Europäische Messegeschichte 9.–19. Jahrhundert [1. ed.] 9783412507947


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Europäische Messegeschichte 9.–19. Jahrhundert [1. ed.]
 9783412507947

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Markus A. Denzel (Hg.)

Europäische­Messegeschichte­ 9.–19. Jahrhundert

2018 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstüzung der Leipziger Messe GmbH.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagvorderseite: Opiz, Georg Emanuel: Meßszenen, Blatt »Die Geschäfte«, 1825. Umschlagrückseite: Das Logo der Leipziger Messe als menschliches Doppel-M zum 850-jährigen Jubiläum im Jahr 2015. Foto: Leipziger Messe/Lutz Zimmermann.

© 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Rebecca Wache, Castrop-Rauxel Einbandgestaltung  : Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50794-7

Inhalt Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    7 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 9

Manfred Straube Aktuelle Fragen der deutschen und internationalen Messegeschichte. . . . . . .

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Mihailo St. Popović Jahrmärkte im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches und deren neuzeitliches Nachleben.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Carsten Jahnke Die Messen in Schonen – die größten Marktveranstaltungen im Hanseraum . . .

55

Philipp Robinson Rössner Messen und Jahrmärkte in England im Spiegel der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der beginnenden europäischen Wirtschaft, ca. 1000–1800 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

Wim Blockmans Fairs in Northern France and the Low Countries, 1200–1600 . . . . . . . . . . 115

Andrea Bonoldi Italien und die Messen zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit . . . . . . . 125

Hilario Casado Alonso International and Regional Fairs in Spain, from the Middle Ages to the 19th Century. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Claudio Marsilio The Italian Exchange Fairs and the International Payment System (XVI–XVII Centuries) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Michael Rothmann Marktkonzepte im mittelalterlichen Europa unter besonderer Berücksichtigung des Heiligen Römischen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

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Inhalt

Marie-Claude Schöpfer Jahrmärkte und Messen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz vom Mittelalter bis zum 19./20. Jahrhundert.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Peter Rauscher Wege des Handels – Orte des Konsums. Die nieder- und innerösterreichischen Jahrmärkte vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert . . . . . 221

Norbert Spannenberger Märkte im Königreich Ungarn, Kroatien und in Siebenbürgen . . . . . . . . . . . 267

Dimitrios M. Kontogeorgis International and Regional Fairs in the Balkans from the Late Middle Ages up to the Nineteenth Century. Perseverance and Change in Ottoman Southeastern Europe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

Werner Scheltjens North-Eurasian Fairs from the Late Middle Ages to the Nineteenth Century. . . . 325

Renate Pieper Die Messen der Karibik im hispanoamerikanischen Handelsgefüge, 16.–18. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Markus A. Denzel Das System der Messen in Europa – Rückgrat des Handels, des Zahlungsverkehrs und der Kommunikation (9. bis 19. Jahrhundert) . . . . . . . . 369 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

Zum Geleit

Deutschland ist ein Messeland  : Zwei Drittel der weltweit führenden Branchenmessen finden in der Bundesrepublik statt. Auf den rund 150 internationalen Messen und Ausstellungen werden jährlich mehr als 180.000 Aussteller und über zehn Millionen Besucher begrüßt. Mit unserem Jubiläum »850 Jahre Leipziger Messen« würdigten wir im Jahr 2015 nicht nur einen stolzen Geburtstag innerhalb unserer Branche, sondern gleichsam die umfangreiche historische Bedeutung von Messen in Leipzig. Deshalb war es uns eine besondere Freude, dass unser Jubiläumsjahr den Rahmen für die Tagung »Internationale Messen in Vergangenheit und Gegenwart« bot. Wir sind überzeugt, dass die Tagung, eingebettet in unsere Festwoche, einen wichtigen Beitrag zur vergleichenden internationalen Messeforschung liefern konnte. Dem Organisator ist es nunmehr gelungen, einen beachtenswerten Tagungsband zusammenzustellen, aus dem sich auch für die Leipziger Messe wertvolle Erkenntnisse ableiten lassen. Bereits mit der Verleihung des Stadt- und Marktrechtes durch Markgraf Otto den Reichen wurde um 1165 der Grundstein für die enge Verbindung zwischen der Stadt Leipzig und »ihren« Messen gelegt. Diese Jahrmärkte erhielten erstmals landesherrlichen Schutz, und konkurrierende Märkte im Umkreis von einer Meile wurden untersagt. Mit den Privilegien von 1497 und 1507 stärkte Maximilian I. diese Position Leipzigs weit über die Region hinaus. Und spätestens mit der ›Erfindung‹ der Mustermesse avancierte der Handelsplatz im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten der Welt – bis heute sichtbar im Stadtbild Leipzigs dokumentiert durch die Passagen und Messepaläste. Impulse setzen, Wandel bewirken, Perspektiven verändern – alle diese Funktionen hat auch die Universität Leipzig seit ihrer Gründung 1409 übernommen. Sie schuf wichtige Voraussetzungen und beeinflusste gemeinsam mit den Leipziger Messen die Entwicklung Leipzigs zur Buchhandelsmetropole im 18. Jahrhundert – ein erfolgreicher Bund, der bis in die Gegenwart hält. Leipzig gehört heute zu den wenigen Städten Deutschlands, die für die Zukunft ein Wachstum erwarten. Neben vielen Herausforderungen birgt diese Aussicht vor allem Chancen auf positive Entwicklungen für die gesamte Region – eine Dynamik, an der sowohl die Universität Leipzig als auch die Leipziger Messe weiterhin teilhaben werden. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viele Erkenntnisse beim Lesen des Tagungsbandes und bedanke mich bei Professor Dr. Markus A. Denzel für die stets konstruktive Zusammenarbeit. Martin Buhl-Wagner Geschäftsführer der Leipziger Messe

Vorwort

Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer internationalen Tagung zum Thema »Internationale Messen in Vergangenheit und Gegenwart«, die vom 26. bis 28. Juni 2015 in Leipzig stattgefunden hat. Die Anregung für diese Tagung kam von der Leipziger Messe GmbH, deren Sprecher der Geschäftsführung, Herr Martin Buhl-Wagner, Unterzeichneten gebeten hat, eine derartige Veranstaltung zu organisieren. Anlass hierfür war ein Doppeljubiläum in Leipzig im Jahre 2015  : Zum einen feierte die Stadt den 1000. Jahrestag ihrer Ersterwähnung als urbs Libzi in der Chronik Thietmars von Merseburg (975–1018)  ; zum anderen wurde der frühesten Nennung der Leipziger Märkte im sogenannten Stadtbrief Ottos des Reichen, Markgraf von Meißen (1125–1190), gedacht, der zwar kein Datum trägt, aber in der Forschung gewöhnlich auf die Mitte der 1160er Jahre datiert wird. Daher ließen sich, darauf rekurrierend, zeitgleich »850 Jahre Leipziger Messen« feiern, auch wenn die wohl noch recht bescheidenen Leipziger Märkte an der Kreuzung der Via Regia mit der Via Imperii um die Mitte des 12. Jahrhunderts sicherlich noch wenig mit den später so bedeutenden, internationalen Messen in Leipzig gemein hatten – aber immerhin  : Deren Grundstein war um 1165 gleichsam gelegt.1 *** Was ist eigentlich eine Messe  ? John Gilissen hat es 1953 so formuliert  : »Fairs are large organized gatherings, at regularly spaced intervals, of merchants from distant regions.«2 Sie sind aber nicht nur Zentren des Warenaustauschs zwischen Kaufleuten, sondern auch des daraus resultierenden Zahlungsverkehrs. Dieser wiederum kann Messen zu Zentren des Kreditwesens, des Wechselhandels, der Edelmetalltransfers, d. h. letztlich zu Finanzmärkten werden lassen. Zugleich waren sie aber immer auch Plattformen der Kommunikation, des Informationsaustausches über alle Fragen von Ökonomie, insbesondere über Handelsusancen und innovative kommerzielle Techniken, für Vertrauensbildungsprozesse und die Bildung von sozialen Netzwerkstrukturen. Schließlich waren Messen Zentren des 1 Zur Frühgeschichte der Leipziger Märkte bzw. Messen Markus A. Denzel, Die Leipziger Märkte vom 12. Jahrhundert bis zu den Privilegierungen von 1497, 1507 und 1514, in  : Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 1  : Von den Anfängen bis zur Reformation, hrsg. v. Enno Bünz, Leipzig 2015, S. 322–340, hier  : S.  325f. 2 John Gilissen, The Notion of the Fair in the Light of the Comparative Method, in  : La Foire (= Recueils de la Société Jean Bodin), Bruxelles 1953, S. 332–342, hier  : S. 334  ; franz.: La notion de la foire à la lumière de la méthode comparative, in  : ebd., S. 323–332.

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Markus A. Denzel

kulturellen Austauschs, des Kulturtransfers, der Annäherung zwischen Völkern, Gesellschaften und Religionen. Die facettenreiche Literatur, die etwa zu den kulturellen ›Events‹ auf den Leipziger Messen erschienen ist3, legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Auch wenn auf der Tagung, und somit auch in diesem Band, die sozialen und kulturellen Aspekte und Faktoren von Messegeschichte im Folgenden außen vor bleiben sollten und eine Konzentration auf die ökonomische Bedeutung von Messen erfolgte, so war es doch Ziel der Tagung, Messen ganzheitlich begreifen und die sozialen und kulturellen Parameter zumindest mitdenken zu wollen, wie dies in allen bisherigen Messegeschichtsforschungen, wie ökonomisch sie auch immer ausgerichtet gewesen sein mögen, der Fall war. Gemeinhin lässt man die moderne Messegeschichtsforschung mit dem Jahr 1953 beginnen, als die Société Jean Bodin eine erste Annäherung an das Phänomen ›Messe‹ versuchte, und dies gleich weltweit. Der Tagungsband »La Foire« ist der Beginn einer verstärkten Auseinandersetzung der Wirtschaftsgeschichte mit der Institution Messe in ihren internationalen Zusammenhängen und in Abgrenzung zu den kleineren Jahr- oder gar Wochenmärkten. Die späten 1980er und die 1990er Jahre waren der bisherige Höhepunkt der internationalen Bemühungen um die Institution Messe, die sich in zahlreichen international ausgerichteten Tagungen und Ergebnisbänden niederschlugen. Dies begann 1990 mit dem Messejubiläum von Frankfurt am Main4, setzte sich 1991 mit der Tagung des Münsteraner Instituts für vergleichende Städteforschung5 und den maßgeblich von Franz Irsigler inspirierten Kolloquien der Internationalen Kommission für Städtegeschichte6 von 1991 bis 1995 fort, gefolgt von den Journées internationales d’histoire du Centre Culturel de l’Abbaye de Flaran 1992 über »Foires et marchés dans les Campagnes«7 und dem Leipziger Messejubiläum von 19978. Aber auch auf einige richtungsweisende und quellengesättigte Einzelstudien aus dieser Zeit ist hinzuweisen, so insbesondere auf Martin Körners »System der Jahrmärkte und Messen in der Schweiz«9, auf Miguel Angel 3 Jüngst u.a. die Leipziger Dissertation von Katharina Hoffmann-Polster, Der Hof in der Messestadt. Zur Inszenierungspraxis des Dresdner Hofes auf den Leipziger Messen (1694–1756), Stuttgart 2014. 4 Hans Pohl (Hrsg.) unter Mitarb. v. Monika Pohle, Frankfurt im Messenetz Europas – Erträge der Forschung (= Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, 3 Bde., hrsg. v. Rainer Koch), Bd. I, Frankfurt am Main 1991. 5 Peter Johanek/Heinz Stoob (Hrsg.), Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1996. 6 Franz Irsigler/Michel Pauly (Hrsg./dir.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa/Foires, marchés annuels et développement urbain en Europe, Trier 2007, S. 286–314. 7 Christian Desplat (éd.), Foires et marchés dans les campagnes de l’Europe médiévale et moderne. Actes des XIVes Journées Internationales d’Histoire de l’Abbaye de Flaran (Septembre 1992), Études réunies, Toulouse 1996, S. 137–152. 8 Hartmut Zwahr/Thomas Topfstedt/Günter Bentele (Hrsg.), Leipzigs Messen 1497–1997. Gestaltwandel. Umbrüche. Neubeginn, 2 Teilbde., Köln/Weimar/Wien 1999. 9 Martin Körner, Das System der Jahrmärkte und Messen in der Schweiz im periodischen und permanenten Handel 1500–1800, in  : Jahrbuch für Regionalgeschichte und Landeskunde 19, 1993/94, S. 13–34  ; franz.: Le système des marchés annuels et des foires en Suisse dans la cadre du marché

Vorwort

Laderos Quesadas Studie über die mittelalterlichen Messen in Kastilien10 und auf Michael Rothmanns dichte Abhandlung über die mittelalterlichen Messen in Frankfurt am Main11. Ein Höhepunkt war erreicht, als 2000 die Settimana di Studi in Prato sich dieses Themas annahm und einen Ergebnisband von mehr als 1.050 Seiten vorlegte, gleichsam die Summa der Messegeschichtsforschung der vorherigen Jahrzehnte.12 Seither konzentrierte sich die Messegeschichtsforschung vorrangig auf Einzelstudien, die, um nur einige zu nennen, etwa von Mihailo St. Popović und Dimitrios M. Kontogeorgis zum südosteuropäischen Raum13, von Alonso Hilario Casado und Claudio Marsilio zum System der Wechselmessen im 16. Jahrhundert14, von Andrea Bonoldi zu Bozen15, von Carsten Jahnke zu Schonen16, von Marco Veronesi zu Nördlingen17 und vor allem von Manfred Straube zu Leipzig18 vorgelegt worden sind. Es erscheint daher an der Zeit, eine neue Sypériodique et permanent (1500–1800), in  : Irsigler/Pauly (Hrsg.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 135–159. 10 Miguel Angel Ladero Quesada, Las ferias de Castilla. Siglos XII a XV, Madrid 1995. 11 Michael Rothmann, Die Frankfurter Messen im Mittelalter, Stuttgart 1998. 12 Simonetta Cavaciocchi (a cura di), Fiere e mercati nella integrazione delle economie europee, secc. XIII–XVIII. Atti della »Trentaduesima Settimana di Studi«, 8–12 maggio 2000, Prato 2001. 13 Mihailo St. Popović, New Insights into the History of Balkan Fairs in the Historical Region of Macedonia (13th–19th Centuries), in  : Bulgaria Mediaevalis 2, 2011 (= Studies in Honour of Professor Vassil Gjuzelev), S. 757–776  ; Dimitrios M. Kontogeorgis, Η ελληνική διασπορά στη Ρουμανία. Η περίπτωση της ελληνικής παροικίας της Βραίλας (αρχές 19ου αι.–1914) [Greek Diaspora in Romania. The Case Study of the Greek Community in Braila], unveröff. Diss. Athinai 2012. 14 U.a. Alonso Hilario Casado, Comercio textil, crédito al consumo y ventas al fiado en las ferias de Medina del Campo en la primera mitad del siglo XVI, in  : Salustiano De Dios/Javier Infante/Ricardo Robledo/Eugenia Torijano (eds.), Historia de la propiedad  : crédito y garantía, Madrid 2007, S. 127– 159  ; ders., Les relations entre les foires de Castille et les foires de Lyon au XVIe siècle, in  : Jean Louis Gaulin/Susanne Rau (eds.), Lyon vue d’ailleurs (1245–1800)  : échanges, compétitions et perceptions, Lyon 2009, S. 91–108  ; ders., Crédito y comercio en las ferias de Medina del Campo en la primera mitad del siglo XVI, in  : Elena García Guerra/Giusseppe De Luca (eds.), Il mercato del credito in età moderna. Reti e operatori finanziari nello spazio europeo, Milano 2010, S. 21–47  ; Claudio Marsilio, Dove il denaro fa denaro. Gli operatori finanziari genovesi nelle fiere di cambio del XVII secolo, Novi Ligure 2008  ; ders., Four Times a Year for so Many Years. The Italian Exchange Fairs during the XVIth–XVIIth Century  : Comparing Financial Institutions, in  : Bankhistorisches Archiv – Banking and Finance in Historical Perspective 36/2, 2010, S. 151–165. 15 Andrea Bonoldi, La fiera e il dazio  : economia e politica commerciale nel Tirolo del secondo Settecento, Trento 1999  ; ders., I signori della fiera  : le famiglie mercantili bolzanine del XVIII secolo tra politica ed economia, in  : Pascal Ladner/Gabriel Imboden (Hrsg.), Alpenländischer Kapitalismus in vorindustrieller Zeit. Vorträge des siebenten internationalen Symposiums zur Geschichte des Alpenraums, Brig 2004, S. 23–54. 16 Carsten Jahnke, Das Silber des Meeres, Köln/Weimar/Wien 2000. 17 Marco Veronesi, Zollwesen, Gastrecht, Währungspolitik  : Institutionelle Aspekte der Nördlinger Pfingstmesse im 15. Jahrhundert, in  : Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und das Ries 31, 2006 (2007), S. 105–134. 18 Manfred Straube, Waageordnungen der Leipziger Messen zu Beginn des 16. Jahrhunderts, in  : Viatori per urbes castraque. Festschrift für Herwig Ebner, Graz 2003, S. 667–684  ; ders., »Hab und Güter,

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Markus A. Denzel

nopse zu ziehen und eine neue Synthese, d. h. nichts Geringeres als eine Neubeurteilung der Bedeutung von Messen und Märkten für die europäische Wirtschaftsgeschichte und die Integration der europäischen Güter- und Geldmärkte sowie der Kommunikation und der Verbreitung von Handelstechniken zu wagen.19 Die Leipziger Messetagung 2015 wurde konzeptionell auf drei zentrale Aspekte hin ausgerichtet  : 1. Zunächst erfolgt keine Trennung nach den verschiedenen, der politischen Geschichte geschuldeten Epochen  ; idealerweise überblicken alle Beiträge etwa ein Jahrtausend europäischer Messegeschichte, und dies aus der Perspektive des jeweiligen Wirtschaftsgroßraums. 2. Im Fokus der Betrachtungen steht ganz Europa, nicht nur – wie bei früheren Synthesen meistens – Westeuropa, sondern auch die großen Imperien des Ostens und Südostens mit ihrer doch in vielen Aspekten abweichenden Marktstruktur, das Byzantinische, das Osmanische und das Russländische Reich  : Der Blick reicht bis an die Wolga und darüber hinaus über den Ural und durch ganz Sibirien bis an den Amur, aber auch bis zu den ›neoeuropäischen‹ Messestrukturen im hispanoamerikanischen Raum. 3. Trotz ihres Bezugs zum Leipziger Messe-Jubiläum bildeten nicht die Leipziger Messen das Zentralthema, sondern die Entwicklung des gesamten europäischen Messesystems  : Der systemische Gedanke steht im Vordergrund, nicht die einzelne Messe.20 Dabei kann und soll es nicht um eine Beschäftigung mit der Institution Messe um ihrer selbst willen gehen, denn Messen sind »temporäre Plattformen für Märkte« und geradezu ein »Abbild des Marktes«.21 Internationale Messegeschichte versteht sich – wie die Geschichte der Banken, Börsen und Versicherungen, der anderen innovativen kommerziellen Institutionen in Europa – als einer der zentralen Parameter der Wirtschaftsgeschichte schlechthin, und die großen Messen waren in deren Rahmen nicht nur geographische, sondern allumfassende Brennpunkte der Entwicklung, an denen Konjunkturen, Innovationen, Vernetzungen, Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsethik sicht- und erforschbar werden. die mir der Allmächtige Gott gnädiglich bescheret hat …« Das Testament des Leipziger Kaufmanns Heinrich Scherl (1475–1548), Leipzig 2006  ; ders., Kaufleute auf dem Wege von und nach Leipzig – Handelsreisende im 16. Jahrhundert, in  : Helmut Bräuer/Elke Schlenkrich (Hrsg.), Die Stadt als Kommunikationsraum. Beiträge zur Stadtgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Festschrift für Karl Czok zum 75. Geburtstag, Leipzig 2011, S. 763–790  ; ders. (Hrsg.), Wirtschaftliche Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen. Statistische Zeugnisse aus den Leipziger Stadtrechnungen 1471/72 bis 1814/15, Leipzig 2015  ; ders., Geleitswesen und Warenverkehr im thüringischsächsischen Raum zu Beginn der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2015. 19 Ein Zwischenfazit wurde aus der Perspektive der Bozner Regionalmessen 2006 gezogen  : Andrea Bonoldi/Markus A. Denzel (Hrsg.), Bozen im Messenetz Europas (17./18. Jahrhundert). Neue Forschungsansätze und -ergebnisse/Bolzano e il sistema fieristico europeo del XVII e XVIII secolo. Acquisitioni e nuove prospettive di ricerca, Bozen 2007. 20 Vgl. hierzu auch Paola Lanaro (a cura di), La pratica dello scambio. Sistemi di fiere, mercanti e città in Europa (1400–1700), Venezia 2003. 21 So Martin Buhl-Wagner in einem Grußwort anlässlich der Eröffnung der Leipziger Buchmesse 2015.

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Vorwort

Wofür stehen nun Messen in einer allgemeinen Wirtschaftsgeschichte Europas  ? Die ältere Forschung zeichnet hier ein eher düsteres Bild  : Nach Henri Pirenne war die Stärke periodischer Märkte ein Zeichen für die ökonomische Schwäche der jeweiligen Wirtschaftsregion.22 Und Fernand Braudel bezeichnet sie in seinem epochemachenden Werk Civilisation matérielle, économie et capitalisme (1979) zwar als ein »altes, äußerst anpassungsfähiges Hilfsmittel des Handels«, gelangt aber in Anlehnung an Jacques Turgots (1727–1781) Artikel »Foire« in der Encyclopédie Française (1757) zu dem Ergebnis  : »Die Messe stellt eine veraltete Form des Güteraustauschs dar, und mag sie auch zu seiner [Turgots  ; A. d. A.] Zeit noch über diese Realität hinwegtäuschen oder sogar nützliche Dienste leisten, tritt die Wirtschaft doch überall da, wo dem Messewesen keine Konkurrenz erwächst, auf der Stelle.«23 Diese zwei Einschätzungen stehen damit für die eher skeptische Haltung großer Teile der älteren Forschung gegenüber einer innovativen Rolle der Messen in der wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung. Ihre Sichtweise ist zweifelsohne westeuropäisch-mediterran und lässt sich aus einer mitteleuropäisch oder gar ostmittel-, ost- oder südosteuropäischen Perspektive kaum aufrechterhalten, können doch in diesen Regionen Messen bis weit in das 19. Jahrhundert hinein als (relativ) ›moderne‹ Institutionen gelten, über welche innovative Techniken des Handels und des Zahlungsverkehrs ihren Weg in weiter östlich gelegene Wirtschaftsräume Europas fanden. Die moderne Forschung nimmt eine gänzlich andere Position ein  : Folgt man Michael Rothmann, so waren Messen zu allen Zeiten »Zeichen des Aufstiegs und der wirtschaftlichen Stärke«24, d. h. Zentren von Innovationen, ihrer Verbreitung und Durchsetzung, Katalysatoren von kommerziellen Entwicklungen, Kristallisationspunkte von Handelskultur, von kommerzieller Normen- und Wertebildung. An der Geschichte der Messen können entscheidende Entwicklungen und Veränderungen der Wirtschaft beobachtet werden, an ihren Aufstiegen ebenso wie an den jeweiligen Niedergängen, denn wenn Märkte sich verändern, verändert sich auch die Messe. Und dies gilt auch für das europäische Messesystem insgesamt, wie die Beiträge dieses Bandes nachdrücklich zeigen. *** Dass die Leipziger Messetagung 2015 überhaupt stattfinden und dieser Tagungsband erscheinen konnte, ist dem großzügigen finanziellen Engagement der Leipziger Messe GmbH, vertreten durch den Sprecher der Geschäftsführung, Herrn Martin Buhl-Wagner, geschul22 Henri Pirenne, Les villes du moyen âge. Essai d’histoire économique et sociale, Bruxelles 1927  ; ders./ Gustave Cohen/Henri Focillon, La civilisation occidentale au Moyen Âge du XIe au milieu du XVe siècle, Paris 1933. 23 Fernand Braudel, Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts. Der Handel, München 1986 (ND 1990), S. 80, 93. 24 Michael Rothmann, Überall ist Jahrmarkt und Entwicklungstendenzen der Institution des periodischen Marktes in Zentraleuropa vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, in  : Cavaciocchi (a cura di), Fiere e mercati, S. 91–108, hier  : S. 103 Anm. 43.

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Markus A. Denzel

det, wofür der Unternehmung insgesamt als auch Herrn Buhl-Wagner ganz persönlich sehr herzlich zu danken ist. Frau Heike Fischer, Abteilungsleiterin Kommunikation der Unternehmensgruppe Leipziger Messe GmbH, und Frau Dr. Frauke Gränitz, Referentin im Unternehmensarchiv der Leipziger Messe GmbH, wirkten dankenswerterweise bei der Vorbereitung der Tagung bzw. beim Abschluss des Tagungsbandes mit. Der Dekan der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität Leipzig, Herr Professor Dr. Manfred Rudersdorf, stellte die Tagungsräume zur Verfügung und bereicherte die Eröffnungsveranstaltung mit seinem Grußwort, wofür ihm ebenfalls gedankt sei. Ein besonderer Dank gilt weiterhin dem gesamten Team des Lehrstuhls für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Historischen Seminars der Universität Leipzig – allen voran Frau Katja Wöhner – für die vielfältige Organisation im Hintergrund. Den Referentinnen und Referenten dankt der Herausgeber für ihre umfassende Vor- und ihre zügige Nachbereitung der Tagung, die dann in die Drucklegung beim Böhlau Verlag GmbH & Co, Niederlassung Weimar, münden konnte. Hier stand Herr Harald S. Liehr als kompetenter und allzeit hilfsbereiter Ansprechpartner zur Verfügung, dem ein herzlicher Dank für die ansprechende Gestaltung des Bandes gesagt werden darf. *** Dass eine solche Tagung gerade in Leipzig durchgeführt und ihre Ergebnisse auch dort in Buchform gebracht werden konnten, kommt nicht von ungefähr, ist die alte Handelsmetropole an der Pleiße doch ein Erinnerungsort, wo man heute noch Messegeschichte überall erfahren und mit Händen greifen kann. Sie ist zugleich der Ort, an dem im ausgehenden 19. Jahrhundert die letzte der großen Innovationen in der internationalen Messegeschichte entwickelt wurde, die Leipziger Mustermesse, das Muster der Messen der Welt. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass dieser Band zum Ausgangspunkt nicht nur vertiefter Forschungen zum internationalen Messesystem, sondern auch und gerade zu den Leipziger Messen selbst werden möge, denn nicht umsonst fordert Manfred Straube, der Doyen der Leipziger Messeforschung, in seinem Opus magnum  : »Eine moderne Geschichte der Leipziger Märkte von den Anfängen bis zur Gegenwart ist auch deshalb wünschenswert, weil sich in ihr über Jahrhunderte hinweg die wechselhafte Entwicklung der deutschen und europäischen Wirtschaft nachzeichnen läßt.«25 In der Messestadt Leipzig am 9. Oktober 2017 Markus A. Denzel

25 Straube, Geleitswesen und Warenverkehr, S. 36 Anm. 68.

Manfred Straube, Leipzig

Aktuelle Fragen der deutschen und internationalen Messegeschichte

Es ist mir eine große Ehre und besondere Freude, dass ich zur Eröffnung des heutigen Kolloquiums1 meine Vorstellungen und Wünsche zur Erforschung der Geschichte der Großen Märkte vor allem für die frühe Zeit vortragen darf, auch wenn ich mich in der Zukunft nur noch sehr begrenzt daran beteiligen kann. Sie werden mir zugleich erlauben, dass sich diese meine Vorstellungen und Wünsche zu den künftigen Forschungen an meinen Erfahrungen orientieren, die ich bei meiner bisherigen, fast 50-jährigen Quellenarbeit zur Geschichte der Leipziger Großen Märkte und des Warenverkehrs im thüringisch-sächsischen Raum zu Beginn der Frühen Neuzeit gewonnen habe und deren Teilergebnisse nun vorliegen und zur Diskussion stehen.2 Dabei haben mich von Anfang an das Was, Woher und Wohin, die Umstände und der Umfang der Warentransporte interessiert und in der Folgezeit dann natürlich der unmittelbare Warenverkauf, d. h. die Bedingungen des Handels.3 Meine Vorstellungen und Wünsche haben sich im Laufe der Jahrzehnte geformt und sind deshalb oftmals subjektiv gefärbt, wobei mir ebenso bewusst ist, dass sich nicht alle wünschenswerten aktuellen Fragen aus unterschiedlichen Gründen – vor allem wohl aufgrund der Quellenlage und -auswertung – auch an anderen Märkten beantworten lassen.

I Wenn ich hier nun aktuelle Fragen aufgreife und stelle, die unsere Kenntnisse erweitern sollen, dann ist es zunächst angebracht, den bisherigen Stand der Forschung gründlich zu hinterfragen, d. h., eine kritische Bestandsaufnahme sollte am Anfang stehen. Nur wenn wir über Forschungsdefizite und Fehlleistungen sprechen und daraus Schlussfolgerungen ziehen für künftige Zielstellungen, die, so bin ich überzeugt, unser Bild von allen Lebens1 Leicht überarbeitetes und mit Anmerkungen versehenes Manuskript des Eröffnungsvortrages. 2 Manfred Straube, Geleitswesen und Warenverkehr im thüringisch-sächsischen Raum zu Beginn der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2015  ; ders., Wirtschaftliche Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen. Statistische Zeugnisse aus den Leipziger Stadtrechnungen 1471/72 bis 1814/15, Leipzig 2015. 3 Michael Rothmann, Die Frankfurter Messen im Mittelalter, Stuttgart 1998, hat seine Zielstellungen auf S. 24 ähnlich formuliert  : Ihm ging es darum, zu ermitteln, »wer macht mit wem von woher welche Geschäfte, warum und in welcher Weise«.

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bereichen in der Frühen Neuzeit entscheidend korrigieren können, wird in ca. 10 Jahren eine positive Bilanz möglich sein. Dabei kann es nach meiner Überzeugung nicht nur um die bisher häufig im Mittelpunkt stehenden Fragen zu Kennzeichnung von »Messen« oder »Märkten« und mögliche Inhalte oder Unterschiede gehen, sondern die vielfältigsten handelsgeschichtlichen Fragenstellungen müssen unmittelbar mit anderen historischen Wissenschaftszweigen verbunden werden, die unsere Thematik tangieren. Es geht also z. B. auch um neue Aspekte in der Forschung als Ergebnis des Warenaustauschs, die nicht singulär mit den Großen Märkten zusammenhängen. Handelsgeschichte ist damit für mich – in Anlehnung an den Buchtitel der Festgabe für Franz Irsigler– eine »multidisziplinäre Wissenschaft«4 und verlangt ein umfassenderes Themenangebot als bisher. Ich bin mir auch im Klaren, dass Vieles davon sich nicht unmittelbar, sondern erst in langen Jahren archivalischer Arbeit realisieren lässt, vorausgesetzt, dass entsprechende Quellen überliefert sind, sich für diese Thematik künftighin ein größeres Interesse in der Gesellschaft und unter den Historikern und mit besseren Arbeitsbedingungen findet. Das ist keine neue Forderung, sondern sie wurde schon seit Jahrzehnten immer wieder erhoben, so vor ca. 75 Jahren vom Leipziger Stadtarchivar Ernst Müller in einem Vortrag vor dem Sächsischen Altertumsverein.5 In neuerer Zeit – wenn man nur 40 Jahre zurückgeht – hat Ingomar Bog einleitend zu seinem zukunftsweisenden Sammelband über den »Außenhandel Ostmitteleuropas 1450–1650« mit seinen Autoren »schmerzlich« festgestellt, dass »große Lücken« in der Forschung zu diesem Thema »nicht geschlossen« werden konnten.6 Auch der fast gleichzeitig hoffnungsvolle Ansatz durch Wilhelm Rausch mit seinem »Handel an der Donau«7 ist leider nicht fortgeführt worden. Ob die zahlreichen Ansätze in neueren Publikationen wie in den Sammelbänden »Frankfurt im Messenetz Europas« (1991), »Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa« oder »Bozen im Messenetz Europas (17.–19. Jahrhundert) (beide 2007) ihre Fortführung finden, zeigt sich vielleicht schon hier in Leipzig. Es ist zu wünschen, dass der neue Versuch, um den wir uns heute bemühen, von Erfolg gekrönt wird und die Teilnehmer später von der »Nachhaltigkeit« dieses Kolloquiums sprechen können. Wie sehr die bisherige Diskussion von zahlreichen Irritationen geprägt ist, zeigen beispielhaft die sehr unterschiedlichen Kennzeichnungen von Messen und Märkten in den Beiträgen im Frankfurter Sammelband von 1991, immerhin mit dem Nebentitel »Erträge der Forschung«. In der Einführung zu »Frankfurt im Messenetz Europas« zitiert Hans Pohl die Definition John Gillesens, wonach »Märkte … Einrichtungen des lokalen und regionalen 4 Dietrich Ebeling (Hrsg.), Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft. Festgabe für Franz Irsigler zum 60. Geburtstag, Trier 2001. 5 Ernst Müller, Probleme der Leipziger Handelsgeschichte, besonders im 15. und 16. Jahrhundert, Vortrag am 28. Januar 1941, Ms. im StadtA Leipzig. 6 Ingomar Bog, Außenhandel Ostmitteleuropas 1450–1650, Köln/Wien 1971, S. XI. 7 Wilhelm Rausch, Handel an der Donau I  : Die Geschichte der Linzer Märkte im Mittelalter, Linz 1969.

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Handels zwischen Kaufleuten und Verbrauchern« sind, »Messen« dagegen seien »Institutionen des überregionalen Fernhandels.«8 Hans Pohl hat zugleich aber hinzugefügt, dass eine »saubere Begrifflichkeit anhand der Quellen nicht möglich ist, d. h. nicht der jeweilige Zeitpunkt zu bestimmen ist, an dem ein Markt zur Messe wird«.9 An gleicher Stelle hat auch Jörg Jarnut betont, dass »Messen definitorisch nur schwer gegen Märkte und vor allem Jahrmärkte abzugrenzen sind« und dass Jahrmärkte von lokaler Bedeutung vor allem für Endverbraucher waren und sich dort kaum Händler als Kunden nachweisen lassen.10 Im Ergebnis sei es verfehlt, für das Früh- und Hochmittelalter »in jedem Fall Jahrmarkt und Messe allzu scharf voneinander scheiden zu wollen«, jedoch sei ein »Händlermarkt« eine Messe. In der Folge derartiger Definitionen gab und gibt es eine Inflation von Messebezeichnungen. Und wenn Wim Blockmans behauptet, dass Fernhandelsmessen »wahrscheinlich nicht hätten funktionieren können ohne ihre engen Beziehungen zu den ebenfalls jährlich stattfindenden Messen in kleineren Städten mit einem regionalen Einzugsgebiet«11, dann wirkt nach meiner Meinung der Begriff »Messen« noch irritierender. Die Unsicherheiten werden noch verstärkt durch Formulierungen Wolfgang Herborns, wonach »die Linzer Messen … ihren entscheidenden Wandel vom überlokalen Nahmarkt zum regionalen Fernhandelsplatz in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts erfahren« haben.12 Was ist »überlokal« und was ist unter »regional« oder »Region« zu verstehen, wenn es sich um Fernhandelsgüter handelt  ? Irritierend ist auch seine Kennzeichnung der Leipziger Großen Märkte  : »Die Installation der Leipziger Messen war nicht ohne Konkurrenzkämpfe mit den benachbarten Jahrmärkten abgelaufen. Noch um die Mitte des 15. Jahrhunderts war Leipzig zwar eine bedeutende Jahrmarktstadt, aber nur eine unter mehreren im mitteldeutschen Raum. Bedeutender waren um diese Zeit noch Erfurt, Halle und Magdeburg. Der größte Konkurrent war Halle, das geographisch günstiger an einem schiffbaren Fluß gelegen« war.13 Diese Darstellung muss eigentlich nicht weiter kommentiert werden. Etwa zur gleichen Zeit hat Franz Irsigler einen Fragebogen zum Thema »Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung« erstellt und im Ergebnis eine Beschäftigung mit sieben Themenkomplexen empfohlen, die ich vielfach als anregend empfinde, obwohl sie oftmals am Gegenstand eines Großen Marktes, dem Warenhandel mit all seinen Voraussetzungen,

  8 Hans Pohl, Einführung, in  : ders. (Hrsg.) unter Mitarb. v. Monika Pohle, Frankfurt im Messenetz Europas – Erträge der Forschung (= Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, hrsg. v. Rainer Koch, Bd. I), Frankfurt am Main 1991, S. VI.   9 Ebd., S. VII. 10 Jörg Jarnut, Die Anfänge des europäischen Messewesens, in  : ebd., S. 1–12, hier  : S. 1 bzw. S. 2f. 11 Wim Blockmans, Das westeuropäische Messenetz im 14. und 15. Jahrhundert, in  : ebd., S. 37–50, hier  : S.  37. 12 Wolfgang Herborn, Die mitteleuropäischen Messen im deutschsprachigen Raum, in  : ebd., S. 51–65, hier  : S.  58. 13 Ebd., S. 60.

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vorbei formuliert wurden.14 Zugleich hat Irsigler angeregt, »terminologisch und typologisch zwischen Messen, größeren Jahrmärkten und kleineren Jahrmärkten (ein bis drei Tage Dauer) zu unterscheiden, wobei von Messen nur gesprochen werden sollte, wenn folgende Kriterien gegeben waren  : mindestens zwei Wochen Dauer, internationaler Besucherkreis, hoher Anteil des Kreditgeschäftes neben dem Warenhandel, hoher Organisationsgrad der Messebesucher, feste Ordnung des Marktlebens auf den Messen.«15 In dieser Definition unterscheidet Irsigler nicht wie in seinem Fragebogen zwischen »Vormesse, eigentliche(r) Messe, Nachmessezeit oder Warenmesse/Zahlmesse« – wobei auch diese Begriffe selbst nicht erläutert werden. Aber wenn diese Kriterien gelten sollten und danach vom Text der Leipziger Privilegien ausgegangen wird, dann wäre hier der Begriff »Messe« gleich zu streichen, denn sie dauerten alle drei nur jeweils 8 Tage  : nur von Sontag Jubilate bis Sontag Cantate, vom Michaelstag … und acht tag die nechsten darnach werende, und am Newen Jarstag anzu­ heben und auch die nechsten Achttag daranach volgende zu weren.16 Ebenso fragwürdig ist eine weitere Voraussetzung Irsiglers für eine Messe, wenn er behauptet, dass »eine klare zeitliche Gliederung des Ablaufs … nur bei Messen mit mindestens zwei Wochen Dauer festzustellen« ist.17 Hier wird den Formalitäten oder Rahmenbedingungen ein zu großer Stellenwert zugemessen. Größere Beachtung verdienen bei der Diskussion über die Kennzeichen von Messen oder Großen Märkten die Beiträge von Michel Pauly über »Jahrmärkte in Europa vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Regionale Untersuchungen und der Versuch einer Typologie« und – an gleicher Stelle – der »Beitrag der Messen und Märkte zur mittelalterlichen Integration Europas«, mit dem er eine schon lange anstehende Zielstellung aufgegriffen hat.18 Er hat dabei fünf Typen von Jahrmärkten gefunden, von denen »die höchste, fünfte Stufe von großen Fernhandelsmessen erreicht wurde, bei denen sowohl der Warenhandel als auch Geldgeschäfte – letztere mit steigendem Gewicht – fast nur zwischen Fernhändlern stattfanden.«19 Leider hat aber auch er die Begriffe Jahrmärkte und Messen unterschiedslos angewendet. Das Erstaunliche an diesen sich oft widersprechenden Begründungen auch in anderen Publikationen ist, dass das Wesen von Märkten, d. h. der Handel, der Kauf und Verkauf 14 Franz Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa. Mittelalter und frühe Neuzeit, in  : ders. /Pauly (Hrsg.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, S. 1–24, hier  : S. 1f., z. B. die Rolle großer geistlicher Grundherrschaften, Relationen von Einwohnerzahl des Messe- oder Marktortes und Zahl der Marktbesucher. 15 Ebd., S. 2. 16 Ernst Müller, Die Privilegien der Leipziger Reichsmessen, Leipzig 1941, Urkunde VII, Erstes großes Privileg Maximilians I, 1497, S. 28  ; Urkunde VIII, Zweites großes Privileg für 1507, S. 31. 17 Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 18. 18 Michel Pauly, Jahrmärkte in Europa vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Regionale Untersuchungen und der Versuch einer Typologie, in  : Irsigler/Pauly (Hrsg.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 25–40  ; ders., Der Beitrag der Messen und Märkte zur mittelalterlichen Integration Europas, in  : ebd., S. 286–314, hier  : S. 285–304. 19 Ebd., S. 287.

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von Waren, das Angebot und die Nachfrage, nirgends erwähnt wird. Es finden sich auch keine Angaben über Warenarten, über Verbindungen oder Beziehungen zwischen Produktions- und Konsumtionszentren, die die gewünschten Kennzeichnungen erkennen lassen. Im Ergebnis ist diese Diskussion über »Markt« oder »Messe« nach meiner Überzeugung nicht zielführend. Man kann dieser Diskussion nur konstruktiv mit konkreten wirtschaftsgeschichtlichen Ergebnissen begegnen. Ich möchte deshalb den Vorschlag von Michael Rothmann aufgreifen, »Arbeitsbegriffe« zu bilden  ; wieweit allerdings seine dafür angebotene »räumliche Differenzierung« – Märkte auf lokaler und regionaler Ebene sind Jahrmärkte, überregionale Märkte sind Messen – zu den gewünschten Ergebnissen führt, ist schwer zu entscheiden, auch wenn er erklärend noch hinzufügt, dass die »Funktion des Verteilermarktes (= Messe) … der Austausch von verschiedenen Gütern aus verschiedenen Regionen« ist.20 Aber  : Solange wir nicht konkret wissen, was wo gehandelt wurde, ist eine gewünschte oder notwendige Differenzierung schwer möglich.

II Nachdem ich selbst zu Beginn meiner Untersuchungen die Begriffe »lokal«, »regional« und »überregional« gebraucht habe und Schwierigkeiten hatte, präzise »regional« von »überregional« zu unterscheiden, möchte ich – die Anregung Rothmanns ergänzend – für den gegenwärtigen Stand der Forschung den Begriff »Großer Markt« für alle Märkte einbringen, auf denen vorwiegend Waren gehandelt wurden, die nicht dem lokalen Bereich entstammten. Dann ließe sich auch der für mich offenkundige Widerspruch klären, wonach vor allem in den westeuropäischen Ländern die Wechselgeschäfte dominierten, dagegen »östlich des Rheins … die Kaufleute in Leipzig und Frankfurt am Main (  ?) noch bis ins 18. Jahrhundert ihre gewohnte Handelstätigkeit weiterführen« konnten.21 Die Frage ist nun, ob dieser Widerspruch dahin aufzulösen ist, dass es eben bis in das 18. Jahrhundert hinein in den östlichen Gebieten keine »Messen« gegeben hat. Ich habe erhebliche Zweifel. Außerdem ist für Leipzig die Verwendung des Begriffs »Großer Markt« relativ einfach zu begründen und für mich problemlos zu verwenden  : Weder in den oftmals zitierten Privilegien Maximilians I. ist von dem Begriff »Messe« die Rede, noch wird er in den nächsten Jahrzehnten verwendet. Selbst »zu der Zeit des Dreißigjährigen Krieges scheint es [das Wort Messe, M. S.] in Leipzig als Fremdwort empfunden worden zu sein  ; erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde es häufiger angewendet, und erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts hat es die alte Bezeichnung Märkte völlig verdrängt«.22 Hinzu 20 Rothmann, Die Frankfurter Messen, S. 32. 21 Pohl, Einführung, S. VIII. 22 Vgl. Ernst Kroker, Handelsgeschichte der Stadt, Leipzig 1925, S. 71.

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kommt natürlich, dass nach meiner Kenntnis nur im deutschen Sprachraum die Begriffe Messe und Märkte gleichzeitig für dasselbe Ereignis verwendet werden. Es wird die Diskussion zeigen müssen, ob damit ein zutreffender Begriff gefunden wurde.23 Große Märkte sind unabhängig von Zeit und Ort entstanden und werden bestimmt durch das Angebot einer Vielzahl von Fernhandelsgütern, von engen Verflechtungen mit Produktionszentren und eingebunden in ein europaweites Handelsnetz. Sie sind Ausdruck vom Stand der Warenproduktion und des Warenaustauschs, ihr Aufstieg oder Niedergang sind vorwiegend Zeugnisse wirtschaftlicher Entwicklungen, aber natürlich auch von politischen Veränderungen. Wenn dem aber so ist, dann ist die ökonomische Entwicklung im Lande entscheidend für die Märkte und nicht umgekehrt. Damit möchte ich auch mehr zu den Forschungszielen und Ergebnissen von Hermann Kellenbenz24 und Rainer Gömmel25 über den Warentransport hin tendieren. Ganz meinen Wünschen und Vorstellungen entsprechen die Studien aus dem Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte, verbunden mit den Namen Rainer Christoph Schwinges, Klaus Brandstätter, Christian Hesse, Beat Kümin und Martin Körner.26 Zugleich widerspiegeln die »Großen Märkte« die jeweiligen Zustände oder Tendenzen in allen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bereichen. Damit wird auch die Zielstellung der anstehenden Forschungsthemen vorgegeben. Um es gleich vorweg zu sagen  : Ich habe keine neuen Hauptaufgaben erfunden, sondern die in den zahlreichen, in kaum noch übersehbarer Fülle von einzelnen Forschungsergebnissen angesprochenen Fragen und Forschungsvorschläge zu verschiedenen Komplexen gebündelt und etwas schärfer formuliert, auch mit dem Ziel, einen größeren Kreis von Interessierten zu gewinnen. Zugleich sollten wir uns der bisherigen Forschungsdefizite und Fehlleistungen bewusst sein. Dabei waren für mich – trotz vielfältigen unterschiedlichen Ausgangspositionen – die 23 Wie problematisch die bisherige Bezeichnung »Messe« ist, zeigt das Beispiel Leipzig  : 1160 erhielt Leipzig das Recht für einen lokalen Markt. 1268 sicherte Markgraf Dietrich allen Kaufleuten Schutz zu, auch wenn sie aus Gebieten kämen, mit denen er in Fehde liege. Leipzig wäre damals bereits mindestens ein »regionaler Fernhandelsplatz«, d. h. eine »Messe« gewesen. Ein Vergleich mit der Entwicklung 200 Jahre später lässt erkennen, dass diese Bezeichnung für die frühe Zeit nicht angemessen ist. 24 Hermann Kellenbenz, Das Verkehrswesen zwischen den deutschen Nord- und Ostseehäfen und dem Mittelmeer im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in  : Robert Plötz (Hrsg.), Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt, Tübingen ²1993, S. 99–121. 25 Rainer Gömmel, Handel und Verkehr, in  : Günther Schulz u.a. (Hrsg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven, Stuttgart 2004, S. 133–145. 26 Rainer Christoph Schwinges, Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, in  : Heribert Müller/Johannes Helmrath (Hrsg.), Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449)  : Institution und Personen, Ostfildern 2007, S. 9–18  ; Dietrich Denecke, Linienführung und Netzgestalt mittelalterlicher Verkehrswege, in  : ebd., S. 49–70  ; Detlev Ellmer, Techniken und Organisationsformen der Binnenwasserstraßen im hohen und späten Mittelalter, in  : ebd., S. 161–184  ; Klaus Brandstätter, Straßenhoheit und Straßenzwang im hohen und späten Mittelalter, in  : ebd., S. 201–228  ; Christian Hesse, Handel und Straßen. Der Einfluss der Herrschaft auf die Verkehrsinfrastruktur in Fürstentümern des spätmittelalterlichen Reiches, in  : ebd., S. 229–256  ; Beat Kümin, Wirtshaus, Reiseverkehr und Raumerfahrung am Ausgang des Mittelalters, in  : ebd., S. 331–353.

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Arbeiten von Franz Irsigler und Volker Henn besonders anregend, ohne dass ihre Ergebnisse übernommen werden konnten oder mussten.27

III Zunächst zu einer Bestandsaufnahme und damit zugleich zu den Forschungsdefiziten, die für den mitteldeutschen Raum besonders gravierend und auch klar zu definieren sind  : Der Naumburger Peter-und-Pauls-Markt, von großer wirtschaftlicher Bedeutung bereits im 15. und 16. Jahrhundert und immer wieder erwähnt als Termin für finanzielle Leistungen, hat bis heute keine adäquate Darstellung gefunden28  ; ob es auch in Frankfurt an der Oder einen entsprechend privilegierten Großen Markt gegeben hat, ist noch nicht sicher.29 Wie es konkret um die Privilegien für Halle steht, ist noch nicht untersucht, und über Erfurt als bedeutsames Handelszentrum im mitteldeutschen Raum gibt es auch noch keine Forschungsergebnisse. Über Magdeburg und seine Stellung im mitteldeutschen Warenverkehr wissen wir so gut wie gar nichts, abgesehen davon, dass Karl der Große 805 den Handelsleuten vorschrieb, wie weit sie in den Gebieten der Slawen und Awaren umherziehen und dass sie keine Panzer und Waffen zum Verkauf anbieten durften.30 Eine Verbesserung der Forschungssituation ist wohl nicht in Sicht, da es derzeit z. B. an den beiden Universitäten Halle und Magdeburg keine Forschungs- oder Lehreinrichtungen zur Landesgeschichte Sachsen-Anhalts gibt. Auch das sich selbst als Handelsstadt rühmende Leipzig macht bei den Defiziten keine Ausnahme. Die letzte zusammenfassende Darstellung über die Leipziger Großen Märkte stammt aus dem Jahre 1885 von Ernst Hasse, eine vorzügliche Arbeit, gegründet auf 27 Besonders zu nennen ist an dieser Stelle der Beitrag von Volker Henn, Jahrmärkte und Messen im Weser-Elbe-Raum im späten Mittelalter, in  : Ebeling (Hrsg.), Landesgeschichte als multidisziplinäre Wissenschaft, S. 269–292. 28 Die Dissertation von Fritz Heydenreich, Die Geschichte der Naumburger Peter- und Pauls-Messe, Diss. Halle 1925, entspricht nicht wissenschaftlichen Anforderungen. Einen guten Hinweis lieferte Wieland Held, Der Messeplatz Naumburg. Seine Geschichte und sein Verhältnis zur Leipziger Messe am Anfang des 16. Jahrhunderts, in  : Hartmut Zwahr/Thomas Topfstedt/Günter Bentele (Hrsg.), Leipzigs Messen 1497–1997. Gestaltwandel. Umbrüche. Neubeginn, Teilbd. 1  : 1497–1914, Köln/ Weimar/Wien 1999, S. 75–86. 29 Vgl. dazu Lotte Knabe, Die Messen zu Frankfurt an der Oder und ihre Bedeutung für den Ost-WestHandel, in  : Friedrich Beck (Hrsg.), Heimatkunde und Landesgeschichte. Zum 65. Geburtstag von Rudolf Lehmann, Weimar 1958, S. 204–239, außerdem Manfred Straube, Die Stellung Frankfurts im Wirtschaftsleben zur Zeit der Gründung der Universität, in  : viadrina. Die Oder-Universität Frankfurt. Beiträge zu ihrer Geschichte, Weimar 1983, S. 73–90. 30 MG. LL. Sect. II. Bd. 1, S. 123. Vgl. aber Henn, Jahrmärkte und Messen, S. 286f. Dazu die neueste Bestandsaufnahme durch Mathias Puhle, Magdeburg und die Hanse im Mittelalter, in  : Marie-Luise Heckmann/Jens Röhrkasten (Hrsg.), Von Nowgorod bis London. Festschrift für Stuart Jenks zum 60. Geburtstag, Göttingen 2008, S. 242–254.

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umfangreiche Quellenstudien, die natürlich nicht mehr den Anforderungen an unsere heutigen Themen entspricht, zumal sich Hasse ausdrücklich auf die »äußere Geschichte« beschränkt. Das kann aber auf keinen Fall ein Grund sein, diese Arbeit weitgehend zu ignorieren.31 40 Jahre später veröffentlichte Ernst Kroker eine »Handelsgeschichte der Stadt Leipzig«32, die zwar über Hasse hinausging, durch vielfältige Fehlinterpretation aber den Blick auf die wirkliche Geschichte negativ bestimmte. Auch in den folgenden Jahrzehnten gelang kein wissenschaftlicher Durchbruch. Wiederum 40 Jahre später – 1965 – wird eine Festschrift »800 Jahre Leipziger Messe«33 veröffentlicht im Umfang von 18 Seiten Text – davon drei für die Zeit bis zum 30-jährigen Krieg –, und der vom Stadtgeschichtlichen Museum 1997 herausgegebene gut gestaltete Sammelband »Leipzig, Stadt der wa(h)ren Wunder« mit dem bezeichnenden Untertitel »500 Jahre Reichsmesseprivileg« widmete dem gleichen Zeitraum 17 Seiten.34 Es erstaunt deshalb wenig, dass die damalige Direktorin des Leipziger Messeamtes glaubte, das immer wieder zitierte erste Privileg Maximilians I. von 1497 durch einen sog. »Mittelaltermarkt« würdigen zu können und die Stadt sich dieser Auffassung anschloss. Die zweibändige Aufsatzsammlung von 1999 greift zwar interessante Themen auf, ist aber natürlich weit entfernt von einer Gesamtdarstellung und enthält für den Zeitraum bis zum Beginn der Frühen Neuzeit lediglich sechs Beiträge auf 81 Seiten.35 Die Beiträge zur Festveranstaltung im Jahre 2007 zur Erinnerung an das zweite Privileg Maximilians I. von 1507 wurden nicht veröffentlicht. Bestimmt wurde das Bild von der Rolle Leipzigs als Handelszentrum bis in die Gegenwart deshalb weiterhin durch die Aussage des Leipziger Historikers Gustav Wustmann, der in seiner »Geschichte der Stadt Leipzig« von 1905 noch schreiben konnte, dass »die Landwirtschaft in Leipzig im 15. und 16. Jahrhundert noch einen breiten Raum einnahm und dass die Stadt noch viel von einem Ackerstädtchen an sich hatte«.36 Walther Rachel glaubte fast zur gleichen Zeit auch  : »[N]och in den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts überwog die Landwirtschaft Handel und Gewerbe.«37 Übernommen wurde diese Charak31 Ernst Hasse, Geschichte der Leipziger Messen (Preisschriften gekrönt und hrsg. v. d. Fürstlich Jablonowski’schen Gesellschaft zu Leipzig, Nr. XXV), Leipzig 1885, ND. Leipzig 1963. Selbst Kroker erwähnt die Arbeit nur nebenbei in der Anm. 301, S. 125 (siehe folgende Fußnote). 32 Ernst Kroker, Die Entwicklung des Leipziger Handels und der Leipziger Messen von der Gründung der Stadt bis auf die Gegenwart, Leipzig 1925. 33 Jürgen Kuczynski/Manfred Unger, 800 Jahre Leipziger Messe, Leipzig 1965. 34 Volker Rodekamp (Hrsg.), Leipzig, Stadt der wa(h)ren Wunder  : 500 Jahre Reichsmesseprivileg, Leipzig 1997. Die Texte stammen von Friedemann Winkler und vom Autor. 35 Zwahr/Topfstedt/Bentele, Leipzigs Messen 1497–1997. Dort auch Angaben über neuere Studien, z. B. von Peter Beyer, Leipzig und Frankfurt am Main. Leipzigs Aufstieg zur ersten deutschen Messestadt, in  : Jahrbuch für Regionalgeschichte 2, 1967, S. 62–86. Bemerkenswert ist, dass ein erheblicher Teil der Beiträge vor allem im 2. Teilband studentische Ergebnisse aus einem Hauptseminar am Historischen Seminar der Universität Leipzig vorstellt, die nicht weitergeführt wurden. 36 Gustav Wustmann, Geschichte der Stadt Leipzig, Leipzig 1905. 37 Wilhelm Rachel, Verwaltungsorganisation und Ämterwesen der Stadt Leipzig bis 1617, Leipzig 1902, S. 1.

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terisierung 1929 von Gerhard Fischer, der in seiner Monographie über die »kaufmännische Einwanderung«38 behauptete, »um die Mitte des 15. Jahrhunderts war Leipzig noch ein kleiner und unbedeutender Ort, doch mit großen wirtschaftlichen Zukunftsmöglichkeiten, die sich gerade damals deutlicher abzuzeichnen begannen«39. Im Ergebnis der Forschungsdefizite konnte Gertrud Susanna Gramulla noch 1972 feststellen, dass »gegen Ende des 16. Jahrhunderts … Leipzig als Mittler zwischen West und Ost mehr und mehr an Bedeutung [gewann] und zum zeitweisen Umschlagplatz … für den Güteraustausch zwischen dem Westen und den weiten Gebieten östlich der Elbe« wurde.40 Nils Brübach ging in seiner Publikation 1993 immerhin soweit, mit den Großen Märkten in Leipzig für den Raum Thüringen/Sachsen/Oberlausitz etwa schon (erst) ab 1550 ein Handelszentrum erkennen zu wollen.41 Durch die Forschungsdefizite finden die mitteldeutschen Handelszentren in der neueren westdeutschen Literatur keine Erwähnung – die Forschungsdefizite rechtfertigen zwar nicht, den Ost-West- bzw. West-Ost-Handel auch im Spätmittelalter aus der Vorstellungswelt völlig zu streichen, wie das die Karte von Franz Irsigler z. B. suggeriert,42 erklärt aber dessen Feststellung von 2002, als er für den »norddeutschen und ostdeutschen Raum« das »Fehlen großer Messen« konstatierte. Immerhin war die Bedeutung der Großen Märkte in Naumburg und Leipzig seit langem zu bekannt, als dass man sie einfach ignorieren oder gar leugnen hätte könnens.43

IV Wir stehen zwar nicht am Anfang der Forschungen zur Handels- und Marktgeschichte, aber weit von den Startlöchern haben wir uns nicht entfernt. Immer wieder wird über fehlende »monographische Würdigung« geklagt.44 Um der Lösung dieser Aufgabe nahe38 Gerhard Fischer, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470–1650, Leipzig 1929. 39 Ebd., S. 484. Der frühere Leipziger Stadtarchivar Ernst Müller hat Fischers Leistung negativ beurteilt wegen des Verzichts auf die »handelstechnische Seite«, außerdem hat er »zahllose Fehler in Namen und Herkunftsorten, falschen Lesungen, falschen Genealogien usw., von denen das Werk geradezu wimmelt«, festgestellt. Müller, Vortrag. 40 Gertrud Susanna Gramulla, Handelsbeziehungen Kölner Kaufleute zwischen 1500 und 1650, Wien/ Köln 1972, S. 143. 41 Nils Brübach, Die Reichsmessen von Frankfurt am Main, Leipzig und Braunschweig, Stuttgart, S. 187. Vgl. hierzu meine Rezension in  : Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 83, 1996, S. 432f. 42 Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, S. 11. Pauly, Der Beitrag der Messen und Märkte, S. 313  : Karte Nr. 9. 43 Franz Irsigler, Messehandel – Hansehandel, in  : Hansische Geschichtsblätter 120, 2002, S. 33–50, hier  : S.  36. 44 U.a. Herbert Eiden, Die Hanse, die Leipziger Messen und die Ostmitteleuropäische Wirtschaft, in  : Hansische Geschichtsblätter 120, 2002, S. 75.

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und damit wegzukommen von der Diskussion um Märkte oder Messen, halte ich es – ausgehend von den mitteldeutschen Gegebenheiten – deshalb für erforderlich, zunächst die Grundlagen für die Entstehung von bedeutenden Märkten zu untersuchen. Mit Grundlagen sind gemeint die Rolle des politischen und wirtschaftlichen Umfeldes und dessen Einfluss auf den Aufschwung oder Niedergang der verschiedenen Märkte. Hier sollten zunächst alle Marktprivilegien, Marktverordnungen und Regelungen, die die jeweilige landesherrliche oder stadtherrliche Obrigkeit verliehen oder ausgegeben hatte45, aus den gedruckten Quellenbänden zusammengestellt,46 ungedruckte Quellenergebnisse zumindest in Regesten gesammelt, dazu die verschiedensten Quellenpublikationen im europäischen Rahmen untersucht, untereinander verglichen und im Druck veröffentlicht werden.47 Zu den grundlegenden Quellen (aus mitteldeutschen Archiven) gehören auch die Stapelrechtsverleihungen sowie Zoll- und Geleitsordnungen, dazu auch Münzordnungen und Regelungen über Maße und Gewichte. Zu bedenken ist dabei, dass spätmittelalterliche oder frühneuzeitliche Ordnungen mindestens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts und oftmals darüber hinaus in kaum veränderter Form galten und dass die entscheidende Zäsur in Deutschland erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgte. Dabei wäre es überhaupt interessant, festzustellen, welche Quellengruppen insgesamt zur Verfügung stehen, d. h. z. B., ob in anderen territorialen Bereichen ein ähnlich strenges Geleitssystem existierte wie im thüringisch-sächsischen Raum mit entsprechenden Quellenüberlieferungen oder ob das Geleitswesen so leger gestaltet war, wie das Thomas Plechatsch über Frankfurt beschreibt.48 Verschiedentlich finden sich auch Quellen, die 45 Beispielhaft ist die Zusammenstellung von Gerhard Hirschmann, Nürnbergs Handelsprivilegien, Zollfreiheiten und Zollverträge bis 1399, in  : Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, Bd. 1, Nürnberg 1967, S. 1–48. Franz Irsigler, Markt- und Messeprivilegien auf Reichsgebiet im Mittelalter, in  : Barbara Döllmeyer u.a. (Hrsg.), Das Privileg im europäischen Vergleich, Bd. 2, Frankfurt am Main 1999, S. 189–214, hat dazu wichtige Hinweise gegeben. Allerdings sollte nicht nur die Existenz eines Privilegs konstatiert, sondern auch die Begründung angegeben werden. Die Bemerkung Irsiglers, »… zum Schluss noch mit wenigen Sätzen auf den Aufstieg des Jahrmarkt- und Messeplatzes Leipzig eingehen« zu müssen, um seine Darstellung »ein wenig abzurunden« (ebd., S. 213), macht nur deutlich, wie wenig Kenntnisse über die sächsische Handelsmetropole vorhanden sind. Dazu passend  : »den Rang eines Frankfurt vergleichbaren ›Reichsmesseplatzes‹ erlangte Leipzig erst durch die beiden großen Privilegien Maximilians I. 1497 und 1507« (ebd.). Vgl. auch Friedrich-Wilhelm Henning, Handelsordnungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit als wirtschaftspolitische Instrumente, in  : Scripta Mercaturae 1970/2, S. 41–64. 46 Zu denken ist z. B. an die Hanserezesse und das Hansische Urkundenbuch sowie an die zahlreichen städtischen Urkundenbücher. 47 Vgl. dazu Lambert F. Peters, Einführung in die Erfassung, Aufbereitung und Analyse von Quellen zur internationalen Handels- und Bankgeschichte. Banco Publico Nürnberg 1621/22–1647/48 – Hamburger Bank 1619 – Amsterdamer Bank 1625, in  : Mitteilungen des Vereins für die Geschichte der Stadt Nürnberg 91, 2004, S. 47–180. 48 Thomas Plechatsch, »Ins Glait nimbt man die Kaufleut an …«, in  : Patricia Stahl (Hrsg.) unter Mitarb. v. Roland Hoede/Dieter Skala, Beiträge zur Geschichte der Frankfurter Messe (= Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, hrsg. v. Rainer Koch, Bd. II), Frankfurt am Main 1991, S. 85–94.

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mit dem untersuchten Ort nur »entfernt« zu tun haben, wie ein »Kaufleutbericht uf den Zol zu Aderberg« (Oderberg) von 1548, der nicht nur ausführlich informiert über den Warentransport zu Lande und auf der Oder zwischen Stettin und Frankfurt an der Oder, sondern auch über außerordentliche Zollsteigerungen. Nach Möglichkeit sollten die Ergebnisse kartographisch umgesetzt werden, ähnlich wie bei der Karte Nr. 4 zu den »Messen und Jahrmärkte(n) in Lothringen und Luxemburg«.49 Im Ergebnis wird sich mit größter Wahrscheinlichkeit zeigen können, warum dieses oder jenes Marktprivileg keinen Erfolg brachte und ob die politischen Machtverhältnisse oder wirtschaftliche Veränderungen im Umfeld eine Rolle spielten.50 Schließlich sind Privilegien keine prophylaktischen Festlegungen in der Hoffnung, es werde sich schon etwas tun. Vielmehr bin ich überzeugt, dass Privilegien oder Sonderrechte zunächst einen Status quo beschreiben, ein Ergebnis und eine notwendige Folge aufgrund einer bestehenden wirtschaftlichen Situation.51 Ernst Hasse hat dazu am Beispiel der Privilegierung der Leipziger Märkte durch Maximilian I. treffend bemerkt, »dass durch die Privilegien … factisch kein neuer Zustand geschaffen worden, der längst bestehende Zustand nur mit einem neuen Rechtsschutz umgeben worden sei«.52 Privilegien, die diesen Voraussetzungen nicht entsprachen, waren bald zum Scheitern verurteilt. Die Beachtung der oben genannten Grundlagen ergibt für den mitteldeutschen Raum am Ausgang des Mittelalters und zu Beginn der Frühen Neuzeit eine recht übersichtliche Situation  : das benachbarte Halle mit ähnlichen verkehrspolitischen Voraussetzungen wie Leipzig unterstand dem Erzbischof von Magdeburg, der seine Stadt in entscheidenden Zeiten nicht unterstützen konnte oder wollte, weil er mit der städtischen Obrigkeit im Streit lag.53 Erfurt – mit einem kaiserlichen Marktprivileg von Kaiser Ludwig 1331 zunächst mit besseren Voraussetzungen als Leipzig – war nur eine Enklave in Thüringen und das Stadtoberhaupt war der weit entfernte Erzbischof von Mainz, der auch nur sehr begrenzt seine Stadt unterstützen konnte und wollte. Naumburg, ebenfalls eine Bischofsstadt, konnte gegen das mit Unterstützung des wettinischen Landesherrn Leipzigs wirtschaftlich expandierende Bürgertum auf Dauer nicht als ernsthafter Konkurrent bestehen.54 49 Pauly, Der Beitrag der Messen und Märkte, S. 308. 50 Vgl. dazu Volker Henn, Mißglückte Messegründungen des 14. und 15. Jahrhunderts, in  : Peter Johanek/Heinz Stoob (Hrsg.), Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit, Köln 1996, S. 205–222. 51 Ernst Hasse, Geschichte der Leipziger Messen, Leipzig 1885, ND 1963, S. 19. Das hinderte ihn allerdings nicht, das Privileg von 1458 zu ignorieren (s. u.). 52 Ebd. 53 In den entscheidenden Jahren war der jüngere Bruder des sächsischen Kurfürsten Friedrich III. des Weisen, Ernst (geb. 1465  !), von 1476–1513 Erzbischof von Magdeburg und Stadtherr von Halle. 54 Unsere Kenntnisse sind seit der Darstellung von Ernst Hasse 1885 noch nicht entscheidend vorangekommen.

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Entscheidend war dagegen, dass die Wettiner als Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen schon frühzeitig (1268) Kaufleuten und Warentransporten den Geleitsschutz (auf der Grundlage des Sachsenspiegels) auf den nach Leipzig führenden Straßen zusicherten und durchsetzten – zweifellos nicht unter dem Aspekt, dass nun die auswärtigen Kaufleute sich daraufhin auf den Weg nach Leipzig machen würden. Schließlich erhielten die Wettiner 1423 die sächsische Kurwürde und dominierten damit den thüringisch-sächsischen Raum.55 Unbestritten ist es auch dem Zusammenspiel von Landesherrschaft und städtischem Bürgertum zu verdanken, dass die Leipziger Märkte die Oberhand über ihre mitteldeutschen Konkurrenten erwarben und behielten. Die Marktverordnungen, d. h. die Regelung von Ankauf und Verkauf, die Errichtung von Kauf- bzw. Verkaufshäusern, Waageordnungen und der dazu erforderliche bürokratische Aufwand lassen erkennen, wie schnell und umfassend sich die Städte auf den Handel ein- und umstellen konnten und mussten, um den Anforderungen gerecht zu werden, und sich das gesamte gesellschaftliche Leben veränderte. Welche umfangreichen Informationen über das Geschehen im Marktgeschäft zu gewinnen sind, habe ich in der »Einführung« zu meiner Studie über die »wirtschaftliche[n] Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen« anhand der Quellen zusammengefasst. Bevor ich dazu Beispiele nennen werde, muss ich die bereits angedeutete beschämende Fehlleistung bei der Interpretation eines Privilegs für Leipzig mit ihren verheerenden Folgen für das bisherige Geschichtsbild näher benennen  : Mit schon fast schizophrenem Eifer wurde und wird die Existenz eines dritten Marktes, des Neujahrsmarktes, von Leipziger Historikern geleugnet oder ignoriert. Dieser Neujahrsmarkt wurde Jahrzehnte vor den Oster- und Michaelis-Märkten durch den sächsischen Kurfürsten Friedrich II. den Sanftmütigen privilegiert und danach (1466) auch durch Kaiser Friedrich III. Es ist das erste kaiserliche Privileg für einen Leipziger Markt. Verantwortlich für diese Fehlleistung ist zunächst der schon genannte Ernst Hasse, der im Gegensatz zu seiner Würdigung der Privilegien Maximilians 1885 schrieb, dass »der Neujahrsmarkt (1458) erst ins Leben gerufen wurde und nicht ein schon thatsächlich bestehender Markt nur rechtlich anerkannt und mit Privilegien geschützt« wurde.56 Dieser Gedanke wurde 1925 von dem namhaften Leipziger Ernst Kroker, dem ehemaligen Direktor der Stadtbibliothek und damit auch Chef des Rats-(Stadt-)Archivs aufgegriffen, der 1925 feststellte, dass das Privileg von 1458 »ein fürstliches Geschenk (war), das ganz freiwillig« gegeben wurde.57 Beide haben damit von vornherein für diesen dritten Markt nicht gelten lassen, was Hasse für die beiden 55 Vgl. Karlheinz Blaschke, Die Kurfürsten von Sachsen als Förderer der Leipziger Messe. Von der landesgeschichtlichen Grundlegung zur kontinentalen Wirkung, in  : Zwahr/Topfstedt/Bentele, Leipzigs Messen 1497–1997, Teilbd. 1, S. 61–73. Vgl. zur Thematik auch Christian Hesse, Handel und Straßen. Der Einfluss der Herrschaft auf die Verkehrsinfrastruktur in Fürstentümern des spätmittelalterlichen Reiches, in  : Schwinges (Hrsg.), Straßen- und Verkehrswesen, S. 229–255, sowie Klaus Brandstätter, Straßenhoheit und Straßenzwang im hohen und späten Mittelalter, in  : ebd., S. 201–228. 56 Hasse, Geschichte, S. 12. 57 Kroker, Handelsgeschichte.

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anderen als selbstverständlich und richtig voraussetzte, dass nämlich »die Leipziger Messen … eben sowenig wie irgend welche andere Messen aus dem Willen, aus der Feststellung oder Anordnung irgend Jemandes entstanden« sind. »Sie sind geworden, sie sind aber nicht gemacht worden.«58 Der Negierung des Neujahrsmarktes folgten kritiklos alle Historiker und Publizisten bis heute, und sie sehen zugleich allein in den Privilegien Maximilians I. von 1497 und 1507 die Voraussetzung für die Entwicklung der beiden Märkte zu Ostern und Michaelis. Besonders ärgerlich ist außerdem, dass bis in die Gegenwart in der Literatur von den »kaiserlichen« Privilegien gesprochen und geschrieben wird, obwohl überall nachzulesen ist, dass Maximilian weder 1497 noch 1507 schon zum Kaiser gekrönt war. An dieser Stelle kann nur der ehemalige Zwickauer Stadtarchivar Karl Steinmüller zitiert werden, der die »Minderbewertung der Rolle Leipzigs im Spätmittelalter« zurückführte »auf mangelnde Kenntnis und ungenügende Auswertung bestimmter handelsgeschichtlicher Fakten und sozialökonomischer Daten«.59 Tatsächlich ist nachgewiesen, dass diese Privilegien keinerlei Auswirkungen auf die unmittelbar folgenden Jahrzehnte für den Handel in Leipzig besaßen  : Die Einnahmen der Stadt aus den Großen Märkten – vor allem die Einnahmen der Waage von den zu handelnden Waren – blieben davon unberührt bis mindestens um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Noch bedeutsamer ist aber, dass diese Einnahmen in gleicher Höhe schon 40 Jahre vor den Privilegien Maximilians I. kassiert wurden.60 Rechnungsjahr

Waageeinnahmen/Standgeldeinnahmen in Schock (60) Groschen Ostermarkt (OM)

Michaelismarkt (MM)

Neujahrsmarkt (NM)

1472/73

190 ß/135 ß

149 ß/  95 ß

166 ß/  74 ß

1477/78

208 ß/177 ß

165 ß/162 ß

212 ß/120 ß

1482/83

178 ß/151 ß

167 ß/152 ß

218 ß/120 ß

1487/88

223 ß/186 ß

215 ß/158 ß

240 ß/127 ß

1492/93

210 ß/151 ß

164 ß/144 ß

199 ß/123 ß

1497/98

202 ß/135 ß

139 ß/122 ß

174 ß/103 ß

1502/03

172 ß/127 ß

160 ß/108 ß

224 ß/103 ß

1507/08

249 ß/123 ß

218 ß/120 ß

273 ß/113 ß

1512/13

274 ß/136 ß

273 ß/133 ß

244 ß/114 ß

1517/18

240 ß/134 ß

189 ß/135 ß

232 ß/104 ß

58 Hasse, Geschichte, S. 1. 59 Karl Steinmüller, Die Gesellschaft der Kaufleute in Leipzig im 15. und 16. Jahrhundert, in  : Forschungen aus mitteldeutschen Archiven. Zum 60. Geburtstag von Hellmut Kretzschmar, Berlin 1953, S. 127–140. 60 Vgl. dazu  : Manfred Straube (Hrsg.), Wirtschaftliche Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen. Statistische Zeugnisse aus den Leipziger Stadtrechnungen 1471/72 bis 1814/15, Leipzig 2015.

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Da die Organisation und eine fortlaufend hohe Frequenz eines Großen Marktes Jahrzehnte Vorlauf für einen gleichbleibenden hohen Warenaustausch benötigte, ist es nicht vermessen, zu behaupten, dass der Aufschwung aller drei Leipziger Großen Märkte mindestens in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückzuverlegen ist, korrespondierend mit den ausführlichen Erfurter Geleitsordnungen von 1315 und von 1441 und zahlreichen Einzelinformationen. Dazu gehört z. B., dass es dem Leipziger Rat 1419 gelang, bei Papst Martin V. zu erreichen, dass der Kirchenbann auf auswärtige Kaufleute – vorwiegend wohl aus Böhmen – für die Besucher der Leipziger Märkte nicht gelten sollte. Sicher nicht ohne Grund hat Bischof Johann von Merseburg denjenigen einen 40-tägigen Ablass gewährt, die die Straßen und Brücken auf dem Wege nach Leipzig unterhielten bzw. ausbesserten.61 Noch weiter zurückgreifend wäre auch das Geleitsprivileg Markgraf Dietrichs von Landsberg vom 1. März 1268 zu beachten, wonach »alle Kaufleute, woher sie auch sein mögen, wenn sie Kaufmanns waren in unsrer … Stadt Leipzig erwerben wollen oder besitzen, auch wenn wir gerade mit den Herren genannter Kaufleute in offener Fehde stehen sollten, in dieser unsrer Stadt nicht behindern oder ihre Güter beschlagnahmen werden oder dulden, dass sie von einem andern beschlagnahmt werden. Vielmehr wollen wir diese Kaufleute, wer sie auch sein mögen, dadurch dass sie Kaufmanns waren in diese Stadt eingeführt haben, soweit wir können schützen und begünstigen.«62 Mit anderen Worten  : Bereits 1268 spielen auf den Märkten in Leipzig auswärtige Kaufleute eine herausragende Rolle, die noch näher untersucht werden muss. Bemerkenswert erscheint auch, dass der Neujahrsmarkt wenige Jahre nach seiner Privilegierung einen höheren Zuspruch hatte als die seit Jahrzehnten existierenden traditionellen Oster- und Michaelismärkte und dass damit die drei Leipziger Großen Märkte schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine dominierende Rolle im Warenaustausch auf deutschem Territorium einnahmen. So schmerzlich es für viele Leipziger sein mag, dass die Rolle Maximilians stark reduziert werden muss, umso bedeutsamer scheint mir die bis in das frühe 15. Jahrhundert zurückreichende hervorragende Funktion der drei Großen Märkte und ihre wirkliche kaiserliche Privilegierung 1466.

V Um die wünschenswerten und erforderlichen Ergebnisse zu erzielen, muss aber auch nach dem Wesen Großer Märkte gesucht werden, d. h.: Welches Warenangebot bestimmte zu welcher Zeit das Geschehen auf den Märkten, wie entwickelte sich das wirtschaftliche Umfeld mit Produktions- und Konsumtionszentren in Mittel- und Westeuropa und wie 61 UB Leipzig II, S. 112ff., Nr. 135, 136  ; und UB Leipzig I, S. 124f., Nr. 181. Vgl. Hasse, Geschichte, S. 10f. 62 Müller, Privilegien II, S. 15ff.

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vollzog sich die gegenseitige Verflechtung  ? Es ist eigentlich wenig verständlich, dass zwar eine Vielzahl von Einzeluntersuchungen vorliegt, sich aber nirgends geschlossene Übersichten finden, und dass der von Miroslav Hroch vor fast 50 Jahren gestellten, aber immer noch irgendwie umherirrenden Frage, ob »wir überhaupt von einem wichtigen Warentransport auf dem Landwege (nach Osten) sprechen« können – und zwar noch für das 17. Jahrhundert – nicht grundsätzlich widersprochen wurde. Auch seine weitere fragende Feststellung, »es musste sich um wertvolle und leicht transportierbare Waren handeln, damit sich der weite Transport lohnte, dessen Kosten häufig unberücksichtigt blieben«63, wurde nirgends nachdrücklich zurückgewiesen.64 Ein Blick in gedruckte Quellen hätte schnell die Frage beantwortet. Vielleicht wurden die Aussagen und Ergebnisse aus diesem Sammelband überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Dabei geht es nicht nur um Aspekte der Regional- oder Nationalgeschichte, sondern frühzeitig schon um europäische Dimensionen und – im Sinne Paulys – um europäische Integration. Wenn in Erfurt zu Beginn des 14. Jahrhunderts niederländische und französische Tuche, Tuche aus Aachen und Soest, Heringe, Bücklinge und Stockfisch, Pelze und Felle, Gewürze aller Art und die vielfältigsten Metallwaren, Baumwolle und sogar Papier aus allen Himmelsrichtungen zum Verkauf angeboten oder im Transit durch die Stadt geführt wurden, wenn in Leipzig am Ende des 14. Jahrhunderts Barchent aus Mailand und Augsburg, englische, französische, Aachener und Brabanter Tuche gehandelt wurden – zweifellos auch zum Weiterverkauf in Richtung Osten –, wenn italienische und dalmatinische Weine in Leipzig angeboten wurden, dann nicht um dem Geschmack wohlhabender Sachsen zu entsprechen. Wenn norwegische Fische zum regelmäßigen Angebot gehörten und spanische Gewürze wie selbstverständlich verkauft und gekauft werden konnten, dann hat das nur bedingt mit den Ansprüchen der hiesigen Bevölkerung zu tun, sondern der Handel mit diesen und anderen Waren ist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen europäischen Verflechtungen. Noch erkennbarer werden diese Verflechtungen mit Rohstoffen, auch wenn die Großen Märkte davon nur bedingt tangiert wurden  : Wenn in Zwickau Stahlrohlinge aus der Steiermark zu Sensen verarbeitet und dann weiterverkauft werden, wenn Kupfererz aus den ungarischen Bergwerken über die Karpaten hinweg und durch Schlesien zu der Saigerhütte Hohenkirchen südlich von Gotha geliefert65 und Blei aus England zur Anwendung des Saigerverfahrens importiert wird, um reines Silber zu gewinnen und um schließlich das Kupfer von Hohenkirchen u. a. an die Werften in Norddeutschland und die Niederlande zu verkaufen. 63 Miroslav Hroch, Die Rolle des zentraleuropäischen Handels im Ausgleich der Handelsbilanz zwischen Ost- und Westeuropa 1550–1650, in  : Bog (Hrsg.), Der Aussenhandel Ostmitteleuropas, S. 11. 64 Auch Klaus Heller, Der Handel mit dem Osten in der frühen Neuzeit, in  : Pohl (Hrsg.), Frankfurt im Messenetz Europas, S. 205f., hat sich nur sehr allgemein zu dieser Frage geäußert. 65 Kellenbenz, Das Verkehrswesen, S. 100, war offensichtlich diese Route nicht bekannt, wenn er nur davon schreibt, dass »das unter habsburgischer Herrschaft befindliche Kupfer Oberungarns über Danzig zur Verschiffung« kam.

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Manfred Straube

Wie und unter welchen Umständen konnte der Thüringer Waid als Rohstoff für die Textilfärbung den europäischen Markt erobern und welche Bedeutung hatte die Orientierung auf ein Produkt für die thüringische Landwirtschaft, für das es schließlich jahrelanger Investitionen bedurfte  ?66 Zu nennen sind an dieser Stelle auch die großen Herden von polnischen, russischen und dänischen Ochsen, die durch Mitteldeutschland zum Markt in Buttstedt getrieben wurden zur Versorgung der Bevölkerung am Rhein bis nach Straßburg, z. T. im Auftrag mitteldeutscher Tuchhändler.67 (Hier wurde der Begriff »Ochsenmesse« noch nicht gebraucht  !) Die zweifelnde Frage Hrochs nach dem Umfang des Warenhandels verlangt ebenso eine umfassende und gründliche Antwort. Es sagt m. E. wenig aus, wenn allgemeine Feststellungen getroffen werden, dass dieses oder jenes Produkt von hier nach da transportiert oder gehandelt wurde. Entscheidend ist wohl, auch auf die Quantitäten zu achten und dabei auch auf die jeweils geltenden Maße und Gewichte, und zwar nicht nur – wie bisher oftmals geschehen – lediglich im lokalen oder politisch vorgegebenen Rahmen. Es nützt wenig, wenn von Tuchen in unbestimmter Länge oder von Zentnern mit unterschiedlichen Gewichten die Rede ist, wenn heute nicht das nachgeholt wird, was damals – trotz zahlreicher Forderungen – nicht möglich war  : Gewichte und Maße für korrekte Berechnungen zu vereinheitlichen. Dazu nur zwei Beispiele  : Nach der Erfurter Geleitsordnung von 1441 sollten Geleitsgebühren erhoben werden von Eyn Soum Gewant von Ache, helt 16 Tuch, je von eynem Tuch 9 d  ; eyn Soum Gewant von Ippern, do in eynem Soum 12 Tuch, von dem Tuche 10 d  ; eyn Stucke Gewant von Nürmbergk, Franckfurt, Erfurdt helt 16 Tuch und von dem Tuch 6 d. Solange wir z. B. nicht wissen, was ein Soum oder Stuck im Einzelnen bedeuten, wird es immer Schwierigkeiten geben, Qualität, Quantität und Preis von Tuchen zu bestimmen.68 Das zweite Beispiel betrifft das Gewicht von Zentnern  : 1517/18 schlugen Leipziger Ratsmitglieder vor, hinfurder den Zentner, wie es zu Nürnberg üblich war, in 100 Pfund zu teilen und nicht wie bisher in 110 Pfund, und danach alle Waren zu wiegen und zu verkaufen. Das wurde dem Kaufman annemblich und lieb viel leichter in der Rechnung und dem gemainen Man in allem zutreglich. Dieser Vorschlag scheint den anderen Leipziger Ratsmitgliedern wohl zu weit gegangen zu sein, denn es wurde in der Ordnung nur entschieden  : es sol auch ein Eichzentner von Nürnberg bestelt und sonst die Gewichte gelassen werden wie vor alters.69 66 Vgl. Astrid Schmidt-Händel, Der Erfurter Waidhandel an der Schwelle zur Neuzeit, Frankfurt am Main 2004. 67 Ekkehard Westermann (Hrsg.), Internationaler Ochsenhandel (1350–1750). Akten des 7. International Economic History Congress (Edinburgh 1978), Stuttgart 1979. 68 Henn, Jahrmärkte und Messen, S. 274 Anm. 18f., über die Tuchproduktion in Göttingen und Köln  : Die Kölner Tuche hatten 48 Ellen, die Braunschweiger nur 30 Ellen. Über die Breite ist nichts erwähnt. Vgl. zu den Unterschieden der Görlitzer Tücher zu den westdeutschen Tüchern Horst Jecht, Beiträge zur Geschichte des ostdeutschen Waidhandels und Tuchmachergewerbes, II. Teil, Görlitz 1924, S. 107f. Anm. 7. 69 Stadtarchiv Leipzig, Tit. LX (F) B Nr. 9b, p. 31v. Vgl. dazu Manfred Straube, Waageordnungen der

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Zu den Maßen gehören auch die möglichen Belastungen von Wagen und Karren. Um deutlich zu machen, wie schwierig es ist, eine zufriedenstellende Antwort zu finden, will ich wenigstens einige Beispiele aus Quellen meines Untersuchungsgebietes zitieren  : In Erfurt wurden am 12. September 1526 3 Wagen mit 110 Ztr. Kupfer registriert, am 14. September 4 Wagen mit 137 Ztr., am 21. September 3 Wagen mit 119 Ztr.70 An anderer Stelle wird festgehalten, dass auf einem Wagen mit Kupfer 40 und etliche Zentner mehr geladen werden konnten, über das gebirge nur etwas mehr als 30 ctr.71 Es ist wohl schon ein Unterschied, ob ein Wagen mit Rohkupfer 30 oder 50 Ztr. geladen hat oder ob auf einem Karren 20 oder 30 Ztr. Salz transportiert werden können. Dass dabei auch die Bespannung und die Ausstattung der Wagen eine Rolle spielten, ist eine andere Frage, auf die ich später noch eingehen möchte. In diese Problematik hinein passt ausgezeichnet eine Anfrage des Frankfurter Stadtrates an den Leipziger und dessen Antwort  : Bedenken über des Raths zu Frankfurt am Mayn Begehren, sich mit ihm zu confirmieren, dass auf einen Lastwagen mehr nicht als 50 biß 54 ctr. geladen werden dürfte. Der Anlass zu dieser Anfrage war die unterschiedliche Zollbelastung der Transporte in Frankfurt und in Leipzig  : In Frankfurt wurde der Zoll nicht nach Pferden, sondern nach Wagen berechnet. Fuhrleute, besonders die in die Schweitz und ins Reich fahren, hatten deshalb oft 70–80 ctr. auf ihre Wagen geladen und mit 7–9 Pferden bespannt, davon 2–3, die sie unterwegs als Vorspann nahmen. Wenn die Fuhrleute nur 54 Ztr. laden dürften, müssen sie nun für die übrigen 20–30 Ztr. ein weiteres »Kopfstück« zahlen. In Leipzig galten mit dem Pferdegeleit andere Bezahlungsbedingungen, d. h., die Gebühren wurden nach der Anzahl der Pferde berechnet. Deshalb war das Frankfurter Be­ gehren für die Leipziger gegenstandslos. Außerdem könne man auf einen mit 9 Pferden bespannten Wagen nicht mehr als 60 Ztr. laden, denn man rechnete auf ein Pferd 7 ctr. (in Frankfurt rechnet man auf ein Karrenpferd 10 Ztr.). Außerdem sei ein großer Unterschied zu machen zwischen starken, mittleren und kleinen Pferden und schließlich sei die unterschiedliche Jahreszeit und der Zustand der Straße (böse und tiefe Wege) zu bedenken.72 Die Problematik wird auch deutlich am Transport von Wein oder Fisch in Fässern. Gleiches gilt für Münzangaben, die auf eine einheitliche Wertberechnung gebracht werden sollten. Dass diese Forderung nicht überzogen ist, zeigt beispielgebend der Beitrag von Ekkehard Westermann über »Gewichtsverhältnisse, Preise und Frachtkosten im Fuggerschen Kupfergeschäft zu Neusohl, Krakau, Breslau, Stettin, Stralsund und Danzig in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts«.73 Leipziger Messen zu Beginn des 16. Jahrhunderts, in  : Helmut Bräuer (Hrsg.), Viatori per urbes castraque. Festschrift für Herwig Ebner, Graz 2003, S. 667–684. 70 1526  ; ThHStA Weimar, Reg. 733a. 71 Ebd., Reg. Cc 303, 1549. 72 Um 1670. StAL – Tit. XVIII (F) Nr. 1b, p. 213. 73 Ekkehard Westermann, Gewichtsverhältnisse, Preise und Frachtkosten im Fuggerschen Kupfergeschäft zu Neusohl, Krakau, Breslau, Stettin, Stralsund und Danzig in der ersten Hälfte des 16. Jahr-

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Manfred Straube

Diese Warenangebote und Warenströme – angefangen von Alaun bis Zinn – müssen für alle Märkte einzeln ermittelt, nach den unterschiedlichen Zeiten möglichst quantifiziert und die Ergebnisse miteinander verbunden werden, um ein konkretes Bild schaffen zu können. So lassen sich nach meiner Meinung das großräumige wirtschaftliche Umfeld und die Beziehungen zu den verschiedenen Produktions- und Konsumtionszentren und zu umliegenden Märkten in ganz Europa erfassen. Eine überaus günstige Quellenlage hat für den mitteldeutschen Raum entsprechende Ergebnisse ermöglicht. Auch hier hat Rothmann für Frankfurt schon zahlreiche Beispiele geliefert, die verbunden werden müssten, und Carsten Jahnke hat mit seinem »Silber des Meeres« Maßstäbe gesetzt und deutlich gemacht, welche Potentiale für die Handelsgeschichte und Geschichte der Märkte derartige Studien bieten. Doch sind die Arbeiten von Rothmann und Jahnke einsame Leuchtfeuer. Die Arbeit von Astrid Schmidt-Händel über den Waidhandel kann hier nicht so positiv genannt werden74, die von mir betreute Dissertation von Dieter Postier über den Salzhandel ist leider ungedruckt geblieben und wohl nur in den fünf Pflichtexemplaren erhalten.75

VI Als Konsequenz zu den vorhergehenden Antworten erschließt sich ein weiterer Aufgabenkomplex  : die Organisation des Marktgeschehens. Dazu gibt es ebenfalls eine Reihe von Untersuchungen, ein zu verallgemeinerndes Bild ist aber noch nicht entstanden. Vielleicht ist es als selbstverständlich angesehen worden, wie der Handel und seine Kontrolle vor Ort organisiert wurden, angefangen von der Durchsetzung der Markt- und Geleitsordnungen, die wiederum ständig den neuesten Anforderungen angepasst werden mussten, über die notwendigen Veränderungen in der Baustruktur der Marktstädte – bis heute oftmals noch sichtbar und bereits von Irsigler angesprochen – mit Verkaufshäusern oder Verkaufsräumen, mit Gaststätten und Herbergen76, Stallungen und Parkplätzen bis hin zu Zahlungsmodalitäten und zur Anlage von Rechnungsbüchern. hunderts. Aus Vorarbeiten und -überlegungen zu einer möglichen Edition, in  : Elkar u.a. (Hrsg.), »Vom rechten Maß der Dinge«, 1. Teilbd., S. 166–181. Diese Edition liegt inzwischen vor  : Ekkehard Westermann/Markus A. Denzel, Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548, Stuttgart 2011. Welche Erkenntnispotenzen die Erforschung der Preise besitzt, zeigen HansJürgen Gerhard/Alexander Engel, Preisgeschichte der vorindustriellen Zeit. Kompendium auf Basis ausgewählter Hamburger Materialien, Stuttgart 2006  ; Hans-Jürgen Gerhard/Karl Heinrich Kaufhold (Hrsg.), Preise im vor- und frühindustriellen Deutschland, Bd. 1  : Grundnahrungsmittel, Göttingen 1990  ; Bd. 2  : Nahrungsmittel, Getränke, Gewürze, Rohstoffe und Gewerbeprodukte, Stuttgart 2001. 74 Schmidt-Händel, Der Erfurter Waidhandel. 75 Dieter Postier, Produktion, Transport und Absatzgebiete des Salzes thüringisch-sächsischer Salinen unter frühkapitalistischen Produktionsverhältnissen, phil. Diss. Päd. Hochschule Leipzig 1979. 76 Dazu Kümin, Wirtshaus, Reiseverkehr und Raumerfahrung.

Aktuelle Fragen der deutschen und internationalen Messegeschichte

So wird in Leipzig schon lange vor den Maximilianischen Privilegien das Gewandhaus errichtet, im Übrigen nach Aufforderung durch den Landesherrn, in dem noch vor 1497 über 300 Tuchverkaufsstände (Große Buden) aufgebaut werden konnten  ; die Verkaufsstände auf dem Markt (Kleine Buden) und unter dem Rathaus mussten neu geordnet werden. Gleiches galt für die Waage. Es ist schon erstaunlich, dass die Leipziger jahrzehntelang Rechnungsbücher für die Waage anlegten und darin neben den Einnahmen auch die Schuldner benannten, es aber nicht fertigbrachten, die Schuldenangaben in das darauf folgende Rechnungsbuch zu übertragen und dann einzutreiben, sondern einfach »zu vergessen«. Im Ergebnis musste eine gut ausgebildete und gut funktionierende städtische Bürokratie aufgebaut werden, die auch das sonstige städtische Leben bestimmte. Hier wäre auch die unmittelbare Organisation des Handels zu erfragen  : Kam es zum einfachen Angebot und einer entsprechenden Nachfrage, wie wir es von den einfachen Märkten kennen  ? Wer bestimmte über die Preise und wie reagierte der Markt auf Produktions- oder Angebotsschwankungen  ? Wenn wir uns vor Augen halten, dass zum Ostermarkt 1492 im Gewandhaus 305 große Verkaufsbuden aufgestellt und an Mietgebühren 305 Schock gr eingenommen wurden – die Miete betrug bis zum 30-jährigen Krieg 22 gr –, ist ein hoher Warenwert der hier angebotenen Tuche aus Thüringen, Sachsen, aber auch aus den Niederlanden, Frankreich und England anzunehmen77  ; demgegenüber musste aber in gleicher Höhe ein Geldwert stehen. Wer kaufte aber die Tuche mit Bargeld, ein Leipziger Ratsherr oder auch eine Krämerinnung, unter Umständen zum Weiterverkauf  ? Mit anderen Worten, es kursierte eine große Menge an Bargeld unter der Bevölkerung, vor allem unter jenem Anteil, der sich derartige Käufe »leisten« konnte. Und was passierte, wenn am Ende des Marktes nicht alle Tuche verkauft waren  ? Nach entsprechenden Quellenaussagen konnte ein Teil der unverkauften Waren in Leipzig bis zum nächsten Markttermin deponiert werden. Wurden dann die alten Preise beibehalten  ? Es ist selbstverständlich, dass die Beantwortung dieser aktuellen Fragen nur gegeben werden kann in Zusammenfassung der Ergebnisse aus den anderen Fragestellungen. Ein Vergleich derartiger Entwicklungen im Aufbau einer städtischen Bürokratie in Europa lässt auch entscheidende Rückschlüsse über die wirtschaftlichen Situationen zu.

VII Besondere Aufmerksamkeit verlangen auch die dominierenden Akteure der Handelsgeschäfte – neben den Fuhrleuten vor allem die Kaufleute. Die Frage ist, welcher Kaufmann hat sich wie und mit welchen Waren am Fernhandel beteiligt  ? Zweifellos eine besonders schwierige und zeitaufwändige Aufgabe, aber nach meiner Meinung unbedingt erforder77 Da nach Pohl, Einführung, auf den Märkten »östlich des Rheins« bis in das 18. Jahrhundert hinein wenig Finanz-, d. h. Wechselgeschäfte betrieben wurden und die Märkte ihre althergebrachte Handelstätigkeit weiterführten, müssen die Kaufleute ihr Handelsvermögen ständig bei sich geführt haben.

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lich, um die anderen, meist anonymen Forschungsergebnisse mit Leben zu erfüllen, damit aber nicht nur interessanter zu machen, sondern entscheidend das Gesamtbild von Marktleben und Warenaustausch bestimmen zu können. Man könnte auch von einer Personifizierung des Fernhandels sprechen. Das gilt besonders, aber nicht nur für die Leipziger Märkte. In Leipzig gab es keine Handelsgesellschaften wie in Oberdeutschland und dementsprechend auch keine Archive und nur spärliche Nachrichten über die Handelsleute. Es gibt aber umfassende Nachrichten über Leipziger Kaufleute, die zu den Frankfurter Märkten reisten, und ebenso lange Namenslisten von Frankfurter oder schwäbischen Kaufleuten, die zu den jährlichen drei Großen Märkten nach Sachsen oder zum Naumburger Markt reisten. Zu den beiden Märkten in Frankfurt am Main 1539 beantragten 52 Leipziger Kaufleute Geleitschutz  ;78 in einem Verzeichnis der Kaufleute, die vom 27.9.1547 bis 17.4.1548 in Rattelsdorf zu Pferd oder auf einem Wagen von und nach Naumburg und Leipzig unterwegs waren, werden 131 Personen genannt und vom 1.5.1557 bis zum 30.4.1558 erhielten 438 Personen in Coburg Geleit auf dem Wege von und nach Leipzig und Naumburg, 152 Personen allein kamen vom Leipziger Ostermarkt 1557. Aus 6 Coburger Geleitsverzeichnissen zwischen 1527/28 bis 1558/59 konnten 590 Kaufleute als Besucher der Leipziger Großen Märkte ermittelt werden, darunter allein 139 zu den drei Märkten 1556/57. Aber auch böhmische Kaufleute besuchten mindestens seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die mitteldeutschen Märkte.79 Ekkehard Westermann hat schon vor fast 40 Jahren – in Anlehnung an die Untersuchungen Jacob Strieders80 – auf die fast 300 Leipziger Kaufleute oder Kaufleutegesellschaften verwiesen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach Frankfurt zu den dortigen Märkten reisten.81 Aufgrund dieser Quellenangaben halte ich es nicht für angemessen, zu schreiben, dass »der überregionale Handel … seit dem ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert große Umstrukturierungen« erfuhr, »so dass seine Abwicklung nun hauptsächlich durch große Handelsorganisationen und mächtige international arbeitende und untereinander versippte Fernhändlerfamilien erfolgte«82.

78 Darunter Wiegand Bachofen, Sigmund Bräutigam, Melchior Lotter und Heinrich Scherl bereits zum fünften Mal. 79 Im Stadtarchiv von Eger (Cheb), Fasc. 264 A 739, finden sich Anträge auf Geleit zu den Naumburger und Leipziger Märkten seit 1436 und 1453. Dabei ist aufschlussreich, dass die Ratsmitglieder die Märkte besuchen durften, ohne Gebühren zu zahlen. Vgl. dazu vor allem Erich Wild, Egerer auf den Messen zu Leipzig und Naumburg in alter Zeit, in  : Unser Egerland 31/1, 1927, S. 7–11. 80 Jacob Strieder, Bürger, Kaufleute und Einleger aus Leipzig, die von 1556–1597 die Messen zu Frankfurt am Main besuchten, in  : Scripta Mercaturae 1967/1, S. 36–41. 81 Ekkehard Westermann, Zur künftigen Erforschung der Frankfurter Messen des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Ein Wegweiser zu ungenutzten Quellen, in  : Jürgen Schneider (Hrsg.), Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege, II  : Wirtschaftskräfte in der europäischen Expansion. Festschrift für Hermann Kellenbenz, Stuttgart 1978, S. 245–265. 82 Pohl, Einführung, S. VIII.

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Mir scheint es deshalb auch fragwürdig und wissenschaftlich nicht zu verantworten, wenn jetzt davon geschrieben wird, dass diese großen Handelsgesellschaften bereits im 16. Jahrhundert zu 2/3 den damaligen Handel dominierten, wenn einzelne Kaufleute regelmäßig zu Hunderten zu den Großen Märkten zogen. Wenn der Gesamtumfang des Warenaustauschs nicht bekannt ist, sind auch Anteilsberechnungen gegenstandslos. Gleichzeitig halte ich es für wenig verständlich, wenn die großartigen gedruckten »Deutsche(n) Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit«, angefangen von der »Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft« durch Aloys Schulte83 bis hin zu den »Quellen und Regesten zu den Augsburger Handelshäusern Paler und Rehlinger 1539–1642« von Reinhard Hildebrand84 kaum oder nicht beachtet und ausgewertet werden, um dann eine solche Wertung vorzunehmen. Es bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass »Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg um 1548« die ihm zustehende Beachtung findet (s.o.). Völlig unverständlich ist für mich auch, dass man bei Beiträgen zur Hansegeschichte auf die »Hanserezesse« verzichten kann.85 Den Handelsgeschäften dieser »reisenden« Kaufleute in den verschiedenen lokalen Archiven nachzuspüren, kann mit Sicherheit zu vielfältigen Erkenntnissen führen, erfordert zugleich weiträumige, verschiedentlich sogar europäische Zusammenarbeit. Hier gibt es erhebliche Defizite. Welche Möglichkeiten sich aber bieten, zeigen das Geschäftsgebaren und das Testament von Heinrich Scherl, der 1506 mit relativ kleinem Vermögen von Nürnberg nach Leipzig kam und 1548 als reichster Bürger der Stadt verstarb.86 Er hat übrigens mindestens fünf Mal die Frankfurter Märkte besucht. Ich möchte nun z. B. wissen, welche Geschäfte Scherl in Frankfurt betrieben hat, oder was ihn veranlasst hat, in Danzig Geschäfte zu vereinbaren. Die gleiche Frage gilt auch Blasius Salomon, einem Buchführer, der 1519 und 1539 von Leipzig aus Geleit in Coburg auf dem Wege nach Frankfurt beantragte und 1524 Handelsverbindungen mit 169 fl 4 gr 6 d nach Danzig hatte.87 Ebenso aufschlussreich wären Information über Lorenzo de Villano, der 1529/30 Geleit in Coburg nach Leipzig beantragte und dessen Güter 1540 in Danzig beschlagnahmt wurden.88 Wenn wir derartige Fragen beantworten können, können wir auch die europäischen Verflechtungen begreifen und würdigen.

83 Aloys Schulte, Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, 1. Bd., Stuttgart/Berlin 1923, ND. Wiesbaden 1964. 84 Reinhard Hildebrand (Hrsg.), Quellen und Regesten zu den Augsburger Handelshäusern Paler und Rehlinger 1539–1642, Teil 1, Stuttgart 1996  ; Teil 2, Stuttgart 2004. 85 Vgl. Joachim Deeters, Hansische Rezesse. Eine quellenkundliche Untersuchung anhand der Überlieferung im Historischen Archiv der Stadt Köln, in  : Rolf Hammel-Kiesow (Hrsg.), Das Gedächtnis der Hansestadt Lübeck, Lübeck 2005, S. 427–446. 86 Vgl. dazu Manfred Straube »Hab und Güter, die mir der allmächtige Gott gnädiglich bescheret hat …«. Das Testament des Leipziger Kaufmanns Heinrich Scherl (1475–1548), Leipzig 2006. 87 StadtA Danzig (heute  : Archiwum Panstwowe w Gdañsku), 23 C 1 – 38 – 5. 88 Ebd., 23, C 1 – 38 – 17.

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Eine erste Aufgabe wäre, zu ermitteln, wer in den verschiedenen Städten nachweisbar oder möglicherweise womit Fernhandel betrieb und entsprechende Namenslisten zusammenzustellen. Wenn ich von den Leipziger Möglichkeiten ausgehe, dann wären das zunächst die Ratsmitglieder, danach die in den Bürgerlisten verzeichneten Kaufleute und schließlich jene Kaufleute, die nachweislich zu anderen Märkten reisten. Es wird sich zeigen, dass bestimmte Namen in allen drei Kategorien auftauchen.89 Aus den erhofften Antworten auf diese Forschungsschwerpunkte ergeben sich unmittelbar wiederum weitere Fragen, die auf den ersten Blick nur indirekt zur Geschichte der Großen Märkte gehören, die aber nach meiner Meinung unbedingt beachtet werden müssen, wenn es um das Wie, das Woher und das Wohin und um die jeweiligen Produktions- und Konsumtionszentren geht, dann auch um den Straßenverlauf und die Transportbedingungen. Selbst über den Verlauf der großen Straßen liegen nur unvollständige Ergebnisse vor  ; Erkenntnisse über die Nebenstraßen. Fluss- und Gebirgsübergänge und vor allem über die Transportbedingungen fehlen fast vollständig. Hier scheint mir eine Überarbeitung und wesentliche Erweiterung der »Hansischen Handelsstraßen« notwendig.90 Eine weitere Forschungsfrage, die mich besonders interessiert und deren Ergebnisse, die ich für wesentlich halte für ein vervollkommnendes Bild von den Großen Märkten und vom Warenhandel, ist die nach dem Warentransport. Es sind die Fragen nach der Logistik des termingerechten Transports, nach Berücksichtigung besonderer Schwierigkeiten, nach ausreichenden Transportkapazitäten und danach, wie es möglich war, nicht nur den Transport zu den Märkten zu garantieren, sondern auch Frachtgüter von anderen Märkten oder den Konsumtionszentren zu erhalten. Für den mitteldeutschen Raum ließen sich jedenfalls keine Leerfahrten – mit Ausnahme des stadtnahen Verkehrs zwischen Grimma und Leipzig – nachweisen  ; die Gegenfracht zu ungarischem Kupfer z. B. war Thüringischer Waid, umgeladen in Großenhain. Auch hier musste eine umfassende Organisation greifen, wenn die Märkte zum Erfolg geführt werden sollten. Damit verlangt der andere Teil der Handelsakteure besondere Aufmerksamkeit – die Fuhrleute, deren Rolle bisher kaum beachtet wurde.91 89 Wichtige Vorarbeiten für Leipzig haben geleistet Henning Steinführer, Der Leipziger Rat im Mittelalter. Die Ratsherren, Bürgermeister und Stadtrichter 1270–1539, Dresden 2005, S. 57, sowie Steinmüller, Die Gesellschaft der Kaufleute. 90 Friedrich Bruns/Hugo Weczerka, Hansische Handelsstraßen. Teil 1  : Atlas, Köln/Graz 1962  ; Teil 2  : Textband, Köln/Weimar 1967  ; Teil 3  : Registerband, Weimar 1968. Vgl. dazu auch die Hinweise von Dietrich Denecke, Methoden und Ergebnisse der historisch-geographischen und archäologischen Untersuchung und Rekonstruktion mittelalterlicher Verkehrswege, in  : Herbert Jankuhn/Reinhard Wenskau, Geschichtswissenschaft und Archäologie, Sigmaringen 1979, S. 433–485. 91 Die bisher kaum bekannten materialreichen Studien von Peter Moser, Mittel- und Nordwesteuropäischer Landtransport. Die Frammersbacher Fuhrleute und ihr Beitrag zur Transportgeschichte (15.–19. Jahrhundert), phil. Diss. Erlangen 1990, liefern zahlreiche konkrete Angaben über das Fuhrmannswesen.

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Auch wenn es scheinen könnte, ich würde den Bogen überspannen, so will ich dennoch dazu Fragen stellen, die eigentlich zur Sozialgeschichte gehören, sich aber direkt mit der Handels- und Verkehrsgeschichte verbinden lassen, und die mich im besonderen Maße beschäftigen. Gefundene Antworten können dazu beitragen, neue Einblicke in die jeweiligen Zeitabschnitte zu gewinnen und unser Verständnis für sie zu verändern. Die Erkenntnisse werden uns weit über das Thema Märkte und Handel hinausführen.92 In der Literatur wird immer wieder nachgefragt, ob der Warenaustausch behindert wurde durch Zölle oder durch Geleitsabgaben.93 Nun lässt sich gerade mit den Geleitsabgaben ziemlich genau berechnen, z. B. welche Geleitsgebühren für einen bestimmten Warentransport zwischen Eisenach und Wittenberg anfielen, war der Straßenverlauf doch genau vorgeschrieben. Völlig unbeachtet bleiben dabei aber die übrigen Transportkosten, die für den Fuhrmann, das Fahrzeug oder das Gespann anfielen, wie Verpflegung und Übernachtung, Reparaturen und Futter und für Entlohnung der Hilfskräfte.94 Von mir ausgewertete Quellen geben dabei hinreichend Auskunft und können im Ergebnis auch zu Gesamtausgaben hochgerechnet werden. Nicht nachvollziehen ließ sich aber, woher der Fuhrmann die bare Münze hatte, um diese Ausgaben bezahlen zu können. Die Beträge konnten auf langen Strecken problemlos 50 rheinische Gulden übersteigen, wenn wir z. B. an Zentnerguttransporte (Wachs, Honig o. ä.) oder an Fischtransporte aus Stettin oder Danzig nach Oberdeutschland denken. Es ist fraglich, ob die Fuhrleute ihren Lohn von ihren Auftraggebern vor oder nach dem Transport erhielten, d. h., dass der Fuhrmann in Vorleistung ging oder gehen konnte. Und wie wurden die Transportkosten berechnet, wenn Waren von mehreren Kaufleuten geladen waren  ? Und weiter  : Gab es nur Auftragstransporte, oder konnte der Fuhrmann unter Umständen selbst entscheiden, wo er z. B. seinen Wein oder seine Heringe verkaufen wollte  ? Mit anderen Worten  : Gehörte der Fuhrmann einer Frühform eines selbstständigen Unternehmers an, und wie hatte er seine Anfänge finanziert oder seine Leistungen abgerechnet  ? Und schließlich  : Welche soziale Stellung war damit verbunden  ? Entsprechende Nachrichten finden sich in den Quellen, führen aber bisher zu keinen sicheren Ergebnissen. Zuvor wäre aber noch die Frage zu beantworten  : Wie wird ein Bauer oder Stadtbewohner Fuhrmann  ? Die Quellen ergeben, dass die meisten Wagen, die im Fernverkehr oder mit Fernhandelsgütern beladen wurden, mit fünf bis sieben, verschiedentlich auch mit neun Pferden bespannt waren. Ein Zugpferd kostete ca. 20 fl, ein Wagen ca. 50 fl, d. h., es waren – unabhängig von den Transportkosten während der Fahrten – am Anfang mindestens 150 Gulden zu investieren, um am Fernhandelsverkehr überhaupt teilnehmen 92 Beispielhaft sind hier die Beiträge in  : Schwinges (Hrsg.), Straßen- und Verkehrswesen. 93 Vgl. dazu Ulf Dirlmeier, Mittelalterliche Zoll- und Stapelrechte als Handelshemmnisse  ?, in  : Hans Pohl (Hrsg.), Die Auswirkungen von Zöllen und anderen Handelshemmnissen auf Wirtschaft und Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1987, S. 20–39. 94 Welche Bedeutung entsprechende Berechnungen haben können, hat Reinhard Hildebrand, Meilen und Märkte. Transportkosten für Massengüter im 16./17. Jahrhundert, in  : Elkar u.a. (Hrsg.), »Vom rechten Maß der Dinge«, S. 720–736, eindeutig nachgewiesen.

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zu können. Immerhin handelte es sich nachweisbar um feudalabhängige Bauern, die für ihren Grund und Boden auch feudale Leistungen zu erbringen hatten. Im unmittelbaren Zusammenhang damit ist schließlich zu fragen, woher die tausenden Pferde kamen, die auf den Nah- und Fernverkehrsstraßen die Waren transportierten. Es gibt dazu keine konkreten Angaben, vielmehr kann nur vermutet werden, dass es sich um Pferde aus bäuerlicher Zucht handelt. Leider fehlen dazu entsprechende Angaben, denn Zugtiere waren weitgehend von Steuern befreit und lassen sich nur dann nachweisen, wenn übereifrige Steuereinnehmer wenigstens die Zahl vermerkt haben. Der Bogen lässt sich noch weiter spannen  : Über die üblichen Vorteile im Handelsverkehr hinaus hatten die Anwohner von Fernhandelsstraßen – große und kleine – wie Betreiber von Ausspannen, Reparaturhandwerker wie Schmiede, Stellmacher, Sattler auch stete Gewinnaussichten. Sie hatten Anbindung an größere Regionen, lernten unterschiedliche Kulturen kennen und hatten meist gesicherte Einkünfte, und vielleicht waren sie auch aufgeschlossener gegenüber Fremden. Auf jeden Fall waren Bauern und Bürger abseits großer oder kleiner Handelsstraßen vielfältig benachteiligt. Die Frage ist, ob die mehr oder weniger engen Beziehungen zu Fernhandelsstraßen oder überhaupt zum Fernhandel die jeweiligen Einzugsgebiete nachhaltig auch über Jahrhunderte hinweg geprägt haben. Es gibt noch eine Frage, die ich stellen möchte, auf die ich aber nur mit einer Vermutung antworten kann  : Setzt der Fernverkehr auch eine höhere Bildung voraus  ? Fuhrleute wie Geleitseinnehmer oder Kontrolleure mussten gut lesen, schreiben und rechnen können, um den Anforderungen der verschiedenen Geleits- oder Zollordnungen gerecht zu werden, sie mussten präzise Kenntnisse der von ihnen transportierten Waren haben, sie mussten wissen und erkennen können, welche Art von Tuchen sie transportierten, sie mussten selbst die Unterschiede zwischen fränkischem und sächsischem Geld erkennen95 und wissen, welches die günstigsten Straßenverbindungen waren. Auf jeden Fall hatten sie höhere Anforderungen zu bewältigen als der einfache Bauer weit weg von Fernhandelsstraßen, und zweifellos haben sich die höheren Kenntnisse dann auf ihren heimischen Alltag ausgewirkt. Es gibt für mich dazu ein geradezu klassisches Beispiel, ohne dass ich in der Lage wäre, daraus konkrete Schlussfolgerungen ziehen zu können. Es gab (und gibt) in Thüringen einen kleinen Ort Lehesten, der vor 500 Jahren sicher nur im unmittelbaren Umfeld bekannt war  : Als 1542 die Türkensteuer gezahlt werden sollte, bat der Schosser von Lehesten die kurfürstlichen Räte um Verständnis, dass die Fuhrleute von Lehesten Aufschub für die Zahlung brauchten, denn sie waren nicht daheim, sondern zu Presla, Poßen, Krakow und Lublin. So wissen die Weiber nicht, was sy für Pferd haben.96 95 Immerhin ist zu bedenken, dass sich die Münzwerte bzw. die Berechnungen innerhalb weniger Jahrzehnte veränderten, von den Groschen mit 10 Pfennigen zu Groschen mit 12 Pfennigen, von alten Schock mit 20 Groschen zu neuen Schock mit 60 Groschen und schließlich zu rheinischen Gulden mit 21 Groschen, wobei die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen oftmals gleichzeitig galten. 96 1547 besaßen von den 13 Hufnern des Dorfes 6 zusammen 43 Pferde auf der Straße (ThHStA Weimar, Reg. Pp 256, 2, 3, 5, 8 und 10). Tatsächlich lassen sich Lehestener Fuhrleute auf fast allen Straßen im

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Die notwendigen Kenntnisse müssen sich die Akteure aber schon wesentlich früher angeeignet haben, denn wie sollte sonst eine besondere Bestimmung in der Erfurter Geleitsordnung von 1441 durchgesetzt worden sein  ?  : Item ein Bürger von Nürmberg, was der Guts von Nümberg in Erfurdt bringt und nyderlegt oder verkauft, darvon geben sie halb Geleydt, füren sie furder in andere Lande, müßen sie gantz vergleite. Bringen sie Güter von anderen Landen und nicht von Nürnberg oder kaufen sie zu Erfurdt ichts, müßen sie es gantz vergeleydte.97

Mit anderen Worten  : Nürnberger Bürger mussten nachweisen, dass sie aus der Reichsstadt stammten und nicht etwa aus Bamberg oder Würzburg. Besaßen also die Nürnberger einen »Personalausweis«, oder ein »Paßparthe« wie die Ochsentreiber  ? Und  : Weißenfelser Kaufleute waren auf der via regia geleitsfrei. Wie konnten sie ihren Herkunftsort nachweisen  ?98 Und schließlich  : Wie war es mit der Verständigung, wie wurden Sprachprobleme überwunden  ? Gab es den von Michael Gassert angesprochenen »Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute«  ?99 Wie haben sich die Fuhrleute aus Lehesten mit Händlern, Kaufleuten oder Beauftragten in Krakau und Lublin unterhalten  ? Gleiches gilt für die fremden Fuhrleute auf den Straßen nach Leipzig. In den Quellen wurden die Namen oftmals sehr verschieden eingetragen – an einer Stelle in der Grimmaer Rechnung von 1524/25 heißt es aber auch  : ein Mann, der kann nichts deutschs, er war von Leipzig nach Dresden unterwegs, ist ein Polak, wird schon wissen wie er heißt.

VIII Unabhängig von dieser letzten Fragestellung gibt es zahlreiche Aufgaben, um handelsgeschichtlichen Ergebnissen nahe zukommen und reale Ergebnisse vorlegen zu können. Für unbedingt notwendig halte ich aber auch die nachdrückliche Korrektur falscher oder zumindest überholter Vorstellungen über den Handel und den Warenverkehr. So z. B. die Behauptung, dass wegen der Unsicherheit auf den Straßen durch Überfälle Konvoifahrten notwendig waren. Beides trifft für den thüringisch-sächsischen Raum – jedenfalls für das 15. und beginnende 16. Jahrhundert – nicht zu. Bei meinen Studien habe ich nicht einen Konvoi nachweisen können, sieht man etwa von zwei bis drei Wagen oder Karren ab, deren Fuhrleute aus einem Ort stammten und hintereinander fuhren. Es gab thüringisch-sächsischen Raum – außer auf den Straßen von Leipzig südwärts – in großer Zahl nachweisen. 97 StadtA Erfurt, 2/122-5, Bl. 166b–169. 98 In einem Geleitsverzeichnis für Vieh 1535/36 ist von »Paßparthen« die Rede, die die Viehtreiber zur Geleitsfreiheit vorlegen mussten. ThHStA Weimar, Reg. Cc 147. 99 Michael Gassert, Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, Frankfurt am Main u.a. 2001.

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auch keinen Grund dafür, denn es ließ sich anhand der Quellen nur ein Überfall durch einen »Raubritter« nachweisen  : 1530 wurde vor den Toren Zwickaus der Edelmann Hanns von der Heide hingerichtet, nachdem er Nürnberger Kaufleute überfallen und gefangen gesetzt hatte.100 Es war eine Einzeltat. Daneben gibt es sehr vereinzelt Nachrichten über Straßenräubereien, aber keine allgemeine Unsicherheit auf den Straßen. Offensichtlich hat das Geleitssystem nachhaltig gewirkt. Bemerkenswert ist immerhin, dass 1515 Kurfürst Albrecht von Mainz es für notwendig hielt, einem Hauptmann Wilhelm Gussen von Gussenberg mitzuteilen, dass Götz von Berlichingen uff nechst verschienen unser Frawentag nativitatis (2. September 1515) un­ verwort und one einich redlich Ursach ungeverlich mit sechsundzwentzig Pferden und ungeverlich 200 dahinter gehalten zwischen Aschaffenburg und Miltenberg in unser Geleit gefallen, sechs Kauf­ man gefangen, die gefenklich hinweckgefurt und unsern Gleitsknecht hertiglich geschlagen und ver­ wundt und ime nach beschiedener That ein Schrift einer Verwarnung und Absage gleichlautend geben und gezwungen, dieselbigen unsern Vitzthumb zu Aschaffenburg zu lievern etc.101

Energisch zurückgewiesen werden müssen auch die unsinnigen Behauptungen von Hartmut Boockmann und Ernst Schubert, dass noch im 15. Jahrhundert »die Waren über Land (vielfach) nicht auf Wagen, sondern nur auf Tragtieren transportiert werden« konnten und »der Wassertransport … deshalb dem Landtransport immer noch vorgezogen« wurde102, bzw. dass »Flüsse … das ganze Mittelalter hindurch bis tief in die frühe Neuzeit die wichtigsten Handelsstraßen« blieben103, oder von Bernhard Reichel, wonach »durch den Mangel an ausgebauten und gangbaren Straßenverbindungen … im Mittelalter die schiffbaren Flüsse die natürlichsten, sichersten und billigsten Verkehrswege (waren), die 100 1529 Sontag n. Francisci (10.10.) haben die von Plauen einen Edelman, Hans von der Heide gnandt, mit seinem Weibe und zweien Tochtern und zweien Hirten, gefangen anher gen Zwickau bracht  ; die hat­ ten einen Kaufman von Norimberg uf der Strasen gefangen und ihn eine Zeitlangk gefangen gehalten und letzlich hatten ihn umb 1100 fl geschatzt etc. und do die Hern von Nurmbergk das Gelt geschickt, hatten sie gantze Thaler geschickt und Gemercke drauf schlagen lassen, und doe der von der Heide das Gelt aus­ gegeben, ist man am Gelde inne worden, wer den Kaufman gefangen gehalten. 1530 Dinstag n. Philippi Jacobi (03.05.) seint vorn Frauenthor alhie mit dem Schwert gerichtet worden Hans von der Heide, der Edelmann mit seinem Weibe, der do einen Kaufman von Norinberg gefangen und geschatzt hatte. Seine zwe Tochter aber und die zwene Knaben, die Hirten, so auch alhie gefangen saßen, seint durch große Vorbit losgebetten worden. Es war die Sag, der Kaufman von Norinberg wolte die eine Tochter eheligen von des wegen, das sie seiner (weil er bei iren Vather gefangen gehalten) sehr wol gepfleget und gewartet hatte, welches dan geschehen, aber sie hat sich auch nit wol gegen ihren Man verhalten und ist etwo umb Eger ein Zeit lang hernach gericht worden. Zitiert nach  : Rudolf Falk, Zwickauer Chroniken aus dem 16. Jahrhundert, in  : Alt-Zwickau. Mitteilungen des Zwickauer Altertumsvereins 7, 1923, S. 2–4. 101 LandeshauptA Sachsen-Anhalt Magdeburg, A 37b I, I 3 Nr. 1, fol. 74. Vgl. dazu Albert Leitzmann (Hrsg.), Lebensbeschreibung Herrn Götzens von Berlichingen, Halle 1916, S. 113ff. 102 Hartmut Boockmann, Die Stadt im späten Mittelalter, Leipzig 1986, S. 94. 103 Ernst Schubert, Alltag im Mittelalter, Darmstadt 2002, S. 73.

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den Landstraßen beständig vorgezogen wurden …, die Bevorzugung der Wasserstraßen vor dem Landverkehr erstreckte sich auf fast alle Nebenflüsse.«104 Alle diese Autoren haben darauf verzichtet, konkrete Beispiele zu nennen. Offenkundig wurde nicht nachgefragt oder gar nachgeforscht, ob in den früheren Jahrhunderten ein geregelter Warentransport zu allen Jahreszeiten auf den Flüssen möglich war und wie es möglich wurde, dass Handels- oder Produktionszentren wie Leipzig und Nürnberg fernab von Haupt- und Nebenflüssen entstehen konnten. Gerade deshalb wäre es natürlich interessant zu erfahren, welche Frachtgüter in welchem Umfang z. B. auf dem Rhein von Köln nach Straßburg flussaufwärts transportiert wurden. Völlig praxisfremd ist die Diskussion um die Transportleistung von 40 km täglich  : Pferde konnten bei den miserablen Straßenverhältnissen unmöglich täglich diese Entfernungen mit 40–50 Ztr. schwere Wagenladungen und dazu die großen Wagen bewältigen und der Fuhrmann täglich fußgehend die Transporte lenken. Hinzu kommen die Abfahrund die Ankunfts- sowie die Rastzeiten. Nachzuweisen sind tägliche Strecken von 20 km. Das, was für die frühe Zeit der Großen Märkte gilt und an Beispielen für den Einzugsbereich der Großen Märkte in Leipzig angeführt wurde, trifft ohne weiteres auch für die anderen Großen Märkte in Deutschland zu, zumal die Organisation des Warenaustauschs und die Einflussnahme der Politik sich bis in das 19. Jahrhundert nicht grundlegend geändert hat  : erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland das Geleitssystem des hohen Mittelalters abgeschafft und erst in der zweiten Hälfte wurde begonnen, das Transportsystem mit Pferd und Wagen durch den Bau von Eisenbahnen zu durchbrechen. Zweifellos gibt es auch vielfältige Parallelen in ganz Europa. Ich möchte abschließend noch einen Wunsch und eine Aufforderung vortragen, die beide schon vor 500 Jahren benannt wurden, aber erst durch einen mitteldeutschen Historiker, der vor 150 Jahren ganz in der Nähe geboren wurde, richtig in Erinnerung gebracht und zu moderner Forschungsgrundlage wurden  : »ad fontes«, verlangte Leopold v. Ranke.

Abstract Focussing on Central German space and most importantly Leipzig, this contribution discusses current issues in the German and international history of fairs. Taking stock of previous research, it criticizes the often undifferentiated use of the terms “fair” (Messe) and “market” (Markt). In order to make a distinction between fairs and their extensive (cashless) payment and credit operations, the notion of the “large annual market” (Großer Jahrmarkt) is introduced to describe markets of supra-regional significance, where for 104 Bernhard Reichel, Handelswege im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Ihre Sicherung am Beispiel der Frankfurter Messe, in  : Stahl (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte der Frankfurter Messe, S. 77– 84.

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the most part non-local products were traded. The central aspects of future research on annual markets and fairs are outlined  : the political and economic foundations of the emergence of significant markets  ; the range of goods on offer on markets, their economic surroundings and their integration with the large European centres of production and consumption  ; market organisation  ; the actors of the trade and their transport logistics. Finally, examples of common research opinions in need of revision are given, which lead this contribution to Ranke’s dictum “ad fontes”.

Mihailo St. Popović, Wien

Jahrmärkte im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches und deren neuzeitliches Nachleben

In der neugriechischen Sprache existiert bis auf den heutigen Tag ein geflügeltes Sprichwort, das »της τρελής το πανηγύρι« (d. h. »ein Jahrmarkt der Verrücktheit«) lautet und auf anstrengende Arbeitstage aufgrund schwerer zwischenmenschlicher Situationen sowie damit in Verbindung stehender Verstimmungen angewandt wird. Trotz dieser isoliert zu betrachtenden negativen Konnotation ist das griechische Wort πανήγυρις (panēgyris) bzw. πανηγύρι (panēgyri) in überwältigendem Maße positiv behaftet und bedeutet im Griechischen damals wie heute »kirchliche Feierlichkeit«, »Handelsmesse« oder »Jahrmarkt«.1 Im Byzantinischen Reich standen Jahrmärkte oft in Verbindung mit Festen zu Ehren von Heiligen der Orthodoxen Kirche und waren ein Sammelpunkt für Menschen aus aller Herren Länder, die einerseits den betreffenden Heiligen feierten und andererseits das Zusammentreffen für Handelsgeschäfte nutzten, wie die Byzantinistin Angeliki Laiou treffend ausgeführt hat.2 Dabei liegen die Ursprünge dieser byzantinisch-christlichen Art von Jahrmarkt in der klassischen Antike. Der Autor eines byzantinischen satirischen Dialogs mit dem Titel »Timarion« aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts3 berichtet in diesem Zusammenhang  : »Ἑορτὴ δὲ ἦν τὰ Δημήτρια ὥσπερ ἐν Ἀθήνησι Παναθήναια, καὶ Μιλησίοις τὰ Πανιώνια.«4 1 Erich Trapp (Hrsg.), Lexikon zur byzantinischen Gräzität besonders des 9.–12. Jahrhunderts, 6. Fasz., Wien 2007, S. 1192  ; Henry George Liddell/Robert Scott/Henry Stuart Jones (Hrsg.), A Greek-English Lexicon, Oxford 1996, S. 1297. 2 Angeliki E. Laiou, Händler und Kaufleute auf dem Jahrmarkt, in  : Günter Prinzing/Dieter Simon (Hrsg.), Fest und Alltag in Byzanz, München 1990, S. 53–70, hier  : S. 53 [= Angeliki E. Laiou, Gender, Society and Economic Life in Byzantium, Hampshire 1992, ch. XI]. Vgl. dazu auch  : Karl Dieterich, Zur Kulturgeographie und Kulturgeschichte des byzantinischen Balkanhandels, in  : Byzantinische Zeitschrift 31, 1931, S. 51–57  ; Alexander P. Kazhdan (Hrsg.), The Oxford Dictionary of Byzantium 2, New York/Oxford 1991, S. 775f. (Art.»Fair«)  ; Phaidon Kukules, Βυζαντινών βίος και πολιτισμός, Τόμος Γ’, Athēnai 1949, S. 270–283  ; Sima Ćirković/Rade Mihaljčić (Hrsg.), Leksikon srpskog srednjeg veka, Beograd 1999, S. 488f. (Art. »Panadjur«)  ; Vassiliki Papoulia, Die Jahrmärkte in Byzanz als Ausdruck der Autarkie des byzantinischen Stadtwesens. Études balkaniques 33/3–4, 1997, S. 130–137  ; dies., Jahrmärkte in Byzanz, in  : Franz Irsigler/Michel Pauly (Hrsg.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa/Foires, marchés annuels et développement urbain en Europe, Trier 2007, S. 41–49  ; Mihailo St. Popović, Les Balkans  : routes, foires et pastoralisme au XIe siècle, in  : À la suite de Paul Lemerle  : L’humanisme byzantin et les études sur le XIe siècle quarante ans après [im Druck]. 3 Angeliki P. Kazhdan (Hrsg.), The Oxford Dictionary of Byzantium 3, New York/Oxford 1991, S. 2085 (Art.»Timarion«). 4 Roberto Romano (Hrsg.), Pseudo-Luciano. Timarione. Testo critico, introduzione, traduzione com-

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Der Begriff πανήγυρις (panēgyris) dürfte im Laufe der Jahrhunderte einen fundamentalen Bedeutungswandel erfahren haben, von der Bezeichnung einer großen Ansammlung von Menschen über ein kultisches bzw. religiöses Fest, an dem viele Menschen teilnahmen, bis hin zu einem großen kultischen bzw. religiösen Fest mit umfassenden Handels- und Sozialaktivitäten wie zum Beispiel Athletikwettkämpfen.5 Einen Einschnitt in der Entwicklung hat diese Art des Jahrmarktes im 4. Jahrhundert n. Chr. erfahren, als dem Christentum unter Kaiser Konstantin I. dem Großen sein endgültiger Durchbruch im Römischen Reich gelang. Die frühbyzantinischen Kirchenväter, wie zum Beispiel der Heilige Johannes Chrysostomos oder der Heilige Basileios der Große, lehnten das Beiwerk dieser Jahrmärkte ab, weil diese Wucher, Zins und Schulden sowie ungebührliches Verhalten mit anwesenden Damen des horizontalen Gewerbes förderten. Im Mittelpunkt des Jahrmarktes sollten die Verehrung des betreffenden christlichen Heiligen und Gebete stehen. Der Kommerz war ein notwendiges Übel im Umfeld, das es nach Möglichkeit zu vermeiden und nur in Maßen zu nutzen galt.6 Der frühchristlichen Kirche gelang es mit kaiserlicher Unterstützung, die paganen Jahrmärkte schrittweise zu übernehmen, sie von paganen Inhalten zu befreien, indem zum Beispiel architektonische Akzente in Form der Beseitigung paganer Tempel und der Errichtung von Kirchen gesetzt wurden, und sie auf diese Weise zu »taufen«.7 Laut Spyros Vryonis Jr. ist dieser Prozess wie folgt zusammenzufassen  : »Thus the Byzantine panēgyris is the pagan panēgyris converted and baptised.«8 Aufgrund dieser Entwicklungen kristallisierten sich in der frühbyzantinischen Zeit vier große christliche Jahrmärkte im Byzantinischen Reich heraus, nämlich der Jahrmarkt der Hl. Thekla in Seleukia (jetzt Silifke), des Hl. Theodor Tiron in Euchaita (jetzt Avkat/ Beyözü) und des Hl. Apostels Johannes in Ephesus in Kleinasien sowie der Jahrmarkt des Hl. Demetrios in Thessaloniki auf der Balkanhalbinsel.9 Aufgrund der fragmentarischen Quellenlage lässt sich schwer beantworten, inwieweit es sich bei diesen Jahrmärkten um, wie Spyros Vryonis Jr. ausführt, »religious panēgyris« oder »religio-commercial panēgyris« handelte, weil eine Betrachtung der Strukturen über eine longue durée leider nicht möglich ist. Die bereits erwähnte satirische Schrift »Timarion« aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zeugt davon, dass der Jahrmarkt des Hl. Demetrios in Thessaloniki in dieser Epoche zu der zweiten Kategorie von Jahrmärkten gehört haben muss. Er begann sechs

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mentario e lessico, Napoli 1974, S. 53  ; in englischer Übersetzung  : »The Demetria [scilicet der berühmte Jahrmarkt des Heiligen Demetrios in Thessaloniki] are a feast, just as the Panathenaia were in Athens and the Panionia among the Milesians.« Aus  : Spyros Vryonis Jr., The Panēgyris of the Byzantine Saint  : a Study in the Nature of a Medieval Institution, its Origins and Fate, in  : Sergei Hackel (Hrsg.), The Byzantine Saint, New York 2001 (ND London 1981), S. 196–227, hier  : S. 206. Vryonis Jr., The Panēgyris, S. 207. Ebd., S. 206–212. Ebd., S. 212–214. Ebd., S. 214. Ebd., S. 214.

Jahrmärkte im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches

Tage vor dem Feiertag des Hl. Demetrios, der laut julianischer Zeitrechnung auf den 26. Oktober fällt, und endete am Montag nach dem Sonntag des Feiertages. Aus der Schrift Timarion erfahren wir des Weiteren, dass der Autor am Beginn des Jahrmarktes zuerst in die Kirche des Heiligen ging, um zu ihm zu beten und ihm seine Ehrerbietung zu erweisen. Erst danach besuchte er den Jahrmarkt selbst, der vor den Toren der Stadt aufgebaut worden war.10 Wie dieser aussah, wird im Timarion wie folgt beschrieben  : »The arrangement [of the panēgyris] was thus. [There were] commercial tents facing one another and set up in parallel rows. As the rows extended over a long distance, they widened an opening and square in the middle with some parallel passages, thus opening up a passage to the surge of the crowd.«11 Laut Timarion wurde ebendort mit Textilien und Garn gehandelt, mit Waren aus Spanien, Italien, Ägypten, der Schwarzmeerregion und der Peloponnes. Unzählige Tiere – Pferde, Ochsen, Schafe und Schweine – wurden ebenfalls feilgeboten.12 Den Kern der Feierlichkeiten bildeten drei Vespern zu Ehren des Heiligen, die vom Erzbischof von Thessaloniki gemeinsam mit Priestern und Mönchen unter Teilnahme des Gouverneurs (dux) der Region mit seinen Truppen bestehend aus Kavallerie und Infanterie, zahlreicher angesehener und reicher Persönlichkeiten der Stadt und der Gläubigen aus Stadt und Land zelebriert wurden.13 Die Verbindung zwischen Stadt und Land im Wege der Jahrmärkte hat im besonderen Angeliki Laiou hervorgehoben, indem sie festgestellt hat  : »Jeder Versuch einer Studie über den Binnenhandel muss Jahrmärkte und lokale Märkte in Betracht ziehen, denn dort spielte sich ein großer Teil der Handelsaktivitäten ab, und dort wurde auch der wirtschaftliche Kontakt zwischen Stadt und Land aufgenommen.«14 Einer der ersten und letzten Südosteuropaforscher, der versucht hat, den organisatorischen Rahmen von Jahrmärkten im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches abzustecken, war der bulgarische Wissenschaftler Ivan Sakazov, der im Jahre 1927 einen bedeutenden Artikel über die Jahrmärkte in der historischen Landschaft Makedonien publiziert hat.15 Im Allgemeinen hält er fest, dass sich Jahrmärkte vorzugsweise in der Nähe von Kirchen und Klöstern, manchmal auch an wichtigen Kreuzungen oder Furten entwickelt haben. Sie wurden an jenen Tagen abgehalten, an denen der jeweilige Heilige des in der Nähe befindlichen Gotteshauses gefeiert wurde. Der Jahrmarkt ermöglichte es dem Produzenten, dem Konsumenten und dem Händler, einander an einem bestimmten Ort zu einer 10 Romano (Hrsg.), Pseudo-Luciano. Timarione, S. 52. Siehe auch  : Vryonis Jr., The Panēgyris, S. 202. 11 Übersetzung aus  : Vryonis Jr., The Panēgyris, S. 203. Vgl. Romano (Hrsg.), Pseudo-Luciano. Timarione, S. 53f. 12 Ebd., S. 54f. 13 Ebd., S. 55–59. Vgl. Vryonis Jr., The Panēgyris, S. 203f. 14 Laiou, Händler und Kaufleute, S. 53f. 15 Ivan Sakazov, Panairi vŭ srědnověkovna Makedonija, in  : Makedonski pregledŭ 3/4, Sofija 1927, S. 1–14.

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bestimmten Zeit zu treffen und miteinander für eine begrenzte Periode in Interaktion zu treten. Jahrmärkte vereinten verschiedene Personen aus unterschiedlichen Regionen, die nicht imstande waren, unter dem Jahr zusammenzutreffen. Sakazov ermittelte anhand der schriftlichen Quellen, dass ein Jahrmarkt zwischen drei und 25 Tagen währen konnte.16 Der byzantinische Begriff für »Jahrmarkt« lautet, wie bereits oben erwähnt, πανήγυρις (panēgyris) und φόρος (phoros), wobei der zweite je nach Kontext der betreffenden schriftlichen Quelle auch »Tribut«, »Abgabe« oder »Steuer« bedeuten kann.17 Beide Termini fanden Verbreitung im »byzantinischen Commonwealth«.18 So verwenden die altslawischen Quellen die Begriffe panagjurŭ oder panagirĭ19, sŭborŭ20 und forŭ21. Der erste und dritte Begriff wurden offensichtlich aus dem Griechischen entlehnt. Im Gegensatz zu dem unregelmäßigen, das heißt zeitlich klar umrissenen, Jahrmarkt steht der regelmäßig, zum Beispiel wöchentlich, stattfindende Markt. Dieser wird in Byzanz als ἐμπόριον (emporion) bezeichnet.22 Im Altslawischen wurde dieser Terminus in der Form ambarĭ übernommen.23 Viel häufiger begegnet jedoch die altslawische Bezeichnung trĭgŭ.24 Solch ein Markt war oftmals ein integraler Bestandteil der mittelalterlichen byzantinischen bzw. slawischen Unterstädte auf der Balkanhalbinsel, während die Oberstädte mit ihrem Festungscharakter das militärische und administrative Zentrum der Städte bildeten.25 16 Ebd., S. 3–5. 17 Liddell/Scott/Jones (Hrsg.), Lexicon, S. 1951. 18 Die Bezeichnung des »byzantinischen Commonwealth« ist entlehnt aus  : Dimitri Obolensky, The Byzantine Commonwealth. Eastern Europe, 500–1453, London 1974, S. 13–16. 19 Franz von Miklosich, Lexicon Palaeoslovenico-Graeco-Latinum emendatum auctum, Wien 1862– 1865 (ND Aalen 1977), S. 553. 20 Ebd., S. 909. 21 Ebd., S. 1086. 22 Liddell/Scott/Jones (Hrsg.), Lexicon, S. 547f.; Trapp (Hrsg.), Lexikon III, S. 494. 23 Vgl. dazu  : Ćirković/Mihaljčić (Hrsg.), Leksikon, S. 10 (Art. »Amborija«). 24 Miklosich (Hrsg.), Lexicon, S. 1006. Siehe auch  : Ćirković/Mihaljčić (Hrsg.), Leksikon, S. 737– 739 (Art. »Trg«)  ; Mirjana Živojinović, Settlements with Marketplace Statusin  : Zbornik Radova Vizantološkog Instituta 24–25, 1986, S. 407–412. 25 Siehe zur Strukturierung »Oberstadt«– »Unterstadt« in spätbyzantinischer Zeit  : Sima Ćirković, Štip u XIV veku, in  : Zbornik na trudovi posveteni na akademikot Mihailo Apostolski po povod 75-godišninata od životot, Skopje 1986, S. 25–37  ; Ćirković/Mihaljčić (Hrsg.), Leksikon, S. 122–124 (Art. »grad«)  ; Ljubomir Maksimović, Charakter der sozial-wirtschaftlichen Struktur der spätbyzantinischen Stadt (13.–15. Jh.), in  : XVI. Internationaler Byzantinistenkongreß. Wien, 4.–9. Oktober 1981, Akten. I. Teil  : Hauptreferate, 1. Halbbd.: Themengruppen 1–6 [= Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 31/1], Wien 1981, S. 149–188  ; Klaus-Peter Matschke, Grundzüge des byzantinischen Städtewesens vom 11. bis 15. Jahrhundert, in  : Die byzantinische Stadt im Rahmen der allgemeinen Stadtentwicklung, Leipzig 1995, S. 27–74  ; ders., Selbstverständnis, Außenansicht und Erscheinungsbilder mittelalterlicher Städte im Byzantinischen Reich, in  : Was machte im Mittelalter zur Stadt  ? Selbstverständnis, Außensicht und Erscheinungsbilder mittelalterlicher Städte. Vorträge des gleichnamigen Symposiums vom 30. März bis 2. April 2006 in Heilbronn, Heilbronn 2007, S. 157–201  ; Jelena Mrgić, Transition from Late Medieval to Early Ottoman Settlement Pattern. A Case Study on

Jahrmärkte im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches

Sowohl zum Jahrmarkt als auch zum Markt auf der Balkanhalbinsel des Mittelalters möchte ich im Folgenden zwei Beispiele erörtern. Der Besitz des Jahrmarktes der Stadt Prilep, ca. 70 km südlich der Stadt Skopje, wurde dem Kloster der Entschlafung Marias in Treskavec, rund 6 km nördlich von Prilep, von dem serbischen König Stefan Uroš IV. Dušan mit einer Urkunde des Jahres 1334/35 bestätigt.26 Ursprünglich war dieser Jahrmarkt zusammen mit dem Metochion (d. h. der Klosterdependance) des Heiligen Demetrios dem besagten Kloster von den Kindern eines gewissen »(Dimitrije) Misinopolit« (Δημήτριος Μοσυνοπολίτης), eines Vertreters einer bedeutenden Prileper Adelsfamilie27, geschenkt worden, der ohne Zweifel ein Byzantiner war28 (Metochĭ Svetii Dimitrïe u Pri­ lěpě, što priložichu Misinopolitova dětĭca […] i sĭ panagiromĭ).29 In einer weiteren serbischen Urkunde des Königs Stefan Dušan aus dem Jahre 1344/45 wird der Jahrmarkt nicht mehr explizit mit dem Metochion des Heiligen Demetrios in Verbindung gebracht.30 Stattdessen wird der Ort des Jahrmarktes, der in der besagten Urkunde panigirište genannt wird, genau innerhalb der Stadt Prilep eingegrenzt (Panigirište, počĭnĭ otĭ Dola Evrěiska svěne dvorišta Arseneva, do dvora Petralětova i do urvišta Svetye Varvary)31, und es wird festgehalten, dass der Jahrmarkt wie vormals am Feiertag des Heiligen Demetrios, das heißt am 26. Oktober nach julianischer Zeitrechnung, stattfinden soll (I panagirĭ na Dmïtrovĭ dĭnĭ da imatĭ jako i prěžde).32 Der Terminus panigirište ist hierbei ein sprechendes Toponym. Es setzt sich aus dem bereits erwähnten altslawischen Begriff panagjurŭ oder panagirĭ und der Endung -ište zusammen, die eine Ortsangabe im Sinne eines »Ortes, an dem sich etwas befindet«, ist. Bemerkenswert ist, dass dieselbe

Northern Bosnia, in  : Südost-Forschungen 65/66, 2006/07, S. 50–86  ; Mihailo Popović, Zur Topographie des spätbyzantinischen Melnik, in  : Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 58, 2008, S. 107–119  ; ders., Raumordnung und Stadtgestalt in den Städten auf der Balkanhalbinsel in der spätbyzantinischen Zeit, in  : Städte im lateinischen Westen und im griechischen Osten zwischen Spätantike und Früher Neuzeit, Wien 2016, S. 79–95. 26 Urkunde ediert in  : Lidija Slaveva/Vladimir Mošin, Gramotite na Stefan Dušan za manastirot Treskavec, in  : Spomenici za srednovekovnata i ponovata istorija na Makedonija IV, Skopje 1981, S. 77–92. Vgl. zu Kontext und Datierung  : Božidar Ferjančić, O poveljama kralja Stefana Dušana manastiru Treskavcu kod Prilepa, in  : Zbornik Radova Vizantološkog Instituta 7, 1961, S. 161‒168. 27 Bosko Babikj, Kratok pregled na spomenicite na kulturata na Prilep i prilepskiot kraj, Prilep 1971, S. 10. 28 Siehe zum Jahrmarkt von Prilep  : Bosko Babić, Pokušaj utvrdjivanja mesta i granica panigirišta Prilepa druge četvrtine XIV veka, in  : Starinar N. S. 20, 1969, S. 1‒10  ; Robert Mihajlovski, The Medieval Town of Prilep, in  : Basileia  : Essays on Imperium and Culture in Honour of E. M. and M. J. Jeffreys, Brisbane 2011, S. 217–229  ; Dančo Zogravski, Prilepskiot panagjur vo minatoto, in  : Godišnik na Pravno-ekonomskiot fakultet vo, Skopje 1955, S. 95–133. 29 Slaveva/Mošin, Gramotite, S. 88. Allgemein zur Geschichte von Prilep im Mittelalter  : Vassiliki Kravari, Villes et villages de Macédoine occidentale, Paris 1989, S. 319‒322. 30 Slaveva/Mošin, Gramotite, S. 144. 31 Ebd., S. 143. 32 Ebd., S. 153.

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Urkunde den Markt (trĭgŭ) von Prilep zum ersten Mal erwähnt (otĭ trĭga Prïlěpskoga).33 In diesem Zusammenhang erkennt man die Koexistenz eines Jahrmarktes und eines Wochenmarktes in derselben Stadt. Als Beispiel eines byzantinischen Wochenmarktes mag derjenige in Melenikos dienen. Melenikos, jetzt Melnik, die kleinste Stadt der Republik Bulgarien, gehört administrativ zum Bezirk Blagoevgrad und befindet sich 60 km südsüdöstlich der gleichnamigen Bezirkshauptstadt. Sie liegt am westlichen Fuße des Pirin-Gebirges, in einem linken (östlichen) Seitental des Flusses Struma, das von der Melniška reka durchflossen wird. In den schriftlichen Quellen, die auf uns gekommen sind, verschwimmen die Grenzen zwischen Wochenmarkt und Unterstadt, indem beide gleichgesetzt werden. So bestätigte zum Beispiel der byzantinische Kaiser Andronikos II. Palaiologos einem gewissen Iōannēs Orestēs mit einem Chrysobull, einer goldgesiegelten Privilegurkunde, im Jahre 1323 unter anderem den Besitz eines Hauses in der Unterstadt von Melnik (eis to emporion tu eirēmenu kastru Meleniku).34 Im Oktober 1393 schenkte der serbische Lokalherrscher Konstantin Dragaš das Kloster Theomētōr Pantanassa, das sich in der Nähe der Unterstadt von Melnik befand (peri to tu Meleniku emporion), dem Athōs-Kloster Vatopedi als Metochion. Die mittelalterliche Unterstadt von Melenikos lag am nördlichen Fuße der Erhebung Sveti Nikola und wurde somit vom kastron – das heißt der Oberstadt – überragt. Die Erstreckung der Unterstadt entsprach in etwa dem heutigen Stadtgebiet von Melnik. In der Sekundärliteratur wird der mittelalterliche Marktplatz selbst zwischen dem westlichen Rand der heutigen Stadt und den Ausgrabungen des Klosters Theomētōr Pantanassa, im Bereich des jetzigen Fußballplatzes, lokalisiert.35 Dieser Markt wird von Karl May für die Abenteuer seines Helden Kara Ben Nemsi im europäischen Teil des Osmanischen Reiches aufgegriffen, wobei er im Laufe der Jahrhunderte eine Transformation in einen Jahrmarkt erfahren hat. Karl May erwähnt ihn an mehreren Stellen in seinem Orientzyklus. Hier einige Beispiele  : Er [scilicet Manach el Barscha] ist Einnehmer der Kopfsteuer in Üsküb [Skopje] und war nach Seres gekommen, um sich mit den dortigen Einwohnern zu besprechen. Er besuchte von da aus den berühmten Jahrmarkt zu Melnik.36 Es herrschte ein überaus reges Leben, aber zu vergleichen ist so ein Markt doch nicht mit einem deutschen Jahrmarkt. Der schweigsame Türke durchschreitet still die Budenreihen oder vielmehr die Reihen der Verkäuferstände, deren Inhaber ebenso wortlos bei ihren Waren sitzen und es sich gar nicht einfallen lassen, irgendeinen Käufer anzulocken. Und tritt einer heran, so geht die Sa-

33 Ebd., S. 152. 34 Popović, Zur Topographie, S. 111f. 35 Ebd. Siehe auch  : Elena Kostova, Medieval Melnik. From the End of the 12th to the End of the 14th Century. The Historical Vicissitudes of a Small Balkan Town, Sofia 2013. 36 Karl May, In den Schluchten des Balkan. Ungekürzte Ausg., Bamberg 1962, S. 15.

Jahrmärkte im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches

che so ruhig, fast heimlich ab, als gelte es, wichtige Geheimnisse einzutauschen. Der Unterschied liegt ganz besonders in dem Mangel des weiblichen Elementes. Man sieht fast nur Männer […], Karussells, Schau-, Spiel- und Würfelbuden gab es nicht. […] Leierkästen, Musikantenbanden, die einen europäischen Markt beleben, durfte man hier nicht suchen. Doch ja, eins gab es, und zwar etwas, woran der Türke außerordentlich Geschmack findet, nämlich ein Zelt mit chinesischen Schattenspielen. Man nennt sie Kara-gös.37

In einem Artikel des Jahres 2011 mit dem Titel New Insights into the History of Balkan Fairs in the Historical Region of Macedonia (13th–19th Centuries)38 habe ich mich mit der Lokalisierung von Jahrmärkten in der historischen Landschaft Makedonien auseinandergesetzt. Basierend auf serbischen und bulgarischen Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts vermochte ich, Jahrmärkte in meinem Bearbeitungsgebiet »Makedonien, nördlicher Teil (TIB 16)« im Rahmen des historischen Atlas Tabula Imperii Byzantini (TIB) zu lokalisieren39, welche auf Abbildung 1 zu sehen sind. Zentral bleibt die Frage, ob der Ist-Stand des 13. und 14. Jahrhunderts eine vorhergehende Entwicklung des 11. und 12. Jahrhunderts widerspiegelt. In diesem Zusammenhang ist der Jahrmarkt des Klosters des Hl. Georg-Gorg bei Skopje hervorzuheben. Dieser wird zum ersten Mal in einer Urkunde des bulgarischen Zaren Konstantin Tich in den Jahren 1258 oder 1265/66 erwähnt und fand am 21. November nach julianischer Zeitrechnung, das heißt am Feiertag Mariä Tempelgang, statt. Im Jahre 1300 ließ der serbische König Stefan Uroš II. Milutin eine Urkunde für das Kloster des Hl. Georg-Gorg ausstellen, mit welcher die Privilegien und Besitzungen des Klosters bestätigt wurden. Unter anderem wird in dieser Urkunde der Jahrmarkt des Klosters erwähnt, der acht Tage währte. Zudem wird festgehalten, dass er vom »Kaiser Roman« etabliert wurde, der mit dem byzantinischen Kaiser Romanos III. Argyros (gestorben 1034) identisch sein 37 Ebd., S. 235  ; siehe auch  : ebd., S. 43f., 214, 232–257. Vgl. auch  : Karl May, Von Bagdad nach Stambul. Ungekürzte Ausg., Bamberg 1962, S. 398. Zu den Jahrmärkten im Osmanischen Reich im Allgemeinen  : Arno Mehlan, Die Handelsstraßen des Balkans während der Türkenzeit, in  : Südostdeutsche Forschungen 4, 1939, S. 243–296  ; ders., Die großen Balkanmessen in der Türkenzeit, in  : Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 31, 1938, S. 10–49  ; ders., Mittel- und Westeuropa und die Balkanjahresmärkte zur Türkenzeit, in  : Südostdeutsche Forschungen 3, 1938, S. 69–120  ; ders., Der Bazar auf dem Balkan in der Türkenzeit, in  : Südost-Forschungen 5, 1940, S. 832–863  ; N. N., Die Leipziger Messe und Südosteuropa, in  : Leipziger Vierteljahrsschrift für Südosteuropa 1/4, 1938, S. 71–88. 38 Mihailo St. Popović, New Insights into the History of Balkan Fairs in the Historical Region of Macedonia (13th–19th Centuries), in  : Bulgaria Mediaevalis 2, 2011 [= Studies in Honour of Professor Vassil Gjuzelev], S. 757–776. 39 Vgl. zur TIB  : ders., Mapping Byzantium – The Project»Macedonia, Northern Part« in the Series Tabula Imperii Byzantini (TIB) of the Austrian Academy of Sciences, in  : Mapping Different Geographies (Lecture Notes in Geoinformation and Cartography), in  : Berlin/Heidelberg 2010, S. 219–234  ; ders., Historische Geographie und Digital Humanities. Eine Fallstudie zum spätbyzantinischen und osmanischen Makedonien, Mainz/Ruhpolding 2014, S. 10–17.

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könnte.40 Dieser Umstand deutet stark auf eine Kontinuität ursprünglich byzantinischer Jahrmärkte unter den slawischen Herrschern auf der Balkanhalbinsel hin, wie sie von Spyros Vryonis Jr. nahegelegt wurde.41 Der Vergleich der byzantinischen und altslawischen Evidenz mit den fundamentalen Ergebnissen der Osmanistin Soraya Faroqhi42 über die Jahrmärkte auf der Balkanhalbinsel in osmanischer Zeit (bis 1650) offenbart, dass keiner unter den oben erwähnten mittelalterlichen Jahrmärkten die politische Transition der osmanischen Eroberung überstanden hat (siehe Abb. 1). In der Zwischenzeit habe ich Faroqhis Resultate mit neuen quellenbasierten Erkenntnissen ergänzt. Dazu zählen Einträge in den osmanischen Steuerregistern (Deftern) des 16. Jahrhunderts und rabbinische Schiedssprüche des 16. Jahrhunderts aus Thessaloniki, die dokumentieren, wo jüdische Händler aktiv waren. Zu deren Zielorten zählten zum Beispiel die Jahrmärkte in Moskulur (Mascholurio/Μασχολούριο) und Elasson (Ελασσών).43 Von unschätzbarem Wert ist ein anonymer Bericht des Generalkonsulats des Kaisertums Österreich in Thessaloniki vom 17. Oktober 1831. Dieses Aktenstück aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien trägt die Überschrift »Dettaglio delle Fiere che si danno nelle parti d’Urumili« und gibt einen Ist-Stand der Jahrmärkte im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts auf der südlichen Balkanhalbinsel.44 Auf der Basis dieser mannigfaltigen Daten ist ein Gesamtbild entstanden, welches in Abbildung 1 sowohl die spätbyzantinische als auch die osmanische Epoche widerspiegelt. Mittelalterliche Jahrmärkte werden mit fetten Buchstaben ausgewiesen, während die osmanischen Jahrmärkte mit fetten kursiven Buchstaben aufscheinen. Wie ein osmanischer Jahrmarkt des 17. Jahrhunderts auf der Balkanhalbinsel aussah, berichtet der berühmte osmanische Reisende Evlija Čelebi. Er beschreibt denjenigen von Dolyan in farbenfrohen Worten  : It [scilicet der Jahrmarkt] is located on an extended and flat site which has many valleys, trees, boundless pasturage and is covered with narcissus. It is like a castle, like a great han with gates on the four sides and with many upstairs and downstairs rooms of stone. It is the site of a panēgyris which prospers and is great. Along its streets, which have been laid out like a chessboard, right and left, are to be found over a thousand shops covered from top to bottom with tiles. […] Once a year, at the time of the cherries, 100,000 men from the Ottoman empire, Arabia, Persia, India, Samarkand, Balkh, Bokhara, Egypt, Syria, Iraq, the entire West, and generally from the four corners of the world all the merchants of the land and sea, come together at the panēgyris with their boundless merchandise. Aside from these who enter the market of the bazaar, many thousand tents of different types, shacks, and miserable huts of rags […] are set up on the plains outside. 40 Ders., New Insights, S. 759–761. 41 Vryonis Jr., The Panēgyris, S. 214–216. 42 Suraiya Faroqhi, The Early History of the Balkan Fairs, in  : Südost-Forschungen 37, 1978, S. 50–68, hier  : S.  64f. 43 Popović, New Insights, S. 768–770. 44 Ebd., S. 771–774.

Jahrmärkte im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches

[…] There is, in addition, a great sheep market at this celebration. Hundreds of thousands of sheep and goats are sold. Thousands of horses and mules are [also] sold at the horse bazaar  ; with the exception however that there is no camel market since camels do not exist in Rumeli. There is a market for cows and oxen. There is also a slave market. […]45

Parallelen zu Timarion und dem obenerwähnten Jahrmarkt des Heiligen Demetrios in Thessaloniki sind unverkennbar. Wenn man nunmehr auf die Leipziger Messe als Jubilarin des vorliegenden Bandes blickt, stellt ein anonymer Autor in einem Artikel mit dem Titel »Die Leipziger Messe und Südosteuropa« aus dem Jahre 1938 fest  : Trotzdem läßt sich sagen, daß kein anderer Wirtschaftsraum für die Geschichte der Messe von so großer Bedeutung gewesen ist, wie Ost- und Südosteuropa. Die Leipziger Messe hätte den Aufstieg zur Weltmesse im 17. und 18. Jahrhundert schwerlich so rasch und erfolgreich vollführen können, wenn nicht gerade die Handelsbeziehungen zu den ost- und südosteuropäischen Ländern ihr dabei einen so starken Rückhalt gegeben hätten.46

Seit den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts dürften Kaufleute aus der Moldau, der Walachei, aus Bulgarien, Griechenland und der Türkei auf dem Leipziger Markt erschienen sein. Ende des 18. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts kamen Armenier und Georgier hinzu. Dass der Warenfluss nicht ausschließlich nach Leipzig ging, sondern auch in die Gegenrichtung, offenbart der obenerwähnte Bericht »Dettaglio delle Fiere che si danno nelle parti d’Urumili« aus dem Jahre 1831. Ebendort wird berichtet, dass zum Feiertag des Hl. Demetrios am 26. Oktober ein fünfzehntägiger Jahrmarkt in der jetzt bulgarischen Stadt Petrič einsetzte, zu dem »specialmente merci di Saxonia« – »im besonderen Handelswaren aus Sachsen« angeliefert wurden.47 Zum Abschluss möchte ich wieder zum Ausgangspunkt meiner Ausführungen zurückkommen und abermals nach Südosten blicken, in eine nicht allzu ferne Vergangenheit. Im Ersten Weltkrieg etablierten deutsche Truppen gemeinsam mit ihren österreichischungarischen und bulgarischen Verbündeten ab 1915 die sogenannte Salonikifront auf der südlichen Balkanhalbinsel, die bis zum Jahre 1918 halten sollte.48 Ein in Leipzig im Jahre 1935 erschienener Bildband mit dem Titel »Die unsterbliche Landschaft. Die Fronten des Weltkrieges. Die serbisch-mazedonische Front« bietet uns ein lebendiges Bild des für den deutschen Soldaten ungewöhnlichen Orients in Form der südlichen Balkanhalbinsel und dortiger Handelsaktivitäten  : 45 Vryonis Jr., The Panēgyris, S. 217f. 46 N. N., Die Leipziger Messe, S. 71. 47 Popović, New Insights, S. 772. 48 Vgl. dazu  : Mihailo St. Popović, »Kunstschutz im Kriege« – The Forgotten Scholarly Expeditions of the Central Powers in South-East Europe during World War I, in  : Thetis, Mannheimer Beiträge zur Klassischen Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns 20, 2013, S. 287–292, hier  : S. 287f.

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Mihailo St. Popović

Der Krieg dauerte lange. Schließlich kam auch für den Frontsoldaten einmal ein Tag, wo er den Schützengraben verließ, als Urlauber, als Verwundeter, oder mit irgendeinem Auftrag. Jeder blieb einmal ein paar Stunden oder ein paar Tage in Üsküb [Skopje] und konnte nun mit eigenen Augen feststellen, was es mit dieser Stadt eigentlich auf sich hatte, von der soviel erzählt wurde. […] Und dann die Wunderwelt des Basars mit seinen halbdunklen Gewölben, mit den scharfen Gerüchen der Gewürzkrämereien und der Fülle buntgestickter Decken und Tücher und Schmuckes aller Art. Der Soldat steht und kann sich nicht satt sehen. Der griechische Kaufmann spricht ihn deutsch an und bittet ihn in vollendeter Höflichkeit, näher zu treten. Er breitet seine Stickereien und Tücher aus und holt aus der dunklen Tiefe des Gewölbes immer noch mehr heran, …49

Abstract This paper is based on the conditions of Byzantine fairs in the European part of the Byzantine Empire, which were systematically outlined by Spyros Vryonis Jr. and Angeliki Laiou in the field of Byzantine Studies over the last decades. The central question is where fairs were established in Byzantine times, what motivations contributed to their foundation, and in which way they were organised (legally, amongst other things). For example, a Byzantine satirical dialogue entitled Timarion from the first half of the twelfth century is a central source on the renowned fair of Saint Demetrios in Thessalonica. The paper also takes the question into account where fairs can be localised in the historical landscape of Macedonia in Byzantine times and whether they were taken over in the mediaeval Bulgarian and Serbian Empires. Medieval written sources provide detailed data on Byzantine and Old-Slavonic terms which define and describe fairs as well as weekly markets, which, again, illustrates how specific terms were spreading in the Byzantine Commonwealth. A fundamental change in the structure and location of fairs in the Balkan Peninsula undoubtedly occurred in Ottoman times. On the basis of documents on the travel and trading activities of Jewish merchants in the 16th century, infrastructural shifts in the respective system of fairs can be discerned. This image is considerably enriched by archival material from the first third of the 19th century from the Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Vienna. Finally, the famous publications of Karl May on the adventures of his hero Kara Ben Nemsi in the European part of the Ottoman Empire offer, as a literary source, an eloquent testimony of the then renowned fair in Melnik, whose origins can be traced back to Byzantine times. All the aforesaid approaches are rounded off by the memoirs of German officers and soldiers at the Salonica Front from 1915 until 1918, which give testimony to an economic picture of the historical landscape of Macedonia, enabling us to trace back features deriving from the Byzantine period. 49 Erich Otto Volkmann, Die unsterbliche Landschaft. Die Fronten des Weltkrieges. Ein Bilderwerk. V  : Die serbisch-mazedonische Front, Leipzig 1935, S. 13f.

Jahrmärkte im europäischen Teil des Byzantinischen Reiches

Abb. 1  : Mittelalterliche (fette Buchstaben) und osmanische Jahrmärkte (fette, kursive Buchstaben) auf der Balkanhalbinsel (Eigene Darstellung).

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Carsten Jahnke, Kopenhagen

Die Messen in Schonen – die größten Marktveranstaltungen im Hanseraum

Der Hanseraum, d. h. die Wirtschaftszone zwischen den Produktionszentren Russlands, Weißrusslands und der Ukraine im Osten, des Mittelmeer- und oberdeutschen Raumes im Süden und Englands und Flanderns im Westen, ist per definitionem kein messefreundlicher Raum. Gemeinhin wird dieser Raum als eine Umschlagszone definiert, in der sich die Kaufleute zumeist auf den Überbrückungstransport von einem Großraum in den anderen spezialisiert hatten.1 Die Kaufleute des Hanseraumes verdienten einen guten Teil ihres Geldes damit, Waren zwischen weit auseinanderliegenden Märkten hin und her zu bewegen und die entfernungsabhängigen Preisunterschiede auszunutzen. Hierzu hatten sie bestimmte, netzwerkartige Handelsmechanismen entwickelt, die es ihnen ermöglichten, an mehreren Märkten gleichzeitig Handel treiben und die Entwicklungen an diesen Märkten von einem Ort aus, ihrem heimischen Kontor, verfolgen zu können.2 An den Endpunkten ihres Handels, in Nowgorod, Lemberg, Frankfurt, Brügge, Bergen-op-Zoom oder London, waren die hansischen Kaufleute Teilnehmer am internatio­ nalen Marktgeschehen des jeweiligen Marktes oder der jeweiligen Messe. Hier waren sie auch Messekaufleute. Aber in der Mittelpassage, dem Weg zwischen den Messen, versuchten sie erfolgreich, jegliche Konkurrenz und jeglichen Zwischenhandel auszuschalten. Das bedeutet nun nicht, dass es im eigentlichen Hanseraum keine Märkte oder Messen gegeben habe, au contraire. Auch innerhalb des Hanseraumes gab es ein abgestuftes und variables Marktnetz, in dem die Waren aus dem ländlichen Raum in den Großhandel eingespleißt werden konnten und vice versa.3 Allerdings versuchten die Kaufleute, vor allem im östlichen Hanseraum sowie im zentralen Binnenland, relativ erfolgreich, fremde, nicht hansische Kaufleute vom Marktgeschehen weitestgehend auszuschließen.4 1 Carsten Jahnke, Handelsnetze im Ostseeraum, in  : Gerhard Fouquet/Hans-Jörg Gilomen (Hrsg.), Netzwerke im Europäischen Handel des Mittelalters, Ostfildern 2010, S. 189–212, hier  : S. 190f. 2 Jahnke, Handelsnetze, passim. 3 S. u. a. Marian Biskup, Entwicklung des Netzes der altpreußischen Städte bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in  : Acta Poloniae Historica 53, 1986, S. 5–27. Antoni Czacharowski, Jahrmärkte und Messen im mittelalterlichen Polen, in  : Franz Irsigler/Michel Pauly (Hrsg.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa/Foires, marchés annuels et développement urbain en Europe, Trier 2007, S. 235–241. Thomas Riis, Foires, marchés annuels et développement urbain au Danemark jusqu’au milieu du XVIIe siècle, in  : ebd., S. 207–234. 4 Siehe für Lübeck nun Carsten Jahnke, Lübeck and the Hanse, in  : Justyna Wubs-Mrozewicz/Wim

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Die einzige systemische Ausnahme waren die Schonischen Messen, die vom Beginn des 13. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts die größte Waren- und Handelsmesse nicht nur des Hanseraumes, sondern ganz Nordeuropas ausmachten.

1. Die Schonischen Messen, ein Umschlagsort für einen künstlich geschaffenen Markt 1.1 Die Voraussetzungen

Das Entstehen der Schonischen Messen hängt eng mit der voranschreitenden Christianisierung Europas zusammen. Mit der Christianisierung war nicht nur ein Glaubenswechsel, sondern vor allem auch ein Wechsel der Nahrungsgewohnheiten verbunden. So wurden nicht nur bestimmte Nahrungsmittel, z. B. Pferdefleisch, aus propagandistischen Gründen tabuisiert, sondern auch neue, strenge Ernährungsregeln eingeführt. Zu den besonders wirkungsmächtigen Neuerungen gehörte ein Fastengebot für die gläubigen Christen. An 120 bis zu 182 Tagen im Jahr wurden die Gläubigen angehalten, kein Fleisch und Fett zu essen.5 Als Substitutionsgüter standen vor allem heimische Fischarten zur Verfügung, doch waren die relativ teuer und zumeist in ihrer Verfügbarkeit jahreszeitlich beschränkt. Gerade die Großabnehmer, z. B. die Klöster, suchten deshalb schon sehr bald nach neuen Möglichkeiten, ihren Bedarf an Fastenspeisen decken zu können. Eine der Möglichkeiten hierzu war der Import von konservierten Seefischen. Diese Seefische, vor allem Hering und Dorsch, waren schon vor der Christianisierung von der einheimischen Bevölkerung der Küstengebiete Frankreichs, Hollands, Englands, Norwe­gens, Pommerns und vor allem Dänemarks gefangen und als Wintervorrat genutzt worden. Hierzu hatte man entsprechende Konservierungsmethoden entwickelt. Größere Fische, wie z. B. Dorsche, wurden getrocknet, kleinere, vor allem Heringe, in Salzlake eingelegt.6 Blockmans/Mikhail Krom (Hrsg.), A Merchants’ World, Linkages of Maritime Metropolises in Late Medieval Europe, Oxford 2017. 5 Richard C. Hoffmann, Fishers’ Craft and Lettered Art. Tracts on Fishing from the End of the Middle Ages, Toronto 1997, S. 18. Siehe allgemein Carsten Jahnke, The Medieval Herring Fisheries in the Baltic Sea, in  : Louis J. Sicking/Darlene Abreu-Ferreira (Hrsg.), Beyond the Catch. Fisheries of the North Atlantic, the North Sea and the Baltic, 900–1850, Leiden 2009, S. 157–186, hier  : S. 157. 6 Chris M. Woolgar, Fish Production, Trade and Consumption, c.1300/1530, ›Take this Penance Now, and Afterwards the Fare Will Improve‹  : Seafood and Late Medieval Diet, in  : David J. Starkey/Chris Reid/Neil Ashkroft (Hrsg.), England’s Sea Fisheries. The Commercial Sea Fisheries of England and Wales since 1300, London 2000, S. 36–44. Wendy R. Childs, Fish Production, Trade and Consumption, c.1300/1530, The Eastern Fisheries, in  : ebd., S. 19–23. Ingrid Bødker Enghoff, Denmark’s First Fishing Industry  ?, in  : Maritime Newsletter from Roskilde, Denmark 6, May 1996, S. 2–4. Dies., Fishing in the Baltic Regions from the 5th Century BC to the 16th Century AD  : Evidence from Fish Bones, in  : Archaeofauna 8, 1999, S. 41–85. Dies., Fishing in the Southern North Sea Region from the 1st to the 16th Century AD  : Evidence from Fish Bones, in  : Archaeofauna 9, 2000, S. 59–132.

Die Messen in Schonen 

Gerade die karolingischen und hier vor allem die westfälischen und sächsischen Klöster richteten ihren Blick gen Norden, an die Ostsee. Von dieser hatte schon der Bamberger Mönch Herbord zur Mitte des 12. Jahrhunderts berichtet, dass man dort einen Karren voller Heringe für billiges Geld kaufen könne.7 Dass Herbord dieses Beispiel wählte, hing vor allem damit zusammen, dass Heringe als Fastenspeise eine europaweite Verbreitung erfahren hatten. So gibt es spätestens seit dem 10. Jahrhundert althochdeutsche Glossierungen des Wortes hâring, von denen die eine 1035 im Kloster von St. Gallen in der Schweiz im Zusammenhang mit einer Liste täglicher Speisen aufgezeichnet wurde.8 Zur gleichen Zeit konsumierte auch das Domkapitel von Breslau Heringe in der Fastenzeit9 und spätestens einhundertfünfzig Jahre später wurde Ostseehering sogar in Italien verzehrt.10 Mit der Verbreitung des Heringkonsums wurde ein künstlicher Markt geschaffen, dessen Bedeutung mit dem für Wachs vergleichbar ist, da der Verbrauch von Wachs durch die Stiftung ewiger Lichter an Altären ebenfalls durch die Christianisierung stimuliert worden war. Heringe wurden sowohl in der West-11 als auch in der Ostsee gefangen, aber es waren die besonderen Gegebenheiten im Herzogtum Sachsen, die eine Marktkonzentration auf den Ostseeraum stimulierten. Zum Einlegen von Heringen bedarf es vierer grundlegender Ingredienzen  : Hering, Tonnen, Süßwasser und Salz. Heringe waren in gewissen Regionen des westlichen Ostseeraums reichlich vorhanden und leicht zu fangen, und Süßwasser und Tonnen waren regional oder überregional zu beschaffen. Aber Salz ist ein knappes Produkt, dessen Verfügbarkeit wesentlich zur Entwicklung von Märkten beiträgt. In vorchristlicher Zeit kam das Salz zum Einlegen der Heringe vor allem aus der Saline von Kolberg in Pommern.12 Allerdings erhöhte sich seit dem 10. Jahrhundert die Qualität und Kapazität   7 Herbordi, Vita Ottonis Herbordi, Dialogus de Vita Ottonis, MGH, SSrG, Vol. XXXIII, hrsg. v. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1868, II, 41, S. 102.   8 Carsten Jahnke, Wege und Absatzmärkte mit Ostseehering, 1100–1600. Kontinuität und Wandel, in  : Detlef Kattinger (Hrsg.), Der Ostseeraum und Kontinentaleuropa (1100–1600), Einflußnahme – Rezeption – Wandel, Rostock 2004, S. 131–136, hier  : S. 132.   9 Enghoff, Fishing in the Baltic Regions, S. 69. 10 Carsten Jahnke, The Silver of the Sea. Herringtrade as an Economical and Cultural Bridge Between the Baltic and the Mediterranean  ?, in Vorbereitung. 11 Als Westsee wird korrekterweise das Seegebiet zwischen Skågen und dem Ärmelkanal bezeichnet. An diese grenzt die Zuiderzee (die Südsee). Die Nordsee ist der Name für die nordatlantischen Gewässer zwischen den Shetlandinseln und Grönland. Siehe Carsten Jahnke, Die »Nordsee«, ein verbindendes oder trennendes Element  ?, in  : Michael Borgolte/Nikolaus Jaspert (Hrsg.), Maritimes Mittelalter  : Meere als Kommunikationsräume, Ostfildern 2015, S. 195–211. 12 Peter Tepp, Untersuchungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Hanse- und Salzstadt Kolberg im Spätmittelalter, masch. Diss. Hamburg 1980. Dietrich Kausche, Das Kolberger Salz und sein Absatz im Mittelalter als Forschungsproblem, in  : Baltische Studien, N. F., Band 64, 1978, S. 7–20. Winfried Schich, Beobachtungen und Überlegungen zur Salzgewinnung in Mecklenburg und Vorpommern in der slawisch-deutschen Übergangsperiode, in  : Wolfgang H. Fritze (Hrsg.), Germania Slavica, Band II, Berlin 1981, S. 93–120, hier  : S. 94ff.

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der Lüneburger Saline, die spätestens seit dem 12. Jahrhundert zum Hauptproduzenten für Salz im Ostseeraum avancierte.13 Dieses Salz nun war das ideale Austauschprodukt für den eingesalzenen Hering. Seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts zogen mehr und mehr sächsische Kaufleute in den Ostseeraum und im Jahre 1147 versuchte das Kloster Corvey sogar, sich eines der Heringsfanggebiete, der (heidnischen) Insel Rügen, durch eine Urkundenfälschung zu bemächtigen.14 Der Haupthandelsplatz für den Salzhandel war der karolingische Grenzort Bardowick, doch sobald zur Mitte des 12. Jahrhunderts Heinrich der Löwe die ersten wendischen Gebiete an der Ostseeküste erobert hatte, verlagerte sich der Salzhandel dorthin  : Lübeck wurde der zentrale Ausfuhrhafen für Lüneburger Salz und der wichtigste Einfuhrhafen für Hering.15 1.2 Die ersten Entwicklungsschritte

Die Fanggebiete, die Lübeck, und damit auch Lüneburg, an nächsten liegen, sind die flachen Gewässer um die Insel Rügen herum, wie schon der Fälschungsversuch des Klosters Corvey verdeutlicht. Hier trafen sich spätestens seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, also noch vor der Christianisierung der Insel, christliche, slawische und dänische Kaufleute und Fischer zu einem gemeinsamen Markt,16 der an Bedeutung zunahm, als durch die Lübecker Kaufleute mit Sachsen und Westfalen ein sehr großes Absatzgebiet erschlossen wurde.17 Spätestens in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurden auf Rügen die rechtlichen und markttechnischen Voraussetzungen entwickelt, die die wesentlichen Grundlagen für die schonischen Messen bilden sollten. Da die anreisenden Kaufleute einen Teil der Produktionsmittel, Salz und Salztonnen, die zu Heringstonnen umfunktioniert werden konnten, mitbrachten, versuchten sie schon bald, Einfluss auf die Produktion und die Produktionsqualität zu nehmen. Die Kaufleute erwarben von den Fischern ein Halbfertigprodukt, den gefangenen Hering, und sorgten selbst für dessen Verarbeitung. Hierfür erwarben sie hinter den Stränden kleinere Landstücke mit Süßwasserzugang, sogenannte Spatien auf den Vitten (Heringsverarbeitungs13 Harald Witthöft, Struktur und Kapazität der Lüneburger Saline seit dem 12. Jahrhundert, in  : Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 63, 1976, S. 1–117. Ders., Der Export Lüneburger Salzes in den Ostseeraum während der Hansezeit, in  : Norbert Angermann (Hrsg.), Die Hanse und der deutsche Osten, Lüneburg 1990, S. 41–65. 14 Jahnke, Wege und Absatzmärkte, S. 132. 15 Carsten Jahnke, Handelsstrukturen im Ostseeraum im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert. Ansätze einer Neubewertung, in  : Hansische Geschichtsblätter 126, 2008, S. 145–185, hier  : S. 153–163. 16 Ders., »Das Silber des Meeres«. Fang und Vertrieb von Ostseehering zwischen Norwegen und Italien vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 20–28. 17 Ebd., S. 29.

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Abb. 1  : Die wichtigsten Heringsfanggebiete im westlichen Ostseeraum (nach Jahnke, Silber, S. 2).

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plätzen), die mit kleinen Holzbuden bebaut wurden. Diese Vitten entstanden entlang der wichtigsten Fangplätze in einem nichturbanen Raum, der nur durch das Landrecht des Landesherrn strukturiert war. Politisch günstige Umstände zu Beginn des 13. Jahrhunderts ermöglichten es den Lübecker Kaufleuten, ihre und die Rechtsstellung ihrer Vitten maßgeblich zu erweitern. Von spätestens 1224 an genossen diese Vitten nicht nur eine besondere Rechtssicherheit, sondern die Kaufleute erhielten zudem das Recht, von einem eigenen Richter, unabhängig von der regionalen Gesetzgebung, gerichtet zu werden, »Quod si forte opus iudicio habuerint, statuent iudicem ex parte ipsorum, qui cum iudice nostro iudicio presideat et iudicando secundum leges et iusticiam civitatis eorum«, es wird ihnen das Recht eingeräumt, »aus Eurer Mitte einen Richter zu wählen, der zusammen mit unserem dem Gericht vorsteht und nach den Gesetzen und dem Recht Eurer Stadt richtet«.18 Hiermit war der erste Schritt zu einer korporativen Unabhängigkeit der Kaufleute auf den Heringsfangplätzen getan.19 1.3 Der Beginn des Schonischen Heringsmarktes

Die Lübecker Kaufleute begnügten sich aber nicht mit dem Markthandel auf Rügen. Spätestens am Ende des 12. Jahrhunderts hatten sie einen weiteren, wesentlich interessanteren Markt entdeckt  : den Bereich des Öresunds, einen der zwei Zufahrtswege aus dem Kattegat in die Ostsee. An den Küsten des Öresundes trafen sich schon seit alter Zeit im Herbst die Bauern der umliegenden Gebiete, um dort Hering für den eigenen Wintervorrat zu fangen und zu konservieren. Die Ansammlung von zahlreichen, zumeist auch wirtschaftlich potenten Kunden an einem Ort zu einer bestimmten Zeit führte selbstverständlich zu Marktaktivitäten, über die wir nur bruchstückhaft unterrichtet sind. So beschreibt die Saga König Olavs des Heiligen, die allerdings erst aus der Heimskringla Saga des ausgehenden 12. Jahrhunderts überliefert ist, Marktaktivitäten in diesem Bereich und in der Færingernes Saga wird berichtet, dass hier im Sommer so viele Menschen zur Kauffahrt, kaupferð, zusammenkämen wie nirgendwo anders im Norden, und schon König Harald Blauzahn (10. Jh.) soll mit vielem Volk auf den Markt von Skanör (Halör) gefahren sein, »Haralldr konungr [Blåtand] var a Haleyri vm sumarit ok fiolmenni mikit med honum«.20 Auf diesen Markt, der z. B. auch von Isländern besucht wurde und dessen archäologische Spuren Verbindungen nach Nordwesteuropa aufweisen,21 kamen nun auch die Lübecker. Sie entdeckten, dass sie dort nicht nur Salz absetzen und Hering kaufen konnten, sondern dass die zahlreichen Besucher dankbare Abnehmer für alle durch Lübeck 18 Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Codex Diplomaticus Lubecensis, I, Nr. 27, S. 32f., hier  : S. 32. 19 Siehe hierzu ausführlich Jahnke, Silber, S. 28–32. 20 Flateyjarbók, En samling af Norske Konge-Sager, Vol. I–III, Christiania 1860–1864, hier  : Vol. I, Cap. 95 I–II, S. 123. Siehe hierzu Jahnke, Silber, S. 64–69. 21 Lars Ersgård, »Vår Marknad i Skåne«, Bebyggelse, Handel och Urbanisering i Skanör och Falsterbo under Medeltiden, Lund 1988, S. 40.

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exportierten Produkte waren. Der Handelsaustausch wurde schon bald so rege, dass sich der lübische Chronist Arnold am Ende des 12. Jahrhunderts klagend darüber ausließ  : De honestate Danorum. Siquidem Dani usum Teutonicorum imitantes, quem ex longa cohabita­ tione eorum didicerunt, et vestitura et armatura se ceteris nationibus coaptant  ; et cum olim formam nautarum in vestitu habuissent propter novium consuetudinem, quia maritima inhabitant, nunc non solum scarlatto, vario, grisio, sed etiam purpura et bisso induuntur. Omnibus enim divitiis abundant propter piscationem, que quotannis in Scania exercetur, ad quam omnium circumquaque nationum negotiatores properantes aurum et argentum et cetera queque preciosa illuc deferunt, et comparatis halecibus eorum, que illi gratis ex divina habent largitate, quasi pro vili quodam commercio sua optima, nonnunquam etiam se ipsos naufragando relinquunt.22 Von der Ehre der Dänen. Die Dänen, welche die Sitten der Deutschen nachahmen, die sie durch das lange Beieinanderwohnen kennengelernt haben, schließen sich jetzt in der Kleidung und der Bewaffnung den übrigen Nationen an. Glichen sie früher in der Kleidung den Seeleuten, da sie als Bewohner der Küsten immer mit Schiffen zu tun hatten, so kleiden sie sich jetzt nicht nur in Scharlach, in buntes und graues Rauchwerk, sondern auch in Purpur und feines Leinen. Alle sind nämlich durch den Fischfang besonders reich geworden, der alljährlich auf Schonen durchgeführt wird. Zu diesem Fischfang bringen die Kaufleute aller umliegenden Völker Gold, Silber und andere Kostbarkeiten mit und kaufen den Dänen die Heringe ab, welche diese kostenlos aus Gottes reichfließender Gnade erhalten, wobei die Kaufleute um eines guten Geschäftes willen ihr Bestes, zuweilen sogar noch ihr Leben durch Schiffbruch verlieren.

Die Gefahren des Meeres hielten die Lübecker Kaufleute aber nicht davon ab, sich in großer Zahl nach Schonen zu begeben, und so war der dänische König 1201 im Stande, dort nicht nur den Großteil der lübischen Elite gefangen zu nehmen, sondern auch die gesamte lübische Flotte zu kapern, die zum Handel dort versammelt war.23 Spätestens um 1200 war der Heringsmarkt von Schonen vollständig etabliert und an das europäische Handelsnetzwerk angeschlossen. 1.4 Das Entstehen der Schonischen Messen

Die Teilnahme der Lübecker am Heringsmarkt von Schonen war aber nur der Anfang einer Entwicklung, die zur Ausbildung einer internationalen Messe führen sollte. Der zweite wichtige Faktor war die geographische Anbindung der Messe und die technische Entwicklung des internationalen Seeverkehrs. Dass die Lübecker auf den Heringsmarkt 22 Arnold von Lübeck, Arnoldi Abbatis Lubecensis Chronika, MGH SSrG, Vol. XIV, hrsg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1868, Lib. III, Cap. 5, S. 77. 23 Ebd., Lib. VI, Cap. 13, S. 234, Nr. 1201 Sept. 14.–Okt. 28. Die Stadt konnte durch die Gefangennahme ihrer Führungsschicht unter die dänische Oberhoheit gebracht werden.

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fuhren, beflügelte zwar dessen Umsatz, besaß aber kaum internationale Relevanz. Allerdings wurden die Chancen und Möglichkeiten, die dieser Markt eröffnete, auch von anderen Kaufleutegruppen gesehen und genutzt, und zwar nicht nur aus dem Ostseeraum, sondern vor allem auch aus dem Bereich der Westsee  ; hier besaßen z. B. die Engländer enge Handelsbeziehungen zu Norwegen, von wo aus sie auch Hering bezogen hatten.24 Die Engländer, aber auch Holländer und Flamen verlagerten ihre Handelsaktivitäten südwärts, in den Bereich des Sundes, wo sie im Herbst auf ihre Kaufmannskollegen aus dem Ostseeraum trafen. Zu Anfang stieß dies nicht unbedingt auf die Zustimmung der Lübecker, die noch 1249 in einem Kriegszug erst Stralsund und dann Kopenhagen zerstörten, wo sie auch zahlreiche Güter englischer Kaufleute in Mitleidenschaft zogen,25 aber schon 1251 erhielten die Städte der Zuiderzee eine offizielle, königliche Bestätigung ihrer Marktteilnahme.26 Mit der Marktteilnahme der Anrainer der West- und Zuiderzee erweiterte sich nicht nur der Absatzmarkt für schonischen Hering, der in Folge alle anderen Heringssorten vom Markt verdrängen sollte, sondern die Schonischen Messen erhielten den Status eines Scharnieres zwischen dem Wirtschaftsraum der Ost- und der Westsee. Hier trafen sich im Herbst die wichtigsten Kaufleute beider Wirtschaftsräume, nicht nur, um ihre Produkte abzusetzen und Hering einzukaufen, sondern auch, um Geschäfte mit- und untereinander zu tätigen. Die Schonischen Messen hatten sich zur Mitte des 13. Jahrhunderts zur großen Clearingstelle Nordeuropas entwickelt.

2. Die strukturelle und rechtliche Organisation der Messen 2.1 Die rechtliche Organisation

Die Schonischen Messen waren keine urbane Veranstaltung. Da der Heringsfang vom Strand aus und die Heringsverarbeitung hinter der Strandzone stattfand, organisierten sich auch die Messen in dem Übergangsbereich zwischen Strand und Strandzone. Gleichzeitig kam es zu einer weitgestreckten Ausdehnung der Handelszone, die sich vom nördlichen Teil des Öresundes über dessen westliche und östliche Küste bis an die Südund Ostküste Schonens erstreckte. Der älteste, bekannteste Messeplatz war Skanör an der Nordspitze der Halbinsel von Halör. An der Südspitze dieser Halbinsel, der Lübeck 24 Knut Helle, Norge blir en Stat, 1130–1319, Handbok i Norges Historie, Bind I.3, København/Stockholm/Göteborg 1964, S. 95, 105. Sverre Bagge, From Gang Leader to the Lord’s Anointed, Kingship in Sverris saga and Hákonar saga Hákonarsonar, Odense 1996, S. 121–128. Jahnke, Silber, S. 288ff., für die weitere Entwicklung. 25 Carsten Jahnke, »Homines imperii« und »osterlinge«. Selbst- und Fremdbezeichnungen hansischer Kaufleute im Ausland am Beispiel Englands, Flanderns und des Ostseeraumes im 12. und 13. Jahrhundert, in  : Hansische Geschichtsblätter 129, 2011, S. 1–57, hier  : S. 15f. Zu den Quellen siehe ders., »National« Conflicts in the Medieval Slesvig-Holsten  ?, im Erscheinen. 26 HUB I, Nr. 411, S. 133f. und Nr. 423, S. 134f.

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Abb. 2  : Der Messeplatz von Falsterbo 2014 (Photographie des Verf.).

zugewandten Seite, entstand dann kurz darauf der Marktplatz von Falsterbo. An diesen beiden Orten sowie in Dragør auf der Insel Amager im Westen des Sundes entstanden im Zusammenhang mit den Messen Orte hinter den Marktplätzen, in Skanör und Falsterbo Städte und in Dragør eine Siedlung. Allerdings konnten die Städte Skanör und Falsterbo keine eigene wirtschaftliche Entwicklung erlangen und haben mit Ende der Schonischen Messen im 16. Jahrhundert ihren Status als Stadt auch wieder verloren. An mehreren Stellen führte der Messebetrieb allerdings zur Hausbildung urbaner Strukturen. Unter den wichtigsten auf der Grundlage des Heringsfanges entstandenen Städten sind vor allem Landskrona, Malmö (dt. Ellenbogen), Trelleborg, Ystad und Simrishamn zu nennen. Auch Kopenhagen ist zu erwähnen, doch spielt diese Stadt in diesem Zusammenhang auf längere Sicht eine weniger bedeutende Rolle. Die Kaufleute, die die Strände am Öresund aufsuchten, fanden keine vorhandene Infrastruktur vor. Dies hatte den Nachteil, dass alles, was für einen internationalen Messebetrieb notwendig war, herbeigeschafft werden musste, hatte aber den Vorteil, dass keine bereits vorhandenen, lokalen Rechte und Privilegien die Entwicklung beeinträchtigen konnten. Als die Lübecker am Ende des 12. Jahrhunderts zuerst die schonischen Heringsfanggebiete aufsuchten, hatten sie auf Rügen bereits begonnen, einen dem Herings- und Salzhandel förderlichen Rechtskorpus zu erwerben. Diese rügischen Freiheiten stellten dann die Ausgangsposition für die Schonischen Messefreiheiten dar. In einem langsamen Prozess, der durch die Schwächung der dänischen Krone und Bürgerkriege im Reich verstärkt wurde, entwickelten sich die Messeprivilegien vom Beginn des 13. Jahrhunderts an, bis sie gegen 1400 ihre volle Ausprägung erlangt haben sollten.

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Abb. 3  : Das Vittenfeld von Falsterbo. Am Strand die Lager der Fischer, in der Mitte das Vittenfeld, am rechten Rand die Stadt Falsterbo (nach Jahnke, Silber, S. 123).

Für die Zeit der Messen, die ursprünglich von Assumptio Mariae (15. August) bis St. Dio­ nysius (9. Oktober) dauerten und deren Länge vom Fettgehalt der vorbeiziehenden Heringe bestimmt war, wurden besondere Regeln erlassen und konnten einige Städte besondere Freiheiten gewinnen. Generell wurde der Marktfrieden an Assumptio Mariae durch die Verlesung des Marktgesetzbuches, des Motbuches, durch den königlichen Vogt angesagt.27 Dabei regulierte 27 Jahnke, Silber, S. 41–46. Das Modbog für Dragør, C. Nicolaisen, Amagers Historie, Iste Del, København 1907, S. 133–139, ebenso Dietrich Schäfer, Eine »Mote« von Dragör vom Jahre 1470, in  : Hansische Geschichtsblätter 1888, 1890, S. 172–180. Für Malmö C. J. Schlyter (Hrsg.), Samling af Sweriges Gamla Lagar, Nionde Bandet, Skånelagen, Lund 1859, S. 485–493. Für Landskrona Aage Andersen (Hrsg.), Den Danske Rigslovgivning, Vol. I, 1397–1513, København 1989, S. 214–217, fast identisch mit jenem für Skanör und Falsterbo. Für Skanör und Falsterbo, Danske Rigslovgivning, S. 185–214. Vgl. allgemein Poul Johannes Jørgensen, Dansk Retshistorie, Retskildernes og Forfattningsrettens Historie indtil sidste Halvdel af det 17. Aarhundrede, København2 1947, S. 118 und Walther Stein, Zwei Moten König Christians I. von Dänemark, in  : Hansische Geschichtsblätter 1897, S. 229–238.

Die Messen in Schonen 

Abb. 4  : Die Hauptorte der Schonischen Messen (nach Jahnke, Silber, S. 62).

das Motbuch vor allem die Fischerei sowie das generelle Zusammenleben der fremden Kaufleute und Fischer. Mit dieser Verlesung waren die Rechtsbefugnisse des königlichen Vogtes allerdings für viele Kaufleute an ihre Grenzen gelangt. Viele Städte hatten nämlich seit dem 13. Jahrhundert ihre Rechtsbefugnisse soweit ausdehnen können, dass sie 1. die vollständige Gerichtsbarkeit, auch über Hals und Hand, auf den Messen besaßen, 2. der Handel, auch von Gast zu Gast, vollständig freigegeben war und 3. die Handelsusancen und Währungen ihrer Heimatstädte auf den Messen Gültigkeit besaßen. Für die Zeit des Messegeschehens war der König für die besonders privilegierten Kaufleute nahezu vollständig aus dem Messegeschehen verdrängt und durch ein Messegericht, welches durch die Vögte der Städte gebildet wurde, ersetzt worden. 2.2 Die räumlich-strukturelle Organisation  : Die Strandvitten

Das Marktgeschehen teilte sich auf den Messen in drei Zonen. Am Strand, der in Dänemark dem Regenten gehört, lagerten die Fischer. Dort, und nur dort, fand auch der Fischhandel statt. In der dahinter liegenden Strandzone bauten die Kaufleute eigene Siedlungen. Sie hatten dafür bestimmte Abschnitte der Strandzone, die Vitten, erwerben können. Die Vitten waren Städte en miniatur, die die Institutionen und Strukturen der Heimatstädte der Kaufleute widerspiegelten. Auf diesen Vitten konnten Grundstücke, Spatien, für die Zeit der Messen erworben werden. Diese Spatien waren beleih- und vererbbares Eigentum und wurden in einem besonderen, beim königlichen Vogt geführten, heute leider verlorenen, Bodenkataster geführt. Auf diesen Spatien bauten die Kaufleute und die Institutionen kleine Holzhäuser, die teilweise als Baukastensystem von zuhause mitgeführt wurden.

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Diese Häuschen wurden entweder am Ende der Messe wieder mit zurück genommen, oder aber in der restlichen Zeit der Aufsicht des königlichen Vogtes überlassen. Die Vitten dienten als Wohnort der Kaufleute, als Handelszentrum, zur Fischverarbeitung und sie boten auch die übrige, lebensnotwendige Grundversorgung. So reisten nicht nur die städtischen Priester mit den Kaufleuten auf die Messen, sondern auch Schlachter, Bäcker, Krüger und Prostituierte. Bisher kennen wir Vitten folgender Städte auf den Schonischen Messen  : Skanör

Falsterbo

Dragør

Amsterdam

Anklam

Aalborg

Bremen

Ängelholm

Anklam

Den Briel und das Land Voorne

Demmin

Bremen

Doesburg

Greifswald

Halmstad

Dordrecht

Halmstad

Cammin

Elburg

Kiel

Deventer

Engländer

Kolberg

Flensburg

Flamen

Kopenhagen

Hamburg

Halmstad

Lübeck

Kampen

Hamburg

Preußische Städte/Deutscher Orden

Kolberg

Harderwijk

Rügenwalde

Kopenhagen

Kampen

Stege

Lübeck

Leiden

Stettin

Preußische Städte/Deutscher Orden

Lund

Stralsund

Stargard

Maastricht

Svendborg

Stettin

Nimwegen

Stralsund

Rostock

Treptow a. d. R.

s-Hertogenbosch

Wismar

Schleswig

Wollin

Staveren

Zutphen

Stettin Stralsund Trelleborg Wismar Zierikzee Zutphen Zwolle Tab. 1  : Vitten auf den Schonischen Messen (nach Jahnke, Silber, S. 400–405).

Die Messen in Schonen 

Abb. 5  : Karte über die Stettiner Vitte in Falsterbo aus dem Jahr 1579, nach Blümcke, Stettins hansische Stellung (Otto Blümcke, Stettins hansische Stellung und Heringshandel in Schonen, Stettin 1887, S. 97–279).

Diese Vitten waren zum einen Handels- und Verarbeitungszentren, sie besaßen aber auch ihre internen Zentren. So durchzog z. B. das Feld von Skanör die Travnegade (Trangasse), auf der der internationale Markt an diesem Ort stattfand.28 Hier hatten nicht nur führende Kaufleute und geistliche Institutionen ihre Buden, sondern hier scheint wohl auch der Messehandel zwischen Besuchern und Kaufleuten stattgefunden zu haben. Eine ähnliche, große Gasse mit herausragender Bebauung durchzog auch die Stettiner Vitte, wie im Plan von 1579 deutlich wird. Daneben bildeten die beiden einzigen steinernen Gebäude, die Rostocker Marienkirche auf dem Feld von Skanör (1412 durch ein Feuer zerstört) und die Lübecker Marienkirche auf dem Feld von Falsterbo, die natürlichen Fixpunkte des Messegeschehens. Hier lagen nicht nur die zentralen Kirchen und Friedhöfe der Messen, sondern hier tagte auch das Messegericht  ; und die lübische Vogtei an diesem Ort entwickelte sich zur zen-

28 Jahnke, Silber, S. 80f.

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tralen Verwaltungsinstanz im Messegeschehen.29 Nach einer Beschreibung aus dem Jahr 1648 hatte diese Kirche eine Länge von 67 Fuß (19,27 m) und eine Breite von 54 Fuß (15,53 m). Sie war ein Fachwerkbau, zwei Ständer hoch und besaß im Dach einen Lastenaufzug mit einem Durchmesser von 10 Fuß.30 Allerdings war sie zu diesem Zeitpunkt schon baufällig, wurde 1653/54 noch einmal repariert,31 bevor sie dann im Frühjahr 1663 auf Anordnung der Stockholmer Zentralregierung abgerissen wurde.32 2.3 Die räumlich-strukturelle Organisation  : Die Vitten im urbanen Umfeld

Konnten sich die Vitten auf den Feldern von Skanör, Falsterbo und Dragør relativ frei entfalten, so gerieten die Kaufleute und mit ihnen die sie vertretenen Städte dort in Konflikte, so sich urbane Strukturen ausbildeten. Dieser Prozess ist vor allem in Malmö gut nachzuzeichnen. Am Anfang hatte sich auch in Malmö eine»normale« Vittenstruktur am Strand und in der Strandzone entwickelt, die auf einer ellenbogenförmigen Halbinsel angesiedelt war, woraus der deutsche Name für Malmö, ›Ellenbogen‹, resultiert. Ebenso wurde hier im 13. Jahrhundert, parallel zum Marktgeschehen, eine Stadt gegründet, die sich aber, anders als Skanör und Falsterbo, bald selbständig als marktunabhängiger Handelsort etablieren konnte. War die Stadt anfangs in ein eigentliches Stadtgebiet (ohne Marktplatz) und ein Konzessionsgebiet mit Vitten aufgeteilt,33 wurde dieses sodann durch die Stadtmauer von der Stadt abgeteilt. 1275 trat die Stadt erstmals als Handelsstadt in Erscheinung und nahm an wirtschaftlicher Bedeutung zu. 1360 wurde das Gebiet der Vitten auf das westliche Stadtvorfeld begrenzt,34 wo sich noch im 16. Jahrhundert Reste der Vitten befanden, bevor diese in das Stadtgebiet aufgingen.35 Allerdings hatten es die Kaufleute vor allem der wendischen Städte vorgezogen, dem relativ einfachen Leben auf den Vitten den Rücken zu kehren und sich in der Stadt selbst niederzulassen, wo sie Kompagnien gründeten, die schon bald eigene Häuser erwarben. Diese Kompagnien in Malmö sind bisher vor allem für Lübeck, Stralsund, Wismar und Stettin bekannt, beherbergten aber auch Kaufleute aus anderen Städten.36 Solche Kom29 Carsten Jahnke, A Church-Landscape that Disappeared. Hanseatic Merchants, Churches and the Scanian Fairs – a Short Sketch, in  : Jens Wienberg u.a. (Hrsg.), Vänbok till Anders Ödmann, im Erscheinen. 30 Archiv der Hansestadt Lübeck, Externa Suecica, Nr. 489, Bausachen der Lübecker Häuser in Falsterbo und Ystad. 31 Archiv der Hansestadt Lübeck, Schonenfahrer, Nr. 1167. 32 Jahnke, Church-Landscape. Martin Weibull, Till Skanörs och Falsterbos historia, in  : Samlingar utgifna för De skånska landskapens historiska och arkeologiska förening VI, 1877, S. 12ff., hier  : S. 13. 33 Lena Lindgren-Hertz, Kvarteret Fisken, Utgrävning av ett medeltida strandområde, in  : Elbogen, Malmö Fornminnes Förenings Tidskrift 15/1–4, 1985, S. 49–55. 34 Erik Kroman (Hrsg.), Danmarks gamle Købstadlovgivning, Bind IV  : Skåne, Bornholm, Halland og Blekinge, København 1961, Malmø Nr. 2, S. 32–38, hier  : § 11, S. 35. 35 Jahnke, Silber, S. 146–149. 36 Ebd., S. 149ff. Ders., Church-Landscape.

Die Messen in Schonen 

pagnien lassen sich aber auch in Ystad37 und Landskrona38 nachweisen. Hier begannen sich die Kaufleute nicht nur in der Messezeit, sondern auch das gesamte Jahr über aufzuhalten und Handel zu treiben. In den Städten, und vor allem in Malmö, kamen die ausländischen Kaufleute dadurch spätestens im 14. Jahrhundert in einen langanhaltenden Konflikt mit der regionalen Kaufmannschaft, die auf Aufhebung der Messeprivilegien und auf Einschränkung des ausländischen Handels drängte. Hierbei standen den Malmöer Interessen die Interessen der fremden Kaufleute und die Interessen der Krone an laufenden Zolleinnahmen entgegen, so dass sich die Auseinandersetzung bis ins 17. Jahrhundert hinzog, bis die Messeprivilegien der fremden Kaufleute gänzlich abgeschafft wurden.39

3. Die verschiedenen Rollen der Schonischen Messen im internationalen Handel bis 1400 Die Aufgaben der Schonischen Messen im regionalen und internationalen Handel waren fünffacher Natur. Zum ersten waren die Messen ein regionaler Versorgungs- und Absatzmarkt für das dänische Reich und die angrenzenden Gebiete. Zum zweiten waren die Schonischen Messen der zentrale Absatz- und Verteilungsmarkt für Salz im gesamten Ostseegebiet. Zum dritten war Schonen der zentrale und wichtigste Fang- und Verarbeitungsplatz für Hering in ganz Europa. Und viertens war die Messe der zentrale Handelsort im Großhandel zwischen Ost und West sowie Clearingstelle zwischen den beiden Handelsgebieten. 3.1 Die Bedeutung der Messen auf regionaler Ebene

Auf regionaler Ebene waren die Messen aus einem regionalen Markt entstanden, auf dem sich die Bauern und Eliten des Reiches nicht nur mit einem Wintervorrat an Hering, sondern auch mit anderen Gütern eindecken konnten - und zwar schon in Zeiten vor der Christianisierung. Diese Funktion sollte die Zeiten natürlich überdauern und der dänische Messekalender wurde so z. B. den Schonischen Messen angepasst. Wie Thomas Riis zeigen konnte, regulierte die Krone 1516 die Märkte in Schonen derart, dass der Jahrmarktzyklus am Himmelfahrtstag in Lund begann, dann am 17. Juni in Ängelholm und am 22. Juli in Aarhus fortgesetzt wurde, bis er am 10. August wieder Lund erreichte und dann vom 15. August im 50 km entfernten Skanör/Falsterbo fortgesetzt wurde.40 Ein gleiches Muster gab es auf Seeland, wo 1516 die Märkte in folgender Reihenfolge festge37 Ders., Silber, S. 159ff. 38 Ebd., S. 165f. 39 Ebd., S. 153–157. 40 Riis, Foires, S. 222f.

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legt wurden  : Roskilde (3 Wochen nach Ostern), Slangerup (St. Botulf, 17. Juni), Ringsted (24. Juni), Stege (22. Juli), Køge (am Öresund, 1. August)41 und dann die Schonischen Messen ab dem 15. August. Gleichzeitig besaßen eine Reihe dänischer Städte Jahrmärkte am Dionysiustag (9. Okt.) oder später, so wie z. B. Kolding (zugleich ein internationaler Ochsenmarkt, auf dem auch Ochsen aus Schonen verkauft wurden)42, Randers (9. oder 16. Okt.), Nakskov (5. Okt.), Roskilde (9. Okt.), Korsør (20. Oktober), Holbæk (16. Oktober) oder Simrishamn (4. Oktober), die direkt im Anschluss an die Messen stattfanden. Dass dieses häufig kein jahreszeitlicher Zufall war, zeigt das Interesse, das auch andere dänische Städte an den Messen zeigten. So wurde der Handel mit den Messen für folgende Städte explizit in deren Privilegierungen erwähnt  : Keine Zollbefreiung in Skanör und an einem oder weiteren Messeorten

Keine Zollbefreiung für den Handel auf den Schonischen Messen

Nyborg, 1446

Grenå, 1445

Bogense, 1445

Halmstad, 1322

Nykøbing/Møn, 1451

Helsingør, 1456

Fåborg, 1413, 1442

Riga, 1287

Keine Zollbefreiung in Skanör

Zollbefreiung für die Schonischen Messen

Randers, 1302

Holbæk, 1443

Horsens, 1442

Ripen, 1283

Slagelse, 1288 u. 1348

Køge, 1441, 1450

Kerteminde, 1484

Schleswig, 1282 Stege, [1259–1286]

Vejle, 1327

Ripen, 1443

Kolding, 1327

Viborg, 1442

Roskilde, 1419

Odense, 1447

Aalborg, 1342

Skagen, 1507

Præstø, 1441

Skive, 1326

Ringsted, 1447 Roskilde, 1395 Vordingborg, 1415 Aahus (Schonen), 1327 Aarhus (Jütland), 1441

Tab. 2  : Erwähnungen der Schonischen Messen in dänischen Stadtprivilegien (nach Jahnke, Silber, S. 416ff.).

In dieser Liste ist ein guter Teil aller dänischen Städte vertreten, und auch nahezu das gesamte Reich ist repräsentiert, von Grenå und Halmstad im Norden zu Nykøbing auf Møn und Præstø im Süden, Odense und Bogense auf Fünen bis zu Aalborg, Kolding und Schleswig auf Jütland. Gleichzeitig zeigt diese Liste auch die wirtschaftliche Bedeutung der Messen für die Krone, die durch das gesamte Mittelalter hinweg nur fünf Befreiungen vom Handelszoll auf den Messen ausgesprochen hat. Ein weiteres, wichtiges Indiz für die 41 Ebd., S. 218. 42 Poul Enemark, Dansk oksehandel 1450–1550. Fra efterårsmarkeder til forårsdrivning, Aarhus 2003.

Die Messen in Schonen 

Bedeutung der Messen im regionalen und überregionalen Bereich ist die Tatsache, dass zwischen 1237 und 1250 die Generalsynode der dänischen Knudsgilden, der Zentralorganisation der dänischen Kaufleute, von deren Zentralheiligtum Ringsted auf die Schonischen Messen verlegt wurde.43 3.2 Die Bedeutung der Messen als Salzmarkt

Auf der nächsten Ebene hatten die Schonischen Messen eine zentrale Rolle als Salzmarkt, nicht nur für den eigentlichen Heringsfang, sondern für den gesamten Ostseeraum. Da der Ostseeraum als solcher salzarm ist, musste das meiste Salz importiert werden. Hierfür kamen vor allem vier Quellen in Betracht. Zum einen die alten Salzquellen bei Kolberg, deren Qualität und Menge aber wohl nicht ausreichend war.44 Dann die Lüneburger Saline, die bis ins 15. Jahrhundert der Hauptlieferant für das Salz im Ostseeraum war,45 sowie die Krakauer Salinen, die Gruben bei Bochnia und Wielicka/Groß Salze, wobei der Salzhandel dieses Raumes seit 1329 dem Krakauer Stapel unterworfen war.46 Allerdings waren die Salzbetriebe auf den Zustrom fremder Kaufleute und ihrer Waren zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes angewiesen, so dass von einem Handel mit Thorn ausgegangen werden muss47, der sich in den Quellen allerdings nur schwer nachweisen lässt.48 Als letztes kam dann noch im 15. Jahrhundert der Import von Salz aus der Baie de Bourgneuf und aus Portugal hinzu, der vor allem in die östlichen Teile des Ostseeraumes ging.49

43 Hans T. Gilkær, In honorem sancti Kanuti martyris, Konge og Knudsgilder i det 12. århundrede, in  : Scandia 1980/2, S. 121–161, hier  : S. 140. 44 Tepp, Untersuchungen. Kausche, Das Kolberger Salz. Schich, Beobachtungen und Überlegungen. 45 Witthöft, Struktur und Kapazität. Ders., Der Export Lüneburger Salzes. 46 H. Oesterreich, Die Handelsbeziehungen der Stadt Thorn zu Polen, Part II  : Thorns Handel während des ersten Jahrhunderts der polnischen Herrschaft, 1454–1577, in  : Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 33, 1894, S. 45–93, hier  : S. 52, 86. 47 Józef Piotrowicz, Die Versorgung der Krakauer Salinen mit Roh- und Hilfsstoffen sowie Lebensmitteln als Faktor des Aufschwungs des Lokal- und Fernhandels vom 13. bis 16. Jahrhundert, in  : Ekkehard Westermann (Hrsg.), Bergbaureviere als Verbrauchszentren im vorindustriellen Europa, Fallstudien zu Beschaffung und Verbrauch von Lebensmittel sowie Roh- und Hilfsstoffen (13.–18. Jahrhundert), Stuttgart 1997, S. 331–343, hier  : S. 342f. 48 So weisen die Handelsformen nur auf einen Export nach Krakau, Auschwitz und in die Slowakei hin, Antoni Jodłowski, Grundformen des Marktsalzes in den Krakauer Salinen seit prähistorischen Zeiten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in  : Jean-Claude Hocquet/Rudolf Palme (Hrsg.), Das Salz in der Rechts- und Handelsgeschichte, Schwaz 1991, S. 55–63, hier  : S. 58f. 49 Stuart Jenks, Der hansische Salzhandel im 15. Jahrhundert im Spiegel des Danziger Pfundzollbuchs von 1409, in  : Rainer S. Elkar/Cornelius Neutsch/Karl Jürgen Roth/Jürgen H. Schawacht (Hrsg.), »Vom rechten Maß der Dinge«. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Festschrift für Harald Witthöft zum 65. Geburtstag, St. Katharinen 1996, Bd. I, S. 257–284, hier  : S. 272f. Carsten Jahnke, The Baltic Trade, in  : Donald J. Harreld (Hrsg.), A Companion to the Hanseatic League, Leiden 2015, S. 194–240, hier  : S. 236ff.

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Carsten Jahnke

 

Lübecker Salzexport nach Schonen nach C. Weibull, Lübecks sjöfart, S. 80.

100000 10000

Tonnen

72

7600

14.177

13.469

16.594

1000 100 10 1

Rechnungsjahre 1368/69

1398

1399

1400

Abb. 6  : Salzexport nach Schonen, in Lüneburger Tonnen à ca. 196 kg brutto (Harald Witthöft, Umrisse einer historischen Metrologie zum Nutzen der Wirtschafts- und Sozialgeschichtlichen Forschung. Maß und Gewicht in Stadt und Land Lüneburg, im Hanseraum und im Kurfürstentum/Königreich Hannover vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, Göttingen 1979, S. 282. Nach Carsten Jahnke, Der Ostseeraum und seine Produktivität, in Vorbereitung, unter Verwendung von Zahlen von Curt Weibull, Lübecks sjöfart, S. 80. Curt Weibull, Lübecks sjöfart och handel på de nordiska rikena 1368 och 1398– 1400, Studier i Lübecks pundtullböcker, in  : Scandia 32, 1966, S. 1–123).

Vor allem das Lüneburger Salz wurde auf die Schonischen Messen exportiert, wobei die Stadt Lübeck als einer der Hauptexporteure fungierte. Nach den Aussagen der Lübecker Zolllisten des Jahres 1400 exportierten die dortigen Kaufleute mindestens 16.594 Lüneburger Salztonnen nach Schonen, was einem ungefähren Gesamtgewicht von ca. 3.252 ½ t à 1.000 kg entspricht. Dies sollte allerdings in Relation zum Gesamtertrag der Lüneburger Saline gesetzt werden  : Der Salzverbrauch auf Schonen wird dabei von Rolf Hammel-Kiesow auf 1.150 Tonnen geschätzt,50 so dass ca. zwei Drittel der Exporte in den Handel des Ostseeraumes gingen. Wirft man einen Blick auf die weitere Verteilung, so kann der Salzhandel Danzigs als gutes Beispiel dienen  : Die Stadt exportierte 1409 2.148 ½ Tonnen Seesalz nach Schonen, bezog im Gegenzug aber 10.967 Lüneburger Tonnen Lüneburger Salzes von dort, was 25,41 v. H. aller Danziger Salzimporte entsprach.51 Diese Menge entspricht dabei 50 Rolf Hammel-Kiesow, Lübeck and the Baltic trade in bulk goods for the North Sea Region, 1150– 1400, in  : Lars Berggren/Nils Hybel/Annette Landen (Hrsg.), Cogs, Cargoes and Commerce  : Maritime Bulk Trade in Northern Europe, 1150–1400, Toronto 2002, S. 53–91, hier  : S. 84. 51 Jenks, Salzhandel, S. 270f.

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Die Messen in Schonen 

 

Abb. 7  : Nach Jahnke, Der Ostseeraum, in Vorbereitung.

einem Großteil des Salzes, welches im 14. Jahrhundert aus Lübeck nach Schonen exportiert wurde, wobei wiederum die Hälfte der Lüneburger Produktion über Lübeck als Schiff- oder Sommersalz ausgeführt wurde.52 Von den Schonischen Messen aus verteilte sich der Salzstrom im Großen und im Kleinen über den Ostseeraum. So wurden zum Beispiel aus Malmö während der Messezeit 1375 286 Tonnen Salz exportiert, zumeist in kleineren Mengen von einer bis zu sechs Tonnen. Nur sechs Mal exportierten Händler mehr als 6 Tonnen, im Höchstfall 19 Tonnen in einer Ladung.53 Ein Gesamtumsatz für den Salzhandel auf den Schonischen Messen lässt sich aufgrund fehlenden Zahlenmateriales nicht ermitteln. Es scheint aber sicher zu sein, dass die Schonischen Messen, zumindest für die Verteilung des Lüneburger Salzes, eine zentrale Rolle im gesamten Ostseeraum eingenommen haben.

52 Rolf Hammel-Kiesow, Salzzoll und Grabenzoll – Konjunkturen des Salzhandels und des Transithandels auf dem Stecknitzkanal im 16. Jahrhundert, in  : Elkar u.a. (Hrsg.), »Vom rechten Maß der Dinge«, Bd. I, S. 285–305, hier  : S. 285. Witthöft, Export Lüneburger Salzes, S. 45. Zu den Exporten siehe auch die Tabelle ebd., S. 54. Wintersalz wurde elbabwärts nach Hamburg, Buxtehude oder Stade exportiert. Ders., Struktur und Kapazität, S. 66. 53 Carsten Jahnke, Die Malmøer Schonenzollliste des Jahres 1375, in  : Hansische Geschichtsblätter 115, 1997, S. 1–108, hier  : S. 71f., 78, 80, 83, 86.

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3.3 Die Bedeutung der Messen als Heringsmarkt

Von unbestrittener, internationaler Bedeutung war die Rolle der Schonischen Messen als Europas größter Heringsmarkt. Durch die enge Zusammenarbeit von Kaufleuten und Fischern auf den Messen, die teilweise durch ein ausgeklügeltes Verlagssystem verstärkt wurde,54 konnte ein ausgesprochen hoher Qualitätsstandard erreicht werden. Dieser Standard wurde nicht nur durch ständige Qualitätskontrollen gesichert, sondern es wurden durch ein besonderes Kennzeichnungssystem die Produzenten resp. Erstverkäufer für die Qualität der Ware verantwortlich und haftbar gemacht. So sandte z. B. Straßburg zweimal jährlich Klagen über verdorbene Fische, wenn sie denn anfielen, an die Stadt Köln, die diese dann wiederum an Lübeck und die Produzenten weiterleitete, die sich dafür verantworten mussten.55 Die durch diese Maßnahmen erreichten Qualitätsstandards ließen den schonischen Hering alle anderen Sorten bis 1400 fast vom Markt verdrängen. So durfte in Maastricht z. B. kein holländischer Hering verkauft werden, wenn man die Käufer nicht nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es sich nicht um qualitätsvolle, schonische Fische handelte, und 1399 wurde der Verkauf von Nordseehering dort ganz verboten.56 Bis 1400 hatte der schonische Hering in einem Gebiet von Norwegen bis Norditalien und von England bis Nowgorod eine marktbeherrschende Stellung erreicht  ; und viele Kaufleute reisten direkt auf die Messen, um dort ihre Waren abzusetzen und Hering einzukaufen – auch, wenn sie keine eigene Vitte besaßen. So sind neben den Engländern z. B. auch viele westfälische Kaufleute auf den Messen zu finden, die dort ihren Wein gegen Hering eintauschten57 wie auch einige Städte besondere Tuche für die Messen produzierten, die Schonenlaken, wie z. B. Maastricht.58 Für die Städte war es dabei sinnvoll, ihre Kaufleute auf verschiedene Orte in der Messelandschaft zu senden. So war für die Bürger Elburgs im Jahr 1414 Dragør ebenso wichtig wie Falsterbo. Bis zum 13. September hatten sie auf Dragør im Schnitt zwischen 15 und 20 Last Hering gesalzen (die Last zu 12 Rostocker Tonnen), auf Falsterbo aber nur zwischen 7 und 12 Last. Dabei war der Hering mit 10 ß pro Fuder auf Dragør etwas teurer als zu Skanør/Falsterbo, wo der Preis je nach Tagesfang zwischen 3 und 10 ß schwankte. Andererseits kostete die Tonne Salz 1413 mit 32 ß. pro Last auf Dragør 8 ß weniger als auf Falsterbo.59 Aus einem Bericht des Elburger Bürgers Evert Scerpinc an den Rat der Stadt zeigt sich die Konkurrenzsituation, in der sich Dragør zu Skanør und Falsterbo befand. 54 Jahnke, Silber, S. 178–192. 55 Bruno Kuske, Der Kölner Fischhandel vom 14.–17. Jahrhundert, in  : Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst 24, 1905, S. 227–313, hier  : S. 258. 56 H. P. H. Eversen, Het gilde der »Schoensche Verderen« en de Sint Anna-, of eigentlijk Sint Alofskoeken, in  : Publications de la Société Historique et Archéologique dans Le Duché de Limbourg 15, 1878, S. 301–316, hier  : S. 305, Anm. 1. 57 HR III.5, Nr. 420, S. 511–517, vor allem § 48. 58 Eversen, »Schoensche Verderen«, S. 306. 59 HUB V, Nr. 1148, p. 594.

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Die Messen in Schonen 

Für eine Stadt war es also lohnend, mindestens zwei Vitten auf Schonen zu unterhalten, um kostengünstig Hering erwerben zu können. Aufgrund der relativen Unabhängigkeit der Vitten von der dänischen Zentralregierung und weitgehender Archivverluste ist es weder möglich, die Anzahl der die Messen besuchenden Kaufleute und Fischer noch deren Umsatz oder die Heringsausfuhr auch nur annähernd zu bestimmen. Es gibt zwar Schätzungen, die von bis zu 100.000 Besuchern ausgehen, doch liegen nur einzelne, sehr verstreute Zahlen vor, die weit davon entfernt sind, auch nur ein hypothetisches Gesamtbild zu ergeben. Eine Zollliste aus Malmö, die in der Messezeit des Jahres 1375 entstand und die Ausfuhr des Herings über das Meer registriert, ist eine dieser Quellen.60 Nach dieser Zollliste wurden in der Heringssaison 1375 allein aus Malmö 32.571 ½ Rostocker Tonnen Hering in den Ostseeraum exportiert, der Gesamtexport Malmös in diesem Jahr belief sich auf etwa 51.291 ½ Heringstonnen61, was ungefähr einer Zahl von 43.084.860 Species oder einem Gewicht von 25.850.916 kg Fisch entspricht.62 Umfassendere Quellen über die Produktionsmengen liegen aus Skandinavien nicht vor, weshalb man sich auf Schätzungen auf Grundlage von Importlisten stützen muss. Eine der wichtigsten Quellen hierzu sind die lübischen Pfundzolllisten, die eine Reihe von Jahren des 14. Jahrhunderts abdecken und Teile des Importes in den Lübecker Hafen verzeichnen. Nach diesen Listen betrug der verzollte Import von Hering allein im Lübecker Hafen  :63 Rostocker Tonnen

1384/85

1398

1399

1400

27.289

29.142

aus Malmø

32.636 ¼

aus Skanør/Falsterbo

26.425

32.243 ¾

28.340

aus Dragør

  8.082 ½

10.965 ½

  6.885 ½

  3.354 ½

  9.258 ¼

3.072

aus Ystad

5.988

aus Trelleborg

6.493

732

  ?

71.230 ¼

Summa

 1.416 81.199 ½

2.536 69.975 ½

Tab. 2  : Verzollter Import von Hering im Lübecker Hafen

Da Lübeck zwar einer der bedeutendsten Heringsumschlagsplätze, aber dennoch nur einer von mehreren war, zudem noch ein guter Prozentsatz des Heringsexportes aus dem Ostseeraum heraus in die Städte an der Nordsee und von dort aus ins rheinische Binnen60 Jahnke, Die Malmöer Schonenzollliste. 61 Ders., Silber, S. 151f. mit Anm. 635. 62 Eine Rostocker Heringstonne enthielt im Schnitt 840 schonische Heringe, deren Gewicht mit ca. 60 gr. angenommen werden können. 63 Jahnke, Silber, S. 421.

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Carsten Jahnke

land exportiert wurde, ist eine auch nur annähernd korrekte und nachprüfbare Zahl des Gesamtexportes der Schonischen Messen im 14. Jahrhundert nicht zu erhalten. Um aber von einer Größenordnung zu sprechen, kann man einige Zahlen anfügen, die den Import von Ostseehering nach Brügge verdeutlichen  : Zeitraum der Zollerhebung

Rostocker Tonnen

Sept. 1374–Jan. 1375

12.721

Jan. 1376–Mai 1377

24.533

Sept. 1377–Mai 1378

29.787

Sept. 1378–Mai 1379

22.740

Dez. 1382–Mai 1383

22.026 ½

Tab. 4  : Heringsimporte in den Hafen von Sluis, nach J. Degrijse, Schonse en vlaamse Kaakhering (Jahnke, Silber, S. 421f.).

Schätzungen über die Gesamtfangmenge an Hering allein auf den Schonischen Messen müssen sich daher mindestens in einem Bereich von 100.000 bis 150.000 Rostocker Tonnen in Normaljahren bewegen, basieren aber auf keiner sicheren Grundlage. Von den Schonischen Messen aus wurde der Fisch in Unterzentren verfrachtet, wo die Qualität noch einmal geprüft, und von wo aus der Fisch weiter verhandelt wurde. So diente u.a. Köln als die zentrale Umschlagstelle für Ostseehering im Rheinland. Der Handel hierzu war dabei in Etappen aufgeteilt  : Die erste, der Direktbezug von Schonen, lag dabei vor allem in der Hand der wendischen und der Westseestädte. Die zweite Etappe war der Transport der Ware vom Meer bis nach Köln, wo sich der zentrale Heringsstapel für das ganze deutsche Oberland befand. Diesen Handel teilten sich Kaufleute aus Köln und den Westseestädten.64 Von Köln aus wurde dann der Fisch in einer dritten Etappe von Kölner und oberdeutschen Kaufleuten über ganz Oberdeutschland verteilt bevor er von Oberdeutschland aus die Alpen erreichte, wo der Fisch in Saumfracht über das Gebirge bis nach Italien gebracht wurde.65 Der Fisch konnte aber auch von den Nordseestädten direkt per Schiff nach Italien gebracht werden. So importierte z. B. der Schiffer Martinus Anihoa am 16. August 1377 208 Last, ›balle‹, Hering im Wert von 888 Pfund aus Flandern nach Genua66, und im September desselben Jahres kamen 25 Last im Wert von 140 Pfund in Neapel an.67 Für Hering als Saumlast über die Alpen liegen ebenfalls nur einige wenige Zahlen vor. So zeigen die Zolllisten für den Brenner und den Reschenpass einen Fischtransport von  : 64 Kuske, Kölner Fischhandel, S. 235–341. 65 Jahnke, Silver of the Sea, in Vorbereitung. 66 John Day, Les Douanes de Gênes 1373–1377, Paris 1963, Vol. I, S. 689. 67 Ebd.

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Die Messen in Schonen 

ca. 4.000 Tonnen ca. 5.000 Tonnen ca. 3.500 Tonnen und ca. 5.000 Tonnen

um 1300 um 1340 um 1400 um 1500.68

Die Schonischen Messen standen so im Zentrum eines Handelsnetzes, welches sich über ganz Europa erstreckte und die Entwicklungen auf diesen Messen hatten Auswirkungen auf Gesamteuropa. Jede Verteuerung des Herings auf Schonen hatte so zum Beispiel Auswirkungen auf die Versorgung der Arbeiter bei der Weinlese in Franken oder der Kloster- und Hospitalsinsassen in Wien. So ist es nicht verwunderlich, dass die Schonischen Messen um 1400 herum international beobachtet wurden und dass sich Entwicklungen in Dänemark auch in süddeutschen Quellen wiederfinden lassen. 3.4 Die Bedeutung der Messen als Handelsort zwischen Ost und West

Allerdings hatte sich der schonische Hering nicht nur aufgrund seiner Qualität so dominant durchgesetzt. Die geographische Lage der Messen am Schnittpunkt zwischen dem Westseeund dem Ostseeraum hatte ebenso zur Konzentration des Handels an diesem Ort beigetragen. Sowohl die geographische Lage an der am besten geeigneten Durchfahrtsstraße vom Kattegat in die Ostsee69 als auch die zeitliche Lage der Messen am Ende des Jahres und der Segelsaison machten die Messen zu dem geeigneten Ort, um Geschäfte zwischen dem West- und Ostseeraum abzuschließen. Die Kaufleute Englands, Flanderns, Westfalens und Hollands scheinen vielfach nicht den direkten Weg in die Ostsee gesucht zu haben. Viele haben sich damit begnügt, hier, am Öresund, ihre Geschäfte mit ihren Partnern über See abzuschließen. Und warum sollten sie auch weiter fahren, da ihnen die Kaufleute ja fast die Hälfte des Weges entgegengekommen waren. Insofern waren die schon frühzeitig gewährten Freiheiten für den Handel von Gast zu Gast auf den Messen besonders wichtig, da diese einen der Hauptgeschäftszweige der Kaufleute auf diesem Markt betrafen. Die Schonischen Messen entwickelten sich, so können die wenigen Quellen und die nach 1400 einsetzenden Entwicklungen zumindest interpretiert werden, bis ca. 1400 zu einer der zentralen Clearingstellen im Handel von Ost nach West. Hier schloss man die großen Fernhandelsgeschäfte, z. B. für Wachs gegen Tuch oder Pelz gegen Früchte, ab und konnte gleichzeitig ›nebenbei‹ auch noch eine der gefragtesten Fastenspeisen direkt bei den Produzenten zu gesicherter Qualität erwerben. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Kaufleute Englands oder Hollands ihre eigenen Fischfanggebiete negligierten und stattdessen lieber dänischen Fisch importierten. 68 Herbert Hassinger, Der Verkehr über Brenner und Reschen vom Ende des 13. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, in  : Ernst Troger (Hrsg.), Neue Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols, Festschrift Franz Huter zum 70. Lebensjahr, Innsbruck 1969, S. 137–194, hier  : S. 179. 69 Siehe die Segelanweisungen im mittelalterlichen Seebuch. Online-Edition des Deutschen Schifffahrtsmuseums unter http://www.dsm.museum/seebuch/, letzter Zugriff am 21. Oktober 2015.

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4. Das Ende der Schonischen Messen nach 1400 Es war aber eben jene Bedeutung der Schonischen Messen und des Öresundes als wichtigste Durchgangsstraße in und aus dem Ostseeraum, die zum Ende der internationalen Messen führen sollte. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts hatte eine überhandnehmende Verschuldung der Könige von Dänemark, verursacht durch konstante Kriegsführung, dazu geführt, dass das gesamte Reich an ausländische Kreditoren verpfändet und der letzte König vertrieben worden war. Das führte zum Ausschluss der alten Eliten von der Macht, die in den 1340er Jahren den jüngeren Sohn des letzten Königs, Valdemar genannt Atterdag (des nächsten Tages), ins Land holten und ihm die Möglichkeit zum Rückkauf der gepfändeten Gebiete eröffneten, wodurch sie sich wieder einen stärkeren Einfluss auf die Reichsregierung erwarteten. Im Schwunge dieser sogenannten ›Reichssammlung‹ eroberte der König im Jahr 1360 gewaltsam Schonen und setzte sofort die Kaufleute unter Druck, von denen eine bedeutende Handelsabgabe erpresst werden sollte. Aufgrund der Leichtigkeit, mit der die Eroberung Schonens vonstattengegangen war, wandte der König sich ein Jahr später nach Gotland, wo ihm die Stadt Visby die Tore öffnen musste. Die Erpressung in Schonen und die Eroberung Visbys nährten bei den Kaufleuten vor allem der wendischen und preußischen Städte Zweifel an der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit des Königs. Bis 1370 versuchten sie daher in zwei Kriegen, die Macht des Königs zu brechen und die Messen sowie die Durchfahrt durch den Sund zu sichern. Dieses Unterfangen gelang ihnen, und im Frieden von Stralsund vom 24. Mai 1370 musste der König die Verwaltung der Messen den Städten der sogenannten Kölner Konföderation überlassen. Die Verwaltung der Schonischen Messen vor allem durch die wendischen Städte sollte sich als die Büchse der Pandora erweisen, da diese sogleich nach Abschluss des Friedensvertrages begannen, die wirtschaftlichen Grundlagen der Messe zu verändern. Aus der Sicht Lübecks und der anderen wendischen Städte sollten die Kaufleute der Westsee nicht nur nicht in die Ostsee vordringen, sondern ihre Waren lieber im Westen von den Lübeckern und den anderen Ostseestädten beziehen. Die wendischen Städte begannen daher 1375 damit, systematisch die Kaufleute von der Westsee von den Messen zu vertreiben. Zuerst traf es die Engländer, Schotten und Waliser, dann die Kaufleute aus Brabant und Flandern und später die Holländer. Bis zum Ablauf der im Friedensvertrag vereinbarten städtischen Verwaltung hatten es die Städte aus dem südwestlichen Ostseeraum geschafft, ihre Konkurrenten teils direkt, teils indirekt durch Handelsbehinderungen und Schikanen aus dem Messehandel zu vertreiben. Hierdurch hatten sie die wirtschaftlichen Grundlagen des Messehandels zerstört.70 Allerdings hatte sich Lübeck mittelfristig verkalkuliert. Zwar blieb der Heringsmarkt in Schonen auch im 15. Jahrhundert bedeutsam, doch hatte die Verdrängung der westlichen Kaufleute fatale Auswirkungen auf die gesamte Infrastruktur. 70 Jahnke, Silber, S. 90–94.

Die Messen in Schonen 

In den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts schien es wirklich so zu sein, dass die Lübecker sich erfolgreich hatten behaupten können. Allerdings suchten ihre Konkurrenten Auswege aus dieser Situation, die sich politisch nicht lösen ließ, da die dänischen Könige auf Lübeck Rücksicht nehmen mussten. Hierzu entwickelten die »vertriebenen« Kaufleute zwei Strategien, die dann im 16. Jahrhundert zum Untergang nicht nur der Messen, sondern des gesamten schonischen Heringsmarktes führen sollten. Zum einen experimentierten die Holländer und Engländer nun wieder mit dem Heringsfang vor ihrer Haustür. 1393 wird zum ersten Mal flämischer Tonnenhering aus der Nordsee in den Quellen erwähnt und im selben Jahr erscheinen die ersten fremden Fischer an der Küste von Scarborough, um dort den Fang in Tonnen zu verpacken.71 Die Fischer und Kaufleute entwickelten eine landunabhängige Heringsverarbeitung an Bord, deren Produkte am Ende des 15. Jahrhunderts den gesamten europäischen Markt, einschließlich des Hanseraumes, beherrschen sollten – der holländische Matjes wurde geboren.72 Gleichzeitig begannen die Kaufleute, da ihnen nun die Geschäfte auf den Messen verwehrt waren, weiter in den östlichen Ostseeraum hinein zu segeln. Hierdurch entstand ein lang anhaltender Konflikt zwischen den Lübeckern und Holländern sowie Danzigern und Engländern, der für das gesamte 15. Jahrhundert maßgeblich sein sollte. Der Öresund veränderte sich von einem Messplatz zum Warenumschlag zu einem der wichtigsten internationalen Durchfahrtsrouten, eine Entwicklung, die z. B. durch den 1429 vom König eingeführten und bis 1858 erhobenen Durchfahrtszoll für Schiffe, den Öresundszoll, der als Nachfolger eines Warenzolles auf den Messen zu sehen ist, verdeutlicht werden kann.73 Übrig blieb ein überregionaler Heringsmarkt, der bis ins 17. Jahrhundert hinein von immer weniger Kaufleuten besucht wurde, da schonischer Hering zunehmend nicht mehr konkurrenzfähig war. Zwar versuchte vor allem Lübeck durch die Präsenz eines städtischen Vogtes auf dem Messeplatz, die Privilegien zu erhalten, doch entsprach dieses nicht mehr den wirtschaftlichen Gegebenheiten.74 Als Schonen 1658 von schwedischen Truppen erobert und das Land annektiert wurde, wurden im Anschluss auch die letzten Privilegien der Städte an diesem ehemals so bedeutenden Messeplatz aufgehoben – allerdings hatte das keine ökonomischen Folgen mehr.

71 J. Degrijse, Schonense en vlaamse Kaakharing in de 14de Eeuw, in  : Bijdragen voor de Geschiedenis der Nederlanden 12, 1957, S. 100–107. 72 Klaus Spading, Holland und die Hanse im 15. Jahrhundert, Weimar 1973, S. 139. 73 Ole Degn (Hrsg.), Tolden i Sundet. Toldopkrævning, politik og skibsfart i Øresund 1429–1857, Toldog Skattehistorisk Selskab, København 2010. Kai Hørby, Øresundstolden og den skånske skibstold. Spørgsmålet om kontinuitet, in  : Middelalder Studier, Tilegnede Aksel E. Christensen på treårsdagen, 11. september 1966, København 1966, S. 245–272. 74 Jahnke, Church-Landscape. Ders., Silber, S. 104–119.

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5. Die Schonischen Messen – die größten Marktveranstaltungen im Hanseraum Die Schonischen Messen waren in der Zeit ihrer Blüte bis ca. 1400 die größten Marktveranstaltungen im Hanseraum, aber sie waren zugleich auch ein Grenzmarkt zwischen dem Hanseraum und seinen Anliegern. Der Messecharakter dieses regionalen Heringsmarktes entstand aus seiner Umschlagfunktion zwischen verschiedenen Produktions- und Konsumgebieten, denen des West- und Zuidersee- und denen des Ostseeraumes. Angelockt durch einen Heringsmarkt, der die mit der Christianisierung entstandenen Bedürfnisse befriedigen konnte, trafen sich die Kaufleute genau an der Grenze zwischen den beiden Wirtschaftsräumen. Die Schonischen Messen können daher als Grenzmessen von überregionaler Bedeutung verstanden werden, die zusätzlich weitere regionale und überregionale Funktionen erfüllen konnten. Sie waren der einzige größere Messeplatz im Hanseraum, aber ihre Bedeutung ging eigentlich über den Hanseraum hinaus, da hier (und wahrscheinlich vor allem) der Handel zwischen dem Hanseraum und den nichthansischen Kaufleuten abgewickelt wurde. Die Messen waren Austauschmessen und Clearingstelle zugleich. In dem Moment, als hansische Kaufleute am Ende des 14. Jahrhunderts aus Eigennutz versuchten, die Grenzen neu zu ziehen, verloren die Messen ihre Bedeutung und ihren Messecharakter. Sie wurden zu regionalen Fischhandelsplätzen, deren Rentabilität durch die aufgrund der Verdrängung der anderen Kaufleute ausgelöste Entwicklung erst infrage gestellt und später zunichte gemacht wurde. Die Schwäche des dänischen Königtums hatte die Entwicklung dieses Messeplatzes maßgeblich begünstigt, sie hat aber auch maßgeblich zum Abstieg der Messen beigetragen. So, wie die Könige die Ausweitung der kaufmännischen Immunität nicht verhindern konnten und dadurch relativ ungestörte ökonomische Entwicklungen erst ermöglichten, konnten die Könige eine Kräfteverschiebung auf den Messen zulasten einer Handelsseite nicht verhindern. Hierdurch verloren die Messen ihren einzigen Standortvorteil und damit ihre Bedeutung. Die Schonischen Messen haben für zwei Jahrhunderte den Handel Nordwesteuropas maßgeblich beeinflusst. Sie haben damit eine kleine, dänische Wasserstraße fest auf der ökonomisch-historischen Landkarte Europas verankert.

Abstract From the Early Middle Ages onwards up to the start of the 16th century, Denmark was in the centre of Northern European trade. The reasons for this were twofold. One reason was the rise of the christian church. The christianisation created a constant and extensive demand for durable and cheap lenten-fares, mostly in form of fish. But sea-fish is not durable, unless it is dried or salted. While dry fish proves as impractical as one has to water and mill the fish, salted fish is a good solution, especially salted herring, which was ready-

Die Messen in Schonen 

to-eat, had the right proportion and was, packed in tons, durable and transportable up to two years. So it is no wonder that already in the 9th century the monks of the abbey of St Gall in Switzerland praised the Lord for granting them this strange fish, swimming in brine, eatable without head and bowels, as another cleric remarked. The Christianisation created an enormous demand, and the Baltic was able to fulfil it. The best fishing water for herring in the Baltic Sea is the shallow street of the so called Sound, one of the entrance ways from the Kattegat to the Baltic Sea. Here, the farmers from the Danish landscapes of Scania and Zealand fished the herring in autumn. At the end of the 12th century, the merchants of Lübeck saw the possibilities of this gathering  : they could buy the herring in great quantities and sell their products to the farmers at the same time. This concept was successful, and from the start of the 13th century, merchants from all over Europe followed their example  : not only merchants of the Hanseatic League, but also Flames, the English, Scots and Dutchmen. From the start of the 14th century, they were able to obtain small autonomous temporal trading places at these markets, the so called fits. On these fits, and this is the second reason why Denmark was the centre of trade, the European merchants did not trade exclusively with fish. Because of the location of the Scanian Market amidst the Eastern and the Western European trading areas, this seasonal market developed into the most important international transshipment-centre of its time. Here, Russian wax and furs were traded against Flemish cloth and spices, for example, and deals for the following year were negotiated. However, after a war against the king of Denmark, an alliance of several German cities, i. a. Lübeck, gaines power over these markets in 1370 and excluded their competitors from England, Flanders and Holland from the same. As a result, those competitors started their own herring-fisheries on the Dogger Bank and no longer stopped at the Sound, but from there sailed on directly into the eastern Baltic Sea. Hence, the Scanian Market lost its central position in European trade. The Sound deteriorated more and more into a mere transit point, and the Scanian herring had forfeited its dominant position on the market by the end of the 15th century. Because of this and due to a change of power in the Russian Empire, the North European ways of trade were relocated in the 16th century. Scania was no longer the natural centre of trade, and the merchants preferred inland-ways now  : Leipzig became the new centre of the East-Western trade, and the Leipzig trade fair succeeded the Scanian Market.

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Messen und Jahrmärkte in England im Spiegel der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der beginnenden europäischen Wirtschaft, ca. 1000–1800 n. Chr.

I Am Morgen des 31. August riefen die Iusticiare des bischöflichen Zeltes von der Spitze des Hügels die Messe als eröffnet aus  ; darauf ritten sie durch die Stadt, empfingen die Schlüssel der Tore, belegten die Wage auf dem städtischen Wollmarkt mit Beschlag, auf daß sie während der Messe nicht benutzt würde, und ritten, mit dem Bürgermeister und den bailiffs in ihrem Gefolge, nach dem großen Zelt oder Pavillon auf dem Hügel zurück. Hier ernannten sie einen besonderen Bürgermeister, einen bailiff und einen Gerichtsbeamten, um die Stadt während der Meßzeit in des Bischofs Namen zu regieren. Der Hügel bedeckt sich bald mit Reihen hölzerner Buden  ; in einer standen die Kaufleute von Flandern, in einer zweiten die von Caën oder einer anderen normännischen Stadt, in einer dritten die Handelsleute von Bristol. Hier gab es eine Goldschmied-, dort eine Tuchmacherreihe. Um das Ganze zog sich ein Zaun mit bewachtem Eingang  : Vorsichtsmaßregeln, welche unternehmende Abenteurer nicht immer daran hinderten, sich der Zahlung von Zöllen zu entziehen, indem sie sich durch Untergrabung der Umfriedigung einen Weg in das Innere des Marktes bahnten. Zu Pferde und in voller Rüstung erschienen am ersten Tage vor des Bischofs Iusticiarien auch alle jene bischöflichen Hintersassen, die durch ihr Lehen zum Kommen verpflichtet waren, unter ihnen hatten drei oder vier darüber zu wachen, daß die Urteile des Meßgerichtes und die Anordnungen des bischöflichen Marschalls in gehöriger Weise zur Ausführung gelangten, auf der Messe sowohl als in Winchester und Southampton.1

So umschreibt in lebhaften Worten der große Theoretiker Werner Sombart (1863–1949) das Geschehen auf dem Jahrmarkt von Winchester um 1100, einer der großen internationalen Messen des mittelalterlichen Englands, deren Entstehen und Verschwinden als spezifische Marktform auch den historisch denkenden und arbeitenden Nationalökonom in seiner Entstehungsgeschichte der modernen Wirtschaft tief beschäftigten. Wie auch weite Teile Europas ist England seit dem 12. Jahrhundert und bis in die Neuzeit hinein von vielen hunderten ›Messen‹ (fairs, d. h. Jahrmärkte) übersät gewesen. In größeren Grafschaften wie Norfolk zählten solche lokalen Jahrmärkte allein zwischen 100 und 200. Wo1 Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, 2 Bde. (mit jew. 2 Teilbdn.), München/Leipzig 41921/28, Bd. I, S. 242f.

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chenmärkte werden noch zahlreicher gewesen sein  ; allein zwischen 1200 und 1349 sind mehr als tausend Neugründungen dokumentiert, von denen aber weniger als 50 % in die Neuzeit »überlebten«.2 Diese kommerzielle Entwicklung war nichts England Eigentümliches, sondern lässt sich im Gegenteil über viele Teile Nordwesteuropas zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert quellenmäßig nachvollziehen.3 In diese kommerzielle Expansionsphase fallen auch Genese, Wachstum und Niedergang der englischen Fernhandelsmessen. Seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts finden wir eine Zunahme solcher »Gründungen« neuer Jahrmärkte per Charta. Während sich die Zahl der neugeründeten Wochenmärkte zwischen 1200 und 1350 auf knapp 1.400 belief, liegt die Zahl der im gleichen Zeitraum neu gegründeten Jahrmärkte und Messen (fairs) in England deutlich höher, nämlich bei 1.800. Insgesamt sind zwischen 1200 und 1516 knapp 2.400 Marktprivilegien per königlicher Charta dokumentiert  : Viele Orte hatten einen oder mehrere Wochenmärkte, plus einen oder mehrere Jahrmärkte  ; andere hingegen nur einen Jahrmarkt bzw. Wochenmarkt usw.4 Nach Fryde zählte die Gesamtzahl der Jahrmärkte in England um 1300 etwa 3.0005  ; doch ist hier einige Vorsicht geboten (s. u.). Würde man diese Orte auf einer Karte abzeichnen, bedürfte es sehr hoch auflösender Formate, um die englischen Marktorte in ihrer Vielzahl, Dichte und Komplexität hinsichtlich des Marktnetzes oder -systems komplett abzubilden – bereits im Hochmittelalter war das Land von Wochenund Jahrmärkten buchstäblich übersät. In Wales und Schottland nahm sich die Marktdichte wohl viel geringer aus, obgleich es hier an vergleichbaren Quellen und Befunden noch fehlt  ; zudem waren Prokopfeinkommen, die kommerzielle und die ökonomische Entwicklung von Schottland und Wales vor 1800 deutlich geringer als in England. Aus diesen Gründen sind die schottischen und walisischen Marktortkarten »weißer«. Viel kleiner nehmen sich auch die Dimensionen in anderen Ländern der Zeit aus, etwa Frankreich  ; was aber auch schlicht auf eine bessere Dokumentation in England zurückzuführen sein könnte  : Nach 1200 bedurfte es bei der Neugründung eines Marktes, Jahrmarktes oder einer Messe in der Regel einer königlichen Charter.6 Viele adelige und andere Grundherren wollten nicht riskieren, für die Anlage eines nicht genehmigten Marktes gerichtlich bzw. vom König juristisch belangt zu werden  ; dies resultierte in einer im europäischen Vergleich wohl überproportional hohen Ziffer von »zertifizierten« Märk2 Richard Britnell, The Proliferation of Markets in England, 1200–1349, in  : Economic History Review, Sec. Ser. 33, 1981, S. 209–221. 3 Ders., Local Trade, Remote Trade  : Institutions, Information and Market Integration 1050–1330, in  : Simonetta Cavaciocchi (Hrsg.), Fiere e mercati nella integrazione delle economie europee, sec. XIII– XVIII. Atti della »Trentaduesima Settimana di Studi«, 8–12 maggio 2000, Prato 2001, S. 185–203, hier  : S.  185ff. 4 Ebd., S. 187  ; Samantha Letters, Gazetteer of Markets and Fairs in England and Wales to 1516, London 2003, Bd. I, S. 26 (für Gesamtzahl). 5 Natalie Fryde, Ein mittelalterlicher Grossunternehmer. Terricus Teutonicus de Colonia in England 1217–1247, Stuttgart 1997, S. 52. 6 Letters, Gazetteer, Bd. I, S. 21.

Messen und Jahrmärkte in England 

ten (von denen viele im Zeitverlauf aber wieder von der Bildfläche verschwanden).7 Eine Charter wurde bisweilen verliehen, wenn der betreffende Ort bereits über Jahre hinweg eine wichtige kommerzielle Position als Jahrmarkt eingenommen hatte  ; Märkte wurden nicht – oder nicht in der Regel – aus der leeren Luft »geschaffen«. Des Weiteren bedurften nicht alle etablierten Wochen- und Jahrmärkte einer königlichen Charter, damit sie »legal« florieren konnten  ; dies galt v. a. für die königlichen boroughs und Marktorte.8 Und zuletzt  : »However, although a charter granted the right to hold a market or fair  ; this did not necessarily mean that the market or fair was ever established.«9 Die Dunkelziffer war also viel höher, als die quellenmäßig begründete legislative Evidenz suggeriert. Allerdings war die Erteilung eines königlichen Marktprivilegs stets auch an eine formale Untersuchung des jeweiligen Sheriffs gebunden, welcher in seinem county offiziell erfragen und überprüfen musste, ob die Erteilung des Privilegs mit bereits bestehenden Marktrechten anderer, nahe gelegener Marktorte konfligierte bzw. deren Interessen und Einflussgebiete so tangierte, dass die neue Gründung zum ökonomischen Schaden des oder der »alten« Märkte erfolgte. Angesichts dieser Rechtssituation scheint die Hypothese, die Mehrheit der Marktprivilegien habe bereits lange bestehenden kommerziellen Strukturen durch die Verleihung des Jahrmarktrechts gleichsam die Krone aufgesetzt, regelrecht »absurd«.10 Doch muss man auch mit Werner Sombart darauf hinweisen, dass eine bloße Privilegierung, d. h. die Erteilung von Marktrechten, aus einem Ort noch keinen Jahrmarktort machte. Was ökonomisch zählte, war, ob dieser bei der Erteilung der Marktrechte bereits über eine Vorgeschichte als Austauschplatz, d. h. bereits intensive kommerzielle Strukturen, Nachfrage der Akteure nach einem solchen Jahrmarkt und die notwendige Infrastruktur usw., verfügte. Auf der anderen Seite spricht die Tatsache, dass über 70 % der Neugründungen von Wochen- und Jahrmärkten vor 1349 nicht das 16. Jahrhundert und die Frühe Neuzeit überdauerten, wiederum dafür, dass viele dieser Wochen- und Jahrmarktgründungen zunächst auf Papier erfolgten – in der Hoffnung, dass sich das Marktgeschehen in der Folge dann schon einstellen würde. Die formelle Institution per Charter verlieh dem Funktionieren eines Marktes eine gewisse institutionelle Sicherheit und Stabilität, derer eine auf Permanenz bedachte Handelsbetriebsamkeit bedurfte  : Überwachung des Marktgeschehens, der Maße und Gewichte  ; Förderung der Infrastruktur etwa durch Aufrichtung von Marktbuden und Zelten etc.; Verhinderung von marktstörerischen Aktionen und Transaktionen (v. a. Fürkauf ) usw. Renten und Grundabgaben wurden auf die Marktdaten terminiert. Dies erklärt auch die häufige Nähe von Marktgründungen zu adeligem oder klösterlichem Grundbesitz  : Kommerzialisierungsprozesse waren oft weniger »marktwirtschaftlich« denn aufgrund obrigkeitlicher Zwänge initiiert worden, nämlich um die Erzeugnisse der heimischen   7 Britnell, Local Trade, Remote Trade, S. 187.   8 Letters, Gazetteer, Bd. I, S. 14.   9 Ebd., S. 21. 10 Ebd., S. 20.

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Landwirtschaft in Geld für Rentenzahlungen zu transferieren, d. h. die abgabepflichtigen Bauern liquide zu machen.11 Abgaben wurden typischerweise einmal im Jahr fällig, oft zur oder nach der Ernte  ; daher wurden zahlreiche Jahrmärkte auf die Abgabenzeit terminiert. Die lokalen Obrigkeiten, welche sich in diesen Fällen um ein solches Jahrmarktprivileg bemühten, nahmen im Gegenzug für die Privilegierung und Förderung des jeweiligen Marktes die anfallenden Marktabgaben und Gebühren ein  ; v. a. aber Strafen (fines), die aus der Missachtung des ordnungsgemäßen Marktablaufs sowie der Verwendung falscher Maße und Gewichte bzw. falschen Abrechnungen mit solchen entstanden.12 Wie bereits erwähnt, heißt es in den betreffenden Formeln stets, der Markt dürfe ältere, bereits bestehende Marktorte und -plätze (oft fanden Jahrmärkte außerhalb der Siedlungen statt, an welche sie namens- und chartertechnisch gekoppelt waren) weder durch seine geographische Nähe noch durch zu enge zeitliche Koinzidenz behindern. Dies ist ein Indiz für eine Art bewusst gesteuerten Marktgründungs- und Verkehrserschließungsmusters durch die englische Krone13  ; man schaute genau hin, wo um neue Gründungsvorhaben ersucht wurde (meist durch die lokale Gentry oder ein Kloster bzw. eine Abtei). Märkte wurden mithin seit der Frühzeit bereits nach »volkswirtschaftlichen« Gesichtspunkten entweder unterstützt oder gefördert – oder eben verhindert. Das Resultat war u.a., dass England seit 1200 und bis in die Neuzeit hinein über eines der dichtesten Systeme von Jahr- und auch Wochenmärkten Europas verfügte. Dies schlug sich auch auf die ökonomische Integration Englands als einer im Entstehen begriffenen »Volkswirtschaft« nieder. »Monthly prices from 1302–3 show a regular gap between the Exeter price and the higher London price of 12–18 pence, which represents an appropriate margin for transaction costs, and suggests a market closely integrated by cheap coastal transport.«14 Dies ist ein Aspekt, welcher der wirtschaftlichen und kommerziellen Integration dieser nach 1800 als erste industrialisierte Volkswirtschaft hervortretenden wichtigen Nation sicher langfristig Vorschub geleistet haben wird und welcher als zentral für die günstige, langfristige Entwicklung Englands zu werten ist, und zwar vom Mittelalter bis in die industrielle Zeit hinein. Messen und Jahrmärkte fanden sowohl innerhalb etablierter Marktorte als auch außerhalb dieser und bisweilen überhaupt nicht in Nähe einer Stadt oder stadtähnlichen Ortschaft statt, sondern auf dem »platten Land« bzw. in der Nähe eines Adelssitzes (at the 11 Diese hat auch wichtige Implikationen für die Entstehung monetisierter Gesellschaften im Mittelalter, vgl. Mark Peacock, Introducing Money, Milton Park 2013. 12 Britnell, Proliferation, S. 211f.; James Masschaele, Peasants, Merchants, and Markets. Inland Trade in Medieval England, 1150–1350, Houndmills/London 1997, S. 60f. Philipp Robinson Rössner, Freie Märkte  ? Zur Konzeption von Konnektivität, Wettbewerb und Markt im vorklassischen Wirtschaftsdenken und die Lektionen aus der Geschichte, in  : Historische Zeitschrift 303, 2016, S. 349–392. 13 Richard Britnell, King John’s Early Grant of Markets and Fairs, in  : English Historical Review 94, 1979, S. 90–96. 14 Ders., Local Trade, Remote Trade, S. 202, nach James A. Galloway, One Economy or Many  ? Markets, Regions and the Impact of London c.1300–1600, in  : ders. (Hrsg), Trade, Urban Hinterlands and Market Integration c.1300–1600, London 2000, S. 23–43.

Messen und Jahrmärkte in England 

manor), seltener einer Kirche, eines Schlosses oder eines Friedhofs.15 In der Regel wurden Jahrmärkte simultan mit einem – ebenfalls per charta zu zertifizierenden – Wochenmarkt gegründet  ; manche (Wochen-)Märkte erhielten mehr als einen Jahrmarkt  ; seltener sind einzelne Jahrmarktgründungen an Orten, welche über keinen Wochenmarkt verfügten.16 Die Logik dieses Musters erschließt sich von selbst. Erfolgversprechende Jahrmärkte fand man am ehesten an solchen Orten, an denen die Verstetigung des Marktgeschehens durch einen wöchentlich stattfindenden Markt bereits begründet gewesen ist. Die Mehrheit der in den entsprechenden Gründungsprivilegien und Unterlagen der königlichen Verwaltung (und im Gazetteer of Markets and Fairs) als »fairs« (nundinae, feria) auftretenden Jahrmärkte war von lokaler bis regionaler Relevanz. Neben lokalen Jahrmärkten gab es solche von regionaler Bedeutung  ; dann die städtischen, welche sich von den Regionalmessen v. a. durch ihre Dauer absetzten  ; schlussendlich diejenigen von internationaler Bedeutung. Fernhandel und Warentransaktionen in größerem Stil (bulk goods) zeichnen den eigentlichen Jahrmarkt und die internationalen Messen aus und setzen ihn definitorisch vom Marktgeschehen auf der »unteren« Ebene (lokale, wöchentliche Märkte) ab.17 Nur letztere, mit einem deutlichen Übergewicht von Fernhandel und Kreditgeschäften, sind als internationale Messen nach der Definition v. a. von Fernand Braudel, Michel Pauly und Franz Irsigler zu verstehen. Darüber lässt sich noch eine weitere Stufe schalten, die Klasse der Champagne-Messen, Frankfurt am Main, Antwerpen usw., d. h. Messen, »bei denen die Geschäfte zwischen ausländischen Kaufleuten diejenigen zwischen internationalen und lokalen Händlern« (Pauly) überwogen. Die Leipziger Messen verorteten sich bis in das spätere 17. Jarhrhundert noch auf der dritten mit Hang zur vierten Stufe – Jahrmärkte von überregionaler Bedeutung mit beginnendem internationalen Waren- und (bargeldlosem) Zahlungsverkehr.18 In England gab es bis in das 14. Jarhrhundert hinein etwa sechs Jahrmärkte, welche die Definitionskriterien der »internationalen Messe« erfüllten  ; allerdings reichten sie nicht an die »großen« internationalen Messen des Kontinents heran, auf denen Geschäfte unter fremden Kaufleuten miteinander überwogen (dieses Kriterium erfüllten im Mittelalter wohl nur die Messen von Antwerpen, Brügge, Bergen-op-Zoom, Frankfurt am Main oder der Champagne).19 In 15 Letters, Gazetteer, Bd. I, S. 19. 16 Ebd., S. 20. 17 Eine lebhafte und anschauliche empirische Begründung dieses Schemas mit viel historischen Details findet sich in der immer noch instruktiven Studie Fernand Braudels  : Civilization and Capitalism, 15th–18th Century, Bd. 2  : The Wheels of Commerce, London 1982, insb. S. 81–113. 18 Markus A. Denzel, Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs europäischer Prägung vom Mittelalter bis 1914, Stuttgart 2008  ; ders., Der Beitrag von Messen und Märkten zum Integrationsprozeß des internationalen bargeldlosen Zahlungsverkehrssystems in Europa (13.–18. Jahrhundert), in  : Simonetta Cavaciocchi (Hrsg.), Fiere e mercati nella integrazione delle economie europee, secc. XIII– XVIII. Atti della »Trentaduesima Settimana di Studi«, 8–12 maggio 2000, Prato 2001, S. 819–835. 19 Michel Pauly, Jahrmärkte in Europa vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Regionale Untersuchungen und der Versuch einer Typologie, in  : Franz Irsigler/Michel Pauly (Hrsg.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, Trier 2007, S. 25–40, sowie ders., Der Beitrag der Messen und Märkte zur mittelalterlichen Integration Europas, in  : ebd., S. 285–314.

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England gab es zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert ein System von bis zu sechs internationalen Messen, als deren Hochblüte das 13. Jarhrhundert anzusehen ist. Es bildete sich mit dem Zyklus der südostenglischen Messen von Stamford, St Ive, Boston, (King’s) Lynn, Winchester, Westminster, Northampton, Bury St Edmunds ein Messesystem heraus, über welches v. a. flämische und italienische Tuchhändler und Manufakturisten ihren Bedarf an feiner englischer Wolle deckten, aber auch die regional bedeutenden Tuchproduzenten Südostenglands an die internationale Wirtschaft angebunden waren.

II Der Beitrag hält sich an die begriffliche Abgrenzung von Messe und Jahrmarkt aus der Hand Irsiglers  : »mindestens zwei Wochen, internationaler Besucherkreis, hoher Anteil des Kreditgeschäfts neben dem Warenhandel, hoher Organisationsgrad der Messebesucher, feste Ordnung des Marktlebens auf den Messen, ausgebaute Infrastruktur des Messeortes. Größere Jahrmärkte erfüllten gewöhnlich nur einen Teil dieser Kriterien  ; vor allem ihr Einzugsbereich war regional begrenzt«.20 Das relativ strenge Kriterium der zweiwöchigen Dauer lässt sich aus der Sekundärliteratur zweifelsfrei nur für King’s Lynn und Winchester  ; ansatzweise wohl für die (acht Tage währende) Messe von Boston nachweisen. Auf der anderen Seite währten auch viele der lokalen und regional bedeutsamen Jahrmärkte des mittelalterlichen Englands, welche es nie auch nur annähernd in den Status »(internationale) Messe« schafften, sondern bis in die Neuzeit in ihrem regional-lokalen Logistiksystem verblieben, teilweise mehr als zwei Wochen (zumindest nach Auskunft der jeweiligen Gründungscharter).21 Zweifelsohne handelte es sich bei allen im Folgenden behandelten Fernhandelsmessen um international bedeutsame Märkte, zumindest zwischen 1000 und 1300, über welche v. a. die englische Woll- und Wolltucherzeuger an die europäischen Märkte angebunden, gleichsam in die europäische Wirtschaft integriert gewesen sind. Zudem erfolgte über die englischen Messen in größerem Umfange der Handel mit teuren Manufakturwaren, insbesondere Importen von hochwertigem flandrischen und 20 Franz Irsigler, Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa – Mittelalter und frühe Neuzeit, in  : ebd., S. 1–24, hier  : S. 2. Zu den Jahrmärkten, Klassifikation und Definition im selben Band Pauly, Der Beitrag der Messen und Märkte. Konzeptionell wichtig weiterhin  : Franz Irsigler, Jahrmärkte und Messesysteme im westlichen Reichsgebiet bis ca. 1250, in  : Peter Johanek/Heinz Stoob (Hrsg.), Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1996, S. 1–33, wieder abgedruckt in  : Volker Henn/Rudolf Holbach/Michel Pauly/Wolfgang Schmid (Hrsg.), Miscellanea Franz Irsigler. Festgabe zum 65. Geburtstag, Trier 2006, S. 395–428  ; Franz Irsigler, La fonction des foires dans l’integration des économiques européennes au moyen âge, in  : Simonetta Cavaciocchi (Hrsg.), Fiere e mercati nella integrazione delle economie europee secc. XIII–XVIII. Atti della »Trentaducesima settimana di Studi« 8–12 maggio 2000, Firenze 2001. 21 Beispiele in Richard Britnell, King John’s Early Grant of Markets and Fairs, in  : English Historical Review 94, 1979, S. 90–96, hier  : S. 92ff.

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italienischen Tuch sowie Weinen aus Frankreich  ; v. a. der Hof und die englische Krone traten hier – über Mittelsmänner – als zentrale Agenten auf. Auch für die Messen gilt Britnells Diktum  : »These institutions facilitating trade at a predictable time, place, and of predictable character, reduced transaction costs to both parties.«22 Sie taten dies v. a. durch die ansteigende Informationsdichte der Akteure/Kaufleute sowie durch die Schrumpfung des volkswirtschaftlich wirksamen Raums bzw. der Distanzen zwischen den Marktzentren.23 Aber es gilt, die weiteren geographischen wie auch logistischen und entwicklungstheoretischen Komponenten der Messentwicklung aus volkswirtschaftlicher Sicht zu berücksichtigen. Messen konnten ebenso wieder einund untergehen, selbst wenn sie per definitionem (hierüber lässt sich natürlich streiten) immer Handel begünstigten und Transaktionskosten senkten. Die volkswirtschaftliche Rolle der Messen und Jahrmärkte lässt sich daher nicht allein durch einen transaktionskostentechnischen Ansatz begründen. Englands strategisch günstige Handelslage an der großen »Verkehrsstraße« Ostsee–Nordsee durch den Kanal mit wichtigen Anrainern (Schweden, Dänemark, Reich, Flandern, Niederlande)  ; Teil bzw. Endpunkt einer von Flandern bis Nowgorod reichenden Achse  ; gleichzeitig nahe der Rheinmündung und damit einer wichtigen Nord-Süd-Achse gelegen, Handelsverkehr nach Italien, bot sich für internationale Fernhandelsmessen durchaus an. London war geradezu prädestiniert  : Lage an einem großen Fluss, zugleich Zugang zum Meer und Anschluss an den Rhein als große Nord-Süd-Verkehrsachse  ; darüber hinaus große und politisch wie ökonomisch bedeutsame Stadt  ; große englische Messen entstanden mithin im Südosten nahe der Küste (Bury St Edmunds, King’s Lynn, Boston, London/St Barthelemew).24 Niederländische und italienische Märkte agierten als Hauptabnehmer für englisches Tuch  ; einer der wichtigsten Märkte für englisches Tuch war im 15. Jahrhundert auch Köln.25 Während des 15. und 16. Jahrhunderts sind jedoch ein praktisch kontinuierlicher Niedergang der Wollexporte und zunehmende Exporte von englischem verarbeiteten Tuch zu verzeichnen. Dies war ein klarer Importsubstitutionsprozess, der kennzeichnend für die sich zunehmend verbessernde Position Englands auf dem europäischen Markt für Manufakturwaren und auch Dienstleistungen gewesen ist. Gleichzeitig erfolgte eine Zunahme der auf englische Rechnung bzw. durch englische Kaufleute faktorierten Warentransporte  ; verbunden insbeson22 Ders., Local Trade, Remote Trade, S. 191. 23 Richard Britnell, Commercialisation and Economic Development in England, 1000–1300, in  : ders./ Bruce M. S. Campbell (Hrsg.), A Commercialising Economy  : England 1086 to c.1300, Manchester/ New York 1995, S. 7–26, hier  : S. 18. 24 Horst Buszello, Die auswärtige Handelspolitik der englischen Krone im 15. Jahrhundert, in  : Klaus Friedland (Hrsg.), Frühformen englisch-deutscher Handelspartnerschaft, Köln 1976, S. 64–86, hier  : S. 64f.; ders., Köln und England (1468–1509), in  : Hugo Stehkämper (Hrsg.), Köln, das Reich und Europa. Abhandlungen über weiträumige Verflechtungen der Stadt Köln in Politik, Recht und Wirtschaft im Mittelalter, Köln 1971, S. 431–469, hier insb. S. 453–455. 25 Franz Irsigler, Anmerkungen zu den Kölner Wirtschaftsbeziehungen mit England im 15. Jahrhundert, in  : ebd., S. 107–113, Graphik S. 108.

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dere mit der Verdrängung der Hanse aus dem englischen Handelsraum. Dieser Prozess ist spätestens um 1600 erfolgreich abgeschlossen gewesen, in seiner Dynamik aber bereits nach 1400 gut erkennbar, obwohl noch im 15. Jahrhundert etwa fremde Kaufleute den Außenhandel Englands dominierten. Dies hatte auch Einfluss auf die Geschichte und Entwicklung der englischen Messen. Tuche waren eines der wichtigsten Handelsprodukte auf den großen mittelalterlichen Messen des 13.–15. Jahrhunderts (Chalon-sur-Saône, Genf, Lyon, Frankfurt am Main, Antwerpen, Brügge, auch Deventer und Bergen-op-Zoom) – für sie wurden einige der großen Messen buchstäblich geschaffen. In den Jahrhunderten nach 1300 sanken auch die internationalen Messen Südostenglands in die Bedeutungslosigkeit  ; ein Prozess, der nicht als »Niedergang«, sondern im Gegenteil als aussagekräftig für Englands erfolgreiche ökonomische Entwicklung zu bewerten ist, denn hier spiegeln sich  : erstens langsame, doch langfristig entscheidende Verschiebungen im europäischen Produktivitätsgefälle und in der Wirtschaftskraft bzw. im Entwicklungsstand wieder. In diesen Substitutionsprozess ordnet sich auch die Geschichte der englischen Messen ein, zu verstehen als Grenzmärkte – ganz gemäß dem Braudelschen Schema26  : In dem Moment, als England nicht mehr als Verkäufer von Rohwolle auftrat, sondern selber die Gewerbeprodukte exportierte, die zuvor auf den englischen Messen im Gegenzug für die englische Wolle (Rohstoff) eingekauft worden waren, und zu dem Zeitpunkt, an welchem sich das Übergewicht des englischen Handels in englische Hand und auf sesshafte Kaufleute in London fokussierte und London sozusagen zum sprichwörtlichen Zentralmarkt Englands avancierte, wurden auch die internationalen Handelsmessen im Osten Englands überflüssig. Sie sanken zu nur noch innerhalb Englands Bedeutung genießenden Regionalmärkten ab. Dieses Spezialisierungsmuster entspricht dem Prozess der in der modernen Entwicklungstheorie als Importsubstitution bezeichneten Sequenz eines Landes, welches sich von einer Produktionsaktivität mit niedrigen Skalenerträgen und einem niedrigen Anteil von Mehrwert (Rohstoff) hin zu einem Produkt mit steigenden Skalenerträgen und einem hohen Verarbeitungsgrad (Mehrwert höher), mithin einem Manufakturprodukt entwickelt.27 Und da die Einkommenselastizität der Nachfrage für Manufakturprodukte höher als für Rohstoffe und Lebensmittel ist, lassen sich langfristig über Rohstoffexporte nicht dieselben Wachstumseffekte wie durch Manufakturwaren generieren. Diese Entwicklungsstrategie ist keine Einsicht der modernen Entwicklungsökonomie, sondern bereits der Renaissance gewesen. Die englische Zoll- und Handelspolitik unter den Tudors nach 148528 stellt eine bewusste Anwendung dieses eigentlich als frühmerkantilistisch zu 26 Braudel, Wheels of Commerce, 1. Kapitel. 27 Erik Reinert, How Rich Countries Got Rich … and Why Poor Countries Stay Poor, London [2008] 2010, Kap. 3  ; ders., The Role of the State in Economic Growth, in  : Journal of Economic Perspectives 26-4/5, 1999, S. 268–326  ; Ha-Joon Chang, Kicking Away the Ladder  : Infant Industry Promotion in Historical Perspective, in  : Oxford Development Studies 31/1, 2003, Kap. 1 und ders., Kicking Away the Ladder. Development Strategy in Historical Perspective, London 2002. 28 Eleonora M. Carus-Wilson, Medieval Merchant Adventurers. Collected Studies, London 1967  ; dies./

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bezeichnenden Prinzips dar – mit einem Erfolg, der sich langfristig für England auszahlte  ; mit Spätwirkung hinein in die frühindustrielle Zeit (1700–1850).29 Zweitens ist der Aufstieg Londons als Handels-, Wirtschafts- und politisches Gravitationszentrum und als permanenter Hauptmarkt für die englische Wirtschaft, verbunden mit dem stetig wachsenden Beitrag einheimischer Kaufleute und Produzenten von Waren und Dienstleistungen zum englischen Bruttoinlandsprodukt, ebenso als Faktor oder »Grund« des Niedergangs der englischen Messen zu werten. Ebenfalls ist dies kein allgemeiner kommerziell-ökonomischer Niedergang gewesen, sondern Ausdruck einer sich im Zeitverlauf verbessernden ökonomischen Position Englands hinsichtlich der gewerblichen Produktivität, der Lebensstandards und Einkommen im globalen (europäischen) Vergleich. Die Geschichte der englischen Messen muss also aus der größeren oder Makrogeschichte der ökonomischen Entwicklung Englands ca. 1300–1800 her interpretiert bzw. in jene eingebettet und entsprechend interpretiert werden  ; neben den kommerziellen Belangen der Kaufleute und der handelspolitischen und fiskalischen Interessen von Krone und Commonwealth gab es hier viel weiter gelagerte bzw. Kraftverlagerungen von »übergeordneter« bzw. säkularer Relevanz.30

III Während des Mittelalters und der Frühneuzeit lässt sich ein dreistufiges System von Jahrmärkten und Messen für England herausstellen. Zunächst – und im Braudelschen Schema auf der untersten Ebene – finden wir die lokalen Jahr- und Wochenmärkte  : unzählig und fast überall anzutreffen  ; der Fokus lag hier auf Vieh- und anderen Agrarprodukten. Auf dem mittleren Level, d. h. Jahrmärkten mit überregionaler Bedeutung (etwa Corbridge, Darlington, Bolton etc.), wurden zwar wie auf den lokalen Märkten »lokale« Systeme abgewickelt, d. h. Grundbesitzabgaben u.a. fakturiert, doch ist den Jahrmärkten auf dieser Stufe eine weitere Charaktereigenschaft eigentümlich gewesen  : Sie stellten die Schnittstelle zwischen lokalen und überregionalen Marktströmen und -systemen dar, Olive Coleman, England’s Export Trade, 1275–1547, Oxford 1963  ; C. G. A. Clay, Economic Expansion and Social Change  : England 1500–1700, Bd. II  : Industry, Trade and Government, Cambridge 1984, S. 103–108. 29 Friedrich List, Das nationale System der politischen Ökonomie, in  : Ludwig Häusser (Hrsg.), Friedrich List’s gesammelte Schriften, III, Stuttgart/Tübingen 1851  ; ders., Kleinere Schriften, I  : Zur Staatswissenschaft und politischen Ökonomie, hrsg. v. Friedrich Lenz, Jena 1926, S. 367–436. Ähnlich argumentiert in  : Prasannan Parthasarathi, Why Europe Grew Rich and Asia Did Not. Global Economic Divergence, 1600–1850, Cambridge 2011, S. 115–150  ; Reinert, How Rich Countries  ; Chang, Kicking Away the Ladder. 30 Ein gutes theoretisches Raster von Kriterien, die auf »Handelspolitik« bestimmend wirkten, findet sich in Buszello, Die auswärtige Handelspolitik, S. 68–70. Für das 15.–17. Jahrhundert Robert Brenner, Merchants and Revolution  : Commercial Change, Political Conflict, and London’s Overseas Traders, 1550–1653, Princeton (NJ) 1993.

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leisteten die Anbindung der lokalen Ökonomien an den überregionalen und Fernhandel. Erst auf der dritten Stufe finden wir »echte« Messen, d. h. internationale Jahrmärkte im Sinne der Klassifikation als Fernhandelsmessen31, die sich v. a. durch ihre Dauer (mehrere Wochen), den Einzugsbereich der Teilnehmer (v. a. Flandern, Frankreich, Italien) sowie den Rayon ihrer Importe und Exporte deutlich von allen anderen lokalen und regionalen Jahrmärkten absetzen  ; allein über Techniken und Einflussbereiche ihres internationalen Zahlungsverkehrs ist zum derzeitigen Stand zu wenig bekannt, um ein abschließendes Urteil zu erlauben. Sicher ist indes, dass die englischen Messen weder vom Güterhandel noch vom bargeldlosen Zahlungsverkehr her je den Status und die Wirtschaftskraft etwa der Brabanter oder Champagne-Messen erlangten. Der mittelalterliche Messzyklus in England lief ab wie folgt (ca. 1250)32  : Stamford (Fastenzeit bis Ostern), St Ives (Ostern), Boston (St Botulph’s Fair, 24.6.–2.7.), frequentiert v. a. von Londonern und Italienern, (King’s) Lynn (13.7.–27.7.; ab 1238 auf frühen August verlegt33), Winchester (31.8.–16.9.), Westminster (Oktober), Northampton (November), Bury St Edmunds (Dezember).

Diese Messen konzentrierten sich später auf London.34 Im unmittelbaren Umfeld der großen Messen gab es eine Vielzahl anderer lokaler und regionaler Jahrmärkte – alleine in Yorkshire 157, und etwa 24 im direkten Umkreis (30 Meilen) von St Ives. Warum diese sich nicht zu den großen internationalen Märkten entwickelten wie die oben genannten, ist eine der spannenden Fragen der spätmittelalterlichen Handels- und Wirtschaftsgeschichte. Denn  : Die Standortvorteile waren stets ähnlich, und die englischen Könige, welche die Jahrmärkte durch Privileg als solche konzedieren mussten, teilten jene recht liberal aus.35 Ausschlaggebend für den kommerziellen Erfolg der großen englischen Mes31 Irsigler, Fernhandel, Märkte und Messen  ; Wim Blockmans, Das westeuropäische Messenetz im 14. und 15. Jahrhundert, in  : Hans Pohl (Hrsg.), Frankfurt im Messenetz Europas – Erträge der Forschung (= Rainer Koch (Hrsg.), Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, 3 Bde., Bd. 1), Frankfurt am Main 1993, S. 37–50. 32 Moore, Fairs of Medieval England, S. 10ff.; Franz Irsigler, Fernhandel, Märkte und Messen in vorund frühhansischer Zeit, in  : Jörgen Bracker, (Hrsg.), Die Hanse – Lebenswirklichkeit und Mythos. Ausstellungskatalog, Hamburg 1989, Bd. 1, S. 22–27, wieder abgedruckt in  : Fernhandel, Märkte und Messen in vor- und frühhansischer Zeit, in  : Pohl (Hrsg.), Frankfurt im Messenetz Europas, S. 85–95, hier  : S.  91. 33 Auf Bitte des Bischofs von Norwich. 34 Irsigler, Fernhandel, Märkte und Messen, S. 26f.; nach Blockmans, Das westeuropäische Messenetz, S. 37. 35 Moore, Fairs of Medieval England, S. 11 und Anm. 7.

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sen war zunächst die Wirtschaftsgeographie  : Nähe zu schiffbaren Flüssen und dem Ärmelkanal bzw. der Nordsee und geographische Kongruenz – im Südosten Englands – mit den sich ausbildenden Tuch- und Wollproduktionsregionen ebendort. V.a. das Stamforder Tuch war wichtig (s. u.). Sechs der englischen Messen, nämlich Bury St Edmunds, St Ives, Northampton, Stamford, Lynn und Boston, lagen an Flüssen, die teilweise miteinander verbunden waren und alle in das Ästuar The Wash mündeten und mithin leichten Zugang zu den Märkten Skandinaviens und Nordwesteuropas boten. Und die »Londoner« Messen von Winchester und Westminster waren durch die Themse und ihr Delta ebenfalls an die Nordsee und v. a. den Ärmelkanal angebunden36 und damit ebenfalls geographisch begünstigt. Des Weiteren gingen an allen Messorten bedeutsame Fernstraßen noch aus der Römerzeit vorüber, v. a. der Fosse Way, Walling Street (nach Nordwales) und Ermine Street (im Osten Richtung Northumberland mit Anschlussmöglichkeiten nach Schottland).37 Praktisch alle Gründungen verliefen auf Initiative machtvoller Magnaten, was aufgrund der attraktiven Einnahmequellen häufig zu Konflikten mit der Krone führte  ; praktisch alle wurden kurz vor bzw. um 1100 n. Chr. gegründet bzw. sind quellenmäßig nachweisbar. Praktisch alle erreichten ihre kommerzielle Hochphase um 1200.38 Diese Entwicklung deckt sich, zumindest partiell, mit der allgemeinen kommerziellen und demographischen Aufschwung- und Ausbauphase des 12. und 13. Jahrhundert (s. u.). In ihrer Logik bzw. Abfolgesystematik wurden sie von den kommerziellen Bedürfnissen v. a. der auswärtigen Kaufleute Flanderns, Skandinaviens und der deutschen Gebiete dominiert (die südlicheren Messen von Winchester und Westminster hatten eine stärkere Relevanz für französische und irische Kaufleute), welche den Messbesuch erst zu einer Art regelmäßigem »System« ausbauten und ihre eigenen kommerziellen Handelstechniken, Handelsbräuche und Kreditarrangements bis hin zum bargeldlosen Zahlungsverkehr aufund zwischen den Messen mitbrachten bzw. entwickelten.39 Was fehlte – und dies kann gleichsam als Chance, zumindest aber als kommerzielle Eigentümlichkeit der englischen Messen gelten – war die starke Oberhand des Königs bzw. der Obrigkeit über alle Messen des Systems (wie etwa in Flandern oder der Champagne). Die Krone teilte lediglich (und großzügig) die Privilegien gegen Gebühr aus, aber die Systematik dieses Messzyklus wurde von den Kaufleuten in Eigenregie gestaltet.40 Nun ist Geographie als Standortfaktor das eine gewesen  ; wirtschaftlicher Entwicklungs­ stand und Gewerbeentwicklung spielten ebenfalls in der Geschichte der europäischen Messen, ihrer Systeme und des Wandels dieser Systeme eine Rolle, wie bereits Braudel und vor ihm der Ökonom Werner Sombart herausgestellt haben.41 Anhand der englischen Messen und Märkte lässt sich dies gut erweisen. Märkte und Messen wurden dort privile36 Ebd., S. 11 und Karte auf S. 8. 37 Fryde, Ein englischer Großunternehmer, S. 51 und Karte S. 50. 38 Moore, Fairs of Medieval England, S. 22f. 39 Ebd., S. 22f. 40 Ebd., S. 23. 41 Sombart, Der moderne Kapitalismus, 4. Aufl., Bd. 1.

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giert, wo es bereits aufgrund der wirtschaftlichen Umstände und des Entwicklungsgrades (Produktivität, regionale Prokopfeinkommen  ; Leistungsfähigkeit der umliegenden regionalen Gewerbelandschaften) eine Nachfrage nach einer solchen Privilegierung und damit einer institutionellen Fundierung großer Zentralmärkte mit internationaler Bedeutung gab. Die internationalen Messen wurden nicht qua Privileg vom ›Staat‹ – d.i. in dieser Zeit der Herrscher – und gleichsam aus dem Nebel geschaffen  ; die Privilegierung stellt im Gegenteil den Abschluss und die institutionelle Perfektionierung von Zentralmärkten mit bereits lange zuvor sich anbahnenden kommerziellen Prozessen von überregionaler Bedeutsamkeit dar. Um geographische Standortvorteile in Wert zu setzen, bedarf es nachgeordneter heimischer Wirtschaftsfaktoren und Stimulantien. Dabei gilt als Hochzeit und Blüte die Zeit des 12./13. Jahrhunderts. Um 1180 waren die großen englischen Fernhandelsmessen und ihr Zyklus voll ausgebildet. Wichtig war v. a. feine englische Wolle der englischen (und auch schottischen) Abteien und englischer »brennend roter« Scharlachtuche (Scarlets). Italiener und Südfranzosen waren v. a. an Tuchen, die flandrischen Einkäufer (Ypern, Ghent, Cambrai usw.) v. a. an Rohwolle, »deutsche« (hansische) Kaufleute v. a. am Absatz an Pelzwerk und Rauchwaren interessiert.42 Dabei ordnet sich die Entstehungsgeschichte und Konjunktur der englischen Fernhandelsmessen gut in die allgemeine ökonomische Konjunktur Englands und Europas zu der Zeit ein. Zwischen 1086 und 1377 wuchs die englische Bevölkerung von 1,1 bis 1,8 Millionen (die Schätzungen differieren) auf zwischen 2,2 und 3,2 Millionen an. Unabhängig davon, dass sich aufgrund der fragmentierten Datenlage hier keine zuverlässige Wachstumsrate rekonstruieren lässt, ist festzuhalten, dass die englische Bevölkerungsdichte deutlich stieg. Gleiches gilt für den ebenfalls nicht sicher zu quantifizierenden Urbanisierungsquotienten  ; das Städtewachstum war wohl deutlich höher als das Bevölkerungswachstum.43 Zwischen 1270 und 1350 wuchs auch das implizierte englische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, und zwar um 28 % nach neuesten Zahlen (die aber anhand des Fehlens verlässlichen statistischen Materials nichts weiter als informiertes Rätselraten nach moderner ökonomischer Theorie darstellen und eher die allgemeinen soziologischen und ökonomischen Strukturwandlungsprozesse der Zeit in ihrem groben Verlauf reflektieren).44 Zwischen 1210/18 und 1240 wuchs auch der Ausstoß der englischen Münzstätten, und zwar nach einer Schätzung um mehr als das Doppelte, von 200.000 auf 500.000 Pfund und danach bis 1280 auf noch einmal das Doppelte (1 Million Pfund Sterling).45 Um 1250–1274 kulminierte auch die Anzahl der Neugründungen von Jahrmärkten in England – mit 219 dokumentierten Fällen fast doppelt so viele wie in dem Vierteljahrhundert zuvor (1225– 42 Irsigler, Fernhandel, Märkte und Messen. 43 Britnell, Commercialisation and Economic Development. 44 Stephen Broadberry u.a., British Economic Growth 1270–1870, Cambridge 2015, S. 205, Tab. 5.06. 45 David Hackett Fischer, The Great Wave  : Price Revolutions and the Rhythm of History, New York 1996, S. 13–34  ; Jan A. Van Houtte/Hermann Kellenbenz u.a. (Hrsg.), Handbuch der europäischen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2  : Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter, Stuttgart 1980, S. 75ff.

Messen und Jahrmärkte in England 

1249  : 119) und mehr als doppelt so viele wie zu Beginn des 13. Jahrhunderts (92 Neugründungen 1200–1224).46 Der von der Wachstumsrate her größte Sprung wurde dabei zwischen 1100 und 1200 gemacht  : von acht belegten Jahrmarktsgründungen vor 1100 auf 146 um 1200. Von dort ging es munter weiter bergauf, nämlich von 146 auf 1.628 neue Jahrmarktprivilegien bis 1300.47 In jährlicher Serie besehen liegen die Spitzenwerte der Gründungsaktivitäten um 1255/58, 1270 und 1319/20. Dies war nicht ausschließlich oder primär der ökonomischen Entwicklung Englands zu verdanken – die sich bis zu einem gewissen Grade auch in der Konjunktur der Wochen- und Jahrmarktgründungen widerspiegelt –, sondern konnte oft auch fiskalischen Erwägungen (Geldbedarf der Krone, Minderjährigkeit Heinrichs III. usw.) geschuldet sein.48 Von den für 1516 quellenmäßig gesicherten Märkten existierten 59 Prozent bereits 1300  ; nur 5 % der die Wende zur Neuzeit überlebenden Jahrmärkte waren vor 1200 privilegiert (gegründet) worden.49 Eine nächste Hochphase (mit 115) gab es im frühen 14. Jahrhundert (1300–1324). Aber die Mehrzahl der Gründungen nach 1300 wird ältere erfolglose Marktgründungen ersetzt haben. Unmittelbar vor dem Schwarzen Tod sank die Zahl dann auf 50 herab  ; danach setzte die kommerzielle und ökonomische Depression der Renaissance ein.50 Man kann die Geschichte der englischen Jahrmärkte also schwer quantitativ-kumulativ nach der Zahl der Privilegien schreiben bzw. ermessen51  ; viel wichtiger erscheint die räumliche und zeitliche Verteilung der erteilten Privilegien nach genau abgegrenzten Zeiträumen. Es gab zeitliche Rhythmen, aufgegebene Jahrmärkte, sowie eine deutliche räumliche Ungleichverteilung, die mit der ökonomischen Geographie Englands eng zusammenhängt. Der Löwenanteil des Wachstums in der Gründung von Jahrmärkten (fairs) zwischen 1100 und 1300 fiel in den Südosten – dort, wo sich dann auch die bedeutenden Fernhandelsmessen finden, so wie im Norden.52 Die größte Jahrmarkt- und Messedichte findet sich im selben Betrachtungszeitraum in East Anglia – wie auch die bedeutenden Fernhandelsmessen Englands. Dies liegt am guten Seezugang über die beiden großen Ästuarien der Themsemündung und The Wash wie auch an der Radialkraft, die der Zentralmarkt London ausstrahlte.53 Zudem konzentrierte sich hier, bis auf wenige Ausnahmen, auch die englische Bevölkerung. Im Groben und Ganzen korrespondiert die Jahrmarktund Messedichte mit der Bevölkerungsdichte in den shires (mit einigen Ausnahmen wie Cornwall, welches gemessen an der Bevölkerungsdichte weniger Messen als »erwartet« bzw. der bereits stärker kommerzialisierte Südosten aufzuweisen hatte).54 Der Südosten 46 Britnell, Proliferation, Table 1, S. 210 und passim. 47 Letters, Gazetteer, Bd. I, S. 29, Fig. 1. 48 Ebd., S. 34, Fig. 5  ; 36. 49 Ebd., S. 26. 50 Britnell, Proliferation. 51 Letters, Gazetteer, Bd. I, S. 26f. 52 Ebd., S. 27. 53 Ebd., S. 27. 54 Ebd., S. 27.

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verfügte während des gesamten Hochmittelalters, der Zeit, für welches verlässliches Datenmaterial vorliegt, auch über die mit Abstand höchste Wochen- und Jahrmarktdichte pro Quadratmeile.55 Diese Region war, einschließlich Londons, auch stärker ökonomisch bzw. kommerziell auf die Märkte Nordwesteuropas (Flandern, Heiliges Römisches Reich, Frankreich) orientiert als der Rest Englands bzw. Großbritanniens. Hier waren – und sind es bis heute – die regionalen Prokopfeinkommen deutlich höher als in den peripheren Teilen der englischen Volkswirtschaft (Nordwesten, Wales). Weiterhin clusterten Jahrmärkte an beiden Seiten der großen Fernstraßen wie der Great North Road, der großen NordSüd-Achse Englands.56 Während der oben geschilderten kommerziellen Hochphase zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert, dem zahlenmäßig fassbaren Wachstum von Wochen- und Jahrmärkten und internationalen Messen, erfolgte auch eine zunehmende und langfristig permanente Integration und regionale Defragmentierung der englischen Wirtschaft, wenngleich man mit der Verwendung von Begrifflichkeiten wie Herausbildung einer »Volkswirtschaft« hier vorsichtig sein sollte. Doch gab es am Ende dieser »Kommerziellen Revolution« 1300 in England keine Region oder kein Dorf mehr, welches mehr als einen Tagesmarsch (hin und retour) von einem Jahrmarkt oder Wochenmarkt entfernt gewesen ist.57 Daher ist es wichtig, mit Misschaele hevorzuheben, dass »Markets, even rural markets, were created in this period not to facilitate purely local trade, but rather to facilitate trade between localities and regions.«58 Während des 12. und 13. Jahrhunderts hatten lokale Magnaten und Stadtherrn stetig versucht, bestehende Marktdörfer zu Jahrmärkten, Marktstädten oder Messen aufzuwerten  ; nicht bei allen – sondern bei der Minderheit – gelang die Aufwertung zu »echten« Messen, d. h. internationalen Jahrmärkten von internationaler Relevanz. Viele Märkte verschwanden danach wieder von der Bildfläche, wie etwa im Falle Lintons in Cambridgeshire, einem Markt, von dem nach 1279 jegliche schriftliche Evidenz bzgl. einer überregionalen Relevanz fehlt  ; im späteren 13. Jahrhundert gilt dies für eine Vielzahl weiterer Marktorte. England war, von der Marktdichte und Infrastruktur her, quasi »saturiert« und regelrecht überzogen von einem Netzwerk lokaler und überregionaler Wochenund Jahrmärkte, was nicht zuletzt für eine recht weit entwickelte Kommerzialisierung der englischen Gesellschaft spricht.59 Die letzte Hochzeit der Jahrmarktgründungen während des Mittelalters findet sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit dem Einschnitt durch den Schwarzen Tod ab 1349  ; weniger als 30 % der Jahr- und Wochenmarktgründungen vor 1350 überlebten bis in das 16. Jahrhundert und die Frühe Neuzeit 55 Ebd., S. 28, Tab. 1. 56 Letters, Gazetteer, Bd. I, S. 35. 57 Broadberry u.a., British Economic Growth 1270–1870, Tabellen auf S. 7–8. 58 James Masschaele, Peasants, Merchants, and Markets. Inland Trade in Medieval England, 1150–1350, Houndmills/London 1997, S. 58. 59 Britnell, Proliferation.

Messen und Jahrmärkte in England 

hinein.60 Simultan mit dem Verschwinden dieser zahllosen Wochen- und Jahrmärkte, vielleicht bereits zuvor, nämlich um 1300, setzte aber ein »decline« der englischen Fernhandelsmessen ein (nach E. Moore). Und obgleich auf den ersten Blick hier kaum ein Zusammenhang ersichtlich ist, waren beide Entwicklungen doch Teil eines größeren Entwicklungszusammenhangs.

IV Was geschah auf den englischen Messen  ? Zunächst war ihre ökonomische Bedeutung vorrangig  : Zölle und andere Marktabgaben und Gebühren, etwa für Marktstände, aber auch Jurisdiktion/Jurisprudenz füllten das Säckel der um das königliche Privileg (Charter) anhaltenden Obrigkeiten. Der Bischof von Winchester etwa avancierte für die jeweilige Dauer der Messe zum Stadtherrn der nicht unbedeutenden englischen Marktstadt. Denn  : die Ausschlusskriterien für »Fremdenhandel«, die für die meisten anderen privilegierten Marktorte normalerweise galten, galten auf und während der Messen nicht. Man erwartete, dass der sich einstellende Fernhandel zur Messezeit diese politischen Privilegien in wirtschaftliche Vorteile und Einnahmequellen umwandeln würde. Bei den großen englischen Messen ist dies in der Regel während ihrer Blütezeit auch der Fall gewesen. Ab 1224 ist die Präsenz spanischer, flandrischer, deutscher, französischer (Normandie) u.v.m. Kaufleute auf den Messen von Winchester nachweisbar  ; die flämischen Kaufleute dominierten. Doch sind es die Italiener gewesen, welche um 1300 auf praktisch allen der großen englischen Messen nachweisbar sind. Londoner Kaufleute frequentierten regelmäßig die Messe von Winchester, um Wolle, Wein und Tuch einzukaufen  ; in ganzen Städten wurden Ratstage u.a. Gerichte während der Messzeiten suspendiert, wie etwa in Leicester seit 1270 (judicial session). Viele Kaufleute wohnten oft allen der genannten Messen im Jahresverlauf bei, machten also den gesamten Messzyklus mit.61 In diesen Zeiten flossen umfangreiche Barmittel in die Kassen der Stadträte und der von der jeweiligen Privilegierung profitierenden Obrigkeiten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass große Messen wie die von Winchester etc., quellenmäßig belegbar seit 1066 – ältere Hypothesen gehen von Gründung und Florieren bereits in der angelsächsischen Zeit aus62 –, oft auf Initiative geistlicher Herrschaften als Stadtherrschaft zurückgehen, wie in Winchester, King’s Lynn und St Ives. Diese Gründungen erfolgten – und verblieben – häufig in Konkurrenz mit dem Königtum. Sie stellten eine wichtige politische, fiskalische und ökonomische Ressource dar. Dies lässt sich an 60 Edward Miller/John Hatcher, Medieval England  : Towns, Commerce and Crafts, 1086–1348, London 1995, geben etwas andere Zahlen als Britnell, Proliferation, S. 219, Tab. 2. 61 Miller/Hatcher, Medieval England. 62 Ulrich Fischer, Stadtgestalt im Zeichen der Eroberung  : englische Kathedralstädte in frühnormannischer Zeit (1066–1135), Köln 2009, S. 377f.

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einem kurzen Gang durch die Geschichte der englischen Fernhandelsmessen gut ersehen. Stamford war eine Messe, die um 1206 dem Earl von Warenne durch königliches Privileg verliehen wurde.63 Die Messeinnahmen teilte sich der Earl mit der Abtei von Citeaux  ; nach seinem Tod 1240 übernahm König Heinrich III. als warden diese Aufgabe und die Einnahmen  ; mit ihnen finanzierte er die umfangreichen Einkäufe des königlichen Haushaltes auf den Stamforder Messen.64 Die Messe von St Ives fand auf dem Gelände des Dorfes Slepe statt, im Umkreis einer Wallfahrtskirche und Priorei, welche vom Abt von Ramsay dort um 1000 gegründet worden waren. Die Messe ging auf den (etwas obskuren) Hl. Ivo zurück  ; der Legende nach ein Bischof aus Persien, wohl eher aber kornischer (Cornwall) Herkunft, der an dieser Stelle gewirkt haben soll. Die Tatsache, dass die Messe nicht auf das Fest des Eponym-Heiligen St. Ivo (24. April), sondern in einen Rhythmus mit Stamford getaktet wurde – die dortige Messe fand in der Fastenzeit statt  ; die Messe von St Ives wurde auf Ostern terminiert –, deutet auf eine gewisse kommerzielle Bedeutung bereits zur Zeit der Privilegierung 1110 hin. Um 1250 währte die Messe mehrere Wochen  ; die Teilnehmer weilten teilweise einen ganzen Monat an dem Ort. Der Abt von Ramsay hatte als Messeherr acht Tage Anrecht auf die Einkünfte und die aus den Privilegien erwachsenden Einnahmen, der König auf den Rest. Letzterer gewährte 1258 dem Abt das Recht auf die gesamte Messe, im Gegenzug für eine Einmalzahlung von 500 Mark plus jährlich 50 Pfund danach in perpetuum.65 Die Bostoner Messen sind erst ab dem frühen 13. Jahrhundert gut dokumentiert, gehören danach aber, mit Messeinnahmen meist zwischen 100 und 300 Pfund pro Jahr, zu den größten ihrer Zeit  ; auf ihnen wurde v. a. Wein verhandelt. Um 1330 währte die Bostoner Messe bereits mehr als 30 Tage, nämlich von St. Botulph’s (17. Juni) bis St. Bartholomäus (24. August), bisweilen sogar in den September hinein (Kreuzerhöhung am 14. September bis Michaelis am 29. September).66 Die Messen von King’s Lynn zogen v. a. norwegische Kürschner und flandrische sowie englische Tuchmacher an  ; wie auch in Boston wurde überdies hier eine große Menge Geflügel verhandelt. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts, nach 1270, verlor die Messe an Rang und Bedeutung gegenüber den Bostoner Messen, was durch die Verlegung (1283) auf die ersten beiden Augustwochen als Versuch der Anpassung an die geänderten Rahmenbedingungen und die kommerzielle Dominanz der Bostoner Messen unterstrichen wird. Die St.-Giles-Messe von Winchester wurde 1096 dem Bischof und der Kathedrale von St. Swithun’s/Winchester gewährt. Das Privileg galt für eine um St. Ägidius (1. September) etwa drei Tage währende Messe jährlich. Sie wuchs von ursprünglich drei Tagen (1096) auf 18 Tage (1110) und schließlich 16 Tage (1160), nämlich vom 13. August bis 15. September an. Für die Zeit der Messe fungierte der Bischof als Stadtherr von Winchester mit allen dazugehörigen Einnahmen und Gefällen. Damit konnte er sich die ökono63 Moore, Fairs of Medieval England, S. 12f. 64 Ebd., S. 13f. 65 Ebd., S. 13. 66 Ebd., S. 16.

Messen und Jahrmärkte in England 

mische Inwertsetzung des bereits vor 1066 kommerziell recht bedeutenden Winchesters als Fernhandelsplatz ersten Ranges sichern  ; Winchester avancierte zum »einzigen überregional bedeutende(n) Jahrmarkt in einer englischen Kathedralstadt der Normannischen Zeit« (Fischer). Winchesters Bedeutung lag vor allem im Handel mit Seiden, Stiefeln, Sporen und anderen hochwertigen Manufakturwaren sowie dem anglo-französischen Handel allgemein. Ihre kommerzielle Vorreiterrolle musste die Messe sich aber mit den königlichen boroughs Winchester und Southampton teilen, letzteres der hauptsächliche seewärtige Zugangspunkt auf die Messen von Winchester und einer der bedeutendsten Seehäfen Englands der Zeit. Bisweilen ließ der Rat von Southampton fremde Kaufleute, aus Flandern oder aus Irland, festhalten und zum Verkauf ihrer Waren in Southampton zwingen.67 Nach 1240 nutzte der königliche Sheriff von Southampton regelmäßig das offizielle Handelsende in Winchester, wo die Messen vom Bischof in einem komplett mit aller nötigen Infrastruktur (Mauern, Stände usw.) versorgten Eigenkomplex außerhalb der Stadtmauern untergebracht worden waren, durch eine aggressive Wettbewerbspolitik, um den Messverkehr in die königliche Stadt zu lenken. Dort waren die Abgaben und Gebühren teils halb so hoch wie in der bischöflichen Messe, teils wurden sie gar nicht erst erhoben. Mehr und mehr zog sich die Messe in den September hinein – und damit in ein Zeitfenster, in welchem die Abgaben und Gebühren in die königliche und nicht die bischöfliche Kasse flossen. Französische Kaufleute nutzten die königlichen Messen zunehmend, und die Tatsache, dass sich ab 1269 der Bischof von Winchester die weitere zeitliche Ausdehnung »seiner« Messen (zwei Wochen nach dem 8. September) nur durch jährliche Zahlungen in Höhe von 50 Pfund an den König (und zehn Mark Silber an die City of Winchester) sichern konnte, spricht für den Erfolg der königlichen Strategie. Um 1300 hatte die bischöfliche Messe nahezu komplett an Bedeutung gegenüber der königlichen Messe von Winchester eingebüßt.68 Weniger bedeutsam war ebenfalls im Vergleich die Messe von Northampton, zunächst an die Mönche der Priorei von St. Andrews verliehen und später im Teilbesitz der City of Northampton  ; diese Messe gelangte zunehmend in bedrohliche zeitliche Nähe (Allerheiligen, 1. November) mit dem Beginn der Messen in Bury St. Edmunds am 19. November. Jene wurden insbesondere von Tuchhändlern und Produzenten um Stamford, Lincoln, London, Ypern, Douai und Poperinghe frequentiert, allerdings nicht in dem Umfange wie die größeren Messen von Boston und St. Ives.69 Die Messen von St. Eduard (dem Bekenner) in Westminster sollten die von Winchester komplettieren, reichten aber von ihren Einnahmen und dem Umfang der Handelstätigkeit nicht annähernd an jene heran. Ihre Hochzeit hatten sie um 1300.70 Die englischen Messen unterschieden sich von den übrigen Jahr- und Wochenmärkten ihrer Zeit durch das schiere Volumen der gehandelten Waren sowie durch die Tatsache, 67 Ebd., S. 18. 68 Ebd., S. 18. 69 Ebd., S. 21. 70 Ebd., S. 20f.

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dass hier internationale Importe und Exporte in größerem Umfang verhandelt wurden und ausländische Kaufleute eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Magnaten wie der Earl von Leicester standen 1274/76 mit fast 1.000 Pfund bei flandrischen Kaufleuten »in der Kreide« – für die damalige Zeit eine fast schon gigantische Summe. Nur der König gab mehr aus. 1247 beliefen sich die königlichen Außenstände für flandrisches Tuch – auf »diversen Messen« verhandelt – auf mehr als 1.500 Pfund. 1243 ließ Heinrich III. auf den Messen von Boston und King’s Lynn 25.000 Eichhornfelle (squirrel furs) einkaufen. Der Butler des Königs unterhielt auf den Bostoner Messen einen ständigen Einkäufer (deputy butler) für Wein für den königlichen Haushalt. Aber auch in »niedere« Sozial- und Konsumentenkreise ergossen sich die Weinimporte, etwa an Gastwirte und Tavernenbesitzer in York und Lincoln, welche ebenfalls über Boston ihre Kontingente orderten.71 Über die großen Tuchmessen von Winchester, Boston, King’s Lynn usw. war die englische Wirtschaft an die europäische Wirtschaft und den Handel angebunden. Wie auch bei den Champagnemessen gab es ein System oder annual cycle of fairs – viele Kaufleute besuchten jede der o.g. großen Messen in Folge.72 Andere Jahrmärkte wie Durham (Hl. Cuthbert, 4. September), Rochester (2-tägige Messe des Hl. Paulinus) und Hereford verblieben innerhalb der Kategorie von regionaler Bedeutung, wurden aber nicht zu Messen internationalen Ranges.73 Die Messen wurden jeweils von durchaus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Kaufleuten besucht. So finden sich auf den Bostoner Messen v. a. Flamen und Kaufleute aus der Normandie  ; in Winchester französische und irische, aber auch spanische Kaufleute  ; die Stamforder Messen waren von flämischen Kaufleuten frequentiert. Nur die Italiener waren normalerweise auf allen Messen vertreten.74 Boston und Winchester konzentrierten sich v. a. auf Wein  ; St. Ives, Stamford und Northampton waren nach Fryde auf den Handel mit Tuchen, Wolle und Häuten ausgerichtet. Vor allem die großen Jahrmärkte von Stamford, Northampton und Winchester dienten dem Auf- und Verkauf von Tuchen  ; sie lagen inmitten oder in der Nähe von den englischen Tuchregionen. Um 1250 wurde hier für den königlichen Haushalt in großem Stile Tuch eingekauft – sowohl importiertes als auch aus heimischer Produktion. Bis um die Mitte des und teilweise noch in die spätere Hälfte des 13. Jarhrhundert hinein dominierte auswärtiges Tuch, v. a. aus Flandern (Ypern, Douai, Poperinge), Rouen, aber auch Florenz, die königlichen Einkäufe. Erst später gewannen die heimischen englischen Tuchregionen zunehmend an Bedeutung.75 Das flandrische Tuch, v. a. die Scarlets, waren sehr hochwertig, kosteten bis zu 12 Pfund pro Tuch (um 1280)  ; andere, etwa pers und azurs, kosteten etwas weniger, nämlich zwischen 3 und 4 Pfund.76 Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts kann eine regelmäßige Präsenz ausländischer Kaufleute auf den englischen 71 Miller/Hatcher, Medieval England. 72 Fryde, Ein mittelalterlicher Grossunternehmer, S. 51. 73 Fischer, Stadtgestalt, S. 377f. mit weiterführenden Belegen und Anmerkungen. 74 Fryde, Ein mittelalterlicher Grossunternehmer, S. 57. 75 Moore, Fairs of Medieval England, S. 24–29, Tab. 1. 76 Ebd., S. 33.

Messen und Jahrmärkte in England 

Messen gut nachgewiesen werden  ; v. a. handelte es sich um »Italiener« (Lucca, Florenz) und flandrische Geschäftsleute (Ypern, Douai, s.o.). Unter den einheimischen ist eine gewisse Dominanz Londoner Kaufleute nachweisbar.77 Manche, etwa der flämische Kaufmann Waubert Baudan aus Douai, galt als »Bürger« von Dover (unabhängig davon, ob er das Bürgerrecht je erwarb), so regelmäßig war seine Präsenz auf dem englischen Markt und den englischen Messen. Die flämischen Kaufleute besuchten, wenn sie denn einmal auf der Insel weilten, mehrere englische Messen in Folge, d. h. machten einen Teil des Zyklus mit, wobei die Londoner Kaufleute sich meist auf den Besuch Bostons und St Ives’ beschränkten.78 Messegänger schlossen Kaufleute ein, die in ihren Heimatorten zur Oberschicht gehörten und Ämter wie das des Bürgermeisters, in Flandern das des Échevin bekleideten  ; gleichzeitig mischten sich unter sie Menschen aus der unmittelbaren regionalen oder lokalen Umgebung.79 Die Messen agierten mithin als Schnittpunkte diverser lokaler, regionaler und schließlich internationaler Ökonomien und Handelsströme. Italienische Kaufleute aus Lucca und Florenz frequentierten die Messen v. a., um Wolle einzukaufen und größere Kredite zu vergeben. Sie spezialisierten sich auf die Versorgung des Hofes mit hochwertigen Seiden- und Goldbrokatstoffen.80 Auf den Messen kauften Adelige und kirchliche Magnaten – Äbte, Bischöfe, Erzbischöfe – regelmäßig und in bisweilen großem Stil Tuch aus der kontinentalen Produktion für ihre Hof- und Haushaltung, manchmal für ihre Hintersassen an. Die Priorei von Durham verkaufte ihre Wolle aus der Eigenproduktion über die Bostoner Messen an die kontinentaleuropäischen Tuchmacher, von denen sie im Gegenzug Felle, Bienenwachs, aber auch fertiges Tuch (Barchent, Wollstoffe, Leinentuche …), Messer und andere Manufakturwaren erhielt. Dies galt auch für die übrigen Klöster und Prioreien v. a. von Cheshire, Lincolnshire und Yorkshire als größte Erzeuger für Rohwolle – sie alle frequentierten insbesondere Boston, gerne auch King’s Lynn, da sich hier englische und kontinentaleuropäische Fernhandelskaufleute regelmäßig trafen und v. a. die Italiener eine nahezu permanente Präsenz als communitas zeigten und Geschäftsbeziehungen sich gewissermaßen verstetigten.81 Dies ist einer der ausschlaggebenden Standort- und kommerziellen Erfolgsfaktoren für die großen Messen nicht nur East Anglias gewesen. Den Rhythmus, die Geographie und den Umfang der Käufe bestimmten die Einkäufer  : »Thus Pontefract Priory was delivering ten sacks (d. h. Wolle, PRR) a year in the 1280s at Stamford fair, when Hull, Lincoln, or even Boston might have been more convenient for the monks. Meaux regularly sent woolmen to Boston fair, despite the abbey’s proximity to Hull for export and to York for 77 Ebd., Kap. 2. 78 Ebd., S. 74f. 79 Eine detaillierte tabellarische Übersicht über die Provenienz englischer Individuen auf den Messen von St. Ives etwa in ebd., S. 77–84, Tab. 11 und Karten ebd., S. 78f. 80 Ebd., S. 34f., und 47–49. 81 Ebd., S. 47–49. Siehe auch die partiell kritischen Anmerkungen des Rezensenten bzgl. der Provenienz bestimmter Kaufleute, welche sich trotz anglisierter Namen als Italiener entpuppten, etwa ein gewisser Arnold Griffun, in der Rezension von Richard H. Bowers, in  : Speculum 63/2, 1988, S. 443–445.

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manufacture, apparently because the Riccardi, their best customers, were frequenters of the fair at Boston.«82 Neben Tuchen und Wolle wurden auf den Messen auch in größerem Umfang Wein (v. a. über Boston), Metalle (v. a. Bleiexporte nach Flandern u.a., Zinn), Gewürze, Lebendvieh, Geflügel, Pelze und Felle verhandelt. Wie auch bei den Tuchen spielten oft königliche Aufkäufer (King’s Wardrobe) und die Hofnachfrage eine gewichtige Rolle  ; bei den Buntmetallen aber ebenso auswärtige Nachfrager. Durch die von Cornwall über Exeter bis Winchester verlaufenden Fernstraßen waren die kornischen Minen, welche seit der römischen Besatzung und auch nach dem Abzug der Legionen in der Spätantike sowie im frühen Mittelalter Zinn und Blei auf den Kontinent exportiert hatten, an die internationale Wirtschaft angebunden.83 Fremde Kaufleute, etwa aus Flandern, reisten gemeinhin im Konvoi, begleitet von sog. »inspectors« oder »eswardeurs (de Engleterre)« (eine Art Gildemeister).84 Diese waren insbesondere befugt, Beginn und Ende der Messverkäufe für flandrisches Tuch usw. festzusetzen, hauptsächlich zwecks Überprüfung der Qualität der Tuche sowie der Ordnungsmäßigkeit des Handelsablaufs. Natürlich rekrutierten diese Inspektoren sich aus der Gruppe der anreisenden Kaufleute, oftmals auch der lokalen Magnaten (echevins) in Flandern, meist durch Wahl, kurz vor dem Beginn der Messe in St. Ives um Ostern herum.85 Die einzuhaltenden Regeln und Standards wurden vor der Messe offiziell in flämischer Sprache proklamiert  ; sie drehten sich v. a. um Vertrauensprobleme mit den englischen Kaufleuten sowie dem trust und contract enforcement innerhalb der flämischen merchant community. Den eswardeurs war in der Ferne unbedingter Gehorsam zu leisten, insbesondere im Sinne der »group solidarity«, welche innerhalb des fremden Rechtssystems englischer Prägung die zur Aufrechterhaltung eines stetigen sicheren Warenhandels nötige institutionelle Sicherheitsgrundlage bildete. Jeder der Flamen hatte Waren mindestens zum Gegenwert seiner angemessenen Unterhaltung und Lebenshaltungskosten mit nach England zu führen  ; es war ferner angeraten, ausstehende Verpflichtungen, Gebühren und Strafen prompt zu zahlen. Verboten war die Annahme von Bürgschaften für englische Kaufleute oder Geschäftspartner jeglicher Art durch Flamen. Die eswardeurs vertraten die flämischen Interessen durch eine eigene Delegation direkt beim König.86 Meist reisten die Kaufleute, englische wie auswärtige – oder ihre Faktoren und Agenten –, direkt mit ihren Waren an, verpackt in großen Ballen und Bündeln (torselli), welche vor Ort von den englischen Autoritäten inspiziert wurden. Vor Ort konnte man sich in die Messbuden (stalls) einmieten, die oft über Monate, wenn nicht Jahre hinweg ausgebucht waren.87 Nutze man die Dienste von Agenten, so waren diese in der Regel Angehörige der jeweils anderen einheimischen Kaufmannschaft  ; noch gegen Ende des 13. Jahrhunderts 82 Moore, Fairs of Medieval England, S. 49. 83 Ebd., S. 50–60. 84 Ebd., S. 96. 85 Ebd., S. 96f. 86 Ebd., S. 98. 87 Ebd., S. 105f.

Messen und Jahrmärkte in England 

waren Formen des Commendavertrags (Aufteilung von Gewinnen und Verlusten nach einem festen Schema zwischen Agent und Prinzipal, etwa 25 %–75 %) bzw. der compaignie/ compania oder Handelsgesellschaft des Mittelalters (im Falle reicherer Kaufleute) nicht unüblich  ; das Kommissionsgeschäft jedoch schon. Es zählte vor allem die direkte Präsenz mindestens eines repräsentativen Kaufmanns aus dem jeweiligen Herkunftsbereich der jeweiligen Gesellschaft (Italien, Flandern) auf den Messen, obgleich Makler und Faktoren als Agenten auf den englischen Tuchmessen ebenso für das spätere 13. Jahrhundert belegt sind. So ließen zwei Kaufleute aus Douai, Everard de St. Vernant und James Pylat, die gesamte Wollproduktion der Abtei von Welbeck für die nächsten sieben Jahre über Faktoren aufkaufen, teilweise flämischer, teilweise englischer Herkunft.88 Makler waren ebenfalls bekannt  ; die übliche Gebühr für den Verkauf betrug um 1250 3 pennies pro Tuch. Bei Tuchen im Wert von bis zu 12 Pfund oder mehr konnte sich dies auf Spannen von knapp 1 ‰ bis zu 0,5 % belaufen – letzteres eine übliche Richtgröße auf den internationalen Warenmärkten der Zeit wie Brügge, später Antwerpen und Amsterdam.89 Im späteren 13. Jahrhundert variierten die Sätze zunehmend, und es sind Formulierungen überliefert, die sich schwer auf einen Prozentsatz genau berechnen lassen (»12d for selling one sack of wool, 4s for selling 6 sacks of wool, 30d for selling 300 ells of canvas, and 6s for exchanging 3 pieces of cloth for 40 woolfells« usw.).90 Den Maklern war strikt verboten, mit Wolltuchhändlern zusammenzuwohnen, Trinkgelder und andere Gratuitäten zu akzeptieren  ; sie wurden von den flämischen eswardeurs kontrolliert und von diesen als Makler bestellt bzw. »akkreditiert«. Doch arbeiteten die heimischen Makler recht häufig mit den einheimischen Behörden und Offizialen zusammen, welche die Marktaufsicht und Regulierung des Messverkehrs übernahmen  ; viele Makler agierten wohl gleichzeitig als Tuchinspekteure (alnagers).91 Insbesondere auf den Wintermessen wurden aber auch oft Leerverkäufe über Muster getätigt  ; große Kontingente der fakturierten Waren und Mengen waren dann noch nicht produziert (Schafschur im Frühling und Frühsommer  !), und oft wurden – siehe oben – größere Mengen Wolle über Jahre im Voraus von den flämischen und italienischen Tuchmachern bestellt. Dann bediente man sich eines Warenmusters (sample)  ; Verträge wurden aufgrund dieses Musters abgeschlossen. Zahlungstermine verschoben sich entsprechend auf den jeweiligen Liefertermin.92 Dies schloss vielfältige Elemente des Kreditgeschäfts mit ein  : Ein »Gottespfennig« (God’s penny/earnest money) besiegelte, gleichsam als symbolische Anzahlung, Waren- oder Ratenkreditgeschäfte unterschiedlichster Formen. Die 88 Ebd., S. 106–112 für Beispiele. Peter Spufford, Power and Profit. The Merchant in Medieval Europe, London 2003, S. 22f. 89 Oscar Gelderblom, Cities of Commerce  : The Institutional Foundations of International Trade in the Low Countries, 1250–1650, Princeton 2013. 90 Moore, Fairs of Medieval England, S. 112. 91 Ebd., S. 113f., 137–141. 92 Ebd., S. 115f., mit empirischer Evidenz bzgl. Verkäufen über Muster, ebd., Anm. 88. Individuelle Usancen bei Kreditgeschäften ebd., Anm. 89.

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Inhaberschuldverschreibung (bill obligatory) und der Warenkredit dominierten93, meistens – wenn schriftlich gefasst, oft notariell beglaubigt – in Form eines von beiden Seiten unterzeichneten Schuldvertrags. London und viele andere Städte unterhielten eine umfangreiche notarielle Tätigkeit (scriveners und Notare), was es auch ortsfremden Kaufleuten erlaubte, Außenstände und Schulden notariell beglaubigen zu lassen und das Element des Kreditkaufs und -verkaufs im Messzyklus zu verstetigen.94 Kreditlinien wurden häufig von einer bis zur nächsten oder gar mehreren folgenden Messen gewährt – ein wichtiges Element in jedem Messezyklus der Zeit. Kredite von der Bostoner Messe (24.6.–2.7.) auf Northampton und für die übrigbleibenden Außenstände auf die Messe von Winchester (31.8.–16.9.) sind für französische Kaufleute als Einkäufer von Schafshäuten (1285) ebenso belegt wie von Stamford (Fastenzeit) auf St. Ives (Ostern) und dann auf Lynn (13.7.–27.7.; unter Auslassung der Messe von Boston).95 Gefördert wurde die Entwicklung des Kredites auf den Messen sicher auch durch die Krone  ; allerdings mit durchwachsenem Resultat für die Kaufmannschaft. Während bis noch um 1230 größere Außenstände des Königs häufig komplett und in bar beglichen wurden, setzte sich das Teilzahlungsprinzip danach durch, denn  : »Kings rarely paid cash on delivery for purchases at fairs  : only when the royal coffers were comfortably full – and that was seldom – or when royal credit was unobtainable«.96 Kaufleute wurden vom royal warden vertröstet  ; 1253 ließ Heinrich III. seine Einkäufer mit Bezug auf Einkäufe auf der Messe von St. Ives anweisen, (to) »take those cloths from those merchants who can best bear such a debt, and who are not accustomed to attend that fair very often« (  !).97 Es ist kaum verwunderlich, wenn wir vernehmen, dass Heinrich III. 1261 bis zu elf Jahre im Rückstand für Einkäufe auf den englischen Messen gewesen ist. Er bediente sich gerne bei den flandrischen Kaufleuten  ; zahlte bisweilen sogar größere Außenstände zurück, etwa 1276 1.000 Pfund an eine Gruppe flämischer Finanziers, vertreten durch John Bardun, weil sich dieser besonders loyal gegenüber dem König verhalten habe, doch ließ er eben jenem Konsortium auch ausrichten, »the king has no intention of paying his father’s (d.i. Johann Ohneland, PRR) debts«98. Bisweilen konnten die jährlichen Einnahmen der Krone aus der jeweiligen Messe die anfallenden Zahlungsverpflichtungen mehr schlecht als recht decken  ; aber auch unter Heinrichs Nachfolgern setzte keine durchschlagende Verbesserung der königlichen Zahlungsmoral ein. Zahlreiche Kaufleute deklarierten, sie seien aufgrund dieser langen Kreditlinien an die Krone ruiniert worden.99 Das gängigste 93 Stuart Jenks, Art. »Warenkredit«, in  : Michael North (Hrsg.), Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, S. 412f.; John Munro, Art. »Inhaber-Schuldschein«, in  : ebd., S. 172–174. 94 Moore, Fairs of Medieval England, S. 117. 95 Ebd., S. 117f. 96 Ebd., S. 122. 97 Zitiert nach ebd., S. 122. 98 Ebd., S. 123. 99 Ebd., S. 123. Sicher spielt hier auch ein gewisses Quantum Übertreibung eine Rolle.

Messen und Jahrmärkte in England 

»Kreditinstrument« war hier der wardrobe bond, eine Schuldverschreibung, die auf der jeweils nächsten Messe fällig wurde. »Platzte« diese Verpflichtung, d. h., zahlte der königliche »Einkäufer« (wohl besser Einholer, angesichts der voraufgehenden Bemerkungen) auf der nächsten Messe nicht, so konnte sich der Kaufmann um ein writ of liberate bemühen, welches beim Schatzamt der Krone (Exchequer) zu präsentieren war. Diese waren nicht immer sehr effektiv, wie entsprechende Dokumente über Außenstände der Krone an flämische Kaufleute belegen, die 1269 über zwanzig (  !) Jahre aufgelaufen waren und sich auf mehr als 1.500 Pfund beliefen. Das höchste Gut königlicher Zahlungsfreude war vielleicht der letter patent als Anweisung auf prompte Zahlung aus laufenden ExchequerEinkünften, oft aber mit der eher fragwürdigen bzw. wenig Erleichterung versprechenden Anweisung »pay if at all possible«.100 Eine von der Krone gewählte Alternativstrategie, die Zahlungsmoral etwas zu verbessern, war die Übertragung der Einkäufe der King’s Wardrobe an italienische Bankhäuser (Riccardi bis 1294, dann die Frescobaldi 1298–1311), welche im Gegenzug auf bestimmte Zölle der Krone zur Teilrefinanzierung zurückgreifen konnten – was jene aber ebenfalls nicht vor dem unvermeidlichen Bankrott aufgrund des Überappetits Eduard I. beschützen konnte.101 Bisweilen »bediente« sich der König auch durch eine »Prise«, eine Art Steuerabschöpfung, indem bestimmte Kontingente v. a. über die Messen eingeführter Weine für den königlichen Haushalt per Statut einfach beschlagnahmt wurden.102 Königliche Shoppingtouren auf den englischen Messen konnten für die Beteiligten also durchaus als Desaster enden  ; als »Einkäufer« auf den Messen war die Royal Wardrobe vermutlich alles andere als beliebt. 1303 wurde die Prise abgeschafft und durch die Einführung der »New Customs« – einer zusätzlichen Zollabgabe, die auf auswärtige Importeure fällig wurde – ersetzt. In Zukunft sollten keine Güter mehr von den Kaufleuten beschlagnahmt werden  ; und falls doch, sollte ihnen der gängige Marktwert zurückerstattet werden. Auch wurde die bislang übliche (Un-)Sitte der Preisfestsetzungen durch königliche Einkäufer abgeschafft – alles Aufschluss gebend hinsichtlich derjenigen Faktoren, welche die englischen Messen nicht gerade zu attraktiven Handelsplätzen für die ausländischen Kaufleute gemacht haben dürften. Wichtig war für das erfolgreiche Bestehen und Wachsen der Messen als Handelsplätze internationalen Ranges eine gewisse Regulierung und Aufsicht – der institutionelle Rahmen, hier dargestellt durch Marktordnung und Marktaufsicht. Dieser belief sich zunächst auf die spatiale Ordnung  : Innerhalb des Messegeländes sollten so die Fleischhauer von den Viehhändlern und jene von den Gerbern usw. sauber getrennt werden. Regelmäßig wurden durch königlich bestellte Beamte die Maße und Gewichte des Messhandels inspiziert und zertifiziert (Assize of Cloth and Measures)  ; Verletzungen der nicht zuletzt in der Magna Charta niedergelegten »national standards«, aber auch die Verwendung falscher Maße und Gewichte konnten Beschlagnahmungen und empfindliche Strafen nach 100 Ebd., S. 124. 101 Ebd., S. 125. 102 Ebd., S. 127–131.

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sich ziehen (traten aber aufgrund der mangelnden Überwachungsdichte durchaus immer wieder auf ).103 Hier ging es nicht zuletzt darum, ein »faires« und geordnetes Ablaufen der Handelstätigkeit im Markt zu für alle Teilnehmer akzeptablen und transparenten Bedingungen zu garantieren, auch und besonders durch Ausschluss von Marktstörungen und ineffizienter Allokation (rent seeking, Informationsasymmetrien etc.). Diese klassische Funktion von Messen hat sich bis heute und in den modernsten Märkten, etwa den Warenund Wertpapierbörsen, gehalten.104 Allerdings stießen die Standardisierungsbemühungen der englischen Krone auch hinsichtlich der fremden Tuche von Flandern nicht immer auf Gegenliebe  ; ging es doch darum, die in verschiedensten Maßen und Formen auftretenden Produkte der flämischen Tuchstädte künstlich auf ein nicht einmal mit dem englischen Tuch korrespondierendes Standardmaß – 26 Ellen Länge, 54 Zoll (inches) – zu kalibrieren, unter Androhung von Strafe bei Nichterfüllung. Dies zog nach 1254 offizielle Proteste und Eingaben der flämischen Kaufleute Yperns und Douais nach sich, führte zwischen 1270 und 1275 sogar zu einem englisch-flandrischen Handelskrieg, innerhalb dessen auf beiden Seiten mit Beschlagnahmungen in den jeweiligen Handelsplätzen operiert wurde.105 Die Möglichkeiten der Regulierung dienten hier in erster Linie der Aufbesserung der königlichen Einnahmen, v. a. die Beschlagnahmung von Handelswaren bei Nichteinhaltung und der Verkauf von Ausnahmegenehmigungen und Lizenzen – der Standardapparat der Verbesserungsmöglichkeiten der fiskalischen Basis vormoderner Staaten vor der Entwicklung des fiscal-military state und der konstitutionell-parlamentarischen Monarchie nach 1688. Sicher dienten sie nicht primär der Schikane auswärtiger Kaufleute. In gewisser Hinsicht tat die englische Krone aber das ihre, bzw. hat allem Anschein nach auch zum Niedergang der englischen Tuchmessen als internationale Märkte von Rang beigetragen, indem sie die großen ostenglischen Messen zwar als Handelsorte privilegierte, aber von Anfang an durch ihre Einkäufe für den königlichen Haushalt und die mit ihnen verbundene mangelhafte Zahlungsmoral sowie durch die übermäßige Steuerlast bzw. teilweise recht arbiträr anmutenden Einschränkungen der Handelstätigkeit Fremder genau diejenigen Signale und Stellschrauben setzte, die gerade nicht zu stabilen property rights und der Senkung der Transaktionskosten beitrugen, welche normalerweise solche Märkte für auswärtige Kaufleute attraktiv machten (zumindest in der Theorie der modernen Institutionenökonomik).106

103 Ebd., S. 131–137. 104 Rössner, Freie Märkte  ?  ; Bernard Harcourt, The Illusion of Free Markets  : Punishment and the Myth of Natural Order, Cambridge (MA) 2011. 105 Moore, Fairs of Medieval England, S. 134f. 106 Zuletzt umfassend hinsichtlich der kommerziellen Institutionen in den führenden flämisch-niederländischen Städten zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert untersucht in Gelderblom, Cities of Commerce.

Messen und Jahrmärkte in England 

V Zwischen 1200 und 1340 ist ein Niedergang der großen englischen Fernhandelsmessen zu beobachten. Die Messeinnahmen des Bischofs von Winchester für die Messe von St. Giles sanken von mehr als 140 Pfund (um 1290) auf ca. 36 Pfund (1340) jährlich. Die Großkaufleute von Lincoln und York blieben nunmehr den großen Messen fern. Dies ist nicht mit einem ökonomischen oder kommerziellen Niedergang der englischen Wirtschaft gleichzusetzen – natürlich spielte auch der Schwarze Tod und eine generelle Kontraktion in der europäischen Wirtschaftstätigkeit hier eine Rolle –, sondern vielmehr mit dem Gegenteil  : flandrische Tuchimporte wurden zunehmend durch englische Eigenproduktion substituiert, und englische Fernhandelskaufleute begannen zunehmend, die »Fremden« zu verdrängen  : sowohl »visibl exports« als auch Dienstleistungen (Handel, Transport, Finanz) gelangten zunehmend in englische Hände  ; der Handel wurde sesshaft und verlagerte sich in die englischen Handelsstädte. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts konnte der königliche Haushalt seinen gesamten Importbedarf über London decken, was nicht zuletzt durch die Verlagerung der King’s Wardrobe nach London (1320) veranschaulicht wird. Winchester, Stourbridge und Corbridge verschwanden nicht, sondern sanken lediglich zu »überregional bedeutenden« Jahrmärkten herab, die sich in Größe und Volumen mit den größeren Jahrmärkten Europas ähnlichen Zuschnitts messen konnten. In Corbridge wurden um 1800 mehr als 100.000 Schafe verhandelt. Nur handelte es sich bei den Messen nicht mehr um die international bedeutenden Jahrmärkte, wie dies vor 1300 der Fall gewesen war. Für diesen Niedergang der englischen Tuchmessen lassen sich in systematisierter Form mehrere Gründe anführen.107 1. Zum einen erweiterte sich seit dem 13. Jahrhundert der europäische Marktanteil weniger feinen, gröberen und billigeren Tuches für eine wachsende Käuferschaft. Hier stellten die Messen – auf denen Tuche gehobener Qualität sowohl aus der englischen als auch aus der ausländischen Produktion (Flandern, Italien) verhandelt wurden – keinen ausschlaggebenden Standortfaktor mehr dar. Die Netzwerke und Träger des Handels waren nunmehr andere, wie auch die Arten und Ströme der gehandelten Waren. 2. Des Weiteren fiel, und dies hängt teilweise mit ersterem zusammen, London eine immer größere Rolle als »Zentralmarkt« Englands zu  ; auch verlagerte sich das produzierende Gewerbe weiter nach London. Eduard I. trug selber aktiv zur Begünstigung Londons – und damit auch zum Niedergang der Tuchmessen – bei, indem er ab 1295–1298 den Londoner Handel diesbezüglich liberalisierte und Fremden nunmehr prinzipiell gleiche Rechte (bei Zahlung unterschiedlicher Zollsätze) im Londoner Ein- und Ausfuhrhandel gewährt wurden. Florentiner, Lucchesen und andere Kaufleute nahmen die Gelegenheit wahr und ließen sich permanent in der englischen Metropole nieder. Dies war Teil einer durchaus über das gesamte Nordwesteuropa zu findenden Entwicklung, nämlich des 107 V.a. Moore, Fairs of Medieval England, S. 217–222.

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Trends zur Versesshaftung des Handels und der Kaufleute und der steigenden Bedeutung größerer Städte als Wirtschafts- und Finanzzentren – welche sich durchaus, aber nicht zwingend, aus vormals bedeutenden internationalen Messen heraus entwickeln konnten (etwa Antwerpen, aber auch London usw.). Die Handelszentren neuer Prägung – Brügge, Antwerpen, Amsterdam, London, Hamburg – reflektierten die Gewichtsverschiebungen im europäischen Handels- und Wirtschaftsgefüge zum Atlantik  ; sie reflektierten auch die Permanenz und den neuartigen Charakter der innerhalb dieser Bedeutungsverschiebung an Signifikanz gewinnenden Märkte wie etwa der Börsen. Hier stellten die englischen Messen keine Ausnahme dar  ; die bedeutenden internationalen Messen verlagerten sich während der frühen Neuzeit immer weiter nach Osten, getreu der Grenzmarkthypothese von Fernand Braudel (Leipzig, Nischnij Nowgorod). Jahrmärkte und Messen hatten fortan nur noch regionale bzw. nationale Bedeutung. 3. Auch führten mehrere Handelskriege zwischen England und Flandern zu einem Einbruch der Handelsbeziehungen, nicht zuletzt zwischen 1270 und 1277, 1294–1303, 1307–1322. Die Handelsembargos gegen Flandern führten aber nicht zum Verschwinden des Handels  ; genug Wolle gelangte immer noch über den Ärmelkanal in das Land, aber nun über Italiener, Deutsche usw. Und zunehmend nahmen englische Kaufleute den Handel und seine Finanzierung in eigene Hände. Dies ging zusammen mit der o.g. Schwerpunkt- und Standortverlagerung des englischen Handels in die Hauptstadt. 4. Die lang andauernden Kriege gegen Wales und v. a. Schottland seit dem Ende der 1290er Jahre108 führten zu einer ansteigenden Belastung v. a. von Wolle und Fellen durch Beschlagnahmung. Um 1295 waren die Tuchmessen quasi verwaist, denn kaum jemand wollte unter solchen Konditionen noch Handel mit Wolle und Wollprodukten treiben. 5. Wie bereits angedeutet, kamen seit dem späteren 13. Jahrhundert immer weniger kontinentale Tuchhändler und Produzenten als Wolleinkäufer nach England, sondern umgekehrt nahm eine wachsende Zahl englischer middle men diese Rolle ein  ; hierfür brauchten letztere aber keine Messen (mehr). Käufe englischer Wolle wurden nun nicht mehr en masse getätigt, sondern dezentral und individualisiert, durch Kaufleute und Agenten, welche die Produzenten (d. h. die Klöster und Abteien) direkt ansteuerten, um ihr Produkt dann auf den kontinentalen Stapelmärkten selber abzusetzen. 6. Hinzu kommt die ökonomische Depression der Renaissance, ca. 1350/70–1520. Der Prozess der demographischen und kommerziellen Expansion in England zwischen ca. 1100 und 1300/50 ging zweifelsohne einher mit einem Wachstum des Urbanisierungsquotienten, einer steigenden Monetisierung der englischen Wirtschaft (hinsichtlich der pro Kopf vorhandenen Edelmetallgeldmenge) sowie einer zunehmenden regionalen und funktionalen Spezialisierung, was den gezielten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur (Brücken, Straßen) mit einbezog, einschließlich der stark wachsenden Neugründung von Wochen- und Jahrmärkten.109 Das Wachstum der Seehäfen, einschließlich des wachsenden 108 Michael Lynch, Scotland. A New History, London 1991, S. 111–131. 109 Eine sehr gelungene Übersicht bietet Richard Britnell, Commercialisation and Economic Develop-

Messen und Jahrmärkte in England 

Beitrags der Handels- und Kaufmannseinkommen zum englischen Sozialprodukt, aber auch die stetig steigenden Wollerzeugungs- und Exportzahlen der nordenglischen und schottischen Abteien110, welche einige der wichtigsten europäischen Wollexporteure darstellten, waren Teil einer größeren Entwicklung, welche die englische pastorale wie auch gewerbliche Wirtschaft insbesondere des Ostens und Südostens in eine europäische Wirtschaft zunehmend integriert hatte. Diese Wachstums- und Strukturwandlungsprozesse verlangsamten sich drastisch nach 1300. Bevölkerungs- und Agrarwachstum verlangsamten sich auch in England, teilweise schon vor dem Schwarzen Tod, was auch der Nachfrage nach nicht-agrarischen Manufakturwaren in England wie auch auf dem gesamten Kontinent einen gewissen Dämpfer einbrachte und somit auch die für ein kommerzielles Wachstum – und mithin auch für die großen Jahrmärkte und Messen – ausschlaggebende makroökonomische Variable zumindest in der Tendenz wieder umkehrte.111 Ein gewisses, wenngleich im Vergleich zu den übrigen Faktoren randständiges Element wird also die Makrokonjunktur der Zeit dargestellt haben. Auch ging die Zahl der neugegründeten Jahrmärkte in England nach 1350 allgemein signifikant zurück, und weniger als 40 % der vor 1350 gegründeten Jahr- und Wochenmärkte in England überdauerten in die Frühe Neuzeit  : Die ökonomische Krise der Renaissance war ihr Untergang.112

ment in England, 1000–1300, in  : ders./Bruce M. S. Campbell (Hrsg.), A Commercialising Economy  : England 1086 to c.1300, Manchester/New York 1995, S. 7–26. 110 Zu den schottischen Wollerzeugern vgl. Ian Blanchard, Northern Wools and Netherlands Markets at the Close of the Middle Ages, in  : Grant G. Simpson (Hrsg.), Scotland and the Low Countries 1124–1994, East Linton 1996, S. 76–88 sowie Martin Rorke, English and Scottish Overseas Trade, 1300–1600, in  : Economic History Review, Sec. Ser. 59/2, 2006, S. 265–288. 111 Zur Debatte über die ökonomische Depression der Renaissance, vgl. Harry Miskimin, Monetary Movements and Market Structure – Forces for Contraction in Fourteenth- and Fifteenth-Century England, in  : The Journal of Economic History 24, 1964, S. 470–490  ; ders., The Economy of Later Renaissance Europe, 1460–1600, Cambridge 1977  ; Carlo M. Cipolla, Economic Depression of the Renaissance  ?, in  : The Economic History Review, New Ser. 16/3, 1964, S. 519–524  ; Michael North, Geldumlauf und Wirtschaftskonjunktur im südlichen Ostseeraum an der Wende zur Neuzeit (1440–1570). Untersuchungen zur Wirtschaftsgeschichte am Beispiel des Großen Lübecker Münzschatzes, der norddeutschen Münzfunde und der schriftlichen Überlieferung, Sigmaringen 1990  ; John Day, The Great Bullion Famine of the Fifteenth Century, in  : Past & Present 79, 1978, S. 3–54  ; ders., The Question of Monetary Contraction in Late Medieval Europe, in  : Jørgen Steen Jensen (Hrsg.), Coinage and Monetary Circulation in the Baltic Area, c.1350–c.1500, Kopenhagen 1982, S. 12–29  ; John H. Munro, The Monetary Origins of the Price Revolution, in  : Dennis O. Flynn/Arturo Giráldez/Richard von Glahn (Hrsg.), Global Connections and Monetary History, 1470–1800, Aldershot/Burlington 2003, S. 1–34, N. J. Mayhew, Prices in England, 1170–1750, in  : Past & Present 219/1, 2013, S. 3–39. Zur Depression im Montanwesen siehe Ekkehard Westermann, Zur spätmittelalterlichen Depression der europäischen Montanwirtschaft. Stand und offene Fragen der Forschung, in  : Rudolf Tasser/Ekkehard Westermann (Hrsg.), Der Tiroler Bergbau und die Depression der europäischen Montanwirtschaft im 14. und 15. Jahrhundert, Innsbruck 2004, S. 9–18. 112 Britnell, Proliferation, S. 219–221.

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7. Viel wichtiger, aber in der älteren Literatur selten genannt, sind Faktoren gesamtwirtschaftlicher Natur, welche in der Literatur bisweilen als »Zollpolitik« be- und damit als fiskalisch abgeschrieben werden113, doch einen weit darüber hinausgehenden Entwicklungs­ horizont besitzen bzw. eine übergeordnete ökonomische Entwicklungsstrategie, wenngleich rudimentär entwickelt, reflektieren. Seit 1303 wurden Exportabgaben auf Rohwolle und Einfuhrzölle auf Tuche empfindlich erhöht und mit teilweise 33 % belegt. Die Ordinance of Kenilworth (1326) limitierte die Erlaubnis der Einfuhr und der Konsumption auswärtiger Tuche auf Einheimische mit einem Grundbesitz von mindestens 40 Pfund jährlicher Rente.114 Dies war mehr als ein Handelskrieg gegen Flandern, denn in diesen Maßnahmen steckten die Grundlagen einer späteren Zoll- und Wirtschaftspolitik, die im modernen Jargon der Entwicklungslehre (growth and development economics/studies) seit längerem als Import Substitution und Infant Industry Protection bekannt ist, und deren Grundgedanken nicht erst durch Friedrich List (1789–1846) oder die Merkantilisten und Kameralisten der Frühen Neuzeit gelegt wurden, sondern sich bereits in ebenjenen hier besprochenen zoll- und handelspolitischen Gesetzen der Renaissancezeit wiederfinden. Relativ spät, nämlich 1485, erfolgte dann mit der protektionistischen Zollgesetzgebung unter Heinrich VII. schlussendlich das Verbot der Rohwollausfuhr, verbunden mit weiteren Schritten zur Importsubstitution und der Relokation manufaktoriellen Knowhows nach England.115 Zu diesem Zeitpunkt hatten die großen Tuchmessen längst ihre Bedeutung verloren. Stamforder Tuch, eines der Haupthandelsgüter auf den Stamforder Messen, lässt sich bereits im 12. Jahrhundert in venezianischen Notariatsakten nachweisen  ; um 1300 galt es als Qualitätstuch und gleichsam als »Label«, denn stamen forte (d.i. Stamforder Tuch) wurde in den Quellen wahlweise als »›de Anglia‹, ›de Araco‹ und ›de Ypre‹«116 nachgewiesen, hatte sich also schon als Typbezeichnung von seinem ursprünglichen Herkunftsort emanzipiert. Stamforder Tuch, am französischen Hofe in der Mitte des 13. Jahrhunderts v. a. für Decken und »ad robas puerorum« verwandt, wurde in Folge gar Ziel diverser Luxusgesetze (sumptu­ ary laws).117 Englisches Tuch konnte also zunehmend auch im hochpreisigen Segment mit den guten Sorten Flanderns und Italiens im europäischen Handel mithalten und diese substituieren – was langfristig zum Aufbau eines eigenen leistungs- und exportstarken Tuchgewerbes in England auch bei den mittleren und Luxussegmenten und einer zunehmenden Unabhängigkeit von italienischen und flandrischen Importen und Importeuren geführt hat. Über die großen Messen spiegelten sich bzw. bildeten sich also auch internationale Wettbewerbs- und Handelsbilanzgefälle ab, insbesondere mit den weiter als die englischen entwickelten Tuchgewerben Flanderns und Oberitaliens. Die hier geschilderten Begebnisse bestätigen einmal mehr das Braudelsche Diktum, bei den internationalen Messen habe es sich um 113 So auch Moore, Fairs of Medieval England, S. 221. 114 Ebd., S. 221. 115 Reinert, How Rich Countries Got Rich, Kap. 3. 116 Fryde, Ein mittelalterlicher Grossunternehmer, S. 70f. und S. 61–78 für eine ausführliche Diskussion Stamforder Tuchs. 117 Ebd., S. 73.

Messen und Jahrmärkte in England 

»Grenzmärkte« gehandelt  ; d. h. Märkte an der Schnittstelle verschiedener Wirtschaftskulturen mit unterschiedlicher gewerblicher Produktivität und unterschiedlichem Lebensstandard (gemessen am Reallohn und Pro-Kopf-Einkommen). Wann immer sich unterschiedliche Räume anglichen – hier  : Englands Tuchproduzenten zu den führenden Gewerbelandschaften Italiens und Flanderns aufschlossen –, bedurfte es solcher Grenzmärkte nicht mehr. Andere Marktformen und Austauschwege nahmen ihren Platz ein. Große internationale (Tuch-)Messen machten nach dem 15. Jahrhundert in und für England buchstäblich »keinen Sinn« mehr.

VI Daher erfolgt zum Schluss ein Ausblick auf die Entwicklung der Jahrmärkte bis um 1800. In der Frühen Neuzeit kam es zwar nicht zu einem echten Niedergang der Jahrmärkte und Messen, doch wiesen diese eine entscheidende Form- und Funktionswandlung auf  : Fernhandelsmessen im echten Sinne hat es in England nach 1400 nicht mehr gegeben. Doch wandelten sich die großen Fernhandelsmessen des Mittelalters in Jahrmärkte von regionaler bzw. »nationaler« Bedeutung  ; für den internationalen Warenaustausch spielten sie keine Rolle mehr. Darüber hinaus fand mindestens ein gleichwertiger Anteil des Binnenhandels (domestic trade) in den Städten, d. h. typischerweise auf den Wochenmärkten statt  ; viele der Jahrmärkte nach 1500 fanden sich auf freiem Felde, außerhalb der bebauten Stadtlandschaften, nicht selten sogar komplett abseits von Dorf und Stadt.118 Dies mag damit zu tun haben, dass die kommerzielle Aktivität auf den größeren Jahrmärkten Englands sich nach 1500 u.a. auf den Viehhandel (Rinder/Ochsen, Schafe, Pferde) konzentrierte  ; ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftszweig, denn v. a. das zahlenmäßig beachtliche Wachstum Londons seit dem Mittelalter machte Viehimporte aus einem immer größeren Radius notwendig. So wurde seit dem 16. Jahrhundert v. a. die schottische Viehwirtschaft der Highlands & Islands (Rinder) und der Borders (Schafe) zunehmend in die englische und nach 1707 britische Bedarfswirtschaft integriert. Die Marine und der seewärtige Handel agierten weiterhin als wichtige Nachfrager.119 Das Vieh transportierte sich auf seinen Hufen selber auf den großen drove roads vom fernen Norden und Nordwesten der Insel in die mit unstillbarem Appetit gesegnete und stetig wachsende Metropole London. Auf den englischen Weiden wurden die Rinder, welche durch den Transport abgemagert waren, durch Viehmast »veredelt«. Noch Adam Smith spricht in seinem Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations 1776 von »the greatest […] of all commercial advantages […] which Scotland has derived from the union with England«120. Dies war einer 118 C. G. A. Clay, Economic Expansion and Social Change  : England 1500–1700, Bd. 1  : People, Land and Towns, Cambridge u.a. 1994, S. 173f. 119 Philipp Robinson Rössner, Scottish Trade in the Wake of the Union 1700–1760. The Rise of a Warehouse Economy, Stuttgart 2008, Kap. 4, 5. 120 Wealth of Nations, zitiert in Richard H. Campbell, The Rise and Fall of Scottish Industry 1707– 1939, Glasgow 1980, S. 11.

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der großen theoretischen Irrtümer des schottischen Nationalökonomen. Aufgrund seiner intimen Kenntnisse der britischen Wirtschaftsverhältnisse – und dem ökonomischen Schriftgut seiner Zeit – hätte er nämlich wissen müssen, dass Spezialisierung auf einen Rohstoff oder primärsektorale Beschäftigung (Viehhandel und Mast) langfristig nicht die gleichen Wachstumseffekte wie eine handwerklich-industrielle Produktion ermöglicht.121 Für England war der Viehhandel jedoch ein unabdingbarer Beitrag zur gewerblichen Spezialisierung und dem Wachstum Londons.122 Hier spielten die überregionalen Viehmessen Schottlands und Englands eine nicht zu vernachlässigende Rolle im Erwachsen eines »britischen« Marktes bzw. einer britischen Volkswirtschaft, ca. 1600–1800. Die Zahl und Dichte der quellenmäßig dokumentierten Jahrmärkte und Regionalmessen – wesentlich schlechter dokumentiert als die mittelalterlichen Jahrmärkte – nahm während der Frühen Neuzeit mithin nicht ab  ; so gab es alleine in der Grafschaft Somerset um 1700 etwa 180 Jahrmärkte.123 Für 1695 weist der Chapmans and Travellers Almanack (sic  !), eine Art Handbuch für den wandernden Krämer, in welchem die Marktorte und Messen Englands und die wichtigsten »Handelsbräuche« für den Hausgebrauch eines weitgehend im ländlichen Umfeld tätigen Krämers in jährlicher Folge dokumentiert waren, folgenden Jahrmarktrhythmus für England und Wales aus (vgl. Abb. 1)124 Fast einer Normalverteilungskurve gleich steigt die Aktivität der in Summe sich auf ca. 1.032 belaufenden Jahrmärkte in diesem »Almanack« für 1695 über die Frühjahrs- und Sommermonate an, um Spitzenwerte im Juli, August und September zu erreichen  ; diese wärmsten Monate des Jahres koinzidierten auch mit der Ernte, dem Ereignis im Jahreswirtschaftszyklus der nicht-pastoral ausgerichteten Agrargebiete Englands. Die etablierten festen Marktorte (Wochen- und Jahrmärkte) mussten sich seit dem 16. Jahrhundert zunehmend zwei oder drei ernstzunehmenden Rivalen stellen, nämlich (1)  den sich nun zunehmend auf den Dörfern herausbildenden festen Läden (shops), (2) den Tavernen und Gasthöfen (inns) sowie (3) den reisenden Kaufleuten und Krämern (chapmen).125 Um 1759 sind für England insgesamt 141.700 retail outlets (Detailwaren, Läden) dokumentiert  ; knapp 21.600 davon (15 %) in London, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung Englands darunter lag (11–12 %).126 Die Zukunft gehörte mithin dem Laden. Doch noch bis weit in das 18. Jh. hinein nahmen bei der Verteilung des Handelsvolumens in einer wachsenden und zunehmend kommerzialisierten Ökonomie Englands 121 Weil erstens die Skalenerträge bei gewerblich-industrieller Produktion höher sind als im Primärsektor und zweitens die Einkommenselastizität der Nachfrage für Lebensmittel und Grundbedarfsgüter (Primärsektor) geringer ist als für gewerbliche Produkte. 122 Sir Tony (E. A.) Wrigley, A Simple Model of London’s Importance in Changing English Society and Economy 1650–1750, in  : Past and Present 37/1, 1967, S. 44–70. 123 Clay, Economic Expansion, Bd. 1, S. 174. 124 Ausschließlich der sog. »movable fairs«. 125 Clay, Economic Expansion, S. 177. 126 Keith Wrightson, Earthly Necessities  : Economic Lives in Early Modern Britain, New Haven (CT) 2000, S. 235f., 245–248.

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  Abb. 1  : Saisonaler Rhythmus/Taktung der englischen Jahrmärkte, 1695 (Goldsmith, An Almanack for the Year of Our Lord God 1695 … London  : Printed by Mary Clark for the Company of Stationers, 1695).

Jahrmärkte immer noch eine zentrale Rolle an der Schnittstelle zwischen lokaler und überregionaler Ökonomie ein, waren mithin ebenso zentral für die zunehmende ökonomische Integration Englands wie die wachsende Anzahl von Läden. Neben den etablierten »Marktformen« (Wochen-, Jahrmarkt) nahmen die o.g. peddlars und chapmen die regionalen Jahrmärkte regelmäßig in Anspruch. Die sich zwischen 1650 und 1800 herauskristallisierende Konsumrevolution und der Strukturwandel im Detailhandel (retailing), die als wichtig für das ökonomische und kommerzielle Wachstum Englands vor der Industrialisierung gelten (industrious revolution127), wären also ohne diese Aktivitäten von Krämern, Hausierern und Wanderhändlern sowie der mittelständischen Kaufleute, welche eben jene regionalen Jahrmärkte und Viehmessen frequentierten, schlechthin undenkbar. Ihr Effekt machte sich im Großen wie Kleinen bemerkbar, etwa im quantitativen Niedergang der quellenmäßig dokumentierten Haushalte in Lutterworth/Leicestershire, welche über Flachsspindeln verfügten (1580–1650), oder im Anstieg des für den Markt produzierten Volumens der lokalen und regionalen Bäcker.128 Die Regionalmärkte und Messen Englands, obgleich in der Gesamtzahl (ca. 1.000, 1695) und Dichte vielleicht nicht mehr vergleichbar mit den Hochzeiten der per royal charter dokumentierten Jahrmärkte um 1200 127 Jan de Vries, The Industrious Revolution  : Consumer Behavior and the Household Economy, 1650 to the Present, Cambridge 2008, S. 169f. 128 Wrightson, Earthly Necessities, S. 171–176.

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(bis zu vielleicht 3.000, s.o.), versanken also nicht in Bedeutungslosigkeit. Sie durchliefen lediglich eine Funktionstransformation. Vorsicht ist allerdings geboten aufgrund der nicht miteinander vergleichbaren Quellen des Mittelalters im Vergleich zur Neuzeit. Messen und Jahrmärkte nahmen mithin eine wichtige Rolle bei der zunehmenden ökonomischen Integration und der Entstehung einer englischen Volkswirtschaft zwischen 1100 und 1800 ein, deren Beitrag zur langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung – bis hin zur Industrialisierung – nicht zu unterschätzen ist.

Abstract The chapter studies the history of fairs in England from the middle ages until the end of the early modern period. Following an introduction (I), some conceptual remarks on the roles and types of fairs in medieval and early modern England and their function for the English economy will be made (II). Some comments on the international system and patterns of fairs follow, within which the English experience will be placed. Basic patterns and fair cycles in medieval and early modern England will be discussed (III). The fourth section analyses the types of trades and commercial activities on English fairs (IV), whilst a fifth section examines some reasons for the decline of the medieval international fairs of England in the light of the history of English economic development (V). A sixth section extends the discussion to English regional fairs in the early modern ages, providing a tentative conclusion (VI).

Wim Blockmans, Leiden

Fairs in Northern France and the Low Countries, 1200–1600

Fairs have existed in Western Europe since the early middle ages as the concentration, for a limited duration, at a fixed time (mostly a holy day) and place, of the demand for and the offer of scarce commodities. A monarch or an ecclesiastical authority provided the privilege for the institution and the protection of the participants, including safe-conduct for the merchants traveling to and away from the fair. This protection came at a price, in the form of tolls and duties for the rent of stalls, which explains the rulers’ liberality in granting market privileges. Most of these markets, of which hundreds, if not thousands have been documented, remained limited to regional exchanges of common products of agriculture, livestock and crafts. Those can be categorized as regional distribution markets, among which a variety of scale can be distinguished.1 Only a few of them expanded to nodal points in long-distance trade, a success lasting mostly during a particular time period only. The heyday of a second category of fairs was based on the distribution of a scarce commodity which was produced locally or regionally. Classic examples of this type of export-oriented fairs were the six or seven wool and cloth fairs in the English Midlands, since the mid-twelfth century organized in a cycle covering roughly the whole year and flourishing through the thirteenth century.2 Other examples are the famous herring fairs in Schonen,3 the distribution fairs for cattle, horses, metals, salt and cheese, depending on the particular local or regional production. A third category of fairs consists of those periodic markets where a broad range of products was offered, some of which were highly valuable and exotic, transported over long distances. As such, fairs were regularly visited by foreign merchants, financial services supporting exchange and credit operations developed there as a derived specialization which evidently was only profitable when and where the business volume and the diversity of the participants 1 Fernand Braudel, Les jeux de l’échange, Paris 1979, pp. 63–78  ; Michel Pauly, Jahrmärkte in Europa vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Regionale Untersuchungen und der Versuch einer Typologie, in  : Franz Irsigler (ed.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, Trier 2007, pp. 25–40, previously published in French in Simonetta Cavaciocchi (ed.), Fieri e mercati nella integrazione delle economie europee, secc. XIII–XVIII. Atti della Settimana di Studi F. Datini, Firenze 2001, pp. 669– 683. 2 Franz Irsigler (ed.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung, pp. 8–11  ; idem, Fernhandel, Märkte und Messen in vor- und frühhansischer Zeit, in  : Rainer Koch (ed.), Brücke zwischen den Völkern. Zur Geschichte der Frankfurter Messe, Bd. I, Frankfurt am Main 1991, p. 91. 3 See the contribution of Carsten Jahnke to this volume.

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were sufficiently high. Differentiation in time and functions is needed to understand why some of the fairs played a central role during a particular time, and then lost importance, while others continued to function, even until the present day. The range of the commodities and services, and the geographical outreach of the customers are the key factors differentiating this third category from the regional and the single-item fairs. I will try to investigate the shifts in the fortunes of fairs of this third category as they can be observed in Northern France and the Low Countries from the eleventh to the sixteenth century. The oldest and most famous of the West-European fairs came into being in the eight century under the protection of the abbey of Saint-Denis, some ten kilometres north of Paris. While the fair initially functioned as a meeting of merchants providing the aristocracy with luxury goods, the new wave of commercialization and urbanization in the tenth century made it to the market for the exchange between southern and northern goods.4 Saint-Denis was closely linked to the most prominent centre of power in Francia. In contrast, the emergence of fairs, in the second half of the eleventh century, in relatively insignificant towns in the county of Champagne can be explained by the combination of three factors  : 1. their location, along the Seine, on the major overland trade route between England, the early developed urban region of the Meuse and Scheldt, and Italy  ; 2. their proximity to Paris – Lagny, the most western of the four cities, is located at only 20 kilometres distance from Saint-Denis – and their connection through the Seine and the Marne  ; and, most of all, 3. the political will of the counts to stimulate trade and their own fiscal revenues from it. They helped to forge the local fairs into a coherent cycle of six fairs in four towns, well established by 1190, and covering the best part of the year, from January to October. It was then that merchants from Milan and Asti started to travel northwards. The decisive advantage was the guarantee to all merchants traveling to and from the fairs of personal security and property rights of their goods, not only in the county of Champagne, but from 1209 onwards also in the whole kingdom of France. Moreover, the counts empowered the wardens of the fair to outlaw defaulting merchants and their fellow citizens when the home town magistracies failed to compel them to honour their debts contracted at the fairs.5 These rules favoured the trust necessary for large-scale and long-distance operations between merchants who, as a consequence of the increase in numbers, could no longer be bonded by personal relations. Especially the Italian market leaders increasingly operated in companies with multiple agents, whose organizations couldn’t afford to put their reliability at risk through the rapid spread of information during and between the successive fairs. This development coincided markedly with similar tendencies in the English Midlands, where five centres of wool export and cloth production, together with the prominent 4 Jörg Jarnut, Die Anfänge des europäischen Messewesens, in  : Koch (ed.), Brücke zwischen den Völkern, Bd. I, p. 2. 5 Robert-Henri Bautier, Les foires de Champagne. Recherches sur une évolution historique, in  : La Foire. Recueils de la Société Jean Bodin, V, Brussels 1953, pp. 140–144.

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bishop’s city Winchester and the abbey of Westminster near London, organized, under the king’s interested protection, a cycle running from Lent to December.6 The first mentions of the functioning of fairs in some major cities of Flanders, Saint-Omer, Douai and Ghent are dated from the tenth century and related to the trade with Cologne and England, in a global east-west orientation. In the twelfth century, however, their relevance for long-distance trade became overshadowed by other centres, on a south-northwest axis. Among these, fairs were mentioned in the late eleventh century in Torhout, which was a centre of the count’s domains, and Mesen, where an abbey provided protection. Two other fairs were casually mentioned in a contemporary chronicle relating events in 1127 as being well-established institutions in the major cities of Lille and Ypres, enjoying the count’s guaranteed privilege of ‘market peace‹. The four of them were located at regular distances of 10 to 30 kilometres on the way between the cloth-producing towns in present-day northern France and south-western Flanders, and the North Sea. Moreover, it should not come as a surprise that Flemish cities were mentioned in particular as enjoying the right of staying in their own quarter of the Saint-Martin’s fair in Provins in 1137.7 The growing main port Bruges was granted a fair only in 1200, and then the five were organised as a coherent year cycle of fairs generally lasting four weeks each, from March to October. The longest distance between the locations was 70 kilometres, between Lille and Bruges. It is striking to observe that the cycles of fairs in Champagne, Flanders and England became consolidated in the same period towards the end of the twelfth century, as junctions of older local fairs. Moreover, their calendars were closely interwoven so as to allow merchants to travel from one place to the other and to strike contracts for businesses to be handled or paid on credit in a subsequent fair elsewhere. The connections between the Champagne fairs and merchants from Flanders and a few neighbouring cities became institutionalized in the ‘Hanse of the XVII cities’. This organization was named in 1230 as an association of ‘aldermen from the XVII trading cities’ meeting in one of the fairs of Champagne in order to mediate in a contested transaction between merchants from Bologna and from Cambrai. The association is regularly mentioned in documents related to the Champagne fairs. It included slightly variable numbers of cities belonging to different principalities  : ten from Flanders, some cities from the adjacent territories Vermandois and Ponthieu, three neighbouring cities belonging to the same economic area  : Tournai, Cambrai and Valenciennes, and further also Huy on the Meuse, and a few from Champagne. Four Flemish cities and Tournai were at the same time also prominent members of the ‘Flemish Hanse of London’, which was dominated by Bruges and Ypres, the two largest cities in the Flemish cycle of fairs. The number XVII did not refer to a precise number of members but was rather an indication of a large and 6 Ellen Wedemeyer Moore, The Fairs of Medieval England  : An Introductory Study, Toronto 1985  ; Franz Irsigler, Fernhandel, Märkte und Messen in vor- und frühhansischer Zeit, in  : Koch (ed.), Brücke zwischen den Völkern, Bd. I, 91. 7 Heinz Thomas, Die Champagnemessen, in  : ibidem, p. 16.

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important whole  ; their composition shows that traveling merchants organized themselves beyond territorial boundaries.8 We are particularly well-informed about the transactions at the fairs of Ypres, a large textile producing city, as recorded by the local aldermen between 1249 and 1291. From the analyses of 5505 acts, we can conclude that only 13.5 percent of them were delivered to foreign creditors. This implies that local merchants, common burghers as well as artisans, intensively frequented these fairs to strike financial deals. The local presence might still have been more articulated in reality than in the formal acts as one can assume that foreign merchants may have felt a greater need to have an official written proof of their credits than locals. The fact that 86.5 percent of the acts concerned credit operations among Flemings, many of them coming from the surrounding villages, shows that the regional population was heavily involved in the international fairs. This is even more striking in the awareness that three other fairs were held within half a day’s journey. For the fairs in Chalon, one century later, the participation of foreign visitors has been calculated as 43 percent, and near to half of all visitors travelled more than 40 kilometres.9 Absolute figures being lower and the population density sensibly lower in Burgundy as compared to Flanders, this contrast points to a much deeper impact of the fairs as a propulsive force in Flemish economic life and society. 31 percent of the Ypres credit instalments were contracted for reimbursement or delivery at a subsequent fair in Flanders. More than 6 percent of the instalments were at fairs in Champagne, and in these contracts three quarters were struck between parties of whom at least one was foreign. Most of them came from France, especially from the neighbouring north-western regions, the Atlantic coast and, notably, Cahors  ; prominent were also merchants from England, Cologne, and Lübeck. The English participation was probably reduced in this documentary series, as compared with earlier times, due to the trade boycott launched in 1270. Among the 106 Italian creditors, merchants from Florence, Lucca and Piacenza were most represented. Their instalments rarely lasted more than a year, and 80 percent of them even 6 months at most. These contracts show a great flexibility in the systems of association and companionship, in Ypres as well as in Cahors, North- and Central-Italian and North-German cities. They also demonstrate close contacts at the Flemish fairs between local retail traders and international merchants, both Flemish and foreign. Transactions connected local crafts and trade with regional and international markets. Commercial credit combined with the exchange of currencies was a common practice, acknowledged by urban magistracies. As the amount was determined in a foreign currency without mentioning the value exchanged in Ypres, the interest on the loan was not visible, and therefore immune to ecclesiastical sanctions.10   8 Louis Carolus-Barré, Les XVII villes. Une hanse vouée au grand commerce de la draperie, 1965, pp. 20–31.   9 Henri Dubois, Les foires de Chalon et le commerce dans la vallée de la Saône à la fin du moyen âge (vers 1280–vers 1430), Paris 1976, pp. 142–187. 10 Wim Blockmans, Transactions at the Fairs of Champagne and Flanders, 1249–1291, in  : Cavaciocchi (ed.), Fieri e mercati, pp. 993–1000, with reference to Carlos Wyffels (ed.), Analyses de reconnais-

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Similar junctions of fairs have been demonstrated in the region of the Lower Rhine, between Cologne, Aachen, Duisburg and Utrecht, running from Lent to Saint-Martin’s, 11 November, for shorter periods of two or three weeks.11 Three reasons can explain why this system did not have the same impact as the other three regional cycles  : 1. the distances between these towns were considerably longer, and especially Utrecht was outlying  ; 2. Utrecht lost its role as a port through silting-up of its branch of the Rhine  ; and 3. Cologne’s connections to the west and north were better served through other river branches leading to Dordrecht and the towns on the IJssel river. One of them, Deventer, effectively became the leading fair town in the later Middle Ages, connecting the Rhineland to the emerging sea-harbour Amsterdam. Moreover, Cologne, Duisburg and Aachen connected effectively through the overland route via Maastricht and a whole string of towns leading to Leuven, Mechelen, Antwerp and Flanders.12 The late John Munro has forcefully demonstrated that since 1270 for Flanders and from 1290 to 1340 on a general scale, political conflicts caused serious disruptions in trade relations overland as well as on the seas. Insecurity, instability and uncertainty raised transport and transaction costs. Even if maritime routes appeared to be less vulnerable than continental roads, the protection costs of the fleets rose sharply. Italians and Catalans constructed bigger and armed ships, outfitted with crossbowmen and, from the 1330s, with fire arms, to protect them against corsair warfare. As a consequence, Catalan freight rates for heavily armed merchant ships rose by over 25 percent between 1275 and 1330. In this period, the Genoese invented maritime insurance to reduce the risks, but the premium costs evidently also increased the general transaction costs. Even with rising costs, overseas transport remained by far less expensive than overland. Larger Genoese ships crossed the Strait of Gibraltar in 1277, and reached the North Sea harbours of Bruges and Southampton. The connection became regular in the beginning of the fourteenth century, to be followed slowly by Venetian fleets. The fairs of Champagne suffered badly from the situation, as did their English counterparts whose commercial transactions similarly underwent a precipitous decline.13 Even if no data are available with regard to the fortune of the Flemish cycle of fairs, we can safely assume that they underwent the consequences sances de dettes passées devant les échevins d’Ypres (1249–1291), Brussels 1991 and Guillaume Des Marez, La lettre de foire à Ypres au XIIIe siècle, Brussels 1900. 11 Irsigler, Fernhandel, Märkte und Messen, pp. 92f. 12 Raymond Van Uytven, La draperie brabançonne et malinoise du XIIe au XVIIe siècle  : grandeur éphémère et décadence, in  : idem, Production and Consumption in the Low Countries, 13th–16th Centuries, Aldershot 2001, pp. 85–87. 13 John Munro, Industrial Transformations in the North-West European Textile Trades, c.1290–c.1340  : Economic Progress or Economic Crisis  ? In  : Bruce M. S. Campbell (ed.), Before the Black Death. Studies in the ‘crisis’ of the Early Fourteenth Century, Manchester 1991, pp. 120–130  ; idem, The “New Institutional Economics” and the Changing Fortunes of Fairs in Medieval and Early Modern Europe  : the Textile Trades, Warfare, and Transaction Costs, in  : Cavaciocchi (ed.), Fieri e mercati, pp. 426–431.

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of the decline of their main partners and of the overland routes in general. The two minor fairs in Mesen and Torhout were reduced to local dimensions, while those in Lille and Ypres continued to function on a lower level. The harbour city Bruges and its outports Damme, Sluis and Arnemuiden (Zeeland) replaced the halting places on the overland routes and met the needs of the expanding maritime commercial systems, no longer during a few weeks per year but continuously.14 The development around 1300 of regular maritime connections between Northern ­Italy, Bruges and Southampton quickly reduced the importance of the cycles of fairs of Champagne and Flanders. Thanks to its maritime connection, Bruges grew instead as a permanent international market in which the fair period meant just an additional boost of activity. Large permanent trade halls were built around the central market square. One of the halls covered a canal, where small boats were unloaded and reloaded under a huge roof protecting the goods under all weather conditions. In the course of the fourteenth century, scores of merchants belonging to foreign nations erected their privileged establishments, such as the German Hanse, merchants from Nuremberg, several Italian and Iberian ‘nations’ or consulates. Financial services boomed, such as money exchange and banking. Exchange rates were established daily in open-air meetings of buyers and sellers of bills of exchange on a square near the residences of the foreign nations, a practice that became known as the bourse.15 The growth of the volume and regularity of long-distance trade led to the shift of the temporary to permanent markets, located in major maritime ports with the broadest array of facilities. Representatives of foreign companies, agents and factors resided there for months and even years, and some were even integrated in the local citizenry. Companies with shareholders and agents in several cities had replaced the merchant traveling with his goods. The contemporary emergence of the four yearly fairs in the port cities Antwerp and Bergen-op-Zoom demonstrates their new raison d’être  : to connect maritime trade with the continental hinterland reaching out to Frankfurt, Leipzig and beyond in Central Europe. Thanks to their location at a broad river, Bergen-op-Zoom and Antwerp were easily accessible for the larger vessels, and they were closer to the Rhineland. During the fourteenth and fifteenth centuries, the four yearly Brabant fairs functioned in these two cities as a complement to the leading permanent international market of Bruges. As later developers, the commercial and artisanal regimes were more flexible. While the old Flemish textile industry remained strictly protectionist, forbidding the import of English cloth, Antwerp and various smaller towns in Brabant, and later also in Holland, grasped the advantage, not only as centres of redistribution on the continent, but also to refine the quality of the rough textiles.16 14 Willem Brulez/Jan Craeybeckx, Les Escales au carrefour des Pays-Bas (Bruges et Anvers, 14e–16e siècles), in  : Recueils de la Société Jean Bodin, Brussels 1975, pp. 417–474. 15 James M. Murray, Bruges, Cradle of Capitalism, 1280–1390, Cambridge 2005. 16 Herman Van der Wee, The Growth of the Antwerp Market and the European Economy (Fourteenth–

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From 1530 onwards, the huge growth of the commercial activity in Antwerp in turn caused other forms of connectivity to supersede the fairs. The bourse had become an institution with a proper building hosting the financial market for commercial as well as for state credit. The access to the harbour was much easier for larger ships in Antwerp than in Bruges and Bergen-op-Zoom, and the outport of Arnemuiden, close to the mouth of the river Scheldt, facilitated the connection. A regular overland transport service from Antwerp to Frankfurt was organized by the still existing Hesse nation, using waggons on roads which had become safer than before. New trades supported the formidable expansion of Antwerp as the West-European metropolis of the sixteenth century  : various products including sugar from the Portuguese colonies, English cheap woollen kerseys and rough cloth to be finished in Antwerp and re-exported to the Mediterranean, and the preferential link with Southern German booming centres of textile (fustians) and metal industries. The combination of excellent harbour facilities, a broad range of specialized crafts and services in the city and in its productive hinterland gave Antwerp the opportunity to link the overseas economic innovations with those on the continent. Its hinterland even extended to the former sphere of influence of Bruges, to the booming centres of cheap textile says and serges productions in southwest Flanders, especially in Hondschoote.17 The Brabant fairs have been complemented and superseded by permanent institutions such as the staple markets (English wool in Calais, after 1558 in Bruges, and Castilian wool in Bruges), chartered companies such as the English Merchants Adventurers, resident factors of companies and monarchies (England and Portugal), and the beurs (stock exchange) with its own building close to the Antwerp market square. Even in this metropolis, the traditional primary needs for basic food and clothing continued to take up the better part in trade. Around 1560, textiles totalled 72 per cent of the value of all goods exported from the Netherlands  ; Netherlandish woollens counted for 21.6 percent, finished English woollens for 17.5, linens for 15.6. On the import side, Italian silk represented 21.6 percent of the total value, English woollens 17.5, Baltic grains 16.2 and Asian spices imported by the Portuguese 10.8. The great variety of other exotic products represented a relatively modest share in the total flow but added a special attraction for the re-export. Wines imported from France, the Rhineland and the Mediterranean were valued at 12.8 per cent of the total imports, sugar 1.4, German fustians 1.3 and copper 0.9. Nearly one fourth of the industrial production was exported. All in all, the value of imports in the Sixteenth Centuries), 3 vols, The Hague 1963  ; idem, The Rise and Decline of Urban Industries in Italy and in the Low Countries (Late Middle Ages–Early Modern Times), Leuven 1988  ; idem, The Western European Woollen Industries, 1500–1750, in  : David Jenkins (ed.), The Cambridge History of Western Textiles, vol. I, Cambridge 2003, pp. 397–472  ; Munro, The “New Institutional Economics”, pp. 432–444. 17 Tim Soens/Peter Stabel/Tineke Van de Walle, An Urbanised Countryside  ? A Regional Perspective on Rural Textile Production in the Flemish West-Quarter (1400–1600), in  : Remi Van Schaïk (ed.), Economies, Public Finances, and the Impact of Institutional Changes in Interregional Perspective, Turnhout 2015, pp. 35–59.

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Low Countries was per head of the population equivalent to approximatively 20 days’ salary of an unskilled labourer in Antwerp, in monetary terms four to five times as much as that in France and England in those days. These figures provide a rough indication of the extremely great importance of international trade in the Low Countries, at a time when fairs were no longer considered the main trigger of these activities.18 The cycles of fairs emerging in the eleventh to thirteenth centuries had been closely linked to overland transport, which required halting-places. This explains the strings of fairs existing in small towns, as on the road between Cologne and England, the Champagne, the Flemish and English cycles. The functions fairs fulfilled for long-distance trade included the building of trust in commercial relations over long distances and with ever growing numbers of actors involved. Trust was needed as a guarantee for the quality of goods, the reliability of commitments and credit. Commercial agreements had to be certificated by officials such as notaries or, more typically in North Europe, urban magistracies. Their authority helped to impose the observance of trading commitments, as they could impose the exclusion of untrustworthy dealers not only from a single place, but from all the connected circuits as well. Defamation was an effective sanction which quickly spread among the closely interacting partners. Thanks to the institutional guarantees of safe-conduct, protected property rights and facility of financial transactions for exchange and credit based on the trust through the regularity of the meetings, fairs offered the adequate support for the emerging commercial economy in Western Europe. After around 1300, these supporting functions became concentrated in a small number of large cities located on crossroads, especially of maritime routes with river and overland connections. The growth of the volume of trade made maritime routes most convenient for bulk cargoes such as grain, wool, wine, timber, stone and wax. Large cities had the potential to offer a permanent, large, broadly varied and specialised offer and demand of products and services, which provided a more convenient support than temporary fairs. Large quantities of goods could be stored in bond, to be available at any moment.19 Information became available more rapidly through correspondence between partners and dealers of companies resident in various commercial centres. Credit operations became gradually easier through the creation of banks where bills of exchange could be transferred on accounts of a multiplicity of business partners. In the sixteenth century, the endorsement of bills of exchange facilitated payments with even more flexibility. These institutional innovations obviously depended on a high intensity of transactions between multiple actors. On the other hand, temporary concentrations of offer and demand in fairs linking commercial circuits continued to be the most efficient institutional arrangements in land-locked regions with a lower population density and smaller trade 18 Willem Brulez, Le commerce international des Pays-Bas au XVIe siècle  : Essai d’appréciation quantitative, in  : Revue belge de philologie et d’histoire 46, 1968, pp. 1205–1221. 19 Braudel, Les jeux de l’échange, pp. 75–77.

Fairs in Northern France and the Low Countries 

volume than those attained in the Low Countries. Fairs still had a future in Geneva, Lyon, Frankfurt, Leipzig, Besançon and Piacenza, not in the least place as financial markets.

Abstract The first mentions of the functioning of fairs in some major cities of Flanders are related to the over-land trade between Northern Italy and England. The connections between the Champagne fairs and merchants from Flanders, with a few neighbouring cities, were institutionalized in the ‘Hansa of the XVII cities’. The calendar of the cycles of fairs in both regions was complementary and spread over the year, which allowed merchants to travel between those regions. Insofar as demonstrated in registrations conserved from the second half of the 13th century, transactions related local, regional and international trade. Commercial credit combined with exchange of currencies was a common practice acknowledged by urban magistracies. Repayment deadlines were frequently fixed in a subsequent fair in Champagne. The development around 1300 of regular maritime connections between Northern Italy, Bruges and Southampton quickly reduced the importance of the fairs of Champagne and Flanders. Bruges grew instead as a permanent international market in which the fair periods meant just a boost of activity. The emergence of the contemporary fairs in the port cities Antwerp and Bergen-op-Zoom demonstrates their new raison d’être  : to connect maritime trade with the continental hinterland reaching out to Frankfurt and beyond in Central Europe. From 1530 onwards, the huge growth of the commercial activity in Antwerp in turn caused other forms of connectivity to supersede the fairs. Their functions were maintained only in cities linking commercial circuits with a lower density and volume.

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Andrea Bonoldi, Trient

Italien und die Messen zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit

In der Literatur zu den Messen in der mittelalterlichen und modernen Wirtschaft Europas scheint etwas durchzuklingen, das als »italienisches Paradoxon« umschrieben werden kann  : Der italienische Raum nahm durchaus eine wichtige Funktion im Kontinentalhandel ein, seine Handelsleute waren an allen wichtigen Handelsplätzen tätig, hier wurden außerdem einige für die Ausübung der Handelstätigkeit grundlegende juristische und technische Innovationen entwickelt. Und trotzdem hat Italien keine periodisch wiederkehrenden Treffen gekannt, die mit den großen internationalen Messen wie jenen in der Champagne und in Flandern, in Genf, Lyon, Frankfurt am Main, Antwerpen, Leipzig etc. vergleichbar gewesen wären. In der Folge dieses Befundes nahm dann Italien auch in den wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Messen, die in den letzten Jahren die europäische Geschichtsschreibung mit wichtigen Ergebnissen bereichert haben, eine unterrepräsentierte Position ein1 – zumindest bis vor kurzem2. Einzige Ausnahme in diesem Zusammenhang stellen am ehesten die sogenannten Messen von Bisenzone dar  : Dies waren auf die Koordinierung des großen europäischen Wechselverkehrs spezialisierte Zusammenkünfte, die von den Genuesen dominiert wurden. Diese Spezialfälle waren allerdings insgesamt von recht begrenzter Dauer, zumindest in ihrer italienischen Variante in Piacenza, wohin sie 1579 verlegt worden sind, und in Novi, wo sie ab 1621 abgehalten wurden.3 Dennoch, von diesen abgesehen, scheinen die italienischen Messen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit für den internationalen Handel wahrlich von geringer Bedeutung gewesen zu sein. Erklärt wurde diese Schwäche in der Vergangenheit häufig damit, dass die italienischen Handelsstädte mit materieller 1 Siehe etwa den Tagungsband zur »Trentaduesima Settimana« des Istituto Datini di Prato mit wenigen, dafür aber qualitätsvollen Studien zu den italienischen Messen  : Simonetta Cavaciocchi (Hrsg.), Fiere e mercati nella integrazione delle economie europee secc. XIII–XVIII, Firenze 2001. 2 Zum Teil auf die italienischen Messen fokussiert Paola Lanaro (Hrsg.), La pratica dello scambio. Sistemi di fiere, mercanti e città in Europa, Venezia 2003. Vgl. auch dies., Economic Space and Urban Policies  : Fairs and Markets in the Italy of the Modern Age, in  : Journal of Urban History 30/1, 2003, S. 37–49. 3 Nunmehr beinahe ohne Bedeutung für den internationalen Finanzsektor werden sie daraufhin bald nach Sestri Levante, dann nach S. Margherita Ligure verlegt. Vgl. Claudio Marsilio, Four Times a Year for So Many Years. The Italian Exchange Fairs during the XVIth–XVIIth Century  : Comparing Financial Institutions, in  : Bankhistorisches Archiv – Banking and Finance in Historical Perspective 36/2, 2010, S. 151–165, sowie der Aufsatz von Claudio Marsilio in diesem Band.

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Andrea Bonoldi

Infrastruktur (Warenlager, Magazine und dergleichen) wie auch mit stabiler immaterieller Infrastruktur (technischen und juristischen Kompetenzen, Kreditsystemen) ausgestattet waren und so das ganze Jahr über die Funktion von »ständigen Messen« (»fiere permanenti«) ausgeübt und sich dementsprechend in ein internationales, durchgehend aktives Handelsnetz eingefügt hätten.4 Gino Luzzato meinte diesbezüglich  : … unsere großen Handelsstädte, vor allem Genua, Venedig, Mailand, Florenz, sind zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert zu großen ständigen Messen geworden, wo fremde Kaufmänner in den Läden, in den Magazinen, in den Warenlagern die unterschiedlichsten, seltensten und begehrtesten Waren aus vielen Teilen der Erde kaufen und sich allmorgendlich auf dem Marktplatz – beinahe möchten wir sagen auf dem Börsenplatz – mit Kaufmännern jeglicher Rasse aus allen Ländern treffen und Geschäfte abschließen konnten.5

Ebenso schrieb auch Charles Verlinden hinsichtlich der Handelstätigkeit beim venezianischen Markt von Rialto, an dem auch ausländische Handelsleute teilnahmen  : It was not a bourse because goods were bought in the market itself and no forward contracts were concluded  ; it was rather a permanent international market which did away with the need for a fair.6

Dieser Interpretation zufolge habe also die Tatsache, dass es in Italien verschiedene Handelsstädte gab, die imstande waren, das ganze Jahr über ein breites Spektrum an Diensten für die Handels- und Kredittätigkeit anzubieten, die Etablierung spezialisierter, periodisch wiederkehrender Treffen unnötig gemacht, zumindest was den großen internationalen Handel betrifft. Ein Teil des anderswo auf den großen Messen abgewickelten Verkehrs wurde in Italien somit von Marktplätzen wie in Genua, Florenz, Mailand, Venedig oder Neapel angezogen, die stabile Handelsstrukturen anbieten konnten – ein den anderen großen europäischen Handelsstädten, die sich zu anderen Zeiten profiliert hatten (wie Paris, London, Brügge, Antwerpen oder Lübeck), durchaus nicht unähnliches Phänomen. 4 Vgl. Stephan R. Epstein, Regional Fairs, Institutional Innovation, and Economic Growth in Late Medieval Europe, in  : Economic History Review XLVII, 1994, S. 459–482, hier  : S. 459f. Auch Max Weber weist auf Ähnliches hin, wenn er bezüglich der großen Handelsplätze zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert von der Profilierung der Warenbörsen als »ewige[n] Messen« spricht. Vgl. Max Weber, Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hrsg. v. Wolfgang Schluchter, Tübingen 2011, S. 332. 5 Gino Luzzatto, Storia economica d’Italia. Il Medioevo, Firenze 1963, S. 232f. 6 Charles Verlinden, Markets and Fairs, in  : Michael M. Postan/Edwin E. Rich/Edward Miller (Hrsg.), The Cambridge Economic History of Europe, vol. III  : Economic Organization and Policies in the Middle Ages, Cambridge 1963, S. 119–153, hier  : S. 152. Das Konzept von »ständigem internationalen Markt«, das hier mit Florenz in Verbindung gebracht wird, nimmt auch Bezug auf Michele Cassandro, Le fiere nell’economia europea medievale e della prima età moderna, in  : Studi Storici Luigi Simeoni 51, 2001, S. 9–27, hier  : S. 10.

Italien und die Messen 

1. Die italienischen Kaufleute auf den großen internationalen Messen Der Erfolg der italienischen Städte als Zentren des Handels verdankt sich auch der Tatsache, dass die hier aktiven Kaufleute ebenso emsig an den wichtigsten internationalen Messen anzutreffen waren und somit als wichtige Schnittstelle fungierten. Untersucht man die an einigen der wichtigsten internationalen Messen in Mittelalter und Früher Neuzeit – zunächst die Messen der Champagne, dann jene von Genf und Lyon – tätigen Handelsakteure hinsichtlich ihrer Herkunft, zeigt sich klar, wie stark die Präsenz italienischer Handelshäuser war. Die Messen der Champagne stellen den Archetypus der großen internationalen Messen Europas zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit dar. Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert waren sie die wichtigste Drehscheibe im Handel zwischen Nordwesteuropa und dem Mittelmeerraum, ein Treffpunkt für flämische, französische, katalanische, deutsche und italienische Handelsleute und symbolisierten wie kaum etwas anderes das Wiederaufblühen des Handels im Okzident. Besonders relevant waren diese Märkte in einer ersten Phase für die Handelshäuser aus Mittel- und Norditalien vor allem für den Kauf der berühmten flämischen Wolltuche. Ihrerseits verkauften die Italiener dort Luxusprodukte, Gewürze, Farbstoffe und Alaun. Allmählich gewannen diese Messen auch im Finanz- und Kreditwesen an Bedeutung.7 Italienische Handelsleute müssen ausgesprochen aktiv gewesen sein, denn bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts konnte sich Siena eines eigenen Konsulats bei den Messen in der Champagne rühmen. Diesem folgten Konsulate der großen italienischen Handelszentren wie Florenz, Genua, Lucca, Mailand und Venedig, aber auch Pistoia, Asti, Alba, Bologna, Piacenza, Parma, Orvieto und Rom. Später schlossen sich italienische Kaufleute in einer gemeinschaftlichen Organisation zusammen, der Universitas mercatorum Italiae nundinas Campaniae ac regnum Franciae frequentantium.8 Neben den Messen in der Champagne besuchten die italienischen Handelshäuser auch jene von Flandern. Zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert ist eine bemerkenswerte Präsenz von Kaufmännern aus Venedig, Genua, Florenz, Pisa und Piacenza bei den Messen in Ypern, Lille und Brügge sowie auch bei jenen kleineren von Torhout und Mesen 7 Noch immer gültig ist Robert-Henri Bautier, Les fories de Champagne. Recherches sur un évolution historique, in  : La foire – Fairs (= Recueils de la Société Jean Bodin pour l’histoire comparative des institutions, Bd. 5), Bruxelles 1953, S. 97–147  ; dem gegenüberzustellen sind die Beobachtungen von Jeremy Edwards/Shilagh Ogilvie, What Lessons for Economic Development Can We Draw from the Champagne Fairs, in  : Explorations in Economic History 49/2, 2011, S. 131–148. Siehe auch AndréÉmile Sayous, Les opérations des banquiers italiens en Italie et aux foires de Champagne pendant le XIIIe siècle, in  : Revue Historique 57, 1932, S. 1–31 und Vittorio Franchini, Gli Italiani alle Fiere della Sciampagna  : Contributo alla storia economica medievale, in  : Rivista Internazionale di Scienze Sociali e Discipline Ausiliarie 105, fasc. 401, 1926, S. 125–151 und fasc. 402, 1926, S. 219–229. Verlinden gelangt zur Feststellung  : »The real Italian fairs are those of Flanders and, in particular, of Champagne«, in  : Verlinden, Markets and Fairs, S. 152. 8 Cassandro, Le fiere, S. 20  ; Verlinden, Markets and Fairs, S. 129.

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(Messines) in Westflandern bezeugt  ; zahlenmäßig waren nur französische Handelsleute stärker präsent als die italienischen. Den Handel führten sie hier analog zu jenem an den Messen in der Champagne, mit denen die flämischen Messen übrigens zeitlich abgestimmt waren. Im 14. Jahrhundert setzte sich Brügge als wichtigster Handelsplatz durch und Vertretungen der großen italienischen Handelshäuser, vor allem florentinischer (Acciaioli, Bonaccorsi, Bardi, Peruzzi, später Alberti und Medici), aber auch der kleineren ließen sich in dieser Stadt nieder. Zur Wende des 15. zum 16. Jahrhundert gaben die Italiener Brügge allerdings wieder zugunsten Antwerpens auf, das sich als neuer Angelpunkt des europäischen Handels etablieren konnte. Hier spielten die italienischen Handelsleute zwar immer noch eine bedeutende, wenngleich keine zentrale Rolle mehr.9 Begann für die Messen in der Champagne zu Anfang des 14. Jahrhunderts aufgrund eines Zusammenspiels aus politischen und wirtschaftlichen Faktoren eine Zeit der Krise10, lässt sich für die Messen von Genf hingegen am Ende desselben Jahrhunderts ein Aufstieg verzeichnen.11 Auch hier waren die italienischen Handelsleute, vor allem jene aus Florenz, zahlreich vertreten. Dies verleitete Jean-François Bergier sogar dazu, die Genfer Messen zu Beginn des 15. Jahrhunderts regelrecht als »italienischen Markt nördlich der Alpen«12 zu bezeichnen. Dennoch verloren die Messen von Genf schon gegen Ende des Jahrhunderts durch den Aufstieg Lyons zum Hauptplatz für den großen Handel über die Alpen an Bedeutung. Der Erfolg der Handelsbestrebungen von Lyon verdankte sich der entschiedenen Unterstützung durch die französischen Souveräne, die sich dadurch zum einen allgemein die Ankurbelung des Handels, zum anderen aber auch die Etablierung eines wichtigen Finanzzentrums, das imstande sein sollte, der Staatskasse immense Ressourcen zur Verfügung zu stellen, versprachen13. Seit dem Erlass der Verordnungen zu den Messen von Ludwig XI. im Jahr 1463 konnte sich Lyon immer stärker als großer Handelsplatz für Luxusgüter, Gewürze und Wechsel sowie als Drehscheibe für die italienische Textilproduktion (Samt aus Genua und Mailand, Damast und Taft aus Lucca, edle Seidenstoffe und Wolltuche aus Florenz etc.) durchsetzen  ; gleichzeitig war dieser Marktplatz auch das Einfuhrtor nach Frankreich für italienische Stoffe, die im 16. Jahrhundert einen wichtigen Teil des Importhandels ausmachten. Zwischen 1460 und 1466 verlegten die Medici ihre   9 Peter Stabel, Italian Merchants and the Fairs in the Low Countries (12th–16th Centuries), in  : Lanaro, La pratica dello scambio, S. 131–159  ; Wim Blockmans, Transactions at the Fairs of Champagne and Flanders 1249–1291, in  : Cavaciocchi, Fiere e mercati, S. 993–1000. 10 Siehe diesbezüglich die anregenden Beobachtungen in John H. Munro, The»New Institutional Economics« and the Changing Fortunes of Fairs in Medieval and Early Modern Europe  : the Textile Trades, Warfare and Transaction Costs, in  : Cavaciocchi, Fiere e mercati, S. 405–451. Munro neigt dazu, dem Hundertjährigen Krieg eine zentrale Rolle im Niedergang der Messen in der Champagne zuzuschreiben. 11 Zu den Genfer Messen immer noch richtungsweisend Jean-François Bergier, Genève et l’économie européenne de la Renaissance, Paris 1963. 12 Ebd., S. 239. Vgl. Cassandro, Le fiere, S. 24. 13 Ebd., S. 25.

Italien und die Messen 

Filiale von Genf hierher  ; so waren es hauptsächlich italienische Kaufleute, die zum Erfolg dieses Handelsplatzes beitrugen  : Noch 1571 waren in den Steuerlisten von den 186 aufgelisteten, in der Stadt anwesenden fremden Kaufleuten 154 Italiener, überwiegend aus Florenz, gefolgt von jenen aus Genua, Lucca und Mailand14. Wenngleich im 16. Jahrhundert zahlreiche italienische Handelsleute weiterhin diese Messetermine besuchten, so kann dennoch festgehalten werden, dass sich nun ein bedeutender Teil des italienischen Handelsverkehrs neu ausrichtete und sich direkt dem deutschen und dann dem polnischen Markt zuwandte. In diesem Zusammenhang lässt sich eine – wenngleich inhomogene – Steigerung der Präsenz italienischer Handelshäuser in den deutschen Handelsstädten und in jenen der Messen (Frankfurt am Main, Nördlingen, Bozen), die einen Austauschknotenpunkt für diese Räume darstellten, beobachten. Bis zum späten 15. Jahrhundert waren italienische Handelsakteure auf den deutschen Märkten nur äußerst sporadisch präsent gewesen  : Die Messen im Rheinland scheinen in einer ersten Phase nicht ausreichend Geschäftsgelegenheiten garantiert haben zu können, um attraktiv für italienische Kaufleute zu sein, denen die deutschen Märkte bislang durch ihre Beziehungen mit hansischen und norddeutschen Kaufleuten, die ebenso die Messen in der Champagne, Genf und Lyon oder die Marktplätze von Brügge und Venedig besuchten, zugänglich waren15. Dies scheint sich allerdings in den 1470er Jahren zu ändern, als Nürnberg für die italienischen Handelsleute immer reizvoller wurde  : Sie waren einerseits daran interessiert, die durch die Schließung der Florentiner Banken in Köln, Basel und Lübeck zwischen 1449 und 1470 hinterlassene Lücke im Finanzkreislauf zu füllen  ; andererseits stuften sie auch die zentrale Lage der Städte der Messen von Frankfurt am Main und Leipzig als für den Handelsverkehr günstig ein. Nach Benevenuto di Daddo Aldobrandi, der seit 1471 in Nürnberg bezeugt ist, ließ sich auch die 1483 von Lorenzo di Giovanni Villani, Tommaso di Gino Capponi und anderen gegründete Kompanie hier nieder. Im darauffolgenden Jahrhundert folgte eine zahlenmäßig starke Handelsgruppe, die auch auf den Messen in Leipzig und Frankfurt am Main aktiv war und Familien wie die Accialioli, die Antinori, die Saliti, die Ulivieri und die Torrigiani miteinschloss. Kurzum, als Leipzig gegen Ende des 15. Jahrhunderts seine Position als Handelszentrum mit Großen Jahrmärkten festigen konnte, das die Türen zu einem wirtschaftlich interessanten Raum wie Osteuropa öffnete, intensivierten die italienischen Handelsakteure ihre Präsenz im »Handelsquadrat«, dessen Eckpunkte Nürnberg, Frankfurt am Main, Leipzig und Krakau darstellten.16 14 Michele Cassandro, Le fiere di Lione e gli uomini d’affari italiani nel Cinquecento, Firenze 1979  ; Bruno Dini, I mercanti banchieri italiani e le fiere di Ginevra e di Lione, in  : Francesco Salvestrini (Hrsg.), L’Italia alla fine del Medioevo. I caratteri originali nel quadro europeo, Firenze 2006, Bd. I, S. 433–456. 15 Siehe Kurt Weissen, I mercanti italiani e le fiere in Europa centrale alla fine del medioevo e agli inizi dell’età moderna, in  : Lanaro, La pratica dello scambio, S. 161–176, hier  : S. 164–166. 16 Ebd., S. 168–176. Vgl auch Kurt Weissen, I mercanti toscani alle fiere tedesche nel tardo medioevo, in  : Cavachiocchi, Fiere e mercati, S. 887–908.

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Neben der Beachtung der Präsenz italienischer Handelsleute bei den Messen ist es also auch erforderlich, auf die Grundcharakteristik der Strategien der italienischen Handelshäuser einzugehen, die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts im Aufbau eines Netzes von stabilen Filialen auf den wichtigsten Handelsplätzen – Paris, Brügge, London, und später Antwerpen, Nürnberg, Krakau etc. – bestand  : Mit diesem Modus Operandi konnten die Transaktionskosten reduziert und somit ein deutlicher Wettbewerbsvorteil auf dem Warenmarkt, vor allem aber auf dem Finanzmarkt erzielt werden.17 Die starke Position, die die italienischen Handelsleute im europäischen Markt innehatten, sollte jedoch in der Frühen Neuzeit Einbußen erfahren in Folge eines komplexen Zusammenspiels unterschiedlicher Faktoren  : durch die Verlegung der wichtigsten Handelsachsen, durch die ungünstige politische Situation auf der Halbinsel und durch die ausgebliebenen Veränderungen in der Manufakturproduktion, insbesondere im Textilbereich.18 Im 16. Jahrhundert änderte sich die geographische Verteilung der italienischen Kaufleute auf den europäischen Märkten, vor allem hinsichtlich des Verkaufs jener italienischen Manufakturprodukte, die trotz anwachsender Schwierigkeiten weiterhin einen guten Absatz auf dem internationalen Markt erzielen konnten, wie etwa Seidenartikel. Die Konkurrenz der neuen französischen Produktion hat die Italiener zu einer schrittweisen Verlagerung der eigenen Handelsachsen Richtung Osten gedrängt  : Zunächst gewann der deutsche Markt, bald der polnische, dann auch der baltische, skandinavische und letztlich gar der russische Markt an Bedeutung – so gelangten Seidenprodukte aus Lucca sogar bis zum Markt von Archangelsk.19 17 Raimond de Roover, The Organization of Trade, in  : Postan/Rich/Miller (Hrsg.), The Cambridge Economic History of Europe, vol. III, S. 42–118, hier  : S. 42, 74–76. Die Literatur über die italienischen Handelsnetzwerke ist ausgesprochen umfangreich. Unter den jüngsten Studien sei verwiesen auf Francesco Guidi-Bruscoli, Creating Networks through Languages  : Italian Merchants in Late Medieval and Early Modern Europe, in  : Andrea Caracausi/Christoph Jeggle (Hrsg.), Commercial Networks and European Cities 1400–1800, London 2014, S. 65–80 sowie auf Heinrich Lang, Networks and Merchant Diasporas  : Florentine Bankers in Lyon and Antwerp in the Sixteenth Century, in  : ebd., S. 107–120. 18 Die Entwicklung der italienischen Wirtschaft zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit wird in der Geschichtsschreibung heftig diskutiert. Vgl. Stephan R. Epstein, I caratteri originali. L’economia, in  : Salvestrini (Hrsg.), L’Italia alla fine del Medioevo, S. 381–431  ; Paolo Malanima, La fine del primato. Crisi e riconversione nell’Italia del Seicento, Milano 1998 und ders., When Did England Overtake Italy  ? Medieval and Early Modern Divergence in Prices and Wages, in  : European Review of Economic History 17, 2013, S. 45–70. Für Venedig und dem Raum Venetien äußerst nützlich hingegen  : Paola Lanaro, At the Centre of the Old World. Reinterpreting Venetian Economic History, in  : dies. (Hrsg.), At the Centre of the Old World  : Trade and Manufacturing in Venice and the Venetian Mainland (1400–1800), Toronto 2006, S. 19–69. 19 Zu dieser Dynamik siehe allgemein Rita Mazzei, Itinera mercatorum. Circolazione di uomini e beni nell’Europa centro-orientale 1550–1650, Lucca 1999. Tatsächlich ist die italienische Handelspräsenz im baltischen, skandinavischen und russischen Raum vorwiegend eine punktuelle, wenngleich mit einigen herausstechenden Erfahrungen. Vgl. zum Beispiel Edoardo Demo, Opening »New Business Routes« to Beat the Competition. The Merchants of the Venetian Mainland in Sixteenth-Century Eu-

Italien und die Messen 

Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Lyon weiterhin ein wichtiger Markt für den Export der italienischen Seidenindustrie blieb, wenngleich sich die Protagonisten änderten, wie sich in der Entwicklung der Kaufleute und der Seidenprodukte aus Vicenza im Laufe des 16. Jahrhunderts zeigt.20 Der Hinweis auf mit adäquaten Infrastrukturen ausgestattete Handelsstädte, die sogenannte »ständige Messen« ermöglichten, reicht also nicht aus, um das Fehlen von internationalen Messen auf italienischem Boden ausreichend zu erklären. Miteinbezogen werden muss auch die Betrachtung des breiten, über die wichtigsten, ständigen und periodischen Märkte Europas aufgefächerten Netzwerkes, das eine solide Einbindung in den internationalen Handelskreislauf ermöglichte und so zum einen die Versorgung mit ausländischen Waren sicherte, zum anderen aber auch Absatzmärkte für die eigenen Produktionen, für den Zwischenhandel der Produkte aus dem Osten und für Finanzaktivitäten garantierte.

2. Regionale Messen und Marktintegration auf der italienischen Halbinsel Wenngleich es also in Italien keine großen internationalen Messen gab, wurden die großen internationalen Messen dennoch eifrig von den italienischen Handelstreibenden besucht, die somit als Schnittstelle zu den Handelskreisläufen der Halbinsel fungierten. Um die Stärken des italienischen Manufaktur- und Handelssystems in Spätmittelalter und Früher Neuzeit angemessen zu erfassen, reicht der Verweis allein auf diese Verbindung von wichtigen Handelsstädten mit großen internationalen Handelsplätzen nicht aus. Neben Handel und Finanz kommt als wichtiges Element vor allem ab dem 14. Jahrhundert die umfangreiche Produktion und Ausfuhr von Woll- und Seidenwaren hinzu, die bis ins 17. Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil der italienischen Wirtschaft, vor allem jener Nordund Mittelitaliens, war.21 In diesem Zusammenhang muss auch die Rolle der Handelskreisläufe auf der Halbinsel betont werden, welche sowohl die Versorgung mit Rohstoffen, Halbfabrikaten, Lebensmitteln und Vieh als auch die Verteilung von Fertigprodukten garantierten. Dies geschah auf einem äußerst diversifiziertem Gebiet, wo im Vergleich mit den großen Zentren die den Handel forcierenden Infrastrukturen materieller wie immaterieller Art häufig nur schwach ausgebildet waren und wo aus diesem Grund die periodisch abgehaltenen Märkte und die Messen die vorrangige Form des Austausches darstellten. rope, in  : Andrea Bonoldi/Markus A. Denzel/Andrea Leonardi/Cinzia Lorandini (Hrsg.), Merchants in Times of Crises (16th to mid-19th Century), Stuttgart 2015, S. 37–49 und Rita Mazzei, Sete italiane nella Russia della seconda metà del Seicento. La produzione lucchese alle fiere di Arcangelo, in  : Storia economica XIII/2, 2015, S. 473–515. 20 Vgl. Edoardo Demo, Sete e mercanti vicentini alle fiere di Lione nel XVI secolo, in  : Lanaro (Hrsg.), La pratica dello scambio, S. 177–199. 21 Für einen Überblick siehe Paolo Malanima, La fine del primato. Crisi e riconversione nell’Italia del Seicento, Milano 1998  ; ders., L’economia italiana. Dalla crescita medievale alla crescita contemporanea, Bologna 2002 sowie Epstein, I caratteri originali.

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Das italienische Produktions- und Handelssystem vollzog sich also hauptsächlich auf zwei Ebenen. Auf einer ersten findet man die großen Handelsstädte, welche die wichtigsten Handelskompanien und Manufakturen beherbergten und das Zentrum eines sich zum Teil über ganz Europa und den Osten erstreckenden Handels- und Finanznetzes bildeten. Auf einer darunterliegenden Ebene – aber deshalb nicht von geringerer Bedeutung – bestand ein Geflecht von Handelsbeziehungen zwischen verschiedenen Räumen in Italien, für dessen Koordinierung die regionalen Messen eine wichtige Rolle spielten. Übrigens waren die städtischen ständigen Märkte durchaus nicht immer imstande, die Messen zu ersetzen, da letztere bestimmte Eigenschaften aufwiesen, die es ihnen ermöglichten, diversifizierte geografische Räume abzudecken sowie den Handelstreibenden andere Dienste anzubieten, als eine Stadt es hätte tun können. Die Gründe dafür sind verschiedene  : Für Epstein etwa – der seine Aufmerksamkeit auf die regionalen Messen lenkt – waren Messen in nicht dezidiert urbanen Räumen imstande, mit größerer Flexibilität auf Veränderungen in der Nachfrage des Marktes zu reagieren, abgesehen davon, dass sie auch niedrigere Verwaltungs-, Infrastruktur- und Steuerkosten garantieren konnten.22 Die periodischen Zusammentreffen spezialisierter Kaufleute unterschiedlicher Herkunft mit besonderen Bedürfnissen an Informationen sowie an Garantien für Vertragsabschlüsse und Kreditleistungen waren nicht immer vereinbar mit den herkömmlichen Handelsinstitutionen der Stadt, die häufig einer anderen Logik folgten.23 Um einen reibungslosen Ablauf gewährleisten zu können, musste den fremden Händlern eine ausreichend abgesicherte rechtliche Position gegenüber den ansonsten durch das lokale Norm- und Machtsystem bevorteilten Einwohnern garantiert werden können. Kurzum, zu stark ausgebildete asymmetrische Verhältnisse zwischen lokalen und fremden Handelsleuten in einem Kontext, in dem Normen und Gesetze oft stark lokal bedingt waren, konnten sich als Hindernis für die Entwicklung des Handels erweisen.24 Nicht alle städtischen Räume konnten allen Gruppen ausreichende Freiheiten und Garantien bieten. Venedig stellt unter diesem Gesichtspunkt vielleicht einen Sonderfall im italienischen Kontext dar, da es den in der Stadt tätigen Fremden besonders wohlwollend entgegen kam.25 Doch auch in der Lagunenstadt waren die Phasen und 22 Stephan R. Epstein, Freedom and Growth. The Rise of States and Markets in Europe, 1300–1750, London/New York 2000, S. 83. 23 Vgl diesbezüglich Donatella Calabi/Stephen Turk Christensen (Hrsg.), Cities and Cultural Exchange in Europe  : 1400–1700, Cambridge 2007 sowie Francesca Trivellato, The Familiarity of Strangers. The Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period, New Haven/ London 2009. 24 »In noch größerer Hinsicht sind das Aufkommen und Blühen der Messen anderswo [im Vergleich zu Venedig] bedingt von der völligen Inferiorität, in welcher sich normalerweise die Fremden und ihre Waren befinden, wegen der Gefahr von Beschlagnahme oder Diebstahl, der sie ausgesetzt sind, wegen der äußerst belastenden Zölle, die sie im Gegensatz zu den einheimischen Händlern begleichen müssen, wegen Schwierigkeiten jeglicher Art, auf die sie in der Ausübung ihrer Tätigkeit stoßen.« Gino Luzzatto, Vi furono fiere a Venezia  ?, in  : La foire – Fairs, S. 267–279, hier  : S. 275. 25 Ebd., S. 276f.

Italien und die Messen 

Formen der Anerkennung der Stellung der Fremden im Finanz- und Handelsbereich nicht immer gleich.26 Obschon es also ohne weiteres stimmen mag, dass die großen italienischen Städte Handelsleute und Waren aus einem breiten Umkreis anzogen, zeigt sich dennoch klar, dass dies auch komplementär zu den regionalen und lokalen Messen geschah.27 Zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit können wir in Italien einige Messesysteme ausmachen, die von einem solchen Phänomen zeugen  ; diesbezüglich ist zunächst grundlegend der Tatsache Rechnung zu tragen, dass im italienischen Sprachgebrauch der Begriff »fiera« sowohl ein großes internationales Handelstreffen als auch eine kleine, jährlich stattfindende, zumeist mit dem Fest des Ortspatrons verbundene Zusammenkunft bezeichnet. Im Italienischen gibt es also die im Deutschen getroffene begriffliche Unterscheidung zwischen »Jahrmarkt« und »Messe« nicht.28 Im vorliegenden Beitrag wird also versucht, insbesondere jenen Messekreisläufen nachzugehen, die den lokalen Handel auch durch die Anwesenheit ortsfremder Handelsleute in einen weiter ausgreifenden Handelsradius integrierten.

3. Messen in Süd- und Mittelitalien  : Levante und Ponente Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Literatur sind nicht eindeutig  : Zum einen gibt es geographische Räume, in denen sich die regionalen Messen klar komplementär zu weiter ausgedehnten Handelskreisläufen verhalten  ; daneben gibt es aber auch solche, bei denen diese Charakteristik nicht dermaßen augenscheinlich ist. Ein interessantes Untersuchungsobjekt stellt Süditalien unter der Krone von Aragon dar, das Alberto Grohmann eingehend erforscht hat. Hier scheint die Messeaktivität tatsächlich zum einen lokale Bedürfnisse befriedigt, zum anderen aber auch Beziehungen zu weiter entfernten Märkten mittels Händlern aus Florenz, Genua, Venedig, Katalonien etc. gestiftet zu haben.29 Es 26 Von relativ hohen Einstiegshürden für fremde Handelsleute in Venedig im Mittelalter spricht jedoch Yadira Gonzalez de Lara, The Secret of Venetian Success  : a Public-Order, Reputation-Based Institution, in  : European Review of Economic History 12, 2008, S. 247–285, hier  : S. 265–267. Für die Frühe Neuzeit definiert Andrea Zannini Venedig als eine »offene Stadt«  : Andrea Zannini, Venezia città aperta  : gli stranieri e la Serenissima XIV–XVIII sec., Venezia 2009. Hinsichtlich der rechtlichen Behandlung betont Maria Fusaro die Flexibilität der venezianischen Autoritäten gegenüber Fremden, insbesondere wenn es sich um Kaufleute handelte  : vgl. Maria Fusaro, Politics of Justice/Politics of Trade  : Foreign Merchants and the Administration of Justice from the Records of Venice’s Giudici del Forestier, in  : Mélanges de l’École française de Rome – Italie et Méditerranée modernes et contemporaines 126-1, 2014, http://mefrim.revues.org/1665, letzter Zugriff am 11. März 2015. 27 Epstein, Freedom and Growth, S. 75. 28 In Bezug auf Süditalien schrieb Alberto Grohmann  : »In den Akten findet man mit derselben Häufigkeit fiera, feria, nundinae, mercatum, foro, paniere. Und manchmal werden diese unterschiedlichen Begriffe in ein und demselben Dokument für die Bezeichnung desselben Handelstreffens verwendet.« Alberto Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli in età aragonese, Napoli 1969, S. 27. 29 Ebd.

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verbietet sich von selbst, Süditalien als eine einheitliche Größe zu behandeln  : hier standen Gebiete mit einer höheren Marktintegration (die adriatische Küste von Apulien und den Abruzzen, die Küsten Kampaniens) solchen gegenüber, in denen die Handelstätigkeit deutlich geringer entwickelt war. Einen Sonderfall stellt dann Sizilien dar – in der Studie von Grohmann nicht behandelt –, wo Marktintegration und Arbeitsspezialisierung relativ stark ausgebildet waren.30 In zumindest einigen Gebieten Süditaliens scheinen die ineinandergreifenden Beziehungen mit den Handels- und Manufakturzentren in Nord- und Mittelitalien ausgesprochen solide gewesen zu sein. Grohmann konzentriert sich in seiner Untersuchung auf die Zeit der Aragonesen (zwischen den vierziger Jahren des 15. und dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts). Er weist dabei der Regierung auch den politischen Willen nach, die Wirtschaft des Königreichs Neapel mittels einer effizienteren Handelstätigkeit fördern zu wollen  ; dies sollte auch durch die Ankurbelung der Messen erreicht werden31. In der betrachteten Zeitspanne fanden 230 Treffen statt gegenüber den 108 Zusammenkünften in der vorangegangenen Anjou-Zeit. Sie waren über das Jahr verteilt und stimmten größtenteils mit den Produktionszyklen in Landwirtschaft und in der Wolle- und Seidenherstellung überein  : Sie fanden zwischen März und November mit den Höhepunkten in den Monaten Mai und August statt. Die wichtigsten Treffen in den verschiedenen Gebieten des Königreichs (Abruzzen, Kampanien, Apulien, Basilicata und Kalabrien) wurden in Lanciano, L’Aquila, Salerno, Benevento, Trani, Barletta, Bitonto, Bari, Foggia, Lecce, Lucera, Tarent, Matera, Cosenza, Catanzaro und in Crotone abgehalten.32 Bereits Friedrich II. hat 1234 – vielleicht nach dem Vorbild der Messen der Champagne – versucht, einen Zyklus von sieben Zusammenkünften (generales nundinae) einzuführen, der das kontinentale Gebiet seines Reiches über einen jährlichen Zeitraum von April bis November abdecken hätte sollen. Miteinbezogen seien dabei gewesen Sulmona (11. April–8. Mai), Capua (22. Mai–8. Juni), Lucera (24. Juni–8 Juli), Bari (22. Juli–10. August), Tarent (24. August–8. September), Cosenza (21. September–9. Oktober) und letztendlich Reggio Calabria (18. Oktober–1. November). Diese Initiative konnte allerdings nicht auf einer stabilen wirtschaftlichen Basis aufbauen, so dass sich diese Messen damals nicht behaupten konnten.33 30 Stephen R. Epstein, An Island for Itself. Economic Development and Social Change in Late Medieval Sicily, Cambridge 1992. 31 Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli, S. 261–272. Epstein hingegen meint, dass, auch wenn eine solche These für die Politik von Ludwig XI. plausibel gewesen sein mag, um in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Messen von Lyon gegenüber jenen von Genf zu stärken, es jedoch wenig wahrscheinlich ist, dass dies auch für die kleinen und mittleren regionalen Messen gelten würde. Trotzdem dürfe die Rolle des Staates nicht unterbewertet werden  : »Late medieval states were neither enlightened despots nor belated notaries of economic change. They were the willing suppliers of legal, military and fiscal support that enabled complex, regional and superregional fair networks to develop and survive.« Epstein, Freedom and Growth, S. 81f. 32 Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli, S. 59–61, 64–78. 33 Ebd., S. 61f. Zum Vorhaben Friedrichs II., in denselben Jahren der Etablierung der Messen die Handelspraktiken zu verbessern und vor allem den Export von Getreideüberschuss des Königreiches zu fördern, siehe Mario Del Treppo, Prospettive mediterranee della politica economica di Federico II, in  :

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Zu den handelsmäßig aktivsten Gebieten in Süditalien gehörten zweifelsohne Apulien und die Abruzzen, wo sich die Verbindungen mit den Märkten Norditaliens offen zeigen. Apulien unterhielt starke Beziehungen zur Republik Venedig  : Im 13. und besonders im 14. Jahrhundert hat Venedig die Handelstätigkeit mit dem Ziel verstärkt, sich die Versorgung mit Grundlebensmitteln wie Getreide, Öl, Wein, aber auch mit anderen Rohstoffen – wie etwa unverarbeiteter Wolle – zu sichern, indem sie dafür ihrerseits Luxusgüter und Stoffe anboten. Apulien war in gewissem Maße auch das Tor des »Venezianischen Golfes« (als welches bisher die Adria galt) und somit ein wichtiger Stützpunkt für den Handel mit dem östlichen Mittelmeer. Zeugnis vom verstärkten Interesse Venedigs an diesem Raum legt die Intensivierung der diplomatischen Beziehungen mit den Staufern im Laufe des 13. Jahrhunderts ab, die eine Reihe von Zugeständnissen, wie die Errichtung eines Venezianischen Generalkonsulats in Trani, zur Folge hatte.34 Auf diese Weise kamen die Venezianer im Lauf der Zeit in den Genuss etlicher Vorteile, die nicht unwesentlich zu ihrer Jahrhunderte andauernden Rolle als Protagonisten im Handel beitrugen.35 Gerade die Messen von Trani zählten neben jenen von Barletta zu den wichtigsten Handelstreffen  : Im 15. Jahrhundert konnten sie fünf jährliche Termine und die Präsenz von Handelsleuten aus Venedig, aber auch aus Florenz, der Lombardei, aus Lucca, Palermo, Katalonien, Dalmatien und Verona vorweisen36. Wie auch bei anderen wichtigen Messen in Süditalien waren hier die größten Plätze in einen Kreislauf integriert, der kleinere Märkte miteinbezog und den Umlauf von Produkten – in Abwesenheit einer stabilen Infrastruktur – flüssiger gestaltete.37 Während im Laufe des 16. Jahrhunderts ein allgemeiner Rückgang der Messen im Königreich Neapel zugunsten einer stärker lokal ausgerichteten Dimension zu beobachten ist38, dauerten die privilegierten Beziehungen Venedigs mit den Messen von Apulien und Abruzzen weiter an. Venedig ergriff mehrmals zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert im Kontext wachsender Schwierigkeiten handelspolitische Maßnahmen, die darauf zielten, den Transit der Waren aus Nord- und Mitteleuropa sowie die Woll- und Eisenprodukte aus den eigenen Gebieten um Verona, Bergamo und Brescia in Richtung der Messen von »Sottovento« (wie die Venezianer das italienische Adriaufer nannten) zu lenken.39 Arnold Esch/Norbert Kamp (Hrsg.), Friedrich II. Tagung des Deutschen Historischen Instituts in Rom im Gedenkjahr 1994, Tübingen 1996, S. 316–338. 34 Nicola Nicolini, Il consolato generale veneto nel Regno di Napoli (1257–1495), in  : Archivio storico per le province napoletane LII, 1927, S. 59–135  ; Massimo Costantini, »Sottovento«  : i traffici veneziani con la sponda occidentale del Medio-Basso Adriatico, in particolare con l’Abruzzo, in  : ders., Una Repubblica nata sul mare. Navigazione e commercio a Venezia, Venezia 2006, S. 148–211. 35 Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli, S. 128–132, 148–154, 283–287. 36 Nach Grohmann scheinen die Veroneser während der Messe im Mai geradezu eine Kolonie konstituiert zu haben. Ebd., S. 130. 37 Ebd., S. 60f., 140f. 38 Alberto Grohmann, Il tramonto di un’istituzione  : le fiere dell’Italia meridionale in età moderna, in  : Lanaro (Hrsg.), La pratica dello scambio, S. 81–109. 39 Costantini, »Sottovento«  ; Paola Lanaro, I mercanti nella Repubblica Veneta. Economie cittadine e stato territoriale (secoli XV–XVIII), Venezia 1999.

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Weiterhin gab es auch die Messen von Lanciano mit einer nicht unähnlichen Funktion. Zwischen dem Ende des 13. und der Mitte des 15. Jahrhunderts hatten zwar die Messen von L’Aquila eine vorherrschende Position inne, zum einen dank der Lage an einem der wichtigsten Landwege, zum anderen auch dank seiner Rolle im Export von Safran, der auf dem deutschen Markt sehr begehrt war, sodass die Stadt zwischen dem 15. und dem 16. Jahrhundert von wichtigen deutschen Handelshäusern aus Augsburg, Nürnberg und Ulm (wie den Paumgartnern, den Welsern, den Weiß, den Tuchern, den Imhof ) besucht war.40 Doch scheint sich bald darauf Lanciano durchgesetzt und eine wachsende Rolle im Fernhandel eingenommen zu haben, wie sich auch daran zeigt, dass sich dieser Handelsplatz als einer der wenigen Süditaliens in den internationalen bargeldlosen Zahlungsverkehr integrieren konnte.41 Lanciano nahm ab dem 15. Jahrhundert also eine zentrale Position im Handelssystem der südlichen Adria ein, sodass seine Messetermine unter der Krone von Aragon tout court »fiera di Levante« bezeichnet wurden, während jene des auf tyrrhenischer Seite dominierenden Salerno »fiera di Ponente« genannt wurden.42 Lanciano zeichnet sich durch seine günstige Lage aus  : zum einen aufgrund seiner Nähe zu den Landwegen, die die Stadt mit Apulien, Neapel, Rom und Bologna verbanden, zum anderen ist es auch nicht weit vom Meer entfernt, wo es zunächst durch die Häfen von Ortona, dann durch den kleinen Landeplatz von San Vito in die adriatischen Handelsrouten eingebunden war. Hier lassen sich zwei Hauptrichtungen ausmachen, in denen die Produkte der Küstengebiete und die von weiter her stammenden Waren zusammenlaufen. Zum einen die Nord-Süd-Route, die – wie bereits erwähnt – vor allem Venezianische Handelsleute als Hauptakteure kannte, wobei Venedig Luxusgüter aus dem Orient, aber auch aus Nord- und Mitteleuropa sowie eigene Manufakturprodukte eingefahren und demgegenüber Wein, Öl, Getreide, Rohwolle und Rohseide, Mandeln und – nicht zu vergessen – die Güter aus dem südlichen und östlichen Mittelmeer ausgefahren hat. Die zweite Route hingegen lief von Ost nach West, die vor allem von Händlern vom anderen Adriaufer, insbesondere aus Dubrovnik, die Leder, Wachs, Käse, Teppiche und Wolle anboten, bedient wurde.43 In diesen Kontext kann dann auch das zwischen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts geschlossene Abkommen zwischen Florenz, Ancona und Dubrovnik eingeordnet werden, mit welchem in antivenezianischer Stoßrichtung diese Handelsachse gefördert werden sollte.44 40 Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli, S. 290–292  ; Mark Häberlein/Johannes Burkhardt (Hrsg.), Die Welser. Neue Forschungen zur Geschichte und Kultur des oberdeutschen Handelshauses, Berlin 2002, S. 135f., 217  ; Karl Otto Müller, Welthandelsbräuche (1480–1540), Stuttgart/Berlin 1934, S. 44–47 und Kap. I.20. 41 Corrado Marciani, Lettres de change aux foires de Lanciano au XVIe siècle, Paris 1962. 42 Einen überzeugenden Überblick zur Entwicklung der Messe von Lanciano bietet Alessandra Bulgarelli Lukacs, La fiera di Lanciano, in  : dies., L’economia ai confini del Regno. Mercato, territorio insediamento in Abruzzo (XV–XIX secolo), Lanciano 2006, S. 193–217. 43 Ebd., S. 204–207. 44 Marco Moroni, Mercanti e fiere tra le due sponde dell’Adriatico nel basso medioevo e in età moderna, in  : Lanaro (Hrsg.), La pratica dello scambio, S. 53–79, hier  : S. 63f., 67.

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Während also im 14. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts die Messen von Lanciano vor allem einen Treffpunkt für die unterschiedlichen Produktionsgebiete der Abruzzen und Apuliens (von den Hügeln über die Berge bis zur Ebene) darstellten, wobei das Vieh eine zentrale Rolle einnahm45, etablierte sich zwischen dem späten 15. und dem 16. Jahrhundert hingegen ein auf ein breit gefächertes Warenspektrum ausgerichteter Handel. Für das Jahr 1547 verzeichnen die Zollregister für die beiden Hauptmessen im Mai und August die Präsenz von nur sechs bzw. fünf Händlern aus dem Königreich Neapel, aber von gut 274 bzw. 204 aus dem restlichen Italien (überwiegend aus Bergamo, Venedig und Verona) und 31 bzw. 39 von Gebieten außerhalb Italiens  : 21 bzw. 27 von der östlichen Adriaküste (Šibenik, Kotor, Dubrovnik), zwei bzw. drei Franzosen, zwei bzw. drei Flamen, drei bzw. zwei Deutsche, einer von der Levante, einer aus Korfu.46 Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts und dramatisch dann im Laufe des 17. Jahrhunderts geht auch Lanciano als Handelszentrum nieder  : Dies spiegelt zum einen das Erstarken der Konkurrenz in den Handelszentren an der Adria (Ancona, Recanati, Senigallia, Split), aber auch das allgemeine wirtschaftliche Abschwächen auf der gesamten italienischen Halbinsel wider. Die Daten zum Verkehr in den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts zeigen, wie stark der Rückgang war  : 1661 befanden sich auf der Messe 14 Kaufleute aus dem Königreich Neapel, nur noch neun aus dem restlichen Italien und ein einziger aus dem Ausland.47 Weiter nördlich an der adriatischen Küste befanden sich weitere Zentren, die sich in die oben beschriebenen Handelskreisläufe einbinden konnten. In den Marken und in der Romagna kamen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einige Messen auf, die vor allem als Antwort auf die Schwierigkeiten entstanden, in denen sich der Handel aufgrund einer demografischen Krise – ausgelöst durch die Pest – wiederfand. Hier sind die Messen von San Giuliano in Rimini, die 1351 eingesetzt wurden, zu nennen, ebenso jene von Maria Himmelfahrt (l’Assunta) in Fermo, deren Gründungsakt auf das Jahr 1358 zurückgeht, und seit den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts auch die Messen von Recanati, die 1421 von Papst Martin V. offiziell anerkannt wurden.48 Das 15. Jahrhunderts stand 45 Die Zahlen dazu sind ziemlich eindeutig  : Für eine Auswahl von Messen zwischen 1447 und 1470 können im Durchschnitt 7.740 gehandelte Tiere und 285 Verträge ausgemacht werden. In den MaiMessen der Jahre 1447 und 1454 erreichte man Spitzen von 12.210 bzw. 12.609 Tieren, vor allem kastrierte Schweine und Rinder, aber auch Pferde. Grohmann, Le fiere nel Regno di Napoli, S. 118–126. 46 Bulgarelli Lukacs, La fiera di Lanciano, S. 201f. Lanciano war auch ein Markt für den Absatz des von deutschen Händlern verkauften Kupfers (Müller, Welthandelsbräuche, Kap. I.73). 47 Ebd., S. 211f. In diesem Kontext ist die Rolle der Kaufleute von Bergamo interessant, die für lange Zeit fortfuhren, die Abruzzen aufzusuchen und sowohl in ihrer Heimat produzierte Wolltücher als auch ein großes Spektrum europäischer Güter zu importieren. Vgl. Alessandra Bulgarelli Lukacs, I mercanti di Bergamo lungo le coste dell’Adriatico meridionale nella difficile congiuntura del Seicento, in  : dies., L’economia ai confini, S. 329–355. 48 Moroni, Mercanti e fiere, S. 54f. Über Recanati siehe Luodovico Zdekauer, Per una storia delle fiere di Recanati (1384–1473), in  : Atti e memorie della R. Deputazione di storia patria per le provincie delle Marche, s. III/2, 1916–1917, S. 247–265.

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für diese Messen ganz im Zeichen des Aufschwung des Handels und der Förderung der Handelsbeziehungen zwischen Venedig und dem »Sottovento«. Denn wenngleich unter den Handelsleuten an diesen Messen Mailänder und Florentiner nicht fehlten, so spielten dennoch immer noch die Händler aus der »Serenissima« die Hauptrolle in diesem Handelssystem. Die Messen in den Marken waren nicht nur eine Gelegenheit, die wichtigsten Agrarprodukte des Gebietes (vor allem Öl und Getreide), sondern auch Güter, die in den kleinen Manufakturzentren der Region und der umliegenden Gebiete hergestellt wurden (von Tuchen bis zu Papier, von Keramik bis zu Schuhwerk), zu verkaufen, während aus dem gegenüberliegenden Adriaufer vor allem Salz, Wolle, Leder, Metalle, gesalzener Fisch, Käse, Vieh und Tuche von geringer Qualität eingefahren wurden. Die Städte Fermo und Recanati waren für einige Zeit auch imstande, sich gegen Ancona zu behaupten, dem einzigen Zentrum mit einem Hafen, der Schiffe mit einem bestimmten Tonnengehalt aufnehmen konnte, das eine Hegemonialstellung im Handel einzunehmen suchte.49 Des Weiteren führte die positive Konjunktur des 15. Jahrhunderts auch zur Einführung von Messeterminen am andern Ufer der Adria, vor allem in Dalmatien mit der Messe des hl. Domnius von Split und jenen von Trau, Zengg, Bakar und Fiume, die trotz allem aber nur von regionalem Belang blieben.50 Im Laufe des 16. Jahrhunderts sah sich Venedig in einer schwierigen Situation, da es zu Beginn des Jahrhunderts militärische Rückschläge hatte einstecken müssen und da es sich mit den Bemühungen Anconas konfrontiert sah, eine bedeutendere Rolle im adriatischen Handel einzunehmen. Die niedergehende wirtschaftliche Konjunktur in den letzten Jahrzehnten des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts führte letztendlich zum Ende des traditionellen adriatischen Messesystems und zum Aufkommen neuer Protagonisten. Die Adria war nun nicht mehr ein »venezianischer Golf«, sondern nun nahmen hier die neuen atlantischen Mächte – Engländer oder Holländer zum Beispiel – eine wachsende Rolle im Handel ein, während im Norden die Habsburger begannen, ihre Pläne zur Stärkung der Handelsfunktion von Fiume und Triest umzusetzen.51 Wenngleich sich die Handelstechniken veränderten, war die Zeit der Messen allerdings noch nicht vorbei. Die immer im Monat Juli abgehaltene Messe von Maria Magdalena in Senigallia – eigentlich als Markt für lokale Interessen entstanden – wurde zwischen dem Ende des 17. und dem Beginn des 18. Jahrhunderts zur wichtigsten Messe an der Adria und übte auch im Handel des Kirchenstaates eine zentrale Rolle aus.52 Gegen Mitte des 49 Moroni, Mercanti e fiere, S. 57. 50 Ebd., S. 61. 51 Über das Projekt der Stärkung von Triest siehe Roberto Finzi, Trieste perché, in  : Roberto Finzi/Giovanni Panjek (Hrsg.), Storia economica e sociale di Trieste, vol. I  : La città dei gruppi  : 1719–1918, Trieste 2001, S. 13–66. 52 Roberto Marcucci, La fiera di Senigallia  : contributo alla storia economica del bacino adriatico, Ascoli Piceno 1914  ; Marinella Mazzanti Bonvini, Il Consolato di fiera a Senigallia 1716–1861, in  : Quaderni storici delle Marche 3/9, 1968, S. 486–522  ; Renzo Paci, La fiera di Senigallia negli anni della riforma doganale di Pio VI (1785–1788), in  : Nuova Rivista Storica 47/3–4, 1963, S. 307–343.

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18. Jahrhunderts konnte man hier die für das östliche Adriaufer typischen Waren (wie gesalzenen Fisch, Käse, Wolle, Vieh, Tuche von geringer Qualität, Wachs, Leder, Tabak, Getreide, Teer und Wein), aber auch die Produkte des Kirchenstaates (Lebensmittel, Seilereiwaren, Segeltuch, Tuche und andere Manufakturprodukte) finden. Ebenso war ein breites Spektrum an Gütern aus dem internationalen Handel, das Kaufleute der Republik Venedig (aus Chioggia, Venedig, Verona, Brescia, Bergamo und Vicenza) neben eigenen Manufakturprodukten anboten, vertreten. Aber auch deutsche und levantinische Händler boten hier wertvolle Tuche, Seidenwaren, Eisenwaren, Kolonialwaren sowie zahlreiche Güter englischer oder holländischer Herkunft feil.53 Im 18. Jahrhundert noch blühend, musste diese letzte adriatische Messe zu Beginn des darauffolgenden Jahrhunderts jedoch alsbald dem unaufhaltbaren Wandel der Handelstechniken und der steigenden Position Triests als Handelszentrum weichen.54 Wenn auch die Apenninen niemals eine unüberwindliche Barriere für Verkehr und Handel dargestellt haben, so trifft es dennoch zu, dass die Handelsräume an der östlichen und an der westlichen Küste der italienischen Halbinsel größtenteils verschiedene Konfigurationen und Protagonisten kannten. Auf dem kontinentalen Gebiet Süditaliens war zwischen dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit die bedeutendste Messe auf der tyrrhenischen Seite, die »fiera di Ponente«, ohne Zweifel jene von Salerno,55 von der Francesco Pegolotti in seiner Pratica di mercatura aus dem 14. Jahrhundert schrieb  : »[Sie] beginnt frei am 14. September und dauert zehn Tage, und es ist die beste Messe des Königreichs.«56 Gewiss war sie von Wichtigkeit, doch handelte es sich auch hier um jenen Typus von Messe, den wir auch aus anderen Räumen kennen, also um eine Zusammenkunft vorwiegend regionaler oder überregionaler Dimension, die sich zu breiter ausgreifenden Handelskreisläufen stärker komplementär denn zentral verhielt.57 Das wichtigste Marktzentrum war in diesem 53 Moroni, Mercanti e fiere, S. 76–79. 54 1730 dachte man daran, in Triest eine Messe zu etablieren um sich in die Handelskreisläufe von Senigallia einschalten zu können, doch hatte diese Initiative nur wenig Erfolg. Vgl. Daniele Andreozzi, »Qual generatione di fiera si pensi introdurre«. Spazi dei commerci e pratiche dei mercanti a Trieste e nel Litorale austriaco nei primi decenni del Settecento, in  : Daniele Andreozzi/Loredana Panariti/ Claudio Zaccaria (Hrsg.), Acque, terre e spazi dei mercanti. Istituzioni, gerarchie, conflitti e pratiche dello scambio dall’età antica alla modernità, Trieste 2009, S. 113–139. 55 Über die Messe von Salerno Alfonso Silvestri, Il commercio a Salerno nella seconda metà del Quattrocento, Salerno 1952  ; Armando Sapori, La fiera di Salerno del 1478, in  : Bollettino dell’Archivio storico del Banco di Napoli 8, 1954, S. 51–84  ; Andrea Sinno, La fiera di Salerno, in  : Rassegna storica salernitana 18, 1957, S. 1–61, nun gesammelt in  : Valdo D’Arienzo (Hrsg.), Mercanti in fiera, Salerno 1998. Vgl. weiterhin Valdo D’Arienzo, La fiera come servizio al commercio  : la fiera di Salerno in età moderna, in  : Iginia Lopane/Ezio Ritrovato (Hrsg.), Tra vecchi e nuovi equilibri  : domanda e offerta di servizi in Italia in età moderna e contemporanea, Bari 2007, S. 27–34 und Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli, S. 225–233. 56 Allan Evans (Hrsg.), Francesco Balducci Pegolotti  : La pratica della mercatura, Cambridge (Mass.) 1936, S. 177. Vgl. Angela Orlandi, »Ora diremo di Napoli«  : i traffici dell’area campana nei manuali di commercio, Firenze 2012, S. 81. 57 Dies ist ein Kennzeichen, das Cassandro allgemein den italienischen Messen jener Zeit zuschreibt,

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Kontext spätestens seit dem Jahr 1266 Neapel, als die Anjou die Reichshauptstadt von Palermo hierher verlegten.58 Bereits zuvor hatte Salerno an Bedeutung gewinnen können, unter anderem in Verbindung mit den Handelszentren der Amalfiküste – Amalfi, Ravello, Positano – und als Verteilungsmarkt für Getreide und regionale Produkte.59 Einen entscheidenden Wendepunkt stellt das Zugeständnis des Privilegs als Messestadt von Seiten Manfreds, König von Sizilien, im Mai 1259 dar  : An den acht Tagen, die dem Fest des Stadtpatrons, des Hl. Matthias (21. September), vorausgingen, sollte gebühr- und zollbefreiter Handel betrieben werden können. Später wurde diese Zeitspanne auf 10 Tage verlängert und zusätzlich eine kleinere Messe erlaubt, die in zeitlicher Nähe zum anderen Fest desselben Heiligen, im Mai, stattfinden sollte. Bedeutsam ist auch die Tatsache, dass Manfred der Stadt ebenso zugestand, die Hafeninfrastruktur auszubauen – noch heute gibt es dort einen Kai namens »Molo Manfredi« –, wodurch die Handelsausrichtung der Stadt weiter gestärkt werden konnte.60 In den darauffolgenden Jahrhunderten besuchten italienische Handelsleute – aus Florenz, Lucca, Genua, in geringerem Ausmaß aus Venedig und Sizilien –, aber auch fremde Kaufleute, vor allem aus Katalonien, diese Messen, mit dem Interesse, regionale Produkte zu kaufen und ihrerseits Manufakturprodukte zu verkaufen sowie am Kreditmarkt mitzumischen. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte hier auch die lokale jüdische Gemeinde, die in ein weites Netzwerk integriert war.61 Die Quellen zur Messe von Salerno sind nicht besonders zahlreich, doch die Untersuchungen von Silvestri und Sapori zu einem Notariatsprotokoll aus dem Jahr 1478 führen – eingedenk der begrenzten Aussagekraft eines derartigen Dokuments – die Vielfältigkeit der hiesigen Handelsgeschäfte vor Augen  :62 Hier werden 224 Händler aus dem Königreich (größtenteils aus Neapel), zehn Händler aus Florenz (ferner 14 als Zeugen), 14 aus Genua (und vier Zeugen), zehn Katalanen (und 16 Zeugen), vier Franzosen (drei Zeugen), ein Deutscher, der in Barletta wohnte, einer aus Bergamo, einer aus Siena und einer aus Rom angeführt. In warenkundlicher Hinsicht spielte die Einfuhr von Wollwaren – aus London, dem Languedoc, Mallorca und Genua – eine besondere Rolle, die vor allem von Genueser Händlern abgewickelt wurde, welche schrittweise und insbesondere durch den Verkauf englischer Produkte die Tuchhändler aus Florenz ablösen konnten.63 Ein weiterer intereswenngleich man ohne weiteres, wie wir gesehen haben, Phasen ausmachen kann, in denen die internationale Dimension offensichtlicher zu Tage tritt, vgl. Michele Cassandro, Le fiere nell’economia europea medievale e della prima età moderna, in  : Valdo D’Arienzo (Hrsg.), Una città nel mediterraneo  : l’Opulenta Salernum, Salerno 2001, S. 96–114. Speziell für die Messe von Salerno ist es derselbe Sapori, der dazu einlädt, deren Bedeutung nicht zu überschätzen  : Sapori, La fiera di Salerno, S. 82. 58 Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli, S. 208. 59 Vgl. Giuseppe Gianluca Cicco, La Longobardia meridionale e le relazioni commerciali nell’area mediterranea  : il caso di Salerno, in  : Reti medievali X, 2009, S. 59–87. 60 Sinno, La fiera di Salerno, S. 4–8. 61 Ebd., S. 10. Für die vorherige Zeit  : Cicco, La Longobardia meridionale, S. 86f. 62 Silvestri, Il commercio a Salerno  ; Sapori, La fiera di Salerno. 63 Vgl. Grohmann, Le fiere del Regno di Napoli, S. 226–233.

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santer Aspekt lässt sich in der Funktion der Messen für das Kreditwesen ausmachen  : Luigi De Rosa konnte in einem kurzen Aufsatz (mit einem vielleicht etwas überstrapazierten Titel), in dem er sich auf das 17. Jahrhundert konzentrierte, überzeugend darlegen, welch wichtige Rolle den Messen von Salerno darin zukam, aus Neapel Investitionen zumeist in der Form von trockenen Wechseln anzuziehen, und wie sich im südlichen Königreich ein verschiedene Messen miteinander verbindender Kreditkreislauf etablieren konnte.64 Wenngleich die Messe von Salerno weiterhin ein attraktiver Umschlagplatz für Handelsleute zum Beispiel aus Frankreich, England und Holland blieb, treten dennoch bereits im 17. Jahrhundert Anzeichen einer Krise auf. Zur allgemein schwierigen wirtschaftlichen Situation des Königreichs traten die sich stärkende Handelsposition von Neapel sowie Schwächen im Inneren der Messeorganisation  : Letztere zeigen sich etwa in der Tatsache, dass die Familie Ruggi ohne Unterbrechungen die Rolle des mastro di fiera ausübte und somit die höchste Gerichtsautorität während der Messen innehatte. Hier verband sich in einem offensichtlichen Anachronismus feudale Logik mit merkantiler Praxis.65 Sprechen wir von Süditalien, so können die Messen von Sizilien nicht unerwähnt bleiben  : Hier trifft Epsteins Diktum von der »island for itself« tatsächlich zu, da sich Sizilien vom restlichen Süden unter anderem durch seinen spezifischen politischen Status abhob.66 Hier stieg die Anzahl der Messen vor dem Ausbrechen der Pest – Messina 1294, Trapani 1315, Mazara del Vallo 1318, Palermo 1325 – und dann erneut ab dem 15. Jahrhundert an. Dieser quantitative Anstieg zeugt davon, dass einige Zentren sich von der Einführung von Gebührenfreiheiten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in einem von königlichen und feudalen Sonderrechten geprägten Umfeld versprachen. Diese Vermehrung der Messen verweist aber auch auf sich festigende Handelskreisläufe und auf regionale Spezialisierungen, zumindest in einigen Gebieten der Insel.67 Hier hing der Messekalender in vielen Fällen von den saisonalen Hauptaktivitäten, wie dem Fischfang oder der Landwirtschaft, sowie von den wichtigsten Patronatsfesten, die eine zentrale gesellschaftliche und kulturelle Rolle innehatten, ab. In verschiedenen Fällen waren die Messen die Fortführung von bereits zuvor entstandenen periodischen Märkten, die für bestimmte Gebiete von zentraler Bedeutung waren.68 Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass sich einige dieser Märkte 64 Luigi De Rosa, La fiera di S. Matteo  : una fiera di cambi, in  : Rassegna storica salernitana 16–17, 1955–1956, S. 191–196  ; vgl. auch D’Arienzo, La fiera come servizio, S. 32f. 65 Sinno, La fiera di Salerno, S. 46–55  ; D’Arienzo, La fiera come servizio, S. 30f. 66 Epstein, An Island for Itself. Zu den Messen speziell S. 107–120. Vgl. weiterhin Alberto Grohmann, Prime indagini sull’organizzazione fieristica siciliana nel Medio Evo e nell’Età Moderna, con particolare riguardo alla fiera di Sciacca, in  : Atti dell’Accademia Pontaniana di Napoli, n. s., XVIII, 1969, S. 295–341 und Marina Scarlata, Mercati e fiere nella Sicilia aragonese, in  : Mercati e consumi. Organizzazione e qualificazione del commercio in Italia dal XII al XX secolo, Bologna 1986, S. 477–494. 67 Epstein, An Island for Itself, S. 108–112, 119. Für die der Pest vorausgegangene Zeit führt Epstein 27 neue Messegründungen an, während es zwischen 1392 und 1499 insgesamt 69 sind. Vgl. auch ders., Freedom and Growth, S. 78. 68 Scarlata, Mercati e fiere, S. 479.

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in internationale Kreisläufe integrierten, zum einen konnte dadurch die Ausfuhr einiger Inselprodukte, wie Getreide, Rohwolle, Seide, garantiert, zum anderen der Vertrieb ausländischer Manufakturprodukte, vor allem von Wolltuchen, begünstigt werden. Dies zeigt sich daran, dass in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts einige Handelsleute nacheinander die verschiedenen Messen auf der Insel besuchten.69 Zu den Ursachen für die Vermehrung der Messen finden sich in der Literatur zwei voneinander abweichende Positionen  : jene, die wie Grohmann und – nuancierter – Scarlata die Politik der Krone oder der Gemeinden als ausschlaggebend betrachten, und andere, wie Epstein, die hingegen den wirtschaftlichen Dynamiken der Spezialisierung eine entscheidende Rolle zuschreiben.70

4. Einige Messen in Norditalien Es zeigt sich also, dass beinahe keine Messe Süd- und Mittelitaliens zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit als international in einem absoluten Sinne bezeichnet werden kann, wenngleich sie zweifelsohne Anteil hatten an diesem Kreislauf, in dem Handelsleute aus den wichtigsten Zentren Italiens und aus anderen europäischen Räumen agierten. Freilich leisteten sie dennoch einen wichtigen Beitrag für die Produktionsdynamiken und den lokalen Konsum, aber auch für den internationalen Handel von Gütern von hoher Qualität. Auch in Norditalien erweist es sich zum jetzigen Stand der Forschung als schwierig, Messen ausfindig zu machen, die in irgendeiner Art eine den großen internationalen Handelstreffen vergleichbare Funktion eingenommen hätten. In gewisser Hinsicht ist Norditalien mit seinem dichten Netzwerk aus Städten weit weniger untersucht als die Messen Mittel- und Süditaliens und des Adriaraumes.71 Zu den wichtigsten Ausnahmen zählen die lombardischen Messen zwischen dem 14. und der Mitte des 16. Jahrhunderts, die von Mira bereits in den 1950er Jahren erforscht wor69 Unter der Herrschaft der Aragonesen in Sizilien (1282–1412) wurde – in Fortführung einer bereits in den vorangegangenen Regierungen der Normannen und Staufern erkennbaren Tendenz – die Integration der Insel in den internationalen Wirtschaftskreislauf vorangetrieben. Dies geschah insbesondere durch die Gewährung von Privilegien für Katalanen und Genuesen im Getreidehandel, deren Präsenz auf den Märkten Siziliens dann auch tatsächlich nachweisbar ist, gefolgt von solchen für Händler aus Pisa, Venedig und Marseille. Ebd., S. 480–486. 70 Epstein, An Island for Itself, S. 115–117. 71 Für Mittelitalien, speziell für Umbrien, sei verwiesen auf Giuseppe Mira, Prime indagini sulle fiere umbre nel Medioevo, in  : Studi in onore di Epicarmo Corbino, Milano 1961, S. 539–592 und auf Alberto Grohmann, Note sulle fiere umbre in età medievale e moderna, in  : La Fiera dei morti di Perugia (già di Ognissanti). Lineamenti storici di un’antica tradizione perugina, Perugia 1980, S. 1–25. Weiterhin finden sich kurze Überlegungen zu Rom und Latium in Enrico Guidoni. Les foires à Rome e dans sa région à partir du Moyen Âge jusqu’au XIXe siècle, in  : Franz Irsigler/Michel Pauly (Hrsg.), Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa/Foires, marchés annuels et développement urbain en Europe, Trier 2007, S. 63–68.

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den sind.72 Hier blühte die Wirtschaft  : in den Ebenen eine produktive Landwirtschaft, in den urbanen Zentren, entlang des Fußes der Bergkette und in einigen Alpentälern zahlreiche unterschiedliche Manufakturproduktionen – Stoffe und Metalle in erster Linie. Durch manche dieser in die Ebene mündenden Täler führten Verbindungswege in die Schweiz und nach Süddeutschland, was die Handelsflüsse erheblich angeregt hat. In politischer Hinsicht etablierten sich im lombardischen Raum zunächst die Herrschaft der Visconti, dann der Sforza, nördlich davon hingegen die Schweizer Kantone. Wie auch in anderen Gegenden Italiens scheint die Errichtung eines relativ großräumigen und stabilen Territorialstaates der Entwicklung der Messen zuträglich gewesen zu sein, wenngleich für ihre Behauptung dennoch die wirtschaftlichen Bedingungen ihrer Bezugsgebiete ausschlaggebend waren.73 Eine beträchtliche Anzahl von Messen kann man zu dieser Zeit entlang des Fußes der Bergkette, in der Nähe zu den größten Seen – Maggiore, Como und Lugano – sowie an der Mündung der transalpinen Kommunikationswege bzw. entlang dieser lokalisieren  ; insgesamt handelt es sich hier um ein Gebiet, das hart umkämpft war vom Herzogtum Mailand auf der einen und den Schweizern auf der anderen Seite. Für den gesamten Zeitraum können etwa dreißig Messen ausgemacht werden, von denen aber nur zwanzig zeitgleich aktiv gewesen sind. Zu den größten zählten jene von Como, Bellinzona, Arona, Chiasso, Lugano, zeitweise auch von Chiavenna. Die Quellenlage erlaubt nur sporadisch Warentypologie und Herkunft der Handelsleute zu rekonstruieren. Dennoch lassen sich einige Spezialisierungen ausmachen, wie etwa für die Messe von Chiasso, auf der eine beträchtliche Anzahl von Pferden verkauft wurde, oder für jene von Arona, auf der Manufakturprodukte in Metall, wie Sicheln, vertrieben wurden in Zusammenhang mit den nahegelegenen Bergbaugebieten.74 Die nicht wirklich zahlreichen fremden Händler kamen vor allem aus den Schweizer Kantonen, einige auch aus Savoyen und aus Süddeutschland. Einzeln betrachtet, weisen diese Messen kein großes Geschäftsvolumen auf, jedoch zeigt sich hier ein System von Kreisläufen mit anderen Marktplätzen, das die eigene Wirtschaftsaktivität komplementär ergänzte.75 Das restliche Gebiet des Mailänder Herzogtums, die lombardische Ebene im Süden und die Ausläufer des westlichen Piemont, war geringer mit Messen ausgestattet, hier konzentrierten sie sich in den größeren Zentren (Bergamo, Brescia, Mailand, Novara Vercelli, Pavia, Lodi, Crema, Cremona und Piacenza). Um 1550 zählte das Herzogtum insgesamt an die dreißig Messen, von denen der größte Teil nach der Hälfte des 14. Jahrhunderts gegründet worden war76, wobei auch hier, wie andernorts, gerade im 16. Jahrhundert eine Vervielfachung der Messetermine mit einer stärker lokalen Ausrichtung einherging.77 72 Giuseppe Mira, Le fiere lombarde nei secoli XIV–XVI. Prime indagini, Como 1955  ; ders., L’organizzazione fieristica nel quadro dell’economia della »Bassa« lombarda alla fine del Medioevo e nell’età moderna, in  : Archivio storico lombardo VIII, 1958, S. 289–300. 73 Ders., Le fiere lombarde, S. 23, 27, 111, 114f. sowie Epstein, Freedom and Growth, S. 79. 74 Mira, Le fiere lombarde, S. 98–100. 75 Ders., S. 130f. 76 Ders., L’organizzazione fieristica. 77 Ders., Le fiere lombarde, S. 135.

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Eine Ausnahme in diesem Kontext stellt die Messe des Hl. Alexander in Bergamo dar, welche für lange Zeit, zumindest für das gesamte 18. und zum Teil noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, eine wichtige Rolle einnehmen konnte. Dieser Erfolg kann mit zwei Hauptfaktoren erklärt werden  :78 Einerseits befand sich die Stadt in der Nähe von Manufakturgebieten, die Güter mit einem auf italienischen und internationalen Märkten guten Absatz produzierten wie Eisenwaren, Wolltuche von geringerer Qualität und, besonders im 18. Jahrhundert, Seide. Andererseits war der Marktplatz von Bergamo in einen Handelskreislauf eingebunden, der sowohl die Messen von Bozen mit ihren Verbindungen zum deutschen Raum79 wie auch die adriatischen Messen mit jener dominierenden von Senigallia umfasste. Im 18. Jahrhundert finden wir in Bergamo dann vor allem Schweizer Handelsleute mit starkem Interesse an den Seidenprodukten, die für die wichtigsten Plätze in der Schweiz und in Zentraleuropa (Zurzach, Frankfurt am Main, Leipzig) bestimmt waren80. Die Messe von Bergamo wurde üblicherweise vom 22. bis zum 30. August abgehalten, konnte jedoch verlängert werden und genoss völlige Gebühren- und Zollbefreiung. Angeblich bereits im 9. Jahrhundert gegründet, konnte sie auch nach dem Anschluss der Stadt Bergamo an die Republik Venedig 1476 weiterhin bestehen bleiben, wurde jedoch neu geregelt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde hier an insgesamt 2.000 Marktständen gehandelt und noch 1740, als die alten Holzstrukturen durch Steingebäude ersetzt wurden, zählte diese Messe noch an die 1.300 Läden.81 Bergamo und Senigallia konnten sich im 18. Jahrhundert im Kontext der grundlegenden Veränderungen der Frühen Neuzeit als die beiden wichtigsten Messen in Nordund Mittelitalien halten. Die italienische Halbinsel nahm nun im internationalen Handel keine Spitzenposition mehr ein, Waren und Händler aus Italien hatten schon vor geraumer Zeit ihre Protagonistenrolle auf den internationalen Märkten verloren – mit Ausnahme von einigen Landwirtschaftsprodukten und vor allem des Seidengarns. Dennoch zeigen die Quellen eine kapillare Verbreitung der Messen in verschiedenen Regionen, die – ausgenommen einiger Einzelfälle82 – vielleicht von geringer Bedeutung für den überre78 Zur Messe von Bergamo vgl. Paola Lanaro, Periferie senza centro. Reti fieristiche nello spazio geografico della terraferma veneta in età moderna, in  : dies., La pratica dello scambio, S. 21–51, besonders S. 33–37, 44–47. Vgl. weiterhin Mauro Gelfi, La fiera di Bergamo. Il volto di una città attraverso i rapporti commerciali, Bergamo 1993. 79 Vgl. Andrea Bonoldi, La via del Tirolo. Presenze lombarde alle fiere di Bolzano, in  : Luca Mocarelli (Hrsg.), Tra identità e integrazione. La Lombardia nella macroregione alpina dello sviluppo economico europeo (secoli XVIII–XX), Milano 2002, S. 127–149. 80 Lanaro, Periferie senza centro, S. 45. 81 Ebd., S. 36, 46. 82 Hier sind zum Beispiel die Messen von Bozen zu nennen, die – wenngleich damals nicht direkt auf italienischem Territorium befindlich – bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle im Austausch zwischen der Halbinsel und Nord- und Mitteleuropa innehatten. Auf diesem Platz dominierten lange Zeit Handelsleute aus Verona und aus Augsburg. Ein Überblick mit weiteren bibliografischen Angaben findet sich in Andrea Bonoldi, Kredit und Handel zwischen Italien und Deutschland  : Bozen und seine Messen (XIII–XIX. Jahrhundert), in  : Scripta Mercaturae 42/1, 2008, S. 9–26. Für die

Italien und die Messen 

gionalen und internationalen Handel waren, aber dennoch ein immer engmaschigeres Netz von Marktbeziehungen über diese Gebiete legen konnten. Dass das Messemodell andauern konnte, verdankte es vor allem seiner Flexibilität83 und in einigen Fällen auch der Spezialisierung auf bestimmte Waren, wie die Fälle der Messe der Seidenkokons in Bologna oder die Korallenmesse in Livorno zeigen.84 Die von den politischen Autoritäten durchgeführten Erhebungen zwischen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der napoleonischen Zeit und der darauffolgenden Jahrzehnte, spiegeln die Vermehrung der Messen und Märkte wider, die beinahe überall zahlenmäßig anstiegen.85 Dahinter steht eine nicht in allen Regionen gleichermaßen verlaufene Verbreitung von Marktpraktiken in Italien, das sich in vielerlei Hinsicht in einer Randlage zu den innovativen wirtschaftlichen Entwicklungen befand, aber dennoch auf ein Erbe von Ressourcen und Fähigkeiten zurückgreifen konnte, das auf lange Sicht zu einer, wenngleich relativ späten, Modernisierung der Wirtschaftsstruktur beigetragen hat.86

Abstract In the late medieval period and at the beginning of the early modern era, Italy played a central role in long-distance trade across Europe  ; this notwithstanding, the Italian territory never hosted a big international fair comparable to those which took place in the Champagne, in Geneva, Lyons, Antwerp, Frankfurt on the Main, Leipzig etc. The essay analyses Wechselgeschäfte vgl. Markus A. Denzel, Die Bozner Messen und ihr Zahlungsverkehr (1633–1850), Bozen 2005. Eine besondere Rolle in bestimmten Phasen bekleideten auch einige Messen Venetiens, vor allem Verona, Vicenza und Padua. Vgl. Lanaro, Periferie senza centro. 83 Lanaro, Introduzione, in  : dies., La pratica dello scambio, S. 9–17. 84 Gaetano Balbi, Il mercato del folicello da seta  : la fiera del Pavaglione a Bologna verso la fine del Settecento, in  : Popolazione ed economia nei territori bolognesi durante il Settecento, Bologna 1985, S. 435–535  ; Francesca Trivellato, La fiera del corallo (Livorno, XVII e XVIII secolo)  : istituzioni e autoregolamentazione in età moderna, in  : Lanaro, La pratica dello scambio, S. 111–127. 85 Vgl. für die Gebiete in Nord- und Mittelitalien, die zum napoleonischen Italien gehörten, Angelo Moioli, Il sistema delle fiere e dei mercati nell’Italia centro-settentrionale tra Sette e Ottocento, in  : Andrea Bonoldi/Markus A. Denzel (Hrsg.), Bozen im Messenetz Europas (17.–19. Jahrhundert)/Bolzano nel sistema fieristico europeo (secc. XVII–XIX), Bolzano 2007, S. 201–223  ; für Piemont Mauro Ambrosoli, Fiere e mercati in un’area agricola piemontese fra Sette e Ottocento, in  : Storia d’Italia. Annali I  : dal feudalesimo al capitalismo, Torino 1978, S. 681–686  ; für das Gebiet der italienschen Alpen Andrea Bonoldi, Fiere e mercati in area alpina tra funzioni locali e intermediazione (secoli XVIII– XIX), in  : Fausto Piola Caselli (Hrsg.), Regioni alpine e sviluppo economico  : dualismi e processi di integrazione (secc. XVIII–XX), Milano 2003, S. 105–126  ; für Venetien Lanaro, Periferie senza centro  ; für Süditalien Biagio Salvemini/Maria Antonetta Visceglia, Fiere e mercati. Circuiti commerciali nel Mezzogiorno, in  : Piero Bevilacqua (Hrsg.), Storia dell’agricoltura italiana in età contemporanea, III, Venezia 1991, S. 147–152. 86 Vera Zamagni, Dalla periferia al centro. La seconda rinascita economica dell’Italia 1861–1990, Bologna 1993.

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this “Italian paradox” by starting from the traditional interpretation, according to which this phenomenon was due to the role some major Italian trading centres (Venice, Florence, Milan, Genoa) played as “permanent fairs”, thanks to a sizeable and constant availability of material and immaterial infrastructures which supported long-distance trade. However, this explanation needs to be complemented by taking into account that – as argued by Bergier with regard to the Geneva fairs – some of the most important international fairs hosted such a large number of Italian merchants that they were actually “Italian markets north of the Alps”. Furthermore, the force of the Italian mercantile system must be traced to the availability across the territory of a network of low- and medium-size fairs and markets, which had a regional character and could hardly be defined as international, but which were able to integrate efficiently the productive and commercial areas of the Italian peninsula. The essay thus provides a description of some of these systems, tracing their evolution until the relative decline in the importance of the Italian economy between the seventeenth and the eighteenth centuries.

Hilario Casado Alonso, Valladolid

International and Regional Fairs in Spain, from the Middle Ages to the 19th Century

The history of fairs in Spain closely resembles that of other areas in Europe.1 Fairs first emerged in the 11th century, grew throughout the following centuries, and reached their height in the 15th and 16th centuries. This resulted in a close-knit network of fairs as well as local and regional markets in which a wide array of products were traded, ranging from agricultural produce and livestock to manufactured goods from both home and abroad. It can thus be said that all Spaniards, peasants and non-peasants alike, except for those in the remotest areas, made use of such fairs to supply themselves to meet most of their needs. Fairs also provided the meeting point for traders of different standing and from all over, ranging from the leading Spanish and foreign merchants to local traders, resellers, hawkers and small shopkeepers. At the same time, the fairs also boosted the sociability of many of the places where they were held since people from very different origins and social backgrounds met. What is unusual in the case of Spain is that, together with regional fairs, the mid-15th century witnessed the emergence of others of an international scale  : the fairs at Medina del Campo, Villalón and Medina de Rioseco. These were the major centres for trading a wide range of products for Spain, Portugal and America. In addition to Spanish traders, many overseas traders also came. These included French, Flemish, Portuguese, German, English and, above all, Italian traders. Said fairs also provided a place where transactions involving bills of exchange, loans, insurance and other financial products between the Iberian Peninsula and America as well as the other fairs and markets in Europe could be negotiated. What is more important, they were also where the payment of the Spanish Monarchy’s loans and public debt was negotiated. The economic and political decline of the Monarchy after the late 16th century led to a major downturn for these fairs, which became mere centres for trading goods. During the 17th, 18th and 19th centuries, fairs continued to spread throughout Spain, although almost exclusively for dealing in agriculture and livestock, which was how they remained up to the 20th century2. 1 The author acknowledges financial support from an MEC grant (Spanish Ministry of Economy and Competitiveness), Project “Poder, Sociedad y Fiscalidad al norte de la corona de Castilla en el transito del medievo a la modernidad”. Ref. HAR2014-52469-C3-3-P. 2 Alberto Marcos Martín, España en los siglos XVI, XVII y XVIII. Economía y sociedad, Barcelona 2000. Francisco Comín/Mauro Hernández/Enrique Llopis (eds.), Historia económica de España  : siglos X–XX, Barcelona 2003.

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Hilario Casado Alonso

1. The Origins of Fairs in Medieval Spain The emergence of fairs in Spain took place in a historical context very similar to other western European countries. Early granting of the rights to hold a fair, with the subsequent tax exemptions, dates back to the 10th century. Yet, it was not until the mid 11th century that fairs began to spring up all over the Iberian Peninsula. Economic growth, the emergence of trade, combined with the consolidation of the various Christian kingdoms during the Reconquista against the Muslims led local authorities to seek tax privileges from the monarchy for their weekly markets as well as for the fairs, which lasted longer. Such incentives were also apparent amongst landowners, be they nobles or monasteries, who saw how their domains grew as a result. A better supply of certain products, both agricultural and non-agricultural was thus to be had, and an outlet was found for other locally produced goods. This also led to demographic growth and a wider range of economic activities. And so it was that the 12th and 13th centuries witnessed the emergence of fairs and markets, in both a rural as well as an urban setting. In the case of Castile, the studies of Gautier-Dalché, Ladero Quesada and Martínez Sopena and others3 highlight that, aside from certain specific fairs, the main fairs from the 16th century were concentrated around the Camino de Santiago, the pilgrim’s way and the main commercial route of the time. Yet, it was in the middle of the following century that most rights were granted for the holding of fairs and markets, both in the Duero valley and in the southern Meseta and Extremadura. These fairs not only reflected the economic growth and development of commercial exchange in the kingdom of Castile but also its role as a driver of the economic space, thanks to their being used by Christian monarchs, nobility and local authorities to forge links and as poles of economic growth. Such a policy was also to be implemented in Andalusia in the 13th and 14th centuries, although a closeknit network had already been in existence there since Muslim times. In the Crown of Aragon, the situation was much the same. In Catalonia, the first documented fairs were located in the northern Pyrenean area (Seo de Urgell, Bellver, Puigcerda, Cardona, etc.) before later spreading to other areas such as Gerona, Barcelona or Vilafranca del Penedes, as the Reconquista advanced. As in Castile, it was the 13th century that witnessed the greatest surge in the number of fairs, both inland as well as on the coast. This led to the creation of a veritable network of fairs, where traders travelled from one place to another, thus helping the circulation of goods and even the arrival of new products4. The same happened in neighbouring Aragon with the creation of the first 3 Jean Gautier Dalche, Historia urbana de Castilla y León en la Edad Media (siglos IX–XIII), Madrid 1979. Miguel Ángel Ladero Quesada, Las ferias de Castilla. Siglos XII a XV, Madrid 1994. Pascual Martínez Sopena, Ferias y mercados en la organización del espacio del Camino de Santiago. Siglos XI–XIII, in  : Simonetta Cavaciocchi (ed.), Fiere e mercati nella integrazione delle economie europee. Secc. XIII–XVIII, Firenze 2001, pp. 967–991. 4 Albert Carreras/Lidia Torra, Història econòmica de les Fires a Catalunya, Barcelona 2004. Carme Batlle, Fires i mercats, factors de dinamisme econòmic i centres de sociabilitat (segles XI a XV), Barcelona 2004.

International and Regional Fairs in Spain

fairs in the 11th and 12th centuries, reaching their apogee in the 13th century, spurred on by the advance of the conquest of the Muslim kingdom of Valencia coupled with the Spanish kingdom’s own economic rise5. The conquest of the kingdom of Valencia from the Muslims by the king of Aragon did not significantly alter the network of commercial exchange in place in the region and, although the monarchs did grant fresh rights to hold fairs, the most important trading continued to take place in the cities6. Even in the main cities of Catalonia, Aragon, Mallorca and Valencia, the monarchs supported local authority creation of lonjas (exchange markets) in the 14th and 15th centuries, these being places where goods could be procured on a permanent basis and where bills of exchange could be traded on a supra-local and even international scale7. The crisis which hit the 14th century impacted on Christian kingdoms in the Iberian Peninsula to varying degrees. In the case of Aragon and Navarre, there was a severe depression, affecting many of its economic structures as well as its commerce and leading to many of its local fairs losing their sphere of influence, eclipsed by the urban markets and fairs at Pamplona, Tudela, Zaragoza and Huesca. The crisis was to hit Catalonia later, making its presence felt in the early part of the 15th century and having a more profound effect, sparking the decline of the whole network of fairs in the region. Valencia was able to profit from this by attracting to its markets and fairs much of the international trade that flowed along the western Mediterranean. However, in all the regions of Aragon, albeit with certain differences between one area and another, after the mid 15th century the amount of trade in fairs and markets increased, with a growing number of products coming from overseas, and with the ever-increasing presence of foreign and particularly Italian traders8. In Castile, the depression was short-lived, and many of its regions were already emerging from it by the early 15th century. Coupled with other circumstances, this meant that the kingdom was the most dynamic and most populated, leading to new fairs being created and to existing ones booming. It was, thus, the fairs in Castile that paved the way for the future, since they monopolised most of the trade and acted as a link between the various parts of Spain and Portugal. 5 José Ángel Sesma Muñoz, Transformación social y revolución comercial en Aragón durante la Baja Edad Media, Madrid 1982. Carlos Laliena Corbera/Mario Lafuente Gómez (eds.), Una economía integrada. Comercio, instituciones y mercados en Aragón, 1300–1500, Zaragoza 2012. José Ángel Sesma Muñoz/Carlos Laliena Corbera (eds.), Crecimiento económico y formación de los mercados en Aragón en la Edad Media (1200–1350), Zaragoza 2009. 6 Pedro Solbes Mira, Las ferias en la región valenciana, in  : Información Comercial Española 485, 1974, pp. 235–239. Germán Navarro, Estudios recientes y proyectos actuales sobre los mercados medievales en Aragón y Valencia en pos de una historia comparada, in  : Flocel Sabaté (ed.), El mercat. Un món de contactes i intercanvis, Lérida 2014, pp. 157–166. David Igual Luis, Economía, mercado y comercio en la Península Ibérica (1350–1516), in  : eHumanista 10, 2008, pp. 170–200. 7 José Hinojosa Montalvo, Valencia, centro mercantil mediterráneo, Siglos XIII–XV, in  : Cavaciocchi (ed.), Fiere e mercati, pp. 597–608. 8 Enric Guinot Rodríguez, El mercado local en las pequeñas villas de la corona de Aragón antes de la crisis bajo-medieval (siglos XI–XIV), in  : Edad Media. Revista de Historia 8, 2007, pp. 183–202.

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2. The Splendour of Castilian Fairs One feature of the economy in the Crown of Castile in the late Middle Ages was its tremendous dynamism. In the early 15th century and, more specifically, after 1425/30, the whole area showed clear signs that it was emerging from the economic crisis that had hit the early medieval period. The recovery was apparent throughout the whole of the Crown of Castile, although it was particularly noticeable in the Duero valley and Andalusia. There are many indications of how the economy in Castile changed, slowly but surely. Firstly, there was a reversal in demographic trends. There was a clear increase in population numbers. Although it is extremely difficult to quantify, given the lack of statistical sources, it can be said that the Crown of Castile went from having some 3.4 million inhabitants in 1400 to around four million in 1480 and 4.5 million in 1530. These figures represent approximately 80 % of Spain’s total population. Yet, it should be remembered that over a quarter of these inhabitants lived in the Duero valley. This demographic growth affected both the country and the towns, which was to be reflected in the emergence of numerous towns and large as well as medium-sized urban areas that were to make up a vast urban network, comparable in many respects to what was to be found in Italy or the Netherlands. Understandably, demographic growth went hand in hand with agricultural expansion. Here, several concurring aspects merit particular attention  : the increasing amount of land given over to crop farming as a result of new systems of clearing, and the compulsory organisation of rotation crops  ; the use of new crop types, since agricultural expansion did not merely involve cereal crops, but in certain areas of the Duero valley also embraced wine growing and certain industrial crops such as common madder or flax. Yet, what proved most spectacular was undoubtedly the increase in livestock, for labour as well as for consumption, most prominently the rise in the number of merino sheep, with a third of the wool designated for export9. Another factor contributed towards the economic growth of the rural world in northern Castile  : the spread of proto-industrial activities in the countryside. In the areas around Segovia, Avila, Palencia, Cuenca, Ciudad Real, Baeza, Cordoba or Cameros, there was a veritable proliferation of textile activities after the mid 15th century. Although some were only small scale, others, such as those in Segovia, Cuenca, Avila or Palencia, were organised in a more complex manner by adopting the system of subcontracting work to offsite facilities, or the so-called “putting-out”. Yet, if this vision of the rural world in Castile was one of prosperity, at least until 1570/1580, much the same can be said of towns, with the 15th and 16th centuries witnessing enormous development in urban areas in Castile. The population increased and towns grew. Their industrial fabric underwent renewal, reflected both in the survival of manufacturing activities aimed at those with greater purchasing power as well as in the 9 Carla R. Philipps/William D. Philipps, Spain’s Golden Fleece. Wool Production and the Wool Trade from the Middle Ages to the Nineteenth Century, Baltimore 1997.

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emergence of commercial activities. The influx of such activities spread to many small rural areas, which were now able to acquire some of their principal needs at said markets. Coupled with this commercial growth, another of the most dynamic economic aspects of 15th and 16th century Castile was the appearance of international trade and finance. The old historiographical notions claiming that the Spanish economy at the time was a highly dependent and peripheral one – certain authors even asserting that it was colonial in nature characterised by its exports of raw materials, dominated by the Mesta, and imports of manufactured products – should be reappraised in the light of fresh evidence to emerge in recent years10. Economic expansion was accompanied by changes in Castilian urban society, which was already highly oligarchic at the time. It is clear that many social groups who were involved in commercial, financial and craft activities grew richer. Yet, so did other groups dedicated to agriculture, either because they owned many livestock, rented out their land, or exploited their own land. Merchants, great craftspeople, wealthy farm labourers, medium landowners – nobles or otherwise –, etc. formed the emerging classes of Castilian urban and rural society in the late Middle Ages. Some were converts, who had abandoned Judaism as a result of the frenzied pogroms in the late 14th century. Said transformation had not only allowed them to preserve their wealth but also to continue their climbing up the social ladder in their respective towns, and thus rub shoulders with its ruling authorities. Running parallel to all of this, from the political standpoint the 15th and early 16th centuries spawned the creation of many political institutions, both at a municipal and state level. After the mid 15th century, a new royal tax system was to become consolidated, akin to those of more modern monarchic states and which more or less lasted through the 16th and 17th centuries. This tax system was mainly based on three types of tax  : alca­ balas, tercias and servicios, which were levied on trade and agricultural production. These taxes were to increase constantly throughout the period, particularly after the reign of the Catholic Monarchs in the face of ever-growing expenditure, especially as a result of an active foreign policy. All of this led to the ever-increasing need to resort to loans and to issuing public debt, with the subsequent creation of established debt systems. These links between international trade, domestic trade, developing markets, and agricultural and industrial growth formed the basis for the strong upsurge in credit during those years. On the one hand, there was an abundance of capital to be loaned out and on the other the need for funding in order to invest. All of this was accompanied by (private and public) institutional progress encouraged by Castilian monarchs, particularly after the reign of the Catholic Monarchs, who regulated and developed credit markets. This boost in credit and private debt was reflected in many parts of the Duero valley, although where it was most in evidence was in the centre. Here, the proliferation of fairs and mar10 Hilario Casado Alonso, El triunfo de Mercurio. La presencia castellana en Europa (Siglos XV y XVI), Burgos 2003.

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kets, some of which were very old, while others were more recent, helped things to move along. It is in this context of economic growth and the creation of trade networks where a wide-ranging web of fairs and markets was established throughout the length and breadth of the Crown of Castile, although particularly in inland Spain. If the 13th century was the first occasion when the right to hold fairs and markets was granted, the second occurred after the mid 15th century and throughout the whole of the 16th. It can be said that in this latter century, most of the rural towns in Spain that were of some demographic importance held one or more markets during some part of the year, lasting a varying number of days, together with other longer fairs. The old rights and privileges granted to the fairs were now accompanied by new ones being conferred in the 15th century driven on by the monarchs and by nobles keen to expand the commercial activities on their manors and thereby increase their population and the income obtained from them. The network of fairs was wide and intricate, spanning the whole Iberian Peninsula, and linking every region of Spain and Portugal. At the head were the major fairs in Castile, the General Fairs, which we will come back to later and which were the main centres for trading at an international scale. Secondly, there was another group of regional or district fairs, like those at Benavente, Leon, Mansilla, Salamanca, Zamora, Avila, Alba, Béjar, Piedrahita, Trujillo, Plasencia, Tendilla, Mondejar, Montiel, Zafra, Alcalá de Henares, Huete, Daroca, Barbastro, Huesca, Jaca, Teruel, Zaragoza, Cardona, Fraga, Verdú, Murviedro, La Coruña, Sarria, Jerez, etc., together with the markets in the major towns. There were even others linked to the leading fairs in Castile, which included those held at Trancoso, Viseu, Lamego, Guimarães, Chaves and Guardain Portugal. In addition to these was the emergence of numerous local markets and fairs, held weekly or monthly, which also enjoyed privileges in the form of tax exemptions. Fairs and markets were closely interconnected and some even specialised in particular times of the year or particular products, thereby weaving a dense trade network throughout the whole of the peninsula. Many of these fairs even had their respective calendar coordinated with those of neighbouring towns, thereby enabling travelling merchants and traders to move from one to another. Such fairs witnessed the trading of a wide array of goods, ranging from foreign goods to those of local origin, thus allowing people to avail themselves of food and, above all, manufactured products. It is also worth bearing in mind that the success of this network of fairs and markets was not only due to their acting as centres of commercial activity but also because they provided an important social element in the life of the preindustrial population11. Those who took part in these local or regional fairs and markets were not only country people from nearby towns and villages but also travellers from afar. Together with small retailers and sellers, there were also dealers who travelled from fair to fair in certain regions, merchants and, above all, members and agents of the leading companies from towns in Castile as well as from overseas. They did not specialise in any one kind 11 Ladero Quesada, Las ferias de Castilla, pp. 90–108.

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of business although some – mainly those involved particularly in selling textiles – did have their own specific market niche. As has been studied by Ruiz Martín, many of these fairs even had their own respective banks, set up especially for the occasion through the joint groups of permanent banks in the towns and villages. They were designed to act as financial intermediaries between small local retailers – established as well as temporary shopkeepers and stallholders – and wholesalers, giving loans to many of these as well as to many of those coming in from the country to make their purchases12.

3. The Major International Fairs  : Medina del Campo, Villalón and Medina de Rioseco As pointed out earlier, at the head of the whole fair network were those which documentary evidence of the time refers to as General Fairs. These enjoyed greater privileges, were granted licence to hold longer fairs and, above all, came under the protection of the ruling monarch. After the early 15th century, we see that this role was played by the two “General Fairs” held at the most important and populated town in the Duero valley, Valladolid. Both were held for a fortnight (after 1452 for 30 days), at Lent and in September, and had been granted exemption from paying numerous taxes by the monarchs. However, competing with the Valladolid fairs, others held at the nearby towns of Medina del Campo, Medina de Rioseco and Villalón began to gain in importance. These would come to form the triangle of the Great Castilian Fairs of the 16th century13. The former were promoted by D. Fernando de Antequera in the early 15th century, although they really began to grow in stature after 1444 thanks to the support of the monarchs and the powerful international merchants in Burgos, and would eventually gain the status of General Fairs of the Kingdom. They were held twice a year, in May (thirty days after Easter) and in October (1 of October), which lasted 50 days. The fairs at Medina de Rioseco and Villalón were established and consolidated by the lords of these towns in 1423 and 1474. Both towns also held fairs twice a year  : Rioseco (one 20-day fair start12 Felipe Ruiz Martín, Crédito y banca, comercio y transportes en la etapa del capitalismo mercantil, in  : Actas de las I Jornadas de Metodología Aplicada de las Ciencias Históricas. III. Historia Moderna, Vigo 1975, pp. 25–749. 13 Bartolomé Yun Casalilla, Ferias y Mercados, Valladolid 1987. Ladero Quesada, Las ferias de Castilla  ; Adeline Rucquoi, Valladolid en la Edad Media, Valladolid 1987, Vol. II, pp. 397–403. María Isabel del Val Valdivieso, Valladolid y las villas de su entorno en el tránsito de la Edad Media a la Moderna, in  : Valladolid. Historia de una ciudad, Valladolid 1999 Vol. I, pp. 217–242. Julia T. Rodriguez de Diego, Las ferias de Villalón de Campos en el siglo XV (memoria de licenciatura inédita), Universidad de Valladolid 1985. Isabel Beceiro Pita, El Condado de Benavente en el siglo XV, Benavente 1998, pp. 272–279. Pascual Martínez Sopena, El Estado señorial de Medina de Rioseco bajo el almirante Alfonso Enríquez (1389–1430), Valladolid 1977, pp. 153–157. Bartolomé Yun Casalilla, Sobre la transición al capitalismo en Castilla  : economía y sociedad en Tierra de Campos (1500–1830), Valla­ dolid 1987.

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ing on Quasimodo Monday – the “Pascuilla” fair – and another 30-day fair in August)  ; and Villalón (the great fair of Lent and the less important one of Saint John). As of the late 15th century, these three major fairs thus became the channels through which goods were traded in most of Castile. Their being spread out over different months and over the agricultural year meant that merchants and country folk from all over could come to buy and sell  : from Galicia and the Cantabrian coast, the Duero valley, Portugal, Aragón, Valencia, Catalonia, Navarre, Toledo, La Mancha, areas of Andalusia and Murcia. Their role as redistribution centres was only comparable to that played at the time by Seville for the whole of southern Spain, the Canaries, North Africa and America. In sum, anybody, whether Castilian or foreign, who wished to engage in any substantial amount of trade in the Iberian Peninsula had to come these fairs. Prominent amongst the great Castilian fairs were those of Medina del Campo. The amount of business conducted, both in the May and in the October fair, always outstripped those of Villalón or Rioseco. Whereas the latter’s sphere of economic influence remained almost exclusively Castilian, acting as a bridge between the Duero valley and Atlantic Spain, the 16th century fairs at Medina del Campo were the real international fairs. Together with country folk and retail traders, dealers and pedlars, many merchants from other parts of Spain attended. These were headed by merchants from Burgos who, in the 15th and 16th centuries, held the greatest international weight in Castile. Yet, merchants also came from the Basque Country, Segovia, Salamanca, La Rioja and Valdezcaray, Navarre, Cuenca, Toledo, Ciudad Real, Extremadura, Cordoba, Valencia, Aragón, Barcelona and Perpignan. There was also a large contingent of traders from Lisbon and, particularly, from inland Portuguese towns. These were joined by many others from Italy (from Genoa, Milan and Florence) as well as some Flemish. Nor was it unusual to find others from France, England and Germany14. The primacy of the General Fairs at Medina del Campo, Villalón and Medina de Rioseco over the other fairs and markets in Castile as well as over other kingdoms in Spain and even Portugal came as a result of their becoming Fairs of Payment. Despite the aspirations of other towns and exchange centres, the Catholic Monarchs and, later, Charles V, established that it should be these towns which should also act as centres for receiving private and public payments in Castile and which should act as clearing centres where bills of exchange drawn up both domestically and abroad should be issued and settled. For this purpose, some of these fairs (those held in May and October at Medina del Campo, Lent at Villalón, and August at Rioseco) adapted their calendars and means of payment to those used at the fairs in Brabant and, later, Lyon. In this way, bills of exchange issued 14 Hassan Abed Al-Hussein, Trade and Business Community in Old Castile  : Medina del Campo 1500– 1575, East Anglia 1982. Hilario Casado Alonso, Medina del Campo Fairs and The Integration of Castile into 15th to 16th Century European Economy, in  : Cavaciocchi (ed.), Fiere e Mercati, pp. 495–517. Gerald Grommes, Netzwerke und Geschäftsstrukturen kastilischer Messebankiers im 16. Jahrhundert, in  : Gabriele B. Clemens (ed.), Schuldenlast und Schuldenwert  : Kreditnetzwerke in der europäischen Geschichte 1300–1900, Trier 2008, pp. 85–108.

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at any of these places could be settled at the corresponding fairs held in other parts of Europe. Such was their success that, after the early 16th century, they eclipsed all the other exchange centres in the Iberian Peninsula, whilst also becoming some of the most important fairs of payment in Europe. As a result of their generating such a large amount of money and credit – the arrival of precious metals from America only serving to enhance their leading role –, the volume of trade in goods and services increased. In sum, one of the main pillars of the Spanish economy from the late 15th century up to the second third of the 16th century was, to a large extent, grounded in these four fairs of payment15. Such developments had already begun to take place after the late Middle Ages in certain Flemish and Brabant fairs (Bruges, Antwerp and Bergen-op-Zoom) as well as at some Italian exchange centres. At a time when it was becoming increasingly necessary to transfer money around what was now a vast commercial space, transporting heavy bags of coins from one place to another to change into local currency depending on their weight in gold or silver proved totally inefficient and dangerous and was no longer viable. In order to overcome such hurdles, Florentines and Genoese had come up with a more effective system in the late 14th century  : bills of exchange. This meant that anybody wishing to transfer money from one exchange centre to another merely had to issue a bill of exchange which could be settled at another exchange centre. This system, together with other innovations such as double-entry accounting, maritime insurance or mercantile mathematics, raised the Italians to the position of the real owners of the money trade throughout Europe. It therefore came as no surprise that wherever Genoese, Milanese, Florentines, Pisans or Venetians were to be found, so were these monetary systems. In Spain, they first appeared in areas controlled by the Crown of Aragon (Barcelona, Valencia, Mallorca and Zaragoza) which, after the late 14th century were the main Spanish exchange centres. The kingdoms of Castile lagged some way behind when it came to knowledge and use of such financial instruments. Yet, as has been so superbly described by Professor Felipe Ruiz Martín, such progress began to emerge in the early 15th century. Seville in 1429 was thus already an exchange centre, and was followed by Valladolid, Salamanca, Burgos, Cuenca, Granada, Toledo and so forth. Added to this was the fact that in 1420 King Juan II liberalised exchange in gold and silver, thus paving the way for the appearance of banks and bankers in some Castilian cities following on from the economic growth which Castile was enjoying at the time. However, negotiating and transferring money via bills of exchange in this diverse map of exchange centres proved chaotic and hindered payment. 15 Hilario Casado Alonso, Crédito y comercio en las ferias de Medina del Campo en la primera mitad del siglo XVI, in  : Elena García Guerra/Giusseppe de Luca (eds.), Il mercato del credito in età moderna. Reti e operatori finanziari nello spazio europeo, Milano 2010, pp. 21–47. Markus A. Denzel, “La practica della cambiatura”. Europäischer Zahlungsverkehr vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, Stuttgart 1994. Idem, Handbook of World Exchange Rates, 1590–1914, Farnham/Burlington 2010. Idem, From the European to the World-Wide Cashless Payment System (16th to 18th centuries). A Survey, in  : Antonio Miguel Bernal (ed.), Dinero, moneda y crédito en la monarquía hispánica, Madrid 2000, pp. 705–725.

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As the Flemish and Brabants had so rightly done when setting up the fairs at Bruges and Antwerp, which was later emulated by the French with the appearance of those at Lyon, negotiation of exchange rates needed to be centralised at just a few exchange centres. Put differently, there was a need to establish fairs for trading goods which could also double as fairs of payment since, together with what were purely trade deals, political regulation existed, enabling bankers to issue and clear money transfers. Deciding which exchange centres to choose proved extremely difficult for the Castilian monarchs. There were powerful financial centres at Burgos, Toledo and Seville and the general fairs at Valladolid, Medina del Campo, Villalón and Medina de Rioseco16. Medina del Campo had much in its favour. Apart from enjoying the support of Queen Isabel the Catholic, fearful of the powerful urban oligarchies at Toledo, Valladolid and Seville, it was also a town in which many local and outside bankers (from Burgos, as well as Jews and converts) had settled since the mid-15th century, acting as tax collectors to the crown. In addition to lending money to the crown, they conducted many lucrative business deals with the traders who came to their fairs. Moreover, the town was home to a powerful colony of merchants and bankers from Genoa, Milan and Florence, who were familiar with the new trade and financial instruments. As a result, after 1485 and 1486, the goods fairs held in May and October at Medina del Campo and Villalón doubled as fairs of payment for negotiating bills of exchange, public and private credit and other financial assets. Recent research has confirmed this hypothesis and has suggested an even earlier date. It is evidenced by the documents of Valencia how Medina del Campo was one of the main places from where Italian financiers issued these banking instruments for transferring the money they needed to buy wool or sell silk in Castile. The discovery of 17 original bills of exchange signed at Medina del Campo, Villalón, Segovia and Burgos –documents extremely hard to find given that they tended to be discarded once they had matured – provides us with insights into how such fairs of payment worked. These bills were issued by a company charged with customs tariff collection in Seville, the company formed by Gonzalo de Segovia, Pedro del Campo, Álvaro de Soria and Pedro Gómez de Tapia, linked to the powerful Segovian family of the Coronels, financiers to the Catholic Kings, to transfer the profits made in Andalusia to Medina del Campo between 1495 and 1501. As expected, involved in the transfer of the money were the same people as those in the bills of exchange sent to Valencia  : the bankers and dealers from Italy (Grimaldi, Scagia, Giustiniano, Franchi, Pinelo, Boniseni, Cerezo, Catano, …) and from Burgos (Castro, Carrión, Maluenda, Santa Cruz, Ortega de la Torre, Haro, …). Such facts serve to highlight how cosmopolitan Medina del Campo was at the time. What is more, two of the bills of exchange were endorsed, another clear indication of how forward-thinking and advanced 16 Felipe Ruiz Martín, La banca en España hasta 1782, in  : El Banco de España. Una historia económica, Madrid 1970, pp. 1–196. Idem, Orígenes del capitalismo en Castilla, in  : El tratado de Tordesillas y su época, Madrid 1995, Vol. I, pp. 177–196.

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the financial instruments employed there were. It is not surprising, therefore, that the fairs of payment at Medina del Campo should overshadow such powerful exchange centres as those of Valladolid, Toledo or Seville and should even replace those of Aragón, particularly at Valencia and in Portugal17. Medina del Campo also witnessed the international trading of bills of exchange at an early stage. The Archive of the Royal Chancellery at Valladolid houses five original bills of exchange dating from 1493, issued at fairs and sent to La Rochelle, Antwerp and Florence by the Sahagún company in Burgos, confirming this. The bill of exchange was, therefore, widely used at the time by the Castilian and foreign businessmen who attended the fairs at Medina del Campo, Villalón and Medina de Rioseco, as reflected in the notarial documents in these towns. It is therefore not surprising, and in no way open to doubt, that the fairs held in these towns at the time constituted the most important centres of finance at an international scale. Once the unrest sparked by the Comunidades uprising had been dealt with, it was only logical that the deals struck at the May and October fairs – together with the Lent fair at Villalón and the August fair at Medina de Rioseco – should increase, making them some of the most important fairs of payment in Europe. The remarks made by an anonymous Milanese traveller visiting the town in 1518 that  : Medina seria tristta cosa, ma le ferie la fano bonna  : si fano ogni anno due ferie, le megliore di tutta Spagna. Una cominzia al principio di novembre et dura insino a Natale, et questta è la megliore  ; l’altra cominzia al primo di magio et dura insino al primo di augustto. Quando non è pestte, a dicte ferie se li ritrovano durante la feria forastieri 10.000,

would thus seem wholly justified18. After the 1520s, the system of major international fairs in Spain, comprising the two fairs at Medina del Campo together with those of Villalón and Medina de Rioseco, was fully active and running and playing the twin role as goods fairs and fairs of payment. Fairs functioned in a quite straightforward manner. Once the merchants had taken up their position around the various streets and had set out their goods, business began. Negotiations were interpersonal, with the major international dealers or their agents offering their ware wholesale. This was bought by other dealers and shopkeepers as well as 17 David Igual Luis, Los mercaderes italianos y las relaciones económicas entre Valencia y Castilla en el siglo XV, in  : Relaciones de la Corona de Aragón con los estados peninsulares (siglos XIII–XV), Zaragoza 1997, vol. II, pp. 135–151. Enrique Otte, Sevilla y sus mercaderes a fines de la Edad Media, Sevilla 1996, pp. 173–175. Hilario Casado Alonso, Comercio, crédito y finanzas públicas en Castilla en la época de los Reyes Católicos, in  : Bernal (ed.), Dinero, moneda y crédito, pp. 135–156. Idem, Circuitos comerciales y flujos financieros en Castilla a fines de la Edad Media e inicios de la Modernidad, in  : Estados y mercados financieros en el Occidente cristiano (siglos XIII–XVI), Pamplona 2015, pp. 273–307. 18 Luigi Monga (ed.), Un mercante de Milano in Europa. Diario di viaggio del primo Cinquecento, Milano 1985, p. 122.

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by pedlars and country people who purchased in small quantities. All deals were private, with the municipal authorities intervening only when required to deal with disputes. Using a double entry accounting system, each trader was obliged to keep a record of all his transactions in his fair books. A look at those which have survived reveals how many of the sales were conducted on credit, to be settled at upcoming fairs or through the intermediation of a banker. At the end of each fair, the various promissory notes, bills of exchange or interbank loans were cleared. This system was highly flexible, such that there was very little need to use actual cash or to transport money. Once a fair was over, the same actors, or almost the same, moved on to the next. The season began with the Lent fair at Villalón, crucial to the fish trade for the whole of inland Spain, before continuing with the Pascuilla at Rioseco, after Holy Week, and then the grand May fair at Medina del Campo. This was followed by the fair of San Juan at Villalón, where the purchase of agricultural tools prior to harvest was conducted. The August fair at Rioseco, after the harvest had concluded, offered peasant farmers the chance to sell their crops. The season drew to a close with the October fair at Medina del Campo which, once the crop harvest had been gathered and grape picking had concluded, heralded the high point for buying and selling. This resulted in one fair feeding the following one, since purchases made at one were paid for at subsequent fairs. Although the two fairs at Medina del Campo enjoyed the largest volume of business, those at Villalón and Rioseco were closely linked, and all of them benefitted mutually. However, the system was yet more complex, since the organisational calendar of the local and district market fairs depended on these general fairs such that, having acquired their goods, small-scale traders would travel around the lesser fairs selling their products to the inhabitants of small villages in Spain and Portugal. The fairs at Medina del Campo are well documented19. Although few documents survive which allow us to gauge the volume and structure of the transactions that took place at the fairs, what can be established is that the goods which were most commonly traded at the fairs in Medina del Campo in the late 15th and throughout the whole of the 16th century were wool, spices, books and, particularly, textiles and money. Trading in these goods was carefully regulated by the town’s municipal authorities through the “First byelaws governing Fairs” set out in 1421. These laid down in great detail where all of the merchants attending the fair should take up their position depending on the type and origin of the goods being sold. Except for a few minor alterations in subsequent bye-laws, these remained in force throughout the 16th century. In theory, the system was designed to ensure that the goods sold were being traded fairly. Separating the sellers into different streets depending on the type of goods being sold at the various stalls and also requiring the vendors to take up residence there was aimed at preventing consumers from being cheated and at providing them with assurances as to what type of products they were buying. Likewise, said bye-laws also guaranteed the owners of the dwellings, many of whom 19 Antonio Sánchez del Barrio (ed.), Comercio, mercado y economía en tiempos de la reina Isabel, Medina del Campo 2004.

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were members of the local oligarchies, healthy and sure-fire income for the duration of the fair since they held a monopoly on the housing market. It therefore comes as no surprise that one of the visiting traders’ most common grievances when attending the Medina del Campo fair was the high cost of the rent they were charged and the shortage of houses to stay in and places to store their goods. As a result, for the better part of the 15th and 16th centuries, the convent of Saint Francis was used during the fair for storing the goods brought by traders. Aside from banking and money transactions, textiles provided a significant part of the trade conducted in the town, both during the actual fairs and also when they were not being held. Surviving tax documents bear witness to this, since at the end of the 15th century the duties levied on the sales of textiles alone accounted for 30 % of the total value of alcabalas (sales tax) in Medina, for 20 % between 1508 and 1537, and 27 % in the second quarter of the century. Said trade was regulated by successive laws on the sales of textiles and linen laid down by the monarchs, commencing with the Catholic Monarchs in Medina del Campo in 1494, which reflected much of the previous legislation. These laws clearly set out how the various types of wool cloth, silk, cotton and linen were to be sold separately, in an effort to prevent any kind of fraud being committed with regard to weights and measures, type of warp, dyes, mixtures of fibres, finish, etc.20. It is known that a wide array of textile products was available in Medina del Campo during the first half of the 16th century. These ranged from domestic to a large number of foreign textiles. Prominent amongst the former were wool, from Segovia, Toledo and Cuenca, Catalonia, Avila, Piedrahita, Ciudad Real, Aragón, Cameros Dueñas, La Nava, Tordesillas, Valladolid, etc. Together with these, the market at Medina also offered a wide variety of textiles from overseas  : from Flanders, England, France and Italy. In sum, there were woollen cloths of all prices, warp, colours and qualities, sufficient to meet the needs and tastes of a broad cross-section of social groups. Together with the woollen cloths, linen was the other major textile product traded at Medina del Campo. Local linen was generally of poor quality and was barely found outside domestic markets. Portuguese linen, which also occasionally appeared on the market at Medina, was also coarse. This explains why foreign linen products were so readily accepted at the fairs in Medina del Campo and, by extension, in Spain and America for making tablecloths, shirts, undergarments, cushions, quilts and bedclothes. The first linens to appear on the market at Medina came from the Netherlands and accounted for 44 % of all the textiles exported to the Iberian Peninsula by the Netherlands in the mid 16th century. These included linen from Holland, Oudenaarde, Brabant, Hainaut together with others from Kozhikode and Rouen. All of these are documented for Medina from the end of the 15th century, although after this period was when trade in them really 20 Hilario Casado Alonso, Comercio textil, crédito al consumo y ventas al fiado en las ferias de Medina del Campo en la primera mitad del siglo XVI, in  : Salustiano de Dios/Javier Infante/Ricardo Robledo/ Eugenia Torijano (eds.), Historia de la propiedad  : crédito y garantía, Madrid 2007, pp. 127–159.

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boomed, up to the middle of the following century with the triumphant arrival of linen from Brittany imported by companies in Castile, one of the most important being the Ruiz company. Cotton was also imported from abroad and was generally traded by the same merchants who sold linen. These merchants also dealt in thick as well as lighter blankets from Palencia, Burgos and elsewhere. Holding pride of place were the silks. These included satins, taffeta, damask and velvets from Granada, Toledo, Valencia, Florence and Genoa, although sales of non-woven silk were also common. Related to the trade in fabrics, albeit with its own particular characteristics, Medina del Campo also witnessed intense trading in haberdashery. The inventories of some of its shops reflect how they stored a wide range of goods  : bags, hats and caps, belts, laces, rosary beads, buttons, mirrors, small storage cases, shirt collars with frills, shirt cuffs and shirt cuffs with frills, gloves, various kinds of threads from different places, fabrics with gold threads, needles, pins, knives, and so on. Many of these came from abroad, especially from the Netherlands and France. Together with all these articles, other goods that were traded in large amounts at the fairs in Medina were carpets and particularly tapestries. The latter – offering motifs of figures, vegetables (green vegetables) or arms – came from Flanders and were used to cover walls, in some cases to make cushions or cover seats, for doorway entrances, bed testers, bed drapes, cloths ornamented with coats of arms, wall coverings etc. In sum, a wide range of textiles was available at the market in Medina del Campo during the first half of the 16th century. How was trading of these textiles organised  ? First, it should be mentioned that a vast number of merchants came to these fairs to sell their goods wholesale. This large group included those who imported textiles from abroad. The most powerful at the time were those from Burgos, who were the leading international merchants in Castile. Having established themselves in the Middle Ages in the main European markets, where they controlled the Castilian merchant colonies that had been set up there, they devoted much of their business to trading textiles from Spain, England, the Netherlands, Germany, France and Italy for export to the Iberian Peninsula, America and other parts of Europe. In Spain, one of the main trading points was the fairs at Medina del Campo. In addition to textiles from both overseas and other parts of Spain, Medina del Campo was, above all, the principal market for dealing in Castilian woollen cloths. These were taken by merchants from said locations, some of them also being merchants/manufacturers, who sold directly at the fairs to whoever happened to be there, although preferably to other merchant resellers, since sales tended to be of large pieces. They also supplied textiles to local shopkeepers in Medina, who sold retail throughout the year, as they ran permanent shops in the town and sold both during the fair and when it was not being held. They tended to specialise and were drapers, sellers of linen, or haberdashers, although it was not uncommon for them sell a range of different textile products at the same time. Together with trade in textiles and their subsequent redistribution throughout the whole of the Iberian Peninsula and America, Medina del Campo was also the main centre for dealing in books and paper in 16th century Spain. This meant that the fairs not only

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played a key economic role but also a cultural one, since they provided the means through which ideas were channelled between Europe and the Hispanic empire. This role is one that is not sufficiently stressed in the books which explore the history of European fairs. The emergence of the book trade went hand in hand with the appearance of the printing press and, after the late 15th century, provided the main source for supplying books to Castilian universities. Yet, the number of booksellers in the town was scarce, and sales remained weak, although this began to change in the late 1520s, when, in 1529, Guillermo De Millis settled in Medina, selling books on behalf of Vicencio De Millis from Lyon. He was followed the next year by Juan Roclin, a German living in Lyon, who visited the town, and who left his servant Tomás Perier there. However, the great boost to book selling and imports came about in 1530. In January, a company agreement was signed between ten booksellers from Salamanca and the merchants-booksellers of German origin who had settled in Lyon, Gaspar and Melch or Treschel and Lorenzo de Anticeno, the latter acting as a servant. They were joined by a private investor, Guido Herle (Ehrle), a German printer resident in Lyon. This company came to be known as the Grande Compagnie Lyonnaise, the Grande Compagnie or simply as the company. Its aim was to import books from Lyon to Medina del Campo for subsequent distribution in the Spanish market, particularly in Salamanca, where the 5,000 to 7,000 students were a guarantee of success for the firm. Yet, the history of the company was not devoid of legal disputes. Thanks to the documents related to these, we know that between 1530 and the May fair of 1533, a total of 536 bales of books printed in Lyon, Paris and Germany were imported. Thanks to their inventories, we know that all of these had been purchased in various fairs in Europe and totalled 30,761 books, valued at 19,364 French livres, 16 sols and 1 denier, equivalent to 3,864,969 maravedies. Such large sums speak for themselves of the company’s economic as well as cultural importance. The presence of this Compagnie marked the arrival of many other printers-booksellers at Medina del Campo. Around 1550, there were large shops linked to Lyon and devoted to imports. These were Osandon, Giunta, Senneton, Rainaud, Rouille, Tingui, Beraud, de Millis, Pesnot, Bonnefont, Duport, Baudinand Landry, in addition to the already-mentioned Gaspar Treschel. Some of these booksellers even married the daughters of other local booksellers in an attempt to cement their quite fierce business relations, since up to 141 booksellers were known to be trading in 16th century Medina del Campo. These businessmen from Lyon and in some cases from Thiers organised their business in the following way. The main houses in France received the orders or decided what shipments to send of the books published by the main European publishing companies. They specialised in areas which we might today call international, special, professional and generally expensive books, catering for a wide public. Purchases were made at the fairs in Lyon and shipments were transported seaborne, normally via Bilbao. Once the raw books had been received, in reams, they were stored in Medina, from where they were distributed throughout the Iberian Peninsula. If the clients required the books to be bound, which was more common when they were being shipped to the Americas, this was normally done in Salamanca. The

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end result was substantial profits, since a percentage had to be added at each stage of the operation. It can thus be said that the Lyonnais had what amounted to a near-monopoly of the book trade in 16th century Spain. It was not surprising, therefore, that many Spanish writers made use of their services to have their books published in Spanish, such that it was these merchants who decided where they should be printed (Lyon, Paris, Basle, Nuremberg), depending entirely on where they could be printed most cheaply rather than taking account of any cultural or language concerns. What they were interested in was selling books and not the quality of what was being printed or sold, a matter which has often escaped the attention of scholars exploring the history of literature and culture. The sheer volume of books these Lyonnais merchants-printers dealt in was such that (with the subsequent scale economies and diversification) no domestic printer in Spain was able to compete. At the time of his death in 1571, the above-mentioned Gaspar Treschel had some 16,000 books stored. Even more striking is the case of Benito Boyer’s shop. Said dealer, who was from Lyon, settled in Medina del Campo in 1556 and, accompanied by a succession of servants, spent his life travelling around all the various fairs in Europe, buying books and setting up companies in conjunction with other book merchants. The inventory conducted after his death shows that his catalogue spanned 1,740 different titles, 1,130 of which were foreign (55.9 % French, 17.4 % Flemish and 26.6 % Venetians) and 610 Spanish. Yet, what is more interesting from the financial standpoint is knowing that he had 25,758 copies stored away, of which 19,879 were printed abroad and 5,879 in Spain. The catalogue includes books of all kinds, although prevalent were those related to theology, law and arts, which were the best-sellers at the time. It thus came as no surprise that Medina del Campo supplied students at the universities of Salamanca and Valladolid, which had the largest student population in 16th century Spain. However, the book trade began to fall into decline after 1600, with only one large shop surviving in Medina, that of Pedro Landry de Lyon, which eventually closed in 1610 and relocated to Madrid, a further indication of the decline of towns in the Duero valley in the 17th century, when power was centralised to Madrid21. Linked to the book trade at the fairs in Medina del Campo was the paper business. Here, the links with Lyon were weaker, since it was the merchants from Thiers, who had lived in Castile since the 1520s, who held the upper hand. Prominent amongst them was François Nevrèze, who was the French merchant – living in Medina between 1561 and 1599 – that did most business in Spain. He devoted himself to importing paper, books, haberdashery, scissors, cards, fabrics and cloths and even exported Castilian wool. To undertake all of these activities, he set up a partnership with the Ruiz family, from Nantes and Medina del Campo, and with the del Barco family from Bilbao, drawing on the generous financial backing he was afforded by the bankers in Lyon who were from Lucca. 21 Idem, Les relations entre les foires de Castille et les foires de Lyon au XVIe siècle, in  : Jean Louis Gaulin/ Susanne Rau (eds.), Lyon vu/e d’ailleurs (1245–1800)  : échanges, compétitions et perceptions, Lyon 2009, pp. 91–108.

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However, the fairs at Medina del Campo were also large financial centres where international financial deals were struck. As pointed out earlier, the May and October fairs, and to a lesser extent the Lent fair in Villalón and the August fair in Rioseco, arranged their payment calendars so as to fit in with those of the leading fairs at Antwerp, Lyon, Frankfurt on the Main, Besancon and Piacenza to thus enable the transfer of money by negotiating bills of exchange issued at one exchange centre and payable at another in a different country. Fairs where goods were traded were thus held together with the fairs of payment. The system was straightforward. Major dealers and, particularly certain merchants-bankers (sometimes so-called “fair bankers”) issued and/or accepted bills of exchange carrying out orders from their respective clients. In other instances, it was their representatives at the various exchange centres who sent the money transfer orders to the bankers in Medina. All of these operations were noted down in the various account books. At the end of each day, and especially after the fair, they all gathered to check their accounts so as to establish the amounts due on each bill of exchange issued. They also established the resulting exchange rate to be applied to each of the currencies used in each bill of exchange, depending on the strength of demand, the so-called larghezza and strettezza in contemporary jargon. It was a risky business, since much of the profit from these transactions depended on trust and, above all, on a very precise knowledge of market fluctuations. As a result, few people were involved in these financial deals. Yet, the advantage of holding these fairs of payment was enormous, since money could thus be transferred throughout the vast financial space of 16th century Europe using only accounting notes and letters – which reflected the payment orders and recovery orders –, together with the actual bills of exchange. The result was that any trader wishing to send or receive money in Spain, Portugal and America had to use the May and October fairs at Medina del Campo. Together with the bills of exchange, other financial transactions took place at the fairs such as payment of credit obligations, insurance policies, promissory notes and even some of the many debts (censos – equivalent to a modern day mortgage) incurred by farmers. And as if all of this were not enough, the other major business was payments to the crown. At these fairs, large amounts of public debt (juros) and major loans (asientos) were settled  : hence the tremendous significance these fairs had and the importance of the calendar working correctly. On their proper functioning depended the whole credit pyramid that had grown up around the Spanish economy and which affected every social group, even in the most remote areas22. It is impossible for us to know how much money changed hands during the 15th and th 16 centuries at these fairs, since negotiations were conducted privately without any public authority intervening to keep a record of the transactions. Yet, the figures must have been extremely high, since we should bear in mind that, at the time, Spain was one of the wealthiest economic markets in Europe and the point of entry for many shipments of precious metals from the Americas. This explains why all the European financial and 22 David Carvajal de la Vega, Crédito privado y deuda pública en Castilla (1480–1521), Valladolid 2013.

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mercantile companies wanted to do business at the fairs in Castile. We do, however, have some approximate figures provided by data from certain companies. The Gallo company fair account book of 1527 shows that 39 bills of exchange were issued to a value of 23,282 gold crowns at the Flanders fairs and that the company also acted as an intermediary with dealers in Lisbon with other bills of exchange. In 1535, 1537 and 1538, the Castro Mújica company in Bruges issued 78 bills of exchange to a value of 56,305.41 ducats at the fairs in Antwerp and was also involved in others issued at the fairs in Lyon23. Yet, what proves most revealing is the analysis of the bills of exchange in the Archive of Simón Ruiz, which houses some 21,000, spanning 1553 to 1606. A study of half of these has revealed that they were issued at 68 different places, prominent amongst which due to their large numbers, in addition to those from Spain, were those issued at Antwerp, Lyon, Lisbon, Oporto, Elvas, Piacenza, Florence, Rome, Naples, Genoa, Rouen, Nantes, Paris, Lille, Calais, Luxembourg, Cologne, Middelburg and Bruges. Such a list gives an idea of the international dimension of the Castilian payment fairs24.

4. The Decline of the Great Castilian Fairs The golden age of international fairs in Castile occurred during the first half of the 16th century and, particularly, during the reign of Charles V, after which they would first encounter a period of difficulties before eventually disappearing. As pointed out, much of Spain’s economic activity, particularly merchant activity, revolved around credit. Many sales and purchases were conducted on credit and, in particular, major deals were sealed at the fairs. As a result, it was essential for the whole apparatus surrounding the fairs to run smoothly and for there to be no delays in payment and for each fair to conclude on time. All of this depended on having a healthy economy, but also on ensuring that basic transactions worked perfectly so that no merchants or bankers would go bankrupt. The Achilles’ heel of the fair system in Castile thus lay in the hands of the monarchy. On the one hand, it was dependent on the fleets arriving safely in Seville from the Indies, laden with precious metals and spices, and on the other on the Royal Treasury paying its debts on time. The first danger signals appeared when Philip II went bankrupt in 1557, leading to a period up to 1578, when a decree was issued ceasing payments at certain fairs and cancelling other fairs. This led to both large- and small-scale merchants, bankers and the king’s moneylenders going bankrupt, ruining the whole financial system at the fairs. Combined with the bankruptcy of 1574, this collapse forced the king into action, since he saw that Spanish finances were falling into foreign and, particularly, Genoese hands. As a result, he again rigorously regulated the payment 23 Casado Alonso, Circuitos comerciales. 24 Sara Maria Costa Pinto, A Companhia de Simón Ruiz. Análise espacial de uma rede de negócios no século XVI, Porto 2012.

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calendar and commanded that four major banks should be set up to provide sound guarantees vis-à-vis money. This worked, and indeed the fairs were held regularly until 1594. Business flourished, since this was the period that witnessed the arrival of the most gold and silver from the Americas25. Yet, all of this proved a mere illusion. The ills of the Spanish economy were far more deep-rooted. On the one hand, the backbone of international Castilian trade, which linked Burgos to France and the Netherlands, had fallen into a crisis. Efforts to conquer fresh markets, such as the route with Florence, helped little. All of this led to the bankruptcy or disappearance of many large companies. However, things were also changing within the actual structure of domestic trade in Castile. On the one side, the trade centre was clearly shifting towards the south and, particularly, Seville, which at the time was witnessing a surge in trade with the Americas. The merchants and manufacturers from the Duero valley were selling their fabrics ever more southwards, where people’s buying power remained high. Yet, in that area, traders from Medina del Campo or Burgos were forced to compete with other trade networks, some of which lay in the hands of foreigners. Added to all of this were the unceasing ills of the Royal Treasury, under ever-increasing strain due to the expenses caused by the wars the Spanish Monarchy was engaged in. This led to a spectacular rise in debt, such that Philip, much to his dismay, found himself in the hands of Genoese moneylenders. The end came with bankruptcy in 159726. If we add to these setbacks the crisis which began in the 1580s in village agriculture in the northern Meseta in Spain, the overall picture at the fairs in Medina del Campo was one of gradual decline. Moreover, the close links that had been forged since the fairs at Medina del Campo were first held between the development of the financial market and international trade meant that when the former fell so did the latter. The two other towns where fairs were held (Villalón and Medina de Rioseco) – more closely connected to district markets and trade with the Atlantic regions of Spain – meant that their eventual demise would follow just a few decades later. Despite failed attempts to transfer the fairs to Burgos between 1601 and 1604, the situation proved irreversible. The fairs now faced new competitors and more efficient ways of transferring money in the shape of stock markets and international banking. The above-mentioned fairs were to slowly lose their importance as fairs of payment, the major bankers – mainly the Genoese and, later, Portuguese and Dutch – gradually preferring to do their business in Madrid, where the court resided. Even financial centres such as Seville or Valencia gained in importance in the early years of the 17th century. Madrid had thus become the centre of trade in money as well as in goods for the Spanish economy. The fairs at Medina del Campo, Villalón and Rioseco had been reduced to mere district and principally agricultural and livestock fairs. 25 Carlos Álavarez Nogal/Christophe Chamley, Debt Policy under Constraints Between Philip II, the Cortes and Genoese Bankers, in  : The Economic History Review 67, 2014, pp. 192–213. 26 Marcos Martín, España en los siglos XVI, pp. 321–530. Bartolomé Yun Casalilla, Marte contra ­Minerva. El precio del Imperio español, c.1450–1600, Barcelona 2004.

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They may have done more business than other neighbouring fairs, but their significance in qualitative terms was the same, a situation continuing up to the present day27.

5. Spanish Fairs during the 17th, 18th and 19th Centuries The fact that fairs in Castile lost their international status, particularly as centres of money transfer, did not lead to fairs disappearing in Spain. Fairs and markets survived as regional and district fairs, which is what they had been in medieval times. The economic crisis of the 17th century sparked a decline in domestic Spanish trade which, together with the downfall and collapse of public institutions, meant that many fairs and markets were left languishing. It was not until the 18th century that economic recovery brought about an upturn in trade. The thinkers of the time, spurred on by the spirit of the Enlightenment, were convinced that any increase in trade would have a positive impact on the country’s progress. They thus urged improvements in communication networks which, whilst still insufficient, did lead to a better flow of goods. Above all, they sought to ensure there were no major price differences between inland Spain and its coastal regions. For Spanish ministers as well as for those in other European kingdoms in the 17th century, fairs and markets were a way for the kingdom to progress. This led to fresh privileges being granted for the creation of new fairs and to regulation being introduced on all existing fairs, endowing them with their respective ordinances in an effort to avert conflicts. Reports were issued on all the existing fairs with a view to ensuring they were staggered throughout the year. Such support was not without its financial side, since the State was thus able to exert greater control over domestic trade as well as secure itself more revenue in taxes28. In sum, the splendour of 18th century fairs and markets should not be viewed as a reminiscence of the past but as something which went hand in hand with the economic growth of the period. The fairs also allowed for the development of districts and provinces. Their growth in number in the second half of the 18th century merely reflected the increasing need for new ways of trading that were more stable, better adapted to constant demand and which were able to deal with increased trade. It should be remembered that this century witnessed a huge increase in the population and that agriculture and livestock boomed. This entailed the need to ensure the supply and distribution of all kinds of products for the many layers of society. Fairs continued to be where Spaniards did most 27 José Ignacio Martínez Ruiz, The Credit Market and the Profits from the Letters of Exchange. Ricorsa Exchange Operations between Seville and the Besançon Fairs (1589–1621), in  : Journal of European Economic History 33/2, 2004, pp. 331–355. Claudio Marsilio, “O dinheiro morreu. Paz à sua alma danada”. Gli operatori finanziari del XVII secolo tra investimenti e speculazioni, Palermo 2012. 28 Gonzalo Anes, Las crisis agrarias en la España moderna, Madrid 1970. Jaime García Lombardero, La agricultura y el estancamiento económico de Galicia en la España del Antiguo Régimen, Madrid 1973. Jaume Torrás/Bartolomé Yun Casalilla, Consumo, condiciones de vida y comercialización. Cataluña y Castilla, siglos XVII–XIX, Valladolid 1999.

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of their trade. They may not have been the huge attraction they once were and they may, on occasions, have been held for shorter periods of time compared to those of the 16th century, yet they did allow the various regions in the country to keep in touch and they did maintain their economic vitality. The financial fairs became rural, reduced to selling consumer goods for the locals. The aim was to make them coincide with other events that would endow them with greater importance, arranging for them to be held at the start or end of the agricultural season so that farmers could sell off the surplus from their harvests and obtain what was needed to embark on fresh agricultural projects. In most cases, fairs were intended for the local inhabitants or for those from the province and were only held in the provincial capitals. When staged at a privileged location, they were able to attract people from outside the immediate area and could draw merchants from other regions. They tended to specialise in selling livestock, although at the same time they also offered other basic commodities and fabrics as well as gold and silverware29. In addition, they provided the showcase for new items spawned by the latest fashions or for strange and exotic products. There were even social groups such as the Maragatería or Cameros who specialised in transporting and trading goods throughout the whole of Spain30. The same can be said of other traders from Catalonia such as those from Copons, Tortellà, Olot, Manresa and Vic, who travelled from fair to fair around Aragon and Castile, selling goods from Catalonia and setting up branches throughout the country31. However, the world of retail trade began to undergo a change in the second half of the th 18 century. In the cities, and particularly in those that were important financial centres, although in others as well, seasonal fairs and markets began to take second place to shops and permanent commercial establishments. Although these had already appeared in previous centuries, they now grew in importance and many specialised in certain products, be it food, fabrics or other items. This is reflected in Madrid, Barcelona, Cadiz, Seville, Bilbao, Valladolid and other cities. Even if they were farmers, customers no longer needed to go to the fair to obtain supplies. They could do so all year round in the capital’s shops. Cities even attracted inhabitants from many areas of inland Spain, as was the case for Madrid. This meant that certain traders in these cities, those with sufficient capital, could set up their own distribution networks aside from the fairs. They bought wholesale, often from foreign merchants who had settled on the coast, and supplied them to their clients. This phenomenon increased in the 19th century. Free trade, together with the early improvements in communications thanks to the arrival of the railroad, meant that exchange of goods in cities and new ways of trading came to the fore. The fairs that were to survive were eminently rural and livestock fairs, some of which even lasted up until the 1960s. 29 María del Mar López Pérez, Ferias y mercados en Castilla al final del Antiguo Régimen, Madrid 2004. 30 Laureano Rubio Pérez, La burguesía maragata, León 1995. José Ramón Moreno Fernández, Serranos hacedores de paños  : pluriactividad y protoindustria en la montaña riojana, in  : Revista de historia industrial 25, 2004, pp. 11–48. 31 Asunta Muset Pons, Catalunya i el mercat español al segle XVIII  : Els traginers i els negociants de Calaf y Copons, Igualada 1997.

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Others were able to preserve the dates on which they were held, and become celebrations of markets or local holidays, albeit far removed from the spirit with which they were originally conceived. A different matter concerns the present-day trade fairs to emerge in the 20th century, all of which are linked to the phenomenon of celebration, attracting tourists, and of offering “pseudomedieval, Renaissance or Baroque fairs”.

Abstract The history of fairs in Spain closely resembles that of other areas in Europe. They first emerged in the 11th century, grew throughout the following centuries, and reached their height in the 15th and 16th centuries. This resulted in a close-knit network of fairs as well as local and regional markets in which a wide array of products were traded, ranging from agricultural produce and livestock to manufactured goods from both home and abroad. What is unusual in the case of Spain is that, together with regional fairs, the mid-15th century witnessed the emergence of others of an international scale  : the fairs at Medina del Campo, Villalón and Medina de Rioseco. These were the major centres for trading a wide range of products for Spain, Portugal and America. In addition to Spanish traders, many overseas traders also came. These included French, Flemish, Portuguese, German, English and, above all, Italian traders. Said fairs also provided a place where transactions involving bills of exchange, loans, insurance and other financial products between the Iberian Peninsula and America as well as the other fairs and markets in Europe could be negotiated. And, what is more important, they were also where the payment of the Spanish Monarchy’s loans and public debt was negotiated. The economic and political decline of the Spanish Monarchy after the late 16th century led to a major downturn for these fairs, which became mere centres for trading goods. During the 17th, 18th and 19th centuries, fairs continued to spread throughout Spain, although almost exclusively for dealing in agriculture and livestock, which was how they remained up to the 20th century. The negotiation of bills of exchange went, therefore, to be made by private banks outside the fairs.

Claudio Marsilio, Lisbon

The Italian Exchange Fairs and the International Payment System (XVI–XVII Centuries)

In order to fully understand the meaning of the exchange fair, it is necessary to clarify the concept of ‘compensation’ and the role of the bill of exchange, a commercial instrument used by the credit market in the early modern period. Comparable in its most simple forms to trading, compensation by contrast utilised many technical instruments that were not known when trade first began. In contrast to bartering, which involves just a single exchange done at the same time as the goods, compensation could be applied to a repetitive series of obligations. A fundamental characteristic of this method was that it could be concluded in a single operation (closed by a legal act, such as a notarised document), or it could be repeated, often at regular intervals, within a continuing collaborative relationship over time  : the classic example being the exchange between two commercial correspondents1. In the case of indirect compensation, a third subject was involved, created deliberately to allow for multilateral compensations, such as the clearing house. At Bisenzone2 the compensation took on a very evolved character, which involved more than two parties and made the most of the multilateral nature of the institution3. In the Medieval period, the term cambium referred without distinction to both cam­ bium sine litteris, the manual exchange, as well as per litteris. In the first case, the moneychanger (known as the campsor) received one type of currency and simultaneously paid back in another currency. To use the words of a contemporary, David Veronese  : “the exchange is a transformation which turns one type of money into a different one”4. In the case of an exchange done through a letter, or a “cambio traiettizio” (a foreign currency exchange), we are dealing with a private operation  : in this case a certain amount of money was exchanged in a given place which was then payable in another place and issued in the currency of this final location5. 1 Giuseppe Felloni, Profilo di storia economica dell’Europa dal medioevo all’età contemporanea, Torino 1993, pp.167–169. 2 Referring to the fairs of Besançon. The toponym was also used for all the Italian exchange fairs in the XVIth–XVIIth centuries. 3 For an update bibliography on the exchange fairs see  : Claudio Marsilio, Dove il denaro fa denaro. Gli operatori finanziari genovesi nelle fiere di cambio del XVII secolo, Novi Ligure 2008. 4 David Veronese, Prattica d’aritmetica mercantile di David Veronese nativo di Genova […], Genova 1627, p. 338. 5 Markus A. Denzel, Monetary and Financial Innovations in Flanders, Antwerp, London and Ham-

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The genesis of the exchange bill is still not clear  ; scholars are still discussing whether it derives from the instrumentum or the littera. However, it is true that, already from the first decades of the 15th century on, the bill of exchange was considered in all effects as a title of credit that was continuously growing, to the point that operations of exchange mainly concentrated on the buying and selling of bills of exchange6. Beyond its mercantile function, which facilitated payments in faraway places without having to send the money itself, the bill of exchange also affirmed itself in the financial world where it could be used in a valuable purchase, benefitting from the difference between the exchange rates across different commercial markets and disguising the interests of the credit operation. The tracta (letter) – which initially had only been used when a contract had been completed –became increasingly more important with the passing of time. Indeed, the material execution of the exchange became regulated through the single bill of exchange, the document compiled by a creditor who had the order to pay which was sent to their proxy. The bill of exchange was issued by the borrower of the money (known as the traente), who addressed it to a third party, the debtor (debitore cambiario), also known as the drawee (trassato or trattario) or acceptor (accettante). The letter itself was given by the debtor of the money to the creditor – known as a giver (datore) or a remitter (remittente) –, who in turn would send it to a fourth party who was in charge of collection of the money (the remissario or beneficario). In order to better understand the parties, places and times, we need to see an actual example of the dynamic of the operation of exchange at a fair. In Genoa, the creditor (datore) in “giving an amount of money in exchange” delivered a certain amount of money in Genoese lira to a debtor (traente), who “received it in exchange”, signing over to the debtor a bill of exchange addressed to an agent of the creditor (the beneficario), who was present at the fair. The contents of the bill of exchange calculated the order given to the drawee, the procurator at the debtor’s fair, in order to carry out the payment of a sum of money agreed in scudi di marche for the beneficiary. After the bill had been completed in all its formal steps, it was sent by courier from Genoa, where it had been drawn up into a contract, to the fair, where it was used in the final operations of the exchange. At the fair, the beneficiary delivered the bill of exchange, received from the courier, to the drawee who, if it was accepted, would produce a second letter, which ordered the debtor, his representative, to pay the creditor in Genoa the amount agreed on in Genoese lira, complying with the tax on exchange indicated on the bill itself, which had been increased by the commission that had been accrued at the fair. The way in which the contract of exchange was finalised is detailed in various letters called “spacci di fiera”. The contract established that the part which received a certain amount of money present on the market was obliged to pay an equivalent amount in a difburg  : Fifteenth to Eighteenth Century, in  : Peter Bernholz/Rolf Vaubel (eds.), Explaining Monetary and Financial Innovation. A Historical Analysis, Heidelberg/New York 2014, pp. 253–282. 6 Thanks also to the recent birth of various institutions of acceptance in the main Italian cities, such as Florence (1393), Lucca (1396) and Genoa (1403).

The Italian Exchange Fairs

ferent currency in another place. In order to fix the ratio between the different amounts of money, it was necessary to distinguish between that which constituted the res of exchange (certain and stable), from that which represented the pretium (uncertain and variable)7. As far as the operation of this complex credit market is concerned, exchange fairs may be defined as a credit market through which a considerable amount of money was moved from one place to another. These flows of money generated large profits when the lucrative investments reached maturity. The fairs were well-established institutions that rhythmically and cyclically marked the time of the European financial calendar. The fair allowed to concentrate a large amount of money in few days and in a single place and to put it at once at the disposal of the circuit of credit in forms of loans that would be refunded after three months during the following meeting8. The exchange fair represented a trait d’union between private finance and the state economic institutions, such as the public Spanish Treasury. Throughout the 16th century, the Genoese bankers were the main lenders to the Spanish monarchy9. Over the years, to this particular type of loan – known as the asientos – were added other forms of financial speculation connected in particular to the fluctuations in the cost of money10. In general, the fairs lasted for eight days and were held four times a year (every three months) and were regulated by rules issued by the Genoese Senate11. Each of these fairs could not be preponed, only extended according to needs  ; the extensions were decided on in Genoa and had to be approved of and ratified by the Senate12. A special Magistrate was elected, the “tribunal of the fair”13, formed by a consul and two councillors, who ensured   7 The real currency is the scudo di marche (the currency used in the accounts of the fairs), whilst the pretium currency was that of the various commercial markets (Giuseppe Felloni, Un système monétaire atypique  : la monnaie de marc dans les foires de change génoises, XVIe–XVIIIe siècle, in  : John Day (ed.), Études d’histoire monétaire, Lille 1984, pp. 249–260).   8 The classical work on the early modern exchange fairs is still  : José Gentil da Silva, Banque et crédit en Italie au XVIIe siècle, Paris 1969.   9 The latest work on the reign of Philip II is  : Mauricio Drelichman/Hans-Jörg Voth, Lending to the Borrower from Hell. Debt, Taxes, and Default in the Age of Philip II, Princeton/Oxford 2014. 10 For the reign of Philip IV see  : Carlos Álvarez Nogal, El crédito de la Monarquía Hispánica durante el reinado de Felipe IV, Valladolid 1997  ; idem, Los banqueros de Felipe IV y los metales preciosos americanos (1621–1665), Madrid 1997  ; idem, The Role Played by Short-Term Credit in the Spanish Monarchy’s Finances, in  : Fausto Piola Caselli (ed.), Government Debts and Financial Markets in Europe, London 2008, pp. 81–97  ; idem, Las Remesas americanas en las finanzas de la Real Hacienda. La cuantificación del dinero de la Corona (1621–1675), in  : Revista de Historia Económica 16/2, 1998, pp. 453–488  ; Felipe Ruiz Martín, Las finanzas de la monarquía hispánica en tiempos de Felipe IV (1621–1665), Madrid 1990  ; and Antonio Domínguez Ortiz, Política y hacienda de Felipe IV, Madrid 1983. 11 Giovanni Domienico Peri, Il negotiante, Venezia 1672, p. 98. 12 Benedetto Giustiniani, Breve trattato della continuatione de’ cambi in cui si esaminano alcune moderne foggie di cambiare, Genova 1619. 13 Rodolfo Savelli, Between Law and Morals  : Interest in the Dispute on Exchanges during the 16th Century, in  : Vito Piergiovanni (ed.), The Courts and the Development of Commercial Law, Berlin 1987  ; Maura

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that the fair was conducted properly and, if necessary, could also exercise legal power at first instance14. The European goods market had always been linked to these fairs organised in locations that were easily accessible, often on the banks of rivers or in cities with a population showing a predisposition towards trade15. In the Middle Ages, the first example of trade on an international scale were the Flemish fairs of – for example – Douai, Ghent, Lille, and Ypres, which, over the years, increased and boosted traffic coming through the city of Bruges16. Another example is the city of Antwerp17, which in a certain sense was the heir to Bruges18, but with forms that were better suited to the needs of the economy in the early modern period. The medieval fairs set off developments that began with the first concessions of privileges and franchises to merchants designed to entice them to participate in the fair and with the creation of consuls of different nations. The cities that hosted the fairs were interested in taking part in the large international trade circuit, and their economic operators hoped to learn the techniques used by the Italian merchant-bankers, who were already at the forefront of commercial and financial activity19. The oldest Fortunati, Note sul diritto di fiera nelle fonti giuridiche di età moderna, in  : Simonetta Cavaciocchi (ed.), Fiere e mercati nella integrazione delle economie europee, secc. XIII–XVIII, Firenze 2001, pp. 953–966  ; idem, Scrittura e prova. I libri di commercio nel diritto medievale e moderno, Roma 1996  ; John Munro, The International Law Merchant and the Evolution of Negotiable Credit in Late-Medieval England and the Low Countries, in  : Banchi pubblici, banchi privati e monti di pietà nell’Europa preindustriale  : amministrazione, tecniche operative e ruoli economici, Genova 1991, pp. 49–80. 14 Giovanni Felloni, Moneta, credito e banche in Europa  : un millennio di storia, Genova 1999, pp. 97– 99. 15 Roberto S. Lopez, La rivoluzione commerciale del Medioevo, Torino 1971  ; Michael M. Postan, The Trade of Medieval Europe  : the North, in  : idem/Edward Miller (eds.), The Cambridge Economic History of Europe, Trade and Industry in the Middle Ages, Cambridge 1952, and Armando Sapori, Le marchand italien au moyen âge, Paris 1952. 16 Michele Cassandro, Le fiere nell’economia europea medievale e della prima età moderna, in  : Studi Storici Luigi Simeoni 51, 2001, pp. 12f.; and Hilario Casado Alonso, Bruges, centre d’échanges avec l’Espagne, in  : Andé Vandewalle (ed.), Les marchands de la Hanse et la banque des Médicis. Bruges, marché d’échanges culturels en Europe, Oostkamp 2002, pp. 51–57. 17 Jan A. Van Houtte, The Rise and Decline of the Market of Bruges, in  : Economic History Review, Sec. Ser. 19, 1966, pp. 29–47  ; Herman Van Der Wee, The Growth of the Antwerp Market and the European Economy (Fourteenth–Sixteenth Centuries), Louvain 1963  ; Valentín Vázquez de Prada, Lettres marchandes d’Anvers, Paris 1960–1964  ; Herman Van der Wee/Jan Materné, Antwerp as a World Market in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in  : Jan Van der Stock (ed.), Antwerp  : Story of a Metropolis, 16th–17th Century, Gent 1993, pp. 19–31. 18 Raymond De Roover, The Commercial Revolution of the Thirteenth Century, in  : Bulletin of the Business Historical Society 16, 1942, pp. 34f. 19 Herman Van Der Wee/Theo Peeters, Un modèle dynamique de croissance interséculaire du commerce mondiale, XIIe–XVIIIe siècles, in  : Annales E. S. C. 15, 1970, pp. 100–128  ; idem, Structural Changes in European Long-Distance Trade, and particularly in the Re-export Trade from South to North, 1350–1750, in  : James Tracy (ed.), The Rise of Merchant Empires  : Long-Distance Trade in the Early Modern World, 1350–1750, Cambridge 1990, pp. 14–33.

The Italian Exchange Fairs

records relating to the huge presence of Italian economic operators in internationally important fairs mention the fairs in the French region of Languedoc20, yet the most studied case of Italian merchants playing a pivotal part is without doubt the fair of Champagne21. It was during these fairs that banking was added to the activity of trading, which led to development of new methods linked to credit and exchange. In all of this, Italian businesspersons played a central role with their great entrepreneurial abilities, to the point that they influenced the institution of the fairs and the trade of various goods that had reached the French region from many European countries22. The presence of Genoese merchants in the fairs in Champagne during the fifteenth century intensified over the course of the following century, when they numbered amongst the leading figures of a new type of fair which dealt exclusively with financial exchanges23. At the fairs of Champagne, better organised and much more efficient new courts of justice were installed. Therefore, the cities of the fairs with their courts of justice reinforced the mechanisms for excluding from the mercantile community all of those who, for various reasons, could represent a threat and concrete danger to businessmen. As a consequence, they also reinforced the merchant guilds and the consuls, which were fundamental vehicles in the process of transmitting information. In order to observe more closely the role of the merchant-bankers who increasingly abandoned traffic in trade in order to focus on financial activity, we must take a look at the fairs of Geneva (15th century)24. Here, nearly all the Italian operators, while still devoting part of themselves to the trade in luxury products, took on the role of professional figures specialising in all the different facets of banking. In the end, the presence of Italian financiers, amongst which the most influential were the Florentines, Lucchesi and Genoese, in Geneva was huge25. It is reductive to think of these economic operators as “merchants” in the most traditional meaning of the word. The bankers now worked at a high level on a 20 Jean Combes, Les foires en Linguedoc au moyen âge, in  : Annales E. S. C. 2, 1958, pp. 231–259. 21 Robert-Henri Bautier, The Fairs of Champagne, in  : Rondo Cameron (ed.), Essays in French Economic History, Homewood (Ill.) 1970, pp. 42–63. 22 Federigo Melis, Documenti per la Storia economica dei secoli XIII–XVI, Firenze 1972  ; Michele Cassandro, Strategia degli affari dei mercanti-banchieri italiani alle fiere internazionali d’Oltralpe (secoli XIV–XVI), in Aspetti della vita economica medievale. Atti del Convegno di Studi nel X Anniversario della morte di Federigo Melis, Firenze 1985, pp. 140–150  ; idem, Uomini d’affari ed economia delle fiere tra XIII e XVI secolo, in  : Cavaciocchi (ed.), Fiere e mercati, pp. 755–778. 23 Felloni, Moneta, credito e banche in Europa, pp. 96–98. 24 Jean-François Bergier, Genève et le Suisse dans la vie économique de Lyons au XVe–XVIIIe siècles, in  : Cahiers d’Histoire 5/1, 1960, pp. 34–44  ; idem, Genève et l’économie européenne de la Renaissance, Paris 1963  ; Michele Cassandro, Les foires de Genève et les hommes d’affaires italiens au XVe siècle, Firenze 1979. 25 Raymond de Roover, The Rise and Decline of the Medici Bank, Cambridge (Mass.) 1963  ; and Michele Cassandro, Economia e politica nella città di fiera  : Ginevra e Lione (secoli XIV–XVI), in  : Giovanna Petti Balbi (ed.), Strutture del potere ed élites economiche nelle città europee dei secoli XII–XVI, Napoli 1996, pp. 291–310.

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European scale, making the most of the particular conditions of the credit and money market. Over the years, they particularly concentrated on the techniques linked to exchange, transforming the money business into their primary and most profitable activity26. The fairs of Castile27 developed in an area enclosed between Medina del Campo28, fulcrum of the Spanish system of fairs, and the cities to which it was connected – Medina de Rioseco and Villalón de Campos29. As Felipe Ruiz Martin has recounted, the bankers “move from one fair to another and from one town to another following the Court with their tables, coffers and books of accounts”, underlining the fact that in Castile the credit market seems to have been concentrated in the hands of just a few operators30. The apogee of the fairs of Castile occurred between the end of the 15th century and the first half of the 16th century. This is further testified to by the growing attention Spanish authority paid to the regulation of the fairs  : over the course of at least thirty years, the government of Madrid confronted on more than one occasion the subject of loans and the regulation of interest rates. The Spanish historiography has dedicated a few important studies to the fairs of Medina more recently, emphasising more than just local interest31. The fairs of Lyons took off in the mid-15th century, parallel to the fairs of Geneva, which over a few decades were supplanted by the new fairs32. The presence of the Italians at the 26 Cassandro, Uomini d’affari ed economia delle fiere, pp. 768f. 27 Felipe Ruiz Martin, La Banca de España hasta 1782, in  : El Banco de España  : una historia económica, Madrid 1970, pp. 1–196  ; idem, Lettres marchandes échangées entre Firenze et Medina del Campo, Paris 1965  ; Henri Lapeyre, Simón Ruiz et les “asientos” de Philippe II, Paris 1953  ; and Ramón Carande, Carlos V y sus banqueros, vol. II  : La vida económica en Castilla (1516–1556), Madrid 1965, pp. 295–349. 28 Cristóbal Espejo/Julián Paz Espeso, Las antiguas ferias de Medina del Campo, su origen, su importancia y causa de su decadencia y extinción, Valladolid 1912  ; Hilario Casado Alonso, Medina del Campo Fairs and the Integration of Castile into 15th and 16th Century European Economy, in  : Cavaciocchi (ed.), Fiere e mercati, pp. 495–518  ; idem, Comercio, crédito y finanzas públicas en Castilla en la época de los Reyes Católicos, in  : António Miguel Bernal (ed.), Dinero, moneda y crédito en la monarquía hispánica, Madrid 2000, pp. 135–156  ; and idem, Comercio, finanzas y hombres de negocios en los siglos XV y XVI  : entre Jacob Fugger y Simón Ruiz, in  : Antonio Sánchez del Barrio (ed.), Francesco Datini, Jacob Fugger, Simón Ruiz. Los legados histórico artísticos y documentales de tres grandes hombres de negocios, Medina del Campo 2009, pp. 43–61. 29 Henri Lapeyre, Une famille de marchand, Les Ruiz. Contribution à l’étude du commerce entre la France et l’Espagne au temps de Philippe II, Paris 1955, pp. 478–499. 30 Santiago Tinoco Rubiales, Rey, ciudad, crédito  : iniciativas y restablecimiento de los bancos público en Sevilla, 1578–1582, in  : Bernal (ed.), Dinero, moneda y crédito, pp. 695–703. 31 Eufemio Lorenzo Sanz (ed.), Historia de Medina del Campo y su tierra. Auge de las ferias. Decadencia de Medina, vol. II, Valladolid 1986  ; Miguel Angel Laredo Quesada, Las ferias de Castilla  : siglos XII a XV, in  : Cuadernos de Historia de España 67–68, 1982, pp. 269–347  ; idem, Las ferias de Castilla, siglos XII–XV, Madrid 1994  ; Hilario Casado Alonso, Crédito y comercio en las ferias de Medina del Campo en la primera mitad del siglo XVI, in  : Elena García Guerra/Giovanni De Luca (eds.), Il mercato del credito in età moderna. Reti e operatori finanziari nello spazio europeo, Milano 2010, pp. 21–47. 32 José Gentil da Silva, Marchandises et finances à Lyon. Donnés nouvelles des livres marchands (XVIe siècle), in  : Bulletin Philologique et Historique du Comitè des Travaux Historique et Scientifique 1959,

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fairs of Lyon, as has been well documented33, increased continuously and generally followed the example of the fairs of Geneva, with the main operators being the Florentines followed by the Lucchesi, Genoese and Milanese. Thanks to the merchant-bankers of the peninsula, in the 16th century Lyons became the pulsing heart of the European economy  : along the Rhône, they traded in silk drapes, spices, woollen fabric and other luxury goods34. The rapid development of these fairs is often attributed to events in French finance35. The growing ambitions of the king of France to expand resulted in enormous expenses and forced the crown to turn to those great financiers that gravitated around the fairs at Lyon36. Therefore, the decisions made in monetary policy, which had terrible repercussions for the internal economy of the country in those years, added to the political unrest caused by clashes between Catholics and Huguenots and weakened the institution of the fair37. Therefore, around the 1530s – as French merchants and the Italian colleagues alike were clearly boycotting the Ligurian financial operators – the Genoese bankers were impelled to set up other fair locations. In 1535, a Genoese senate act established that exchange fairs were to be held in Besançon (Franche-Comté) under the protection of the emperor Charles V38. pp. 311–326  ; Roger Doucet, La banque en France au XVIe siècle, in  : Revue d’Histoire Économique et Sociale 29, 1951, pp. 115–123  ; Robert Gascon, Nationalisme économique et géographie des foires. La querelle des foires de Lyons (1484–1494), in  : Cahiers d’Histoire 2, 1956, pp. 253–287  ; idem, Grand Commerce et vie urbaine. Lyons et ses marchands (environs de 1520–environs de 1580), Paris/ La Haye 1971  ; Henri Lapeyre, Documents pour servir à l’histoire des foires de Lyon, in  : Homenaje a Don Ramon Carande, Madrid 1963, pp. 221–246  ; Michele Cassandro, Le fiere di Lione e gli uomini d’affari italiani nel Cinquecento, Firenze 1979  ; and Jacques Bottin, Les foires de Lyons et les Italiens autour de 1600  : déclin ou reconfiguration  ?, in  : Paola Lanaro (ed.), La pratica dello scambio. Sistemi di fiere, mercanti e città in Europa (1400–1700), Marsilio 2003, pp. 201–220. 33 Robert Gascon, Quelques aspects du rôle des Italiens dans la crise des foires de Lyons du dernier tiers du XVIe siècle, in  : Cahiers d’Histoire 5/1, 1960, pp. 45–64  ; Françoise Bayard, Les Bonvisi, marchands banquiers à Lyon, 1575–1629, in  : Annales E. S. C. 26/6, 1971, pp. 1234–1269  ; Jacqueline Boucher, Présence italienne à Lyons à la Renaissance. Du milieu du XVe à la fin du XVIe siècle, Lyons 1994  ; and Angela Orlandi, Le Grand Parti. Fiorentini a Lione e il debito pubblico francese nel XVI secolo, Firenze 2002. 34 Hillario Casado Alonso, Les relations entre les foires de Castille et les foires de Lyons au XVIe siècle, in  : Jean-Louis Gaulin/Susanne Rau (eds.), Lyons vu/e d’ailleurs (1245–1800)  : échanges, compétitions et perceptions, Lyon 2009, pp. 91–108. 35 Philippe Hamon, L’argent du roi. Les finances sous François Ier, Paris 1994  ; Winfried Schulze, The Emergence and Consolidation of the “Tax State”. I. The Sixteenth Century, in  : Richard Bonney (ed.), Economic Systems and State Finance, Oxford 1995, pp. 261–280  ; and Richard Bonney, The State and Its Revenues in Ancien-Régime France, in  : Historical Research 65, 1992, pp. 150–176. 36 Alain Guéry, Les finances de la monarchie française sous l’Ancien Régime, in  : Annales E. S. C. 33/2, 1978, pp. 216–239  ; idem, Les rois dépensiers  : le don, la contrainte et l’origine du système financier de la monarchie française d’Ancien Régime, in  : Annales E. S. C. 39/6, 1984, pp. 1241–1269. 37 Frank C. Spooner, L’économie mondiale et les frappes monétaires en France (1493–1680), Paris 1956  ; and Richard Bonney, The King’s Debt. Finance and Politics in France, 1589–1661, Oxford 1981. 38 Giulio Giacchero, Il Seicento e le Compere di San Giorgio, Genova 1979, pp. 39, 59  ; Domenico Gioffré, Gênes et les foires de changes  : de Lyons à Besançon, Paris 1960.

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Starting from 1562, several fair locations followed one another, along an ideal route approaching the Italian territory, until the seat of the fair was transferred to Piacenza, under the protection of the Farnese Dukes, in 1579. At Besançon, the Genoese bankers gradually took control until they were able to move the fair to Italy, first to Piacenza and then, in 1621, to Novi under the jurisdiction of the Senate of the Republic of Genoa. In the first years of the 17th century – at least until the insolvency of the Spanish Crown in 1627, according to José Gentil da Silva and Ruggiero Romano39 – the exchange fairs were directly controlled by the Genoese operators and the preferred method for sending loans to the Spanish crown40 as well as for reimbursing investments made by private investors and professional brokers in the Castilian public debt. The exchange fairs reached their maximum splendour in Piacenza, which became the main operating market where an increasing number of operators – coming from all around Europe – were gathered and the volume of trade was multiplied. Yet, in 1621, the Genoese bankers decided in a high-ended manner to transfer the seat of the fair to Novi, on their territory. This marked the beginning of a series of splits within the “contrattatione” of the bankers operating in the Italian fairs, in the first decades of the 17th century41. It is important to underline that, starting from the second half of the 17th century, the Genoese exchange fairs lost their monopoly over the European credit market, although they did continue to exercise a strong influence on the monetary market, at least up until the temporary transfer in 1693 to Sestri Levante or the definitive move in 1708 to Santa Margherita Ligure. The chronology of the exchange fairs throughout history has been summed up clearly by José Gentil da Silva  : the fairs of Besancon (circa 1535–1580) carried out checks on international payments  ; those of Piacenza (1580–1620) aimed to concentrate the money in Genoa and to regulate transfers  ; those of Novi and the successive sessions (1621–1695) utilised the devaluation of local currency  ; and the last phase (“fiere d’Italia”, 1695–1789) guaranteed a fixed interest rate to the Italian investors42. In order to underline the great relevance of exchanges concluded first at fairs of Besançon-Piacenza (1540–1620) and later at Novi (1621–1674), we have collected the volumes of the transactions (in million scudi) in the following chart. 39 José Gentil da Silva/Ruggiero Romano, L’histoire des changes  : les foires de “Bisenzone” de 1600 à 1650, in  : Annales E. S. C. 17, 1962, pp. 715–721. 40 For the Castilian public debt see  : Alvaro Castillo Pintado, Dette flottante et dette consolidée en Espagne de 1557 à 1600, in  : Annales E. S. C. 18/4, 1963, pp. 745–759  ; idem, Los juros Castilla. Apogeo y fin de un instrumento de crédito, in  : Hispania 23, 1963, pp. 43–70  ; Charles Jago, The Influence of Debt on the Relations between Crown and Aristocracy in Seventeenth-Century Castille, in  : Economic History Review 26/3, 1973, pp. 218–236  ; Pilar Toboso Sanchez, La deuda pública castellana durante el Antiguo Régimen (juros) y su liquidación en el siglo XIX, Madrid 1987. 41 Carlos Álvarez Nogal/Luca Lo Basso/Claudio Marsilio, La rete finanziaria della famiglia Spinola  : Spagna, Genova e le fiere di cambio (1610–1656), in  : Quaderni Storici 124/1, 2007, pp. 97–110. 42 Gentil da Silva, Banque et crédit, p. 62.

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30 26,8 27,1 25,9 25

23,6 21,8

20 16,7 15

12,2

12,9 12,1

9,6

10

5

15,7

5,7 4,8 3,9 3,8 1,61,61,9

2,52,92,6 0,60,4

0

  Chart 1  : Volumes of transactions (million scudi di fiera) on the Piacenza-Novi exchange fairs (1540– 1674). Source  : Giuseppe Felloni, Asientos, juros y ferias de cambio (1541–1675), in  : Alfonso Otazu (ed.), Dinero y crédito, Madrid 1978, pp. 350–356.

In these years, the history of the exchange fairs was characterized by the simultaneous presence of different credit markets. Some Italian financial operators, first of all the Tuscans and Lombards, did not participate in the fair of Novi43, they rather decided to continue

43 The original laws of the exchange fairs are collected in  : Capitoli e ordini delle fere di Besenzone, che si fanno al presente in la città di Piacenza. Con li quali dette fere, e li negotij di cambij che si fanno in esse si doveranno reggere, e governare, da tutti li Banchieri trattanti, e negotianti in quelle doveranno esser inviolabilmente osservare in tutto, come in appresso si dirà, Genova 1622. See also the updated edition of 1637  : Capitoli e ordini delle fere di Besenzone, che si fanno al presente in la città di Piacenza, ristampate di novo con le gionte fatte dal Serenissimo Senato dell’anno 1622 sin al presente. Con li quali dette fere, e li negotij di cambij che si fanno in esse si doveranno reggere, e governare, e da tutti li Banchieri trattanti, e negotianti in quelle doveranno esser inviolabilmente osservare in tutto, come in appresso si dirà, Genova 1637.

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to hold their meetings in Piacenza44, thus actually creating a secession in 1622. Nor did the Venetians agree on the decision to take part in the Novi fairs. Starting from 1631, they, too, set up a»parallel« meeting in the town of Verona45. From the 1630s on, a whole network of interacting but independent Italian exchange fairs was thus created46. In Venice, there had been ongoing discussions for years on the advisability of setting up fairs of goods and fairs of exchange on the Republic territory as an alternative to the Count of Tyrol, suggesting Verona as the most suitable place. In January 1631, after a near 20-year debate, the Venetian authorities passed a law proclaiming an independent fair of exchange that still left a certain freedom of action to their bankers residing in the Venetian Dominion. This fair was, with many vicissitudes, a rather weak institution due to the scarce presence of operators  ; it received a cold welcome from both the domestic and – especially – the foreign circuit and was therefore doomed to fail. At the end of the 1620s, the merchants of Bolzano, too, had been granted a first series of privileges by the town authorities in order to stimulate commerce in their town47. As Denzel reminds us, “in Bolzano there was an existing yet rudimentarily developed system of cashless payments”48. The efforts to reorganize the town’s old fairs – personally supported by Archduchess Claudia de’ Medici of Tyrol – intensified during the first years of the following decade and led to the establishment of the Merchant Magistrate (the Mer­ kantilmagistrat) in 1633. Nevertheless, in the following two years, the town authorities and the merchants agreed to make a few amendments to the fair regulation, whose final draft would be drawn up in Italian and German in 163549. 44 On the laws of the ‘secessionist meetings’ organized at Piacenza (starting from 1622)  : Capitoli delle fiere de cambi da farsi nella città di Piacenza, stabiliti al tempo dell’Ill.mo sig. Pietro Mozzi senatore fiorentino, console eletto dalle AA. Sereniss. Di Toscana e dei M. Ill. Ottavio Secchi di Milano e Marco Otti di Venezia consiglieri eletti dalle loro nationi. Fermati con Grazia e Privilegio del Serenissimo Duca di Piacenza e Parma nel 1622. Et al presente distinti in Capitoli con l’aggiunta delle ordinationi fatte da Signori Consolo, Consiglieri, e Trattanti fino a l’anno 1628, Piacenza 1629. 45 On the Verona exchange fairs  : Capitoli e ordini spettanti all’Ufficio della Casa de’ Mercanti, regolati e presi dal Maggior Consiglio dei XII, Verona 1639. 46 Claudio Marsilio, Four Times a Year for so Many Years. The Italian Exchange Fairs during the XVIth– XVIIth Century  : Comparing Financial Institutions, in  : Bankhistorisches Archiv – Banking and Finance in Historical Perspective 36/2, 2010, pp. 151–165. 47 Guido Canali, Il Magistrato Mercantile di Bolzano e gli statuti delle fiere, Firenze 1942  ; Mar­ kus A. Denzel, Die Bozner Messen und ihr Zahlungsverkehr (1633–1850), Bolzano 2006  ; Andrea Bonoldi/Markus A. Denzel, Bozen im Messenetz Europas (17.–19. Jahrhundert) – Bolzano nel sistema fieristico europeo (secc. XVII–XIX), Bolzano 2007. 48 Markus A. Denzel, The System of Cashless Payment as a Basis for the Commercial Integration of Europe and the World, in  : idem (ed.), From Commercial Communication to Commercial Integration, Middle Ages to 19th Century, Stuttgart 2004, pp. 199–248  ; and idem, Cashless Payments at the Bolzano Fairs, 1630s to 1850, in  : Idem/Sushil Chaudhuri (eds.), Cashless Payment from the Antiquity to the Present, Stuttgart 2008. 49 A copy of the laws of the fairs of Bolzano is available at the Bayerische Staatsbibliothek, Munich, 4 MERC. 135, 8, Privilegium über diejenigen […], 1635.

The Italian Exchange Fairs

Abstract The European goods market had always been linked to fairs organised in locations that were easily accessible, often on the banks of rivers or in cities with a population showing a predisposition towards trade. In the Middle Ages, the first example of trade on an international scale were the Flemish fairs of Douai, Ghent, Thorout (11th century) and Lille, Ypres and Messines (12th century) which, over the years, increased and boosted traffic coming through the town of Bruges. The medieval fairs set off developments that began with the first concessions of privileges and franchises to merchants designed to entice them to participate in the fair and with the creation of consuls of different nations. The towns that hosted the fairs were interested in taking part in the large international trade circuit, and their economic operators hoped to learn the techniques used by the Italian merchant-bankers, who were already at the forefront of commercial and financial activity. In order to observe more closely the role of the merchant-bankers who increasingly abandoned traffic in trade in order to focus on financial activity, we must take a look at the fairs of Geneva in the 15th century. The fairs of Lyons took off in the mid-fifteenth century, parallel to the fairs of Geneva, which, over a few decades, were supplanted by the new fairs. The presence of the Italians at the fairs of Lyons increased continuously and generally followed the example of the fairs of Geneva, with the main operators being the Florentines, the Lucchesi, Genoese and Milanese. Thanks to the merchant-bankers of the peninsula, in the 16th century Lyons became the pulsing heart of the European economy  : along the Rhône, they traded in silk drapes, spices, woollen fabric and other luxury goods. The growing ambitions of the king of France to expand resulted in enormous expenses and forced the crown to turn to those great financiers that gravitated around the fairs at Lyon. The Genoese fairs inherited the features of a time-honoured institution which improved itself through the subsequent stages of Geneva, Lyons Piacenza and finally Novi. This financial institution reached its zenith between the end of the 16th century and the beginning of the 17th century. Starting from 1580, almost all European international transactions were settled right at the Piacenza fairs of exchange every three months. The Genoese bankers offered many financial services all around Europe at such high levels that not many competitors were able to live up to them. This paper aims to show that their success was due to their preeminent role in financing the Spanish Monarchy from the first loans of the 16th century – the asiento – to, at least, the last years of the 17th century. At “Bisenzone”, Genoese bankers raised money for these loans from a variety of sources, reducing the risks of lending, and funded the king’s long-term obligations with short-term loans. Piacenza, and later on Novi, became the main operating market where an increasing number of operators coming from all European trading markets were gathered and where the volume of transactions multiplied. The exchange fairs of Novi created an efficient financial network under Genoese control and permitted arbitrage among the other northern Italian financial markets (Piacenza, Verona, Bolzano). Undoubtedly, Genoese fairs’ network resulted in an excellent mechanism for processing and

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managing the financial information and in an efficient system to transfer precious metals to different creditors all over Europe.

Michael Rothmann, Hannover

Marktkonzepte im mittelalterlichen Europa unter besonderer Berücksichtigung des Heiligen Römischen Reiches

Wenn neoliberale Apologeten des »freien Marktes« nach einem starken Staat verlangen und nach Regulierung des internationale Finanzsystems geradezu betteln, ist dies ein beängstigendes Zeichen für eine globale Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise. Denn die Ikonen des ungebremsten Kapitalflusses scheinen den eigenen Marketinversprechungen kaum mehr Glauben zu schenken. Selbst die alte und ohnehin beunruhigende Börsenweisheit  : »Ihr Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer«, verliert an Aussagewahrheit, wirken doch etliche Globalplayer reichlich ratlos über den zu bilanz