtung der proletarischen Diktatur“.35 Das Motiv der Räte war, mit ihrer Maßnahme von Bremen aus den Januaraufstand in der Reichshauptstadt zu stützen, damit, wenn er siegte, die Novemberrevolution in die proletarische übergeleitet würde. Noskes Absicht war es im wesentlichen, diese Möglichkeit zu durchkreuzen und ein Exempel zu statuieren. Alles, was er sonst zur Begründung anführte, waren Vorwände. So wurde der Sachverhalt auch verstanden. In Kiel demonstrierten die Arbeiter deshalb am 5. Februar gegen das Wüten der Konterrevolution in Bremen. Der Kopf der Bremer Linksradikalen, Johann Knief (1880–1919), Lehrer, dann Journalist, hatte seit dem 9. Januar an der politischen Bewegung nicht mehr handelnd teilnehmen können, weil seine Krankheit ihn hinderte. Als die Gründung der Räterepublik zur Debatte stand, widerriet er. Doch fruchtete seine Einwendung nicht. Daß dem Versuch kein Erfolg beschieden sein würde, mußten auch die Anhänger der Räterepublik sich bald eingestehen. Im dokumentarischen Material gibt es Wendungen, deren Schlichtheit bis heute anrührt, weil sie die Tragik der Antizipation, der Zufrühgekommenen durchscheinen läßt. So die Erkenntnis von Hagedorn (USPD) in der Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrats am 20. Januar 1919: „Wir stehen in Bremen allein …“36 Begründend ergänzte Dannat (KPD) am 21. Januar, als die Räterepublik vor dem Beschluß stand, ihrer eigenen Position ungeachtet in Bremen Wahlen zur Bürgerschaft anzusetzen: „Was die Konstituante für Bremen betrifft, so haben wir erkannt, daß wir eine Position genommen haben, zu der es noch zu früh war. Eine Position haben wir genommen, zu der es nicht zu früh gewesen wäre, wenn in Berlin und im Reiche die Dinge günstiger gekommen wären.“37 Ein sozialdemokratischer Arbeiterintellektueller,
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Wilhelm Kaisen, berichtet in seiner Autobiographie aus der Zeit nach seiner Rückkehr aus dem Felde, damals habe er seine Partei vorgefunden „in drei gegenseitig heftig befehdende Gruppen gespalten“. Dabei wirkte „für alle linksradikalen Strömungen in den Ländern Europas … das russische Beispiel als das allein richtige …, um zum Sozialismus zu gelangen“.38 In Hamburg sprach er „das geistige Haupt des Arbeiter- und Soldatenrats“, Heinrich Laufenberg. „Soviel ich mich aus dem Gespräch mit ihm erinnern kann, war auch er der Meinung, daß sich die russischen Vorgänge nicht gut auf Deutschland übertragen ließen. Aber der russischen Revolution sei jetzt die deutsche gefolgt … Es komme deshalb darauf an, die Herrschaft der Arbeiter- und Soldatenräte auszubauen und für alle Räte dieser Art einen Zentralausschuß für Deutschland zu schaffen, der im Namen der sozialistischen Revolution die westeuropäische Arbeiterschaft aufrufen sollte, sich solidarisch mit ihren deutschen und russischen Kollegen zu verhalten.“ Eklatant im Widerspruch zu seiner Anfangsbehauptung mahnte der Hamburger schließlich, „wir müßten doch versuchen, was die Russen versucht haben …“ Kaisen daraufhin, er müsse sich endlich entscheiden „zwischen einer Arbeiterund Soldatenregierung, die sich auf eine bewaffnete Gefolgschaft stützt, und einer aufgrund von allgemeinen Wahlen gewählten Nationalversammlung, die eine verhandlungsfähige Regierung einsetzt, welche das Recht auf der Grundlage einer demokratischen Verfassung wieder aufrichtet …“39 Daß die Alternative: Räteregierung / Nationalversammlung in Wahrheit nicht mehr als eine demagogisch verengende Fiktion darstellte, kam dem Redner nicht in den Sinn; vielmehr konstruierte er einen Zwang, dem die Reichsregierung gehorchen mußte: „Schließlich sah sich die neue Reichsgewalt genötigt, sich mit der Stadt zu befassen. Über hundert Tage Diktatur einer kleinen Minderheit waren nicht ohne Folgen für Bremens Häfen und Bremens Ansehen geblieben. … Es kam nach den fehlgeschlagenen Appellen und Mahnungen der Regierung Ebert nur noch ein militärisches Eingreifen in Frage …“40 Wie die Dokumente erweisen, war dies in Wirklichkeit objektiv vollkommen unnötig. Die Räteregierung hatte schon zuvor die Segel gestrichen und das Ende ihrer Tätigkeit avisiert.
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Verschlüsselt ist Kaisens Fazit – hat er sich historisch auf die Räteherrschaft beziehen wollen oder vorgreiflich auf das NS-Regime? –: „Der Versuch, das Problem der industriellen Entwicklung durch eine Befehlswirtschaft mit einer dieser Wirtschaft entsprechenden autoritären Staatsgewalt zu lösen, ist gescheitert – das Problem selbst aber ist geblieben, und seine Lösung kann nur auf der Basis der Demokratie gefunden werden.“ Das Wort „Demokratie“ läßt sich leicht hinsagen und -schreiben, es deckt bekanntlich aber unterschiedliche Sachverhalte. Kaisen weiß, daß mit der Weimarer Republik ihre Schöpfer die Unterschicht und große Teile der Mittelschicht nicht zufrieden stellten, und schreibt: „Aber die Demokratie, die jetzt im Gefolge der Niederlage ihre Herrschaft antrat, mußte die arbeitende Bevölkerung enttäuschen, da sie Not und Elend, die entsetzlichen Kriegsfolgen und einen Gewaltfrieden vorfand.“41 Hier gerade jedoch lag das Motiv der Räterepublikaner, ein Gesellschaftsmodell zu realisieren, von dem sie überzeugt waren, daß es den Ansprüchen der arbeitenden Bevölkerung besser genügte als die bürgerliche Demokratie. In der Hansestadt hatten länger schon zwei linkssozialistische Intellektuelle gewirkt, die beide hier während der Novemberrevolution entscheidend die Politik bestimmten, neben Knief Alfred Henke (1868– 1946).42 Sein Vater war ein Altonaer Zigarrenmacher. Die Familie zog 1876 nach Bremen. Alfred wurde nach dem Besuch der Volksschule durch den Vater ins Zigarrenmacherhandwerk eingeführt, kehrte nach Altona zurück und blieb in seinem Beruf bis 1899 tätig. Gleichzeitig verschaffte er sich Wissen durch ein Studium der wichtigsten marxistischen Autoren, besuchte den Arbeiterbildungsverein in Altona und nahm in Geschichte Privatunterricht. 1900 wechselte er wieder nach Bremen, wo er als Parteijournalist sowie auch als politischer Lehrer tätig wurde und zu einem Vordenker der Arbeiterbewegung heranwuchs. Durch ihn erhielt die „Bremer Bürger=Zeitung“ ihr Profil „als am besten redigierte sozialdemokratische Tageszeitung“ neben der „Leipziger Volkszeitung“.43 1906 erhielt er ein Mandat in der Bremer Bürgerschaft, 1912 ein Reichstagsmandat. 1917 gründete er die USPD mit. Am 10. Januar 1919 übernahm er den Vorsitz im Rat der Volksbeauftragten in der Räterepu-
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blik Bremen. Am 1. Februar 1919 berichtete er über eine Unterredung mit Noske, worin er diesem zu erklären gesucht habe: „Wir sind dafür gewesen, daß das Rätesystem über ganz Deutschland verbreitet werde, und wir haben große Hoffnungen gehabt, daß dies geschehen werde …“44 Nach der Niederwerfung Bremens attackierte ihn Noske in der Nationalversammlung heftig, wogegen Henke sich zur Wehr setzte und die Ausführungen des Angreifers als „im einzelnen und in ihrer Gesamtheit falsch“ kennzeichnete.45 Zu den Besonderheiten der politischen Situation in Bremen zählte bereits während des Kriegs, daß hier neben der USPD mit starkem linken Flügel sich der vehemente Einfluß der „Linksradikalen“ bemerkbar machte, „der neben dem Spartakusbund wichtigsten Gruppe der radikalen Linken in Deutschland“.46 Ihr theoretischer Kopf, Knief, forderte als erster früh im Reich, der Mehrheitssozialdemokratie nicht bloß die eine, die Unabhängige Sozialdemokratie entgegen zu stellen, sondern außer dieser noch eine zweite, die kommunistische Variante, so daß er für „drei“ plädierte. Sein Renommee reichte weit über Bremen hinaus. Erich Mühsam verzeichnet in seinem Tagebuch am 25. September 1920: „Ja, Knief wäre jetzt unser Mann, um die Idee der Revolution rein zu halten. Tot.“47 Den Redner Knief beschreibt einmal ein Mitglied der Linksradikalen, der Volksschullehrer Heinrich Eildermann (1879–1955, 1937/38 in NS-Haft)48, in einer Miniatur: „Er hielt keine schönen Reden, obgleich er ein wirklich großer Redner war. Seine Größe bestand vor allen Dingen in der Klarheit seiner Gedankenwelt, wobei er die Zuhörer mitarbeiten und selbst urteilen ließ. Er zeigte das Problem nach allen Seiten hin, die Hindernisse und den Weg, diese zu überwinden. Die lediglich aufpeitschende Art der Agitation gefiel ihm wenig. Ständig suchte er nach den nächsten konkreten Aufgaben.“49 Im politischen Massenstreik sah Knief „die Achse der gesamten linksradikalen Taktik“.50 Als „Spitzenpostulat“ verlangte er zum Schutz der Revolution mit der Waffe die Bildung roter Garden, und als Ziel der Revolution bezeichnete er eine „kommunistische Republik“.51 Oder: „die Diktatur des politisch reifsten und ökonomisch mächtigsten Teils der Arbeiterschaft, des industriellen Proletariats“.52 Aus alledem, so Gerhard Engel, wurde „Kniefs Kurs deutlich,
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gewissermaßen unter Umgehung der bürgerlich-demokratischen Republik sofort das Endziel anzuvisieren“.53 Eine bedeutende Verkennung der gegebenen Wirklichkeit, so Engel weiter: „Der Blick auf Bremen und die relativ wenigen anderen Hochburgen der Linksradikalen verstellte Knief den Blick auf Realitäten. … Noch ehe stabile bürgerlich-demokratische und antiimperialistische Umwälzungen vor sich gegangen waren, erklärte er deshalb die proletarische Revolution zur Tagesaufgabe.“54 Kniefs Lebensgefährtin in seinen letzten Jahren, Charlotte Kornfeld (1896–1974, gest. im Exil in den USA) teilte Kniefs politische Einschätzung, den Irrtum eher noch steigernd, als sie zur Nationalversammlung am 19. Januar anmerkte (15. 1. 1919): „Am Sonntag, … am Wahltag wird der Kampf entbrennen – riesenhaft, überall im Reich. Das scheint mir gewiss. Ich glaube nicht mehr, dass diese Bewegung so ungeheuer revolutionärer Massen im ganzen Reich noch zurückgeworfen werden kann.“55 In der Ära vor und nach dem 9. November 1918 nahm die junge Frau Möglichkeiten wahr, Kontakte zu Persönlichkeiten zu knüpfen, die gleich Knief und ihr selber im Zeitgeschehen wichtige Rollen übernahmen. Als es ihnen gelungen war, durch die Hilfe von Ärzten, die mit ihnen beiden sympathisierten, im August 1918 gemeinsam in das Sanatorium von Dr. Weiler im Berliner Westend überwiesen zu werden, konnten sie Freundschaft mit dem Pazifisten Hans Paasche schließen, der hier wegen Hoch- und Landesverrats festgehalten wurde.56 Am 9. November aus der Haft befreit, suchte sie mit Knief in Dresden Otto Rühle auf, einen Freund und Mitstreiter aus der Gruppe der Linksradikalen.57 Nach dem Ende der Bremer Räterepublik und Kniefs Tod fand sie Unterkommen in Worpswede, sozusagen unter dem Schutz Vogelers, in den sich auch der Matrosenführer Lieby geflüchtet hatte. Ein enger Freund Kniefs und Kollege aus der „Bremer Bürger=Zeitung“ war der Literaturwissenschaftler Rudolf Franz (1882–1956). Er wirkte in der Vorkriegssozialdemokratie, in der USPD, bei den Linksradikalen und in der KPD (Ausschluß 1926). Den Versuch einer Revolution sozialistischen Charakters betrachtete er nach dem Januaraufstand als gescheitert. Seine Enttäuschung, so Engel, drückt sich in poetischen Texten aus, die er zum Andenken an die Opfer schrieb. Den Jubelruf
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Eisners vom November 1918 nahm er in den folgenden zwei Zeilen verbittert zurück: „Doch eine Fratz ist nun geworden / der jungen Freiheit hehres Angesicht.“58 Daß die bayerische Bevölkerung, vor allem in der Landeshauptstadt München im anfangenden 20. Jahrhundert an Politik keineswegs uninteressiert war, sondern gedanklich daran stark teilnahm, sogar auch an politischen Begebenheiten im Ausland, zeigt das Faktum, daß im Jahre 1905 mehr als 20000 Münchener gegen die Niederschlagung der Revolution in Petersburg demonstrierten. Für die anschließenden Jahre konstatiert der Historiker Bosl: „In aller Stille wurde in München der geistige Boden gelockert und das gesellschaftliche Erdreich für den Umbruch erweicht und vorbereitet, der dann scheinbar über Nacht im November 1918 revolutionär kam, als die Umstände dafür günstig waren.“59 Revolutionär kam auch der neue Ministerpräsident Eisner. Für ihn bringt der Historiker allerdings kaum Sympathie auf: „Eisner schwankte zwischen parlamentarischer Demokratie und Rätesystem.“60 Jedoch: Wer sich zwei politische Kräfte mit einander verbunden denkt, muß zuvor nicht zwischen ihnen geschwankt haben und auch später nicht schwanken. Für die Zeit nach der Ermordung Eisners heißt es dann bei Bosl. „In München „ergriffen die Radikalen das Ruder und bildeten mehrmals ihr ‚Rätesystem‘ um. Eine führende Rolle übernahmen Levin61 und Leviné neben Landauer, Mühsam und Toller, den intellektuellen Anarchisten. Ihre Geiselmorde empörten Stadt und Land.“62 Daß sich die Revolution wirklich dieser „Geiselmorde“ schuldig machte, ist in der damaligen Öffentlichkeit zwar vielfach behauptet worden, wird aber in Teilen der späteren Forschung angezweifelt. Fest steht, daß acht der Opfer Mitglieder der völkischen „Thule“-Gesellschaft waren, die mit falschen Stempeln und gefälschten Unterschriften gegen die Revolution gearbeitet hatten. Richard Müller verwies darauf, daß „keine politischen Führer der Räterepublik“ an diesem „Geiselmord“ – er setzt den Begriff in Anführungszeichen, um die Zweifelhaftigkeit der Bezichtigung anzudeuten – sich beteiligt hätten. „Er wurde verübt von Rotgardisten, die Vergeltung üben wollten für die Niedermetzelung ihrer Kameraden durch Regierungstruppen.“63 Trotz
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alledem eine Vorgehensweise, die politisch ein Fehler und moralisch verwerflich war: eine „fluchwürdige Tat“ (R. Müller). Die Revolutionen in Bayern wiesen durchaus possenhafte Züge auf. Die Schauspielerin Tilla Durieux bezeugt in dem Kapitel 1919. München, Räterepublik ihrer Autobiographie, zu Beginn habe sich ihr ein „Schauspiel“ geboten, als Mühsam versuchte, mit Hilfe einer Leiter in Eisners Wohnung einzusteigen, nachdem er als Besucher abgewiesen worden war.64 Die zwei bayerischen Räterepubliken waren eine mittelbare Folge der Ermordung des Ministerpräsidenten Eisner. Schmolze kommentiert, dessen Tod habe das Ende der ersten bayerischen Revolution bedeutet, wonach sofort die zweite begann: es konstituierte sich am selben Tage (21. 2.) noch der „Zentralrat der Bayerischen Republik“, dem Mitglieder der SPD, USPD, KPD und der Vollzugsorgane der Arbeiter-, Soldatenund Bauernräte angehörten. Als Vorsitzender fungierte der Mehrheitssozialist Ernst Niekisch (1889–1967; wegen Tätigkeit im Widerstand im NS zu lebenslänglicher Haft verurteilt).65 Am 7. April wird die Räterepublik ausgerufen (3. Revolution), worin die Anarchisten und Mehrheitssozialisten dominieren. Toller nimmt bei ihnen ein ähnliches Motiv an wie bei den Bremern: „Diese Räterepublik ist ein tollkühner Handstreich verzweifelter Arbeitermassen, die verlorene deutsche Revolution zu retten.“66 Erich Mühsam erhofft sie als „das Signal zur allgemeinen deutschen Revolution“.67 Am 13. April folgt unter kommunistischer Führung eine neue Variante, Räterepublik Nr. 2 (4. bayerische Revolution). Sie bereitet sich selber einen Triumph, wie ein Presse-Berichterstatter meldet: „Der 22. April war der große Sieges- und Festtag der jungen bayerischen Räterepublik.“68 Der führende Politiker der 1. Räterepublik ist Gustav Landauer (geb. 1870, ermordet am 1. Mai 1919). Am 12. April schreibt er: „Unter Räterepublik ist nichts anderes zu verstehen, als daß das, was im Geiste lebt und nach Verwirklichung drängt, nach irgendwelcher Möglichkeit durchgeführt wird.“69 Aber schon unter Zeitgenossen gilt sie als Streich übermütiger Künstler. Paul Frölich meint, die Räteregierung „machte eine sozusagen literarische Politik“, sei deshalb ein „Putsch“ gewesen.70 Während Graf Kessler notiert: „das erste Stück von Deutschland, das
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zum Bolschewismus übergeht“,71 lehnen die Kommunisten die Beteiligung ab, weil sie das Ganze für eine „Scheinräterepublik“ ansehen.72 Richard Müller urteilt: „Jedenfalls fehlten für die Ausrufung der Räterepublik alle politischen und militärischen Voraussetzungen.“73 Unter den führenden Protagonisten der ersten Räterepublik befanden sich scharfe Gegner des Marxismus. Der Schriftsteller Erich Mühsam (1878–1934, im KZ Oranienburg durch NS-Täter ermordet oder zum Suicid getrieben) erblickte in ihm eine „große Mode der Gebildeten“. Er bezichtigte ihn, „in den Bezirken der künstlerischen Kultur unbeschreibliche Verwirrung angerichtet“ zu haben, da „nicht allein die Befreiung des Proletariats aus ökonomischer Verknechtung“ anstehe, sondern „vor allem die Neugestaltung der geistigen und seelischen Beziehungen der Menschen untereinander …“74 Als „stärkste treibende Kraft“ in München erscheint ihm vom November 1918 bis zum April 1919 der „Revolutionäre Arbeiterrat“ (RA).75 Mühsam wandte sich schnell gegen Eisner und sein „Minimalprogramm“ und versuchte, dessen Gegner zusammenzufassen: den AR, den Spartakusbund und vor allem seine eigene Gründung, die VRI (Vereinigung revolutionärer Internationalisten). Sein – anarchistisches – Programm lautet: „durch internationale Willensgemeinschaft gesicherter Friede, Autonomie der Völker durch Beseitigung aller Obrigkeiten und Vorrechte, sozialistische Gerechtigkeit.“ Dazu die „Weltrevolution“.76 Steckten hierin wieder einmal Illusionen nicht zu knapp, sah er doch richtig das primäre Defizit: „Denn in der Übernahme der alten Apparate ruht die größte Gefahr für die Revolution …“77 Die Ermordung Liebknechts und Rosa Luxemburgs bewertet er als „entsetzliche Wiederholung“ der „Christusgeschichte“.78 Gustav Landauer, ebenfalls Schriftsteller, erhielt nur die Spanne von einer knappen Woche, um ein herausgehobenes Amt zu übernehmen. Diese Zeit und nicht mehr war ihm in der ersten Räterepublik gegönnt, worin er als Volksbeauftragter für Volksaufklärung wirkte (= faktisch Kultusminister). Die Diktatur des Proletariats, falls sie käme, so bekannte er, würde er „nicht fürchten, sondern hassen und bekämpfen als Pest“.79 In seinen Untersuchungen und Essays vor dem Weltkrieg und in ihm hatte er gegen die Sozialdemokratie polemisiert: „Philister und strohtro-
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ckene Systematiker träumen den unsäglich öden Traum von der Einführung des Patentsozialismus …“80 Das Wirken der Sozialdemokratie brachte er auf die Formel: „die Geschichte einer mit lebhaften Fiebergesichten verbundenen Gelähmtheit“.81 In der Novemberrevolution und Räterepublik hoffte er, daß sich nun Hände in Bewegung setzen würden, um den Sozialismus aus seiner Erstarrung zu erlösen. Aber auch das blieb wieder nur ein Traum, vielleicht kein öder, sondern ein facettenreich-bunter, doch bezahlte er ihn mit seinem Leben. Er hing mit Enthusiasmus der Rätelehre an. Die Verfassung der stimmenzählenden Demokratie verwarf er, um sie durch eine korporative zu ersetzen: „Es soll keine atomisierten und abdankenden ‚Wähler‘ mehr geben; es soll Gemeinden und Korporationen und Verbände geben, die in Gesamtversammlungen und durch Delegierte ihr Schicksal bestimmen.“82 Einen anderen Intellektuellen, der in München an der Räterepublik beteiligt war, umgab gleich schon damals ein Geheimnis, das sich erst postum lüften sollte: Ret Marut (1882–1969; Tod im mexikanischen Exil).83 Er war ein Autor, der nach seiner Flucht aus Bayern als Epiker zu großem Ruhm kam – nicht unter diesem Namen, sondern unter dem Decknamen B. Traven.84 Im Provisorischen Revolutionären Zentralrat arbeitete er als Mitglied der Presse-Abteilung sowie der Presse-Sozialisierungskommission. Außerdem betätigte er sich im Propaganda-Ausschuß der Räterepublik und in einer Kommission zur Bildung eines Revolutionstribunals. In seiner Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“ kommentierte er Vorgänge des Weltkriegs, die Novemberrevolution sowie die Räterepublik und deren Niederschlagung. Auch er blieb seinen Illusionen verhaftet, stellte z. B. im Heft 15 seiner Zeitschrift unter dem Datum des 30. Januar 1919 fest, die „Welt-Revolution beginnt“, und die Diktatur des Proletariats sei bereits Realität: „Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich mich so unendlich frei und glücklich gefühlt, wie unter der Diktatur des Proletariats, einer Diktatur, die nicht die Diktatur einer Minderheit ist …, sondern die die Diktatur der Mehrheit des deutschen Volkes ist …“85 Ausdrücklich der marxistischen Auffassung widersprechend, die Abschaffung des Eigentums an den Produktionsmitteln sei not, propagierte er
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höhnisch die Abschaffung jeglichen Privateigentums.86 Damit konnte er die Befürchtungen des Bürgertums, wie sie zur selben Zeit etwa Ricarda Huch hegte, nur bestärken. Er empfahl die Iren und Inder in ihrem Ankampf gegen die Kolonialherrschaft der Engländer als Vorbild, verpflichtete die Zeitgenossen zu passivem Widerstand und Waffenlosigkeit und verfocht hiermit einen Pazifismus, der gewiß ungeeignet gewesen wäre, einer Diktatur des Proletariats, hätte sie denn wirklich existiert, zum Überleben zu verhelfen. Vorstellbar war, daß ein Pazifist in der Novemberrevolution unversehens in eine ausweglose Situation geriet. War er noch nicht zum Revolutionären Pazifismus vorgedrungen – der erst ja noch aus den Erfahrungen der Ära entwickelt werden wollte –, so hieß Pazifismus ihm einfach: bedingungsloser Verzicht auf Gewaltanwendung (Absolutpazifismus). Plötzlich konnte er als Revolutionär sich jedoch in die Pflicht genommen fühlen, selber Gewalt anzuwenden oder die Anwendung von Gewalt zu befehlen. So geschah es, als in Bayern Ernst Toller (1893–1939, Suicid im Exil) „Heerführer“ wurde. Er war im Weltkrieg Artillerieunteroffizier. Wie anderen schwebte auch ihm die Verwirklichung einer radikalen Demokratie vor, eines Rechtsstaats, der auf den Friedensgedanken eingeschworen sein sollte. Dem aber verweigerten sich die politischen, militärischen und ökonomischen Eliten. Ihren Widerstand zu brechen, bedurfte es starker Machtmittel, es ging nicht ohne Gewalt. Bürgerkrieg? Dafür war die Majorität im Lande kaum zu haben, die der Soldaten auch nicht, und selbst, wie das Beispiel Heinrich Manns zeigt, der mit der Revolution sympathisierende Intellektuelle nicht immer. In der Weimarer Republik fand Ernst Toller dann zum Revolutionären Pazifismus. Er gestand, er sei als „Bourgeoissohn“ geboren. Aber: „Da ich erkannte, daß wir eine Gesellschaftsordnung haben, die auf sozialer Ungerechtigkeit aufgebaut ist, schlug ich mich auf die Seite der Arbeiterschaft.“87 Offensichtlich gewann er im München der Revolution bei den Arbeitern viele Sympathien. Er war der ‚junge Mann‘ Kurt Eisners. In München vom Zentralrat der bayerischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte zum zweiten Vorsitzenden gewählt, später zum ersten, beteiligte er sich an der Novemberrevolution in Bayern und an der Räterepu-
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blik in herausgehobener Position. Dennoch, die Räterepublik vom 7. April 1919 hielt er für einen politischen Fehler; ihre Ersetzung durch die zweite geschah in seiner Abwesenheit.88 In seinen Erinnerungen rekapituliert er die Vorgänge mit klarem Blick, mit intelligenter Analyse der Ereignisse und der handelnden Personen mit Einschluß seiner selbst. In München erlebt er zwei Ansätze der Räterepublik, dann die definitive militärische Niederlage. Ihm stellt sich eine historische Parallele vor Augen: die Taboriten – der linke Flügel der Hussitenbewegung im 15. Jahrhundert –. Er macht die Anwendung auf alle Revolutionen: „Immer wurde der aktive Flügel isoliert und niedergeworfen von jenen, die ihre revolutionären Talente am Sonntag in Festartikeln manifestieren, die sich aber am Alltag verbünden mit der Klasse, die sie zu bekämpfen vorgeben.“89 In der Haft hat er unfreiwillige Muße für seine Dichtungen, auch zum Nachsinnen über die Kunst, vorab proletarische Kunst. Er schreibt: „In den Werken der Revolutionäre wird der Kampf besungen und der kämpfende Mensch. Lieben wir den Kampf um des Kampfes willen? Nein. Der Kampf ist ein Mittel, wie die Politik ein Mittel ist. Ohne Kampf, ohne Politik sind wir das Eisen, auf das der Hammer schlägt. Wir aber müssen der Hammer werden, der das Eisen formt.“90 Die Zentralfigur seines Schauspiels Die Wandlung (entstanden noch vor der Revolution, 1917/18), namens Friedrich, hält am Schluß eine Ansprache mit Aufruf zur Aktion: „Nun geht hin zu den Machthabern und kündet ihnen mit brausenden Orgelstimmen, daß ihre Macht ein Truggebilde sei. Geht hin zu den Soldaten, sie sollen ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden. Geht hin zu den Reichen und zeigt ihnen ihr Herz, das ein Schutthaufen ward. Doch seid gütig zu ihnen, denn auch sie sind Arme, Verirrte. Aber zertrümmert die Burgen, zertrümmert lachend die falschen Burgen, gebaut aus Schlacke …“91 Das biblische „Schwerter zu Pflugscharen“ verweist auf den Pazifismus, à la Tolstoi klingt die Ermahnung, selbst mit den Reichen in Güte zu verhandeln. Kein Reicher der Ära indessen hätte die Zertrümmerung seiner Burg (Fabrik) als Beweis der Güte aufgefaßt, den Angriff daher auch mit Anforderung von Militär beantwortet.
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Ebenso das letzte Wort des Stücks: „Revolution!“ Auch die Revolution hätte die ultima ratio herausgefordert. Schließlich wußte man in Deutschland nicht erst seit 1918, daß gegen Demokraten nur helfen – Soldaten. Durch das dramatische Schaffen des Dichters Toller zieht sich diese Aporie: Frieden soll sein, Gerechtigkeit werden – auf einem neu zu legenden Fundament. Wie aber kann der Revolutionär, der Friedenskämpfer dazu gelangen, gewaltlos ein neues Fundament zu legen, solange die alten Kräfte weiterwirken, alte Mächte das Land beherrschen? Die bis heute am meisten bewegende Dichtung Tollers ist seine Sammlung Gedichte der Gefangenen, Untertitel: Ein Sonettenkreis (1921). Die Texte widmete er „Den namenlosen Toten deutscher Revolution“, aber auch einigen mit Namen benannten Opfern der Rätezeit (Erschossenen), dazu seiner Mutter, dem Dichter Romain Rolland und diversen Mitgefangenen.92 Ein Akteur der 2. Räterepublik, der an deren Ende nach kurzem Prozeß exekutiert wurde, war der Vorsitzende des Vollzugsrates der zweiten Räterepublik – praktisch deren Regierungschef –. Ein Jurist, ursprünglich ein Sozialrevolutionär aus Rußland, wurde er später Mitglied der Spartakusgruppe und Mitgründer der KPD: Eugen Leviné (1885–1919). In den Nachrufen wird damals seiner mit großem Respekt gedacht: „eine große revolutionäre Persönlichkeit“, und vor allem gerühmt, wie todesmutig er vor dem Gericht gestanden habe.93 Kurt Rosenfeld (1877–1943; 1933 Exil in Frankreich, später in den USA), 1918/19 Justizminister in Preußen, MdR 1920–1932, charakterisierte Leviné: „Ein Held ist gefallen im Klassenkampf, ein Held, wie er reiner, ein Held, wie er edler und reiner niemals sich vor den Schranken des Gerichts zu verantworten gehabt hat.“94
Hamburg keine Räterepublik „nach Münchener und Bremer Art“ In der zweitgrößten Stadt des Deutschen Reiches, der Hansestadt Hamburg, nahm die Novemberrevolution einen eigentümlichen Verlauf. Hier gab es eine der Voraussetzungen wie in der Nachbarstadt Bremen auch, um die Errichtung einer Räterepublik zu bewirken: die Existenz eines
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Zweigs der Bremer Linksradikalen, zu der mehrere bedeutende Intellektuelle zählten: Heinrich Laufenberg, Fritz Wolffheim, Paul Frölich, Rudolf Lindau. Von den Erstgenannten heißt es in der Forschung: „Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim, die am 6. 11. 1918 auf einer Massenversammlung auf dem Heiligengeistfeld die Revolution in Hamburg auslösten, beabsichtigten die großdeutsche sozialistische Räterepublik zu schaffen.“ Unter den die Revolution in Hamburg auslösenden Kräften hätten die beiden in der ersten Hälfte des Jahres 1919 deren Entwicklung bestimmt.95 Schon in der Mitte des Monats November 1918 sah es danach aus, als würde sich eine hamburgische Räterepublik – als Variante der reinen Räteherrschaft – zu etablieren vermögen. Es wäre die früheste in der Reihe der Räterepubliken gewesen. Doch es zeigte sich, daß das Experiment nach einer halben Woche abgebrochen werden mußte, so daß es zu einer gemischten Regierung kam, der Räte und der alten Autoritäten. Was nun entstand, fiel Vertretern des Bürgertums gleichwohl unter den Begriff der ‚kommunistischen Diktatur‘. Fritz Schumacher (1869–1947) war von 1909–1933 in Hamburg Oberbaudirektor. In seinen Memoiren gedenkt er in aller Kürze der Ereignisse, wie er sie in der Hansestadt wahrnahm, wobei er den Namen Laufenberg ins Zentrum rückt: „So mußte auch Hamburg das traurige Schauspiel erleben, daß eine Handvoll spartakistischer Matrosen, von Kiel kommend, sich des Rathauses bemächtigte, und eine der merkwürdigsten Episoden in der Geschichte der Stadt entstand: die kommunistische Diktatur des Dr. Laufenberg.“96 Schumachers Gesamturteil über die Novemberrevolution in Hamburg steckt in dem Epitheton „traurig“. An dem in Hamburg zunächst entscheidenden Tag, dem 6. November, versammelten sich 40000 Arbeiter, Soldaten und Matrosen auf dem Heiligengeistfeld. Dort forderte Fritz Wolffheim die Demonstranten auf, nach dem Sitz des Generalkommandos in Altona in der Palmaille zu ziehen, wo als Chef General Adalbert von Falk residierte. Doch dieser hatte längst die Flucht ergriffen. Er selber berichtete darüber: „Am Morgen des 6. November begab ich mich gegen 7 Uhr nach dem Generalkommando, das von einem starken Wachkommando besetzt war. Alle verfügbaren Truppen waren in den Kasernen bereit. Nur 1000 Mann
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standen für das große Städtegebiet zur Verfügung. Verteidigungsmaßnahmen waren getroffen, und zwar im ganzen Korpsbezirk. Größte Energie war anbefohlen. Eine Besprechung mit dem Kommandanten, Generalmajor v. Trautmann, ergab, daß zwei Kompanien mit Maschinengewehren und zwei Geschützen mit etwas Munition als einzige Reserve zur Verfügung standen. Bekannt war geworden, daß die Leitung der Aufstandsbewegung im Gewerkschaftshaus tagte. Ich befahl: ‚Die Reserve rückt vor das Gewerkschaftshaus und hebt die Leitung dort aus.‘ Bald kam die Meldung: ‚Die Artillerie weigert sich, anzuspannen.‘ – Damit war jede Aussicht, der Bewegung mit den eigenen Truppen Herr zu werden, verloren … So war mein letzter Befehl, der jetzt folgte, ein Telegramm an alle Garnisonskommandos etwa des Inhalts: ‚Jeden Widerstand aufgeben! Unnötiges Blutvergießen vermeiden!‘“97 Paul Frölich, einer der Köpfe der Linksradikalen, triumphierte: „Die Feste der Klassenherrschaft ist sturmreif. Es ist der Anfang der deutschen Republik, der Weltrevolution.“ Eine revolutionäre Fata Morgana, wie sich rasch erwies. Dennoch aber jagten die Vorgänge dem sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Hermann Müller einen gewaltigen Schrecken ein. Er verzeichnete später: „Nach allem, was ich … hörte, war zu befürchten, daß in Hamburg die Wellen der Revolution weiter nach links schlagen würden, als das mit der Lage Deutschlands verträglich war.“98 Rudolf Lindau (1888–1977), ein Mitglied der Linksradikalen, war während der Novemberrevolution Leiter der Pressestelle der Arbeiter- und Soldatenräte in Altona. Er berichtete, daß in Hamburg den Auftakt eine von der USPD einberufene öffentliche Versammlung im Gewerkschaftshaus am Dienstagabend, dem 5. November 1918, bildete, zu der mehr als 10000 Menschen erschienen. Es sprachen der Reichstagsabgeordnete Wilhelm Dittmann, dazu Vertreter der Linksradikalen, außerdem Matrosen und Soldaten. Am 6. November zogen Arbeiter, Matrosen und Soldaten zur Infanteriekaserne in der Bundesstraße, um die Soldaten zum Anschluß an die Revolution zu bewegen. Unter der Anleitung von Offizieren eröffneten sie das Feuer, es gab Tote, unter diesen ein Mitglied der Linksradikalen, Friedrich Peter. Die Befehlshaber wurden festgenommen, die Soldaten schlossen sich der Revolution an. Als
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letztes Widerstandsnest verblieb die Artilleriekaserne. Es kapitulierte, als der aus Cuxhaven herbeigekommene Kleine Kreuzer „Augsburg“ seine Geschütze darauf richtete. Als der Zug der Demonstranten vom Heiligengeistfeld zur Palmaille zog, wurde er aus Fenstern beschossen. Gemäß Lindaus Bericht fielen am 6. November in Hamburg insgesamt zehn Arbeiter, Matrosen und Soldaten dem Feuer der Gegenrevolution zum Opfer.99 Der Verlauf der Revolution in Hamburg wurde, wie Lindau weiter schreibt, durch mehrere Besonderheiten verursacht: „Die Entwicklung der Novemberrevolution in Hamburg erklärt sich nicht nur aus den bekannten, in Deutschland wirkenden Faktoren. Wie in anderen Städten und Gebieten spielten lokalgeschichtliche Umstände eine erhebliche Rolle. Hamburg war seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Hochburg der Sozialdemokratie. Unter den Bedingungen der nach dem Fall des Sozialistengesetzes wiedergewonnenen Legalität bekamen die Opportunisten in der imperialistischen Epoche wachsenden Einfluß. Die soziale Struktur der Sozialdemokratie veränderte sich mehr und mehr. Der linken Strömung der industriellen Arbeiter der Werften, des Hafens und anderer Betriebe stand in der größten Handelsstadt Deutschlands eine Schicht von Arbeiteraristokraten und Angestellten sowie eine besonders starke Arbeiterbürokratie gegenüber.“ Es existierte keine Ortsgruppe des Spartakus, sondern es gab nur die mit Spartakus in Aktionseinheit verbundenen Linksradikalen. Hierin habe der Historiker Dr. Heinrich Laufenberg „wegen seines Auftretens gegen die Kriegspolitik der sozialdemokratischen Führer großen Einfluß“ ausgeübt.100 Am 8. November wählen die Betriebe rund 600 Delegierte in den Hamburger Arbeiterrat. Daraus entsteht am 10. November eine Exekutive. Der Große Arbeiterrat entsendet in ihn 18 Mitglieder, je drei Vertreter haben darin die SPD, die USPD und die Linksradikalen. Vorsitzender wird Laufenberg. Die in der Revolution maßgebenden Politiker sahen sich in Hamburg ständig der Drohung der Konterrevolution ausgesetzt. So sollten in der Nacht vom 8. zum 9. Dezember 1918 die Führer der Linksradikalen – Laufenberg, Frölich, Lindau – und mehrere Mitglieder des Arbeiter- und
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Soldatenrats verhaftet und, falls die Arbeiterschaft Widerstand leistete, erschossen werden. Doch gelang es der Wachsamkeit der Revolutionäre, dem Putsch zuvorzukommen und die Führer des Anschlags festzunehmen. Statt nun diese vor Gericht zu bringen, „feilschte man mit der bürgerlichen Justiz“, ob die Organe des Arbeiterrates zu deren Verhaftung berechtigt seien.101 Die Position der Linken in der Exekutive des Arbeiter- und Soldatenrates wurde allmählich immer mehr geschwächt. Der Januaraufstand in Berlin und die folgende Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs aber führten auch in Hamburg „zu einem mächtigen Aufschwung der Massenbewegung. Eine von den Kommunisten und von linken Unabhängigen ohne Befragung des Arbeiterrates organisierte mächtige Demonstration setzte den Arbeiter- und Soldatenrat am 9. Januar so unter Druck, daß eine Mehrheit sich gegen die Regierung Ebert-Scheidemann erklärte. Am Tage darauf überfiel eine von unsichtbaren Hintermännern beauftragte Gruppe schwerbewaffneter ‚Sicherheitssoldaten‘, darunter Kriminalbeamte, das Rathaus und verhaftete nach wildem Tumult Laufenberg, der nach Stunden wieder befreit werden konnte.“102 Heinrich Laufenberg (1872–1932) gehörte ursprünglich der Zentrumspartei an, entwickelte sich aber zum Sozialdemokraten und später zum Linksradikalen. Als Sozialdemokrat arbeitete er journalistisch, vor allem aber geschichtswissenschaftlich. Nach dem Militärdienst 1915–1918 wurde er in der Revolution in Hamburg Vorsitzender der Exekutive des Hamburger Arbeiter- und Soldatenrates. Mitgründer der KPD, trat er 1919 aus dieser aus. Er gründete die Kommunistische Arbeiterpartei mit (KAPD), doch schloß diese ihn 1920 aus. Rudolf Lindau, eine Zeit lang Laufenbergs Privatsekretär, beurteilte später dessen Tätigkeit während der Novemberrevolution negativ: „Präsident Dr. Laufenberg bewies, daß er zwar ein fleißiger Historiker, aber in Fragen einer revolutionären Politik ein hilf- und heilloser Dr. Konfusion war …“103 Der führende Publizist der Sozialdemokratie in der Kaiserzeit, Franz Mehring, hatte dafür gesorgt, daß Laufenberg die Aufgabe erhielt, die Entwicklung der Arbeiterbewegung in Hamburg sowie in Altona und dem Umland zu beschreiben. Mehring rühmt Laufenbergs Leistung, besonders bei dessen
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Darstellung des Streiks als Kampfmittel des Proletariats: „Es ist die Geschichte des politischen Streiks, die Laufenberg in seiner Schrift erzählt, mit der Gründlichkeit und Sachlichkeit, die seine wissenschaftlichen Arbeiten auszeichnen. Das Bild, das er entrollt, wird in jedem klassenbewußten Arbeiter nicht nur die lebhafteste Bewunderung wecken, sondern auch die Überzeugung, daß es sich bei dem politischen Streik nicht um eine Waffe handelt, die gebraucht oder auch nicht gebraucht werden kann, deren Handhabung davon abhängt, ob irgendeine gewerkschaftliche oder politische Instanz sie zur passenden oder unpassenden Zeit anordnet. Vielmehr handelt es sich um eine geschichtliche Erscheinung, die mit elementarer Gewalt aus den wirtschaftlichen Zusammenhängen der imperialistischen Ära emporwächst und ihren Zug um die Welt angetreten hat.“104 Paul Frölich berichtet in seiner Autobiographie: „Um Heinrich Laufenberg gruppierte sich das junge radikale Element. Wir schauten zu ihm als zu einem grundgelehrten Manne auf.“105 Die Gelehrsamkeit Laufenbergs zeigt sich in seinem Hauptwerk, welches 1911 und 1931 in zwei Bänden erschien: „Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgegend“, einer stupenden Schrift mit 1400 Seiten, die das Lob von Mehring hervorrief, sie verdiene „die lebhafteste Bewunderung“. Was geschildert wird, sind die Jahre von 1815 bis 1890 in der Hamburger Region, die Epoche von den ersten Anfängen der Arbeiterbewegung bis zum Ende des Sozialistengesetzes. Das darstellerische Prinzip der Historiographie, das Laufenberg im Vorwort anführt, beherzigte er selber durchweg: „Aufgabe der historischen Darstellung war, nicht nur das selbständige Leben der örtlichen Bewegung, sondern auch deren Bedingtheit durch den großen Gang der Gesamtbewegung zur Geltung zu bringen.“106 Laufenberg schildert auch, wie Wilhelm Liebknecht im Zusammenhang mit einer Agitationsreise in der Presse verleumdet wurde, indem man ihm unterstellte, er hätte die deutschen Soldaten von 1870/71 „gemeine Halsabschneider“ geschmäht. Liebknecht berichtigte den Sachverhalt: „Ich habe allerdings den Krieg als Massenmord bezeichnet, allerdings gesagt, daß der Mensch zu etwas Besserem auf der Welt sei, als seinen Mitmenschen die Gurgel abzuschneiden, allerdings gesagt, es sei Menschenpflicht, auf die Beseiti-
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gung des herrschenden Staates und Gesellschaftssystems hinzuwirken, welches den Militarismus und Massenmord zu unvermeidlichen Auswüchsen hat – aber ich habe nicht gesagt, daß unsere Soldaten gemeine Gurgelabschneider seien … wie könnte ich die Opfer des heutigen Systems für dessen Sünden verantwortlich machen?“107 In dem Kapitel über die unter dem Sozialistengesetz „Verbotene Literatur“ hebt Laufenberg die wichtige Funktion der Hansestadt und ihrer Arbeiterbewegung in den Zeitverhältnissen hervor: „Schließlich wurde Hamburg während der ganzen weiteren Dauer des Sozialistengesetzes der Hauptort für die Verbreitung der verbotenen Literatur, lag es ja nahe, daß eine so zuverlässig arbeitende Organisation wie die Hamburger von der Roten Feldpost, der in Zürich und – nach ihrer Vertreibung von dort im Jahre 1888 – in London errichteten Zentrale für Schriftenverbreitung, zu verantwortungsreichen Diensten herangezogen wurde.“108 Der Kopf der Bremer Linksradikalen, Johann Knief, und der ihm eng verbundene Linksradikale Paul Frölich sahen – wie später Lindau – Laufenbergs Aktivitäten im Weltkrieg wie auch seine politischen Ansichten sehr kritisch. Knief und Frölich reisten im August 1915 nach Hamburg, um ihre dortigen politischen Verbündeten zu sprechen. Knief resümierte: „Der Kampf der Hamburger ist gut gemeint, aber total verschwommen.“ Und er verhehlte seine Enttäuschung nicht: „Statt eines klaren Kampfes auf der Grundlinie der neuen Taktik … fand ich ein wüstes Kuddelmuddel von allem möglichen radikalen Phrasentum. Nichts von Prinzip, dafür eine Zerfahrenheit, die notwendig den Gegnern die beste Gelegenheit zum Hieb geben muß.“109 Die Kritik verhinderte nicht, daß die Linksradikalen beider Hansestädte sich enger verbanden, wobei der Einfluß der Bremer auf die Hamburger sich für eine Weile verstärkte.110 Im Überschwang der ersten Revolutionswochen manifestierte Laufenberg seine Sympathie für das reine Rätesystem. In seiner Rede in der Vollversammlung des Großen Arbeiterrates in Hamburg am 30. November 1918 legte er dar: „Wir erklärten, daß die Arbeiterklasse in vollem Umfange die Ausübung der politischen Macht im Hamburger Staatsgebiet übernommen habe und daß fürder nicht mehr Senat und Bürger-
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schaft, sondern Arbeiter- und Soldatenrat die Regierung in Hamburg darstellten.“111 Soweit der Deklaration damals die politische Wirklichkeit entsprochen hätte, wäre damit eine Räterepublik Hamburg im Entstehen gewesen, zumindest der Anfang zu dieser gemacht. Sie kam aber nicht. In einer späteren Publikation heißt es bei Laufenberg daher: „Kraft der Revolution war zwar der Arbeiter- und Soldatenrat zur eigentlichen Regierung in Hamburg geworden, aber neben ihm fungierte der alte Senat weiter.“112 Der Senat „neben“ dem Arbeiter- und Soldatenrat: mit dieser wichtigen Präposition in seiner Formulierung verweist Laufenberg auf die Hauptphase der Revolution in Hamburg, auf ein historisches Faktum. Man erkennt, daß auch der Historiker Laufenberg in der Hansestadt, wie Kurt Eisner in Bayern die Möglichkeit, unter Umständen die Notwendigkeit des Nebeneinanders nicht ausschloß: „Wohl aber könne man neben das Herrschaftsorgan der Arbeiterklasse, neben einen Zentralrat der Räte, ein aus allgemeinen Wahlen hervorgehendes Parlament stellen, das unter der Kontrolle der Arbeiterregierung und mit festumrissenen Befugnissen dem Bürgertum einen gewissen Spielraum gewähre …“113 Er verstand sich also zu der gemischten Variante. Sie konnte leicht als politische Unsicherheit erscheinen. So dem Bremer Sozialdemokraten Wilhelm Kaisen. In Bremen war am 10. Januar 1919 die Räterepublik ausgerufen worden. Noske ließ wenig später eine Truppe unter Oberst Gerstenberg gegen Bremen marschieren, um die unbotmäßige „Hochburg des Terrors“, wie sie in der gegenrevolutionären Propaganda hieß, niederzuwerfen. Bevor das geschah, unternahmen die Hamburger eine Demarche bei der Reichsregierung in Berlin, um der benachbarten Hansestadt das Fiasko der militärischen Intervention zu ersparen. Den Vorgang beschreibt General von Lüttwitz, der reichlich ein Jahr später den Umsturz probierte, einen Umsturz von rechts – im Verein mit seinem Komplizen Kapp, wonach der Versuch „Kapp-Putsch“ benannt wurde. Aus dem Bericht von Lüttwitz: „Als Gerstenberg vor Bremen eintraf und sich anschickte, die Stadt zu besetzen, erschienen – am 2. Februar – Abgesandte der Hansestädte in Berlin, um mit der Regierung zu verhandeln. Unter ihnen befanden sich als Vertreter Hamburgs zwei linksradikale Schreier, Laufen-
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berg und der Kommandant von Hamburg, Herr Lamp’l. Beide, besonders aber Laufenberg waren bei der Reichsregierung sehr gefürchtet, weil er bei jeder Gelegenheit drohte, einen Generalstreik der Seeleute und Hafenarbeiter zu inszenieren. Die Verhandlungen fanden in der Reichskanzlei unter Eberts Vorsitz statt. Die Herren Abgeordneten drohten, die Bremer Sache zu der ihrigen zu machen, und stießen Verwünschungen gegen die ‚weiße Garde‘ aus. … Bremen wurde am 4. Februar besetzt …“114 Einmal davon abgesehen, daß die Bezeichnung „Schreier“ ohnehin eine Diskriminierung darstellt, war das Adjektiv „linksradikal“ in Anwendung auf Lamp’l vollkommen irrig. Wie auf dem radikalen Flügel der Arbeiterbewegung Laufenberg erheblichen Einfluß ausübte, so als dessen Gegenspieler auf seiten der gemäßigten Kräfte Walther Lamp’l (1891–1933). Im Weltkrieg Freiwilliger, diente er bis zu einer schweren Verwundung im Dezember 1917 als Offizier der Fliegertruppen. In der Revolution trat er der MSPD bei, betätigte sich auch als Delegierter auf dem Reichsrätekongreß im Dezember 1918 in Berlin. Im selben Monat wurde er zum Vorsitzenden des Soldatenrats für Hamburg, Altona und Umgebung gewählt. Im März 1919 ernannte ihn die Reichsregierung zum Kommandanten von Großhamburg und im August 1919 (bis zum November desselben Jahres) zum Reichskommissar für Großhamburg. 1919–1921 hatte er ein Mandat in der Bürgerschaft, seit 1921 Senatorenämter in Altona. Im Kapp-Putsch griff er energisch gegen die Konterrevolution ein. Während der Zeit der Unruhen beendete er an der Universität Hamburg seine Dissertation. Sie erschien 1921 in Hamburg unter dem Titel: „Das Recht der deutschen Revolution. Das Problem des Revolutionsrechtes in der deutschen Rechtswissenschaft. Rechtsphilosophie und Rechtsprechung“.115 In der Weimarer Republik bewährte er sich als Leiter der Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Für die seinerzeit noch schleswigholsteinische Stadt Altona war er Mitglied des Provinziallandtags von Schleswig-Holstein. Während des Reichsrätekongresses in Berlin in der Mitte des Dezembers 1918 erwarb Lamp’l sich Bekanntheit in Deutschland über Hamburg
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hinaus. An einem der Konferenztage in Berlin erschienen Abordnungen von 17 Berliner Regimentern und Formationen, die durch das Fortschreiten der Gegenrevolution aufgestört worden waren. Sie stellten Forderungen: Ein oberster Soldatenrat müsse die Kommandogewalt über sämtliche Truppen haben; Rangabzeichen aller Dienstgrade werden verboten, alle Offiziere entwaffnet; die Soldatenräte seien für die Zuverlässigkeit der Truppenteile und für die Aufrechterhaltung der Disziplin in der Armee zuständig. An dieser Intervention der Soldaten drohte die Konferenz zu scheitern. Es gab Tumulte. Ebert und seine Mitarbeiter versuchten, die Erhebung der Forderungen zum Beschluß zu verhindern. Daraufhin übernahmen die sozialdemokratischen Soldatenräte, voran die Hamburger Delegierten, die Forderungen der Berliner Truppen. Als Sprecher der Hamburger unterbreitete der Delegierte Lamp’l in der folgenden Sitzung dem Kongreß die historisch berühmt gewordenen „Hamburger Punkte“, zuerst sieben, worin die Forderungen der Berliner aufgenommen worden waren. Auf energisches Verlangen Eberts wurde ein achter Punkt hinzugefügt, um die sieben Punkte wirkungslos zu machen oder bei Gelegenheit zu beseitigen. Der Kongreß nahm die sieben Punkte fast einstimmig an, verzichtete aber auf die Abstimmung über den achten. Gegen die Hamburger Punkte legte Hindenburg sein schärfstes Veto ein. Es gelang den sozialdemokratischen Volksbeauftragten, die in den Hamburger Punkten vorgesehenen Maßnahmen zu verhindern.116 Lamp’l betätigte sich auch als Historiker. Er schilderte den Verlauf der Hamburger Revolution bald nach den Ereignissen in seiner Schrift: „Die Revolution in Groß-Hamburg“ (1921). Es ist das Werk eines Rechtswissenschaftlers. Die politische Entwicklung vor Ort spielt sich in der Sicht des Verfassers vorrangig als eine Folge von Bemühungen diverser Gremien ab sowie in Form der Produktion juristischer Schriftsätze. Bei alledem beabsichtigte er aufzuzeigen, wie die Revolution in Hamburg als Konflikt heterogener Kräfte – revolutionärer, konterrevolutionärer und gemäßigter – vor sich ging. Sie erwies sich als ein stetiges Kräftemessen, wobei es den Beteiligten gelang, blutige Konfrontationen zu vermeiden. Zum Zweck seines Buchs merkte Lamp’l an: „Es
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erschien dem Verfasser als Pflicht gegenüber wissenschaftlicher Forschung und geschichtlicher Wahrheit, das in seinem Besitze befindliche sowie alles ihm zugängliche Quellenmaterial aus der Revolutionszeit, sämtliche Verordnungen des A.- u. S.-Rats Groß-Hamburg, das wissenschaftlich Wertvolle aus dessen Archiv und die stenographischen Protokolle der Verhandlungen von Rats- und Senatsmitgliedern sowie der 74 nichtöffentlichen Sitzungen der Revolutionsregierung systematisch zu ordnen, rechtskritischer Betrachtung zu unterwerfen und übersichtlich darzustellen.“117 Die wichtigsten Stationen im Fortschreiten der hamburgischen Revolution waren: 12. November 1918: Laufenberg bringt im Präsidium des Arbeiterrats den Vorschlag ein, in der Öffentlichkeit bekanntzumachen: „Der Arbeiter- und Soldatenrat hat die Ausübung der politischen Gewalt im Hamburger Staatsgebiet übernommen. Senat und Bürgerschaft bestehen nicht mehr.“118 Wäre es dabei geblieben, hätte dies die Verwirklichung des reinen Rätegedankens bedeutet. Die sechs Mehrheitssozialisten favorisierten dagegen das demokratisch-parlamentarische System und demzufolge eine reguläre Neuwahl von Senat und Bürgerschaft. „Mit großer Mehrheit wurde abends um 11 Uhr gegen 6 sozialdemokratische Stimmen die Verordnung beschlossen. Als äußeres Zeichen der Absetzung von Senat und Bürgerschaft und der Einführung der Rätediktatur besetzte der Soldatenrat um ½ 12 Uhr das Rathaus, auf welchem die rote Fahne gehißt wurde.“119 Gegen später erhobene Einwände, die Hamburger Revolutionsregierung der A.- u. S.-Räte sei keinesfalls rechtmäßig gewesen, argumentiert Lamp’l mit der Instanz des „Volkswillens“. Diesem hätten, richtig gewertet, die Autoritäten, die nach einem extrem fragwürdigen (Klassen-)Wahlrecht im Zeitraum vor der Novemberrevolution gewählt worden wären, weniger entsprochen: „Zweifellos stützte die Hamburger Revolutionsregierung, der A.- u. S.-Rat, sich mehr auf den Volkswillen als die auf Grund des aufgebobenen Wahlrechts von 1906 zusammengesetzte Bürgerschaft. Nur weil der A.- u. S.-Rat trotz seiner Ditatoreigenschaft durch den Volkswillen gestützt wurde, war er rechtmäßig und waren seine Gesetzesbefehle rechtsgültig.“120
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13. November: Eine Kommission des A.- u. S.-Rats verhandelt mit dem früheren Senat. Laufenberg erklärt, daß zwar Senat und Bürgerschaft zu bestehen aufgehört hätten, daß jedoch die ehemaligen Senatoren zur Mitarbeit aufgefordert seien. Tatsächlich stellten diese „dem revolutionären Organ“ ihre Mitarbeit zur Verfügung. Diese Regelung wird am selben Tage bekannt gemacht. Lamp’l urteilt, die Verordnung vom 12. d. M. sei unüberlegt gewesen, weil sie die Besonderheit Hamburgs als eines Stadtstaats nicht berücksichtigt habe, die darin bestand, daß der alte Senat nicht bloß als Regierung, sondern zugleich als oberste Verwaltungsbehörde fungierte. 16. November: In den Verhandlungen zwischen Senat und Räten erklärt Laufenberg: „Wir Vertreter des A.- u. S.-Rats haben mit größter Freude und mit großem Dank die Zusammenarbeit mit den Herren des alten Senats empfunden.“121 Nach einigen weiteren Verhandlungen erzielten die maßgeblichen Vertreter der Gremien am 18. November den gültigen Kompromiß: „Zum Zwecke der Aufrechterhaltung der hamburgischen Verwaltung, insbesondere des hamburgischen Finanzwesens, nehmen, bis im Reiche und in Hamburg über die weitere Gestaltung der Verhältnisse entschieden sein wird, Senat und Bürgerschaft ihre Tätigkeit wieder auf.“ Die politische Gewalt verbleibt nach wie vor jedoch dem A.- u. S.-Rat.122 Dieser verkündet am selben Tag, daß „tunlichst bald eine Bürgervertretung und eine leitende Verwaltungsbehörde geschaffen werden.“123 Das bedeutet die Wahl einer neuen Bürgerschaft und – wenn auch nicht unter diesem Namen – die Wiederkehr des Senats, lediglich als Verwaltungskörperschaft. Lamp’l hält als Zwischenergebnis fest: „Obwohl Inhaber der höchsten Staatsgewalt, war die Revolutionsgewalt in Hamburg unfähig, neben der politischen Leitung des Staates, neben der eigentlichen Regierung, neben der Ausübung der vollziehenden Gewalt – betätigt vor allen Dingen in der möglichsten Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit – auch die Verwaltung des Staates und der Stadt Hamburg selbst zu übernehmen.“124 Weiter: „Vom 13. November 1918 (Absetzung des Senats) bis 26. März 1919 (Übergabe der Staatsgewalt durch den Vorsitzenden des A.- u. S.-
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Rates an die Verfassungsgebende Bürgerschaft) hat es einen hamburgischen Senat als Regierung des Staates Hamburg ebensowenig gegeben wie einen hamburgischen Senat als Landesherrn, als Souverän, als alleinigen Inhaber der Staatsgewalt.“125 Ein in der Revolution nur unter erheblichen Schwierigkeiten lösbares Problem war das der Entwaffnung in der Hansestadt, schwierig auch deswegen, weil ein „beträchtlicher Teil des Militärs“ radikale Tendenzen verfocht, „so daß der A.- u. S.-Rat, in dem die gemäßigte Richtung nach dreimonatigem schweren Kampf den Sieg davongetragen hatte, die größte Mühe hatte, selbst seine Verordnung durchzuführen“ (Ratsverordnung über Waffenablieferung, 10. Februar 1919). „Tatsächlich ist dieser durch den A.- u. S.-Rat durchgeführten Entwaffnung es zu verdanken, daß Hamburg vor Bürgerkrieg, vor Rätekämpfen und Roter Garde nach Münchener und Bremer Art bewahrt blieb.“126 11. Februar 1919: Verordnung des A.- u. S.-Rats, daß eine Verfassunggebende Bürgerschaft gewählt werde (Volksabstimmung am 16. März 1919; erste Sitzung der hamburgischen Konstituante am 24. März). Es folgte am 26. März die Annahme einer Notverfassung, deren § 1 bestimmt: „Die Ausübung der höchsten Staatsgewalt steht der Bürgerschaft als der Vertretung des hamburgischen Volkes zu.“127
Betriebsräte Für die politische Rätebewegung und insbesondere für die Revolutionären Obleute war der Mißerfolg des Januaraufstands ein „Schock, von dem sie sich nicht wieder erholten“.128 Die militärische Niederwerfung der Räterepubliken vom Februar bis Anfang Mai erwies im Reich die Aussichtslosigkeit der Etablierung des politischen Rätegedankens, der weder als reiner Rätegedanke noch in Gestalt der Kombination mit dem Parlamentarismus verwirklicht werden konnte. Im Laufe des Jahres 1919 ließ sich beobachten, daß sich um so mehr die Bemühungen von Anhängern des Rätegedankens verstärkten, ihn nunmehr konzentriert auf das ökonomische Gebiet anzuwenden. Was sich herauskristallisierte, war die „Theorie des reinen wirtschaftlichen Rätesystems“; „rein“ hieß
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hier: die Anwendung des Rätegedankens erst einmal auf das wirtschaftliche Feld: „Unterste organisatorische Einheit in diesem System sind die Betriebsräte …“129 Ein Protagonist der politischen Rätebewegung wurde damals zur „Leitfigur der Betriebsrätebewegung“ bis 1920: Richard Müller.130 Die Nationalversammlung nahm sich der Aufgabe an, ein Betriebsrätegesetz zu verabschieden. In der ersten Woche der Novemberrevolution, am 15. November 1918, hatten die deutschen Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften eine zunächst als sensationell geltende Vereinbarung getroffen, worin die Gewerkschaften als „berufene Vertretung der Arbeiterschaft anerkannt“ werden und den Arbeitern und Angestellten die unbeschränkte Koalitionsfreiheit zugesichert wird.131 Am 24. September 1919 erklärte die deutsche Industrie in einer Resolution, zwar beständig auf „dem Boden der Arbeitsgemeinschaft“ zu stehen, aber lehne den Entwurf des Betriebsrätegesetzes ab, das der Nationalversammlung vorliege. Angriffspunkt der Wirtschaft dabei: „der künftige Einfluß der Betriebsräte auf die Betriebsleitung, ihr Mitbestimmungsrecht“; das Gesetz sei „vernichtend für das gesamte deutsche Wirtschaftsleben“.132 Am 13. Januar 1920 stand die Verabschiedung des Gesetzes an. Gegen das Gesetz nahmen auch Stellung die Zentrale der Betriebsräte Deutschlands, die USPD sowie die KPD. Sie führten zur Begründung an: „Jetzt will die Konterrevolution ihr Werk besiegeln, indem sie den revolutionär errungenen Einfluß der Arbeiter in den Betrieben mit Hilfe der Gesetzgebung bricht. … Der Gesetzentwurf über die Betriebsräte wird deshalb von den revolutionären Kopf- und Handarbeitern als ein frecher Betrug zurückgewiesen.“133 Zugleich riefen sie für den 13. Januar zu einer Protestkundgebung vor dem Reichstag auf. Der Aufruf wurde weit über die Erwartungen hinaus befolgt, es versammelten sich mehr als 100000Menschen. Um den Reichstag und die darin tätigen Parlamentarier zu schützen, setzte der verantwortliche preußische Innenminister Wolfgang Heine (SPD) die Sicherheitspolizei ein. Wie selbst Heines Ministerkollegen Eugen Schiffer, Noske und Erich Koch urteilten, war dieser allerdings mit der Situation völlig überfordert. Ohne daß die Demonstranten ihrerseits Gewalt angewendet hätten, ließ Heine seine Polizei mit militäri-
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scher Gewalt vorgehen. Am Ende blieben 42 Tote und mehr als hundert Verletzte auf dem Platz. Alexander Weipert, der das Vorkommnis 2012 untersuchte, resümierte: „eines der blutigsten Ereignisse der Revolutionszeit“, „die opferreichste Demonstration“ in Deutschland; doch habe die Anzahl der Demonstranten bewiesen, daß die Rätebewegung 1920 „zumindest in der Hauptstadt eine Massenbewegung“ war.134 Die verheerende Mordaktion wird überdies dem Impetus der herrschenden Kräfte in der Endphase der Revolution zuzuschreiben sein, nach der Auslöschung der politischen Rätebewegung alsbald die der ökonomischen Variante des Rätegedankens folgen zu lassen, also der Betriebsrätebewegung ‚von unten‘, um bloß eine ‚von oben‘ zuzulassen.135 Daß jedoch zum damaligen Zeitpunkt, um 1920, eine andere Bewertung vorgenommen werden konnte als die der Protestierenden und Demonstrierenden, zeigt z. B. eine Ausführung Bernsteins, der in dem Betriebsrätegesetz einen „Fortschritt zum Sozialismus“ zu erkennen glaubte: „Dieses von der gesetzgebenden Nationalversammlung, in der noch der belebende Hauch der Novemberrevolution nachwirkte, geschaffene Gesetz gibt den Arbeitern und Angestellten Rechte im Betriebe, die man zur Zeit, wo Karl Marx schrieb, für unmöglich gehalten hätte. … es ist ein Stück Sozialpolitik, das, wie kein zweites, den Arbeitern und Angestellten die Möglichkeit öffnet, aus Hörigen des Gewerbes zu Teilhabern oder Genossen im sozialrechtlichen Begriff des Wortes zu werden. Zustandekommen konnte es indes eben nur durch die Erkämpfung der demokratischen Republik. Diese Republik ist gewiß nur erst der juristische Hebel zu ökonomisch=sozialer Befreiung und noch nicht diese selbst.“ In Deutschland könne dieser Hebel „nur in der Richtung zum Sozialismus wirken“.136 Genau hier ist aber auch das Motiv der deutschen Industrie zu sehen, dem Betriebsrätegesetz 1920 mit allem Mißtrauen zu begegnen. Unter den Politikerinnen der USPD, die den Betriebsrätegedanken mit Verve propagierten, ist vor allem Toni (eigentlich: Sidonie) Sender zu nennen. Auf dem 1. Nachkriegsparteitag im März 1919 distanzierte sie sich von der „voreiligen Einberufung der Verfassungsgebenden Versammlung“, weil ihr das Fundament der Demokratie in Deutschland
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nicht gesichert zu sein schien, solange noch „die Bosse der Schwerindustrie und die Junker des Großgrundbesitzes“ die politische Macht ausübten. Nur wo die „kreative, fundamentale Umwälzung des ökonomischen und politischen Systems“ gelinge, hätte man das Recht, „von einer echten Revolution zu sprechen“.137 Als Verfechterin des Rätegedankens bestand sie besonders hartnäckig darauf, in der Wirtschaft als Parallele der politischen Räte die Betriebsräte zu verankern. Darüber sprach sie auf der Leipziger Frauenkonferenz am 29. November 1919 in ihrer Rede: Die Frauen und das Rätesystem. Das ist ein damals zeitgemäßes, heute, fast ein Jahrhundert später, noch sehr anregendes Lehrstück. Es bildet den Verlauf der Novemberrevolution mit ihren Defiziten, Fehlern und Leistungen angemessen ab, ebenso die anschließenden Entwicklungen. Rückblickend überschätzt die Rednerin allerdings die Bedeutung der in der Novemberrevolution entstandenen Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte maßlos: sie erblickt in ihnen bereits die temporäre Verwirklichung der Diktatur des Proletariats in der Praxis.138 Inzwischen, Ende 1919, wesentlich ernüchtert, räumt sie ein, die zweite Hälfte der Umwälzung sei erst noch zu vollbringen: „Die Verleihung politischer Rechte kann aber für die Arbeiterklasse erst dann vollen Wert erlangen, wenn auch die wirtschaftliche Knechtschaft und Unfreiheit aufgehoben ist.“139 Daher müsse aus der Revolution folgen: die „Niederhaltung des ausbeutenden Bürgertums und Aufbau resp. Organisation der sozialistischen Gesellschaftsordnung“.140 Hier lag für sie die Funktion der ökonomischen oder Betriebsräte! Schlüssig sei, daß „das wirtschaftliche Rätesystem die Ausschaltung des Einflusses der Gegner des Sozialismus in der Wirtschaft zum Ziele“ habe, während gleichzeitig das politische Rätesystem „deren Einfluß auf Gesetzgebung und Verwaltung so lange ausscheiden“ solle, „bis durch die Enteignung der Besitzer der Produktionsmittel die Klassenscheidung überhaupt aufgehoben ist“.141 Aus diesem Vorschlag zur Verteilung der Rollen der politischen Räte und der wirtschaftlichen Räte resultiert auch, daß Toni Sender einen besonders starken Akzent auf die Betriebsräte setzt. Sie argumentiert: „In richtiger Erkenntnis der wahren Wurzel jeglicher Kraft des Proletariats im kapitalistischen Wirtschaftskörper hat
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sich gegenwärtig das Interesse zur Verwirklichung des Rätegedankens am stärksten konzentriert im Kampf um die Betriebsräte. Der Kapitalist herrscht, weil er die Produktionsmittel in Händen hat. Von unten auf muß versucht werden, aufzubauen und sich durchzusetzen. Darum bildet die Grundlage des wirtschaftlichen Rätesystems die kleinste wirtschaftliche Einheit, der Betrieb. Alle darin beschäftigten Hand- und Kopfarbeiter wählen gemeinsam den Betriebsrat, wobei beide Gruppen entsprechend zu berücksichtigen sind.“142 (Beachtlich: wie bei Rosa Luxemburg das „von unten auf “!) Im selben Zusammenhang denkt sie an die Rechte der Frauen, als deren Sprecherin sie fungiert: „Die Räte können aber nur dann Ausdruck des Massenwillens werden, was sie ja sein sollen, wenn das Recht der Mitwirkung und Mitbestimmung nicht für eine ganze Hälfte des Proletariats toter Buchstabe bleibt.“143 „Ist eine größere Anzahl von Frauen im Betrieb beschäftigt, so muß auch diesen eine Vertretung im Betriebsrat eingeräumt werden.“144 Die Institution der Betriebsräte, die sich bis heute ein Jahrhundert hindurch erhalten konnte, ist ein bedeutsames historisches Überbleibsel der Novemberrevolution. Es könnte ein Funke sein, der unter der Asche weiterglüht. Er wird vielleicht eines Tages zur Flamme werden, indem die Mehrheit der „Hand- und Kopfarbeiter“ sich besinnt auf die ursprünglich der Einrichtung zugedachte Zielstellung: daß die durchdringende Demokratisierung der Wirtschaft den Weg eröffne zur vollendeten Demokratie.
Nachwort In der Novemberrevolution war die Beteiligung von Angehörigen der Intelligenz, von intellektuellen Männern und Frauen, unübersehbar. Zwar Intellektuelle – die noch nicht mit diesem Ausdruck bezeichnet wurden – beteiligten sich an den vorhergegangenen Revolutionen und Aufständen in Deutschland ebenfalls, so im Großen Bauernkrieg und im „tollen Jahr“, doch 1918/19 bildete die Mitwirkung zahlreicher Intellektueller ein herausgehobenes Merkmal. Damit wurde dies zum Gegenstand von Reflexionen und die Erscheinung des Intellektuellen in der Revolution in Diskussionen über die „Intellektuellenfrage“ thematisiert. Während manchen Zeitgenossen der Anteil der ‚geistigen Arbeiter‘ unentbehrlich erschien, fällten andere abfällige Urteile. So glaubte ein Schriftsteller, der selber unbezweifelt zu den revolutionären Künstler-Intellektuellen zählte, Erich Mühsam, seinen Hohn über die Intelligenzschicht ausgießen zu dürfen, wie es sein „Gesang des Intellektuellen“ bezeugt. Der Ausdruck „Intellektueller“ war damals nicht älter als eine Generation. Seine begriffsgeschichtliche Bedeutung erlangte er in der Auseinandersetzung um die Verurteilung des Hauptmanns Alfred Dreyfus (1859–1935) in Frankreich, der nach Wiederaufnahme des Verfahrens 1906 gänzlich freigesprochen und rehabilitiert werden mußte. Sofort mit Rezeption des Ausdrucks in der Öffentlichkeit zerlegte dieser sich in Anwendung auf zwei konträre Erscheinungen innerhalb der Intelligenz: gab es hier den Links-, so dort den Rechtsintellektuellen. Nach Deutschland wanderte der Begriff in seiner Zwiespältigkeit etwas später. Im Zeitraum um den ersten Weltkrieg stellte er sich den literarisch Interessierten bildhaft vor Augen, konkretisiert in zwei Dichterpersönlichkeiten, die sich gegenseitig mit Beleidigungen überschütteten, als der Bruderzwist im Hause Mann ausbrach. Der nationalistisch eingestellte Ultra Thomas, damals ein Rechtsintellektueller kat exochen (der dies bis 1922 blieb), verwarf den Terminus des Intellektuellen überhaupt. Für ihn erfüllte sein älterer Bruder Heinrich die Vorstellung des Linksintellektuellen,
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den er einen „Zivilisationsliteraten“ nannte und nach allen Regeln der Kunst attackierte. Umgekehrt Heinrich Mann. Er antwortete damit, daß er die von Thomas aufgebrachte Schmähung ins Gegenteil umwertend zur positiven Vokabel erhob und mit ihr den ermordeten bayerischen Ministerpräsidenten Eisner ehrte, den er als Zivilisationsliteraten feierte. Die seit der Dreyfus-Affäre auftretende Spaltung in Links- und Rechtsintellektuelle findet ihre historische Entsprechung während der Novemberrevolution im Gegensatz zwischen den Revolutionären, den Anhängern der Revolution, und den Konterrevolutionären, den Förderern der Gegenrevolution. So jung der Begriff des Intellektuellen ist, der damit bezeichnete geistige Typus gehört schon den älteren Geschichtsepochen an und reicht bis zur Antike zurück. Aus der Perspektive staatlicher Autoritäten handelte es sich ewig um ein- und denselben feindlich gesinnten Menschenschlag, dem man das Handwerk legen mußte. Derselbe war es augenscheinlich, dem die „Philosophenverfolgungen“ der römischen Kaiserzeit galten. Der Philosoph ist der kritische Kopf, den seine Lehre – so die Ethik der Stoa – befähigt, die politischen Schäden der Epoche, besonders soweit sie auf herrschende Eliten zurückzuführen sind, bis auf den Grund zu durchleuchten. (Die Opfer seiner Kritik schelten ihn dann als „Zersetzer, Besserwisser, Pinscher“ usw.) In den „Philosophen“ der frühen Neuzeit, die vom royalistischen Establishment als gefährliche Unruhestifter betrachtet wurden – darunter die Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts –, und in den „Ideologen“, die ein Napoleon als den harten Kern der geistigen Opposition gegen seine Regierung identifizierte, verkörperte sich der Typus. Im Deutschen Reich wird man später dazu neigen, unter dem Begriff gern den Akademiker zu rubrizieren, dem seine abgelegten Prüfungen es erlauben, einen Beruf bevorzugt in den staatlichen Gremien und in den Behörden auszuüben, häufig in den Bildungseinrichtungen, also etwa im Hochschuldienst, lieber noch den Gebildeten in den freien Berufen (Ärzteschaft, Rechtspflege, Journalismus). Gleichzeitig kommt in der Kaiserzeit nun dazu der „Intellektuelle der Arbeiterklasse“, der innerhalb einer Partei tätig wird, mit Wirkung nach innen (Parteiführung)
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sowie nach außen (Parteipresse). Während der Revolution ist unter den Intellektuellen besonders auffällig die erhebliche Menge von Journalisten, zumal solcher mit sozialistischer Einstellung. Eine sprachgeschichtliche Parallele: Aus der zunehmenden Wertschätzung des Arbeiters resultierte der innovierende Gebrauch des Begriffs „Arbeiter“ für Angehörige geistiger Berufe, so statt des Lexems „der Intellektuelle“ die Synonyme: „geistiger Arbeiter, Geistesarbeiter, Kopfarbeiter“. (Daneben auch noch: „Geistesschaffender“.) Gleichzeitig tritt eine – oft spürbar gehässige – Gegnerschaft gegen die Intelligenzschicht auf den Plan, darunter nicht zuletzt in der Arbeiterbewegung. Deren klügere Protagonisten haben damit zu tun, die Vorbehalte gegen die Intellektuellen in ihren Reihen zu dämpfen. Eine radikale Intellektuellenfeindschaft entsteht unter Vordenkern der politischen Rechten, Autoren, die selber Intellektuelle sind oder zumindest Halbintellektuelle und die sich daran machen, aus Ressentiment den totalen Zivilisationsbruch herbeizuführen, die völlige Dehumanisierung und Rebarbarisierung des Menschengeschlechts. Hitler ist nur das bekannteste Beispiel. Die Synonyme werden in der Gegenwart, obwohl in Wörterbüchern noch mitgeführt, doch eher selten oder gar nicht mehr gebraucht. Wird samt den Begriffen auch das damit bezeichnete Phänomen seltener, wird es gar verschwinden? Es ist gegenwärtig modisch, bestimmten Errungenschaften der Menschengattung, Einrichtungen, Instanzen und Menschengruppen ihr „Ende“ zu prophezeien: Ende des Buches, „Ende der Schriftkultur“, Ende des Intellektuellen. Der Schriftsteller Botho Strauß behauptet das künftige Herausfallen des Intellektuellen aus der Geschichte, eines Phänomens, welches auch er selber verkörpert: „Alle Zukunftsträume, den Typus des Intellektuellen betreffend, sind … Schäume …“ Für ihn ist obsolet „die kritische, die durch Kommunikation ausgeleierte, erschöpfte, die immer im Ganzen überblickbare, die nie und niemanden überraschende Intelligenz“. Von einer Erschöpfung der Intelligenz in der Revolutionszeit konnte jedenfalls keine Rede sein. Es gibt andere Charakteristika ihrer Teilnahme an den Ereignissen. So sind zu benennen: der häufige Parteiwechsel, nicht selten veranlaßt durch den Ausschluß aus einer Partei;
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weniger häufig: die Wandlung der politischen Einstellung. Zu bedenken ist aber, daß die Parteien sich bei Abänderung ihrer politischen Praxis widerborstiger Mitglieder entledigten, die an alten, manchmal sehr bewährten Grundsätzen festhielten. Während der Kaiserzeit und in der Revolutionsära waren in Deutschland unter den Intellektuellen, die sich politisch betätigten, zahlreich solche jüdischer Herkunft. Aus der historischen Forschung erfährt man den Sachverhalt, daß 1848 in den Reihen der Revolutionäre ebenfalls viele jüdische Deutsche kämpften. Für die Revolution, heißt es, begeisterten sich besonders die Angehörigen unterdrückter Klassen, Schichten und Nationalitäten, das waren neben jüdischen Mitbürgern: Polen und Frauen. Die Konterrevolutionäre von 1918 und Folgejahre operierten mit dem Feindbild des Revolutionärs jüdischer ‚Rasse‘, einem propagandistischen Element, welches vorsätzlich geschaffen und in Kurs gesetzt worden war. So forderte der Vorsitzende des Alldeutschen Verbandes, Heinrich Claß, im Oktober 1918 eine „schneidige Nationalpartei“, die den „rücksichtslosen Kampf gegen das Judentum“ zu führen hätte, auf das „der berechtigte Unwille des deutschen Volkes abgelenkt werden müsse“. Demnächst kamen sogar zwei Parteien, neben der Deutschnationalen Volkspartei Hitlers NSDAP, seiner Forderung nach; das Weitere ist bekannt. Es ist sicher kein Zufall, daß die namens der Gegenrevolution agierenden Attentäter sich durch die Kenntnis, ihr Opfer sei jüdisch, zusätzlich motivieren ließen (Rathenaus Ermordung!). Die Zahl der durch die Gegenrevolution vor allem im Bürgerkrieg seit dem Januaraufstand getöteten Verteidiger der Revolution übersteigt bei weitem diejenige der durch die Aktionen der Revolutionäre umgekommenen Konterrevolutionäre. Zu den Opfern, die von der Revolution gebracht wurden, sind die demokratischen Politiker und Abgeordneten hinzuzurechnen, die in der Weimarer Republik durch Mordanschläge ihr Leben verloren. Und ferner gab es diejenigen Intellektuellen, denen nach dem 30. Januar 1933 vom NS-Regime ihre Teilnahme an der Revolution zur Last gelegt wurde und die deshalb Verfolgungen erlitten (das Beispiel Felix Fechenbach). Die Rede von „den Intellektuellen“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß der soziologischen Schicht, die damit gemeint ist, keine ein-
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heitliche Weltanschauung oder Philosophie, Parteilehre oder Mentalität zugeordnet werden kann. Es muß dabei bleiben, daß die Vielfalt ihrer Einstellungen, der weltanschaulichen und der politischen, es nicht zuläßt, von einer geistig und mental unifizierten Menschengruppe zu sprechen. Selbst dort, wo man ehesten erwarten würde, doch wenigstens einer annähernden Konformität der Willensbildung zu begegnen, nämlich unter den Intellektuellen in den Parteien – vor allem in denjenigen, die als Hauptträgerinnen der Ereignisse der Revolution und Gestalterinnen der Politik der Weimarzeit fungierten, in der DDP und den Parteien der Arbeiterbewegung –, sind Differenzierungserscheinungen an der Tagesordnung gewesen, die man noch verharmlost, wenn man von Flügelbildungen spricht. Flügel aber gab es in sämtlichen Parteien. Für jeden der Flügel stand häufig dann der Name eines Intellektuellen oder einer Intellektuellen. Mit dem Vorhaben, ein Tableau der an der Novemberrevolution beteiligten Intellektuellen zu entwerfen, verbindet sich methodologisch die Notwendigkeit, auf der Folie der Geschichte der Ära zu arbeiten. Die Novemberrevolution in Deutschland ist eine historische Zäsur im Zeitalter der Weltkriege, zusammen mit der aus ihr entspringenden Weimarer Republik das Zwischenspiel zwischen den Kriegen. Nach Einsicht eines Teils der internationalen Forschung bildeten die Weltkriege eine kompakte Periode von 31 Jahren (1914–1945), einen Konnex, weil angestoßen durch ein- und dasselbe Motiv einer Nation, den wiederholten Griff des Reiches nach der Weltmacht (Eric Hobsbawm, Luciano Canfora, Ludwig Dehio, Fritz Fischer). Argumentiert man so, wie wird man dann von dieser Annahme aus auf das Wesen der Revolution schließen? Sie verhieß und erwirkte das Ende des ersten Kriegs – wäre daher als die Aktion einer Bewegung hin zum Frieden zu deuten. Nicht unbedingt gleich als eine Bewegung von Pazifisten. Dies sicher, aber sicher nicht nur. Weil auch von Leuten ins Werk gesetzt, deren Sinnen und Trachten es war, in einer Erholungspause die militärischen Kräfte des Reiches so weit zu erneuern, wie es sie unerläßlich dünkte, wenn man die „Ramme“ (A. Hitler) nach ihrer technischen Überholung erneut zu betätigen gedachte. (Ein zweiter Krieg geplant, wenn nicht schon in Sichtweite.) Zum
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Wesen der Revolution gehörte es auch: Aus der Perspektive der friedensfreundlichen Volksmassen mußten die Verantwortlichen für den Krieg, der so viele Entbehrungen verlangte, aus ihren Ämtern entfernt werden. Die Kronen rollten auf das Pflaster. Es existierte jedoch eine andere Perspektive: der Vorbereiter eines künftigen Krieges, die an die „Ramme“ dachten. In Gang zu setzen nicht unbedingt durch den Kaiser, die Fürsten, die sich aus Sicht des Militärs als lauter „loser“ erwiesen hatten, auf die man verzichten konnte. Im 19. Jahrhundert warnte ein prophetischer Dichter, Heinrich Heine: „Wilde, düstere Zeiten dröhnen heran …“ Wenn den Reichen, den Besitzenden, wie zu vermuten eines Tages die Armen, die Besitzlosen machtvoll entgegentreten, so hält er sogar eine Erneuerung des Absolutismus für möglich: „Wird gar die alte absolute Tradition nochmals auf die Bühne treten, aber in einem neuen Kostüm und mit neuen Stich= und Schlagwörtern?“ Die Monarchen waren gegangen; die absolute Tradition jedoch durfte in abgewandelter Gestalt die Bühne abermals besteigen in Gestalt von Kohorten, unleugbar im neuen Kostüm, in braunen und schwarzen Uniformen nämlich. Lenkt man den Blick von dem Gesamtzusammenhang der 31 Jahre auf die Novemberrevolution, wie soll man diese klassifizieren, war sie erfolgreich oder ist sie gescheitert? Hier teilt sich die Schar derer, die ein Urteil abgeben. Damals sahen manche in ihr den Sieg – des Friedens, der Demokratie –, andere betrachteten sie als gescheitert. Heute sehen nicht viele sie als erfolgreich an, ein Teil der Forschung und fast alle Stimmen in den Medien bewerten sie als „gescheiterte“ oder „verlorene“ Revolution. Welches ist der Weg, um aus dem Abstand eines Jahrhunderts hier zu entscheiden? Mit einem analogen Problem setzte sich der Historiker Walter Grab (1919–2000, seit 1938 im Exil in Israel) auseinander, wobei sein Untersuchungsgegenstand die Revolution von 1848 war. Für sie fand er die Formel: „Eine gescheiterte, aber keine vergebliche Revolution“. Gescheitert weshalb? Grab führt hier die Kritik des Demokraten Johann Jacoby an: „daß jede Revolution verloren ist, welche die alten wohlorganisierten Gewalten neben sich fortbestehen läßt“. Nicht vergeblich? Dafür macht Grab mehrere Gesichtspunkte geltend: 1848 sei „einer der seltenen Au-
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genblicke der deutschen Geschichte, in denen die Volksmassen in Bewegung gerieten, zu einem wichtigen politischen Faktor wurden und – obwohl sie vor den Thronen stehenblieben – die Grundfesten der monarchistischen Staatsgebäude erschütterten“. Weiterhin: „Die bürgerlichdemokratische Revolution leitete einen nicht mehr rückgängig zu machenden Prozeß der Erneuerung in allen Lebensbereichen ein.“ Endlich, die Niederlage von 1849 überlebten die Prinzipien der demokratischen Revolutionäre: „die universalen Ideen der unveräußerlichen Menschenrechte, der demokratischen Sozialordnung und der brüderlichen Gleichberechtigung aller Nationen“. Zu erwägen wäre, ob nicht in Grabs Tradition die neuere, siebzig Jahre später dem „tollen Jahr“ folgende Novemberrevolution formelhaft zu definieren ist: Eine gelungene Revolution, die eine Republik hervorbrachte, deren Konsolidierung scheiterte. Wie aber erklärt es sich, daß in der Gegenwart die Urteile über die Novemberrevolution so weit auseinander klaffen, von „gescheitert“ bis – ja doch – „erfolgreich“? Vor allem daraus, daß die einen sich für berechtigt halten, vom Zeitpunkt des 30. Januar 1933 aus auf sie zurückzublicken, und daß andere versuchen, statt die Bewertung vom 30. Januar 1933 abzuleiten, die Ereignisse von 1918/19 oder 1918/20 selber zum Ausgangspunkt der Einschätzung zu nehmen. Die Differenz „gescheitert“ oder „gelungen“ existierte allerdings bereits ein Jahrzehnt vor 1933 oder länger, so daß die Behauptung „gescheitert“ zu einem früheren Zeitpunkt nicht mit dem Faktum des Faschismus an der Macht zu begründen war. Am Beginn der Revolution überwog klar das positive Urteil. Aus den Quellen läßt sich belegen, daß nicht wenige zeitgenössische Intellektuelle – darunter Kurt Eisner, Karl Liebknecht, Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann – den Anfang jubelnd ins Auge faßten. Wenn späterhin die höchst unterschiedliche Bewertung Platz griff, verursachten dies nicht zuletzt die jeweiligen politischen Lehren, die im Spiele waren und auf deren Boden die Urteile gefällt wurden. Was aber, wenn die Unterschiedlichkeit in der Bewertung total war, obwohl diejenigen, die urteilten, derselben oder eine ähnlichen
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politischen Richtung angehörten, wie zum Beispiel die beiden gestandenen Republikaner Gustav Radbruch (SPD) und Kurt Tucholsky (zuerst USPD, dann SPD)? Die verblüffende Unterschiedlichkeit lag schlechterdings darin begründet, daß sie nicht denselben Sachverhalt in den Blick bekamen; Radbruch erkannte die unleugbar gelungene Aufbauleistung an, die durch die Novemberrevolution angestoßen worden war; für Tucholsky stand an erster Stelle, daß die verhängnisvolle Dominanz des Militärischen im Deutschen Reich fast ungebrochen fortwirkte. Methodologisch ergibt sich daraus zwingend, daß die Beurteilung der Novemberrevolution sich auf die Ermittlung der Bedeutung des Gesamtvorgangs stützen sollte, zweifellos mit Erfassung möglichst vieler seiner gravierenden Facetten. Oder anders: Der Gesamtvorgang wiederum ist, um ihm gerecht werden zu können, bei seiner Erforschung als „Konglomerat“ zu sehen, das der Zerlegung in seine Facetten unterzogen werden muß, die einzeln zu würdigen sind. Von den Vorgängen der Novemberrevolution ist es besonders die ‚Revolution von oben‘, die in historischen Schilderungen oft außer Betracht bleibt. Zunächst einmal bewirkte diese zweierlei: nach außen die Beendigung der Kampfhandlungen an den Fronten, im Innern die durchgreifende Parlamentarisierung. Läßt man, wie es oft geschieht, Punkt eins weg, schafft man Freiraum für die Dolchstoßlegende und deren Propagandisten. Zu ihnen zählen Gustav Stresemann (anklagend 1920: „welche Schuld die Heimatfront trägt an dem Zusammenbruch“); der Weltkriegsgefreite Hitler (mit seinem Verlangen 1923, nun wenigstens „denjenigen Kräften den Kampf “ anzusagen, „die fünf Jahre vorher den deutschen Widerstand auf den Schlachtfeldern von innen her gebrochen hatten“) sowie General Groener (Bekenntnis, 1918: „Ich bin aber auch heute noch der Überzeugung, daß wir ohne Revolution im Innern an der Grenze Widerstand hätten leisten können …“). Diese alle verstellten sich und der Bevölkerung die Sicht auf die realen Gegebenheiten, denn gerade weil die Experten bezweifelt hatten, daß nach dem Zusammenbruch des österreichischen Kaiserrreichs die deutschen Grenzen noch zu halten waren (Bericht des Weltkriegsoffiziers Viktor Mann), wurde die Revolution gebraucht ‚von oben‘! Der ehemalige Reichskanz-
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ler Prinz Max von Baden bezeugte es in deutlichen Worten: „Für den Schritt trägt die Oberste Heeresleitung ebenso wie für seine Folgen die Verantwortung; sie hat die militärische Lage als aussichtslos bezeichnet …“ Damit widerlegt ist auch die Mär von den marxistischen ‚Novemberverbrechern‘ (Kardinal Faulhaber). Ein anderes Defizit, schon in Berichten der damaligen Ära, dann auch in Teilen der Forschung und Geschichtsschreibung der folgenden Jahrzehnte, ist die Unterbelichtung des Beitrags bürgerlicher Demokraten zur Stabilisierung der aus der Revolution rührenden Verhältnisse, vor allem der Bemühungen von Mitgliedern der DDP. Wenn die bürgerlichen Demokraten als ihr Ideal den bürgerlich-demokratischen Rechtsstaat favorisierten, ist zu bedenken, daß die extreme Rechte nichts anderes als gerade ihn zum Hauptziel ihrer Angriffe machte, etwa indem sie ihn oder bestimmte seiner Maßnahmen als ‚bolschewistisch‘ verleumdete. Zu den weiterwirkenden Mißverständnissen in der Berichterstattung und Geschichtsschreibung über die Novemberrevolution zählt auch die Rede vom „Verrat“ der Sozialdemokratie an der Revolution (effektvoll so Sebastian Haffner), welcher in der Revolution bereits Repräsentanten der Linken wie Johann Knief und Eugen Leviné kundig entgegengetreten waren. Ein Hauptfehler der zeitgenössischen Revolutionsdeutung und späterer Historiographie, der darin bestand, propagandistisch mit der Alternative zu hantieren: bürgerliche Demokratie contra Bolschewismus (mit diesem dann gleichgesetzt: die Räterepublik) konnte im letzten halben Jahrhundert durch die Bemühungen der Forschung beseitigt werden (Peter von Oertzen, Eberhard Kolb u. a.). Der Rätegedanke faßte Fuß in einem unverächtlich bedeutenden Teil der Bevölkerung. Seine Anhänger forderten das Mitspracherecht der unteren und mittleren Klassen in politischen Angelegenheiten sowie Möglichkeiten zum Mithandeln bei der Gestaltung der politischen und ökonomischen Zustände, und sie kritisierten die stimmenzählende Demokratie und den Parlamentarismus, denen sie aus Erfahrung nicht zutrauten, die Belange der einfachen Leute gewissenhaft wahrzunehmen. Wären die Räte, wie Eisner vorschlug, verständig in die Verfassungen der Länder und vor allem des Reichs integriert worden, anstatt sie mit Hilfe
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von Propaganda zu diffamieren und gewaltsam zu bekämpfen, wäre in ihnen ein sturmfestes Bollwerk der Demokratie vorhanden gewesen, das einen Damm gegen den anbrandenden Faschismus hätte bilden können. Zu den bewahrenswerten Impulsen der besten Kräfte der Novemberrevolution zählt vor allem der Friedensgedanke. Er ist älteren Ursprungs und leitet sich u. a. von Kants Schrift Zum ewigen Frieden (1795) her, auf deren Postulate während der Revolution und der Weimarer Republik Autoren wie Karl Kraus und Carl von Ossietzky energisch pochten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts würde man denselben Gedanken erneuern in der rhetorisch wirksamen Form, der Friede sei nicht alles, aber ohne den Frieden sei alles nichts. Es gehört zu den Verdiensten pazifistischer Schriftsteller – voran der Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde und Ossietzky, aber auch des Freiherrn von Schoenaich –, daß sie unermüdlich darauf verwiesen, die deutsche Demokratie ließe sich nur unter der Bedingung kräftigen, daß die Dominanz des Militärischen gebrochen würde. Daß dies einen grundlegenden Mentalitätswandel voraussetze, erkannten sie ebenso wie an ihrer Seite pazifistische Autorinnen (Helene Stöcker u. a.). Der Wandlungsprozeß hätte nicht nur das Verhältnis der Bevölkerung zu Fragen des Kriegs und Friedens umfassen müssen, sondern insgesamt die Stärkung des Humanitätsgedankens (Heinrich Mann, Bruno Frank, Leonhard Frank). An dieser Stelle sei noch einmal Walter Grab zitiert. Seine abschließende Überlegung über die „gescheiterte“, dennoch nicht vergebliche Revolution von 1848 lautet: „Die Grundsätze hingegen, von denen sich die 1848 unterlegenen republikanischen Volkstribunen leiten ließen, … sind heute ebenso gültig wie vor fünf Generationen. … Ein Jahrhundert nach dem anscheinenden Triumph der Reaktion und dem Scheitern der Revolution sind sie zum großen Teil im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert worden.“ Um in Grabs Spur weiter zu denken: Wie steht es mit den Grundsätzen der „republikanischen Tribunen“ von 1918/19, dabei der Intellektuellen, von denen nicht wenige für sie ihr Leben hingaben? In dem vorliegenden Buch wird eine bedeutende Anzahl von „republikanischen Volkstribunen“ in Erinnerung gerufen, von Intellektuellen,
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die republikanische Grundsätze hoch hielten und in ihrem Sinne die Verhältnisse im Deutschen Reich zu gestalten suchten. Ihre Kämpfe sind bekannt oder verdienen, ins Licht der Geschichte gerückt zu werden. Es wird aber keineswegs vergessen, daß neben ihnen ‚neutrale‘ Beobachter der Ereignisse existierten, und ebenso wenig, daß gegen die Revolution sowie die aus ihr entstandene Republik auch ausgesprochen feindselige Intellektuelle wirkten. Zum Unglück Deutschlands und von großen Teilen der Welt gelang es ihnen und ihren Konsorten, nach anderthalb Jahrzehnten über die Demokratie zu triumphieren und sie durch einen neuen Absolutismus zu ersetzen, d. h. durch ein Regime, das sich von Jahrtausende alten Sittengesetzen löste, um einen nie dagewesenen Zivilisationsbruch zu vollführen. Es bedurfte der Vereinigung starker Kräfte des Auslands, um auch im Reich die Hoheit der republikanischen Grundsätze wiederherzustellen. Von Heinrich Heine gibt es das Bekenntnis: „Ich liebe die Erinnerung der früheren Revolutionskämpfe“. Dem schließen sich die Autorin und der Autor des vorliegenden Buches an. Das war ihr Impuls, es abzufassen – ihr Impuls war es, zu gedenken der „republikanischen Tribunen“, männlicher und weiblicher. Das ist nicht der Vorsatz, ihnen Ruhmeskränze zu winden. Es ist der Vorsatz, zum Bild der Novemberrevolution beizutragen, indem gezeigt werde, wie diese sich im Denken und Tun von einer Anzahl ihrer intellektuellen Protagonisten spiegelte.
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Die halbe Macht, S. 274 Zit. in: Gerlach, Von Rechts, S. 228 Heymann, Erlebtes, S. 164 u. 167 Revolution, S. 8 Revolution, S. 7 u. 9. – Nicht „aus der Perspektive dieses späteren Scheiterns“ beabsichtigt auch Käppner „die Geschichte der Revolution“ von 1918 zu geben (S. 20). Ruge, Deutschland, S. 48,1 merkt an: „Die Vernichtung der Weimarer Republik durch den Faschismus war nicht gesetzmäßig.“ Übersetzung von Karin Bornkamm, in: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hg. von derselben und G. Ebeling, Frankfurt/Main 1982, 6 Bde., 4,233 – das Original hat hier in Latein: „Aliud est inuasor / aliud transgressor“ –; sowie D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, 127 Bde., Weimar 1883–2009, 51,258 Etwa: ‚im Verhältnis der Menschen zueinander‘. Dafür würden wir heute bevorzugen zu sagen: ‚in staatstheoretischer Bedeutung‘. Johann Christoph Adelung, Grammatisch=kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart […], 3. Theil, 2. Aufl. Leipzig 1798, Sp. 1096 f. „Den Gegensatz zu der R. in diesem Sinne bildet die Reform, d. h. die planmäßige Veränderung der Staatsverfassung, welche sich auf verfassungsmäßigem Wege vollzieht. Hiernach gehört zu dem Wesen der R. eine gewaltsame Umgestaltung der Regierungsform, nicht bloß ein gewaltsamer Wechsel in der Person des Regierenden“, weshalb die sog. Palastrevolution („der Sturz eines Staatbeherrschers“) „keine eigentliche R.“ sei. Als deren Beispiele erscheinen: Napoleon I. läßt sich 1804 vom Ersten Konsul zum Kaiser erheben; sein Anverwandter, der Präsident der Republik wird 1852 – dann: Napoleon III. – als Kaiser ausgerufen. Zwar eine im zitierten Artikel nicht gebrauchte Terminologie ist die Antithese der’Revolution von oben‘ (zu dieser: vgl. WIKIPEDIA; von uns eingesehen: 22. 7. 2017) und der ‚von unten‘, doch sind in dem Artikel unterschieden: Die Palastrevolution könne allerdings „nicht nur von den Regierten, sondern auch von den Regierenden ins Werk gesetzt werden. … Bei denjenigen Revolutionen …, welche von den Regierten ausgehen, sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder wird nämlich die R. nur durch einzelne und zwar namentlich durch die Aristokratie eines Landes ausgeführt“ – z. B. der Sturz des Königtums „im alten Rom“ –, „oder es erhebt sich die Masse des Volkes gegen die bestehende Staatsregierung, um derselben ein gewaltsames Ende zu bereiten.“ Als Beispiele für die zweitgenannte dienen: die englische Revolution von 1688, die „große französische R. seit 1789“, 1830, 1848. (Meyers Konversations=Lexikon […], 5. Aufl., 14. Bd. Leipzig etc. 1897,S. 685) Drechsler u. a., S. 328 f.
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12 In diesem Artikel ist die Tendenz auffallend, nur den radikalen gesellschaftlichen Umbruch als Revolution anzuerkennen. (Waltraud Böhme u. a., S. 728–732) 13 Ob die Austreibung der Philosophen aus dem antiken Rom in der Kaiserzeit einem Personenkreis gegolten hat, der strukturell mit der Intelligenz der Neuzeit identisch gewesen wäre? Ernst Kornemann (in: Römische Geschichte, 2. Bd. : Die Kaiserzeit, 4. Aufl., Stuttgart 1959) gibt die folgenden Auskünfte: Kaiser Domitian (81–96) wurde von der „philosophischen Opposition“ zum „Tyrannen“ gestempelt (S. 228). – Es siegte nach seinem Tod „die Anschauung der … Philosophenopposition von der wahren, echten Monarchie“ (S. 230). – Zuvor war Vespasian (69– 79) schon „zur Vertreibung der Philosophen gekommen“, weil sie „die Massen geistig mobil machten“ (S. 252). In der Person Hadrians (117–138) habe „… die bisherige stoische Opposition … sich durch ihn den Thron erobert …“ (S. 258) 14 Chiffre für „Marxistische Erneuerung“, Juni 2007, H. 70 15 Ebd., S. 12 f. 16 Ebd., S. 16 17 Die Zitate von Strauß sind in einem Artikel von Otto Köhler enthalten: Dement ist er nicht. (In: „junge Welt“, 27. April 2017, S. 3) 18 Enden, S. 371 19 Schriften, S. 440 20 Tagebücher, S. 63 21 Revolutionäre Matrosen, S. 95 22 Gesellschaft, S. 183 I. Grundzüge der Novemberrevolution 1 Zeitalter, S. 38 2 Braudel, zit. bei Canfora, Geschichte, S. 224 f. – 1914 war in Deutschland die Sozialdemokratie die bestorganisierte politische Kraft, die in der Bevölkerung am meisten Zustimmung erhielt (Reichstagswahlen 1912). 3 Die große Zeit, S. 161 4 In: Deschner, Jahrhundert, S. 43. – Auch Lenin äußerte die Vermutung, der Krieg könnte den Herrschenden als Mittel zur „Ablenkung der Aufmerksamkeit der werktätigen Massen von den inneren politischen Krisen in Rußland, Deutschland, England und anderen Ländern“ dienen …“ (Werke 1,745) 5 Institut, Spartakusbriefe, S. 422 6 Der Revolutionär, S. 17 7 Institut, Spartakusbriefe, S. 436. – Dazu vgl.: Kurt Mühsam, S. 10! 8 Ebd., S. 439 9 Weltkrieg, S. 352 f. 10 Lebensweg, S. 347 11 Essays, S. 24 12 Tagebücher, S. 206 13 Hitler, Kampf, S. 765 14 Leben, S. 61
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Zit. bei Jörg Berlin, S. 170 Mutterschutz, S. 63 Das Tagebuch, 6,559 Jena, Ort der Schlacht am 14. Oktober 1806, bei dem die preußische Armee von Napoleon vernichtend geschlagen wurde. Zit. bei Wolfgang Beutin, Vom „Schwertgläubigen“, S. 104 Johann Knief – Biographisches, S. 130; vgl. ders., Johann Knief, Ein unvollendetes Leben, S. 393 f. Kritik, S. 9 Werke, 1,407 Prosa, 97 ff. u. 101 Vom „Weißen Kreuz“, S. 287 Einleitung. S. 10. – Die karikierende Metapher: „revolutionäre Gymnastik“ verwendete bereits 1909 Anton Pannekoek in seiner Abwägung der unterschiedlichen Streikformen im „revolutionären Endkampf “ (Die Klassen, S. 104). – . Vgl. Richard Müllers Kapitel „Revolutionäre Gymnastik“ (Geschichte, S. 137–140) und Emil Barth (Werkstatt, S. 127)! TaBu-Ausg. Frankfurt/M. 1961, S. 367 Geiss, Weimarer Republik, S. 25 (Aufsatz:) Bertolt Brecht […), S. 24 K. A. von Müller, S. 258 Leben, S. 214, 69 u. 77 Arbeit, S. 72 Revolution, S. 7 Rechenschaft, S. 15 Als wär’s ein Stück von mir, S. 293 Reden, 9,604 Werke, 2,178 Los, S. 56 Als wär’s ein Stück von mir, S. 294 Rechenschaft, S. 22 Eine ungeliebte Revolution, S. 20 Bedeutung, S. 296 Wir sind Gefangene, S. 182 f. Zit. bei Jörg Berlin, S. 131 f. Arbeit, S. 73 f. Mars, S. 259 Revolution, S. 32. – Vgl. auch Käppner (S. 152): „Es ist eine Revolution – aber eine Revolution verordnet von ganz oben.“ Zit. in: Kunstamt, S. 105 Ritter / Miller, S. 21. Die Hgg. kommentieren: „Diese Idee wurde der OHL vom Staatssekretär des Äußern von Hintze am 29. 9. 1918 nahegelegt und von Hindenburg und Ludendorff sofort akzeptiert.“ –Vgl. Jones, S. 23: „Die von Ludendorff verordnete ‚Revolution von oben‘ …“!
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Anmerkungen
Ritter / Miller, S. 24 u. 23 Lohse, „Die gewaltigste Revolution“, S. 40 Revolution, S. 54 f. u. 66 Revolutionäre Matrosen, S. 90 Ebd., S. 96 f. In seiner Biographie Rosa Luxemburgs, S. 329 Enziane, S. 152 In: Richard Müller, S. 15 f. – Daß die Waffengewalt nie zuerst von Seiten der Revolutionäre kam, gibt auch Ulla Plener an. (In: Dies., Novemberrevolution, S. 9) Essays, S. 23 u. 29 Revolution, S. 128 Institut, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 185 f. Demokratiekonzept, S. 85 Ledebour stimmte für die Parole: Sturz der Regierung. Er begründete dies später: „Ich selbst hatte die Überzeugung, wenn wir schon auf einen Kampf uns einlassen, dann müssen wir aufs Ganze gehen. Kommt es überhaupt zum Kampf, dann wird er unvermeidlich ein Kampf um die Beseitigung der Regierung Ebert-Scheidemann.“ (Zit. in Kunstamt, S. 136 Weltkriegsrevolutionen, S. 294 Novemberrevolution, S. 10 Zit. in: Ritter / Miller, S. 293 Zit. von Hoffrogge, in seiner Biographie Richard Müllers, S. 51 f. Institut, Vorwärts, S. 22 u. 10 Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte, 2, S. XXIX Kritik, S. 12 f. Nation, S. 259 u. 294 Essays, S. 24 f. Werke, 1, 387 Von der Menschenliebe, S. 6. – Unter den Besuchern des Abends war auch Thomas Mann. Im Tagebuch notierte er (Datum 10. 12.) seinen Eindruck: „Franks Rede nicht ohne Anmut, aber sybaritisch und grübchenhaft.“ (Tagebücher, S. 105; „grübchenhaft“ = ‚vergrübelt‘?) Mensch, S. 59 u. 104 Tagebücher, S. 217 Institut, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, S. 194 f. Tagebücher, S. 197 Rätebewegung, S. 237 Revolutionäre Matrosen, S. 90 Ulla Plener, Novemberrevolution, S. 8. – Über das „maßgeblich” läßt sich streiten. Zit. bei Jörg Berlin, S. 363 f. Revolution, S. 18 Ulla Plener, Novemberrevolution, S. 8. – Vgl. auch Gerlachs moderate Einschätzung der revolutionären Tätigkeit einiger Hauptbeteiligter: „Das Sündenmaß der ersten Revolutionsminister ist groß. Trotzdem – sie haben Preußen-Deutschland
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vor dem zeitweise unausbleiblich scheinenden Chaos bewahrt. Das war immerhin etwas.“ (Von Rechts, S. 229) 83 Geschichte, S. 401, 406 u. 523 84 In seiner Biographie: Rosa Luxemburgs, S. 330 u. 329 85 Erlebtes, S. 169 86 Tagebücher, S, 88 87 Aus nächster Nähe, S. 235 88 Erinnerungen, S. 316 89 Arbeit, S. 76 90 Zit. bei H.-E. Böttcher, S. 45 91 Zit. bei Jörg Berlin, S. 360–363. – Vgl. Pross, Zerstörung, S. 334 f. (Nach einem Telegramm des US-Botschafters Houghton forderte der Großindustrielle Stinnes 1923, es müsse „ein Diktator gefunden werden“, vielleicht auch in der Position eines Diktators ein Triumvirat.) 92 Zit. bei Jörg Berlin, Revolution, S. 336 93 Zit. bei Malanowski, S. 128 94 Zit. in ebd., S. 129 95 Kampf, S. 771 96 Geschichte, S. 127. – Schoenaich bekräftigte am 11. Januar 1922 im „Berliner Tageblatt“ in seinem Artikel: Der Dolchstoß, mit dem Untertitel: „Legende[,] nicht Geschichte“: „Das Versagen oder Überlaufen ganzer Divisionen, offene Auflehnung gegen Vorgesetzte“ u. a. „erfolgten erst im August 1918, also zu einer Zeit, als die Niederlage auch dem Blindesten klar werden mußte …“ (ebd., in Anm. 2) 97 Bedeutung, S. 299 98 Bedeutung, S. 300 f. – Die ersten Versuche: der Kapp-Putsch und Hitlers Putsch (9. 11. 1923). 99 Enziane, S. 150 f. 100 Damals, S. 331 101 In seiner Biographie Rosa Luxemburgs, S. 375 f. II. Die „Intellektuellenfrage“ in der Diskussion um 1918 1
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Philipp Loewenfeld berichtet, daß Eisner ihm zwei bis drei Wochen vor dem Umsturz angekündigt habe, es werde alsbald „ganze Arbeit“ geben. Unter diesen Worten verstand der Berichterstatter, es könne „nach Sachlage nur die Beseitigung der Monarchie gemeint sein“. (Erinnerungen, S. 175 f.) Zit. bei Malanowski, S. 49 Tagebücher, S. 113 Geschichte. S. 333 Ebd., S. 598 Eine ungeliebte Revolution, S. 25 Werke, 2,336 f. In seiner Monographie über Franz, S. 84 In der Herausgeber-Biographie Paul Frölichs, S. 331
254
Anmerkungen
10 Frölich, Lager, S. 31 11 Ab 1933 illegale Arbeit, Haftzeit bis 1936, Exil, Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg, Internierung in Nordafrika, Angehöriger der englischen Armee, 1943 Übersiedlung nach Moskau. 12 Im Kampf, S. 139 13 Arbeit, S. 33 14 Ebd., S. 47 15 Links, S. 175 16 Karin Kuckuk, Schatten, S. 56 17 Gelehrte, S. 16 u. 29 18 Ebd., S. 10 f. 19 Ebd., S. 135 f. 20 In seiner Biographie Rosa Luxemburgs, S. 16 21 Enden, S. 371 22 Ebd., S. 380 f. 23 Peter Stein, in seiner Biographie Heinrich Manns, S. 83 f. – Das Fragment von Thomas Mann in: Das essayistische Werk, 113,75–81 24 Stein, Heinrich Mann, S. 84 25 Ebd., S. 85 26 Erinnerungen, S. 434–438 27 In seiner „Ansprache im Politischen Rat geistiger Arbeiter“, Dezember 1918, in: Essays, S. 25. 28 Essays, S. 28 f. 29 Kritik, S. 33 30 Von der Menschenliebe, S. 8 f. 31 Die Klassen, S. 116 u. 113–116 32 Die kommunistische Partei, 531–537 33 In: Um das Vaterland, in: Zur Theorie, 231–242; hier: S. 237 34 Intellektuellenfrage, S. 382 35 Ebd., S. 361 36 Ebd., S. 354 37 Ebd., S. 382 38 Zit. bei Bieber, S. 135 39 Zit. bei Stein, Enden, S. 385 (in Anm. 41) 40 Friedrich, S. 13–15 41 Betrachtungen, S. XXXIII 42 Ebd., S. 160 43 Das essayistische Werk, 113,373 44 Betrachtungen, S. 17 f. 45 Ebd., S. 30 46 Ebd., S. 380 47 Prosa, S. 201 u. 216 48 Bd. 7, S. 341 49 Ebd., S. 108
Anmerkungen 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
255
Ebd., S. 355 Werke, 1,126 Ebd., 2,340 Geschichte, S. 196–204; Müllers Vorbemerkung: S. 196; die Eingabe: Folgeseiten; die Zitate daraus: S. 197 Lebensweg, S. 358 Kampf, S. 243 Ebd., S. 287 f. Ebd., S. 277 Vgl. Lit.verz., Institut Reise, S. 30. – Die Form „belesen“, wo „anlesen“ besser passen würde, im Original. Hochverräter, S. 473 u. 488 Geschichte, S. 14 f. Nach Trotzkis Bericht, zit. bei Helga Schultze, S. 35 Tagebücher, S. 124 In ihrem Nachruf auf den ermordeten Ministerpräsidenten: Ins Herz der Revolution, S. 122 Werke, 2,240 u. 2,748 Autobiographie, S. 125, 58 Rechenschaft, S. 17 Zit. bei Grünberg, S. 320 Erinnerungen, S. 3 Zit. bei Rubiner, Kameraden, S. 16 In: Felix-Fechenbach-Buch, S. 140 Prosa, S. 176 Man möchte immer weinen, S. 194 Ebd., S. 43 Revolution und Gewaltlosigkeit, S. 530 Mutterschutz, S. 63
III. Positionen 1 Rechenschaft, S. 15 2 Siegfried Graf von Roedern, Staatssekretär des Reichsschatzamtes, der höchsten Finanzverwaltungsbehörde des Deutschen Reiches; Arthur von Gwinner. 3 Leben, S. 206–211 4 Geistige Grundlagen, S. 20 5 Zit. bei Gertrud Bäumer, Lebensweg, S. 318 6 D. h.: mit dem Fallen der Kurse, übertragen für: ‚mit der Niederlage‘. 7 Zit. in Bäumer, Lebensweg, S. 319 f. 8 Weiland, S. 47–51; hier: S. 49. 9 Lebensweg, S. 342 10 Ebd., S. 321 11 Ebd., S. 324
256 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35
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37 38 39 40
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Anmerkungen
Ebd,, S. 338 f. Ebd., S. 351 Ebd., S. 360 f. Ebd., S. 391. – Dazu ist Gustav Radbruchs Ablehnung des Projekts der „Volksgemeinschaft“ zu vergleichen (s. u.). Zit. bei Ritter / Miller, S. 292–294 Im Geleitwort, zu: Rathenau, Tagebuch 1907–1922, S. 5 Leben, S. 396. – Zur Ermordung Rathenaus (am 24. Juni 1922) und zur Strafverfolgung der Attentäter vgl.: Gumbel, S. 43 f.; Hannover / Hannover-Drück, S. 112–124. Fritz Fischer, Griff, S. 114 In: Rathenau, Europäer, S. 287 Reichskanzler Joseph Wirth (1879–1956), Zentrumspolitiker; auch mehrmals in der Weimarer Republik in Ministerämtern (bis 1931). Politische Justiz, S. 113 Von Rechts, S. 238 ff. In: Rathenau, Europäer, S. 287 Tagebücher, S. 130 f. In Kesslers Monographie über Rathenau, S. 267 f. u. 273 Siehe die Liste, bei Ritter / Miller, S. 248 f. Zit. in Kessler, Tagebücher, S. 133 Ebd. Fritz Fischer, Griff, S. 35 Rathenau, Europäer, S. 120 Fritz Fischer, Griff, S. 113 Ebd., S. 311 Vgl. Rathenau, Tagebuch 1907–1922, S. 226 Kritik der dreifachen Revolution, S. 103. – In seiner Biographie Walther Rathenaus versichert Graf Kessler, Rathenau habe am 7. Oktober 1918 die Idee der Volkserhebung ins Spiel gebracht. In seiner Untersuchung: Walther Rathenau und das deutsche Volk, S. 15 f. – Zu der Debatte über den Widerstreit zwischen „Geist“ und „Seele“ s. den Abschnitt: An der Seite der Konterrevolution! In seiner Biographie Walther Rathenaus, S. 268 James Joll, in: Prophet ohne Wirkung. Eine biographische Skizze, in: Rathenau, Tagebuch 1907–1922, S. 31 Zu der Debatte über den Widerstreit zwischen „Geist“ und „Seele“ s. u.: An der Seite der Konterrevolution! Eine willkürlich aus einer Schrift (Zur Kritik der Zeit) herausgerissene Handvoll Belege: die Vokabeln „Rassenkampf, Rassenmerkmale, Rassenwechsel“ (S. 43 u. 95). „Das Volk bedurfte noch lange germanischer Geistesleitung und bedarf noch heute germanischen Einschlages.“ (S. 99 f.) „Den Vereinigten Staaten … fehlt die Vorschule germanischer Oberherrschaft und Leitung …“ (S. 100) Der Verf. plädiert für die „Beibehaltung des germanischen Körperideals“ (S. 108) usw. Kritik der dreifachen Revolution, S. 13 u. 15
Anmerkungen
257
42 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 259 43 Karl Löwith, in: Käsler, S. 310 44 Vgl. Wolfgang J. Mommsen: Max Weber und die deutsche Politik, Abschnitt: Webers Tätigkeit für die Deutsche Demokratische Partei, S. 305–335 (besonders S. 326 ff.)! 45 Käsler, S. 359 46 Schriften, S. 297 47 In: Käsler, S. 38 48 Wolfgang J. Mommsen, in: Käsler, S. 249. – Herbert Marcuse griff noch einmal in die Dokumentation von Wolfgang J. Mommsen, um die harsche Polemik Webers zu präsentieren: „… er hat für die politischen Gegner auf der radikalen Linken das Irrenhaus, den Zoologischen Garten und den Revolverschuß gefordert; er, der intellektuellste aller Soziologen, hat gegen die Intellektuellen getobt, die ihr Leben der Revolution geopfert haben.“ (In: Käsler, S. 73) 49 Schriften, S. 438 50 Ebd., S. 437 51 Ebd., S. 449 52 Ebd., S. 443 53 Ebd., S. 479 54 Ebd., S. 392 55 Zit. bei Wolfgang J. Mommsen, in: Käsler, S. 268. – Mommsen sieht Webers Charisma-Vorstellung als politisch gefährlich an: Man werde „ehrlicherweise feststellen müssen, daß Webers Lehre von der charismatischen Führerherrschaft, verbunden mit ihrer radikalen Formalisierung des Sinns der demokratischen Institutionen, ihr Teil dazu beigetragen hat, das deutsche Volk zur Akklamation der Führerstellung Adolf Hitlers innerlich willig zu machen.“ (Ebd., S. 222) 56 Schriften, S. 439 57 Ebd., S. 441 58 Ebd., S. 442 59 Ebd., S. 470 60 Ebd., S. 474 61 Ebd., S. 473 f. 62 Spektator=Briefe, S. 13 ff. 63 Ebd., S. 4 64 Ebd., S. 69 65 Ebd., S. 26 66 Ebd., S. 302 67 Wolfgang Pfeiffer-Belli, im Vorwort zu: Kessler, Tagebücher, S. 9 68 Gesichter, S. 263 69 Polen wurde von den Mittelmächten (Deutschland und Österreich) 1915 besetzt; unter ihrer Ägide entsteht 1916 das selbständige Königreich Polen. Am 7. November 1918 wird in Lublin die Republik Polen ausgerufen. Kessler ist damals in polnischen Angelegenheiten unterwegs. Er geht am 9. November mit Hatzfeldt ins Kriegsministerium, um den Zug für Józef Pilsudski (1867–1935) bereitstellen zu
258
Anmerkungen
lassen. Pilsudski war 1917/18 in Magdeburg inhaftiert und wird nunmehr als Präsident der polnischen Republik amtieren. (Tagebücher, S. 23) 70 Tagebücher, S. 30 u. 34 71 Ebd., S. 38 72 Ebd., S. 85 73 Ebd., S. 147 74 Wolfgang Pfeiffer-Belli, im Vorwort zu: Kessler, Tagebücher, S. 10 75 Kessler, Tagebücher, S. 198 f. 76 Hellmut von Gerlach erinnert sich: „Der neugegründete Bund Neues Vaterland, dem sozialistische Führer und radikale bürgerliche Intellektuelle angehörten, entfaltete im Frühjahr 1915 eine intensive Tätigkeit.“ (Die große Zeit, S. 170) 77 Kessler, Tagebücher, S. 23 78 Ebd., S. 25 79 Ebd., S. 26 80 Ebd., S. 27 81 Ebd., S. 37 82 Ebd., S. 61 83 Ebd., S. 86 84 Ebd., S. 104 85 Ebd., S. 140 86 Ebd., S. 190 87 Fricke, S. 197 88 Im Exil in Frankreich, von dort an den NS-Staat ausgeliefert, ins KZ verbracht, nach der Entlassung verstorben. 89 Über v. Gerlach vgl. weitere Ausführungen im Kapitel IV! 90 Zit. bei Werner Fritsch, in: Fricke, Demokraten, S. 197 91 Pross, S. 102 92 Köpfe und Tröpfe, S, 365 93 Unterzeichnung in Compiègne am 11. 11 1918; in Versailles am 28. 6. 1919 (hier durch die Reichsminister Hermann Müller und Johannes Bell). 94 Der Schriftsteller Hans Heinrich (Weilheim) wies uns in einer Mail auf Erzbergers autobiographische Schrift hin: Erlebnisse im Weltkrieg, Stuttgart etc. 1920, S. 335, wo es bezüglich der Novemberrevolution heiße, „die herrschenden Schichten“ seien „bereit“ gewesen, vermöge einer Revolution von oben das Volk an der Verantwortung zu beteiligen“. Erzbergers Darstellung erweist die Lügenhaftigkeit der Dolchstoß-Legende und die Verantwortlichkeit der OHL. 95 Schueler, S. 106 u. 108 96 Damals, S. 6 f 97 Verrat, S. 203 98 Ausgewählte Werke, 1,747 99 Zit. bei Engel, in seiner Monographie über Knief, S. 393 100 Ausgewählte Werke, 2,404 101 Adelung, Bd. 4, 2. Aufl. 1801, Sp. 1107 102 In: Institut, Spartakusbriefe, S. 467
Anmerkungen
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103 Zit. bei Ritter / Miller, S. 287 104 Zit. bei von Bockel, S. 149. – Die Vorwürfe betreffen: die Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914; die „Blutweihnacht“ und die Niederwerfung des Januar-Aufstands; Eberts Zustimmung zur militärischen Liquidierung der legal zustande gekommenen, einwandfrei amtierenden Koalitionsregierungen von SPD und KPD in Sachsen und Thüringen. 105 Böhme, S. 395 106 Zit. bei Richard Müller, Geschichte, S. 431 107 Anfang, S. 17 108 In seiner Biographie Rosa Luxemburgs, S. 329 109 Zit. bei H.-R. Böttcher, Das Recht, S. 59 110 Zit. in: Kunstamt, S. 117 111 Gesammelte Werke, 1,847. – Wolfgang Heine, preußischer Innenminister; Otto Geßler, Reichswehrminister. 112 Ebd., S. 969 113 Erinnerungen, S. 478 114 Einführung, S. 17 115 Zit. bei H.-E. Böttcher, Das Recht, S. 51 116 Eb., S. 47 117 H.-E. Böttcher, Das Recht, S. 46 f. 118 Zit. bei H.-E. Böttcher, Das Recht, S. 76. – Mühsam schrieb aus der Haft an Radbruch (5. August 1920). Von ihm war Mühsam in einer Rede erwähnt worden. (Vgl. Mühsam, Tagebücher, 7,253.) 119 Zit. bei H.-E. Böttcher, Das Recht, S. 74 120 Zit. bei H.-E. Böttcher, Das Recht, S. 45 121 Zit. ebd., S. 49 f. 122 H.-E. Böttcher, Das Recht, S. 62 123 Wegen der Kürze der Abhandlung (5 S.) kein Einzelnachweis der Zitate. 124 Dies vor allem in besonders unruhigen Regionen und Städten, so in Bremen (Kaisen, S. 93) und Braunschweig: in der Wahl zum Braunschweigischen Landtag am 22. Dezember 1918 erreichte sie die dreifache Zahl der Stimmen, verglichen mit der MSPD (s. Verzeichnis der Ergebnisse, in: Akademie, S. 184). 125 Institut, Geschichte, S. 141 126 Zit. in Helga Schultz, Lehrer, S. 42 127 Gesammelte Schriften, 15,778 128 Linse, in seiner Edition von Schriften Landauers, S. 148 129 In seinem Schrifttum entwickelt er krude Spekulationen, die er rassistisch unterfüttert, z. B. „Das Bürgerlich-Liberale ist unter den heutigen Weltverhältnissen für Deutschland ‚Feind im Land‘; es ist die Romanisierungs-, Zivilisations-, Urbanisierungs-, Verwestlichungs- und Entdeutschungsform des deutschen Menschen. Je mehr einer Bürger ist, desto weniger ist er Deutscher. Die bürgerlich-liberale Lebensordnung ist der Natur der Sache nach seit 1918 eines der folgenschwersten Hemmnisse deutscher Befreiung.“ – „Der Aufbruch zur Schöpfung des nordasiatisch-nordeuropäischen Weltreiches, jener Wiedererstehung und
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Anmerkungen
Vollendung Preußens, setzt allerdings die Zerstörung der romanischen Geist-, Seelen-, Bluts- und Lebensmacht über deutsche Menschen voraus. Die lindeste Form dieses Vorgangs werden Bevölkerungsumschichtungen sein, die Ströme slawischen Blutes in den deutschen Süden und Westen leiten. Slawisches Blut ist für den romanisierten Raum das Heilserum, das den germanischen Menschen wieder von der romanischen Ansteckung kuriert.“ (Zit. bei Pross, S. 92 f. u. 304 f.) 130 Weber / Herbst, Handbuch, S. 387 f. 131 Die Angaben über Hoffmann in diesem Absatz nach der Abhandlung von Eckhard Müller. 132 Zit. in ebd., S. 238 133 Zit. in ebd., S. 232 134 Zit. in ebd., S. 241 135 E. Müller, S. 242. – Der Erlaß: in Ritter / Miller, S. 253 f. 136 Die Verordnung: in Ritter / Miller, S. 254 f. 137 Zit. in E. Müller, S. 243 138 Zit. in ebd., S. 245 139 Herbert Schwab, in: Fricke, S. 102 140 Ebd., S. 105 141 Abdruck des Aufrufs: bei R. Müller, S. 173–176 142 Der Sachverhalt ist dargestellt bei Gumbel, Fememord, S. 29. 143 Loewenfeld, Erinnerungen, S. 419. – Pöhner war Oberlandesgerichtsrat, PolizeiPräsident, Direktor von Stadelheim, 1920 am Kapp-Putsch beteiligt und 1923 als Hitler-Anhänger am Hitlerputsch in München. Als sein Gehilfe fungierte Wilhelm Frick, nachmals während der NS-Zeit Reichsinnenminister 1933–1943, anschließend bis 1945 Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, 1946 hingerichtet. 144 Malanowski, November-Revolution, S. 45 145 Revolution, S. 180 146 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 39. – Oskar Maria Graf schildert denselben Diskussionskreis, in dem außer Fechenbach u. a. Erich Mühsam und Ernst Toller auftraten (S. 182 f.) 147 Erlebtes, S. 162 148 (1844–1931), Professor für Nationalökonomie. 149 Zit. in Schmolze, Revolution, S. 200; derselbe Vorwurf auch bei Toller, Prosa […], S. 103. 150 Karl-Otmar Frhr. von Aretin, in: Weckerlein, S. 95 151 Zit. in: Behr, Weimarer Republik, S. 18 ff. 152 Ebd., S. 273. – Meint der Autor – welcher sich dem NS andiente – hier die Räterepublik oder, nach dem Ende des NS, in seinem Buch von 1954 diesen? 153 Mars, S. 219 154 Werke, 2,392–399 155 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 45 156 Zit. in: ebd., S. 164 157 Zit. ebd. 158 Schilderung des Trauerzugs: bei O. M. Graf, Gefangene, S. 263
Anmerkungen
261
159 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 244 160 Erlebtes, S. 171 161 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 247 162 In: Weckerlein, S. 100 163 In ebd., S. 103. – Zu der Parole „Aktion“: vgl. Eisner, Die neue Zeit, S. 22. 164 (1853–1939), Jurist, Sozialdemokrat, 1898–1906 u. 1912–1918 Abg. im Reichstag. 165 Briefe, 1,505 166 Zit. in: ebd., S. 52 167 Orthographische Anmerkung: Die Räterepublik wird am 7. April 1919 anordnen, wieder die alte Schreibweise mit dem „i“ anstelle des von der Monarchie im 19. Jahrh. angeordneten „y“ zu benutzen („Baiern, bairisch“). 168 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 108 ff. 169 Zit. in: ebd., S. 104 170 In: Freistaat! Die Anfänge, S. 7 171 Hirschberg, Jude, S. 119 172 Nach den Angaben bei Schmolze, Revolution, S. 202; hier auch das Zit. von Eisner. 173 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 204 174 Zit. in: ebd., S. 205 175 Erlebtes, S. 169 f. 176 Ins Herz der Revolution, S. 126 177 Zit. in: ebd., S. 219 178 Sozialismus, S. 77 179 Ebd., S. 76 180 Die neue Zeit, S. 25 u. 29 181 Zit. in: Schmolze, Die halbe Macht, S. 282 182 Die neue Zeit, S. 48 183 Zit. in: Schmolze, Die halbe Macht, S. 175 184 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 40 185 In seiner Fechenbach-Biographie, S. 9. – Folgende Angaben zu Fechenbachs Lebensgeschichte wesentlich nach Schueler. 186 Ebd., S. 11 187 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 89 f. 188 Schueler, S. 11 189 Gegen den Hauptverantwortlichen, den NS-Regierungschef in Lippe, wurde nach dem 2. Weltkrieg ein Strafverfahren eröffnet, welches jedoch im Jahre 1970 eingestellt wurde. 190 In seiner Abhandlung: Die Weimarer Republik, S. 25 191 Brief an seine Frau Irma, Juli 1933, in: Mein Herz, S. 50 192 Das Folgende nach Hirschberg, Fehlurteil, S. 171 ff. 193 Über die – für ihn günstigen – Wirkungen der Reichstagsdebatte vgl. Fechenbach, Haus, S. 87 f. 194 (1872–1943), Professor für Strafrecht an der Universität München. 1933 entlassen, 1938 bis März 1939 im Konzentrationslager Dachau, danach Emigration nach Tel
262
Anmerkungen
Aviv. – Vgl. auch: Robert M. W. Kempner, Felix Fechenbach – ein Märtyrer der Justizgeschichte, in: Fechenbach, Mein Herz, S. 61–74. 195 Nach dem Auszug in: Behr, Weimarer Republik, S. 18–21 196 Revolutionstagebuch, S. 163 u. 167 197 Ebd., S. 104 198 Das grundlegende E[igentums]verhältnis ist das E[igentum] an den Produktionsmitteln …“ (Böhme, S. 178) 199 Schriften, S. 131–137 200 Zit. in: Marie Baum, Leuchtende Spur. Das Leben Ricarda Huchs, Tübingen 1950, S. 237 201 Ebd., S. 245 202 Ricarda Huchs Besprechung: ebd., S. 250–256 203 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 114. – Vgl. zu Viktor Mann in der Novemberrevolution seine Autobiographie, Wir waren fünf, S. 282 ff. 204 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 115 f. 205 Zit. in: ebd., S. 119 206 Ebd., S. 120 f. 207 Kind, S. 54 u. 56 f. 208 Revolutionstagebuch, S. 37 209 Ebd., S. 183 u. 185 210 Ebd., S. 188. – Franz Xaver Ritter von Epp (1868–1946) beteiligte sich mit seinem nach ihm benannten Freikorps an der Niederschlagung der Räterepublik München, war 1921/23 Infanteriekommandeur der 7. (bayerischen) Reichswehrdivision. Seit 1928 für die NSDAP im Reichtag, wirkte er 1933–1945 als Reichskommissar und Reichsstatthalter in Bayern, ehe ihn 1945 die US-Armee festnahm. 211 Ebd., S. 61 f. 212 Ebd., S. 52 213 Ebd., S. 85 214 Mars, S. 286 215 Ebd., S. 276 216 Ebd., S. 279 217 Ebd., S. 339 218 Jude, S. 135 219 Fehlurteil, S. 175 220 Erinnerungen, S. 330 f. 221 Ebd., S. 611 222 Gedruckt in der Zeitung der Genossenschaft, Faksimile in: Kunstamt, S. 689 223 Jahre, S. 203 224 Bettlerbar, S. 77 225 Erinnerungen, S. 183 226 Ebd., S. 240 227 Ebd., S. 289. – Zur Verwendung rassistischer Kategorien durch Hoetger: ebd., S. 295 228 Die Zeichnung ist abgebildet in Kunstamt, S. 202.
Anmerkungen
263
229 Zit. bei Schneede, im Vorwort zu Lunapark, S. V 230 Zit. in: ebd., S. XV 231 Tagebücher, S. 158 232 Die Tagebücher, S. 839 f. 233 Ebd., S. 379 234 Ebd., S. 400 235 Ebd., S. 448 f. 236 Arbeit, S. 99 237 Erinnerungen, S. 247 238 Ebd., S. 305 239 Zit. bei Erlay, S. 102 240 Zit. ebd., S. 104 241 Nach den Angaben Wolfs in seinem Beitrag: Transportarbeiter vor die Front, in: Grünberg, S. 533–538, und nach Jehser, S. 23–26. 242 1933 und Folgejahre: via Frankreich und USA nach Mexiko geflüchtet, 1952 Rückkehr nach Deutschland. 243 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 397; vgl. auch: Regler, Malchus, S. 141. 244 Kaufmann, S. 50 245 Zit. bei Hilscher, S. 340 246 Hilscher, in seiner Biographie Gerhart Hauptmanns, S. 303 247 Zit. bei Peter Stein, in seiner Biographie Heinrich Manns, S. 89 248 Essays, 2,39 249 Ebd., S. 41 250 Ebd., S. 36 251 Ebd., S. 51 f. 252 Ebd., S. 59 253 Ebd., S. 23 f. 254 Ebd., S. 29 255 Ebd., S. 52 256 Ebd., S. 55 257 Ebd., S. 62 f. 258 Ebd., S. 52 u. 61 259 Betrachtungen, S. 160. – Vgl. auch: Das essayistische Werk, 117,103! 260 Tagebücher, S. 25 261 Ebd., S. 46 262 Ebd., S. 63 263 Fricke, Demokraten, S. 156 u. 192 264 Tagebücher, S. 65 265 Ebd., S. 71 266 Ebd., S. 76 267 Ebd., S. 84 268 Ebd., S. 176 u. 178 269 Ebd., S. 200 270 Ebd., S. 227
264
Anmerkungen
271 Den 1. Teil verfaßte er bis April 1920, den 2. in den Jahren 1924–1926 (unpaginiertes Blatt, d. i. S. 7). 272 Gefangene, S. 183 f. 273 Ebd., S. 273. – Alfred Lichtenstein (1889–1914, an der Front in der Nähe von Reims gefallen) und Jakob van Hoddis (1887–1942, als Insasse einer Heilanstalt auf Veranlassung der NS-Behörden „vernichtet“), zwei expressionistische Lyriker. 274 Gefangene, S. 286 f. 275 Ebd., S. 296 276 Zit. bei Schmolze, Revolution, S. 76 277 Zit. in: ebd., S. 172 278 Briefe, S. 43 ff. 279 Notruf, S. 11 280 Ebd., S. 22 281 Ebd., S. 53 282 Ebd., S. 17 283 Ebd., S. 95 284 Ebd., S. 100 f. 285 Gelehrte, S. 163. – Langbehn (1851–1907, der sog. „Rembrandtdeutsche“); Lanz v. L. (1874–1954), zeitweilig in der Forschung als Hitlers ‚Ideengeber‘ vermutet. 286 Kaufmann fügt mehrere Listen der hier einzureihenden Autorinnen und Autoren ein, siehe Geschichte, S. 42 f. 287 Dieser Absatz beruht auf Angaben bei Kaufmann, Geschichte, S. 40 f. 288 Ebd., S. 31 289 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 153 290 Günter Albrecht u. a., 1,150 291 Kriegstagebuch, S. 469 f. – Erklärung der OHL, daß Dehmels Aufruf nicht mit ihrem Einverständnis hinausgehe: Kurt Mühsam, S. 123. 292 Ebd., S. 471 f. 293 Pross, Zerstörung, S. 314 294 Ebd. 295 Zit. in: ebd., S. 357 296 Zit. in: Pross, S. 332 297 Faulhaber, Akten, 2,186 298 Ebd., S. 185 299 Pross, S. 318 300 Zit. bei Elm, S. 179 301 Zit. in: Pross, S. 331 f. 302 Zit. in: ebd., S. 355 303 (1853–1902) „R. war der Prototyp des skrupellosen Kolonialisten …“ (Tillmann, S. 481) 304 Zit. in: Elm, Leitbilder, S. 152 305 Zit. in: ebd., S. 177 306 Axel Schildt in seinem Beitrag zu Gallus, S. 241. (Aus: Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus, München 1920, S. 7)
Anmerkungen
265
307 So nach WIKIPEDIA, Recherche vom 12. Oktober 2017 308 Zit. in: Günter Albrecht u. a., Lexikon, 1,432 309 Ebd., S. 148 310 Zit. in: Pross, S. 79 311 Zit. in: Günter Albrecht u. a., Lexikon, 1,428 312 Vgl. Hans Joachim Störig, Weltgeschichte, München etc. 1963, S. 499. – Zu den Schriftstellern, die dem Kult der „Seele“ frönten und diese der „mechanisierten Welt“ konfrontierten, zählt auch Walther Rathenau. (Dazu vgl. Hans Günther, Herren, S. 156 f.) 313 Das essayistische Werk, 117,69–77 IV. Dem Aktivismus und Pazifismus verbundene Intellektuelle 1 2 3 4 5 6 7 8 9
10 11 12
13 14 15 16 17 18 19 20
1933/34 Haft in Gefängnissen und Konzentrationslagern, danach Exil in Prag und London bis 1955, nach seiner Remigration in Hamburg. Geist, S. 73 In einer Anmerkung, Ratioaktiv, S. 12 Zit. in: Leben, S. 141 Geist, S. 77 Nach Schopenhauers Beispiel bei ihm stets mit doppeltem „t“. Ebd., S. 38 Geist, S. 146 Zum Motiv vom Untergang und Neuanfang vgl. Apk. 21: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging … Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem … Und der auf dem Stuhl saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! …“ Geist, S. 76 Hillers Anteil an den Vorgängen von 1917 bis 1919 wird im Folgenden dargestellt nach seiner Autobiographie (Leben), S. 102–145. Pinthus faßt Rubiners literarische Tätigkeit in dem Satz zusammen: „Als der leidenschaftlichste Vorkämpfer des Aktivismus, fordernd den politischen Dichter, ‚das humanozentrische Bewußtsein‘, Erdballgesinnung, hatte er, trotz seiner erfolgreich gewahrten Anonymität, großen Einfluß auf die expressionistische Generation.“ (S. 357) Mit dieser Überschrift ließ Rubiner den Text später in Sammlungen wieder abdrucken (und vgl. z. B.: Mensch, S. 17–30). Mensch, S. 17 Ebd. Ebd., S. 21 In: Geist und Tat. Essays, München 1963, S. 13. – Vgl. auch: Stein, Heinrich Mann, S. 62–65! Z. B. Aufbruch der Jugend, in: Pinthus, Menschheitsdämmerung, S. 225 Ebd., S. 6 Mensch, S. 134
266
Anmerkungen
21 Bei Rubiner vgl. noch: „Es lebe der Führer!“ (Dichter, S. 39) Ähnliche Stellen vgl.: Dichter, S. 41; in: Pinthus, Menschheitsdämmerung, S. 249 u. 250. – Weitere, im Faschismus ebenfalls aufgenommene und wiederkehrende Termini: „das tausendjährige Reich!“ (Dichter, S. 21); „das dritte Reich der Menschheit?“ (Dichter, S. 317) – Soweit faschistische Ideologen Rubiners Terminologie rezipierten, bedeutet das keine gedankliche Übereinstimmung. 22 Mensch, S. 130 23 Ebd., S. 99 24 Dichter, S. 316 f. 25 Ratioaktiv, S. 27–43 26 Leben, S. 155 27 Ebd., S. 164 28 Erlebtes, S. 123 29 Geschichte, S. 39. – Die Angaben in diesem Absatz nach Weiland, S. 38–42, und Weckerlein, S. 162 ff.. 30 Weckerlein, S. 164 (dort auch das Zitat aus dem Antrag). 31 Die Angaben in diesem Abschnitt nach Weiland, Geschichte, S. 128–132 32 Ebd., S. 131 33 Erlebtes, S. 118 34 Pazifismus, S. 65 u. 67 35 WIKIPEDIA (Recherche vom 1. November 2017) 36 Die Angaben in diesem Abschnitt: nach Donat / Holl, S. 374 f. und von Bockel. 37 Die neue Generation, 2/ 1919, S. 62 38 Ebd., 8,363 39 Ebd., 11,527 40 Ebd., 8,367 41 Werner Fritsch, in: Fricke, S. 231 42 Angaben nach Donat / Holl, S. 316 ff., und Ruprecht Großmann. – Quidde erhielt den Friedensnobelpreis zusammen mit dem französischen Pazifisten Ferdinand Buisson, einem Mitgründer der Französischen Liga für Menschenrechte. 43 In: Ludwig Quidde, S. 78 44 Köpfe, in seinem Artikel: Ludwig Quidde achtig Jahre, S. 231—237; hier: S. 234 45 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 128 46 Zit. in: Fritsch, Demokraten, S. 108. – Eine ähnliche Auffassung des Militarismus findet sich auch in der Dichtung, z. B. bei Leonhard Frank, der ihn definiert: „Gefährlich und tödlich ist der geistige Zwang, der negative Geist, der konservierende Kollektiv- und Staatsgeist, der sich gegen den Geist richtet …“ (Mensch, S. 128) 47 So in seiner Rede in der Nationalversammlung am 12. Mai 1919. (Zit. von Werner Fritsch, in: Fricke, Demokraten, S. 235 48 Damaskus, S. 7 49 Finale, S. 43 50 Ebd., S. 244 51 Ebd., S. 139 52 Ebd., S. 167 f.
Anmerkungen
267
53 Ebd., S. 143 54 Ebd., S. 169 55 Die Angaben in diesem Abschnitt nach Donat / Holl, S. 297 f. sowie nach der Zeittafel im Neudruck von Paasche, Forschungsreise, S. XXI ff. 56 Zit. von Helga Paasche (Tochter), in: Paasche, Forschungsreise, S. XII f. 57 Angaben nach Donat / Holl, S. 302 f. 58 So z.B: „das linksliberale Kampfblatt“ (Donat / Holl, S. 418); Carl von Ossietzky war seit 1927 Chefredakteur der „Weltbühne“, „eines Kampfblattes gegen Reaktion u(nd) aufkommenden Faschismus“ (Tillmann u. a., S. 430). 59 In seiner Biographie Tucholskys, S. 69 60 Donat / Holl, S. 205 61 So in einem Aufsatz am 19. Februar 1920 (Donat / Holl, S. 205), also knapp einen Monat vor dem Kapp-Putsch (13.–17. März)! 62 Tagebücher, 7,357. – Da es jedoch unter den Insassen Fraktionen gab, entstand unter ihnen ein scharfer Konflikt wegen der Verteilung des Geldes. 63 Werke, 1,419 64 Ebd., S. 328–358 65 Ebd., S, 331 f. 66 Beachtlicher Kontrast zu dem, was Tucholskys Zeitgenosse Thomas Mann über die Literaten hier, die Dichter dort zu sagen wußte. 67 Werke, 1,340 68 Ebd., S. 357 f. 69 Ebd., S. 372 f. 70 Ebd., S. 419 71 Ebd., S. 379. – Vgl. dazu das Urteil Gerlachs über Liebknecht (Von Rechts, S. 227): „Dieser Intellektuelle hatte ein viel heißeres proletarisches Empfinden als viele Handarbeiter.“ 72 Ebd., S. 983 73 Ebd., S. 984 74 Ebd., S. 375 75 Ebd., S. 377 76 Abgedruckt in: junge Welt, 20. Juni 2014, S. 8 77 Werke, 2,907–912 78 Ebd., S. 908 79 Ebd., S. 912 80 Ebd., S. 911 81 Werke, 2,1089–1092 82 Ebd., S. 1090 83 1933 in KZ-Haft, Erkrankung; 1936 Träger des Friedensnobelpreises, im selben Jahr Entlassung; bis zu seinem Tod unter Gestapoaufsicht in der Klinik. 84 Schriften, 1,32–36 85 Vorkämpfer, S. 50 86 Rechenschaft, S. 16 87 Ebd., S. 18
268
Anmerkungen
88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Ebd., S. 20 Schriften 2,332 Ebd., 6,382 Ebd., 6,383 f. Schriften, 1,145 Schriften, 1,215 Der Deutschen Friedensgesellschaft. Vorkämpfer, S. 145 Tagebücher, S. 128 Vorkämpfer, S. 146 Schriften, 3,355 Freiheitskämpfer (1882–1963), leitete seit 1921 den Rifkabylenaufstand in Spanisch-Marokko. 100 Schriften, 5,61 f. 101 Ebd., 1,508 f. 102 Ebd., 2,373 f. 103 Ebd., 2, 371 u. 374 104 Gerlach, Die große Zeit, S. 170 105 Von Rechts, S. 71 106 Ebd., S. 137 107 Ebd., S. 127 f. 108 Ebd., S. 219 109 Walter Fabian, Erinnerungen an Hellmut von Gerlach, in: Gerlach, Die große Zeit, S. 181–192; hier: S. 187. 110 Von Rechts, S. 238 111 Die große Zeit, S. 129 112 Zit. von Fabian, ebd., S. 188 f. 113 Die große Zeit, S. 179 114 Zit. von Fabian, ebd., S. 189 115 Von Rechts, S. 245 f. V. Intellektuelle im Spartakusbund und in dessen Umkreis Revolution, S. 162 Revolutionäre Matrosen, S. 90 Arbeiterräte, S. 152 Vgl. seine Geschichte, S. 12 u. 15 So in: Institut, Geschichte, S. 9 Vgl. die Untersuchung von Thomas Höhle über Mehrings Lebensabschnitt bis 1891! 7 MEW 19,28 8 Schriften, 15,780 9 Ebd., S. 720 10 Ebd., S. 746 1 2 3 4 5 6
Anmerkungen
269
11 Ebd., S. 763 12 Ebd., S. 773 13 Name seit 1890, anfänglicher Name seit 1875: Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands. 14 Deutsche Übersetzung / Taschenbuchausg. Frankfurt/ M. 1986, S. 243 f. 15 Zit. in: Jörg Berlin, Revolution, S. 81 16 Tagebücher, S. 93 17 Ebd., S. 118 18 Ebd., S. 125 19 Ebd., S. 107 20 Wir benutzen es in dem Druck von 1922, weil dieser der Novemberrevolution zeitlich näher liegt als die Neuausg. von Thomas Schulze, die u. d. T. erschien: Die Bewegungsgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung. Fragment, Bern etc. 1995. – Trotnow kritisiert (S. 371), daß selbst in Arbeiten, die spezifisch Karl Liebknecht gewidmet sind, über das Buch hinweg gegangen wird, ohne es zu erwähnen; regulär fehlt sogar die entsprechende bibliographischen Angabe. 21 Liebknecht scheut sich nicht, seinen Überlegungen einen Exkurs einzufügen: Grundzüge einer Marxkritik (Studien, S. 247–279). 22 Ebd., S. 162 23 Ebd., S. 299 f. – Liebknecht gibt in seinem Buch ausführlich Auskunft über fast sämtliche Bereiche der Menschenwelt und Gesellschaft, wie er sie sieht, u. a. ein wichtiges Kapitel „Kunst“ (S. 318–340). 24 Trotnow, S. 262 (u. vgl. 275!) 25 Ebd., S. 320 26 Reden, 9,617 27 Ebd., S. 630. Zu vergleichen: Liebknechts Äußerung (23. 12. 18): „die Revolution, die das Proletariat gemacht hat“ (ebd., S. 652)! 28 Ebd., S. 602 29 Ebd., S. 617 30 Ebd., S. 602 31 Ebd., S. 622 32 Ebd., S. 630 33 Ebd., S. 631 34 Ebd., S. 619 35 Ebd., S. 596 36 Ebd., S. 589 u. 624 37 Ebd., S. 595 38 Ebd., S. 654 39 Werke, 4,443 f. 40 Laschitza, in: Narihito Ito u. a., S. 119 41 Nettl, S. 36 42 Zit. bei Frölich, in seiner Biographie Rosa Luxemburgs, S. 184 43 Jahre, S. 79 f. 44 Briefe, 1,285
270 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68
69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80
Anmerkungen
In seiner Biographie Rosa Luxemburgs, S. 523 Werke, 4,409 f. Werke 4,51 Vgl. Fischer, Griff, S. 100 u. ö.! Ebd., S. 45. – Paul Frölich: „In ihrem Bewußtsein war das internationale Proletariat ein einheitlich handelnder Körper …“ (Rosa Luxemburg, S. 284) Ebd., S. 46 Ebd., S. 55 Ebd., S. 445 Ebd., S. 480 Ebd., S. 495 Ebd., S. 501 Ebd., S. 510 Demokratiekonzept, S. 116 Werke, 4,363 Werke, 4,531–536 (14. Januar 1919) Luban, Demokratiekonzept, S. 103 Nach dem Abdruck des Berichts, in: Ottokar Luban, Karl Radek im Januaraufstand 1919 in Berlin. Drei Dokumente (Manuskript), S. 3 Gesammelte Werke, 4,534 In seiner Biographie Rosa Luxemburgs, S. 375 In: Pinthus, S. 287 Ebd. Vgl. von ihr den Beitrag in Karl Grünberg u. a., Hammer und Feder, S. 322–328! Zuerst in Nr. 4 /1919 der „Weltbühne“; Institut, Geschichte, S, 192 f. 1914 Rosa Luxemburgs Verteidiger, im Spartakusbund führend. Mitgründer der KPD, deren Vorsitzender im März 1919 nach der Verhaftung von Jogiches. 1921 Niederlegung seiner Ämter, Ausschluß aus der KPD, dann in der USPD und SPD. Luban, Demokratiekonzept, S. 196–228 (Aufsatz über M. Jacob); Knobloch, Mathilde, S. 214 Zur Theorie, S. 297 In: Zur Theorie, S. 403–413 In der Biographie Rosa Luxemburgs, S. 376 In: Institut, Vorwärts, S. 71 Zit. bei Wilde, S. 217 Vom „Weißen Kreuz“, S. 96; Bramke, Nachwort, in: ebd., S. 526 Ebd., S. 284. – Hoelz schließt die Namensliste Ermordeter an, von Liebknecht bis Gareis. 1933 im Widerstand. Exil in Frankreich, 1940 an die GesTapo ausgeliefert, dann Haft im KZ Buchenwald. Adam Frasunkiewicz, Mitglied der Bremer USPD In: Institut, Vorwärts, S. 179 Käte und Hermann Duncker, Tagebuch, S. 345
Anmerkungen
271
81 Erschienen: Stuttgart 1958. Ausführlich zu seinem Leben: Elisabeth Benz in ihrer Biographie Rücks. 82 Vgl. Stein / Stein, S. 598: „J[ung] begann als aktivistischer Vertreter des Expressionismus um Fr. Pfemferts Zeitschrift Die Aktion und gehörte nach 1918 zu den markantesten linksradikalen Intellektuellen ‚zwischen Dada und Spartakus‘ (M. Rector).“ 83 Reise, S. 29 84 Ebd., S. 28 85 Ebd., S. 10 86 In seinem biographischen Abriß: Werner Möller, S. 32. – Hiernach die Angaben im vorliegenden Abschnitt über Möller. 87 Ebd., S. 35 88 Zit. in: ebd., S. 35 89 Der Text in: Des Morgens erste Röte. Frühe sozialistische deutsche Literatur 1860–1918, Leipzig 1982, S. 399 f. 90 Titel: Krieg und Kampf. Gedichte von Werner Möller, Chemnitz 1919. 91 Zit. bei Nettl, S. 549 92 Weitz, S. 7 u. 9. – Vgl. Benjamin, Eduard Fuchs. – Über Fuchs auch: Luban, Demokratiekonzept, S. 294–302. – Von besonderer Bedeutung für die Mentalitätsgeschichte der Neuzeit ist von Fuchs: Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (1909/12; repr. o. J.) sowie die von ihm zusammen mit A. Kind verfaßte Schrift: Die Weiberherrschaft in der Geschichte der Menschheit, München 1913/14. 93 Zit. in: Weitz, S. 408 94 Vogeler, Erinnerungen, S. 337 95 Erich Gerlach, im Vorwort zu Korschs Schrift: Marxismus und Philosophie, S. 10 96 Ebd., S. 17 97 Korschs Schrift über Marx, S. 66 98 Ebd., S. 177 99 Auf fast 200 Seiten, S. 11–201. 100 Entstehung, S. 109. – Zu Falkenhayn vgl. jetzt: Jürgen von Falkenhayn, Sarossawa. Auf der Suche nach dem verlorenen Vater, 2. Aufl, Rudolstadt 2014, S. 17! 101 Entstehung, S. 212 102 Nach dem Eintrag in WIKIPEDIA, übernommen am 28. August 2017. 103 Geschichte, S. 19, 60 u. 64 VI. Intellektuelle und die Rätebewegung 1 2 3 4 5 6
Betriebsräte, S. 304 Werke, 4,509 Ritter / Miller, S. 68 Zit. ebd., S. 306 u. 309 In: Prosa, S. 101 Der Rätegedanke, S. 69
272 7 8 9 10 11 12 13 14
15 16 17
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
Anmerkungen
Ebd., S. 75 In: Vorwort zu Richard Müllers Schrift: Was die Arbeiterräte wollen […], S. 3 Zit. bei Hoffrogge, in seiner Biographie Richard Müllers, S. 7 Ebd., S. 23 Müller, Geschichte, S. 427 Ebd., S. 429 Ebd., S. 310 (in der Anm.). Sozialismus, S. 78 u. 92. – Die Herausgeberin hält für die Kernidee in Eisners Konzeption die der Kooperation von Räten und Parlament und schlägt vor, hier von einem „libertären Sozialismus“ zu sprechen. Ebd., S. 79. – Die zuletzt geäußerte Forderung Eisners erscheint als eine säkulare Modifikation von Luthers Dogma vom Priestertum aller Gläubigen. Tagebücher, S. 143 f. Aus Österreich stammender Autor, vor dem Krieg im Umkreis des von Kurt Hiller gegründeten „Neopathetischen Cabarets“; während der Novemberrevolution Spartakist / Kommunist. Kessler, Tagebücher, S. 175 u. 178. Gemeint: die zählende Demokratie, d. h. das Mehrheitswahlrecht und die Stimmabgabe in Wahlbezirken. Die Hamburger Revolution, S. 10 Als wär’s ein Stück von mir, S. 307 Bieber, Bürgertum, S. 354 u. 385 Ebd., S. 9. – Dazu vgl.: Buckmiller, in: Loccumer Initiative! Betriebsräte, S. 51 Es war indessen die Frage ‚Nationalversammlung oder Rätedemokratie‘ von Anfang an „überschattet von der geschickt manipulierten Gleichsetzung des Rätesystems mit dem Bolschewismus“ (Schneider / Kuda, S. 25). – Anders in der Geschichtswissenschaft im Abstand eines Jahrhunderts: „Demokratie oder bolschewistische Diktatur, man könnte auch formulieren: Sein oder Nichtsein, diese Alternative wird heute in der Forschung nicht mehr gesehen.“ (Bramke, S. 20) Revolution, S. 180 Arbeiterräte, im Titel des I. Teils seines Buchs. Arbeiterräte, S. 405 Ebd., S. 406 Kluge, S. 32 Zit. in: Peter Kuckuk, S. 130 Mühsam, Werke, 2,236 Farina, S. 101 Ebd. Revolution, S. 15; das Zit S. 39 Richard Müller, Geschichte, S. 627 Zit. in: Peter Kuckuk, Revolution, S. 116 Ebd., S. 120 Arbeit, S. 78 Ebd., S. 79 f.
Anmerkungen
273
40 Arbeit, S. 87. – Auch sonst offenbart der Verfasser seine Unzuverlässigkeit gerade beim Punkt Revolution. Die Nosketruppen nahmen die Stadt am 4. Februar 1919 ein. Ausgerufen worden war die Räteregierung am 10. Januar. Summe: 25 Tage Räteherrschaft, nicht hundert Tage, oder man sollte ihren Anfang auf den Oktober datieren, als sie aber noch gar nicht in Sichtweite war. 41 Ebd., S. 109 u. 107 42 Angaben in diesem Absatz wesentlich nach den Ausführungen von Gerhard Engel über Henke, Radikal. 43 Ebd., S. 74 44 Zit. in: Peter Kuckuck, Revolution, S. 126 45 Zit. in: ebd., s. 140 46 Weber / Herbst, Handbuch, S. 459 f. 47 Tagebücher, 7,288 48 Verfasser des Arbeiterlieds, unter dem Titel „Lied der Jugend“: „Dem Morgenrot entgegen“. 49 Zit. in: Engel, Johann Knief, S. 159 50 Zit. in: ebd., S. 400 51 Ebd., S. 371 52 Ebd., S. 387 53 Ebd., S. 373 54 Ebd., S. 397 55 Zit. in: Karin Kuckuk, Schatten, S . 62 56 Ebd., S. 56 57 Ebd., S. 58 58 Zit. in: Engel, Dr. Rudolf Franz, S. 86 59 Geschichte, S. 186 60 Ebd., S. 188 61 Recte: Levien 62 Geschichte, S. 188 63 Geschichte, S. 705. – Vgl. auch Toller, Prosa, S. 132! – Beyer, S. 130, schreibt, bei den Erschossenen handelte es sich nicht um Geiseln, sondern um Konterrevolutionäre. 64 Jahre, S. 193 65 Schmolze, Revolution, S. 241 66 Prosa, S. 108 67 Werke, 2,292 68 Zit. in: Schmolze, Revolution, S. 336 69 Zit. in: ebd., S. 272. – Die Undeutlichkeit ist nicht zu verkennen, besonders in der Wendung: „nach irgendwelcher Möglichkeit“. 70 Im radikalen Lager, S. 182. – Ein späterer Geschichtsschreiber, Hubensteiner, wertet vergleichbar: „ein geglückter Theatercoup“ (S. 336). 71 Tagebücher, S. 169 72 Vgl. z. B. Max Schwaiger, in: Vorwärts, S. 545 73 Geschichte, S. 701. – Einer der Hauptbeteiligten, Erich Mühsam, hielt die bayeri-
274
Anmerkungen
sche Räterepublik, deren Proklamation er selber unterstützt hatte, später für ein „Unglück“. Der Beauftragte der russischen Regierung, Axelrod, unterrichtete ihn, sie sei ein Fehler gewesen, „weil sie ohne die genügende unterirdische Vorbereitung im Lande ins Werk gesetzt wurde. Alle Persönlichkeiten hätten überall in Bereitschaft stehen, alle Proklamationen und Maßnahmen im Augenblick der Aktion fix und fertig sein, vor allem der militärische Schutz wirksam organisiert sein müssen.“ (Werke, 2,312) 74 Werke, 2.424 75 Ebd., S. 245 76 Ebd., S. 179 77 Ebd., S. 187. – Das „für alle Zeit warnende Beispiel“ sieht er in der Revolution von 1848, die der Gegenrevolution freie Bahn erlaubte (S. 210). 78 Ebd., S. 213 79 Werke, 4,258 80 Mensch, S. 363 81 Ebd., S. 120 82 Werke, 4,256 83 Angaben nach der Biographie von Recknagel. 84 Vgl. Rolf Recknagels Monographie! – Der Nachdruck von Maruts Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“ (1917–1921, 5 Jahrgänge mit insgesamt 40 Heften), enthält ein instruktives Nachwort, ebenfalls von Rolf Recknagel, S. I-XXIV. 85 Heft 15, S. 1 u. 6 86 Heft 35/40, S. 20 87 Prosa, S. 222 88 Nach dem Zeugnis von Stefan Großmann, in dessen Dossier mit dem sarkastischen Titel: Der Hochverräter Ernst Toller. Die Geschichte eines Prozesses (als „Marginalie“ abgedruckt im Anhang zu: Toller, Prosa, S. 473–489; hier: S. 480). 89 Ebd., S. 230 90 Ebd., S. 223 91 Ebd., S. 285 92 In: Schöffler, 2,1459–1486 93 Mühsam, Schriften, 2,404 94 Zit. in: Engel u. a., Arbeiter- und Soldatenräte, 3,774 95 Schüddekopf, S. 61 u. 70 96 Fritz Schumacher, Stufen des Lebens. Erinnerungen eines Baumeisters, Stuttgart etc. 1935, S. 334 97 Zit. in: Volker Ullrich, Kriegsalltag im ersten Weltkrieg, Köln 1981, S. 159 f. 98 Beide Zitate in: Malanowski, Novemberrevolution, S. 36 99 Anders nach dem Bericht im „Hamburger Echo“ am 7. November 1918. Hier heißt es, allein in der Bundesstraße gab es 10 Tote; in der Innenstadt „wiederum mehrere Menschenleben“ (zit. in Malanowski,S. 133). 100 Institut, Vorwärts, , S. 252 f. 101 Ebd., S. 258 102 Ebd., S. 259
Anmerkungen
275
103 Ebd., S. 257 104 Schriften, 15,627 105 Im radikalen Lager, S. 92 106 Geschichte 1, S. VI. 107 Ebd., 1,600 (mit dem Liebknecht-Zit.) 108 Ebd., 2,421 109 Zit. in: Engel, Johann Knief, S. 229 110 Engel, ebd., S. 230 111 Rede Dr. Laufenbergs, S. 4 112 Schrift: Die Hamburger Revolution, S. 4 113 Die Hamburger Revolution, S. 18 114 Zit. in: Kuckuk, Revolution, S. 166 115 Lamp’l veröffentlichte außerdem auch eine Schrift: „Das großhamburgische Revolutionsrecht“, seine Sammlung der 135 Verordnungen des Arbeiter- und Soldatenrats Groß-Hamburg. 116 Dieser Abschnitt nach: Richard Müller, Geschichte der Novemberrevolution, hg. von Jochen Gester u. a., 6. erw. Aufl., Berlin 2012, S. 432–437. 117 Die Revolution in Groß-Hamburg, S. 7 118 Ebd., S. 14 119 Ebd., S. 15 120 Ebd., S. 81 121 Ebd., S. 98 122 Ebd., S. 18 123 Ebd., S. 19 124 Ebd., S. 44 125 Ebd., S. 21 126 Ebd., S. 25 127 Ebd., S. 50 128 Hoffrogge, in seiner Biographie Richard Müllers, S. 107 129 Schneider / Kuda, S. 39 f. 130 Hoffrogge, in seiner Biographie Richard Müllers, S. 126 131 Die „Arbeitsgemeinschaftspolitik“ der Gewerkschaften; sog. Stinnes-Legien Abkommen, Abdruck in: Kunstamt, S. 122. 132 Ebd., S. 244 133 Ebd. 134 Vor den Toren, S. 21 u. 31 135 Das Betriebsrätegesetz von 1920 ist ein Vorläufer des „Betriebsverfassungsgesetzes“ von 1952 in der Bundesrepublik Deutschland. Es erfuhr zwei Novellierungen 1972 und 2001. Zu diesem: Ruprecht Großmann / Friedrich Schneider, Arbeitsrecht, 7. Aufl. Bonn 1986, Kapitel: „Betriebsverfassung“, S. 313–376; Gerd Siebert / Knut Becker, Betriebsverfassungsgesetz. Kommentar für die Praxis, 7. Aufl. Bonn 1992 136 Sozialismus, S. 141 137 Autobiographie, S. 116
276 138 Ebd., S. 289 139 Ebd., S. 291 140 Ebd., S. 305 141 Ebd. 142 Ebd., S. 300 143 Ebd., S. 308 144 Ebd., S. 300
Anmerkungen
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Zeittafel 1918 29. 9. Die Oberste Heeresleitung (OHL) fordert von der kaiserlichen Regierung die sofortige Herbeiführung des Friedens auf Grundlage der 14 Punkte des US-Präsidenten Wilson. Der Staatssekretär des Äußern, von Hintze, legt das Programm der Revolution „von oben“ vor. Die OHL akzeptiert es. Es initiiert die Parlamentarisierung mit Bildung einer von der Reichstagsmehrheit getragenen Regierung, um die Chance einer Friedensvermittlung durch Wilson zu erhöhen und der Verantwortung für die Konsequenzen aus der Niederlage auszuweichen. 4. 10. Das deutsche Waffenstillstandsgesuch mit Datum vom 3. 10. geht hinaus. Der Reichskanzler Prinz Max von Baden vermerkt am 16. Oktober: „Dieser Schritt kam einer Kapitulation gleich . . .“ 1. Novemberwoche In Kiel beginnt die Matrosenerhebung. Am Sonntag, dem 3. 11., läßt ein Offizier auf einen Zug der Matrosen und Arbeiter, die eine Befreiung gefangener Matrosen versuchen, scharf schießen (8 Tote, 29 Verwundete). Am Dienstag, dem 5. 11., weht über der Stadt Kiel und der Flotte die rote Fahne. 4. 11. Die Reichsregierung erläßt einen Aufruf „An das deutsche Volk!“ Darin heißt es: „Die Umwandlung Deutschlands in einen Volksstaat, der an politischer Freiheit und sozialer Fürsorge hinter keinem Staate der Welt zurückstehen soll, wird entschlossen weitergeführt.“
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7. 11., Nacht zum 8. 11. und am 8. 11. In München findet auf der Theresienwiese eine Friedenskundgebung der Gewerkschaften, der SPD und der USPD statt. Kurt Eisner (USPD), Ludwig Gandorfer, der Führer des Bayerischen Bauernbundes, und Felix Fechenbach proklamieren die Bayrische Republik. Es wird ein Arbeiterund Soldatenrat gewählt. Der König, Ludwig III., flieht. Am 8. November wird eine Koalitionsregierung aus SPD, USPD, Bayerischem Bauernbund und parteilosen Fachministern gebildet. Eisner ist Ministerpräsident. 9. 11. Prinz Max von Baden übergibt dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert das Amt des Reichskanzlers und veröffentlicht die Erklärung, daß Kaiser Wilhelm II., zugleich König von Preußen, dem Thron entsage. Philipp Scheidemann (SPD) ruft von der Rampe des Reichstags die Republik aus. Vom Balkon des Schlosses ruft Karl Liebknecht die sozialistische Republik aus. Der Berliner provisorische Arbeiter- und Soldatenrat erläßt einen Aufruf, worin es heißt: „Seit dem 9. November ist Deutschland Republik, und zwar sozialistische Republik der Arbeiter und Soldaten.“ (Nachts) In einer geheimen Abmachung schließen Ebert und General Groener ein Bündnis. Darüber schreibt Groener in seinen „Lebenserinnerungen“: „Wir hofften, durch unsere Tätigkeit einen Teil der Macht im neuen Staat an Heer und Offizierskorps zu bringen, gelang das, so war der Revolution zum Trotz das beste und stärkste Element des alten Preußentums in das neue Deutschland hinübergerettet.“ Erich Otto Volkmann (1879–1938), deutscher Generalstabsoffizier im Weltkrieg, danach u. a. Archivrat im Reichsarchiv Potsdam, notiert: Der deutschen Revolution sei „schon am Abend des 9. November das Rückgrat gebrochen …“ 10. 11. Die neue Regierung wird konstituiert, offizielle Benennung: „Rat der Volksbeauftragten“. Sie besteht aus drei Mitgliedern der SPD: Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann, Otto Landsberg, sowie aus drei Mitgliedern
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der USPD; vom gemäßigten Flügel: Hugo Haase und Wilhelm Dittmann; hinzu kommt Emil Barth, der Vorsitzende der Revolutionären Obleute. 18. 11. In einer gemeinsamen Sitzung des Vollzugsrats des Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenrates und des Rats der Volksbeauftragten regeln beide ihre Kompetenzen einvernehmlich: Es sei „die Quelle aller Macht bei den Arbeiter- und Soldatenräten; von dieser Quelle leitet auch die Regierung ihre Macht ab …“ Haase erklärt, die Arbeiter- und Soldatenräte sollen zu einem Delegiertentag zusammentreten, um einen Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte zu bilden, „ein Organ, …, das auch dem Ausland gegenüber als sichtbarer Träger der Gewalt von ganz Deutschland erscheint.“ 6. 12. Der erste Schlag der Gegenrevolution“ in Berlin: Einige konterrevolutionäre Militärangehörige rufen Ebert zum Reichspräsidenten aus. Ein anderer Trupp unternimmt die Verhaftung des Vollzugsrats. Ein dritter schießt mit Maschinengewehren auf eine Demonstration, die unter Spartakus-Einfluß steht (16 Tote, 12 Schwerverwundete plus Leichtverwundete). 10. 12. Von der Front heimkehrende Truppen rücken in Berlin ein. Groener plant, mit ihnen die Revolution zu entwaffnen, „die Gewalt den Arbeiter- und Soldatenräten zu entreißen“, vor allem auch die „Säuberung“ der Stadt von den Spartakisten. Sein Anschlag mißlingt, weil die Heimkehrer sich in ihrem „Drang nach Hause“ als kampfunwillig erweisen. Ebert hält eine Ansprache an die vorbei defilierenden Einheiten: „Kein Feind hat Euch überwunden“ (Form der Dolchstoßlegende).
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16.–21. 12. Der Reichsrätekongreß, „der die gesamte politische Macht repräsentiert“, tagt in Berlin. Er „überträgt bis zur anderweitigen Regelung durch die Nationalversammlung die gesetzgebende und vollziehende Gewalt dem Rat der Volksbeauftragten.“ Er „bestellt ferner einen Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte, der die parlamentarische Überwachung des deutschen und des preußischen Kabinetts ausübt.“ Er stimmt den Wahlen zur Nationalversammlung zu. Ernst Däumig, ein Vollzugsratsmitglied, erklärt: Dies sei „gleichbedeutend … mit einem Todesurteil für das System, dem Sie jetzt angehören, für das Rätesystem“ Am 17. 12. hält Otto Brass, der Vorsitzende des Arbeiter- und Soldatenrats Remscheid eine Rede, in der er seine Befürchtungen wegen der konterrevolutionären Bestrebungen im Reich ausdrückt und beantragt, der Kongreß solle an die Volksbeauftragten folgende Forderungen richten: unverzügliche Festsetzung der Generale, die Auflösung des stehenden Heeres, die Entwaffnung der Offiziere, die Errichtung einer Roten Garde zum Schutze der Revolution (Protokoll: „Stürmischer Beifall“). Schließlich faßt der Kongreß einen Beschluß zur Kommandogewalt über das Heer, die Marine und die Schutztruppen. Sie liegt bei den Volksbeauftragten, die unter der Kontrolle des Vollzugsrats amtieren („Sieben Hamburger Punkte“). Hiergegen protestiert Hindenburg sofort. 24. 12. („Blutweihnacht“) Ihren zweiten Schlag führt die Gegenrevolution am 24. Dezember. Es ist der Versuch von Einheiten der Regierungstruppen, „mit Waffengewalt gegen die Revolution vorzugehen“, in Berlin das Schloß zu erstürmen und die darin einquartierte Volksmarinedivision daraus zu vertreiben. Matrosen, Soldaten und alarmierte Arbeiter wehren den Angriff unter Opfern ab. Graf Kessler notiert an diesem Tag, sein Legationssekretär, Hans Meyer, habe triumphiert: „Jetzt mache die Regierung endlich Ernst; sie solle nur eine Anzahl von Matrosen gegen die Wand stellen. Er machte mir gelinde Vorwürfe, daß ich diese gegenrevolutionäre Stimmung nicht teilte.“
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29. 12. Wegen der „Blutweihnacht“, an der sie den MSPD-Kollegen die Schuld geben, treten die USPD-Vertreter aus dem Rat der Volksbeauftragten aus. An ihrer Stelle kooptiert dieser zwei SPD-Vertreter, darunter Gustav Noske. 30. 12. 1918–1. 1. Gründungsparteitag der KPD, die aus dem Zusammenschluß des Spartakusbundes mit den (Bremer) Linksradikalen entsteht. Mitglieder in der Führung, darunter Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Paul Levi, unterliegen der Mehrheit, die gegen die Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung votiert.
1919 4. 1. Die Regierung entläßt den Berliner Polizeipräsidenten Eichhorn (USPD), das Signal für die Unruhen der nächsten Januarwoche. 5.–13. 1. Januaraufstand in Berlin, in der Legende ein „Spartakusaufstand“. Die Bezeichnung ist nicht korrekt. Denn die KPD-Zentrale optiert nicht entschlossen dafür, bei vorübergehendem Schwanken in der Mitte der Woche. Den Kampf befürworten wesentlich Berliner Arbeitermassen, Teile der USPD (Georg Ledebour) und der „Revolutionären Obleute“ (Vertrauensleute der Berliner Betriebe), dazu zwei Mitglieder der KPD-Zentrale. Am 5. 1. bestimmt die Mehrheit des USPD-Zentralvorstands sowie der Revolutionären Obleute als Ziel des Aufstands, die Regierung EbertScheidemann zu stürzen. 6. 1.: Gustav Noske übernimmt den Auftrag, als „Oberbefehlshaber“ „zum Zweck der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in Berlin“ mit Waffengewalt vorzugehen. Gemäß eigener Darstellung willigt er mit den Worten ein: „Meinetwegen! Einer muß der Bluthund werden …“
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10. 1.–4. 2. Am 10. Januar wird die Räterepublik Bremen gegründet. Die Initiatoren bewegt vor allem die Absicht, dem Aufstand in Berlin Unterstützung zu leihen. Die Reichsbank sperrt der Bremer Regierung die Gelder, eine der Maßnahmen, um sie zur Aufgabe zu zwingen. Es geschieht. Danach noch läßt Noske sie am 4. Februar überdies militärisch niederwerfen, eine exemplarische Exekution. 15. 1. Nach dem Ende des Aufstands in Berlin nehmen Soldaten der konterrevolutionären Gardekavallerieschützendivision Luxemburg und Liebknecht gefangen und ermorden sie. 19. 1. Im Reich finden die Wahlen zur Nationalversammlung statt. Stärkste Partei wird die MSPD (37,9 %). Die anderen Parteien erhalten: Zentrum + Bayerische Volkspartei 19,7; Deutsche Demokratische Partei 18,5; Deutschnationale Volkspartei 10,3; USPD 7,6. 6. 2. Die Nationalversammlung wird eröffnet. In seiner Ansprache vermischt Ebert die Fakten mit Illusionen. Seine Fehldeutung der Dinge ist vor allem in einem Punkt konzentriert: Die Ententemächte „haben gekämpft, um den Militarismus zu zerstören. Er ist in Trümmer gestürzt und wird nicht wieder entstehen. … Die alten Grundlagen der deutschen Machtstellung sind für immer zerbrochen. Die preußische Hegemonie, das hohenzollernsche Heer, die Politik der schimmernden Wehr sind bei uns für alle Zukunft unmöglich geworden.“ Die Parallele, die er dann zieht, verweist seinem Willen entgegen darauf, daß das für unmöglich Erklärte dennoch wieder möglich werden könnte. Er schließt nämlich: „Wie der 9. November 1918 angeknüpft hat an den 18. März 1848.“ Dem 18. März war mittelbar gerade des deutschen Kaiserreichs neuere Phase gefolgt, samt Ausrufung der „Weltpolitik“ (1897) vermöge der „schimmernden Wehr“ …
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21. 2. / 17. / 18. 3. In München wird der bayerische Ministerpräsident Eisner am 21. 2. durch einen nationalistischen Attentäter, Graf Arco-Valley, ermordet. Am selben Tage konstituiert sich der „Zentralrat der Bayerischen Republik“ aus Mitgliedern der SPD, USPD und KPD und den Vollzugsorganen der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Vorsitzender ist der Mehrheitssozialist Ernst Niekisch. Am 17./18. März tritt der Bayerische Landtag zu seiner 1. Sitzung nach dem 21. Februar zusammen. Der ehemalige Kultusminister der Regierung Eisner, Johannes Hoffmann, wird zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. 1. Märzhälfte Erneute Kämpfe in Berlin (die „USPD-Märzkämpfe“). Die vielleicht eindrücklichsten Schilderungen bietet Graf Kessler. Die republikanische „Sicherheitswehr“ (Eichhorns Truppe) und die Volksmarinedivision greifen das von Regierungstruppen verteidigte Polizeipräsidium an, „die ernstesten Kämpfe seit Anfang der Revolution“. 8. März: „Die letzten beiden Tage sind die seit Beginn der Revolution blutigsten in Berlin gewesen. … Alle Scheußlichkeiten des erbarmungslosesten Bürgerkrieges sind auf beiden Seiten im Gange.“ 10. März: „Das ‚Berliner Tageblatt‘ heult gegen Spartakisten und Unabhängige wie ein Derwisch, dem der Schaum vor dem Munde steht: Blutdurst-Exhibitionismus, berechnet auf die Bourgeoisie von Berlin W.“ 13. März 1919: „Der weiße Schrecken wütet ungehemmt.“ 21. März: „Die Mißhandlungen der Gefangenen … sind so allgemein …“ 29. März: „Die meisten glauben, daß der Matrosenmord und die Erschießungen höchstens bedauerliche Überschreitungen von an sich legitimen Repressions-Maßregeln gewesen seien. Daß es bestialische Verbrechen ohne jede Rechtsgrundlage waren, wissen heute noch die wenigsten.“ 7. 4., 13. 4. bis Anfang Mai Als mittelbare Folge der Ermordung Eisners entstehen die 1. und 2. Bayerische Räterepublik. (Gegen den Rat und Willen des USPD-Vorsitzenden Ernst Toller.) Die erste davon (7. 4.) erhält eine Regierung, in der die
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Anarchisten die Oberhand haben. Sie wird am 13. April durch die 2., eine kommunistische Räterepublik ersetzt (unter dem Studenten Max Levien und dem KPD-Vorsitzenden in München, Eugen Leviné). Reichstruppen („Weiße“) werfen diese in den ersten Maitagen militärisch nieder. Es folgen ein „Blutbad“ mit bis zu 1000 Ermordungen, außerdem Inhaftierungen, Standgerichten und Prozessen.
Danksagung Wir danken der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt, daß sie das vorliegende Buch in ihr Programm aufnimmt. Von unseren Vorarbeiten konnten wir mehrfach einige in den Jahren vor Abfassung der Schrift in der Öffentlichkeit präsentieren. Dafür danken wir insbesondere zwei literarischen Gesellschaften: der Kurt Hiller Gesellschaft mit ihrem Vorsitzenden, Herrn Dr. Harald Lützenkirchen, und der Kurt Tucholsky Gesellschaft mit ihrem Vorsitzenden, Herrn Dr. Ian King. Ebenfalls gilt unser Dank dem Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte an der TU Braunschweig mit ihrem Leiter, Prof. Dr. Gerd Biegel. Unseren Dank statten wir auch den Kollegen ab, die uns hilfsbereit Materialien zugänglich machten. Es sind: Dr. Rolf von Bockel, Verleger, Neumünster; Hans-Ernst Böttcher, Präsident des Landgerichts i. R., Lübeck; Prof. Dr. Gerhard Engel, Historiker, Berlin; Hans Heinrich, Schriftsteller, Weilheim; Regina Paulus, Journalistin, Uttenreuth; Rolf Rieß, Literaturwissenschaftler, Regensburg / Grafenau; Dr. Maximilian Schreiber, Bayerische Staatsbibliothek, München; Karl-Otto Schütt, M. A., Diplom-Bibliothekar, Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Hamburg; Prof. Dr. Peter Stein, Literaturwissenschaftler, Lüneburg. Herrn Lucas Borkowski, Kiel, danken wir sehr für die sorgfältige Herstellung des Registers. H. B. / W. B., April 2018
Personenregister A Adler, Victor 174 Artelt, Karl 32 Assisi, Franz von 37, 38, 84 Augspurg, Anita 7, 110, 150, 151, 243 B Baden, Prinz Maximilian von 44, 94, 200, 245, 265, 266 Ball, Hugo 55 Barbusse, Henri 174 Bartels, Adolf 134 Barth, Emil 267 Bauer, Max Hermann 42, 44, 45 Bäumer, Gertrud 60, 70, 71, 72, 73, 74 Bebel, August 57, 174 Becher, Johannes R. 186 Beerfelde, Hans-Georg von 145 Bernstein, Eduard 27, 34, 155, 233 Bieber, Hans-Joachim 205 Bismarck, Otto von 11, 81, 103 Bleier, August 149 Boehm, Max Hildebert 136 Boldt, Werner 163, 165, 166 Bonaparte, Napoleon 127, 238 Bosl, Karl 213 Böttcher, Hans-Ernst 96, 97 Bramke, Werner 29, 49, 93 Brandler, Heinrich 188 Brass, Otto 268 Braudel, Fernand 21 Brecht, Arnold 42, 79 Brecht, Bertolt 125 Breitscheid, Rudolf 87, 99, 155, 168 Brentano, Lujo 106 Brockdorff-Rantzau, Ulrich Graf von 204 Bucharin, Nikolai I. 49
C Calas, Jean 16 Canfora, Luciano 21, 241 Cassirer, Paul 86, 204 Cauer, Minna 150, 155 Chamberlain, Houston Stewart 55 Chamisso, Albert von 181 Corinth, Louis 122 Cossmann, Paul Nikolaus 54 Cromwell, Oliver 9 D D’Alembert, Jean-Baptiste le Rond 13 Däubler, Theodor 86 Däumig, Ernst 49, 200, 201, 202, 268 Dehio, Ludwig 241 Dehmel, Richard 79, 123, 135, 181 Descartes, René 13 Dibelius, Otto 103 Dittmann, Wilhelm 221, 267 Dorrenbach, Heinrich 46, 133, 186 Drechsler, Hanno 10, 16 Dreyfus, Alfred 16, 53, 237, 238 Duncker, Hermann 191 Duncker, Käte 191 Durieux, Tilla 121, 181, 195, 204, 214 E Ebert, Friedrich 25, 34, 41, 42, 92, 93, 94, 95, 196, 206, 209, 223, 227, 228, 266, 267, 269, 270 Ehrhardt, Hermann 90 Eichhorn, Emil 269 Eildermann, Heinrich 211 Eildermann, Wilhelm 50 Eisner, Freya 108 Eisner, Kurt 7, 14, 22, 29, 38, 47, 54, 55, 63, 75, 91, 101, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 117, 118, 121, 123, 124, 127, 128, 130, 131, 133, 135, 151, 152, 161,
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164, 203, 206, 213, 214, 215, 217, 226, 238, 243, 245, 266, 271 Engel, Gerhard 14, 25, 33, 36, 39, 49, 171, 192, 193, 211, 212 Engels, Friedrich 167, 181 Erzberger, Matthias 90, 114, 133, 136, 162, 204 F Falk, Adalbert von 220 Falkenhayn, Erich von 197 Faulhaber, Michael von 137, 245 Fechenbach, Felix 22, 64, 91, 105, 110, 112, 113, 114, 119, 130, 155, 240, 266 Fernbach, Wolfgang 185, 194 Ferrero, Guglielmo 51 Fichte, Johann Gottlieb 108 Fischer, Fritz 25, 75, 241 Fischer, Ruth 188 Frank, Bruno 37, 55, 246 Frank, Leonhard 37, 51, 246 Franz, Rudolf 49, 212 Frasunkiewicz, Adam 190, 207 Freud, Sigmund 17, 26, 140 Frick, Soldatenrat 24 Friedrich der Große 138 Frölich, Paul 33, 41, 46, 50, 186, 187, 190, 214, 220, 221, 222, 224, 225, 296 Fuchs, Eduard 155, 194, 195 G Gaismair, Michael 11 Gallus, Alexander 8 Gandhi, Mohandas Karamtchand 75 Gandorfer, Ludwig 113, 130, 266 Gareis, Karl 75, 104, 133 Geiss, Immanuel 26, 113 Gerlach, Hellmut von 7, 21, 54, 70, 76, 89, 154, 155, 167, 168, 204 Gerstenberg, Wilhelm 226 Gert, Valeska 121 Gervinus, Georg Gottfried 52 Geßler, Otto 95 Gierke, Otto von 138 Goethe 176, 181
Gorki, Maxim 51 Grab, Walter 19, 242, 243, 246 Gräf, Friedel 189 Graf, Oskar Maria 29, 52, 112, 130, 131 Grimme, Adolf 197 Grimm, Hans 134 Groener, Wilhelm 44, 199, 244, 266, 267 Groenesteyn, Otto von Ritter zu 114 Großmann, Ruprecht 154 Großmann, Stefan 62 Grosz, George 122 Günther, Egon 33, 45 Guttmann, Simon 204 H Haase, Hugo 86, 123, 133, 168, 186, 267 Haenisch, Konrad 102, 103 Haffner, Sebastian 33, 92, 105, 171, 206, 245 Hagedorn, August 208 Hannover-Drück, Elisabeth 76 Hannover, Heinrich 76 Harjes, Friedrich 194 Hasenclever, Walter 47 Hatzfeldt, Hermann von 84 Hauptmann, Gerhart 79, 126, 132, 135 Heer, Friedrich 22 Heine, Heinrich 97, 242, 247 Heine, Wolfgang 88, 95, 232 Helfferich, Karl 161, 162 Henicke, Hartmut 35 Henke, Alfred 207, 210, 211 Herder, Johann Gottfried 108 Hermand, Jost 26 Herwegh, Georg 181 Herzfeld, Hans 23 Herzog, Wilhelm 117, 129, 155 Heymann, Lida Gustava 7, 42, 105, 107, 110, 150, 151, 152, 243 Hilferding, Rudolf 99 Hiller, Kurt 15, 70, 75, 78, 89, 93, 143, 144, 149, 150, 154 Hindenburg, Paul von 43, 82, 94, 197, 228, 268, 277 Hipler, Wendel 11
Personenregister Hirschberg, Max 109, 114, 119, 120 Hitler, Adolf 8, 17, 24, 44, 61, 119, 134, 139, 188, 239, 240, 241, 244 Hobsbawm, Eric 18, 21, 241 Hoddis, Jakob van 131 Hoelz, Max 17, 25, 52, 189 Hoernle, Edwin 56 Hoetger, Bernhard 121 Hoffmann, Adolph 101, 102, 103, 104 Hoffmann, Johannes 271 Hoffrogge, Ralf 33 Hofmiller, Josef 106, 115 Holitscher, Arthur 76 Hollweg, Bethmann 78, 79 Hübinger, Gangolf 52, 134 Huch, Ricarda 116, 217 Hus, Jan 9, 108 Hutten, Ulrich von 177 J Jacob, Mathilde 186, 195 Jacobsohn, Siegfried 158, 159 Jacoby, Johann 242 Jannack, Karl 190 Jaurès, Jean 75, 161 Jogiches, Leo 46, 103, 133, 182, 185, 190 Johst, Hans 139 Jones, Mark 93 Jung, Edgar Julius 137 Jung, Franz 62, 192 Jünger, Ernst 134, 139 K Kaisen, Wilhelm 27, 30, 42, 51, 124, 209, 210 Kant, Immanuel 12, 13, 16, 68, 108, 147, 152, 164, 165, 246 Kapp, Wolfgang 97, 125, 133, 156, 162, 168, 226, 227 Kaufmann, Hans 134 Kautsky, Karl 63, 99, 100, 174 Kennedy, John Fitzgerald 75 Kerr, Alfred 143, 146 Kessler, Harry Graf 23, 24, 37, 38, 42, 47, 63, 70, 76, 77, 78, 79, 84, 85, 86, 87, 88,
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89, 122, 165, 166, 175, 176, 203, 204, 214, 268, 271 Kestenberg, Leo 86, 181 Keyserling, Hermann Graf 141 Kitzinger, Friedrich 114 Klages, Ludwig 140 Klemperer, Victor 64, 115, 118 Kluge, Ulrich 206 Knief, Johann 25, 51, 92, 124, 187, 208, 210, 211, 212, 225, 245, 277, 299, 301 Koch, Erich 232 Kolb, Annette 110 Kolb, Eberhard 171, 206, 245 Kollwitz, Käthe 123 Korff, Arnold 87 Kornfeld, Charlotte 51, 212 Korsch, Karl 39, 195, 196 Kraus, Karl 246 Krim, Abd el 166 Kuckuk, Peter 207 Kurz, Isolde 135 L Lampel, Peter Martin 64, 126 Lamp’l, Walther 227, 228, 229, 230, 301 Landauer, Gustav 14, 36, 49, 107, 121, 123, 133, 143, 155, 213, 214, 215 Landsberg, Otto 41, 266 Langbehn, August Julius 134 Lask, Berta 186 Laufenberg, Heinrich 204, 209, 220, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 230 Ledebour, Georg 34, 49, 99, 103, 269 Legien, Carl 41 Lehmann, Oberst 124 Lenin, Wladimir Iljitsch 38, 49, 50, 92, 100, 148, 175, 194, 200, 206, 276 Leonhard, Rudolf 186 Leviné, Eugen 63, 92, 118, 213, 219, 245, 272 Levin, recte Levien 213 Levi, Paul 187, 201, 269 Lichtenstein, Alfred 131 Liebenfels, Jörg Lanz von 134 Liebknecht, Karl 7, 28, 34, 42, 47, 49, 94,
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Personenregister
95, 96, 101, 102, 103, 107, 122, 123, 133, 161, 171, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 184, 185, 186, 188, 189, 190, 193, 195, 215, 223, 243, 266, 269, 270, 295, 296 Liebknecht, Wilhelm 107, 108, 174, 224 Lieby, Eugen 14, 15, 212 Lincoln, Abraham 75, 95 Lindau, Rudolf 220, 221, 222, 223, 225 Loewenfeld, Philipp 42, 54, 64, 95, 109, 114, 119, 120 Lotz, Ernst Wilhelm 147 Luban, Ottokar 34, 184 Ludendorff, Erich von 27, 28, 31, 43, 82, 197, 199 Ludwig III. 117, 266 Lunatscharski, Anatoli W. 49 Luther, Martin 9, 275 Lüttwitz, Walther von 156, 226 Luxemburg, Rosa 22, 42, 47, 49, 53, 63, 75, 102, 103, 108, 123, 133, 161, 171, 180, 181, 182, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 194, 195, 200, 215, 223, 235, 269, 270 M Malanowski, Wolfgang 31 Mann, Heinrich 23, 34, 36, 37, 53, 54, 107, 117, 127, 143, 145, 147, 190, 217, 237, 238, 246 Mann, Klaus 117, 149 Mann, Thomas 13, 14, 53, 54, 57, 59, 117, 128, 129, 130, 141, 142, 190, 237 Mann, Viktor 117, 244 Martinet, Marcel 64 Marut, Ret 216 Marx, Karl 44, 49, 81, 107, 108, 112, 124, 137, 147, 153, 173, 175, 176, 181, 195, 196, 210, 215, 216, 233, 245 Matteotti, Giacomo 75 Matthias, Leo 145 Mehring, Franz 49, 103, 149, 172, 173, 174, 181, 195, 223, 224 Meyer, Ernst 189 Meyer, Hans 268 Meyerhof, Hans 64 Miller, Susanne 40
Moeller van den Bruck, Arthur 134, 138 Möller, Clara 194 Möller, Werner 185, 192, 193, 194 Mühsam, Erich 14, 28, 49, 60, 63, 92, 96, 97, 106, 117, 130, 159, 211, 213, 215, 237 Müller, Gefreiter 87 Müller, Hermann 39, 221 Müller, K.A. von 27, 30, 106, 118 Müller, Richard 33, 41, 44, 48, 49, 60, 202, 213, 215, 232, 278 Müller, Robert 145 Müntzer, Thomas 9, 11 Münzenberg, Willi 75 Mussolini, Benito 54 N Nadolny, Rudolf 88 Naumann, Friedrich 70, 71, 72, 80, 88, 167 Nettl, Peter 53, 182 Neurath, Otto 105 Niekisch, Ernst 60, 80, 101, 214, 271 Nietzsche, Friedrich 47, 56, 108 Noske, Gustav 41, 42, 92, 94, 95, 185, 194, 208, 211, 226, 232, 269, 270 O Oehme, Walter 45, 92 Oertzen, Peter von 199, 205, 245 Ossietzky, Carl von 27, 29, 64, 67, 83, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 246 P Paasche, Hans 157, 158, 212 Pabst, Georg Wilhelm 192 Pannekoek, Anton 50, 55 Payot, Journalist 114 Persius, Lothar 158, 168 Peter, Friedrich 221 Pieck, Wilhelm 34, 188, 189 Pilsudski, Józef 85 Pinthus, Kurt 145 Plener, Ulla 35, 40 Pöhner, Ernst 104 Preuß, Hugo 35, 70, 73, 74, 83
Personenregister Q Quidde, Ludwig 70, 154, 155, 246 R Radbruch, Gustav 42, 94, 95, 96, 97, 98, 114, 244 Radbruch, Lydia 96 Radek, Karl 93, 185 Rathenau, Walther 17, 25, 36, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 83, 85, 133, 161, 162, 240 Reck-Malleczewen, Friedrich 45 Regler, Gustav 111, 126 Renaudel, Pierre 110 Rhodes, Cecil 138 Riemenschneider, Tilman 11 Rilke, Rainer Maria 131 Ritter, Gerhard A. 40 Robespierre, Maximilien 36, 38 Rolland, Romain 195, 219 Roselius, Ludwig 124 Rosenberg, Arthur 197 Rosenfeld, Kurt 219 Rousseau, Jean-Jacques 108 Rubiner, Ludwig 143, 145, 146, 147, 148 Rubinstein, Siegmund 116 Rück, Fritz 191 Rühle, Otto 31, 189, 212 S Sachs, Hans 177 Salomon, David 12 Sandmayer, Marie 104 Scheidemann, Philipp 25, 26, 34, 41, 42, 92, 94, 95, 123, 136, 204, 223, 266, 269, 278 Scherer, Peter 45 Scheringer, Richard 29 Schickele, René 86 Schiffer, Eugen 24, 27, 68, 71, 73, 232 Schildt, Axel 139 Schiller, Friedrich 181 Schmitt, Carl 120 Schmolze, Gerhard 214 Schoenaich, Paul von 25, 44, 156, 157, 246 Schoenlank, Bruno 50
307
Schücking, Walter 88 Schueler, Hermann 112 Schulz, Klaus-Peter 159 Schumacher, Fritz 220, 300 Sender, Toni (Sidonie) 50, 63, 233, 234 Severing, Carl 46 Shakespeare, William 177 Sinowjew, Grigori J. 49 Solf, Wilhelm 89 Spengler, Oswald 134, 138, 139 Spinoza, Baruch de 177 Stadtler, Eduard 134, 136, 175, 176 Stein, Peter 13, 53 Stöcker, Helene 24, 36, 54, 63, 64, 111, 150, 153, 154, 155, 246 Stoecker, Adolf 167 Strauß, Botho 13, 239 Stresemann, Gustav 44, 244 Ströbel, Heinrich 91, 168 Sudermann, Hermann 132, 133 Suttner, Bertha von 152, 153 T Tamschick, Ernst 46 Tasso, Torquato 177 Todenhöfer, Jürgen 162 Toller, Ernst 14, 15, 17, 25, 59, 60, 64, 97, 121, 131, 149, 200, 213, 214, 217, 219, 271 Tolstoi, Lew N. 38, 108, 218 Trautmann, Otto von 221 Treitschke, Heinrich von 55 Troeltsch, Ernst 64, 83 Trotnow, Helmut 177 Trotzki, Leo 49, 63, 75, 172 Tschcheïdse, Nikolos 173 Tschitscherin, Georgi W. 76 Tucholsky, Kurt 25, 37, 83, 95, 149, 159, 160, 161, 162, 163, 166, 244 U Ulbricht, Walter 36 V Vaerting, Mathilde 152, 153 Valley, Anton Graf von Arco auf 271
308
Personenregister
Vogeler, Heinrich 121, 122, 123, 124, 125, 194, 195, 212 Volkmann, Erich Otto 47, 266 Voltaire, François-Marie Arouet 16 von Papen, Franz 8
Wolf, Friedrich 17, 125 Wolff, Theodor 70, 89, 168 Wolffheim, Fritz 220 Wölfert, Heinz (fiktiv) 132, 133 Wolpmann, Carl Heinrich 87
W Weber, Max 14, 52, 80, 81, 82, 83 Weckerlein, Friedrich 109 Wedekind, Frank 176 Weiler, Julius 212 Weipert, Alexander 233 Wels, Otto 42 Wilson, Woodrow 24, 25, 136, 265 Wippermann, Wolfgang 202 Wirth, Joseph 76, 81
Y York-Steiner, Heinrich 110 Z Zetkin, Clara 47, 56, 57, 187, 191 Zola, Émile 16 Zuckmayer, Carl 27, 29, 205 Zweig, Arnold 186