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German Pages [400] Year 1995
Moritz Csáky/Walter Pass (Hg.) EUROPA IM ZEITALTER MOZARTS
Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts 5 Herausgegeben von Moritz Csáky
Gedruckt mit Unterstützung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung.
Umschlagabbildung: Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791). Unvollendetes Ölbild von Mozarts Schwager Joseph Lange (1751-1831), Wien 1789 (Ausschnitt). Mit freundlicher Genehmigung der Internationalen Stiftung Mozarteum, Salzburg.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Europa im Zeitalter Mozarts / Moritz Csáky/Walter Pass (Hg.). [Bearb. von Harald Haslmayr und Alexander Rausch]. - Wien ; Köln ; Weimar : Bühlau, 1995 (Schriftenreihe der österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts; Bd. 5 ) ISBN 5-205-98339-4 NE: Csáky, Moritz [Hrsg.]; Haslmayr, Harald [Bearb.] Das Werk ist urheberrechtlich geschützt Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 1995 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H. und Co. KG., Wien · Köln • Weimar Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefreiem Papier. Satz: Zehetner Ges. m. b. H., A-2105 Oberrohrbach Druck: Manz, A-1050 Wien
Moritz Csáky/Walter Pass (Hg.)
EUROPA IM ZEITALTER MOZARTS
Bearbeitet von Harald Haslmayr und Alexander Rausch
BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR
Inhalt Vorwort Bundesminister Dr. Erhard Busek
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I KULTUR UND KREATIVES MILIEU Allan Janik OskárElschek Reinhart Koselleck Wolfgang Suppan
Culture and Society: Creativity and the Creative Milieu Musik, Zeitgeist und Persönlichkeit Geist und Bildung - zwei Begriffe kultureller Innovation zur Zeit Mozarts Möglichkeiten und Grenzen (musik-)kultureller Traditionsbildung: Von Johann Joseph Fux zu Wolfgang Amadeus Mozart
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II ANCIEN RÉGEME HEILIGES RÖMISCHES REICH Rudolf Vierhaus Horst Carl
Hellmut Lorenz
Herbert Matis James Raven
Zwischen Ancien régime und Revolution. Die Krise des älteren Europa Fürstenhof und Salon - adeliges Mäzenatentum und gesellschaftlicher Wandel im Reich und in der Habsburgermonarchie Zentrum und Provinz im Heiligen Römischen Reich zum Wandel der Schwerpunkte künstlerischen Schaffens im 18. Jahrhundert Ökonomie und ökonomisches Denken im Zeitalter Mozarts The Representation of the City in the Age of Mozart ...
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III SOZIOKULTURELLE ASPEKTE DER EUROPÄISCHEN AUFKLÄRUNG Daniel Roche Marius Flothuis
Lumières - Sociabilités - Cultures Position und Emanzipation der Frau zu Mozarts Zeit Guy Haarscher Liberalism, Justice and the Great Declarations of Rights in the XVIIIth Century Brigitte Schnegg von Rütte Vom Salon zum patriotischen Verein. Die geschlechtsspezifische Segmentierung der bürgerlichen Öffentlichkeit MarinusA. Wes Mozart and "The Age of Winckehnann". A Collage JinKroupa Mentalitäten des aufgeklärten Bürgertums: Heinrich Friedrich Hopf in Brünn
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Inhalt
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IV DIE AMBIVALENZ DER AUFKLÄRUNG Roland Mortier Béatrice Didier Peter Hersche Ulrich Im Hof Catherine Kintzler Lionello Sozzi Manfred Wagner
Raison et sentiment. Rupture ou coexistence? Raison, sentiment, religion dans quelques articles de l'Encyclopédie (siehe Ende des Bandes) Die alte katholische Kultur vor der Herausforderung der Aufklärung Protestantismus und Aufklärung Jean-Jacques Rousseau et l'Encyclopédie: une rupture esthétique II paese delle chimere Aufklärung - Ästhetik - Autonomie oder Drei Kategorien bedingen einander
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V AUFKLÄRUNG UND MUSIK Georg Empier Hans Erich Bödeker
Giovanni Carli Bailóla Christian Kaden Jean Mongrédien Etty Mulder David Charlton Guido Bimberg
Aufklärung und Musik Mäzene, Kenner, Liebhaber: Strukturwandel des musikalischen Publikums in Deutschland im ausgehenden 18. Jahrhundert. Ein Entwurf Le „fiabe" di Carlo Gozzi nelle strutture teatrali della Zauberflöte Wandlungen musikalischer Kommunikationskonzepte im 18. Jahrhundert Les Transformations de l'opéra français au tournant du XVIIIè et du XlXè siècles Mozart jenseits der Aufklärung. Zur Entwicklung der musikalischen Subjektivität Mozart and Paris (1778) Musik und Aufklärung auf dem Weg nach Rußland ....
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VI STRUKTUREN DER MUSIKKULTUR ZUR ZEIT DER AUFKLÄRUNG Ludwig Finscher François de Capitani
Curtis Price Henri Vanhulst Tomislav Volek
Zur Struktur der europäischen Musikkultur im Zeitalter der Aufklärung Die Entdeckung des Volkes: Wiederbelebung bzw. Erfindung des Volksliedes und der Volksmusik in der Schweiz 1750-1810 Mozart, the Storaces and Opera in London 1787-1790 Aspects de l'organisation de la vie musicale à Bruxelles au cours de la seconde moitié du XVIIIe siècle Italienische Oper in Prag im 18. Jahrhundert
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VII DIE HABSBURGERMONARCHIE ZUR ZEIT DER AUFKLÄRUNG Jean Bérenger Michèle Galand
La culture autrichienne à l'époque des Lumières Charles de Lorraine et la vie artistique dans les Pays-Bas autrichiens
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Inhalt Waltraud Heindl Hamish Marshall Scott Ernst Wangermann
Bürokratie und Aufklärungskultur The Problem of Government in Habsburg Enlightened Absolutism Gesellschaftliche und moralische Anliegen der österreichischen Aufklärung
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VIII DIE PLURALITÄT DER HABSBURGERMONARCHIE Moritz Csáky István Fried JiHFukac
Elisabeth Fiorioli Hans de Leeuwe
W. A. Mozart und die Pluralitât der Habsburgermonarchie Polikulturalität in Ungarn im Zeitalter Mozarts „Nationelles" (Populares) - Musik. Zur Pluralitätsproblematik der Musikkultur in den böhmischen Ländern um 1800 Die Wiener Salonkultur als Spiegel der Gesellschaft Künstler und Gesellschaft am Beispiel von Mozarts Opern
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IX WIEN UND DAS KULTURELLE LEBEN ZUR ZEIT JOSEPHS II. Derek Beales Harald Haslmayr Volkmar Braunbehrens Marie Cornaz Kurt Schubert Zdeñká Pilková
The Impact of Joseph II on Vienna Wien 1781 bis 1791 - Verbürgerlichung der Musik? Mozart und die Freimaurerei La vie culturelle viennoise du temps de Mozart vue à travers la presse bruxelloise Aufklärung und Emanzipation der Juden Josephinische Reformen und ihr Einfluß auf das Musikleben der böhmischen Länder
501 511 515 520 528 551
X MUSIKKULTUR IN WIEN Walter Pass Peter Branscombe Sibylle Dahms Pierluigi Petrobelli Stanley Sadie Manfred Schuler Reinhard Strohm Eva Badura-Skoda Béatrice Didier
„Der Wiener musikalische Stil" The Relationship between Spoken Theatre and Music-Theatre as Exemplified in Mozart's Works Tanz und Ballett in Wien zur Zeit Mozarts Mozart und die italienische Sprache Viennese Musical Life in an European Context Musikverlag und Musikvertrieb Wien und die mitteleuropäische Opernpflege der Aufklärungszeit Zu Carl Ditters von Dittersdorf und seinem Beitrag zum Musikleben Wiens Raison, sentiment, religion dans quelques articles de l'Encyclopédie Namensregister Autorenverzeichnis
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Vorwort
Unter den zahlreichen Veranstaltungen zum Mozartjahr 1991 hat das vom CIDM, dem italienischen Musikrat, begonnene Projekt „Viaggio Mozartiano" eine internationale Beachtung weit über die Grenzen Europas hinaus geftrnden. Die in zahlreichen Vorgesprächen und Konferenzen gereifte Idee sollte die Reisen des aus Salzburg gebürtigen genialen Komponisten an ihren bedeutenden Stationen nachzeichnen, ihre kulturhistorische Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart aufzeigen und alle von Mozart zeit seines Lebens besuchten Städte in einer einzigartigen multinationalen Kulturinitiative vereinigen. Spezielle Konzerte und OpernaufRihrungen, Ausstellungen und wissenschaftliche Tagungen zum Thema sollten über alle Grenzen hinweg das gemeinsame Interesse an dem genialen Komponisten und Musiker vor aller Welt bekunden und damit die Staaten- und naüonsübergreifende Dimension von Kunst, von Musik betonen. Mozarts beispielloses Künstlerleben sollte so, wie es aus gegenwärtiger Sicht sich entfaltete, nachgezeichnet und in historischer, rezeptions- und wirkungsgeschichtlicher Hinsicht untersucht werden. In mehreren Konferenzen auf nationaler Ebene wurde die im besten Sinne des Wortes gesamteuropäische Kulturinitiative vorbereitet. Von namhaften Vertretern der „Mozartländer" Belgien, den damaligen zwei deutschen Staaten BRD und DDR, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Schweiz und der ehemaligen Tschechoslowakei wurden wesentliche Vorarbeiten geleistet. An der in Wien veranstalteten Tagimg trafen sich bereits Repräsentanten aller involvierter Länder zu einem gemeinsamen Gespräch. Schließlich wurde auf der Konferenz in Padua, die im April 1989 stattfand, der österreichische Vorschlag akzeptiert, die „Mozartreisen" im Jänner 1992 mit einem umfassenden, internationalen und interdisziplinären kulturhistorischen Gespräch in Wien abzuschließen. Die wissenschaftliche Gestaltung und Koordination übernahmen die beiden Herausgeber, organisatorisch unterstützt vom „Austrian Art Service" unter der Leitung von Eva Schubert. Neben den beiden Hauptverantwortlichen übernahmen die Vorbereitung in den einzelnen Ländern sogenannte „nationale Koordinatoren": Donald George und Henri Vanhulst für Belgien, Rudolf Vierhaus und Ludwig Fïnscher für Deutschland, Lucien Bely und Brigitte Massin für Frankreich, Derek Beales und Stanley Sadie für Großbritannien, Lucio Villari und Giovanni Carli Bailóla für Italien, Hermann von der Dunk und Marius Flothius für die Niederlande, Ulrich Im Hof und Ernst Lichtenhahn für die Schweiz und Josef Polisensky und Tomislav Volek für die Tschechoslowakei. Das Wiener kulturhistorische Gespräch „Europa im Zeitalter Mozarts" wurde in der Tat zu einer Begegnung von Repräsentanten der Kultur- und Musikwissenschaften, an welcher 67 Vertreter der „Mozartländer" aktiv, mit Haupt- und Impulsreferaten, mitwirkten. Die Idee, die dem kulturhistorischen Gespräch zugrunde lag, war folgende: Kulturelle und künstlerische Kreativität und Produktion und ihre individuelle beziehungsweise gesellschaftliche Rezeption verdanken sich stets einer konkreten Lebenswelt. Freilich ist diese Lebenswelt nicht ein autonomer Bereich, sondern wird ebenso von Kunst und kulturellen beziehungsweise intellektuellen Überlegun-
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Vorwort
gen mitbeeinflußt. Ein Komponist und Musiker wie Mozart argumentierte also nicht unabhängig, unbeeinflußt von politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen oder kulturellen Konditionen, die seinen Alltag mitbestimmten, und sein Œuvre, seine musikalische Argumentation, blieben für die soziointellektuellen Inhalte seiner Zeit nicht ohne Folgen. Wie läßt sich nun diese Lebenswelt zur Zeit Mozarts, im Europa des ausgehenden 18. Jahrhunderts, umschreiben, und können konkrete Bereiche namhaft gemacht werden, in denen diese soziokultureüe Interdependent sichtbar wird? Die inhaltlichen Schwerpunkte der Tagimg konzentrierten sich folglich erstens auf das Europa zur Zeit des Ancien régime (gesamteuropäische Rahmenbedingungen) mit Hinweis auf die „traditionalen" Strukturen des Heiligen Römischen Reiches und die innovativen Tendenzen der europäischen Aufklärung (Revolution); zweitens auf die politische und gesellschaftliche Situation der Habsburgermonarchie mit ihrer ethnischen, sprachlichen und kulturellen Pluralität beziehungsweise Heterogenität, die im Bereich der künstlerischen Produktion und Rezeption zu spezifischen Konfigurationen beigetragen hat; drittens auf das musikalische Leben Wiens zur Zeit Mozarts. Für alle drei Bereiche erschien dabei die Gleichzeitigkeit von traditionellen und neuen individuellen und kollektiven Legitimationsweisen (politisches Selbstverständnis, Religion, Autonomie der Vernunft, Bildung, Relevanz der Sprache, Nation) besonders bedenkenswert. Dadurch sollte sowohl die Gegensätzlichkeit als auch die innere Dynamik einer Zeit, einer Lebenswelt, verdeutlicht werden, in der sich ein Intellektueller, ein Kulturschaffender und ein Künstler wie Mozart vorfand. Die Abfolge des kulturhistorischen Gesprächs wurde an der Universität Wien in zehn Halbtagen (26.1.-50.1. 1992) durchgeführt, wobei jeweils einem Einleitungsreferat, welches die konkrete Thematik vorgab, Impulsreferate folgten, die zu einer allgemeinen Diskussion überleiten sollten. Die Einleitungsreferate übernahmen Derek Beales (Cambridge), Allan Bérenger (Paris), Moritz Csáky (Graz/Wien), Ludwig Finscher (Heidelberg), Allan Janik (Innsbruck), Georg Knepler (Berlin), Roland Mortier (Bruxelles), Walter Pass (Wien), Daniel Roche (Paris) und Rudolf Vierhaus (Göttingen). Impulsreferate lieferten: Mario Agrimi (Napoli), Karl Otmar von Aretin (Mainz), Eva Badura-Skoda (Wien), Pavel Beiina (Prag), Guido Bimberg (Halle/Saale), Hans Erich Bödeker (Göttingen), Peter Branscombe (St. Andrews), Volkmar Braunbehrens (Freiburg/Br.), François de Capitani (Zürich), Horst Carl (Tübingen), Giovanni Carli Bailóla (Lecce), David Charlton (London), Paolo Chiarini (Rom), Marie Cornaz (Bruxelles), Sibylle Dahms (Salzburg), Francesco Degrada (Milano), Béatrice Didier (Paris), Oskar Elschek (Bratislava), Elisabeth Fiorioli (Graz), Marius Flothius (Utrecht), István Fried (Szeged/Budapest), Jiri Fukac (Brno), Michèle Galand (Bruxelles), Giuseppe Giarizzo (Catania), Gernot Gruber (München), Rainer Gruenter (Wuppertal), Guy Haarscher (Bruxelles), Harald Haslmayr (Graz), Waltraud Heindl (Wien), Peter Hersche (Bern), Ulrich Im Hof (Bern), Christian Kaden (Berlin), Catherine Kintzler (Paris), Reinhard Koselleck (Bielefeld), Jiri Kroupa (Brno), Hans de Leeuwe (Utrecht), Silke Leopold (Detmold), Hellmut Lorenz (Berlin), Herbert Matis (Wien), Jean Mongrédien (Paris), Etty Mulder (Nijmegen), Pierluigi Petrobelli (Roma), Zdeñká Pilková (Prag), Josef Polisensky (Prag), Curtis Price (London), Paul Raspé (Bruxelles), James Raven (Cambridge), Stanley Sadie (London), Brigitte Schnegg von Rütte (Bern), Kurt Schubert (Wien), Manfred Schuler (Mainz), Hamish Marshall Scott (St. Andrews), Lionello Sozzi (Torino), Reinhard Strohm (London),
Vorwort
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Wolfgang Suppaii (Graz), Henri Vanhulst (Bruxelles), Lucio Villari (Roma), Tomislav Volek (Prag), Manfred Wagner (Wien), Ernst Wangermann (Salzburg) und Marinus A. Wes (Groningen). Einen zusätzlichen Akzent erhielt das kulturhistorische Gespräch durch eine von Kurt Schubert organisierte begleitende Veranstaltung „Mozart im Zeitalter Europas" der Wiener Internationalen Hochschulkurse, an der Luciano Berio, Catherine Lalumière, Antony Lewis-Crosby, Peter Marboe, Gérard Mortier, Eva Nowotny, Jorge Semprún, Gerald Stourzh und Manfred Wagner teilnahmen. Der vorliegende Band vereinigt einen wesentlichen Teil der Referate des internationalen Kulturgesprächs „Europa im Zeitalter Mozarts". Er versteht sich, so wie auch die Tagung selber, als ein Beitrag zu einem weiterführenden Diskurs über die politischen, sozialen und kulturellen Zusammenhänge des 18. Jahrhunderts beziehungsweise über die besonderen Konditionen, in denen sich ein Künstler wie W. A. Mozart vorfand. Unser besonderer Dank gilt Vizekanzler Bundesminister Dr. Erhard Busek, der sich mit dem für ihn charakteristischen Engagement für das kulturhistorische Gespräch eingesetzt hat. Seine praktische Durchführung wäre freilich ohne ein vorbereitendes und begleitendes organisatorisches Management, das in den Händen von Eva Schubert (Austrian Art Service) und ihren Mitarbeiterinnen lag, kaum zustande gekommen. Frau Eva Schubert verdanken wir darüber hinaus auch zahlreiche inhaltliche Anregungen. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Schließlich gilt unser verbindlicher Dank Harald Haslmayr (Graz), Alexander Rausch (Wien) und Andreas Schmiedleitner (Wien) für die zeitraubende Arbeit der Einrichtung und Revision der vorliegenden Beiträge, wobei in die individuelle Textgestaltung der einzelnen Autoren, vor allem was die Zitations- und Anmerkungsweise betrifft, nach Möglichkeit nicht eingegriffen wurde. Das kulturhistorische Gespräch wäre nicht zustande gekommen, wenn nicht zahlreiche Stellen das Unternehmen finanziell unterstützt hätten: der Fonds National de la Recherche Scientifique (Bruxelles), das Mozarteum Belgicum, die Air France, die französische Botschaft in Österreich, die Services Culturales, das Barbican Centre for Arts and Conferences (London), das Ministerie van Buitenlands Zaken und das Ministerie van Volksgezogenheit en Cultur (Niederlande) und die Stiftimg Pro Helvetia (Schweiz). Die Hauptlast der Kosten trug das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Wien. Ihnen allen sei dafür gedankt.
Wien, im Juli 1994
Moritz Csáky und Walter Pass
DR. ERHARD BUSEK Vizekanzler der Republik Österreich und Bundesministerfür ffissenschqß und Forschung
Wolfgang Amadeus Mozart kam in Salzburg zur Welt und ist in Wien gestorben. Was dazwischen liegt, ist nicht nur eine Reise durch sein eigenes Leben, sondern es ist auch eine Reise Mozarts in die ganze für ihn erreichbare Welt Inzwischen ist seine Musik bis an die Grenzen des Erdballs gereist, und Sie, sehr verehrte Teilnehmer des Kongresses, kommen aus aller Welt nach Österreich, um dem Phänomen Mozart aus der Perspektive Ihrer Tätigkeit heraus die Ehre der Auseinandersetzung zu erweisen. Damals hätte man es nicht gesagt, heute kann man es sagen: Mozart war ein Europäer. Nicht nur in seinen Reisen kommt seine Neigung zum Vorschein, wo er ein großes Interesse für europäische Entwicklungen gezeigt hat, sondern auch seine Werke tragen einen internationalen, europäischen Gedanken. Deswegen ist es angebracht, gerade in dieser Zeit über ihn und seine Zeit zu reden, denn Mozart war ein Revolutionär. Nicht von ungefähr fallen die gehäuften und intensiven Beschäftigungen mit Mozart und auch Mozart selbst in revolutionäre Zeiten. In der Komposition seiner Opern und in seiner Musik herrschte der Drang nach Neuem, der Drang nach Innovation. Er liebte die Herausforderung und die Provokation. Dies war für ihn ein Wert und ein dominanter Bestandteil seiner musikalischen Tätigkeit, und er hat viel dafür in Kauf genommen. Mozart war ein Aufklärer. Er war einer der wenigen Aufklärer, der der Liebe einen zwingenden sozialen und psychologischen Ort gegeben hat, im Sinne einer gelingenden Humanität. Mozart ist daher nicht nur im Spannungsfeld seiner Zeit zu Hause gewesen, sondern er ist auch die Verkörperung seiner Zeit Das Individuum und die soziokulturelle Geschichtsbewegung stehen in wechselseitiger Kausalität. Eindrücke, Stimmung und Zeitgeist materialisiert dort, wo die Feder das Ersonnene, Gedachte und Geträumte zu Papier bringt Musik ist ein Dokument seiner Zeit und die Musik von Mozart eine Symbiose der Zeiterscheinungen mit dem Charakter und dem Wesen eines Genies. Wollen wir seine Zeit verstehen, so gibt der Mensch Mozart ein Fenster, durch das man in seine Zeit schauen kann. Wollen wir Mozart verstehen, so können wir durch eine Analyse seiner Zeit neue Erkenntnisse über seine Person gewinnen. Mit der vorhandenen Nutzanwendung einer Zeit, die gerade in Europa in Veränderung lebt, wünsche ich Ihnen mit der Auseinandersetzung mit Europa im Zeitalter Mozarts viel Erfolg bei diesem Bemühen. Ich glaube, daß diese Veranstaltung nicht nur eine Wiedergutmachung an vielen Mißbräuchen darstellt In diesem guten wissenschaftlichen Sinn wünsche ich Ihnen dabei viel Erfolg.
Allan Janik
Culture and Society: Creativity and the Creative Milieu
In recent years it has become fashionable to characterize the relationship between cuitare and society in terms of the concept of "creativity". Although I have many reservations about the value of that term, I want to sketch what I take to be the central features of the concept of creativity and the conditions under which creative individuals thrive. As regards creativity my presentation will be mostly negative because I do not think that very much can be said about it at a broad theoretical level. On the other hand, given the proper frame of reference, the "creative milieu" can be a most interesting and important topic of inquiry. My task is to specify that frame of reference. In effect, I shall present what I take to be the focal points for the study of culture in terms of the creative milieu. I should emphasize that I do not take the following remarks to be particularly original, comprehensive or profound but as points of orientation for a fruitful discussion of the conditions of excellence, of the conditions which make culture possible. For the purposes of our discussion culture refers to the production of achievements of lasting merit, where "lasting" must be taken to imply that we only know what is genuinely meritorious historically, i. e., after the fact. The historical character of culture, i. e., the relative merit accruing to cultural achievements, helps to understand why a number of problems should arise about it. For example, it helps us to understand why much of what strikes a contemporary audience as startlingly new and "creative" has a way of becoming "dated" such that we ask ourselves how we ever could have thought, say, that Andy Warhol was a great artist. Furthermore, the historical embeddedness of cultural achievement also helps to explain why the task of the cultural historian is often so difficult so diverse are the cultural ideals to which different societies have suscribed. In short, cultural historians have continually to deal with "paradigm shifts" in the very concept of culture itself. Conversely, much that is of enduring value only comes to be recognized for its excellence after the creator had been long forgotten (Bach, El Greco). Why certain things get forgotten and only later remembered is a very important theme for cultural history. The reconstructive task of the cultural historian is further complicated by the tension between criticism and history. Aesthetic criticism of contemporary works is essentially political (in a nonpartisan way) in the sense that a style of technique will be championed at the cost of others; whereas it is the task of art history often to set the record straight by showing how one-sided the terms of cultural debate in a given epoche have been. The history of art and music is never without it political "moment" but the politics of style plays— or should play—a lesser, more peripheral, role in it. Another implication of the view that what counts as an achievement of lasting merit can only be determined with accuracy historically is that there can be no a-priori certainty that a distinction between "high culture" and "popular culture" can be made, i. e., today we can recognize the contributions of the Beatles to modern song and the Stones to modern composition in a way that we could not when they were at the zenith of their popularity. Moreover, in the past things that we take to
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Allan Janik
belong to high culture belonged to popular culture: think only of reading novels in the eighteenth century and opera in the nineteenth. We forget at our peril that the history of culture is a part of the broader history of civil society in the western world (which is little less than to assert that cultural history must be firmly anchored in social history). Merit accrues to radically different classes of lasting achievements: in practice cultural historians have to be pluraliste for the simple reason that we value things for a variety of reasons. A list of the general types of achievements we value would have to include at least the following (which are, of course, neither mutually exclusive [as the example of Mozart would most admirably demonstrate] nor on a par with one another): a) formal elegance or "beauty" (typical examples—not exhaustive of course: Bach, Racine, Horace, Yeats, Ingres), b) unforseeable and thus surprizing novelty (Duchamp, Dali, Joyce, Poe, Stravinski— one should also note the differences within these groups of figures), c) reflection-provoking critique of the forbidden (D. H. Lawrence, Solzhenyzen, Nestroy, Conrad, Shostokovitch), d) inspiring articulation of an ideal to be realized (Schiller, Verdi, Whitman, Liszt, Dante, Vergil), e) the power to amuse and entertain (J. Strauss, R. Wagner, Elvis Presley, Dallas), f) lapidary formulation of unavoidable and irresoluable conflict (the Greek tragedians, Shakespeare, Strindberg). Thus, the form, content, politics, novelty, aspiration, entertainment and moral depth incorporated into works of art moves and enlightens us and for all these reasons works of art come to be recognized as lasting achievements. However, it must also be recognized that the relation between cultural achievement and the society from which it emerges is not fixed. Consider the case of the role of the city: while the city is normally the matrix for the development of worthwhile novelty (ancient Athens, Renaissance Florence, 18th century London, Paris and Vienna at the turn of the century, New York after 1945), there are situations when creative thinking is only possible by withdrawing from the city (Plato, Descartes, Pascal, Hobbes, Millet). Religion plays a similarly ambiguous role in the genesis of cultural achievement: it can be both a positive and a negative factor in the creation of worthwhile novelty (both sides of this issues could be illustrated by the development of medieval scholasticism or of church music). General theories of culture stipulating a particular moral and aesthetic ideal or sociological norm for cultural development (Habermas, Marx, Durkheim, Freud, Spengler) are, therefore, historically useless, tending to be either too general as to be trivial or so one-sidedly normative as to be imperialistic. Understanding the relation between culture and society requires a comparative and contextual discussion of pattern-forming examples (in fact best accomplished by investigating what is wrong with a thesis like Max Weber's with respect to the relationship between capitalism and Calvinism or Turner's view of the frontier experience as forming typical American attitudes to, say, the environment). Only a comparative historical sociology of our cultural practices is capable of doing justice to the complex relationship between ideas and society.
Culture and Society: Creativity and the Creative Milieu
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Let us turn to creativity. Creativity, i. e. producing worthwhile novelty, is a matter of inventing—I explicitly avoid the word discovering here—a metaphor, i. e., a new practice of technique entailing the use of a new concept. It is a matter of striking upon a more interesting of efficient way of extending current activity (think of Dick Fosbury's new way of high-jumping, of the notion that electricity in a wire as "current" on of the notion of a "tone poem"). The whole literature on creativity in the end says remarkably Utile of a generalizable nature about these metaphors apart from giving us examples both of how specific individuals arrived at their new ways of connecting hitherto discrete phenomena. This must be the case for epistemological reasons: it is not possible to describe what it is to produce a metaphor beforehand without actually producing one. Moreover, these discussions of individual innovation frequently emphasize how painful it often is to construct the moral and political space required to fit the new metaphor into our existing practices (the manifestos so typically associated with the various "schools" of modern art attest to the struggle to create "social space" for conceptual innovation in the arts). The metaphoric character of creativity entails that creativity is essentially intractable: it cannot be substantively defined but can only be illustrated on the basis of historical examples. In the abstruse language of the philosophers we can say that an algorithm for metaphor, i. e., an effective procedure for predicting metaphors (which would inter alia also be an algorithm for induction) is an impossibility. Thus the demand for theories and definitions of creativity is very much the product of "uncreative" thinking: "creativity" is mediocrity's image of what it is not to be mediocre and nothing more. In this respect it is most illuminating to examine the literature on creativity: the names of the people who write about it are almost always totally unknown (Arthur Koestler was one of the rare exceptions to this rule). The conceptual character of creativity consists in inventing a new practice and with it a new category of experience, which is to say, a new word that is not a mere word. The inventing is frequently idiosyncratically individual, even inscrutable as Sir Karl Popper has pointed out (Priestley, for example, did not know what he had really discovered in identifying "de-phlogisticated air"; neither Hitler nor Franklin Roosevelt, in stark contrast to their economically sophisticated predecessors Brüning and Hoover, understood anything about economics apart from their instinctive awareness that standard economics was of no help in combatting the depression; they simply intuited that more rather than less public spending was the way out); its institutionalization, on the other hand, is entirely a public or social matter. Thus, creativity pertains to the the genesis of ideas, whereas the creative milieu bears upon the context into which they are received and/or the matrix in which they are developed. This is an eminently discussable phenomenon, i. e., discussable in terms of the characteristics of historical examples of milieux that have been indesputably creative. However, here again, we should not expect anything like a general theory for the reasons which have already been adduced (i. e., because the kinds of things that count as achievements is virtually infinite). Here I also want to emphasize a most disconcerting fact, namely, that not everything which counts as an achievement has to have a morally positive value. I am thinking of John Boyéis brilliant analysis of Karl Lueger's achievements as mayor of Vienna, which were, taken from the point of view of political strategy, considerable (i. e., uniting opposed interest groups such as land-
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Allan Janik
lords and tenants in the same party), but at the same time appealed to anti-semitic rhetoric which exploited as well as created racial hatred and thus helped pave the way to national Socialism and the Holocaust. The analysis of creativity is, therefore, for the most part an analysis of the reception of conceptual innovation. If we need evidence for this we need merely turn to the history of science and technology where we find a discussion of the very important concept of pre-mature discoveries such as Aristarchus of Samos's heliocentric theory of the universe and Gassendi's theory of atoms for which the scientific community was not prepared. In each case the "discoverers" received no credit because the scientific community was not prepared to accept such conceptual novelty. Moreover, we should not be misled by the passive connotations of the word "reception": the reception of new ideas requires considerable effort of an equally innovative character. Copernicus and Dalton should in fact be remembered more for their leadership roles than as discoverers. We can explicate this if we consider the "life-cycle" of ideas. Ideas may be said to have a developmental cycle in which the creative moment is but one of 5 stages, birth, and the creative milieu two, maturation and impact of penetration—the last two being decline and death, which are clearly enough not relevant to a discussion of creativity and the creative milieu for the very reason that culture refers precisely to that which does not die but continues to live and to vivify spiritually in time of need in the way that, say, Antigone can still speak profoundly to us across the ages. A creative milieu refers, then, to the totality of the context in which ideas are developed and have their impact or social penetration, where development refers to the articulation of ideas to the point that they become in a position to leave their imprint upon society (Dalton in chemistry and Copernicus in astronomy) and impact upon the way that developed ideas become accepted in society (St. Paul in his relationship to certain urban centers). A creative milieu is a social context which facilitates the social impact of soundly novel thinking. A creative milieu is an open society in which there is sufficient cultural leadership to identify and support creativity. The impact of innovation depends upon leadership (which is something more than the presence of leaders; for it refers to an institutionalized phenomenon). Leadership, the single most important component in a creative milieu, requires 1) insight into what in fact are the lasting achievements in the welter of novelty with which we are continually confronted, 2) no less insight into the state of society, i. e. into its requirements as well as its ability to absorb innovation and 3) the crucial capacity to inspire confidence and enthusiasm for new ideas (think of the sorts of considerations which have been required to implement, say, the new wine technology in a country like Austria in recent decades or what was necessary for Gustav Klimt to win acceptance in Vienna one hundred years ago. Such leadership will not be possible if there is not at least a modicum of critical discussion in the society at large and, of course, will only be enhanced to the extent that such critical discussion freely develops: we should remember that we are discussing worthwhile novelty, i. e., something whose value is only enhanced in critical discussion. A creative milieu, then, has normally at least four distinguishing characteristics (roughly corresponding to the things most valued by the ancient Greeks, health, wealth, beauty and wisdom):
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a) it is peaceful with a modicum of stability and continuity both with respect to its social institutions and symbolic systems (even what is "created" in war does not come into existence in the midst of fighting at the front and continually warring societies such as Germany in the Renaissance and Reformation or China in the centuries before the birth of Christ create precious little); b) it is sufficiently wealthy to support and institutionalize worthwhile novelty; c) it must possess sufficient collective wisdom, i) to permit creative individuals to develop and contest freely in a way similar to that of the ancient dramatists; ii) to provide leadership in the form of discerning patronage for innovative activity (Renaissance princes, Jewish philanthropists of Central Europe at the turn of the century); iii) to develop the collective experience, i. e. educational traditions, in which canons of skill and excellence are institutionalized and transmitted over generations (schools, publishing houses, critical periodicals, societies and clubs for the culturally concerned etc.). d) it is a home to creative individuals as, say, New York, Paris, Berlin and Vienna have been at various points in their history (which does not exclude all forms of alienation; for a love-hate relationship with one's home can also spurn creativity in some individuals). It should be clear now why a creative milieu cannot be planned—if it could, my friends and colleages in Sweden would have done so long ago: nothing that can be arranged beforehand will assure that the result will indeed be conducive to creativity. Indeed, much that is universally valued as creative could not exist were there not suffering and repressive institutions; yet, no sensible person would suggest that we build gulags in the hope of evoking a Solzenizyn. On the other hand, it would be equally fallacious to think that we can do nothing; for it should be clear that without wealth and creativity fostering institutions and traditions we can expect nothing whatsoever in the form of cultural creativity. Finally, one factor needs emphasizing: that which determines the character of the milieu, its esprit in Montesquieu's sense cannot be captured among the factors conducive to creativity in a given milieu for the very reason that the most crucial element in the explanation has to do with the milieu itself, which is to say, with the interplay in practice of all of the individual factors, i. e., with that which makes the milieu to be this specific milieu and no other, something which can neither be defind with precision nor observed in the way that a physical phenomenon can. It can only be illustrated on the basis of typical cultural gestures in the society and only to those with sufficient refinement to grasp their nuances.
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Allan Janik
BIBLIOGRAPHICAL NOTE The literature on the subjects discussed here is immense and I could not hope to produce a comprehensive set of references to all the relevant works here. Moreover, I have discussed many of the ideas presented briefly and provocatively here at length elsewhere. So I shall merely refer to works that I consider useful for grasping the perspective on culture creativity and the creative milieu developed here. On "culture" and cultural history see my How Not To Interpret A Culture (Bergen, Norway, 1986), which also contains a critical estimate of Vienna 1900 as a creative milieu. I am aware that there are other notions of culture employed by sociologists and anthropologists. I have discussed "culture" as an essentially contested concept in connection with ideas of the Swedish anthropologist, Karl-Olav Arnstberg, in "Culture, Controversy and the Human Studies" in my book Style, Politics and the Future of Philosophy (Dordrecht, 1989), which also contains discussions of my antipathy to theories in the human studies as well as the relationship of socialization and creativity. My views on the relationship between art history and art criticism have been strongly influenced by my contacts with the so-called Bergen School of Aesthetics in Norway where I have spent several stints as Visiting Professor for the Foundations of the Humanities. A convenient summary of the Bergen perspective on art, art criticsm and art history can be found in the contributions of Gunnar Danbolt, Kjell S. Johannessen and Tore Nordenstam in (eds.) Hermerén and Aagaard-Mogensen, Contemporary Aesthetics in Scandinavia (Lund, Sweden, 1980). Martin Brody and I tried to extend this discussion to cover controversies in music in our "Paradigms, Politics and Persuasion", in my Style, Politics and the Future of Philosophy. Useful summaries of current discussions of creativity can be found in the anthologies (eds.) D. Dutton and M. Krausz, The Concept of Creativity in Science and Art (The Hague, 1981) and (ed.) M. H. Mitias, Creativity· in Art, Religion and Culture (Amsterdam, 1985). Diderot's dialogue, Le neveu de Rameau is certainly the most trenchant discussion of creativity as mediocrity's understanding of what it is not to be mediocre—and many other very important themes relating to Enlightenment. The most important contribution to the "creative milieu" discussion with which I am familiar is that of Albert Danielsson. See his contribution to the forthcoming volume Wien um 1900: Das kreative Milieu eds. E. Brix and A. Janik (Wien). In the text I refer to John Beyer's classic study of Viennese politics, Political Radicalism in Imperial Vienna (Chicago, 1981). One of the best examples of culturally-oriented history of science is Loren Eisley's Darwin's Century (Garden City, 1961). The most famous study in the philosophy of science is Thomas Kuhn's The Structure of Scientific Revolutions (Chicago, 1970); the deeptest exploration of the themes of creativity and the creative milieu in the philosophy of science literature is Ludwik Fleck's Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache (Frankfurt/Main, 1980).
Oskár Elschek
Musik, Zeitgeist und Persönlichkeit
Unser Thema hat eine sozialpsychologische Dimension. Sozialpsychologische Aspekte der historischen, kulturpolitischen und musikalischen Prozesse sind aber in unserem Falle eng mit dem Persönlichkeitsbild der Komponisten des 18. Jahrhunderts und insbesondere mit der Persönlichkeit Mozarts verbunden. Da es uns aber um ein besseres Verständnis der Beziehungsstruktur zwischen Komponist und seinem Werk geht, so wie es in seiner sozialen und geschichtlichen Einfügung entstanden ist, stellt sich die Frage der aus diesen Beziehungen resultierenden neuen Kunst - der aus ihr entstandenen neuen Stilelemente. Letztlich steht das individuelle musikalische Werkgefüge im Vordergrund unseres Interesses.
Musik und Gesellschaft Unser Ausgangspunkt ist das alt-neue Thema: Musik und Gesellschaft, das in so vielen Facetten im Laufe der musikwissenschaftlichen Entwicklung behandelt wurde. Was uns besonders interessiert, das ist der Mensch, die künstlerische Persönlichkeit als konstitutiver Teil dieser Beziehungen. Jeder Mensch ist ein Individuum, er ist einzigartig, unwiederholbar, und jegliche Kunst, auch die musikalische, ist ohne diese einzigartige, persönlich bedingte Komponente nicht zu verstehen, so stark sie in ihrer Zeit auch verwurzelt sein mag. Anderseits prägt eine künstlerische Persönlichkeit in ganz entscheidender Weise ihre Zeit, die Zeitkunst, das Schaffen ihrer Zeitgenossen und die nachfolgende musikalische Entwicklung. In der Musik des 18. Jahrhunderts und in jener, die über die Schwelle dieses Jahrhunderts hinausreicht, gibt es kaum eine so bis zum bewußten Individualismus forcierte Musikgestaltung, wie sie Ludwig van Beethoven vertrat. Bei ihm war Neuartigkeit, individueller Ausdruck, das kompositorisch-technische Neuland usw. eine immer gegenwärtige stilprägende Komponente. Und doch entstand die erste große Mozart-Biographie, konzipiert als eine umfassende Künstlermonographie von Otto Jahn, durch die Idee beflügelt, das Werk Beethovens besser begreifen zu können. Otto Jahn schreibt im Vorwort zu seinem Buch über W. A. Mozart: Anfangs nur mit der Biographie Beethovens beschäftigt, sah ich bald ein, daß es unmöglich sein würde, das, was er Neues und Großes geschaffen hat, vollkommen begreiflich zu machen, ohne die Leistungen Mozarts klar zu übersehen, der die vorausgehende Periode der Musik abgeschlossen hat und dessen Erbschaft Beethoven antreten mußte, um seine eigenthümliche Stellung in der Geschichte der Musik zu gewinnen" (Jahn 1856/1889, S. VIII). Es ist aufschlußreich, diese Worte zu lesen, die kaum sechs Jahrzehnte nach Mozarts und keine drei Jahrzehnte nach Beethovens Tod verfaßt wurden. Aus heutiger Sicht ist erneut die Frage aufzuwerfen: Hat schon Mozart die klassische Periode der Musik zusammengefaßt, oder ist Beethoven der eigentliche Synthetiker dieser Zeit, also der Wiener Klassik, oder hat er vielmehr die Tür in die nachfolgende Stilperiode aufgestoßen? Es war eine vieldeutige Entwicklung, die vor allem durch die Individualitätsfrage beider Komponisten an Aktualität gewinnt. Mit diesem Beispiel wollte ich nur auf die
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Tatsache hinweisen, daß die Wertung immer sehr stark vom Prisma, aus welchem sie erfolgt, abhängig ist. Sind es zeitliche, stilistische Kriterien, die uns leiten, oder steht die Persönlichkeit, ihre Besonderheit im Vordergrund? Das ist auch die Frage, die wir uns unter dem Motto: Musik, Zeitgeist und Persönlichkeit, gestellt haben. Letztendlich geht es darum, die Musik der Zeit mit allen ihren determinierenden Faktoren, aus denen sie erwachsen ist, zu verstehen. So meint zu diesem Thema Paul R. Farnsworth bezeichnenderweise: „Auch die psychophysiologischen Potentialitäten des Menschen beeinflussen die Entwicklung der Musik. Aber die Tatsache, daß die Musik in einer Kultur bestimmte Phasen durchlaufen hat, die sich in einer anderen Kultur nicht wiederholen, mufl weitgehend auf der Grundlage von sozialpsychologischen und historischen Faktoren erklärt werden. Veränderungen der Musik wie Stilwechsel im allgemeinen sind gesetzmäßig, aber nicht in einem absoluten oder metaphysischen Sinne, sondern in der gleichen Art, wie es andere soziale Phänomene sind" (Farnsworth 1958/1976, S. 210). Der künstlerische Veränderungsprozeß hat auch in der Musik keine einheitliche Struktur, denn es ist nicht nur die Zeit, aber auch die Musikgattung, die mehr oder weniger Raum für das Individuelle bietet, eine volle Unterwerfung erfordert oder für den Künstler Freiräume schafft. Die stark funktionsbedingte Musik, z. B. die Unterhaltungsmusik, bietet hier nur beschränkte Möglichkeiten fur die Individualität des Schaffenden. Denn, wie auch Theodor W. Adorno sagt: „Sie bestätigt die Gesellschaft, die sie unterhält" (Adorno 1962, S. 19). Aber auch in dieser Gattung ist der Erfolg von der Fähigkeit, Neues anzubieten, abhängig. Wenn wir die Unterhaltungsmusik oder die ihr entsprechenden Gattungen meinen, wie es auch im 18. Jahrhundert z. B. die Tanzmusik, die Serenaden und viele andere Gattungen waren, an deren Gestaltung auch W. A. Mozart regen Anteil genommen hat - voll dem Zeitgeschmack entgegenkommend -, dann sehen wir, daß zwischen den einzelnen Musikgattungen keine Kluft, aber eine Komplementarität besteht. Wie häufig wurde die Motiv- und Formstruktur, die mozartsche Rhythmik und Metrik mit diesem tänzerisch symmetrischen Musikidiom verbunden? Auch kennen wir eine sehr prägnante Aussage des jungen Mozart, der am 28. Februar 1778 an seinen Vater schrieb: „. . . denn ich liebe, daß die aria einem sänger so accurat angemessen sey, wie ein gutgemachtes kleid." Eine Aussage, die aus seiner besonders lernbegierigen Mannheimer Zeit stammt, wo er unter anderem Arien für den Sänger Raaf schrieb, von denen eine auch der „Weberin" ganz vorzüglich paßte. Mozart bezeichnete sie als die beste Arie, die sie hatte. Persönliches aber auch Zeitliches spielt hier ineinander. Es ist immer die offene Frage der Freiheit und Bindung, wie sie Hans Mersmann in einem Vortrag 1959 zur Sprache brachte und meinte: „Der künstlerische Schaffensprozeß beginnt in der Kernzone der Intuition. Aus ihr wächst die Konzeption des Werkes. Nur die Intuition steht unter dem Zeichen unbegrenzter Freiheit. Mit ihrer Verdichtung zur künstlerischen Vorstellung hebt die unendliche Reihe der Bindungen an. Form und Stil gehören unlösbar zusammen: beide sind Bindungen des Materials und der schöpferischen Aussage" (Mersmann 1959, S. 7,16). Mersmann prägt zugleich den entsprechenden Begriff des „Lebensraumes" des Kunstwerkes, der diese Bindungen zum Ausdruck bringt. Als Musikhistoriker versuchte Karl Gustav Feilerer die Aspekte der Musikfunktionen und der Bindungen der Musiker in den verschiedensten musikalischen Weltkul-
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turen in einem besonderen Beitrag zu erfassen: Die Musik in Kultur, Zeit und Gesellschaft (1972), mit der Betonung der zeitlichen und kulturellen Unterschiedlichkeiten, die bei der Musikwerdung von entscheidender Bedeutung sind. Aus soziologischer Sicht hat Kurt Blaukopf eine breitgefácherte Beweisführung vorgelegt (1982), die sich auf alle sozial relevanten Faktoren der Musik und ihre kulturelle Eigenart konzentriert.
Werk und Zeitbindung Die Einfügung der Werke in ihre Zeit ist eine ganz besonders wichtige Komponente. Wie aber das Zeitlose einer Musik, eines Werkes, eine sehr eng in der Zeit verankerten Musik zu erklären sei, ist ein viel komplizierteres Problem, mit welchem wir auch bei Mozart konfrontiert sind. K. Blaukopf meint: „Gerade die Frage, inwieweit die ästhetische Eigenart eines Werkes für dessen überzeitliche Wirkung verantwortlich gemacht werden kann, ist eine der zentralen Fragen der Musiksoziologie" (1982, S. 150). Es ist also nicht nur die zeitliche Entsprechung, die Art, wie Musik aus den spezifischen Zeitbindungen entsteht, sondern ebenso wie sie diese sprengt, überschreitet und überwindet. Das sind die Grundfragen nicht nur der Soziologie, sondern auch jeder Kunstwissenschaft. Und bei der Musik fallt dies besonders schwer, denn ihre materiellen, stofflichen und ideellen Bindungen sind sehr vielschichtig; das bezieht sich besonders auf die „reine" Instrumentalmusik, die sich vor allem zur Zeit der Klassik erst voll etablierte und emanzipierte. Die Instrumentalmusik ist besonders vieldeutig, vage und „inhaltlich immateriell", und doch vom Stil und ihrer Funktion her so unmißverständlich ein „Zeitsignum", wie dies nur überhaupt möglich ist. Dies trifft ganz besonders für den „mozartschen" Stil zu. Aber letztlich ist diese Instrumentalmusik „zeitunabhängig", wenn wir das enorme Interesse unserer Zeit für diese alte Musik immer von neuem bekunden. Das sind nur scheinbar Gegensätze, die de facto keine wirklichen sind: sie beruhen auf einer Art von Universalität der Kunst und Werken von hoher künstlerischer Qualität.
Werk und Persönlichkeit Wenn wir uns den kulturhistorischen Gesprächen mit ihren beiden Aspekten: Europa im Zeitalter Mozarts und Mozart im Zeitalter Europas, zuwenden, so haben beide komplementären Charakter. Auch wenn wir uns nicht mit den Einzelpersönlichkeiten, den Künstlern des 18. Jahrhunderts, auseinandersetzen, so ist die allgemein individuelle Komponente zweifellos von entscheidender Bedeutung. Eine Zeit wird von Menschen gestaltet, sie ist die Summe von deren Aktivitäten, künstlerischer, kulturpolitischer, politischer Art usw. Ebenso ist es mit der Gesellschaft, mit ihren Institutionen, Einrichtungen, systemeigenen Strukturen etc. Sie sind von Menschen und für Menschen geschaffen. Ein Künstler, ein Musiker, ist Teil dieser Gesellschaft. Er ist mit seinem Leben und Wirken ein Teil des musikalischen und gesellschaftlichen Gefüges. Er gestaltet sie und wird von ihr geprägt. Es ist ein dynamisches Ganzes, ohne daß die einzelnen Elemente und Komponenten sich in ihr auflösen, ihre eigene Gestaltungskraft verlieren. Menschen, Künstler haben ihr relatives Eigenleben in die-
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sem Ganzen. Sie sind in der Lage, ihre eigene Vorstellungswelt, ihre Wunsch- und Traumwelt in das Werkgefüge, in die künstlerische Tat umzusetzen, in Werke ihrer eigenen Prägung einfließen zu lassen. Persönlichkeit, Individualität, Kreativität, neuund umzugestalten, gehört deshalb zu den höchsten Zielvorstellungen menschlicher Identität und Integrität. Ich möchte mich weder einem Determinismus der Wechselbeziehungen zwischen Musik - Kunst - Zeitgeschehen widmen, noch den Künstler als eine Art Spiegelbild seiner Zeit interpretieren. Auch glaube ich nicht, daß die Kunst fähig ist, die Zeit zu verändern. Sie kann sie um ganz wesentliche Merkmale bereichern, mit kennzeichnenden Äußerungen ergänzen. Das Wesen der Musik hegt aber im individuellen Beitrag eines Künstlers sui generis. Deshalb sind Erwägungen, die vorrangig auf den Gegenüberstellungen von Zeit und Kunst beruhen, meist grobe Vereinfachungen, ja ich möchte fast sagen Verzerrungen und Reduktionen, die sie ihrer schöpferischen Besonderheiten entledigen. Wenn wir mit unserem Thema Europa im Zeitalter Mozarts die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts meinen, dann steht eine künstlerische Dimension im Vordergrund. Denn Kunst ist ein wichtiger Teil dieser Zeit. Einer Zeit, die wir zweifelsohne als eine Zeit der Synthese, der philosophischen (der Aufklärung), der politischen (des aufgeklärten Absolutismus, aber auch voller Reformgedanken), die eine kontinuierliche, aber auch radikale soziale Umwälzung mit sich bringt, von der Reform zur Revolution schreitet. Sie reicht vom aufgeklärten Absolutismus zu seinem Zerfall, der durch die Napoleonischen Veränderungen, mit dem Code civile weiter in unsere bürgerliche Gesellschaft fuhrt. Die Künste verfahren mit dieser Wirklichkeit, die sie auch mittragen, sehr unterschiedlich. Etwa der architektonisch-monumentale, verherrlichend klassizistische Palais-Stil, der in die Vergangenheit gewandt ist, die gedankenreiche, philosophisch anspruchsvolle Literatur, die den neuen Menschen und seine Gedankenwelt generiert. Dies führt in der Musik letztlich zu einem doch ganz neuen musikalischen Stil, dem Stil des klassizistischen Umbruchs, der um die Wende des 18./19. Jahrhunderts seine Vollendung erreicht. Wir finden viel Neues, auch Eklektizistisches, Nachgestaltetes und Nachempfundenes, aber auch ganz Originelles. Es ist in diesem Sinn also nicht die Frage der Einheitlichkeit, weder im kulturpolitischen noch im künstlerischen Bereich. In beiden waren es zeitaktuelle Anforderungen und Funktionsbereiche, die den Rahmen, aber schwerlich den Inhalt dieser Kunstformen bestimmten. Die Zeit- und Individualentwicklungen von Künstlern gingen nicht einmal parallel einher, aber sehr verschlungene und durch das Persönlichkeitsbild der Künstler bestimmte Wege. Selbstverständlich sind sie ein Teil der Zeit und des ihr angepaßten Lebensablaufes, aber nicht ihr uneingeschränkter Ausdruck. Wenn wir nur die bekanntesten Musiker ihrer Zeit aus dem Wiener Kreis erwähnen: Haydn, Mozart und Beethoven. Haydn, der mehr als dreißig Jahre dienende und sich in vielen Belangen anpassende und nur in diesem beschränkten Rahmen seine Persönlichkeit verwirklichende Künstler, verstärkte seine individuelle künstlerische Aussage vor allem in seinen letzten Schaffensjahren. Mozart oszilierte sein ganzes Leben lang um den adeligen Kreis, den gekrönten Häuptern, strebte aber zeitlebens nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. Beethoven vollzog einen radikalen Bruch des Individualisten mit der denselben umgebenden und einengenden Gesellschaft.
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Selbstverständlich ist dieser Zeitwandel der Stellung des Künstlers bei jedem nachvollziehbar, gedanklich, stilistisch, form- und gattungsbedingt. Ihr Wesen liegt aber vor allem in ihrer mentalen, persönlichen Unterschiedlichkeit.
Mozart und seine Zeit Da wir von Mozart und seiner Genialität sprechen, wäre auch zu fragen, wie kommt dies alles in seinem Lebensumkreis zum Ausdruck, wie wird dies bei ihm artikuliert, wie ist er zum Synthetiker geworden, der höchste künstlerische Ansprüche zugleich mit einer Durchsichtigkeit und Transparenz, Leichtigkeit und spielerischen Selbstverständlichkeit verbindet? Das ist das Wesen, das nicht nur seine Zeit beherrschte, aber seiner tiefsten inneren Persönlichkeit entsprach und das Wesentliche seiner Musik verkörpert. Wenn wir einige typische Zeichen der Zeit meinen, der Mozartschen Zeit, so sind sie zumindest im folgenden zu suchen: 1. Der Rationalismus, der uneingeschränkte Glaube an die Vernunft und ihre Fähigkeit, die Gesellschaft neu zu gestalten und zu verändern. Bildung, Kunstbildung, das Verstehen aber auch Respektieren der künstlerischen Botschaft war eine Maxime der Zeit. 2. In der Kunst ist es eine entgegengesetzte Tendenz, die dem barocken „Rationalismus" affektiver Prägimg fremd gegenüberstand. Das Gefühl, das Sentiment (so wie es bei den englischen Ästhetikern zum Ausdruck kommt) gewinnt eine ungeheure Gestaltungskraft und Intentionalität. 3. Das 18. Jahrhundert ist mit einem erneuten Bildimgsaufschwung verbunden. Das Schulwesen, immer wieder reformiert, die Organisation des Bildungswesens, das sich verstärkende Kunstverständnis und der Versuch, in der Kunst das höchste Bildungselement zu sehen, wurden zu einem neuen, nach Weltoffenheit und Liberalität strebenden Zug der Zeit. Kunst wird wie schon so oft als Bildungs- und ästhetische Kategorie verstanden. 4. Die kritische Vernunft, die unvoreingenommene Prüfung alles Neuen, das Verlassen starrer vorgegebener Verhaltens- und ideologischer Normen, führt zu einem ungeheuren Aufschwung sowohl der Philosophie, der Geschichte, der Kunstästhetik, aber vor allem der musikalischen Kunst. 5. Es ist auch eine Zeit der sich verstärkenden Toleranz, die sich in eine Art sozialer Standesauflösung, Überwindung fester gesellschaftlicher Schranken äußert. Es ändert sich augenscheinlich ungeheuer viel, manchmal in den mit neuem Inhalt erfüllten alten Formen, oder auch umgekehrt, die gleicherweise die Philosophie, die Gesellschaft, die Politik und die Kunst ganz wesentlich prägen. Wenden wir uns nunmehr ganz kurz W. A. Mozart zu, um die Frage zu beantworten: Ist Mozart ein Kind seiner Zeit, hat er sich in seine Zeit eingefügt, wie entspricht er diesen ganz wesentlichen Maximen seiner Zeit? Mozart wurde sehr häufig als ein reiner Musiker, ein technisch ungemein versierter Komponist angesehen, aber mit einer sehr starken und engen Bindung an die adelige Gesellschaft. Somit spielte das voll aufgeklärte und zeitbewußte „Philosophentum" und der „Rationalismus" programmatischer Art bei ihm keine besondere
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Rolle. Mozarts direkte Aussagen dieser Art über die Zeitkunst sind nur in sehr bescheidenem Umfang aus seiner umfangreichen Korrespondenz herauszulesen. Auch war sein Bildungsweg im literarischen Sinne in eher beschränkten Grenzen verlaufen. Wenn wir die Komponente hinzurechnen, die von Mozarts Vater vertreten wurde, eines sich Anpassens an die Anforderungen der Gesellschaft, der Auftraggeber usw. zu erfüllen, war es aus dieser Sicht nicht gerade das aufgeklärt-aufgeschlossene Milieu, in dem sich Mozart bewegte. Und hier glaube ich, ist Mozart ohne seine individuellen Neigungen, Fähigkeiten, seiner einfachen Sachlichkeit, natürlich kritischen Aufgeschlossenheit nicht zu verstehen. Wir sollten erst einmal auf die Bildimg zurückkommen. Wie paßt Mozart in diese bewuflte Zeit der hohen Bildung und Rationalität? Sein sehr einfacher Bildungsweg, der mit schulischen und schulmeisterlichen Kriterien zu messen wäre, hat nur wenige Züge dieser Ausrichtung. Er genoß aber eine hoch spezialisierte Erziehung, die zusätzlich mit den frühesten Kindesjahren begann, mit drei Jahren, so früh, wie man es sich bei einem Kind überhaupt nur vorstellen kann. Es war Spiel und zugleich Musizierpraxis. Und mit fünf begann die Lebensschule, die zwei Jahrzehnte dauerte. Wie heute fleißig zusammengerechnet wird, sind es mehr als zehn Reise- und Lernjahre. Es waren nicht nur Vorstellungen, Präsentationen, Konzerte, Aufträge, sondern auch das Kennenlernen führender Köpfe seiner Zeit aus Politik und Kunst, das Gespräch, die Auseinandersetzungen in den Salons, Freundschaften usw. Nicht die Schulbank, sondern der Salon, nicht das Stubenstudium der Werke, sondern ihr Miterleben, die Abschätzung ihrer Auswirkungen, das Sichauseinandersetzen mit den Komponisten seiner Zeit, sei es in Paris, München, Prag, London, Mannheim, in Italien usw. Es war ein lebendiger Dialog mit der Musik seiner Zeit in ihrem Lebenszusammenhang. Es war kein passives Sichaneignen, aber zugleich ein Kompositionsstudium nicht nur der Werke, sondern das Verfassen von Musikwerken im jeweiligen Stil, so wie sie von Mozart meist von seinen Gastgebern gefordert oder angeregt wurden. Das ist das Resultat, welches wir bei Mozart in seinen vielen Facetten, seien sie italienischer, Mannheimer, Pariser oder anderer Art, beobachten. Mozart eignete sich alle diese Stile an, aber gesehen durch sein kritisches künstlerisch-musikalisches Prisma. Er machte sich die europäischen Musikstile eigen. Die Welt, die europäische Welt der Musik seiner Zeit war für ihn ein offenes Buch, das er durch und durch beherrschte. So gesehen ist der Mozartsche Stil eine Vereinigung all dieser europäischen, internationalen oder nationalen Besonderheiten? Nur zum Teil. Denn was Mozart zu Mozart macht, war einerseits diese Fähigkeit des Zusammenfassens, des Sichaneignens der Ausdrucksmittel der Musik seiner Zeit. Anderseits kam ja Mozart aus einer österreichisch-deutschen Musiktradition, die aus handfesten bäuerlichen und aus der Umgangsmusik des Tages resultierenden Komponenten bestand. Diese blieb zeitlebens seine musikalische Muttersprache, unverkennbar und unverwechselbar. Kennenlernen und Aneignen sind in dieser Bildungsphase wichtig, aber was bei Mozart besticht, das ist die Fähigkeit eines kritischen Abstands zu diesen neuen Musikphänomenen. Aus dieser mehr oder weniger rein musikalischen Sicht ist Mozart ein kritischer musikalischer Denker seiner Zeit. Das Resultat ist nicht ein Übernehmen, aber die Einschmelzung des Erkannten, Erlebten in seine stileigene individuelle Musik. Deshalb schien es, daß es bei Mozart leichtfallen würde, die
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diversen regional- und nationalbetonten Elemente zu identifizieren. Dem ist aber nicht so. Denn Mozart ist neben seiner eigenen musikalischen Sprache auch ein Verwandlungskünstler, der in der Lage ist, die beliebigen Elemente und Stilmittel anzuwenden, sie aber immer auch mit seiner eigenen musikalischen Aussage inhaltlich zu vereinen. Das Fremde sich aneignen, so wie es auf den langen Mozartschen Reisen geschehen ist, ist gerade in den letzten Jahren in den vorbereitenden Jubiläumsfeierlichkeiten immer wieder angesprochen worden. Zahlreiche Monographien sind den Mozartschen Wanderjahren gewidmet worden, und auch das einzige Mozartsche Film-Fernseh-Projekt, das von der ARD durchgeführt wurde, befaßt sich in einer dreizehnteiligen Serie mit den Reisen Mozarts. Ihre musikalischen Auswirkungen, die künstlerischen Ronsequenzen und letztlich die durchgeführte klassische Synthese im Werke Mozarts, unter anderem durch seine europaweiten Lehrjahre ermöglicht, sind zu einem besonders intensiv diskutierten Thema geworden. Die zweite Reife- und Bildungsentwicklung, die aus den Mozartschen Reisen herauszulesen ist, hegt außerhalb des musikalischen Bereichs. Das ist das minuziöse Kennenlernen der europäischen Musikszene, des Theaters, der Literatur, der bildenden Kunst. Es war der persönliche Kontakt mit den unzähligen Künstlern seiner Zeit, die in denselben Salons verkehrten wie Mozart selbst, bei denselben Mäzenen auf Unterstützung hofften. Mozarts Korrespondenz mit seinem Vater und seinen Liebsten legt auch Zeugnis darüber ab, wie kritisch und offen er Leute, Kunst, Gesellschaft und auch diese Salons beurteilte. Mozart war in diesem Sinne ein kritisch denkender Mensch seiner Zeit, vorurteilslos, unmittelbar seinem Verstand und Gefühl folgend. Ohne Skrupel die Realität, das Gute oder Böse beschreibend, wie er die Menschen sah, mit welchen er sich traf oder längere Zeit verkehrte. Und Mozart war natürlicherweise auch mit seinen persönlichen Eigenschaften ein Kind seiner Zeit. Er hatte eine Art von innerer Moralität und Pflichtbewußtsein, das seine Arbeit betraf und immer wieder auch in seinen Opern, bei den Gestalten, ihrem Handeln und Aussagen zum Ausdruck kommt Auch sein Freimaurertum trägt diese ethische Qualität, die tief in seiner Persönlichkeit verwurzelt war. Ein Ebenbild zwischen Werk und Persönlichkeit nachzuweisen, ist bei Mozart allgemein gesehen keine so schwierige Aufgabe, denn seine Karriere spielte sich in der breitest möglichen Öffentlichkeit seiner Zeit ab. Sie ist mit Werken, Aussagen, kritischen Reflexionen und einer umfassenden Korrespondenz belegt Wie aber dies alles, in welcher künstlerischen Einzigartigkeit zum Inhalt seine Musik wurde, dies ist bei einem so ungeheuer vielschichtigen Werk, wie das seine, schwierig, eindeutig zu artikulieren. Genialität, Neuartigkeit, Unwiederholbarkeit, unmittelbare Reaktion auf Erlebtes und Auftragswerke wechseln mit solchen, die aus seiner inneren besessenen Ideentreue kamen. So wie es vor allem das Werk des letzten Jahrzehnts seines Lebens dokumentiert, welches ganz besonders einem sich vertiefenden Individualismus und synthetischen Zusammenfassen seines musikalischen Vermächtnisses gewidmet war. Dies konnte dann weit in die Zukunft weisen und die Grundlage der Beethovenschen Musik und vor allem der Musik der Frühromantik werden, mit ihrer vertieften Sensibilität und Persönlichkeitsgefühl, wie dies auch Otto Jahn zum Ausdruck brachte. Mozart war in
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diesem Sinne ein Komponist, der sich durch seinen Persönlichkeitsstil weit von den universellen Schemen der Musik seiner Zeit entfernte und eine einzigartige und unglaublich homogene Musikwelt schuf, nicht nur die klassizistische, aber vor allem seine. Die Mozartsche Musik ist nicht nur erfüllt vom Geist seiner Zeit, sondern ist vor allem getragen von seinem persönlichen Weltbild und Lebensgefiihl. Die Musik Mozarts ist aber zugleich der Spiegel des Umbruchs, der sich um die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts abspielte. Zwischen Rokoko, galantem Stil und der sich anbahnenden Musiksynthese des Klassizismus, die aus zahlreichen Quellen der italienischen, französischen und deutschen Musik sich in den Werken der Wiener Schule verwirklichte. Der musikalische Klassizismus, eine mitteleuropäische Synthese und zugleich ein Modell gesamteuropäischen, universellen Musikdenkens, welches zugleich Grundlage eines beinahe nahtlosen Übergangs zwischen den Spätwerken der Wiener Klassik und den Werken der Frühromantiker wurde. Gibt es einen „Zeitgeist", der die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts beherrschte? Es ist die Zeit der sozialen, nationalen und der sich ausprägenden zwischenstaatlichen und machtpolitischen Interessengegensätze, zugleich aber auch eine Zeit der Suche nach den Idealen einer humanen, aufgeklärten, modernen Gesellschaft. Die rationale Aufklärung, die gefühlsbetonte Sensibilität, die Suche nach den Ursprüngen, dem Natürlichen, dem Naturnahen, wie dies vor allem in der französischen Philosophie zum Tragen kam, veränderte zweifelsohne auch die Kunst und insbesondere die Musik. Ein breites kulturelles Interesse aller Sozialschichten für die Musik brachte zugleich eine veränderte Beziehung zwischen Gesellschaft, Musikleben und dem Komponisten. Es leitete die Entstehung neuer Musikgattungen und die Anpassung und Umgestaltung älterer Musikgenres ein. „Öffentliche" Musikinstitutionen und Gesellschaften boten außerhalb der Residenzen und Salons den Komponisten neue Geltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Wie war die Musikerpersönlichkeit und jene des Komponisten von ihrer Zeit geprägt? Brachte das 18. Jahrhundert einen Umbruch, oder war sie in der Vergangenheit verankert? Zwischen Diener und Handwerker, zwischen Bestellungsempfanger und Ausführenden . . . Zwischen vollständig dem Zeitgeschmack nachgehenden und ihn zugleich prägenden, entstand ein nach Emanzipation und subjektivem Ausdruck sich sehnender und auch dafür sich einsetzender Komponist. Ein aus den Abhängigkeiten sich lösender und eigenen Lebens- und Gefühlsvorstellungen nachgehender freier Mensch und Künstler wurde geboren. Wien und die Träger, Gestalter ihres musikalischen Klassizismus standen an der Bruchstelle dieser neuen europäischen Kunst, die eine Kontinuität und Integrität in der Musik bis tief in das 20. Jahrhundert prägte. Es war eine Zeit des Umbruchs, aber auch des künstlerischen Aufbruchs. Ohne jene Persönlichkeiten, ohne jene Konzentration und Komplementarität der großen musikalischen Ideengestalter und Schöpfer, wie sie sich in Wien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zusammenfanden und jeder auf ganz unterschiedliche und persönliche Weise die Ideale des musikalischen Klassizismus verwirklichte, wäre die europäische Musik - auch die heutige - undenkbar. Der innerlich ausgewogene, „einfache" und zurückhaltende Joseph Haydn, der sprühende und immer nach Neuem suchende Wolfgang Amadeus Mozart und der subjektiv-individualistische, expressive Ludwig van Beethoven, neben vielen anderen, bieten jene künstlerische Vielfalt, ohne welche keine wirkliche Kunst leben kann.
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LITERATURHINWEISE Theodor Wiesengrund: Einführung in die Musiksoziologie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. Main 1962. BLAUKOPF, Kurt: Musik im Wandel der Gesellschaft. R. Piper Co. Verlag, München - Zürich
ADORNO,
1962. FARNWORTH,
Ausgabe FELLERER,
Paul
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(erste
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JAHN,
Reinhart Koselleck
Geist und Bildung zwei Begriffe kultureller Innovation zur Zeit Mozarts
Es ist bekannt, muß aber in Erinnerung gerufen werden, daß Musik - so wenig wie die bildenden Künste - durch keine Sprache hinreichend erfaßt werden kann. Der Sinnen- und Bewegungshaushalt des Menschen gibt Ausdrucks- und Aneignungsweisen frei, die sich einer unmittelbaren Versprachlichung entziehen: Das unterscheidet Musik und die bildenden Künste von Dichtung und Literatur. Wenn gleichwohl „Geist" und „Bildung" als zentrale Begriffe der Zeit Mozarts vorgeführt werden, so zielt meine Hypothese auf eine Analogie zwischen Mozarts Musik und den damaligen Sprachweisen, die so etwas wie eine epochale Gemeinsamkeit freigeben mag. Was zu einer bestimmten Zeit sagbar war und in derselben Zeit komponierbar war, das wird, so die Hypothese, nicht völlig zusammenhanglos sein können. Die strukturelle Gemeinsamkeit dessen, was Mozarts Musik offenbart, und dessen, was mit „Geist" und „Bildung" in der Sprache der zeitgleichen intellektuellen Schichten ausgedrückt wurde, läßt sich folgendermaßen umreißen: Mozarts Musik war innovativ, weil er die bis dahin dominanten Variations- und Wiederholungsstrukturen der Musik in seiner Komposition zuspitzen konnte auf eine je einmalige Überraschung, die all seinen polyphonen Tonsequenzen eingestiftet wurde. Was uns heute selbsthörend eine musikalische Wiedererkennung bereitet, war damals neu, überraschend neu, und kann auch immer wieder als überraschend neu erfahren werden: Zeichen der sogenannten Klassik. Alles, was er komponierte, blieb eingefaßt in harmonischen Ganzheiten, die alle innovativen Dissonanzschübe aufzufangen wußten. Überraschung und Vollendung fanden zusammen. Und was wiederholt wurde oder wiederaufgenommen wurde, gewann einen je einmaligen Stellenwert in der jeweiligen Komposition. Auch die Wiederholungen und Anleihen etwa aus der italienischen, französischen, englischen oder norddeutschen Musik kondensierten sich zu unverwechselbaren einmaligen „Schöpfungen". E. T. A. Hoffmann hat deshalb Mozart als das Genie, den „Shakespeare der Musik" definiert, der sich von seinen Vorbildern abgelöst habe, um seinen Werken eine Idee einzustiften, die sich im Ganzen realisiere. „Der Sinn reift zur Erkenntnis des Wahrhaftigen, und aus dieser Erkenntnis tritt der eigene Gedanke, der eigentümlich erfundene Ausdruck jenes Wahrhaftigen hervor, der sich an das Hergebrachte . . . nicht weiter kehrt." Wenn ein Komponist Mozart nachahmen wolle, verwechsele er die Mittel des Ausdrucks mit dem Ausdruck selbst. Mozart nachzuahmen führe zum Scheitern: Er war und bleibt einmalig. Anthropologisch gesprochen wurden die Sinne, das Gehör und die damit intonierte körperliche Rhythmik in den Dienst einer rational einsichtigen Komposition gestellt. Es war Mozarts Geist, in Goethes Worten sein „dämonischer Geist", der alle sinnlichen Vorgaben der Menschen, ihre gesellschaftlichen Konflikte und deren Lösungsangebote in polyphone Verweisimgszusammenhänge transformierte. Es war, in Ivan Nagels Worten, der Konflikt zwischen fürstlicher Gnade und menschlicher Autonomie, der auf eine neue Weise gelöst werden sollte; oder: in Starobinskis Ana-
Geist und Bildung - zwei Begriffe kultureller Innovation zur Zeit Mozarts
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lyse läßt sich die „Zauberflöte" auch als Erziehungs- und Bildungsroman lesen, der den Autonomieanspruch der Menschen gesellschaftlich vermitteln sollte. Die Erfahrungsschichten aller Stände, die sinnliche Triebhaftigkeit und bis zur Utopie überschießende, gleichwohl vernunftgebotene Lösungen: all dies musikalisch in einmalige Werke einzuschmelzen war die Leistung, in den damaligen Ausdrücken gesprochen, eines Genies, dessen Schöpferkraft die Einmaligkeit angesonnen wurde. Zugleich freilich Ergebnis harter Arbeit, wie denn in Mozarts eigenen Worten die Kunst Frucht ernster Mühe und Studien ist. Und „wenn man den Geist dazu hat, so drückst und quälst einen. Man muß es machen und man machte auch und fragt nicht darum." Diese Kriterien, mit denen Mozart sich selbst begriffen hatte und die Mozart auch heute noch beschreiben lassen, entstammen allesamt den Sprech- und Denkweisen, die damals zur gleichen Zeit entfaltet wurden, ohne daß man einzelne Autoren dafür verantwortlich machen könnte. Es gibt semantische Strukturen, die sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts entfalten, die Mozart synchron und Mozart konform zu sprechen erlaubten. Zu ihnen gehören wie „Genie" und „Arbeit" die zwei zentralen Begriffe „Bildimg" und „Geist", die intransitiv und reflexiv die damals neuen Erfahrungen ordneten und leiteten. Bildimg, anfänglich ein theologischer, danach ein aufgeklärt-pädagogischer Begriff, gewinnt zu Mozarts Zeit seine emphatische, selbstreflexive Bedeutung. Bildung zielt darauf, die Einmaligkeit einer Individualität zu ermöglichen und zu generieren, ohne auf ihre Verschränkung mit der Gesellschaft zu verzichten. Bildung war mehr als nur Erziehung auf vorgegebene Ziele hin, die sich von Generation zu Generation langsam ändern mögen. Vielmehr zielte Bildung auf die Individuation und Einmaligkeit dessen, der sich selbst zu bilden hatte. Alle Vorgaben der Traditionen sollten verarbeitet und eingeschmolzen werden, aber nicht den genuinen Bildungsgang selber determinieren. Religion wurde zu säkularer Frömmigkeit transformiert und der moralische Pflichtenkanon zur Selbstverpflichtung durch Arbeit. So zielte Bildung auf die prozessual zu erreichende Ganzheit und auf die Einmaligkeit der Person in Geselligkeit und Freiheit. Alle natürlichen Anlagen sollten voll zur Entfaltung kommen, die Sinnlichkeit und Vernunft - zur Zeit der Aufklärung noch als Gegensätze stilisiert - wurden in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit durchschaut und sollten sich gegenseitig adeln. Es war ein Begriff, der die „Aufklärung" in sich aufnahm, aber in der jeweils einmaligen personalen Lebensführung, Vernunft und Sinne umgreifend, sich erfüllen sollte. Auch „Geist" gehörte zu den großen Leitbegriffen, die sich zur Zeit der Französischen Revolution durchsetzten - wie auch Geschichte, Fortschritt und Entwicklung. Geist umgriff freilich als weltimmanenter, ehedem theologischer Begriff Natur und Geschichte, Kunst und Gesellschaft. Er holte die Transzendenz Gottes in den sperrigen Alltag ein. Die je einmalige Sinnlichkeit oder Vernünftigkeit eines Menschen konnten durch den Geist, so man an ihm partizipierte, ihre wechselseitige Erfüllung finden. Er zielte als prozessualer Begriff auf die Selbstverwirklichung der Menschheit im Menschen. Deshalb konnte er nur im je einzelnen Selbstbewußtsein in die Erfahrung eingeholt werden. Damit wurden, in der Tradition der Aufklärung, alle politischen oder kirchlichen Instanzen unterlaufen. Es war der Geist, durch den Konflikte ausgetragen, aufgelöst oder auch harmonisiert werden konnten. All dieses wurde mit
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Reinhart Koselleck
dem Begriff des Geistes erfaßt, der sich geschichtlich je einmalig offenbart und durch alle Entfremdungen hindurch sich je einmalig vollenden sollte. Es liegt auf der Hand, dafl diese unsere beiden Begriffe, wie sie auf einer hohen Ebene semantischer Allgemeinheit vorgeführt wurden, geeignet waren, auch Mozarts Rompositionen zu beschreiben - ohne sie freilich als sinnlich erfahrbare Musik selber erfassen zu können. Aber die beiden Begriffe Bildung und Geist, selber ein Produkt der sprachlich reflektierten Geschichte, reichten offenbar hin, um das, was an Mozarts Musik überhaupt versprachlicht werden kann, auf ihren Begriff zu bringen. Wie die sprachliche und die sinnlich-musikalische Konvergenzhypothese heutigen Tages linguistisch bzw. musikanalytisch aufgelöst oder bestätigt werden kann, entzieht sich meiner Kompetenz.
Wolfgang Suppan
Möglichkeiten und Grenzen (musik-)kultureller Traditionsbildung: Von Johann Joseph Fux zu Wolfgang Amadeus Mozart
Mein Ansatz ist ein anthropologischer - und damit möglicherweise eine Gegenposition (richtiger: Ergänzung) zu kunstimmanenten Betrachtungsweisen, die die Mozart-Forschung der letzten Jahrzehnte dominieren. Für den Vertreter einer interkulturell vergleichenden Disziplin sind weder Kulturen noch das, was kulturspezifisch als „Kreativität" begriffen werden mag, absolute Größen, und es geht dabei auch nicht um „ewige Werte". Sondern Menschen finden, durch die biologische Evolution dazu befähigt, unter unterschiedlichen klimatischen und ökonomischen Bedingungen zu unterschiedlichen Möglichkeiten kultureller Selbstverwirklichung. Der „Spielraum des Verhaltens" (um einen Buchtitel von Bernhard Waldenfels zu bemühen 1 ) ermöglicht und begrenzt kulturelle Wertebildungen. „Die Variationsbreite ist von Natur aus vorgegeben, die Variationswahl wird von der Situation bestimmt . . . [in diesem Sinne] unterliegt [auch] die bislang als das Freieste vom Freien geltende menschliche Kunst biologischen Gesetzen."2 Dem Stand der biologischen und kulturanthropologischen Forschung entsprechend, dürfen wir heute davon ausgehen, daß sich die verschiedenartigen Phänomene menschlicher Entwicklung gleichzeitig auf biogenetische und kulturelle Gründe und Entstehungszusammenhänge zurückführen lassen. Es geht demnach nicht um die Dominanz der Natur oder der Kultur in der Determination des menschlichen Verhaltens, sondern es setzt sich die Erkenntnis durch, „daß sich im Verlauf der biologischen Evolution des Menschen biogenetisch verankerte Verhaltensinklinationen entwickelt haben, die neben aller Kulturgebundenheit auch eine biologische Zweckdienlichkeit erkennen lassen."3 Wäre es vermessen zu fragen, welche „Zweckdienlichkeit" der Musik zukommt - im vorliegenden Fall: der Musik Mozarts zur Zeit Josephs II. in Wien - aber auch heute? Aus diesem Ansatz spricht ein Bekenntnis zur sogenannten „kognitiven Wende" in den Human- und Sozialwissenschaften. Reinhard Koselleck hat diese Wende mit seinem Vortrag im Rahmen des deutschen Historikertages 1971 eingeleitet, indem er unter dem Titel „Wozu noch Historie?" forderte, die Geschichtswissenschaften mit anthropologischen Fragestellungen zu durchdringen, die Strukturen geschichtlicher Epochen in ihrer jeweiligen anthropologischen Verfaßtheit aufzuzeigen. Im selben 1 2
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Bernhard WALDENFELS, Der Spielraum des Verhaltens, Frankfurt 1980 (suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 311). Otto KÖNIG, Urmotiv Auge. Neuentdeckte Grundzüge menschlichen Verhaltens, München Zürich 1975, S. 24, 466. - Auch Irenäus EIBL-EIBESFELDT, Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie, München - Zürich 1984, spricht vom „ethnologischen Beitrag zur Ästhetik", von „Kunst als Kommunikation". Fortpflanzung: Natur und Kultur im Wechselspiel. Versuch eines Dialogs zwischen Biologen und Sozialwissenschaftlern, hg. von Eckart VOLAND, Frankfurt 1992 (suhrkamp taschenbuch
Wissenschaft 983).
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Wolfgang Suppan
Jahr hat Wolf Lepenies, von der Soziologie her, die Herausbildung einer interdisziplinären Wissenschaft vom Menschen prognostiziert, die Ergebnisse und Denkansätze der biologischen, ethnologischen und philosophischen Anthropologie in sich vereinen würde.4. Als Musikologe sah ich in solcher Denkweise eine Möglichkeit, die Phänomenologie Max Schelers und Edmund Husserls, die ich in Graz aus der Hand meines Lehrers Amadeus Graf Silva-Tarouca empfangen hatte, mit der im Rahmen der USCultural Anthropology entstandenen „Anthropology of Music" von Alan Merriam zu verknüpfen.5 Ludwig Wittgensteins sprach- und kommunikationstheoretischer Ansatz bot sich in der Folge ebenso als Hilfe an 6 wie die in der Verhaltensforschung neu aufbrechenden Ideen von Konrad Lorenz, Bernhard Hassenstein und Irenaus Eibl-Eibesfeldt. In meinem Buch „Der musizierende Mensch. Eine Anthropologie der Musik" (Mainz 1984) sowie in einer Reihe weiterer Schriften habe ich zu begründen versucht, inwiefern in der Musikwissenschaft neben der historischen und europabezogenen Kulturgüterforschung der Frage des Gebrauchswertes der Musik für die Psyche des Menschen und für die Dynamik gesellschaftlichen Lebens sowohl intrakulturell wie kulturübergreifend nachgegangen werden kann. 7 Schauplatz - hic et nunc - ist das Wien des 18. Jahrhunderts, eines der Zentren europäisch-abendländischer Kultur und Sitz der wesentlichen politischen Kraft Mitteleuropas. Der Weg führt von Karl VI. über Maria Theresia zu Joseph II. Für die ältere Zeit steht neben Künstlern und Baumeistern wie Johann Bernhard Fischer von Erlach, Johann Lukas von Hüdebrandt und Jakob Prandauer der kaiserliche Hofkapellmeister und Komponist Johann Joseph Fux, für die neuere Zeit Wolfgang Amadeus Mozart. Die Frage lautet: Welchen „Spielraum" bot dieses 18. Jahrhundert einem schöpferischen Menschen, wo lagen die Grenzen und Möglichkeiten kultureller Traditionsbildung von Fux zu Mozart? Fux wie Mozart haben für ihre Zeitgenossen, für die Bedürfnisse des geistlichen und weltlichen Zeremoniells der Dienst- und/oder Auftraggeber komponiert Die systemkonforme Komponente ihres musikalischen Schaffens zeigt sich innerhalb der politischen Gegebenheiten des spanischen Hofzeremoniells ebenso deutlich wie im 4 5 6
Wolf LEPENIES, Soziologische Anthropologie. Materialien, München 1971 (Reihe Hanser 80). Alan B. MERRIAM, The Anthropology of Music, Evanston 1964, 2/1968, 3/1971. Wolfgang SUPPAN, Ludwig Wittgenstein - Denker, Lehrer, Musiker, in: Vom pädagogischen Umgang mit Musik (Zum Gedenken an Sigrid Abel-Struth), Mainz 1993, S. 293-302. 7 Wolfgang Suppan, Der musizierende Mensch. Eine Anthropologie der Musik, Mainz 1984 (Musikpädagogik. Forschung und Lehre, hg. von Sigrid Abel-Struth, Band 10). Dieser Ansatz wird weitergeführt u. a. in dem Buch: Musica humana. Die anthropologische und kulturethologische Dimension der Musikwissenschaft, Wien - Graz - Köln 1986 (Forschen - Verantworten - Lehren, hg. von Berthold Sutter, Band 8), sowie in den Aufsätzen: Menschenund/oder Kulturgüterforschung (?). Über den Beitrag der Musikwissenschaft zur Erforschimg menschlicher Verhaltensweisen, in: Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 9 (Karbusicky-Festschrift), 1986, S. 37-66; Die biologischen Grundlagen und kulturellen Möglichkeiten der Talenteforderung im Bereich der Musik . . ., in: Florilegium musicologicum = Federhofer-Festschrift, Tutzing 1988, S. 409-425; Biologische Voraussetzungen und Grenzen kultureller Traditionsbildung, in: Traditiones 19 (Gedenkschrift für Valens Vodusek), Ljubljana 1990, S. 145-156; Ansätze und Ideen zur Anthropologie der Musik, in: Orbis musicae 10 (Festschrift für Hanoch Avenary), Tel-Aviv 1990/91, S. 48-271; Tourism - Culture - Music (Anthropological Aspects), in: Schladminger Gespräche zum Thema Musik und Tourismus, Tutzing 1991 (Musikethnologische Sammelbände 12), S. 25-33.
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Konzept der „Aulklärung". Eine Fux-Oper, anläßlich der Geburt eines Thronfolgers komponiert, stellt unter Zuhilfenahme jenes Mythos, der der Geschichte vorausgeht, die Besonderheit und auch die im Jenseits verankerte Macht des Kaiserhauses und seiner Angehörigen dar. Mozarts „Figaro", von Joseph II. selbst in voller Länge zur Aufführung bestimmt (die Zensur hatte zuvor einige Passagen entfernen lassen), wurde von den Zeitgenossen als „Manifest der Gleichheit und Freiheit... als Pamphlet gegen alle Adelsvorrechte, angefangen mit dem ,Ius primae noctis'" gefeiert. Wer die gesellschaftliche Situation der Mozart-Zeit nicht berücksichtigen würde, so schrieb kürzlich der französische Schriftsteller und André-Malraux-Biograph Jean Lacouture, der könnte sich keine Vorstellung davon machen, welche Gesellschaftskritik und Kühnheit in der Arie des Figaro „Se vuol ballare, signor Contino" stecken würde! Der Text wende sich präzise gegen die - auch von Joseph II. nicht gutgeheißene - Willkür der Edelleute. Ein Jahr später, 1787, geht Mozart noch weiter, wenn er Masetto im Gespräch mit Don Giovanni, dem „Verführer" seiner Frau, die Herausforderung zum Duell in den Mund legt, da er ein „Kavalier" sei. Diese Herausforderung, formulierte der große französische Dichter Pierre Jean Jouve, verkünde nichts „Geringeres als die umstürzlerischen Bewegungen der Französischen Revolution".8 Was die Bindung der „Zauberflöte" an die Freimaurerbewegung betrifft, so ist dieses Werk nicht allein dem Gedankengut des Freimaurertums und den Humanitätsidealen der Aufklärung verpflichtet9, sondern es zielt auf den didaktischen Effekt: nämlich der Verankerimg dieser weltlichen Morallehre in den Gefühlen der Menschen. In beiden Fällen - bei Fux wie bei Mozart - ist es die Musik, die der Nachricht einen Weg in die emotionalen Zentren unseres Gehirnes bahnt und sie darin verankert, sie zum Vor-Urteil (oder wie Gadamer sagt: zum „Vorausurteil"10) werden läßt, das letztlich intellektuelles Denken in hohem Maße gewichtet. Die in der Naturgeschichte des Menschen begründete politische Wirkmöglichkeit der Musik, eine interkulturelle Konstante, ist in der Fux-Zeit ebenso präsent wie in der Mozart-Zeit. L'art pour l'art - als philosophische Idee - war noch nicht formuliert. Erst 1790, ein Jahr vor Mozarts Tod, erschien Immanuel Kants „Kritik der ästhetischen Urteilskraft", in der „das Schöne . . . als ein Gegenstand des Wohlgefallens ohne alles Interesse" bestimmt wird.11 Und es dauerte nochmals mehr als fünfzig Jahre, bis in Eduard Hanslicks Buch „Vom Musikalisch-Schönen" (1854) dieses „interesselose Wohlgefallen" an der „tönend-bewegten Form" zum Credo der bürgerlichen Musikkultur werden sollte.12 Damit möchte ich sagen, daß der „Spielraum musikalischer Schöpferkraft" im 18. Jahrhundert durch die Regeln der Gebrauchsästhetik bestimmt war. Der Gebrauch, den Menschen von der Musik machten, bestimmte ihre Strukturen. Fux wie Mozart waren daraufhin erzogen worden. Daran änderte sich auch nichts, als Mozart seine Salzburger Stellung aufgab, um in Wien als „stellenloser" Komponist, d. h. von 8 Jean LACOUTURE, Mozart und die Aulklärung, in: UNESCO-Kurier 32,1991, Nr. 7, S. 16-18. 9 Wie Constantin FLOROS, Musik als Botschaft, Wiesbaden 1989, S. 9 6 , formulierte. 10 Hans-Georg GADAMER, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 1960. 11 Immanuel KANT, Kritik der Urteilskraft und naturphilosophische Schriften 1/2, Werke IX/X, hg. von W. WEISCHEDEL, Wiesbaden 1957, S. 456, 462. 12 Eduard HANSLICK, Vom Musikalisch-Schönen, Leipzig 1854.
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Konzerteinnahmen und von den Aufträgen adeliger Gönner zu leben. Nicht ungern hätte er in Wien eine feste Stelle angenommen, wie seine Bewerbung um die Position des Harmoniemusik-Rapellmeisters beim Fürsten Liechtenstein bezeugt; denn dann hätte er, wie er seinem Vater am 23. Januar 1782 nach Salzburg schreibt, „doch wenigstens . . . etwas sicheres - und ich würden den accord niemalen anders als lebenslänglich eingehen".13 Die musikalischen Veränderungen von der Fux-Caldara-Zeit zur Haydn-MozartZeit blieben innerhalb des geltenden Systems der Gebrauchsästhetik verankert. Doch die Wahlmöglichkeiten wurden größer. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Josephinismus, als Folge der Bauernbefreiung, des Toleranzpatents, der Sprachenverordnung, der wachsenden Einsicht in die ethnische Vielfalt des Habsburgerreiches, der Gründung von „Volks"-Schulen und der Wortprägung „Volkslied" durch Johann Gottfried Herder, ließ das „aufgeklärte Bürgertum" der Raiserstadt an der Donau in steigendem Maße an den Prestigegütern des Adels teilhaben, führte zu jener gesellschaftlichen Differenzierung, die dem „Kunstproduzenten" einen ungewohnt neuen Markt bescherte. Mozart wußte die neuen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen zu nutzen, weil er sich den Zielen des Kaisers - als aktives Mitglied einer Freimaurerloge - verbunden fühlte. Die Beteiligung des aufgeklärten Bürgertums an den Kunstproduktionen und die damit verbundene Erweiterung eines Publikums der Musikkenner und Liebhaber bestimmte Mozart zudem, auf das „Popolare" verstärkt zu achten.14 Selbst in seinem Äußeren gab sich Mozart schließlich „provozierend einfach". Wie Joseph II. pflegte er im abgetragenen grünen/grauen Leibrock aufzutreten - und geriet so oftmals in die peinliche Situation, für „einen kleinen Schneidergesellen" (wie in Frankfurt) oder ein „kleines, unscheinbares Männchen in schlechtem Oberrock" (wie in Berlin) gehalten zu werden. Schließlich verstieß er bewußt gegen höfische Etikette, als er am 6. September 1791 anläßlich der Krönungsfeier von Kaiser Leopold II. in Prag die Uraufführung der Oper „Titus" nicht in der Galauniform, sondern im einfachen grünen Rock der Josephiner leitete. Die Oper fiel beim Adel durch, und das Volk strömte in das Theater. Doch weder für die eine noch für die andere Reaktion sind vorwiegend innermusikalische Gründe maßgebend gewesen: Es ging um politische Fakten, die - nach dem Tode Josephs II. - der „einstmalige Propagandist Josephs"15 bewußt werden ließ. Solche mit Musik verbundenen, zeitlos und quer über die Kulturen hinweg feststellbaren Fakten werden eher von Nichtmusikologen ausgesprochen. Ich erinnere an einen Vortrag zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 1986, den der am 26. Mai 1991 bei dem tragischen Absturz der Lauda-„Mozart" in Indonesien ums Leben gekommene Innsbrucker Finanzwissenschaftler Clemens August Andreae 13 Wolfgang SUPPAN, Die Harmoniemusik. Das private Representations- und Vergnügungsensemble des mitteleuropäischen Adels - zwischen Kunst- und gesellschaftlichem Gebrauchswert, in: Musica privata. Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Salmen, Innsbruck 1991, S. 151-165, Zitat S. 152. 14 Wolfgang SUPPAN, Die „Neue Melodik" als zentrales Merkmal klassischer Musik, in: Internationaler Musikwissenschaftlicher Kongreß zum Mozartjahr 1991 Baden - Wien, hg. von Ingrid FUCHS, Tutzing 1993, S. 255-265. 15 Gunthard BORN, Mozarts Musiksprache. Schlüssel zum Leben und Werk, München 1985, S. 8 5 .
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gehalten hat. Andreae wies darauf hin, daß Kunst, Politik und Ökonomie einander „brauchen" würden. „Ich möchte zeigen", so sagte Andrae, „daß der ästhetische Erfolg von Kunstwerken wesentlich davon abhängt, wie erfolgreich sie sich Wirtschafts[und politischer] Mechanismen bedienen . . . daß [andererseits] der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmungen davon abhängt, wie erfolgreich sie sich ästhetischer Mechanismen bedienen." Für die an L'art pour l'art orientierten Besucher der Salzburger Festspiele 1986 eine eher schockierende Feststellung, für die Adels- und Bürgergesellschaften des 18. Jahrhunderts selbstverständlich - eben eine Rahmenbedingung jedweder Kunstproduktion. „Formale Eleganz" oder „Schönheit", „überraschend Neues", „inspiring articulation", „Amüsement und Unterhaltung": das sind die Äußerlichkeiten, die Vehikel politischer Meinungsbildung (nicht im heutigen parteipolitischen Sinne, sondern im Sinne von Piatons „politeia", der Kunst, eine Gruppe von Menschen, einen Staat so zu führen, daß alle Menschen sich darin wohl fühlen). Die Unterschlagung dieses Zusammenhanges, nämlich von Kunst und Leben, führte - und da zitiere ich den aus der Konstanzer Schule kommenden Berliner Philosophen Franz Koppe - „ins Abseits belangloser Theorien des L'art pour l'art".16 Aussagen über den künstlerisch produktiven Menschen, über das Schöpferische im Menschen oder über geistig anregende Zeiten oder Landschaften, erhalten ihre relative Gültigkeit innerhalb kultureller Wertsysteme.17 In diesem Sinne sind Kulturtheorien nicht „nutzlos", sondern Arbeitshilfen, Koordinationssysteme. Es kann nicht um absolut richtige Kunst gehen, sondern nur um Bezugssysteme, um jeweils eine Kultur - genauer: tun eine von dreitausend kulturellen Evolutionen auf dieser Erde, die sich auf der Basis der einen biologischen Evolution bilden konnten. Ein in der Politik, in der Wirtschaft, in den Wissenschaften oder in den Künsten produktiver Mensch ist nicht allein Ergebnis eines „social contexts". Gemäß der zweifachen Geschichtlichkeit des Menschen, einmal als Produkt der biologischen Evolution, zum andern aufgrund der Einbettung in eine Kultur, sind beide Entwicklungsstränge zu beachten. Die Naturgeschichte des Menschen hat ihn mit jenen Sinnen ausgestattet, die die Kommunikation mit seiner Umwelt ermöglichen. In welchen akustischen, visuellen, taktilen Körper- oder Riechsprachen er sich zu verständigen lernt, das ist Sache des Einpassungsprozesses in eine Kultur. Musik ist primär Bestandteil der akustischen Kommunikation, wobei interkulturell vergleichende Untersuchungen sowohl einen „naturgeschichtlichen" wie einen kulturspezifisch vermittelten und vereinbarten Zeichenvorrat fixieren können. Der Entwicklungsreihe „Vom Kunstwerk zur Ware", wie sie Hans Heinz Holz in seinen „Studien zur Funktion des ästhetischen Gegenstandes im Spätkapitalismus" nachgezeichnet hat18, ist der Werkzeugcharakter des Kunstwerkes, der „dienende Gegenstand" Musik voranzustellen.19 16 Franz KOPPE, Grundbegriffe der Ästhetik, Frankfurt 1983 (edition suhrkamp 1160), S. 20. 17 Zur „Kreativitäts-Diskussion'' vgl. Sibylle VOLLMER, Die Rezeption des Kreativitätsbegriffes durch die Musikpädagogik, Mainz u. a. 1980 (Musikpädagogik. Forschung und Lehre, hg. von Sigrid ABEL-STRUTH, Band 7), S. 10. - Dazu auch Sigrid ABEL-STRUTH, GrundriO der Musikpädagogik, Mainz u. a. 1985, S. 6 4 , 1 4 2 . 18 Hans Heinz HOLZ, Vom Kunstwerk zur Ware. Studien zur Funktion des ästhetischen Gegenstandes im Spätkapitalismus, Neuwied-Berlin 1972 (Sammlung Luchterhand 65). 19 Wolfgang SUPPAN, Werkzeug - Kunstwerk - Ware. Prolegomena zu einer anthropologisch fundierten Musikwissenschaft, in: Musikethnologische Sammelbände 1,1977, S. 9-20.
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Der Weg der Künste von Karl VI., der „Epoche imperialer Musikkultur", wie sie Friedrich W. Riedel genannt hat 20 , in die Zeit Josephs II. herein, widerspiegelt aber auch musikalisch-technologische und kompositionspraktische Möglichkeiten und Grenzen. Das Bild wäre unvollständig, würde ich nicht auch darauf verweisen: 1. Auf die von Johann Joseph Fux verfaßten „Gradus ad Parnassum" (Wien 1725), die für die folgenden Musikergenerationen - einschließlich Mozart - zum klassischen Lehrbuch der Romposition werden sollten, 2. auf die Diskussion um neue Tonsysteme, die zum „wohltemperierten" Klavier geführt haben (wir wissen, daß Fux sich vorbehaltlos zur gleichschwebenden Temperatur bekannt und damit den Weg zur Wiener Klassik hin aufgestoßen hat) 21 , 3. auf instrumentenbautechnische Neuerungen, die die Einpassung der in der Naturtonreihe überblasenden Holz- und Blechblasinstrumente betrafen, 4. auf die stärker Vorschriftcharakter annehmende und damit die Schöpferkraft des Interpreten immer stärker einengende Musiknotenschrift. Letzteres bedeutet, daß traditionell mündlich überlieferte Spieltechniken, der gesamte Komplex der Verzierungs- und Diminutionspraktiken, die weitgehend improvisierte Generalbaßbegleitung, durch immer genauer vorfixierte Interpretationsmodelle ersetzt werden. 22 Die Grenzen des Komponierens sind dort anzusetzen, wo Interpretations· und Notationsmöglichkeiten Grenzen bezeichnen. Andersherum gesagt: Außermusikalische (die Visualisierung von Musik liegt außerhalb des akustischen Phänomens Musik) und instrumentenbautechnische Entwicklungen bahnen den Weg vom jeweils Älteren zum jeweils Neueren.
20 Friedrich W. RIEDEL, Kirchenmusik am Hofe Karls VI. (1711-1740). Untersuchungen zum Verhältnis von Zeremoniell und musikalischem Stil im Barockzeitalter, München - Salzburg 1977.
21 Hellmut FEDERHOFER, Johann Joseph Fux und die gleichschwebende Temperatur, in: Die Musikforschimg 41,1988, S. 9-15. 22 Daniel LEESON, Mozarts Wind Music - Two Hundred Years Later (KongreD-Referat Chicago 1991). - Herrn Kollegen Leeson bin ich für die Überlassung seines Vortrags-Manuskripts dankbar verbunden.
Rudolf Vierhaus
Zwischen Ancien régime und Revolution. Die Krise des älteren Europa /
Daß Wolfgang Amadeus Mozart ein Mensch seiner Zeit war, wäre eine triviale Feststellung; daß sein Werk Ausdruck seiner Zeit gewesen sei, eine Behauptung, die in der Regel ohne unzulässige Vereinfachung und interpretatorische Gewaltsamkeit nicht auskommt. Zwar läßt sich dieses Werk selbstverständlich nicht aus Zeit und Umwelt seiner Entstehung herauslösen, aber es geht darin nicht auf. Auch läßt sich von der Zeitgenossenschaft seines Schöpfers nicht absehen; im konkreten Lebensvollzug aber, unter den Bedingungen der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, tritt Zeitgenossenschaft immer in lokal und kulturell, sozial und individuell unterschiedlichen, jeweils besonderen, vielfältig vermittelten Spiegelungen in Erscheinung. Die Medien der Sprache, der Musik, der künstlerischen Form, die Themen und ästhetischen Normen eines künstlerischen Werkes lassen sich weder personen- noch epochenspezifisch vollständig erklären, noch weniger seine Wirkung und Rezeption. Deshalb kann eigentlich nur metaphorisch (oder journalistisch) von einem „Zeitalter Mozarts" gesprochen werden. Weder hat seine Musik seinem Zeitalter den Stempel ihrer Einzigartigkeit aufgedrückt, noch läßt sich aus ihr die soziale Realität und das kulturelle Profil, der „Geist" seiner Zeit heraushören - jedenfalls nicht direkt und unvermittelt. Dennoch ist für das Verständis Mozarts und seines Werkes die Kenntnis des politischen, sozialen und kulturellen Ambiente, in dem er lebte, unerläßlich, wie denn auch die Kenntnis seines Lebens und seines Werkes Indiz für das Verständnis seiner Zeit sein kann. Thema der folgenden Überlegungen ist nicht Mozart in seiner Zeit, sondern die Analyse der Zeit und der Welt, in der Mozart lebte.1 1 Aus der umfangreichen einschlägigen Literatur seien hier nur einige neuere informative Werke genannt. Zur europäischen Geschichte: Eberhard WEIS, Der Durchbruch des Bürgertums 1776-1847. (Propyläen Geschichte Europas, Bd. 4) Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1975. - Heinz DUCHHARDT, Das Zeitalter des Absolutismus. (Oldenbourg, Grundriß der Geschichte, Bd. 11) München 1989. - Johannes KUNISCH, Absolutismus. Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur Krise des Ancien regime. Göttingen 1986. - Robert R PALMER, The Age of Democratic Revolution. A Political History of Europe and America, 1760-1800. Vol. 1: The Challenge. Princeton 1959. - Stuart ANDREWS, Eighteenth Century Europe. The 1680s to 1815. London 1965. - Leonhard KRIEGER, Kings and Philosophers 1689-1789. London 1970. Zur deutschen Geschichte: Horst MÖLLER, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1765-1815. (Die Deutschen und ihre Nation, Bd. 1) Berlin 1989. - Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur defensiven Modernisierung der Reformara 1700-1815. München 1987. - Christoph DIPPER, Deutsche Geschichte 1648-1789. Frankfurt a. M . 1991. - Rudolf VIERHAUS, Deutschland im 18. Jahrhundert. Politische Verfassung, soziales Gefüge, geistige Bewegungen. Ausgewählte Aufsätze. Göttingen 1987. - Karl Otmar von ARETIN, Das Reich. Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht 1648-1806. Stuttgart 1986. - Heinz DUCHHARDT, Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648-1806. (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 4) München 1990. -
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Rudolf Vierhaus
Diese Zeit - vom Ausbruch des Siebenjährigen deutschen und weltweiten Krieges bis zum Vorabend des ersten europäischen Koalitionskrieges gegen das revolutionäre Frankreich - stellt sich dem rückblickenden Betrachter unter dem doppelten Aspekt sowohl der Vorgeschichte revolutionärer und staatsreformerischer Veränderungen als auch der Spätphase des Ancien régime als eine Zeit sich vertiefender Gegensätze und Spannungen, des „Noch" und des „Schon", als Zeit einer europäischen Krise dar, die von den Zeitgenossen mehr oder weniger bedrängend verspürt, in ihren Auswirkungen allerdings kaum erahnt werden konnte. War doch ihr Erscheinungsbild von kaum zu überbietender Widersprüchlichkeit. Historische Krisen entstehen - so läßt sich allgemein und abstrakt sagen2 - , wenn sich die politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse eines gesellschaftlichen Systems in ihren Relationen mit zunehmender Beschleunigung verzerren imd zueinander in Widerspruch geraten; wenn politische Herrschaft nicht mehr über hinreichende Steuerungskapazität verfügt und deshalb an Autorität verliert; wenn infolge demographischer und ökonomischer Veränderungen das soziale Gefüge sich lockert oder überlastet wird; wenn tradierte Institutionen, Werte und Verhaltensnormen ihre Geltung verlieren und das öffentliche Bewußtsein zunehmender Teile der Gesellschaft sich von ihnen abwendet. Krisen dieser Art können durch Kriege und wirtschaftliche Not verschärft werden; sie können durch Reformen aufgehalten und überwunden, bei deren Nichtgelingen jedoch verstärkt werden. In ihrem Verlauf kann eine alternde Kultur noch einmal hinreißende späte Blüten treiben, während bereits das Neue sich in Entwürfen, Plänen und Schlagwörtern anmeldet. Später werden die einen nostalgisch an die Schönheit der zu Ende gegangenen Epoche erinnern, die anderen ihre erfolgreiche Überwindung als Sieg und Fortschritt feiern. Historische Krisen müssen nicht mit dem gewaltsamen Umsturz des politischen Systems und der Umwälzung der sozialen Verhältnisse, also mit Revolution enden; sie können auch einen langen Prozeß des Umbaus und der Neugestaltung einleiten. Von historischen Krisen zu sprechen ist überhaupt nur dann berechtigt, wenn es sich nicht bloß um den Niedergang erstarrter Institutionen, um die unaufhaltsame Desintegration überholter Gesellschaftsformationen handelt. Echte historische Krisen enthalten Alternativen; in ihrem Verlauf gibt es Chancen eines anderen Ausgangs. Das gilt auch für die Krise des Ancien régime. Zu ihren Besonderheiten gehört die sie begleitende und vorantreibende öffentliche (bzw. veröffentlichte) Kritik - nicht mehr nur als philosophische, als Religions- und Literaturkritik, sondern auch als politische und Gesellschaftskritik, als kritische Infragestellung tradierter und noch bestehender Institutionen und Ideen.
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Eberhard WEIS, Deutschland und Frankreich um 1800. Aufklärung, Revolution, Reform. Hg. von Walter DEMEL und Bernd ROECK, München 1990. - Michael EERBE, Deutsche Geschichte 1713-1790. Dualismus und Aufgeklärter Absolutismus. Stuttgart 1985. Österreich: Österreich im Europa der Aufklärung. Kontinuität und Zäsur in Europa zur Zeit Maria Theresias und Josephs II. Internationales Symposion. Wien 1985. - Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. (Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung. Wissenschaftliche Beiträge) 3. Aufl., Wien 1980. Dazu: Rudolf VIERHAUS, Politische und soziale Krisen. Auf dem Wege zu einer historischen Krisenforschung. In: Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 1979. Göttingen 1979.
Zwischen Ancien régime und Revolution. Die Krise des älteren Europa
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Am Ende des Siebenjährigen Krieges war es, auch in Frankreich, nicht ausgemacht oder auch nur zu vermuten, daß das politische System und das soziale Gefüge des älteren Europa in die letzte Phase ihrer Existenz eingetreten waren und ein Menschenalter später revolutionär erschüttert sein könnten. Im Gegenteil: Es gab gute Gründe für die Erwartung äußeren Friedens und innerer Reformen, über deren Notwendigkeit und Ziele mehr und heftiger denn je zuvor diskutiert wurde. Und obwohl es zahlreiche Anlässe für das Gefühl von Veränderung in der Welt gab, standen doch die Zeichen lange nicht auf Sturm. Im historischen Rückblick freilich erkennt man, wie tiefgreifend sich schon 1763 die machtpolitische Konstellation in Europa verändert hatte; welche sozialen Spannungen sich ansammelten und welche Widersprüche sich im kulturellen System und in der Meinungsbildung der Zeit entwickelten. Wie gesagt: für Zeitgenossen ein diffuser Vorgang; man trifft bei ihnen dicht nebeneinander Sorglosigkeit und Krisenbewußtsein, Reformoptimismus und Verschwörungsverdacht, Zukunftsentwurf und Kulturpessimismus, schließlich auch schon enttäuschten Optimismus und politischen Radikalismus.
Π Am Ende des Siebenjährigen Krieges war Frankreich als Überseemacht von England definitiv überrundet und hatte in Europa an politischem Gewicht verloren. Österreich war trotz des Verlusts von Schlesien politisch gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen; Preußen hatte trotz schwerster Verluste seinen Platz im Kreis der „präpondierenden" Mächte befestigt. Die spannungsgeladene Koexistenz der beiden deutschen Vormächte blockierte zwar eine Reform der Reichsverfassung, von der in den folgenden Jahrzehnten so viel gesprochen wurde, stabilisierte jedoch auch das geographische Zentrum des europäischen Mächtesystems - nicht zuletzt im Interesse der Flügelmächte England und Rußland, dessen Ausscheiden aus dem Siebenjährigen Krieg Preußen gerettet hatte. Damit aber hatte das Zarenreich nicht seine Expansionspolitik aufgegeben, diese wurde vielmehr zu einem zunehmend wichtigen Faktor der europäischen Politik. Das zeigte sich 1772 bei der skandalösen ersten Teilung Polens, dann beim russischen Vordringen auf dem Ralkan, durch das Österreich in den Kampf um das Erbe des Osmanenreichs verwickelt wurde, und auch bei Katharinas II. antibritischer Politik der bewaffneten Seeneutralität, als England durch den Unabhängigkeitskrieg seiner nordamerikanischen Kolonien geschwächt schien. Dieser Krieg, in den Frankreich, Spanien und die Niederlande auf Seiten der Kolonien eintraten, war mehr und anderes als ein Kampf um kolonialen Resitz und überseeischen Handel; er bedeutete eine neue Erfahrung: die errungene Unabhängigkeit europäischer Kolonien vom Mutterland und die Begründung eines völlig neuartigen Staatswesens: einer föderativen Republik mit demokratischer Verfassimg. Dieser Vorgang löste in England eine Krise des Vertrauens in Regierung und Parlament aus, in Frankreich vertiefte er die Krise der Staatsfinanzen, in der öffentlichen Meinung des Kontinents mischten sich zunehmend kritische Töne in die verbreitete Bewunderung für Großbritannien, das Land gesicherter Freiheit und parlamentarischer Regierung, während der Sieg der Kolonisten enthusiastisch begrüßt wurde, die es unternahmen, ein Gemeinwesen auf der Grundlage von grundgesetzlich verankerten Menschen-
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rechten zu schaffen. Wenngleich jedermann in der „Alten" Welt die Unvergleichbarkeit der Voraussetzungen des Vorgangs kannte, wirkte er doch als Beispiel und Signal für die Möglichkeit der Realisierung von Grundsätzen, die in der Alten Welt formuliert worden waren. 1786 konnte man im „Wissenschaftlichen Magazin für Aufklärung" lesen: „Seit einigen Monden . . . gibt es drei Millionen Menschen mehr in der Welt, welche ihre Knie nicht beugen vor den Götzen! Noch eine Revolution wie diese, und unser Jahrhundert wird als ein Riese hervorragen unter seinen Brüdern." Zwei „eherne Pfeiler" sieht der Verfasser die „amerikanische Freiheit" stützen: die „Gleichheit der geistlichen Rechte", die eine herrschende Religion, und die „Gleichheit der bürgerlichen Rechte", die einen herrschenden Stand ausschließen. Diese Vorzüge genieße kein europäisches Land in gleicher Weise und werde sie noch in Jahrhunderten nicht genießen. 5 Politische und soziale Unruhen zeitlich und räumlich begrenzten Umfangs flammten indes auch in Europa auf. Gemeinsam war ihnen - wie Robert Palmer argumentiert - der Konflikt zwischen Aristokratie und Demokratie, weshalb er die Zeit zwischen 1760 und 1800 „The Age of Democratic Revolution" nannte. So verschieden Anlaß und Ergebnis waren - der Verfassungsstreit 1768 in Genf, die Patriotenbewegung in den Niederlanden und die Aufstände in Lüttich und in Belgien in den 1780er Jahren, der Staatsstreich Gustavs III. in Schweden 1772, die ständische Quasi-Revolution in Frankreich 1763 bis 1774 und der die Dimensionen einer „Revolution von oben" annehmende Staatsreformversuch Josephs II. brachten, noch vor dem Beginn der großen Revolution in Frankreich, das Unruhepotential an den Tag, das sich in der europäischen Gesellschaft angesammelt hatte und sich gleichsam als tektonisches Beben bemerkbar machte.
III Was diesen Vorgängen - die Aufzählung könnte erweitert werden - über sie selbst hinaus Bedeutung verlieh, war vor allem das publizistische Echo, das sie fanden. Damit ist ein charakteristisches Element der Zeit angesprochen: die zunehmende Bedeutung der „Publizität" und der öffentlich verbreiteten Meinung. Zwar unterlag der Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsdruck überall der Zensur, und das gedruckte Wort erreichte direkt nur die lesefahige Minderheit der Bevölkerung. Dieser Teil aber, vor allem die zunehmende Zahl von Schreibenden und ihr „Publikum", wurden zu einer meinungsbildenden Kraft, die von den geistlichen und weltlichen Gewalten nicht unbeachtet bleiben konnte, weil sie sie weder zu unterdrücken noch zu lenken vermochten. 4 Voraussetzung und weiterwirkende Folge dieser Entwick-
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Wissenschaftliches Magazin für Aufklärung. Hg. von Ernst Ludwig POSSELT, Bd. 2, 1786, S. 296 ff. Dazu allgemein: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789. Hg. von Rolf GRIMMINGER, (Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 3), München 1980. - Reinhard WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick. München 1991. - Lesekulturen im 18. Jahrhundert. Hg. von Hans Erich BÖDEKER (Aufklärung, Jg. 1, H. 1), Hamburg 1992.
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lung waren der expandierende Buch- und Zeitschriftenmarkt, die sich ausweitende öffentliche Moral, gesellschaftliche Verhältnisse und Politik einbeziehende Publizistik. In untrennbarer Verbindung damit muß die rapide Vermehrung bzw. Neuentstehimg privater, „bürgerlicher" Assoziationen gesehen werden. Freimaurerlogen, Clubs, Lesegesellschaften, „sociétés de pensés", philosophierende Salons und regionale Akademien, gemeinnützige und patriotische Gesellschaften, in denen bürgerliche Gebildete und Adelige, christliche und weltliche Amtsträger und Privatleute zusammentreffen konnten, entstanden an vielen Orten. Umfangreiche Korrespondenzen, institutionalisierter wissenschaftlicher Austausch, zunehmende Reisetätigkeit und die Beliebtheit der veröffentlichten, freilich nicht immer zuverlässigen Reiseberichte ließen ein sich verdichtendes Netz des Austausches, der Rommunikation entstehen. Gewiß hat die Formierung eines gebildeten Publikums, einer literarischen „Öffentlichkeit" und eines kritischen Diskurses im Zeichen der Aufklärimg nicht die Welt verändert, wie die selbsternannten Wortführer und Advokaten der Menschheit, die „Schriftsteller" und „philosophes", gerne glauben und ihre Leser glauben machen wollten.5 Wohl aber veränderte sich das politische Klima. Innergesellschaftliche Widersprüche kamen zur Sprache, bürgerliche Adelskritik, aber auch altständische Absolutismuskritik, Kritik am kirchlichen Lehrmonopol und an der klerikalen Moralkontrolle, am Privilegienwesen und an korrupter lokaler oder landesherrlicher Verwaltung äußerten sich mit zunehmender Offenheit. Die idealisierte oder an Beispielen festgemachte Darstellung vernünftiger und gerechter Ordnung, guter Herrschaft, freier Geistigkeit und Geselligkeit, die - nicht selten naiven - Entwürfe zur Hebung des Wohlstandes und der Bildung des Volkes sollten, so wurde erwartet, Druck auf die Herrschenden ausüben. In der Tat haben „Publizität" und „Meinung" so gewirkt; doch überschätzten die Schriftsteller ihren Einfluß bei weitem, Enttäuschung und Resignation blieben nicht aus. Selbstkritik einerseits, Radikalisierung der Kritik an den bestehenden Verhältnissen andererseits griffen um sich, während alte und neue Gegner der Aufklärung sich mit alten, aber auch neuen Argumenten zu Wort meldeten und eine junge Generation, die Aufklärung bereits hinter sich lassend, Erkenntnis jenseits des Rationalismus in Religion, Geschichte und Kunst suchte. Die konservative und die „romantische" Reaktion auf die Aufklärung setzten nicht erst nach der Revolution ein; sie begannen früher und waren Elemente jener Orientierungs- und Bewußtseinskrise der Zeit, für die es so viele Zeugnisse gibt - von Rousseau bis Hamann.
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Zur Aufklärung: Formen der europäischen Aufklärung. Hg. von Friedrich ENGEL-JANOSI, Grete KLINGENSTEIN, Heinrich LUTZ (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 3), Wien 1976. - Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland. Hg. von Franklin KOPITZSCH, München 1976. - Horst MÖLLER, Vernunft und Kritik. Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 1986. - Aufklärung als Prozeß. Hg. von Rudolf VIERHAUS (Aufklärung, Jg. 2, H. 2), Hamburg 1987. - Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung. Hg. von Hans Erich BÖDECKER und Ulrich HERRMANN (Studien zum 18. Jahrhundert, Bd. 8), Hamburg 1987. - Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung. Hg. von Rudolf VIERHAUS (Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. 7), Heidelberg 1981.
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w Dringt man tiefer in den Ursachenzusammenhang für den Krisencharakter der Zeit zwischen Siebenjährigem Krieg und Französischer Revolution ein und fragt man nach sozialen Konflikten und Konfliktpotentialen, so trifft man zwar nicht auf eine dramatische Verschärfung, wohl aber auf die Versteifung sozialer Unterschiede und Gegensätze an besonders sensitiven Stellen. Unter dem Eindruck des Wachstums der ländlichen Bevölkerung, das den Nahrungsspielraum zu überschreiten drohte, und der Hungerjahre um 1770 gerieten die Disfunktionalitäten im sozialen Gefüge zunehmend in die öffentliche Diskussion. Eingezwängt in das regional unterschiedlich bereits aufgelockerte, aber doch noch geltende System der spätfeudalen Agrarverfassung, belastet mit Abgaben und Diensten, die in Krisenzeiten von den Grundherren vermehrt in Anspruch genommen wurden, sah die bäuerliche Bevölkerung keine grundsätzliche Verbesserung ihrer Lage vor sich, von der doch so viel geschrieben wurde. Auch für die städtischen Unter- und Mittelschichten öffnete sich die Schere zwischen teurem Brot und billiger Arbeit weiter - eine Misere, aus der der staatswirtschaftliche Merkantilismus nicht hinausführte. Es waren keine opulenten Zeiten, und die öffentliche Kritik an sozialen Ungerechtigkeiten, an rechtlichen Behinderungen der wirtschaftlichen Entwicklung und verfehlter staatlicher Finanzpolitik ließen unruhige Veränderungserwartungen entstehen. An theoretischen Konzepten für „Verbesserungen" mangelte es nicht; auch praktische Ansätze der Entwicklung neuer Anbaumethoden, der Reform des städtischen Armenwesens, der Einschränkimg von Feudalrechten gab es an vielen Stellen, ohne daß sich jedoch die Lage der ganz großen Mehrzahl der an ihren Ort gebundenen, der Mühsal und Not des Alltags ausgesetzten Menschen änderte. Durchgreifendere Reformen waren erforderlich, als sie das Ancien régime zu unternehmen fähig oder willens war. Wo sie versucht wurden, wie in Österreich unter Maria Theresia und Joseph II., scheiterten sie am Widerstand der Stände und der Kirche, aber auch großer Teile der Bevölkerung, die sich gegen Eingriffe in ihre Lebensgewohnheiten wehrten, und nicht zuletzt an den Unzulänglichkeiten von Behörden und am staatlichen Dirigismus. Wirtschaftlich bedroht und sozial durch den Aufstieg besitzender und gebildeter Bürgerlicher unter Druck gesetzt, verteidigte vor allem der kleine Adel seine Privilegien um so hartnäckiger. Zahlreiche adelige Güter waren in den Besitz wohlhabender Bürgerlicher übergegangen, die sich oft adeligem Lebensstil anzupassen bemühten. Die schon ältere Tendenz der Landesherren, Bürgerliche in ihren Dienst zu ziehen, um diesen den Ansprüchen der Landstände zu entziehen, setzte sich fort, während zugleich in zunehmendem Umfange, auch aus materiellen Gründen, Adelige in den Dienst strebten und in ihm ihre sozialen Vorteile zur Geltung zu bringen versuchten. Ein widersprüchlicher Befund: Ausschließlicher als zuvor wurden die Offiziersstellen im Militär Domäne des Adels, in der Verwaltung hingegen konkurrierten Bürgerliche, die zum Teil die Nobilitierung erreichten, mit Adeligen, freilich ohne die gleichen Aufstiegschancen und deshalb manchen Frustrationserfahrungen ausgesetzt. Und während in vielen Staaten der altständische Widerstand von den Landesherren nicht nur nicht ausgeschaltet war, sondern sich zum Teil noch verstärkte, wurde in Frankreich die „noblesse de robe", also der Amtsadel, der einst zum Aufstieg der „monarchie absolue" beigetragen hatte, zum schärfsten Opponenten der
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Regierung. So standen Erscheinungen bürgerlicher Emanzipation und adeliger Reaktion dicht nebeneinander, begleitet von einer öffentlichen Diskussion, in der Adelskritik, Vorschläge für die Reform des Adels und die Verteidigung seiner althergebrachten Rechte sich zu Wort meldeten. Insgesamt nahm die Bedeutung des Adels und der adelig-höfischen Kultur als gestaltende gesellschaftliche Kräfte zweifellos ab; seine soziale und legale Privilegierung verlor an unbefragter Anerkennung. Es wandelte sich auch die Lebensweise und Mentalität von Teilen des Adels selbst. Sie begannen, sich am bürgerlichen wissenschaftlichen, Uterarischen und philosophischen Diskurs zu beteiligen; ihre Umgangskultur lockerte sich und gab Raum für die Aufnahme bürgerlicher Erziehungsprinzipien, bürgerlichen Nützlichkeitsdenkens und bürgerlicher Berufsauffassung. Gleichwohl blieb der Standesunterschied, die auf Recht, Tradition, Ebenbürtigkeitsprinzip gründende Differenz bestehen, die - nach einer Maxime Rochefoucaulds" und einer subtilen Analyse Christian Garves - es dem Bürgerlichen fast unmöglich machte, in adeliger Gesellschaft das bürgerliche „air" abzulegen und sich auch bei intellektueller Überlegenheit nicht zurückgesetzt zu fühlen. Gerade die gebildeten Bürgerlichen mit hochgesteigertem Selbstbewußtsein, die ihre Visionen, Hoffnungen und Enttäuschungen zu formulieren wußten, empfanden mit zunehmender Schärfe die Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und sozialem Status einer intellektuellen Elite, zwischen Anpassung und Systemkritik, und dieser Diskrepanz gaben sie in Dichtung und Publizistik Ausdruck. Poeten, Künstler, Musiker, Schauspieler waren noch immer stärker vom Adel, vom Hof und - in katholischen Ländern - von der Kirche abhängig. Der steigende kulturelle Konsum reicher bürgerlicher Familien fiel daneben noch vergleichsweise gering ins Gewicht. Ganz von der Dichtung und der Kunst zu leben, unabhängig von der Gunst der Stellen- und Auftraggeber schaffen zu können, gelang kaum einmal; selbst Erfolg und Ruhm trugen selten materielle Sicherheit ein. Wollte man Beispiele nennen, gehörte Mozart dazu. Nicht unerwähnt bleiben dürfen schließlich - zumal im Blick auf Deutschland - die vielen stellensuchenden Studierten bürgerlicher und selbst unterbürgerlicher Herkunft: die Theologen und Philologen, die in Hauslehrerstellen auf ein frei werdendes Pfarr- oder Lehramt warteten und oft die erniedrigende Erfahrung des Domestikendaseins machten, noch mehr die Studenten ohne Abschluß, die als Schreiber oder Dorfschulmeister ihr Auskommen suchten - kurz: ein „akademisches Proletariat" als Produkt der Schere, die sich zwischen Qualifikation und Berufschancen auftat.
V Von einer Sozialrevolutionären Situation kann indes nirgends die Rede sein, auch nicht in Prankreich am Vorabend der politischen Revolution. Wohl aber von einer geschärften Wahrnehmung ökonomischer Krisenelemente, sozialer Mißstände und
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Christian G AB VE, Über die Maxime Rochefaucaults: das bürgerliche Air verliehrt sich zuweilen bey der Armee, niemahls am Hofe (1792). Wiederabgedruckt: Chr. Garve, Popularphilosophische Schriften . . . Hg. von Kurt WÜLFEL (Deutsche Neudrucke), Stuttgart 1976, Bd. 1, S. 559 ff.
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rechtlicher wie administrativer Funktionsmängel. Sie wurden mit zunehmender Offenheit angeprangert, verbunden mit Ursachenanalysen und Reformvorschlägen. Als 1789 nach 175 Jahren zum ersten Mal wieder die Generalstände Frankreichs nach Versailles einberufen wurden, um eine Lösung der staatlichen Finanzkrise zu beraten, da brachten die Deputierten der Stände detaillierte Kataloge von Klagen und Forderungen mit und einigten sich schnell darüber, daß es nicht mehr nur um die Abstellung von Mißständen gehen dürfe, vielmehr eine umfassende Staatsreform erforderlich sei, die - da sich die „monarchie absolue" dafür als nicht fähig erwiesen hatte, eine neue Regierungsverfassimg voraussetze. Eine Verfassung, die die Regierenden auf die Beachtung von Menschen- und Bürgerrechten verpflichte und sie an die Zustimmung der Regierten binde. Über die Notwendigkeit der Reform von Gesellschaft und Staat wurde schon vor 1789, und nicht nur in Frankreich, unendlich viel geschrieben, und es geschah vieles, was als Schritte auf diesem Wege begrüßt, von konservativer - ständischer und kirchlicher - Seite dagegen bekämpft wurde. Aufgeklärte monarchische Regierungen machten sich die modernisierende Neuorganisation ihrer Staaten zur Aufgabe, wobei für sie die Stärkung der Zentralgewalt und die wirksame Administrierung und Disziplinierung der Untertanen im Vordergrund stand. Der historischen Bedeutung des sogenannten „aufgeklärten Absolutismus" als spezifische Erscheinung des späten Ancien régime wird weder die Überschätzung seines Modernisierungspotentials noch die Charakterisierung als gesteigerter, rationalisierter und publizistisch verschleierter Absolutismus gerecht.7 Seine innere Widersprüchlichkeit blieb jedoch auch den Zeitgenossen nicht verborgen, die von ihm eher als von einer Revitalisierung ständischer Vertretungen durchgreifende Reformen, von einer Volkserhebung dagegen nur Anarchie erwarteten. Sie hofften auf staatliche Reorganisation und gesellschaftliche Liberalisierung durch Gesetzgebung und Verwaltung aufgeklärter Regierungen, die im Interesse und zum Wohl der Regierten handeln und sich aller Willkür enthalten. Ob Zufall oder Erfordernis der Zeit: die Tatsache, daß es eine ungewöhnliche Anzahl aktiver, gebildeter Monarchen und Minister gab, die vom „Geist der Zeit" erfaßt waren - Friedrich II., Joseph II., Katharina II., Turgot, Pombai, Kaunitz, um nur einige zu nennen -, weckte Hoffnungen. Sie fanden unter den Aufklärungsschriftstellern nicht nur bereitwillige, sondern auch überzeugte publizistische Propagatoren ihrer Absichten, allerdings auch kritische Antreiber, deren Erwartungen weit über das hinausgingen, wozu die Regierenden bereit waren oder was sie durchzusetzen vermochten. Was diese anstrebten war - durchaus in der Fortführung der Politik des älteren monarchischen Absolutismus - die Steigerung der Effektivität des Staatsapparats und der Einkünfte, die Zentralisierung und Rationalisierung der Verwaltung, darüber hinaus die Hebung von Wohlstand und Bildung, von Disziplin und Staatsbürgerpatriotismus, freilich ganz unter Leitung und Kontrolle des Staates. Aufgeklärte Regierungen haben in der Tat vieles in Bewegung gesetzt, dabei tief in überkommene Lebensgewohnheiten und Rechte, in lokale und regionale Selbstver7
Zum „aufgeklärten Absolutismus": Der Aufgeklärte Absolutismus. Hg. von Karl Otmar Freiherr von ABETIN, Köln 1 9 7 4 . - L'Absolutisme Éclairé. Publié par Β . KÖPECZL, A. SOBOUL, Ε . Η . BALA¿S, D . KOSÁRY, Budapest/Paris 1 9 8 5 . - Das Idealbild des aufgeklärten Herrschers. Hg. von Günter BIRTSCH (Aufklärung, Jg. 2 , H. 1), Hamburg 1 9 8 7 .
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waltungen, in kirchliche Besitzstände, religiöse Gebräuche und Wertvorstellungen eingegriffen, damit Unruhe und Widerstände ausgelöst, die sie oft nicht zu überwinden vermochten. So wurde die Politik aufgeklärter Regierungen selbst zum Krisenfaktor, vor allem, wo sie - schon vor Ausbruch der Revolution in Frankreich und erst recht unter ihrem Eindruck -, wie in den habsburgischen Ländern, ihre Reformen abbrechen und weitgehend widerrufen mußten oder, wie in Preußen, versuchten, die Meinungsentwicklung im Lande „absolutistisch" unter Aufsicht zu halten und diese noch zu verschärfen. In eine Orientierungs- und Identitätskrise geriet im letzten Jahrhundertdrittel auch die Auiklärung. Selbst unter ihren Anhängern fanden die strikte Observanz der Freimaurer und die Rosenkreuzer, Saint-Martinismus, Mesmerismus und die Lehren Swedenborgs Anhänger; eine phantastisch übertriebene Warnung vor geheimen Machinationen der einstigen Mitglieder des 1773 aufgehobenen Jesuiten-Ordens fand Resonanz vor allem bei norddeutschen protestantischen Aufklärern. Die jüngere Generation deutscher Dichter und Schriftsteller drängte über die Weltsicht und die Uterarischen Konventionen der Aufklärung hinaus, formulierte neue Themen und gab ihren Erfahrungen neuen Ausdruck. Die Aufklärer selbst stellten die selbstkritische Frage, was denn Aufklärimg sei und was sie bewirkt habe. Kants Antwort darauf: „Der gerade erst begonnene Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit", war kühl und skeptisch.
VI Gewiß blieb Mozarts musikalisches Werk nicht unberührt von den Widersprüchen und Spannungen, von der inneren Unruhe seiner Zeit.8 In seinen Werken finden sich die intellektuelle Klarheit und Leichtigkeit wie der humane Ernst der Aufklärung, die Verspieltheit und der Glanz des Rokoko wie die formale Strenge des Klassizismus, das Repräsentative aristokratisch-höfischer und katholisch-kirchlicher Kultur wie das Intime bürgerlicher Lebenshaltung und das Populäre süddeutscher Volkskultur. Es fehlen nicht Elemente der bürgerlichen Krankheit der Zeit, der Melancholie, der Forderung der Zeit nach mehr Menschlichkeit, individueller Freiheit und bürgerlicher Gleichheit, und der latenten Auflehnung der Zeit gegen die tradierte Dominanz der Aristokratie. Mozarts Musik war nicht die Musik des politischen Protestes und der sozialen Anklage; sie gehörte noch dem zu Ende gehenden älteren Europa an, aber doch auch schon dem anbrechenden sozialen und kulturellen Wandel, aus dem die Strukturen der modernen Welt hervorgegangen sind. Darf darin ein Grund für ihre zeitlose Modernität erkannt werden?
8 Allgemein: Carl DAHLHAUS, Die Musik des 18. Jahrhunderts. Einleitung. (Neues Handbuch der Musikgeschichte, hg. von C. Dahlhaus, Bd. 5) 1985.
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Fürstenhof und Salon - adeliges Mäzenatentum und gesellschaftlicher Wandel im Reich und in der Habsburgermonarchie
Zur Binnenstruktur des Adels Trotz aller Anzeichen beschleunigten gesellschaftlichen Wandels und zunehmenden Legitimationsdrucks bildete der Adel zu Mozarts Zeit immer noch den führenden Stand einer in ihren Grundzügen weiterhin geburtsständisch verfaßten Gesellschaft. In Mozarts Biographie und Werk ist er als Förderer und Widerpart stets präsent: In der Welt der europäischen Rokokohöfe, die vielerorts noch einmal einen letzten Höhepunkt dieser Sozialfiguration darstellt, entfaltet sich die künstlerische Biographie des jungen Mozart, die Adelspalais und Salons der Hauptstadt Wien sind wesentliches Moment der Sozialisation und Produktion des reifen Künstlers. Mozart gilt darüber hinaus als Prototyp des bürgerlichen Künstlers mit dem Anspruch auf Mündigkeit von der traditionellen Bevormundung durch die meist adeligen Auftraggeber und Dienstherren - in seiner Biographie die Auseinandersetzung mit dem Salzburger Bischof, die in der von ihm selbst kolportierten Fußtrittszene mit dem Grafen Arco gipfelt, in seinem Werk die Vertonimg der radikalsten Adelskritik, die bis dahin auf die Bühne gebracht worden war, Die Hochzeit des Figaro. Sowohl die Umstände der Aufführung von Figaros Hochzeit als auch Mozarts Biographie verweisen indes darauf, daß das Verhältnis Adel - Bürgertum und Adel - Künstler komplexer gewesen ist, als daß dies auf idealtypische Antithesen reduziert werden könnte. Die italienischsprachige Mozart-Oper stellte Joseph II. bewußt in den Dienst seiner aufgeklärt-absolutistischen Politik, um dem adeligen Publikum der Hofoper einen Spiegel vorzuhalten, während die Theateraufführung einer deutschen Übersetzung des Beaumarchais-Stückes bekanntlich der Zensur zum Opfer fiel (Braunbehrens 1991, S. 226 ff.). Mozart selbst hatte einen Adeligen zum Schwager, seine Schwester Maria Anna heiratete Johann Baptist von Berchtold zu Sonnenburg. Für die Familie Mozart demonstrierte dies gesellschaftlichen Aufstieg, wenngleich der Ehemann bei näherem Hinsehen keine glänzende Partie war: Für ihn war dies bereits die dritte Ehe, als letztes Glied einer verarmten Nebenlinie nahm er in Salzburger Diensten mittlere Verwaltungsposten wahr - mithin in der Perspektive seines Standes eher der Typus eines Absteigers. Adel war jedoch nicht gleich Adel, und repräsentativ für den ganzen Stand war dieses Schicksal keineswegs. Gerade das entgegengesetzte Phänomen, die Fähigkeit, trotz wiederholter Krisenepochen und der Umbrüche, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ankündigten, über Jahrhunderte „oben zu bleiben" (Braun 1990, S. 87 ff.), hat in jüngster Zeit dem Thema „Adel" in der historischen Forschung wieder einige Konjuktur verschafft. In den letzten Jahren sind gleich mehrere Sammelbände zum Themenkreis Adel und Hof erschienen (Werner 1985; Noblesses Européennes 1988; Reden-Dohna/Melville 1988; Wehler 1990; Adel im Wandel, 1990; Asch/ Birke 1991), wobei nunmehr auch eine sozial- und gesellschaftsgeschichtlich orien-
Fürstenhof und Salon - adeliges Mäzenatentum
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tierte Forschung für das 19. Jahrhundert das Thema Hof und Adel für sich entdeckt hat. Dies dürfte ein Reflex auf Forschungsdefizite sein, die etwa bei den intensiven Diskussionen um den Status des Bürgertums, vor allem des Bildimgsbürgertums mit seiner Affinität zu adligem Habitus und Distinktionsformen, deutlich geworden sind. Wenn statt der Kategorien Stand oder Klasse neuerdings eine kulturelle Definition des Bürgertums im 19. Jahrhundert in den Vordergrund rückt (Kocka 1987, S. 42-48), relativiert dies zugleich die Fixierung auf einen prinzipiellen Antagonismus Adel Bürgertum. Zugleich erleichtert es die Frage nach den mannigfaltigen wechselseitigen Beeinflussungen und soziokulturellen und mentalen Wandlungserscheinungen auf Seiten des Adels. Bevor ich jedoch auf einen Aspekt dieses soziokulturellen Wandels beim Adel, sein Mäzenatentum, eingehe, möchte ich einige knappe Anmerkungen zum „Obenbleiben" dieses Standes vorausschicken, die sich auf das Reich und die Habsburgermonarchie beschränken. Die „tausendjährige Kontinuität" adeliger Dominanz wird dabei nicht statisch, sondern als permanenter Kampf ums Obenbleiben innerhalb des Standes und gegenüber anderen Großgruppen, die als Konkurrenten auftreten, aufgefaßt (Braun 1990, S. 87). Wesentlich für den deutschen Adel ist die im europäischen Vergleich außerordentliche Binnendifferenzierung, die Pauschalurteile aufklärerischer Adelskritik oft ins Leere laufen läßt, aber auch übergreifende Kriterien einer einheitlichen Adelskultur fragwürdig macht (Brunner 1949). In jedem Fall aber ermöglicht gerade diese Binnendifferenzierung bei säkularen Wandlungsprozessen seien es die Krise des Niederadels im Spätmittelalter oder die Umbrüche im Gefolge der Französischen Revolution - immer wieder Anpassungsleistungen von Teilen des Adels an neue gesellschaftliche Gegebenheiten (Hohendahl/Lützeler 1979; Vierhaus 1979; Press 1988; Press 1990). Als Merkmale dieser innerständischen Differenzierung seien genannt: 1. Die politische und rechtliche Binnendifferenzierung: Die hierarchische Schichtung nach Adelsrängen wird im Reich noch dadurch akzentuiert, daß der hohe Adel bis hinunter zu den Grafen die Landeshoheit erringt, während der niedere Adel noch einmal in landsässigen Adel und Reichsritterschaft geschieden ist 2. Die ökonomische Differenzierung: Sie muß keineswegs im Einklang mit der rechtlichen Schichtung stehen, etwa beim Vergleich des wirtschaftlich besonders potenten Hochadels der Habsburgermonarchie mit der Leistungsfähigkeit mittlerer und kleinerer Territorialherren im Reich. 5. Die regionale Differenzierung nach Adelslandschaften, die in den territorial kleinräumigen Gebieten des Reiches eine überterritoriale Orientierung erkennen lassen. 4. Die konfessionelle Differenzierung, die der Adelskultur bei aller ständischen, überkonfessionellen Solidarität doch ihren Stempel aufdrückte: Der Symbiose von alter Kirche und Adel in den katholischen Gebieten, namentlich in den geistlichen Territorien, korrespondierte im protestantischen Teil eine stärkere Orientierung auf den Landesfürsten, zumal in der Doppelfunktion als Landesbischof, was offenbar ein adeliges Dienstethos begünstigte. 5. Die Unterscheidung von Hof- und Landadel, von herrschaftsnahem und herrschaftsfernem Adel: Sie eröffnete dem Landesherrn durch Statuserhöhung und Amtsvergabe einen erheblichen Einfluß auf seinen Adel und ermöglichte es ihm immer
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wieder, die adelige Standessolidarität auszuhebeln. Ein glanzvoller Hof war durch seine Attraktion auf auswärtigen Adel ebenso eine Stätte horizontaler Mobilität, wie er auch vertikale Mobilität stimulieren konnte: Hier konzentrierte sich ein neunobilitierter Dienstadel, der dem Landesherrn treu ergeben war und in die Rolle einer administrativen Funktionselite hineinwuchs. Indes war solche Mobilität eingeschränkt, vor allem durch sein wichtigstes Distinktionsmittel, das Konnubium, gab der alte Adel zu erkennen, daß er nur in Ausnahmefallen den neuen Adel als ebenbürtig anerkannte. Wenngleich der Aufstieg in den Adel und innerhalb des Adels schwieriger war als in England oder Frankreich, blieb der Stand doch prinzipiell für Aufsteiger offen. Eine sozial homogene Rekrutierung des Briefadels destabilisierte ihn im Reich vor 1800 offenbar in geringerem Maße, als dies in Frankreich der Fall war, wo die standesinternen Gegensätze zum Vorspiel der Revolution gehörten und verhängnisvoll auf eine der Hauptstützen des Ancien régime, die Armee, durchschlugen (Kroener 1989, S. 111 ff.).
Krisensymptome und retardierende Momente Unstrittig untergruben eine naturrechtlich-egalitäre Programmatik der Aufklärung und säkulare gesellschaftliche Wandlungserscheinungen wie Bevölkerungswachstum, Ansätze zur Industrialisierung und Bedeutungszuwachs des städtischen Wirtschaftsbürgertums die privilegierte Stellung und das Selbstverständnis des Adels. Ein adelskritischer Unterton bestimmte zunehmend die einschlägige Publizistik, wenngleich die Tendenz stärker auf Adelsreform als auf generelle Infragestellung ging. Vor allem im Reich häuften sich in der zweiten Jahrhunderthälfte Krisensymptome: Die Verschuldungssituation von Kleinterritorien und Reichsrittern wurde trotz kaiserlicher Stützungsmaßnahmen ausweglos; die adelige Verfassung des Reiches geriet an der schwächsten Stelle, den geistlichen Territorien, seit den siebziger Jahren unter Legitimationsdruck, obwohl sich in einer ganzen Reihe von ihnen Reformansätze im Sinne der Aufklärung geltend machten. Dem standen allerdings auch Positionsbehauptungen des Adels in enger Anlehnung an den Herrscher gegenüber, wie sich dies am nachhaltigsten in Preußen verkörperte. Für die Zeitgenossen war das Preußen Friedrichs des Großen hervorstechendstes Beispiel der Verbindung von erfolgreicher Machtpolitik und konsequenter Interessen- und Alimentierungspolitik zugunsten des Adels, dessen Stellung in Kernbereichen garantiert wurde: im Militär durch weitgehende Exklusivität der Stellenbesetzung im Offizierskorps, auf dem Land durch Sanktionierung seiner Position als privilegierter Herrschaftsstand und ökonomische Stützung des adeligen Immobiliarkredits. Bis zu den Agrarreformen wahrte der Adel in Preußen ebenso wie im Habsburgerreich seine privilegierte Stellung im Agrarbereich nahezu unangefochten, die Reformen des aufgeklärten Absolutismus stießen hier auf den hartnäckigsten Widerstand. Friedrich dem Großen wurde beispielsweise in Schlesien vor Augen geführt, daß Adels- und Bauernschutz nicht vereinbart werden konnten, Joseph II. machte mit seinen Agrarreformen die Erfahrung, daß ihm hier auch reformorientierte Vertreter des Adels wie Kaunitz oder Pergen die Gefolgschaft aufsagten. Allerdings war der Agrarbereich auch ein Beispiel dafür, daß Teile des Adels sich
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neuen Herausforderungen stellten: Sowohl in Ostelbien als auch in Böhmen nahm der gutsherrschaftlich wirtschaftende Adel teil an Modernisierungen im Sinne einer rationellen Landwirtschaft. Parallelisieren läßt sich dies mit den Professionalisierungsanforderungen, denen er sich in seinen angestammten Verwaltungsfiinktionen stellen mußte, weil die Verwaltungsreformen des aufgeklärten Absolutismus sich in Gestalt von Eingangsvoraussetzungen und Zentralisierung von Verwaltungsfunktionen gegen adelige Autonomie und Pfründendenken richteten. Da sich indes eine ausreichende Anzahl seiner Mitglieder diese Maßstäbe zu eigen machen, blieb der Adel ein Personalreservoir für die Besetzimg der hohen Verwaltungsfunktionen - die Reformen des aufgeklärten Absolutismus wurden ebenso wie die „Reformen von oben" der Napoleonzeit von adeligen Reformministern vorangetrieben. Neuen Maßstäben an Professionalität mußte sich der Adel auch im Militärwesen stellen: Zog er in Ancien régime aus seiner traditionellen Rolle als militärischer Funktionselite gerade in Preußen und in der Habsburgermonarchie einen gut Teil seiner Legitimation, so drohte dem in der Konfrontation mit den Revolutionsheeren und mit Napoleon der Boden entzogen zu werden - langfristig jedoch vermochte er gerade in diesem Bereich seine Führungsposition zu behaupten. Schließlich bewahrte der Adel immer noch einen Gutteil seiner politischen Funktion im lokalen oder provinzialen Rahmen. Die in der Regel vom Adel dominierten Stände gewannen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vielerorts im Reich, aber auch in der Habsburgermonarchie wieder an Einfluß, nachdem sie ihre Bedeutung im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges und der Haugwitzschen Reformen verloren hatten. Auslöser war der außerordentlich teure Siebenjährige Krieg, der die Stände mangels moderner Möglichkeiten des Staatskredits auf diesem ihren ureigenen Feld unersetzlich bleiben ließ. Selbst in Preußen mußten dort, wo sie noch existieren, die Provinzialstände in die Entschuldung eingebunden werden, in Österreich konnten finanzielle Krisenjahre wie 1761 und später 1789/90 oder 1805 ohne massive Inanspruchnahme des ständischen Kredits nicht bewältigt werden. In der Restaurationszeit knüpfte der Adel bei seinen Versuchen, in der Reformzeit verlorenes Terrain zurückzugewinnen, vielfach an diese Institutionen an (Press 1981).
Hof und Salon Nirgends wurde die adelige Dominanz in der alten Ständegesellschalt so augenfällig demonstriert wie in der Sozialüguration des Hofes. Adelige Positionsbehauptung zwischen 1650 und 1750 beruhte nicht zuletzt darauf, daß neben den stehenden Heeren die Höfe und in deren Gefolge die Residenzstädte die beiden hervorstechendsten Wachstumsbereiche innerhalb der altständischen Knappheitsgesellschaft waren. Dies kam adeligem Selbst- und Dienstverständnis in hohem Maße entgegen, der Adel als Stand profitierte mithin von diesen Entwicklungen. Nicht nur die bedeutenderen Territorien leisteten sich im Reich den Luxus eines glanzvollen Hofes, auch kleinere Reichsstände beteiligten sich an diesem Prestigewettkampf ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten (Vierhaus 1981; Press 1991, S. 116 ff.). Die „Verhofung" des Adels im Zuge dieser Entwicklung ist wiederholt negativ gewertet worden, sei es als Abkehr von der überkommenen Adelskultur (Brunner 1949), sei es als Domestizie-
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rung des Adels durch die Prestigekonkurrenz in Gestalt von Zeremoniell, Etikette und Zwang zu demonstrativem Statuskonsum (Elias 1969; Ehalt 1980). Der herrschaftstechnische Aspekt des Hofes ist in Anlehnung an Elias, der seine Thesen am Beispiel des Hofes Ludwigs XIV. verifizierte, sehr stark betont worden, doch läßt sich dies auf die deutschen Verhältnisse nur mit Vorbehalt übertragen. In zahlreichen mittleren Territorien des Reiches mit glänzender Hofhaltung wie Rurköln, Rurpfalz oder Württemberg (Winterling 1986, S. 121 ff.; Mörz 1991; Carl 1989, S. 29 ff.) fehlten die Voraussetzungen für eine absolutistische Instrumentalisierung des Hofes gegen den Adel, das erfolgreichere Beispiel Preußen verzichtete gerade auf das Mittel des Hofes. In der Habsburgermonarchie hätte die wirtschaftliche Potenz der hochadeligen Familien einem solchen Unterfangen entgegengestanden, ihre Adelspalais in Wien und prächtigen Schlösser in den Provinzen demonstrierten, daß sie lange Zeit mit eigenen quasihöfischen Nebenzentren in Ronkurrenz zum Herrscherhaus treten konnten. Zwar war ein mstrumenteller Grundzug den fürstlichen Höfen als Regierungszentrum und Hort des symbolischen Rapitale des Herrschers keineswegs fremd, doch finden Adel stand die Funktion des Hofes als Rommunikationszentrum und exklusiv adeliges Forum seiner Vergesellschaftung im Vordergrund. Hier demonstrierte er Status und hochentwickelte Distinktionsformen sowohl untereinander als auch gegen außen, hier wurden die verbindlichen Rollenmuster entwickelt, an denen sich letztlich auch ein hof- und herrschaftsferner Adel orientieren mußte. Ein wesentliches Moment jener „Verhaltensanforderungen, die sich im Zuge ständiger Prestigekonkurrenz an die Mitglieder der Eliteschicht" (Stekl 1973, S. 186) stellte, waren in der Tradition überkommener Adelskultur Runstsinn und umfassende Bildimg (Rassem 1987; Nolte 1991). Demonstriert wurde dies durch ein Mäzenatentum, welches zugleich den Glanz des Hauses mehren sollte. Das aufwendige Mäzenatentum solcher Herrscher im Reich wie etwa eines Rari Theodor von der Pfalz (1724-1799) oder eines Rari Eugen von Württemberg (1728-1793) ließ sich kaum mit politischer Rationalität vereinbaren, entsprach vielmehr einer Ubersteigerung traditioneller adeliger Attribute (Winterling 1986, S. 170). Diese Herrscher waren im Reich jedoch repräsentativ für die Jahre zwischen 1740 und 1770, die ganz im Zeichen einer letzten Blüte höfischer Rultur, namentlich an den Höfen wittelsbachischer Fürsten in Bonn, Mannheim oder München, standen. Die Musikkultur der Zeit wurde in diesen höfischen Zentren geprägt - verwiesen sei hier nur auf die musikgeschichtliche Bedeutung des Mannheimer Hoforchesters. Unverkennbar besaß diese glanzvolle Hofhaltung und das sehr bewußt betriebene Mäzenatentum dieser Fürsten angesichts des politischen Bedeutungsverlustes ihrer Territorien eine kompensatorische Funktion: die Prestigekonkurrenz um den - koste es, was es wolle - glanzvollsten Hof trat an die Stelle politischer Ronfrontation. Die Pracht beruhte allerdings auf fremden Mitteln, meist französischen Subsidien; als sich im Siebenjährigen Rrieg der Gegenwert weder politisch noch militärisch einstellte und die Subsidien ausblieben, fehlte auch die finanzielle Grundlage für die Fortführung solch prachtvoller Hofhaltung. Ohnehin gehörte die Zukunft nicht mehr dem Herrscherideal des glanzvoll repräsentierenden Runstmäzens, sondern dem Typus des aufgeklärten Herrschers nach dem Vorbild eines Friedrichs des Großen oder eines Josephs II., in deren Ronsequenz die nüchternen und farblosen Herrschergestalten der ersten Hälfte des 19. Jahr-
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hunderte mit der Aura des obersten Bürokraten standen - ein Herrschertypus, der einem überkommenen adeligen Persönlichkeitsideal kaum mehr entsprach. Zwangsläufig büßte der Hof damit an Glanz und Ausstrahlungskraft ein, namentlich die europäischen Metropolen wurden immer weniger kulturell vom Hof dominiert. Paris hatte sich im 18. Jahrhundert weitgehend von der höfischen Kultur Versailles* emanzipiert, in Berlin spielte der Hof seit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. (1715) ohnehin nur noch eine untergeordnete Rolle, doch bedurfte es erst des politischen und kulturellen Klimawechsels nach 1786, um das Potential der Hauptstadt zu entfalten. In Österreich schließlich markierte die Regierungszeit Josephs II. den entscheidenden Einschnitt. Der kulturelle Bedeutungsverlust der Höfe in den Metropolen war eine der Voraussetzungen für die Blüte der Salonkultur, die in den Jahrzehnten nach 1780 das intellektuelle und künstlerische Milieu der großen deutschen Residenzstädte Berlin und Wien prägte - in Berlin ganz im Zeichen der literarischen Salons (Hertz 1988; Wilhelmy 1989), in Wien im Zeichen der Musikkultur. Die Kulturpflege und Wahrnehmung mäzenatischer Funktionen wurde damit sehr viel breiter gestreut, doch war es nicht verwunderlich, daß der Adel dabei zunächst eine wesentliche Rolle spielte. In Konkurrenz zum Hof oder durch Nacheifern höfischer Muster und Moden hatte der Adel auf seinen Gütern oder in den Stadtpalais der Residenzen immer wieder Freiräume gegenüber dem Hof für eigenständige Kulturaktivitäten aufrechterhalten. Nirgends ist diese Adelskultur so glänzend gewesen wie beim Hochadel der Habsburgermonarchie mit seinen Schlössern, die große Bildersammlungen und Bibliotheken beinhalteten, den Adelstheatern der imgarischen Magnaten oder den Hauskapellen des böhmischen und mährischen Adels (Oberhammer 1990; Staud 1977; Stekl 1975; Stekl 1978), aber auch in den äußersten Winkeln des Reiches gab es eine ausgeprägte Adelskultur - am Niederrhein ebenso wie in Schleswig-Holstein (Dösseler 1974; Degn/Lohmeier 1980). Das kreative Milieu der Salonkultur, wie es sich in den 1780er Jahren entfaltete, bedurfte allerdings der Kommunikationsmöglichkeiten einer Metropole. Als „intimer Ableger" der Hofgesellschaft - die ja fortbestand - knüpfte die Salonkultur nicht nur personell an die Höfe an, sondern in ihrem Charakter als „Hofhaltung einer Dame" auch ideell an chevalereske Wurzeln und die Traditionen des Musenhofes (Wilhelmy, S. 25 f.). Im Gegensatz zum Hof jedoch, und dies war das Neue und Faszinierende dieses Milieus, war die Welt der Salons gerade nicht mehr adelig-exklusiv, sondern ständeübergreifend mit starker bürgerlicher Beteiligung. Dem korrespondierte die Genese eines neuen Künstlertyps, der sich aus den Abhängigkeiten des Hofkünstlers traditioneller Prägung zu emanzipieren suchte. Die Beteiligung zahlreicher Adliger an diesen soziokulturellen Innovationen paßt nur bedingt ins Bild eines überlebten, um seine Privilegien kämpfenden Standes. Zur Erklärung dieses Phänomens seien im folgenden vier Thesen formuliert: 1. Die Bürgerlichen oder Neuadeligen, die sich in den Salons engagierten, waren überwiegend Exponenten einer staatsnahen Schicht von Beamten oder Angehörigen der FinanzwelL Das Engagement dieser „Financiers", die häufig mit Staatsanleihen oder Heereslieferungen zu Reichtum gekommen waren, findet deutliche Parallelen etwa in der Pariser und Brüsseler Salonkultur des 18. Jahrhunderts (Durand 1976; Bronne 1969), erklärt aber auch, warum Salonnieren jüdischer Herkunft in Berlin
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und Wien zeitweilig eine solch große Rolle spielten. Diese Vertreter des Bürgertums hatten von jeher dem Hofe nahegestanden, sie demonstrierten mit eigenen Salons, Kunstförderung und Gastfreiheit ein „vivre noblement" als Anspruch auf oder Legitimation von Statuserhöhimg. Sie entsprachen damit aber gerade nicht einer bürgerlichen Gegenwelt, die der Adel negativ mit Produktion, Erwerbsstreben und Nützlichkeitsdenken verband und die ihm mit adeliger Lebensweise unvereinbar schien (Stolberg-Rilinger 1988). 2. Im Salon konnten Adlige eine umfassende, nicht auf Spezialisierung zielende Kunstkennerschaft und -kompetenz, wie sie eine praxisnahe Erziehung, etwa in Gestalt der Kavalierstouren oder der Musikerziehung, vermittelte, in zwangloser Konversation oder Liebhaberdarbietungen zur Geltung bringen, ohne daß das positive Selbstverständnis als Dilettant in Frage gestellt worden wäre. 3. Der intellektuelle Anspruch kam einem elitären Selbstverständnis des Adels entgegen. Zumindest auf dem Felde eines Mäzenatentums, das gerade besonders anspruchsvollen Neuerungen seine Förderung angedeihen ließ, vermochte er diesen Anspruch auch zu konkretisieren. Das Engagement von Mitgliedern des Adels im kreativen Mileu der Salons bewahrte ihm so in der Wiener Musikkultur eine bis in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts dominierende Rolle bei der Förderung bedeutender Musiker, allen voran Beethovens (De Nora 1991). 4. Wenngleich neuere Forschungen (Fïorioli 1991) die von Zeitgenossen gerade in Wien immer wieder beobachtete Scheidung zwischen Hochadel und „zweiter Gesellschaft" in dieser Schärfe nicht bestätigen, zudem die Situation zwischen 1780 und 1810 in Wien und Berlin sehr viel offener als in späteren Jahren gewesen sein dürfte, blieben subtile Formen der Abgrenzung auch in der freieren Atmosphäre der Salons spürbar. Andererseits übernahm das Bürgertum in den Salons adelige Umgangsformen und orientierte sich an einem adeligen Begriff von umfassender Bildung, dem es durch den Nachweis seiner Kunstkompetenz und mäzenatisches Engagement gerecht zu werden suchte, statt diese adelige Mentalität in Frage zu stellen. Die Salons erwiesen sich damit trotz ihrer ständeübergreifenden Zusammensetzung eher als Orte gesellschaftlicher Stabilität denn als Vehikel gesellschaftlichen Wandels. Das Engagement einer Vielzahl von Adligen in der Freimaurerei vor allem in den 1780er Jahren läßt Parallelen deutlich werden: Auch hier handelte es sich um eine ständeübergreifende Vergesellschaftung, die indes keineswegs auf eine politische Infragestellung der Ständegesellschaft abzielte. Das freimaurerische Selbstverständnis einer Elite sprach adelige Mentalität ebenso an wie ein aufs Praktische zielendes Gestaltungsethos. Salonkultur und Freimaurerei waren soziokulturelle Neuerungen, bei denen der Adel gerade in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts seine Innovationsbereitschaft unter Beweis stellte. Daß indessen nur eine begrenzte Elite zu solch kulturellen Anpassungsleistungen gewillt war, mußte beispielsweise Freiherr von Lassberg erfahren, der 1815 versuchte, die Mitglieder der ehemaligen Reichsritterschaft in einer ständischen Adelsvereinigung, der „Kette", zu vereinigen. Der Verein sollte den Privilegien- und Funktionsverlust dieser Adelsgruppe infolge der napoleonischen Umwälzungen unter anderem dadurch kompensieren, daß die Mitglieder den Anspruch des Adels, „der erste und gebildetste Stand im Staat zu seyn" (zit. nach Harris 1991, S. 106), realisieren sollten. Mangels Interesse der adeligen Mitglieder ver-
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fiel der Verein rasch, unter dem Panier einer Bildungselite erwies sich eine Sammlung und Reformierung des Adels als unmöglich. Auf die fortschreitende Erosion der ständischen Gesellschaft reagierten seine Vertreter in der Restaurationszeit weit eher defensiv mit hartnäckigen Bemühungen, ihre Privilegien als Angehörige eines Herrschaftsstandes zu wahren, oder es gewannen Strategien an Bedeutung, die dem Adel als regionaler Elite auch unter den Bedingungen der modernen Klassengesellschaft eine herausgehobene Position bewahren sollten (Reif 1976).
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Zentrum und Provinz im Heiligen Römischen Reich - zum Wandel der Schwerpunkte künstlerischen Schaffens im 18. Jahrhundert
I Es ist längst erkannt worden, daß die Entwicklung der Künste nicht nur als immanenter Prozeß zu sehen ist, sondern im Kontext mit bzw. als Widerspiegelung von gesamtgeschichtlichen Entwicklungen begriffen werden muß. Ein Paradebeispiel für die hier zu behandelnde Epoche wäre etwa der Uterarische „Sturm und Drang": daß der Umsturz der sprachlichen Ausdrucksmittel nicht nur als Reaktion auf die Literatur der vorhergehenden Jahrzehnte anzusehen ist (also literatur-immanent zu erklären ist), sondern sehr unmittelbar auch mit dem gesellschaftlichen und politischen Umbruch zwischen Ancien regime und Revolution zu tun hat - dies leuchtet durchaus ein. Im Medium der Sprache scheint somit der große historische Prozeß begleitet, widergespiegelt, vielleicht auch seismographisch vorangezeigt zu werden; und in durchaus vergleichbarer Weise läßt sich auch das innovatorische Potential der Musik Mozarts in das kulturelle Gesamtgeschehen einbinden. Somit ergibt sich ein vordergründig überaus plausibles Gesamtbild: Es ist derselbe innovatorische Zeitgeist, der die verschiedenen Sphären kultureller Aktivität in unterschiedlichen, innerlich aber zusammenhängenden Ausformungen durchzieht. Die Künste und die Wandlungen ihrer Formensprache erweisen sich als abhängige Variable jener Kräfte, die den Gang der Geschichte bestimmen und illustrieren diesen in anschaulicher Weise. So gilt denn das „Zeitalter Mozarts" auch - was in zahlreichen Beiträgen unseres „Kulturhistorischen Gesprächs" immer wieder betont wurde - als eine grundsätzlich überaus innovatorische Epoche. Bei näherem Zusehen zeigt sich freilich bald, daß eine solche vereinheitlichende Sicht höchst einseitig, ja in mancher Hinsicht geradezu verfälschend ist. Im Bereich der bildenden Künste etwa gibt es so gut wie kein Phänomen, das dem literarischen „Sturm und Drang" vergleichbar wäre: Die in Goethes Frankftirter Jahren dort gebaute Architektur ist spröde und traditionell, die in den 1770er Jahren gemalten Bilder sind höchst unspektakulär, die Skulptur dieser Zeit bleibt einem reichlich spannungslosen Spätbarock verhaftet. Nichts kommt hier im Rang oder im innovativen Potential den zeitgleichen Werken Goethes gleich, und kein vernünftiger Interpret könnte aus diesen Werken der bildenden Kunst eine Umbruchsstimmung, innovatorische Strömungen oder gar vorrevolutionäre Tendenzen herauslesen. So ist wohl das Wechselverhältnis zwischen der Geschichte und den Künsten doch komplizierter, als dies zunächst scheint. Ich sehe es als Aufgabe dieses kurzen Impulsreferates an, auf diesen Sachverhalt - daß die Allgemeingeschichte und ihre Visualisierung in den bildenden Künsten (in unserem Fall beschränkt auf die Architektur) jedenfalls nicht in simplem Gleichschritt marschieren - zunächst nur hinzuweisen, ohne sogleich eine Erklärung dafür vorzulegen.
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Für das gestellte Thema „Zentrum und Provinz im 18. Jahrhundert" ist die allgemeine Rahmenvorstellung, die uns die Geschichte bzw. Kulturgeschichte liefert, recht klar und eindeutig: Am Beginn des Jahrhunderts dominiert das, was wir verkürzt mit dem Schlagwort „Absolutismus" bezeichnen: die absolute Dominanz eines „Zentrums" über das gesamte Kunstgeschehen in den übrigen Regionen des Reiches. Somit wäre - wie dies Norbert Elias am französischen Beispiel exemplarisch dargelegt hat (Elias 1969) - der Hof und die Hofkunst in Wien als der zentrale Ort der Kunstentwicklung anzusehen. Demgegenüber stellt sich - nach gängiger Meinung - die Situation im letzten Drittel des Jahrhunderts grundlegend verändert dar: Mit der Erstarkung des Bürgertums scheint allenthalben ein gegen den Zentralismus des Ancien régime opponierender Aufbruch des künstlerischen Lebens erkennbar. In den verschiedenen Ländern des Reiches - bislang lediglich „Provinz" - bricht innovatorisches Potential hervor und fuhrt zu einer breiten Fülle regionaler Sonderlösungen. Dieses zum Klischee gewordene Bild ist freilich aus der Sicht der Kunstgeschichte entschieden zurechtzurücken: Im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" fehlt zu Beginn des 18. Jahrhunderts - ganz im Gegensatz zu Frankreich - in der Sphäre der bildenden Künste die dominierende Kraft eines Zentrums. Hier strahlen um 1700 die Monde des Adels heller als die Sonne des Herrschers: Es sind die „großen", zumeist während des Dreißigjährigen Krieges zu Macht und Besitz gekommenen Adelsfamilien, die in Wien und andernorts moderne Kirnst in Auftrag geben und realisieren, während sich die kaiserliche Kunstpatronanz Leopolds I. eher an der Tradition orientiert, jedenfalls kaum wichtige neue Akzente setzt. Bezeichnend dafür ist die Situation in der Frühlingsresidenz Laxenburg: Während sich die Adeligen ringsum moderne „maisons de plaisance" errichten, residiert der Kaiser weiterhin in der unansehnlichen mittelalterlichen Wasserburg. Dieses für den europäischen Absolutismus höchst eigenartige Phänomen eines fehlenden Zentrums zeigt sich sowohl im engeren Bereich der habsburgischen Erblande als auch im gesamten Reichsverband. Innerhalb der Erblande bringt es das dominierende Mäzenatentum des Adels mit sich, daß es um 1700 eine künstlerisch rückständige „Provinz" im Grunde nicht gibt. Da fast alle der großen Adelsfamilien am Wiener Hof weitgestreute Besitzungen in den habsburgischen Ländern, in Mähren und Böhmen hatten, verbreiten sich künstlerische Innovationen außerordentlich schnell auch außerhalb des Zentrums Wien ja in zahlreichen Fällen finden sich progressive Werke hochbarocker Kunst zunächst an der Peripherie, also in der „Provinz", und erst später in der Metropole, dem „Zentrum" des Reiches. So entstehen hochbedeutende Erstlingswerke Johann Bernhard Fischers von Erlach in Mähren, noch ehe der Künstler in Wien seine ersten bedeutenden Aufträge erhält: etwa der große Stallungsbau für Fürst Liechtenstein in Eisgrub/Lednice (ab 1688) oder der Ahnensaal des Althan-Schlosses in Frain/Vranov nad Dyji (ebenfalls ab 1688). Im abgelegenen nordböhmischen Deutsch-Gabel/Jablonné ν Podjestëdi entwirft
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Johann Lucas von Hildebrandt unter dem Patronat des Geheimen Rates und Kämmerers Franz Anton Graf Berka ab 1698 die Laurentiuskirche - ein entwicklungsgeschichtlich hochbedeutendes Werk, von dem sowohl Impulse auf die böhmischen Kirchen der Folgezeit ausgingen, als auch auf den Sakralbau Wiens (Peterskirche, Piaristenkirche); etwas vereinfachend ließe sich formulieren, daß hier im Norden Böhmens die erste hochbarocke Kirche Wiens errichtet worden ist. Etwa zur selben Zeit - ab 1699 - entsteht im böhmischen Liblitz/Liblice unter dem Patronat des Grafen Pachta das für diese Zeit aufregend moderne Landschloß nach Ideen, die Johann Bernhard Fischer von Erlach direkt aus Rom nach dem Norden gebracht hatte. Wir finden also in den Jahren um 1700 eine breite Vielfalt an modernen Gestaltungsideen in weiter Streuung über den gesamten Bereich der habsburgischen Erblande. Zweifellos ist Wien in diesem Prozeß der bedeutendste „Umschlagplatz hochbarocker Ideen" (R. Wagner-Rieger), jedoch kein dominierendes Zentrum.
m Auch im größeren Rahmen des gesamten „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" zeigt sich ein ähnliches Bild (Braunfels 1979 ff.). Schon die a priori mit Frankreich nicht vergleichbare dezentrale Reichsstruktur brachte es mit sich, daß jede der einzelnen Kulturlandschaften (Bayern, Sachsen, Brandenburg etc.) eine selbständige, von Wien unabhängige Entwicklung nehmen konnte und tatsächlich auch genommen hat. Gerade in den Jahrzehnten um 1700 hat denn auch jede dieser Regionen sehr eigenständige und unverwechselbare Ausprägungen barocker Kunst hervorgebracht. So entsteht das erste monumental-moderne barocke Residenzschloß im Reich nicht im Zentrum, sondern an der Peripherie, in der „Provinz": Ab 1698 gestaltete Andreas Schlüter in einem singulären Kraftakt die alte kurfürstliche Residenz in Berlin zu einem monumentalen Königsschloß um, das zu den erstaunlichsten Leistungen der Barockkunst im Norden zählt und sogleich auch überregional Aufsehen erregt hat - und dies im bislang kulturell nur wenig bedeutenden und tatsächlich etwas provinziellen Kurfürstentum Brandenburg. Parallel dazu - und in deutlicher Konkurrenz zu Berlin - entwickelte sich in Dresden, am Hof August des Starken, eine lokal gefärbte Ausprägung barocken Bauens, für die hier nur stellvertretend Pöppelmanns Wallpavillon im Zwinger genannt sei: Die enge Verzahnung zwischen Architektur und Skulptur stellt eine ganz unverwechselbare künstlerische Schöpfung dar, die als typisch für die sächsische Spielart barokken Bauens gelten kann. Ebenfalls in dieselbe Zeit fallen die „Gründungsbauten" der sogenannten „radikalbarocken" Kirchenbauten in Böhmen (Kirchen in Breunau/Bfevnov, Woborschischt/ Obonste, Smirschitz/Smirice etc.). Weitgehend selbständig - und jedenfalls unabhängig von der Entwicklung in Wien - findet Christoph Dientzenhofer dabei zu eigenwilligen Raumschöpfimgen, die sich in dieser Form nur hier und nirgends anders finden. So ist das BUd der künstlerischen Situation im Reich im frühen 18. Jahrhundert
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durchaus dezentral und vielgestaltig: Wien ist zwar als Metropole des Reiches auch künstlerisch kein Randgebiet, aber eben kein dominierendes Zentrum, wie dies der französische Hof in Paris/Versailles gewesen ist. Man käme jedenfalls in größte Schwierigkeiten, wollte man eine der Regionen des Reiches zu Beginn des 18. Jahrhunderts als künstlerische „Provinz" bezeichnen.
IV In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts drängen - nach gängiger Vorstellung - allerorten „die schaffenden Künstler nach vorne, ergreifen selbstbewußt neue Gegenstände, finden neue Formen" (Vierhaus - siehe den einleitenden Beitrag zu dieser Sektion). Wir könnten also erwarten, daß die Erstarkung des Bürgertums allenthalben die Besinnung auf regionale Besonderheiten und eine dem Zentralismus des Ancien régime entgegengesetzte Bereicherung des künstlerischen Lebens hervorgebracht hätte. Statt dessen findet sich - wiederum konzentrieren wir uns auf den Bereich der Architektur - ein ganz erstaunlicher Gleichklang der Entwicklung sowohl im Zentrum als auch in den Provinzen. Ganz im Gegensatz zum Beginn des Jahrhunderts dominiert nun eine manchmal fast der Uniformität angenäherte Ähnlichkeit der Ausdrucksmittel. Ein markantes Beispiel dafür sind die ab etwa 1766 errichteten Seitenfassaden des Josefsplatzes in Wien. Der Hofbaumeister Nicolo Pacassi sah sich vor die Aufgabe gestellt, die Holbibliothek Fischers von Erlach mit Flankenbauten zu rahmen; er entnahm dazu der variationsreichen Fassade Fischers eine der einfacheren Fensterformen und fügte sie in unendlichem Rapport zu einem neuen, spannungslos beruhigten Fassadenganzen zusammen. Eine solche Verregelmäßigung des architektonischen Gestaltens, die auf Milderung der Kontraste und Abschwächimg der Gegensätze - bis hin zur Monotonie zielt, ist hier kein Sonderfall, sondern prägt das Bild des Bauens allüberall im Reich in diesen Jahren, sowohl im Kernbereich der habsburgischen Erblande als auch in den übrigen Regionen. Grundsätzlich in dieselbe Richtung hatte bereits die von Maria Theresia ab 1744 in Angriff genommene Umgestaltung von Schloß Schönbrunn gezielt; auch sie ging auf Pacassi zurück, und seine Entwürfe lagen auch den vereinheitlichenden Umbauten der Residenzanlagen in Preßburg/Bratislava/Pozsony und Prag zugrunde. In ähnlicher Weise wurde ab 1754 bzw. 1766 auch das alte Baukonglomerat der Hofburg in Innsbruck neu fassadiert. Ganz im Gegensatz zur Zeit um 1700 sind wir nun tatsächlich mit einem einheitlichen Stil konfrontiert, der von der Zentrale in Wien festgelegt wurde und die offizielle Bautätigkeit in allen Erblanden mit nur unwesentlichen Variationen bestimmte. Geradezu verblüffend ist, daß auch in jenen Regionen des Reiches, die um 1700 eine betont eigenständige Formensprache aufgewiesen hatten (Brandenburg, Sachsen, Böhmen), sich nun die regionalen Unterschiede fast bis zur Austauschbarkeit verwischen. Die bedeutendste Bauaufgabe dieser Zeit in Brandenburg-Preußen, das ab 1763
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errichtete weitläufige „Neue Palais" in Potsdam, ist ebenfalls durch die kaum akzentuierte Abfolge gleichförmiger Achsen gekennzeichnet Höchst zutreffend spricht der zeitgenössische Chronist Potsdams, Heinrich Ludwig Manger, von der „ewigen Monotonie der Pilaster" an diesem Bau (Manger 1789/90, Bd. II, S. 291). Grundsätzlich ähnlich stellt sich der bedeutendste Monumentalbau in Dresden in dieser Zeit dar: Das ab 1769/70 von Friedrich August Krubsacius errichtete Haus der sächsischen Landstände („Landhaus") ist ebenfalls durch eine spannungslose Reihung einfacher Formen gekennzeichnet, die nichts mehr von der lokalen Sonderleistung barocken Bauens verrät, die die sächsische Kunst zur Zeit August des Starken bestimmt hatte. Besonders eindrucksvoll stellt sich die Eigenart der Baukunst dieser Zeit an der Umgestaltung der Königlichen Burg in Prag dar. In den 1760er Jahren wurde der gesamte historisch gewachsene Komplex des Hradschin-Palastes nach Plänen von Nicolo Pacassi grundlegend neu gestaltet: Die höchst unterschiedlichen Einzelbauten verschiedener Jahrhunderte wurden durch eine neue Fassade radikal vereinheitlicht, die das gesamte Ensemble nun - der saloppe Ausdruck sei gestattet - wie eine Streifentapete überzieht. Mangers Ausdruck von der „endlosen Monotonie" ließe sich auch hier zutreffend anwenden. Berlin - Dresden - Prag - Wien: in den Jahren um 1700 waren die Unterschiede der künstlerischen Region auf den ersten Blick kenntlich, in jeder dieser „Provinzen" hatte das Bauen - über die Gemeinsamkeiten des hochbarocken Zeitstiles hinaus eine unverwechselbare Ausprägung gefunden. Der Lokalstil der jeweiligen Kunstlandschaft war die bestimmende Dominante gewesen. Gegen Ende des Jahrhunderts hat sich das Verhältnis grundlegend gewandelt. Jetzt ist es der einheitliche Zeitstil, der das Bild in allen Regionen des Reiches in nahezu gleicher Weise bestimmt; die lokalen Varianten treten hingegen entschieden zurück.
V Im Bereich der bildenden Künste scheint die Entwicklung im 18. Jahrhundert im Reich also geradezu konträr zur gängigen Vorstellung verlaufen zu sein: Am Beginn des Jahrhunderts, wo man die Dominanz des Zentrums erwarten konnte, erstaunt gerade die Lebendigkeit und Selbständigkeit der regionalen Sonderformen. Während wir am Ende, wo man nach herrschendem Verständnis das Aufblühen regionaler Zentren vermuten würde, im Kontrast dazu eine weitgehende Uniformität der Gestaltungsmittel vorfinden konnten. Da es der Zielsetzung unseres „Kulturhistorischen Gesprächs" entspricht, auf verschiedene Facetten derselben Epoche hinzuweisen, mag es angehen, diese aus der Sicht der Kunstgeschichte getroffenen Überlegungen zunächst nur vorzustellen, ohne bereits den Versuch einer plausiblen Erklärung mitzuliefern. Wie immer eine solche Erklärung auch ausfallen wird - mit Sicherheit steht schon jetzt fest, daß ein überzeugendes Gesamtbild der Kultur im „Zeitalter Mozarts" nur gefunden werden kann, wenn man die Eigengesetzlichkeit der verschiedenen künstlerischen Medien und ihrer Entwicklung angemessen berücksichtigt.
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Hellmut Lorenz
LITERATURHINWEISE
BRAUNFELS, Wolfgang: Die Kunst im Heiligen Römischen Reich, 7 Bände, München 1979 ff. ELUS, Norbert: Die höfische Gesellschaft, Neuwied 1969. GUTKAS, Karl (Hg.): Prinz Eugen und das barocke Österreich, Salzburg 1985. KOSCHATZKY, Walter: Maria Theresia und ihre Zeit, Salzburg 1979. LORENZ, Hellmut: Johann Bernhard Fischer von Erlach, Zürich 1992. MANGER, Heinrich Ludewig: Baugeschichte von Potsdam, Berlin - Stettin 1789/90.
Herbert Matìs
Ökonomie und ökonomisches Denken im Zeitalter Mozarts
Die Geschichte, und sei es auch die Geschichte eines herausragenden einzelnen Menschen, ja selbst die eines Genies wie Mozart - und man läuft hier Gefahr, Allgemeinplätze zu betreten - ist stets eingebettet in ein kompliziertes Geflecht interdependent verflochtener politischer, kultureller, ökonomischer und sozialer Prozesse und Strukturen, und jedes Individuum ist als gesellschaftliches Wesen ein Ensemble seiner historischen Bedingtheit; die Komplexität der historischen Wirklichkeit bedingt aber in der Darstellung nahezu zwangsläufig Lückenhaftigkeit, die Notwendigkeit zu exemplarischer Auswahl und Beschränkung auf das Wesentliche. Dies gilt natürlich auch für den Versuch, die wirtschaftlichen Grundlagen im Zeitalter Mozarts darzustellen, denn auch hier läuft man Gefahr, in einer Fülle von Fakten unterzugehen. Anstelle spezifischer Details über die wirtschaftliche Situation in Österreich im ancien régime, wie sie in den diversen Handbüchern (Matis 1981; Mikoletzky 1967; Tremel 1969) ohnehin tradiert werden, sollen hier daher eher allgemeine, strukturgeschichtlich relevante Entwicklungsstränge herausgearbeitet werden. Die Epoche, welche die Wissenschaft mit dem Etikett „Aufklärung" und „aufgeklärter Absolutismus" versieht, war für ganz Europa eine Zeit der sozioökonomischen Transformation und Modernisierung, auch des krisenhaften Übergangs von der traditionalen agrarisch-feudalen Gesellschaft zu dem, was wir „moderne bürgerliche Leistungsgesellschaft" nennen. Althergebrachte Formen und Strukturen in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, in Kultur- und Geistesleben wurden beiseite geschoben, verdrängt und von neuen ersetzt. Neben diesem geistigen, politischen und wirtschaftlichen Aufbruch, neben Auiklärung und Toleranz, Emanzipation und Liberalisierung, neben der neuen Form des Menschseins und der Individualität, die für die Oberschichten unter anderem auch ihre überhöhende Repräsentation in Architektur und büdender Kunst, in Musik, Theater, Literatur und Geistesleben gefunden hat, gab es allerdings auch - was viel weniger reflektiert wird - das Phänomen der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" (R. Koselleck), die antagonistische Gegenwelt der sozialen Bedrängnis, der Verelendung und des Pauperismus, der Hungerrevolten, Kriege und religiösen Verfolgung, der Seuchen, Unwissenheit, Intoleranz und sozialen Spannungen. In solchen Zeiten des allgemeinen Auf- und Umbruchs, in einem solchen spannungsreichen Milieu gedeiht aber - und die Periode der „Aufklärung" ist hier kein singulärer Fall, denken wir etwa an die „Renaissance" oder an die „Moderne" der Jahrhundertwende - auch die Kreativität, das Herausragende, Einzigartige, das Gefühl, all das Vorhergegangene noch übertreffen zu können, und eben nicht so sehr in Zeiten des satinierten, selbstgefälligen Hedonismus, in denen die vom „Ende der Geschichte" überzeugten Menschen eher der von Friedrich Nietzsche beschriebenen „glücklichen Schalherde" zu entsprechen scheinen. Es ist tatsächlich immer wieder erstaunlich, wie an dieser historischen „Bruchstelle" am Ende des ancien regime eine wahre Fülle von unerhört kreativen, begabten Menschen in allen
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Herbert Matis
Bereichen der Kunst, Wissenschaft und Politik ins Scheinwerferlicht der Weltgeschichte tritt. Wenn von den Musikhistorikern bereits mehrfach davon gesprochen wurde, daß die Musik für die Zeitgenossen Mozarts nicht zuletzt auch den Charakter eines „Gebrauchswerts" aufwies, so sollte man darüber - und das war letzten Endes eine Folge der gleichzeitig erfolgenden Etablierung marktwirtschaftlicher Verhältnisse auch nicht deren „Tauschwert" vergessen. Erst die Existenz eines einschlägigen Marktes erlaubte es einem „Kompositeur", sich aus der Abhängigkeit eines fürstlichen Hauses, also aus in erster Linie personal vermittelten Beziehungen eines paternalistisch verfaßten „ganzen Hauses" zu lösen und selbständig, das heißt auf sich selbst als Individuum gestellt, gewissermaßen als ein homo faber von den Produkten seines künstlerischen Schaffens, eben vom „Tauschwert" seiner Musik zu leben. Welche sozioökonomischen Bedingungen können aber wir als Hintergrund für das Wirken des Komponisten, für „Mozart im Zeitalter Europas" und zugleich auch als wirtschaftliche Basis „Europas im Zeitalter Mozarts" somit voraussetzen? Als wir im vergangenen Jahr den 200. Todestag Mozarts begingen, so haben wohl nicht sehr viele von uns auch daran gedacht, daß sich kurz zuvor der Todestag eines anderen bedeutenden Mannes, eines schottischen Moralphilosophen, ebenfalls zum zweihundertsten Male jährte. Er, nämlich Adam Smith, der ebenfalls als „Klassiker" seiner Disziplin apostrophiert wird, hat wohl die Ökonomie und damit unser aller Leben ebensosehr beeinflußt, wie sein Zeitgenosse Wolfgang Amadeus Mozart die Musik. Im Mittelpunkt seines ökonomischen Hauptwerkes von 1776, in dem es, wie schon der Titel verspricht, um eine „Untersuchung der Natur und Ursachen des Volkswohlstandes" geht, steht die Institution des Marktes, und in ihm werden in Newtonscher Manier die Grundsätze der politischen Ökonomie aus einigen wenigen Grundprinzipien, aus der „Natur" des Menschen selbst abgeleitet. Die traditonelle, theistisch-teleologische Interpretation von Natur und Gesellschaft wird dabei abgelöst durch eine anthropologisch-psychologische Begründung: Triebe und Affekte, Leidenschaft und Interessen, die sich unter anderem im Hang zum Tausch als einer Form der Kommunikation manifestieren, sind dabei jeweils schon in der „Natur" des Menschen angelegt. Im Grund genommen ist es seine psychische Grundstruktur, die den Menschen zum Handel(n) treibt, eine Form von Kommunikation, nämlich seine „Neigung zu handeln, zu schachern und zu tauschen", die dem Menschen als gesellschaftliches Wesen eigen ist. Dies zeigt die Transformation eines „von Natur aus" als soziales Wesen aufgefaßten Menschen in einer Welt, in der jeder ein „tauschwütiger" Händler ist, in der die Spezialisierung und Arbeitsteilung die Menschen als Einzelwesen konstituiert, gleichzeitig aber in ihrer Abhängigkeit voneinander bestärkt und somit das komplexe und interdependente Gefüge der Marktwirtschaft hervorbringt. Die sogenannte kommutative oder allokative Gerechtigkeit, die dann den notwendigen Ausgleich zwischen Eigeninteresse und Gesamtwohl in dieser Marktgesellschaft bewirkt, stellt sich dabei ganz ohne absichtsvolles Zutun des Menschen ein, eben aufgrund seiner kommunikativen, sozialen „Natur". Es genügt, daß der Mensch ein Eigeninteresse an der Verbesserung seiner Daseinsbedingungen entwickelt und ihn nicht etwa externe Eingriffe daran hindern, diesen Trieb auszuspielen. Das Bild des absolut unabhängigen, frei entscheidenden Einzelmenschen, der im
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Bewußtsein seiner Singularität sich frei von allen äußeren Zwängen fühlen darf, findet damit seinen Niederschlag in dem idealtypischen Konstrukt des homo oeconomicus, und der Markt bietet gewissermaßen die Möglichkeit der sublimierten Form des „Rampfes aller gegen alle". Der freie, ungehinderte Markt erscheint aber insofern als eine „grundsätzlich kooperative und kommunikative Veranstaltung", als das antagonistische Motiv des Eigennutzes aufgrund der Vorstellung einer prästabilierten Harmonie mit Hilfe des Wirkens einer „unsichtbaren Hand" dazu zwingt, letztlich dem Gemeinwohl zu dienen (Prinzip der „allokativen Gerechtigkeit"): „ . . . indem er diese Erwerbstätigkeit so leitet, daß ihr Produkt den Größten Wert erhalte, verfolgt er lediglich seinen eigenen Gewinn und wird in diesen wie in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, einen Zweck zu fördern, den er in keiner Weise beabsichtigt hatte . . . Verfolgt er sein eigenes Interesse, so fördert er das der Gesellschaft weit wirksamer, als wenn er dieses wirklich zu fördern beabsichtigt" (Smith, Wealth of Nations, 1776, IV. ii. 9). Es genügt also, um eine Harmonisierung und ein Gleichgewicht herzustellen, den natürlichen Trieb des Menschen (nämlich die natürliche menschliche „Neigung zu handeln, zu schachern und zu tauschen") nicht zu hindern. Adam Smith wurde mit diesem seinem Hauptwerk zum „Klassiker" der Nationalökonomie, zum Begründer einer neuen Lehre der „politischen Ökonomie", die in der Folge die theoretische und ideologische Basis für das sich damals etablierende kapitalistisch-marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem darstellen sollte. Nim ist diese Vorstellung des Marktes, wenn sie mehr sein soll als ein bloßes Abstraktum, keineswegs von Natur aus gegeben, auch wenn uns dies die Mainstream-Ökonomen vielleicht glauben machen wollen, sondern ein historisches Produkt sozialer Verhältnisse. Denn der Prozeß der Entstehung nationaler Volkswirtschaften und Märkte hängt eng mit der Ausbildung des neuzeitlichen Territorialstaates und den generellen Zentralisationstendenzen während des Absolutismus zusammen. Nicht zuletzt der moderne Territorialstaat, der „ökonomische Leviathan" des Absolutismus, hat in seinem Dienst, durch seinen Schutz und seine Förderung, durch die Einebnung der Gesellschaft und die Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen erst die Voraussetzungen für die Etablierung der Marktwirtschaft bewirkt Der absolutistische Staat hat zwar nicht den Kapitalismus geschaffen, aber letzterer steht doch in engster Verbindung mit dem Staat, ist aus ihm herausgewachsen und ging mit ihm letzten Endes eine „symbiotische Gemeinschaft" (Joseph A. Schumpeter) zu beiderseitigem Vorteil ein. Zu diesen Rahmenbedingungen zählten unter anderem die Durchsetzimg eines fürstlichen Hauses („Super-Oikos") und die sich darin manifestierende und konzentrierende Macht (Bauer-Matis 1988, 189 ff.), die Domestizierung des Adels und die Funktion des Hofes des Fürsten als Verkörperung der neuen Zentralgewalt (Elias 1969), die Ausbidlung einer bürokratisch organisierten Infrastruktur, die Herstellung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes in Form des von den Kameralisten vielfach beschworenen „Universalkommerz", die Ersetzung des traditionellen „Prinzips der gerechten Nahrung" durch das System der staatlichen Wohlfahrt, die Monopolisierung der Gewalt (durch die „Policey"), die Vereinheitlichung des Rechtssystems und der Behördenorganisation sowie die Einführung der allgemeinen Steuerpflicht als die finanzielle Basis des Ganzen. Der dadurch bewirkte Modernisierungsschub machte in Österreich vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, unter
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Herbert Matis
Maria Theresia und Joseph II., entscheidende Fortschritte. Die Soziogenese des modernen Zentralstaates aus dem fürstlichen Rahmenhaushalt führte zur Verschmelzung zweier bisher streng geschiedener Bereiche, des privaten wie des öffentlichen. Verdeutlicht werden kann diese Zusammenführung zweier bis dahin getrennt existierender Sphären an dem Auftauchen und der schließlichen Durchsetzung des Terminus „politische Ökonomie" (van Dülmen 1981, 35). Es gibt hier eine innere Affinität: Derselbe Geist gesteigerter Rationalität und Intensität des Betriebs lenkt den neuzeitlichen Staatsbildungsprozeß wie den aufkommenden Kapitalismus. Absolutismus und „politische Ökonomie" wirkten dabei auflösend und individualisierend auf die alte Ordnung der traditionalen, ständisch gegliederten Gesellschaft. Die Säkularisierung der Religion, die Auflösung der tradierten Gemeinschaftsbeziehungen und die „Individualisierung" der Gesellschaft zerstörten die althergebrachte Ordnung und damit auch die traditionelle Sicherheit für den einzelnen Menschen. Dieser sah sich nun als autonomes Wesen einerseits auf sich selbst allein, andererseits in das Kollektiv der „Staatsbürger" gestellt, über das der Staat eine Art von „Obereigentum" beanspruchte. Da der Staat aber die bürgerliche Erwerbstätigkeit in seinen Dienst nahm und er selbst durch eine auf das Erwerbsstreben gerichtete Wirtschaftsgesinnung getragen war, er seine Reichtumsmehrung durch den Appell an den Eigennutz des einzelnen erzielte, etwa im Sinne von Johann Heinrich Gottlob von Justi, wonach „jeder erwerben soll, was er für ein vergnügliches Leben nöthig hat", kam es in praxi zu einer Art „Kompaniegeschäft" (Werner Sombart) zwischen Staat und Kapitalismus. Auf diese Weise wurde im Laufe der weiteren Entwicklung alle der Ökonomie bisher gesetzten religiösen, rechtlichen, psychologischen und sozialen Schranken endgültig beseitigt: die Wirtschaft setzte alsbald an, alle anderen Lebensbereiche zu überwuchern und zu „ökonomisieren". Das Marktprinzip, das eine Expansion nach innen wie nach außen erlebte, indem einerseits immer mehr und neue Bedürfnisse erweckt und andererseits immer weitere Bereiche in dieses System einbezogen wurden, wurde damit zum ausschlaggebenden Regelungsmechanismus für die meisten Menschen. Die „neue" Ordnung wurde dabei als ein „rationales" Konstrukt aufgefaßt: „Wissenschaftlich" abgeleitet aus der „Natur" des Menschen wird die Notwendigkeit des „Leviathan" (Thomas Hobbes), nämlich die Monopolisierung der Gewalt durch den Fürsten(staat), statuiert. Der Staat geht dabei, nachdem er selbst die Durchsetzung von Marktbeziehungen initiierte, wie gesagt, mit dem sich ausformenden Kapitalismus eine Art Symbiose ein. Die „stumme" Herrschaft des Geldes setzt sich mit den zunehmend länger werdenden Handlungsketten generell durch; das tauschende Individuum wird zum Ausgangspunkt der Erzeugung von Reichtum und zum Lebensnerv, zum nervum gerendarum, des Staates. Letzterer versteht sich nicht zuletzt als „Steuerstaat" und wird von der Gesellschaft im Gegenzug für den Schutz, den er ihr angedeihen läßt, entsprechend alimentiert. Dabei sind im Zuge der Genealogie der politischen Ökonomie Entwicklungsfortschritte nicht zu verkennen: Während noch bei den älteren Kameralisten (wie z. B. Philipp Wilhelm von Hörnigk) „nur vom Fürsten das Heyl kommen kann", sieht der „aufgeklärte" Johann Heinrich Gottlob von Justi im Staat bereits nur mehr eine regelnde Instanz, um „den richtigen und proportionierten Zusammenhang des Nahrungsstandes" zu gewährleisten. Die erstmals von den Physiokraten formulierte organizistisch-systematische Kreislaufbetrachtung der
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volkswirtschaftlichen Einkommensströme, die gewissermaßen von selbst, ohne Zutun externer Eingriffe ablaufen, läßt es fürderhin ratsam erscheinen, staatliche Eingriffe für entbehrlich, ja schädlich zu halten. Die gesellschaftspolitischen Anschauungen der jüngeren Kameralisten gipfeln hingegen im Ideal des eudämonistischen Wohlfahrtsstaates des aufgeklärten Absolutismus, in dem die Regierung faktisch die „Oberverantwortung" für alle gesellschaftlichen, insbesondere aber auch die moralischen Verhältnisse übernimmt. Ökonomie und Finanzen sind den Kameralisten aber nicht Selbstzweck, sondern nur ein Mittel, den höchsten Endzweck zu realisieren, um dessentwillen sich die Menschen überhaupt zu staatlichen Gemeinschaften zusammengeschlossen und auf einen Teil ihrer persönlichen Freiheit verzichtet haben, nämlich die Erreichung individueller „Glückseligkeit" und damit zugleich allgemeiner Wohlfahrt, oder wie es unter anderem der englische Utüitarist Jeremy Bentham ausdrückt, „das größte Glück der größten Zahl". Dieses veränderte geistige Klima, die neue Funktion des Geldes, das als Kraft und zugleich „Schmiermittel", das die ganze Maschinerie in Bewegimg hält, angesehen wird, brachte auch einen neuen Typ von Menschen hervor: einerseits innovative bürgerliche Unternehmer - im katholisch geprägten Habsburgerreich nicht selten Einwanderer aus protestantischen Ländern, Schweizer, Deutsche, Belgier, Engländer und Franzosen, getragen von einer gewissermaßen internalisierten spezifisch kapitalistischen Ethik wie die Fries, Geymüller, Steiner, Badenthal, Coith, Rosthorn, Brevülier, Hornbostel, Eitz, Puthon, Andrä und Bräunlich, Cornides usw. -, andererseits einen neuen, sozial disziplinierten „Staatsbürger", der die „bürgerlichen Tugenden" wie Fleiß, Pünktlichkeit, Redlichkeit ebenso verinnerlichen sollte wie die durch die allgemeine Schulpflicht vermittelten elementaren Kenntnisse im Rechnen, Lesen und Schreiben. Der soziale Disziplinierungsprozeß erscheint somit als ein Fundamentalvorgang des ancien régime. Bei aller Humanität und allem Reformeifer, die einen „aufgeklärten" Monarchen wie Joseph II. auszeichneten, so wurde doch kein Zweifel daran gelassen, daß seine Devise „alles für das Volk, aber nichts durch das Volk" lautete. Vor allem zwischen 1780 und 1790 entstanden auch in Österreich große Industriebetriebe, wobei damals unter dem Eindruck einer von den jüngeren Kameralisten vertretenen Laissez-faire-Haltung die direkte Beteiligung des Staates zurücktrat. Galt als Kernpunkt der mariatheresianischen Industriepolitik die Einführung neuer Produktionszweige, zum Teil als Kompensation für den Verlust des gewerbereichen Schlesien, und notfalls unter aktiver Beteiligung des Staates, so vertrat Joseph II. generell liberalere Ansichten, und das direkte Engagement des Staates in wirtschaftlichen Belangen trat signifikant zurück: „Wenn solche Fabriken aerarisch geführt werden, so kann man nur in die hier angezeigte üble Wirtschaft verfallen, weil die Oberdirektion allzu kostbar und nicht wachbar genug ist. .." (Mikoletzky 1967, 54). Seine Förderungspolitik war mehr indirekter Natur, die staatliche Zollpolitik, finanzielle und sonstige Zuwendungen an die Unternehmen sowie die Überlassung von aufgehobenen Klöstern und Schlössern als Manufakturgebäude, aber auch die gesellschaftliche Aufwertung der Unternehmer durch Nobilitierungen fallen unter diesen Titel. Eine Welle von Manufakturgründungen setzte damals auch in den habsburgischen Erblanden ein, vor allem in der Textil- und Metallwarenindustrie, verbunden mit
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einer verlagsmäßig organisierten Protoindustrie. Aber auch Staat und Adel betätigten sich vielfach als Unternehmer, ja Kaiser Franz I. Stephan, der Gemahl Maria Theresias, galt seinen Zeitgenossen als der „erste Fabrikant seiner Zeit". Das Bankwesen wurde dominiert von Schweizern wie Fries, Geymüller und Steiner und jüdischen Großhändlern wie Rothschild, Arnstein, Eskeles, Todesco und Uffenheimer. Es entstand ein Finanzbürgertum von homines novi, in deren Salons sich auch ein spezifisches Kulturleben der „zweiten Gesellschaft" entfaltete, die mit der traditionellen Welt des Adels wetteiferte. Selbst die Landwirtschaft durchlief unter dem Eindruck physiokratischer Ideen, wie sie in Österreich vor allem Joseph II. und Leopold II. propagierten, eine Periode der Reformen mit der Abschaffung der Leibeigenschaft und verschiedenen Robotabolitionen und der Rationalisierung und Intensivierung der Produktionsweise, was schon deswegen wichtig war, weil nach wie vor die Mehrzahl der Menschen von und in der Landwirtschaft lebte. Reformen auf dem Bildungssektor, Ackerbaugesellschaften, technische Neuerungen und neue Formen der Betriebsund Arbeitsorganisation bewirkten ebenfalls einen Modernisierungsschub. Selbst die Kirche wurde dabei in die „Aulklärungsarbeit" mit einbezogen, und sonntägliche Pfarrpredigten endigten nicht selten in praktischen Hinweisen für das Landvolk. Die durch den Markt insgesamt erzwungene neue „Rationalität" veränderte aber die alten sozioökonomischen Funktionsinhalte mehr und mehr: Grundherren wurden zu Agrarkapitalisten, Gewerbetreibende zu Protoindustriellen, Hoffaktoren zu Bankiers, Kleinhäusler und Bauern zu Fabriksarbeitern und Proletariern. Es entstanden im Diskurs neue Denkfiguren, welche die Ausprägung der politischen Ökonomie als Wissenschaft zur Folge hatten: Grund und Boden, Kapital und Arbeit werden ihrer sozialen Einbindung entkleidet und zu reinen Produktionsfaktoren, die dem „Marktgesetz" von Angebot und Nachfrage unterliegen. Nicht übersehen sollte man dabei, daß dafür Vorleistungen in Form von Investitionen notwendig sind. Die Herausbildung des Produktionsfaktors ,Arbeit" etwa beruht auf einem umfassenden sozialen Disziplinierungsprozeß, der - worauf unter anderem Michel Foucault hingewiesen hat - über staatliche Institutionen wie Schule, Kaserne, Spitäler, Arbeitshaus, Manufaktur und Gefängnis vermittelt wird, die nach dem Prinzip des Benthamschen „Panopticon" organisiert sind. Die von Zentralstaat und Kapital geforderte „Menschenproduktion" hat neben dem quantitativen Aspekt der Bevölkerungsvermehrung, der durch eine staatliche Gesundheits- und Fürsorgepolitik, aber auch durch neue gesellschaftliche Moralvorstellungen („Sittenpolizei") gefordert wird, auch eine qualitative Dimension: Die Durchsetzung der „Zeitökonomie" im Zusammenhang mit der Arbeitsteilung und die Vermittlung „bürgerlicher Tugenden", wie Pünktlichkeit, Fleiß, Redlichkeit und Gehorsam, sowie neue Bewegungs- und Leistungsnormen (zur Lippe 1986; Eichberg 1981), die unter anderem auch in der zeitgenössischen Musik ihren Niederschlag finden, bewirken die Formation eines Untertanenverbandes von gehorsamen, konditionierten „Staatsbürgern" und entsprechen gleichzeitig der „Rationalität" der neuen gesellschaftlichen Arbeitsorganisation. Die dazu notwendige Loslösung des Menschen aus den traditionalen gesellschaftlichen und religiösen Bindungen läßt die Vorstellung des modernen „Individuums" entstehen. Dieses als autonom gedachte Konstrukt bedarf aber zu seiner Konstituierung „natürlicher Rechte", vor allem des Rechtes auf Freiheit (was nicht selten zur Bindungslosigkeit führt) und Eigentum. Garantiert werden diese Rechte aber durch
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den vertragstheoretisch (contrat social) begründeten Zentralstaat. Erst diese Denkfigur schafft analytisch die Zerfállung in „Staat" und „Gesellschaft", wobei letztere als Aggregat atomistischer autonomer Individuen aufgefaßt wird. Die (scheinbare) „Rationalisierung" der gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in einer solchen Welt bedeutet die Ablösung der den Feudalismus durchziehenden Gewaltstrukturen, die auf persönlichen Abhängigkeiten beruhen, und deren Ersetzimg durch sachliche Geldverhältnisse. Diese wiederum lassen im entwickelten Austauschsystem die Illusion zu, daß die Individuen unabhängig erscheinen und somit „frei" aufeinander reagieren können. Daß dies nicht friktionsfrei verläuft, zeigt sich nicht zuletzt an einzelnen Individuen; auch Mozarts persönliche Biographie zeigt mit seiner Emanzipation aus dem Dienst des Salzburger Fürstenbischofs und den mit der Existenz als „freier Kompositeur" verbundenen Risken das damit verbundene Dilemma. Der Mensch selbst figuriert aber in einer Zeit, zu deren häufigen Obsessionen der „Automat" zählt (man denke an die zahlreichen Musikautomaten, für die unter anderem auch Mozart eigene Rompositionen schuf, bis hin zu Freiherrn von Kempelens schachspielendem „Türken", letzterer allerdings buchstäblich „getürkt", da eine Vorgaukelung falscher Tatsachen!), vorstellungsmäßig als „künstliche Maschine", gesteuert von „Leidenschaften", die erst durch die „Staatlichkeit" in „Interessen" (man beachte die doppelte Bedeutung von interest im Englischen!) transformiert werden - Reinhart Koselleck sprach im Zusammenhang mit der „kulturellen Innovation" des 18. Jahrhunderts von „Sinnlichkeit und Verstand": Indem er sein persönliches Eigeninteresse verfolgt, trägt aber jeder einzelne zum Gemeinwohl und zur Mehrung des Reichtums und Ansehens des Staates bei, und er muß dabei - stets aus der Perspektive des Zentralstaates - nicht einmal ein Genie wie Mozart sein. Denn es gilt: „wie der Teil eines Uhrwerks oder einer anderen Maschine, alle müssen zusammenwirken, jeder an seinem Platz" (Baxter 1673, 285).
LITERATURHINWEISE
BAUER, Leonhard/MATis, Herbert: Geburt der Neuzeit. Vom Feudalsystem zur Marktgesellschaft, 2. Aufl., München 1989. BAXTER, Richard: A Christian's directory, London 1673. EICHHERG, Henning: Der Umbruch des Bewegungsverhaltens. Leibesübungen, Spiele und Tänze in der Industriellen Revolution, in: A. NITZSCHE (Hg.), Verhaltenswandel in der Industriellen Revolution. Beiträge zur Sozialgeschichte, Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1981. ELIAS, Norbert: Die höfische Gesellschaft. Untersuchung zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Neuwied - Berlin 1969. FOUCAULT, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Geiangnisses, Frankfurt a. M. 1977. MATIS, Herbert (Hg.): Von der Glückseligkeit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Berlin 1981. MIKOLETZKY, Hans Leo: Österreich. Das große 18. Jahrhundert, Wien - München 1967.TREMEL, Ferdinand: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Österreichs, Wien 1969. VAN DÜLMEN, Richard: Formierung der europäischen Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Ein Versuch, in: Geschichte und Gesellschaft 7 (1981). ZUR LIPPE, Rudolf: Hof und Schloß - Bühne des Absolutismus, in: E. HINRICHS (Hg.), Absolutismus, Frankfurt a. M. 1986.
James Raven
The Representation of the City in the Age of Mozart
What I want to do in this brief contribution is to survey some aspects of the social construction of the city dining the second half of the eighteenth century—and then try to suggest some of its historical consequences. During the brief thirty-five years of Mozart's life remarkable changes to the fabric of the cities of Europe were paralleled by new representations of city life. These re-evaluated the urban experience as a sermon of morality, often reapplying familiar language and idioms to new relationships. It was effected by a series of contrasts including those between public and private, defence and exchange, openness and closure, civilization and vulgarity, vigour and disease. Although the second half of this century is often noted for the expansion of the small country town, it is even more marked by rapid growth amongst the largest of the continent's cities. In 1756, the year of Mozart's birth, there were twelve European cities of more than 100,000 inhabitants. By the time of his death at the end of 1791 there were twenty-three. Throughout his lifetime—and long before and after it— three cities dominated the others in size—Paris with about 530,000 people in 1790, Constantinople with about 600,000, and far ahead of these two, London with about 900,000. But we should also note the national distribution of these large cities. Apart from Paris there were only two other French towns with populations above 100,000— Lyons and Marseilles—and in Austria and Germany together, only three—Vienna, Berlin and Hamburg. Vienna in 1756 was, with a population of some 180,000, the sixth largest city in Europe, ranking slightly below Moscow in size and just above St. Petersburg and Amsterdam. In the British Isles, London quite obviously eclipsed every other large town, although the order of the next largest towns is often overlooked in this century of the "urban renaissance". In the year of Mozart's birth Dublin was Britain's second city and the third largest city was probably Cork. The country of the great cities, however, remained Italy—with six cities of over 100,000 inhabitants— Rome, Venice, Palermo, Genova, Milan, and Naples. With over 550,000 citizens, Naples, goal of the Grand Tour, was also the fourth largest city in Europe. If Vienna was the great cosmopolitan and multilingual crucible, and Paris the intellectual showground, then the great exemplar of the mushroom metropolis was London. London, to which the eight-year old Mozart came in April 1764, was then undergoing the most dramatic transformation of all, but one which reflected developments in almost all of the others. In 1700 the population of London had been about 675,000, and by 1745 the total population had not increased by much more than 3,000. In the second half of the eighteenth century, however, London, like most of its rivals, was transformed: London's population reached nearly one million by 1800. At the beginning of the eighteenth century Paris was the largest city in Europe; at the beginning of the nineteenth century London was at least a third larger than the French capital and dwarfed all other European rivals. Commerce and financial activities intensified, and the city as citadel was retreat-
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ing. Cities had, of course, always been the centres of exchange—of commerce in people, in goods and in ideas. Not only did capitals provide and circulate luxuries and fashions of both mind and body, but they also survived on demographic exchange— Paris, London, and—most markedly—Vienna had consistently higher death rates than birth rates and growth was only sustained by immigration (and, most pronounced in Vienna's case, by visitors and foreign denizens). In foodstuffs and consumables, great markets like Les Halles in Paris, and Covent Garden, the Poultry and the Fleet Market in London were supplied by the same radial network of routes which transported out to the country metropolitan produce, letters, newspapers, books and city theatre and musical companies. In the age of Mozart, this exchange was put into much higher gear. Ancient gates and city walls, the funnels and the controls of this traffic, were removed or breached, streets were altered, minimum widths laid down, and city centre plans revised. The banks of the great cities were bridged and existing bridges remodelled. Houses were removed on London bridge in 1757, just as they were on Pont Saint-Michel in 1786 and Pont Notre Dame in 1787. In Vienna, the open "glacis" buffer beyond the Gürtel inner walls, began to be taken out in the late eighteenth century. In Paris Ledoux's new customs walls, like the recent Linienwall in Vienna, were no constraint to suburban building, while the wall of Philippe Augustus had disappeared beneath the building on the Left Bank. And—as I shall note again later—new or redesigned public spaces provided opportunities for a new social commerce. It was in building projects, however, that the transformation was so visible in all the great cities. This was the age of the square, of the promenade and public pleasure garden, of the great theatre, of the widened road, of new pavementing, of grand new facades. The new London squares devoured fields to the west and vast rebuilding schemes were undertaken in Westminster and to the north of the City. In Paris during the 1770s the rich district of the Chaussée d'Antin expanded over newly drained and piped areas, and in 1778 the Monceau district was begun. The old Enciente of Charles V had been destroyed and building spread out—an open flow into the fields, restrained in parts only by the new Mur des Fermiers Généraux by Claude-Nicolas Ledoux in 1785. In most of the great cities, however—in Paris, Vienna, Rome, Dublin, and especially in London—so hectic was the pace that much that went up was shoddy. Planning was rushed and many schemes and buildings were extremely short-lived. Architectural triumphs—Ange-Gabriel's Place Louis XV, the Madeleine, the Mint, and Perronnet's Pont de la Concorde in Paris, of the Hohenberg theatre at the Schönbrunn, Steckhoven's great park, and the General Hospital and the Academy of Military Surgery in Vienna, and of Horse Guards, Westminster Bridge, Somerset House, and the East India House in London—these were all matched by hasty gerry-building, unprecedented property speculation, and the partitioning and subdivision of countless squalid courts and alleyways. The finance companies in Paris were involved in a frenzy of construction—a dozen public buildings were put up in two months in the 1770s. Speculative ventures included new squares like the Place Vendôme and the new planning in the suburbs of St-Honore and St-Germain. According to Huisman, 10,000 houses were erected in Paris between 1758 and 1788. Many beneficiaries of the boom were just as transient. The accumulation of great
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fortunes was mirrored by unprecedented numbers of bankruptcies. Social and business facades, like those of many new buildings, hid fragility and high-risk construction. Elegance and favour were often fleeting. The pleasure gardens of Ranelagh—in the Rotunda of which Mozart gave his first public London performance—and the new Marylebone Gardens passed from grace to vulgarity during the final twenty years of the century. The lavish Spa Fields Pantheon, opened in 1770 as the resort of the fashionable and successful, was closed and turned into a chapel within six years. A battery of hack engravers, portrait painters, and furniture makers rushed to imitate Hogarth, Maulbertsch, Reynolds, Gainsborough, Chippendale, and the masters of Sèvres and Meissen. Bogus dancing masters and the founders of fanciful private academies set up in streets off the Covent Garden Piazza, near to Adam's magnificent Drury Lane Theatre, or near to the new École Militaire in Paris. Amidst sophisticated artistic expression there was also frantic jostling for advancement where "standards of taste [were] adrift" [Sir John Summerson, Georgian London, Peregrine edn. (London, 1978), p. 23]. London, Paris and Vienna revelled in being the capitals of fashion and accomplishment, and also of its discussion. What is most striking about this changing city world, then, is its real contrasts. Despite the closing of open sewers like la Bièvre in Paris and the Fleet in London, the cities (as Mozart and his family well knew) harboured infestations and diseases— even the pestilential church and cemetery of the Innocents in Paris was not closed until 1786, two years alter Joseph II had famously failed with his Viennese sack and quicklime burial decree. Even if prisons like the For l'Évêque were razed in 1780 and in London John Howard and other philanthropists campaigned for penal reform, the same cities witnessed gallows crowds, eager spectators for the beheading on the Viennese Esplanade, and a mob ready to rampage with Gordon or to howl with the guillotine. It was a world in which brutality and sensibility lived side by side, in which the extravagantly rich daily encountered the destitute, in which disease touched all, in which confidence in religion, the constitution, or commerce, or all of these things, gave the age a determined vigour and a veneer of certainty. These contrasts, I believe, became, in a very particular way, an integral part of the framework of the artistic and literary representation of the city. Although I have no time to speak of audience, of changing patronage and of different modes of cultural reception, it is essential to note—at the very least—that this construction was enabled by a communications and printing transformation—and by a press industry concentrated within the great cities. The potential for spreading sedition was of course perceptibly increased—and hence the anxiety over control in most European courts— and under Joseph II, for example, the public burning of books in Brussels in 1788 and the orders for public whippings of libellous écrivailleurs and publishers. Nonetheless, in the final third of the century, and building upon very different traditions and practices, the metropolitan book trades flourished—especially in the hands of entrepreneurs like Trattner in Vienna, Dodsley and Lane in London, Claude Hèrissart and the printer, Rnapen, in Paris. They applied metropolitan standards to country audiences—where in Austria Wraxall observed that notwithstanding the shocking length of the list of banned books, the presses multiply and "knowledge pierces and diffuses itself over the Austrian dominions". Indeed, the period is notable less for the increase in publishing centres than for the massive extension of book selling and circulation
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in the provinces from existing centres—something which Leopold II realised and used to his advantage in a way which his brother had not. In this surge of print the construcition of the city was increasingly detailed, with, for example, the appearance and more general publication of commentators like Rétif de la Bretonne and Richard Cumberland, and the accounts of travellers like Nathaniel Wraxall and Caspar Riesbeck. It is also revealed in the great wave of printed survivors' guides to the city, and in the realization of the city in print in terms of maps, descriptions, and cheap prints, of popular architectural drawings, city scenes, cartoons. The first precise map of London was produced by John Rocque in 1746 but followed by other imitators and leading to the even more detailed map of Richard Horwood, started in the late 1780s. In 1787 Verniquet produced the first exact map of Paris, which both reflected and promoted the new ordering of the city. Signs with street names had appeared in Paris in 1729, and oil streetlamps appeared in 1757. The numbering of Parisian houses began in the suburbs in 1726 to prevent new building—and (as with other capital cities) numbering spread through the centre during the second half of the century. In Rome Pope Benedict XIV had published his register in 1744 of the streets and dwellings. In London in 1762 the Corporation of the City decreed that all streethouses be numbered. In the same year, in both London and Paris, shop signs were ordered to be placed flat on the facades of building. In London this was said to sweep away the clutter of overhanging signs and, together with the removal of advertising posts outside shops and the introduction of proper pavements, was all part of the road widening and tidying to ease mobility. In Paris it was said to be to ensure illumination by the 1200 oil street lamps in place there and Ut for half the year by 1780. Enlightenment in France—rationalization in England. At the same time, the idea of the city as a canker, as a source of corruption, was sustained. New order was contrasted with familiar dangers. The metaphors of disease, for example, were used in such parables as Rétifs Le Paysan Perverti of 1775 to construct a notion of modern civility. The tragic tale of a young peasant corrupted by the evil influences of Paris was echoed by any number of novels, plays, and magazine stories warning readers of the horrors of the moral corruption and the "contagion" of its disease infecting pure country youths and damsels. There are links, of course, to the search for simplicity which underpinned the reform of drama and opera by Gluck and others in the 1770s and 1780s. But why is this important? Here I bring an historiographical slant which may be peculiarly English—and I hope in many ways that it is and that some of the points I make are obvious and not in need of defence as they are in Britain. Beneath what I am describing is a new economic power of a bourgeoisie—"the evidence of wellbeing" noted by Riesbeck on his visit to Vienna in 1780—a sense of social transformation. It was, however, usually clothed in the language of constraints and often courtly imagery, and promoted by images of the past—usually a lost past—as a justification for the new. I put it like that because, at least in recent British history, attention to the confessional state, to an ancien régime structure of politics, has deliberately downgraded not only civic (as opposed to national) political development, but the real intentions and impact of bourgeois literature and art. The direction of middle-class cuitare has been misread, I think, because language and imagery was not always
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novel. The changes represented by the contrasts could be constructed from ancient or courtly language or idioms. In the comparisons between vice and virtue, between barbarity and civilization, for example, there was a quarrying of familiar imagery, while the physical changes to the cities provided new examplars. It was in this context that the representation of the city and the citizen considered both failure of control and the possibility of improvement. At one level George III could announce his reign of Virtue and seek to ban cards and observe the Sabbath, or Joseph II could, with more power, inaugurate contentious reform programmes, but at another more popular level the interest of poets, painters, novelists, and librettists was in the packaging of irreconcilables within the city. This, ostensibly at least, was unrelated to political or religious controversy, but cut across the very different (and unstable) conditions of censorship and press regulation in the different realms. Attempts to define a polite "culture" was effected, in large measure, by contrasts between the opposites of social openness and closure, of protection and freedom to exchange, of wealth and poverty, of sham and authenticity. The terror was that of a failure to discriminate—of realizing that the polarities existed but that they could be confused, of failing to distinguish between appearance and reality. A shoal of publications advised on how to choose your servants, live in the city, practice thrift, write, dress and dance with simplicity and appropriateness, and follow specific rules of etiquette and politeness. In this, the vulgar became less a description of the lower classes than of a deviation from a specific social norm established, reinforced and further refined by print and performance. The key appeared as discrimination within the city—in cities with new interplay between the public and private—where different social groups were brought into contact, at Vauxhall and Ranelagh, in the Cours la Reine, and in the Prater and the newly opened Lindenallee in the Augarten. Writers examined the violations of precisely formulated codes of conduct—codes which were increasingly rigid and widely shared. The stress on the threat of vulgarity was based on an attempt to continue particular distinctions of rank in the face of the sudden ability of many to support the traditional badges of status. Status was often defined by not being able to be bought—when in fact it could be bought and could only retain its value by its possessors or admirers not admitting how it was acquired. All of this was part of the creation of a new behavioural code in which middleclass aspirations could be advanced in the language and allusions of imagined nobility. By the same token, emphasis upon the confessional state may miss what had in fact become theatrical devices which no longer functioned to establish the absolute state. From a British perspective at least, recent shifts in emphasis can be linked to attacks on economic determinism which—in many ways paradoxically—use particular representations of the past to create a new programmatic historiography. In Britain, at least, the presentation of the representation of society and of the city in the age of Mozart has to counter a battle between middle-class and noble preferences which might not have been unfamiliar to Viennese audiences in the 1780s.
Daniel Roche
Lumières - Sociabilités - Cultures
Aufklärung, Gesellschalt, Bildung, Lumière, Sociabilité, Culture; la force conceptuelle des trois notions essentielles pour comprendre la spécificité intellectuelle et culturelle du dix-huitième siècle et sur lesquelles on nous a proposé de réfléchir, en historien, est au cœur d'une tradition d'expertise philosophique décisive et efficace; elle fonde l'Histoire des idées avant 1800. De Rant à Cassirer, de Herder à Koselleck, de Hume à Habermas1 les cheminements et les implications de cette triade conceptuelle ont été amplement interrogés, balisés, définis. A cinq ou six générations du Siècle des Lumières, nous avons sans doute encore un besoin profond de comprendre ce qui nous y rattache et ce qui nous en sépare2; arrière, arrière, arrière petit-fils d'une intelligentsia qui a rêvé avec optimisme des progrès du genre humain, nous vivons toujours dans nos mesures de bonheur collectif et individuel, dans nos valeurs politiques et sociales, dans nos droits comme dans nos besoins, des résultats de sa réflexion, de toute une élaboration culturelle, et d'une mutation de croyance et de sensibilité. Notre temps questionne fiévreusement cet héritage en quête de sa propre identité, et, peut-être, parce qu'il a compris que les Lumières ne sont pas une école de certitudes simples et, qu'elles ne nous livrent plus, toutes faites, l'assurance et la vérité indéfinies du progrès. S'il n'est pas nécessaire de revenir sur cette approche de la même manière que dans les œuvres déjà citées, sinon pour y retrouver les références obligées, discutées ou partagées de la réflexion historienne actuelle; s'il n'est pas indispensable également, de reprendre et de prolonger la discussion élaborée de l'inventaire des traductions de ces mots fondateurs et de leur commentaire tellement de fois glosés soulignant ainsi la diversité et les contrastes de sens qui traversent et organisent le champ de force des idées européennes, il peut sans doute être plus intéressant de mettre en valeur aujourd'hui, tout autant, les divergences et les convergences, l'hétérogénéité et l'homogénéité qui traversent les notions interrogées, comme elles rassemblaient ou divisaient les hommes autrefois. On ne peut, dans le temps imparti, que retenir l'idée de réfléchir sur des lignes de force et de tension. Pour cela nour privilègerons un itinéraire qui souligne moins les origines que l'archéologie des notions en mettant en valeur, un résultat, la Bildung dont la spécificité germanique, presqu'intraduisible, ne doit pas faire oublier ce qu'elle doit au concept proche de civilisation à consonance plus française; des moyens, Gesellschaft, par lesquels l'ancienne culture religieuse, sociale et politique a été défiée; une culture globale, YAuJklärung dont le message ne peut plus se lire dans une finalité téléologique, comme un mouvement 1
E. KANT, «Qu'est-ce que les Lumières?» (1784), trad, fr., in: La Philosophie de l'Histoire, Paris, 1985, pp. 46-55; E. CASSIRER, La Philosophie des Lumières (1932), trad, fr., Paris, 1966; R. KOSSELLECK, Le règne de la critique (1976), trad, fr., Paris, 1979; J. HABERMAS, L'Espace public. Archéologie de la publicité comme dimension constitutive de la société bourgeoise (1962), trad, fr., Paris, 1978.
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A. DUPRONT, Les lettres, les sciences, la religion et les arts dans la société française de la deuxième moitié du XVIIIe siècle, Paris, 1964, 4 fascicules, 1, pp. 5-7.
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orienté vers sa fin, l'âge des Révolutions ouvert en 1789, et dont on poursuit les signes avant coureurs à partir de son terme achevé et futur. De la Bildung qui est fondamental pour rendre sensible la transformation spirituelle du siècle de Goethe, en un temps qui reste encore contemporain3, on retiendra l'idée de questionner la force même des idées confrontées aux moyens d'une culture, ce qui fait l'apprentissage et le terrain de l'apprentissage formateur, où le matériel et l'intellectuel suivent une même voie, les mêmes voies. De la Gesellschaft nous voudrions regarder les pratiques diverses qui ont fondé par le jeu de la sociabilité culturelle et politique où l'individualisme est central une des grandes forces motrices du changement qui remet en question l'ancienne société des corps et des ordres, l'ancien monde de la Société sacrée et mythique, uni dans et par le triple tabou du respect de Dieu, des Rois, des mœurs. De 1!Aufklärung restera alors à définir un fonctionnement non réductible à celui de la seule rationalité scientifique ou philosophique mais perçu comme un système de valeurs qui peuvent être contradictoires et diversement appropriées, peut-être une anthropologie plus qu'une philosophie. I. On n'a peut-être point assez souligné le lien, en tous cas la proximité, qui caractérisaient les notions de civilisation et de culture dont l'apparition lexicologique se situe entre 1750 et 18004. Même si dans les deux cas les concepts préexistent en quelque sorte aux mots, même si leurs diffusions réflexives dans des oeuvres d'approfondissement et de discussion sont quelque peu décalées, on ne peut pas ne pas être frappé par les traits communs de ces concepts unificateurs portés par des Grundwörter (mots primitifs, fondateurs), qui articulent une compréhension du monde autour de deux acceptions fondamentales5. D'une part, il s'agit de l'éducation des esprits, lié à l'adoucissement des mœurs, bref de tous les processus de formation d'un type humain nouveau, mobilisant les corps et les intelligences, fondant des comportements moralisés et authentifiant le respect des lois. C'est à la fois un état des mécanismes sociaux-culturels, des procès qui conduisent à la civilisation, idée dominante dans le champ conceptuel français, et à la Bildung-Culture, triomphante dans le domaine germanique. Mais, d'autre part, il est aussi question dans les deux termes confrontés de l'expérience de l'autre, et au bout du terme de la construction individuelle, sociale, nationale de l'identité. Procès de civilisation et conquête de la culture définissent des frontières, à partir desquelles un opposé peut être distingué et nommé, le civilisé et le barbare, le poli et le rustique, l'homme de culture et l'inculte. Rassemblant et unifiant un processus et son terme, la civilisation comme la culture, postulent l'interrogation, l'épreuve, le détour pour un retour, et l'on retrouve ici l'importance accordée au dix-huitième à la nécessité du voyage enrichissant et initiateur. La rivalité des concepts, que mettra principa5
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P. RICŒUR, Le conflit des interprétations, Paris, 1968, p. 118; et H . G . GADAMER, Methoden und Wahrheit, Tubingen, 1960, p. 7, cités par A. BERMAN, «Bildung et Bildungsroman», in: Le Temps de la réflexion, 1983, pp. 141-159. A. BANULS, «Les mots culture et civilisation en français et en allemand», Etudes germaniques, 1969, pp. 171-180; G . GUSDORF, Les principes de la pensée au Siècle des Lumières, Paris, 1971, pp. 310-348; P. BENETON, Hostoire de mots: culture et civilisation, Paris, 1975. J. STAROBINSKI, «Le mot Civilisation» in: Le Temps de la réflexion, 1 9 8 3 , pp. 1 3 - 5 1 , donne les travaux essentiels sur le sujet.
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lement en valeur le dix-neuvième siècle, ne doit pas masquer une visée commune; dans l'expérience du monde se fonde les valeurs qui distinguent l'homme éclairé et cultivé pour une tâche exemplaire: l'éducation civilisatrice. Ainsi le sacré de la civilisation prend la relève du sacré de la religion et implique la totalité des aspirations spirituelles et morales qui caractérisent la Bildung selon Humboldt par rapport à la Kultur6. Alors comment ne pas voir derrière le dit et le montré des mots, le concret des modes d'action du changement culturel lisible dans le contexte européen à la fin du dix-huitième siècle, soit ime triple expérience qui met en jeu les processus de la vie, les comportements face aux acquits matériels, les nécessités éducatives qui permettent au particulier d'accéder à l'Universel, pour reprendre la formule de Hegel. Ce qui donne sa force au concept de culture dans cette acception du dix-huitième, c'est qu'il est, pour la première fois de l'histoire, porté par une poussée biologique consciente de la multiplication des hommes7. Les résultats en sont désormais connus pour toute l'Europe qui sort d'un âge pluriséculaire de dépeuplement, connaissant ime expérience tout à fait neuve due à la diminution lente de la mortalité et au triomphe partiel de l'accroissement biologique qu'interrompt de moins en moins le rythme saccadé et répété des crises de mortalité, des famines et des épidémies. Dans cette croissance que mesurent les démographes - ils naissent avec elle - et interrogent les économistes - ils en discutent les avantages et les désavantages8 -, peut naître un optimisme vital et la conscience grandissante de la puissance de l'humanité. «L'on conçoit aisément, dit alors le marquis de Mirabeau, l'ami des hommes, que la France doit être la patrie de la population et de l'abondance.» Il aurait pu dire que l'Europe des Lumières . . . Ainsi dans le procès qui voit s'accroître les civilisés et les civüisables naît un premier dilemme qu'exprimera fortement Malthus, les forces productives ne suivront pas nécessairement la multiplication des hommes qui devront maîtriser leur croissance. L'affirmation d'une prise de conscience des réalités naturelles, de chair, d'une société indépendante par rapport au surnaturel, aboutit à une première interrogation sur l'accroissement de la croissance des biens matériels et des hommes. C'est que l'accumulation des richesses frappe les observateurs, richesse du négoce et des manufactures, mais sans doute aussi, inégalement réparti dans l'espace comme dans le temps, richesse des productions agricoles. Le débat sur le luxe à son apogée, avant 1750-1760, de Mandeville à Rousseau, montre en clair comment la société concrète a envisagé le rapport de la civilisation et de la cuitare aux biens de consommations. Pour les uns, progrès matériels et accomplissements spirituels marchent d'un commun accord, pour les autres, ils ne font, et ils ne feront que diverger, car, avec les richesses, l'autonomie de l'économique, le triomphe d'une matérialité sensuelle, qui 6
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Cité par A. BERMAN, art. cit., p. 143, «Mais quand nous disons Bildung dans notre langue, nous entendons par là, quelque chose d'à la fois plus élevé et plus intime (que Kultur) c'està-dire la disposition d'esprit qui affecte la sensation et le caractère à partir de la connaissance et du sentiment de la totalité des aspirations spirituelles et morales». A . DUPRONT, op. cit., p. 3 8 - 3 9 ; M . REINHARD et M . ARMENGAUD, Histoire générale de la population mondiale, Paris, 1961. J.-C. PERROT, «Les économistes, les philosophes et la population», in: Histoire de la Population Française, 4 vol., Paris, 1988, t. 2, pp. 499-551.
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lie les succès des arts et des sciences et les commodités de la vie, se brouillent définitivement principes de l'Economie chrétienne et les vertus de la Culture des apparences9. Le sujet humain s'émancipe; pour le guider il faudra, avec Rant, détacher la norme du fait, ou avec Bentham, après Hume, trouver dans l'utilité et le calcul une nouvelle moralité10. Comme l'a montré J. Starobinski, «la scission du mot civilisation entre une acception de droit et une acception de fait, et qui permet à la conscience noble d'invoquer la première contre la seconde, tombe sous le coup de l'analyse que Hegel dans la Phénoménologie de l'Esprit consacre à la Bildung et à la philosophie des Lumières. On connaît la conclusion formulée par Hegel: c'est la civilisation affective, avec tout ce qui apparaît en elle de barbare à la conscience morale qui constitue la vérité du momentCelle-ci réside principalement dans les processus de développement de la conscience, dans l'expérience de soi à la fois dans le travail et dans le grand jeu de l'art et de la philologie, soit dans les différentes manifestations des essais et des épreuves éducatives. L'éducatif est au cœur de la culture. Il est dans la rencontre du vieux projet acculturant des Eglises en dépit des divergences théologique, il est dans les nécessités d'un monde qui, en se développant, accroît les agents et les moyens des contrôles sur lui-même. Il est aussi dans l'exubérance des élites et des peuples avides de savoirs partagés par delà même les frontières que les processus de diffusion des cultures établissent. De l'éducation sans l'école à l'instruction scolarisée, la fin du dix-huitième siècle a vu se multiplier les réflexions et naître la pédagogie moderne et les expériences de tous ordres. Les limites culturelles ont bougé suffisamment pour que les élites européennes s'interrogent un peu partout sur un idéal de promotion par la culture sur lequel nous vivons encore; or la culture en fait ne tranche pas, elle superpose. Elle place l'éducatif au centre, indispensable au nouvel idéal utilitaire car l'ignorance freine la croissance et entretient les préjugés, mais aussi redouté car l'instruction menace l'ordre traditionnel et la répartition des tâches dans la société des ordres. A plus ou moins forte dose, c'est à l'éducation qu'incombe la responsabilité de résoudre le conflit entre le progrès et la perfectibilité des individus, et la civilisation qui est, pour suivre Rousseau, le résultat de la détérioration de l'espèce humaine 12 . Dans le voyage, éducatif par excellence, le même devient autre, car le déplacement réalise une formation par étape identique dans l'espace réel et dans les représentations du Bildungsroman. Ainsi en s'appropriant les figures essentielles de la Bildung, l'homme de culture est simultanément initié au monde et révélé à lui-même. Il entre alors dans l'univers des pratiques de la culture sociable où sont réconciliées culture matérielle et culture intellectuelle pour les classes sociales reconnues et nanties. La crise de la Bildung comme l'interrogation sur la civilisation, fait et droit, mettront en évidence ime phase critique des systèmes éducatifs13.
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L. DUMONT, Homo Aequalis, Genèse et épanouissement de l'idéologie économique, Paris, 1977; D. ROCHE, La Culture des apparences. Essai pour une histoire du vêtement, Paris, 1989.
1 0 L. DUMONT, o p . cit., p. 101-102. 11 J. STAROBINSKI, art. cit., p . 4 7 .
12 J.-J. ROUSSEAU, Discours sur l'inégalité. Œuvre complète, Paris, 4 vol., 1964, t. ILL, p. 162. 13 A. HERMAN, art. cit., pp. 156-159.
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II. Ceux-ci sont d'importance majeure dans l'acquisition des comportements et des savoirs qui définissent l'appartenance au monde des gens cultivés, à la sociabilité. Le dix-huitième siècle en a vu le mouvement s'accélérer: partout, dans l'Europe entière, se sont installés académies, loges maçonniques, sociétés littéraires et savantes, cercles, musées, sociétés de pensée. Le dix-septième siècle n'a certes pas ignoré la sociabilité, mais il l'a connue sous d'autres formes, et l'un des aspects de la transformation culturelle de l'époque des Lumières consiste dans le passage d'une façon privée et spontanée de sociabilité dominant antérieurement, à une manière nouvelle officialisée, reconnue et pulique, en même temps que se construit ime autonomie totalement audacieuse du public 14 . L'observation du phénomène est troublée par le fait qu'il existe avant la Révolution (alors que le droit d'association fut libéré par elle tardivement) deux dimensions du phénomène associatif. La première relève de la conception inégalitaire de la société, de son caractère holistique qui admet seulement les associations correspondant aux encadrements organiques et ancestraux du social: l'ordre, l'état, le corps, la communauté de métier ou de profession, la paroisse avec ses confréries et ses institutions charitables et pieuses, la famille. La tradition et le privilège les distinguent des formations privées ou particulières, elles sont admises car licites. Elles n'entrent pas en conflit avec la Société de Cour puisque celle-ci y trouve appuis et alliances. Toutefois existent aussi des réunions «sociétés», «clandestines», rassemblant des individus en dehors des solidarités fondamentales, en dépit des origines sociales, mêlant ordres et classes. Elles inquiètent les autorités civiles et religieuses qui partout les surveillent. Leur fonctionnement perturbe en effet les modes de représentation des mécanismes sociaux essentiels, car il postule l'égalité entre les individus rassemblés, associés, même si l'égalité réelle n'est pas effectivement réalisée entre les participants. Ce modèle est porté par «cette aspiration commune des hommes à fréquenter agréablement leurs semblables» et il réconcilie culture et nature. C'est dans le jeu de ces deux modèles de la sociabilité que de dessinent à la fois l'apparition d'un pouvoir culturel et la constitution d'une élite distinguée avec son système de valeurs, sa conscience d'autonomie, ses moyens d'action sur le réel. Progressivement la sociabilité intellectuelle est pensée comme fondatrice d'un espace public nouveau et d'une culture politique nouvelle 15 , mais le phénomène associatif joue un rôle primordial car surtout à la ville, et plus rarement aux champs, il rassemble d'accord pour un apprentissage de conduites et de comportements qui se modulent autour de l'âge, d'une volonté de reconnaissance et d'ime fonction sociale. Les associations de jeunesse, les abbayes, les bachelleries, les jeunesses, les basoches, les devoirs des compagnonnages ont partout regroupé les jeunes célibataires; ce sont des institutions reconnues et admises, associant tout un chacun sans distinction sociale, ou sélectionnant pour un recrutement diversifié qui suggère des tensions. Les curés, les pasteurs, la police, les surveillent car leur rôle est essentiel à la cité, elles enseignent un conformisme, mais un détournement possible de leur action peut déboucher sur 14 P. GOUBERT et D. ROCHE, Les Français et l'Ancien Régime, 2 vol., Paris, 1989, L 2, pp. 219-254; R. ROCHE, Les Républicains des Lettres. Gens de culture et Lumières au XVIIIe siècle, Paris,
1988, pp. 157-171. 15 M. AGULHOM, La Sociabilité est-elle objet d'Histoire. Sociabilité et Société Bourgeoise en France, en Allemagne, en Suisse, 1780-1850. Sous la direction d'E. François, Paris, 1986, pp. 15-25.
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une politisation inacceptable. Le cercle des hommes mûrs, la chambrée, la chambre de rhétorique, la société, supposent une rencontre plus informelle mais qu'organise un pacte associatif pour le jeu, la lecture collective, la discussion des nouvelles voire la confrontation politique spontané. Au temps révolutionnaire ces sociétés se transformeront souvent en club. Par rapport aux pratiques des cercles réservés à l'élite, elles constituent un vivier de recrutement et une caisse de résonnance; c'est là qu'on se découvre mutuellement et qu'on s'apprécie à travers des rencontres presque toujours socialement distinctives, c'est là qu'on organise les contre-académies juvéniles dans l'impatience de ne pas pouvoir entrer trop tôt dans les sociétés renommées. Au total, l'appartenance aux sociétés prend rang dans les signes qui organisent le théâtre social des cités, l'adhésion et l'élection classent dans la hiérarchie des pouvoirs urbains. Avec le temps, le dix-huitième siècle voit se multiplier les rencontres et les formes d'associations16. Elles jouent un rôle de plus en plus actif en affirmant une moindre dépendance par rapport à l'Etat, et la revendication d'un pouvoir culturel autonome. Les salons incarnent au premier chef cette action17, dans un jeu de concurrence constante entre les salonnières, en recevant gents de lettres et gens du monde. Ils instaurent ainsi un brassage social des idées et se présentent en tous lieux à Paris, en province, dans les capitales, dans les métropoles régionales comme le lieu de la consécration des réputations, indépendamment mais également en symbiose, des corps établis et des institutions reconnues. Une intelligentsia qui s'est fortement laïcisée accède ainsi au gouvernement de l'intelligence et celui-ci ouvre au champ du politique. Car entre l'Etat et l'opinion point de vide, comme le pensait Tocqueville, mais le foisonnement des sociétés de culture et de pensée 18 : c'est le monde des Académies triomphantes. L'exemple français en montre toute l'importance et toute l'ambiguïté. De 1660 à 1789 le mouvement académique a tissé sur le royaume, de Paris à la province, son réseau. Il généralise d'abord les options et les valeurs d'un absolutisme qui se proclame éclairé: service de l'Etat, unification par la langue, multiplication des savoirs. La force du mouvement est sociale, rassemblant partout les notables de l'intelligence et du pouvoir plus que les forces de l'economie. Dans l'académie sont réconciliées toutes les noblesses, épée, robe, administration, Eglise, dans ime affirmation d'opulence, de style de vie et de responsabilités sociales, et toutes les bourgeois d'Ancien régime, des talents, des études, de l'office et des bénéfices. Une moindre notoriété est reconnue aux représentations du négoce qui trouve à s'exprimer dans d'autres associations, les Musées, les chambres de lectures, les sociétés littéraires, lesquelles, après 1770, concurrencent et relaient les académies dans tout le royaume, avec pour clientèle tous ceux qui ne peuvent forcer la porte des cénacles 16 Zur Sociabilität in Frankreich beim Übergang vom Ancien Régime zur Moderne, in: Sociabilité et Société en France, en Allemagne, en Suisse ... op. cit. 2 7 - 4 1 , O . DANN, Die bürgerliche Vereinsbildung, ibid., pp. 43FF., U. IMHOF, Vereinswesen und Geselligkeit in der Schweiz, 1 7 8 0 - 1 8 5 0 , ibid., pp. 5 3 - 6 4 .
Madame du Deffand et son monde ( 1 9 8 2 ) , trad, fr., Paris, 1 9 8 7 ; D. GOODMAN, «Enlightened Salons: The convergence of female and philosophie ambition», Eighteenth Century Studies, 1 9 8 9 , 2 2 - 3 , pp. 3 2 9 - 3 5 0 . D . ROCHE, Le Siècle des Lumières en province. Académies et Académiciens provinciaux,
1 7 Β . CRAVERI,
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1660-1789, Paris, 1978.
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plus prestigieux. Tous ces cercles participent à la vulgarisation de l'art de converser et de lire; avec les loges maçonniques, elles assurent la croissance des Lumières. Mais la maçonnerie reste par rapport à l'académisme un mouvement plus ouvert, avec plus de bourgeois de toute espèce et surtout parmi eux, la montée de milieux modestes, artisans, boutiquiers, commis, voire même salariés et ouvriers. Là se joue im des enjeux du temps: jusqu'aux années 1760-1780, les académies et les loges avaient contrôlé leur recrutement avec souplesse et suffit à la demande associative. Dans les académies, l'affirmation des valeurs égalitaires se conciliait avec le jeu sélectif qui répartissait les membres entre trois catégories d'académiciens, honoraires, ordinaires, associés. L'ordre social était préservé dans l'organisation de l'égalité à huis clos. Dans la maçonnerie, l'exigence de culture, le paiement d'une cotisation, la surveillance des états et des mœurs assuraient le même équilibre. Dans l'un et l'autre mouvement une même sociabilité épurée règle les comportements et les pratiques, un même idéal de conformisme et de service, la conscience d'être plus égaux que le reste des mortels, rassemblant académiciens et maçons. Or la pédagogie du siècle modifie ce consensus, le besoin associatif s'accroit et ne peut plus être résolu par les seuls institutions existantes. Dans ce débat apparaissent les deux tendances qui sont portées par le développement de la sociabilité. D'une part il organise un univers à part où le monde est structuré à partir de l'individu et non plus des corps ou des institutions organiques. On y fait l'apprentissage d'une sociabilité démocratique qui travaille à la négation de l'ordre traditionnel alors même qu'elle y participe et s'en réclame. En même temps, on y généralise bien au delà de l'activité littéraire et savante la possibilité du jugement critique. Dans le fonctionnement de la République des Lettres, se prend l'habitude d'interroger tous les domaines de la pensée et de l'action, les mystères de la religion et ceux de l'Etat. Dans la maçonnerie plus encore que dans les sociétés savantes, ime conscience morale forte, la volonté de tolérance et de liberté de conscience, la défense d'un secret qui resserre le loyalisme des frères, imposent un idéal qui s'oppose aux principes de l'Etat absolutiste. Les loges sont un lieu où se réalise la liberté civile, «la liberté en secret devient le secret de la liberté, la conscience de la politique»19. De surcroît, la volonté pédagogique unifie les diverses composantes de la sociabilité. Ainsi se dessine le nouvel espace public où la communication et la discussion sont porganisées de manière homogène entre des individus privés, libérés des devoirs dus au prince. La discussion critique et le débat politique peuvent s'y développer20. III. Dès maintenant apparaît la réponse que l'on peut tenter de formuler à la vieille question: «Qu'est-ce que les Lumières?» Celles-ci sont à la fois le développement et l'affirmation différenciée dans l'espace européen sinon d'un corps de doctrine car il n'y a jamais eu de philosophie homogène et unifiée, du moins d'un ensemble de principes qui rassemblent autant qu'ils fragmentent les éléments divers de la société, et, en même temps, d'ime multiplicité des pratiques que peuvent inspirer et guider des motivations diverses et où peuvent transparaître des mobilisations et des consciences de classe différentes, antagonistes et alliées. Pour les États et pour les Églises con19
R. KOSSELLECK,
Le règne de la critique
(1959),
trad, fr., Paris,
1979,
2 0 J. HABERMAS, o p . c i t . , p p . 2 0 - 2 1 ; R. CHARTIER, o p . c i t . , p p . 3 4 - 3 5 .
pp.
60-65.
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frontés à l'expansion des Lumières, celles-ci apparaissent comme l'adversaire désigné par leur universalité et leur apparente cohérence dans leur remise en question de l'ordre traditionnel. Face à l'autorité des dogmes et des clergés, elles proclament la nécessité de la tolérance religieuse et elles développent la critique des fanatismes; devant l'arbitraire de la tradition et de l'histoire, elles affirment la nécessité du jugement critique par l'observation et l'expérience, l'examen et la réévaluation des institutions les plus vénérables; en présence du lien qui unit le pouvoir politique et celui de la religion, elles opposent un nouveau contrat social et politique où régnent la liberté et l'individualité. Mais en même temps, il n'est pas sûr que les Lumières, même pour leurs adversaires, puissent «être caractérisées exclusivement ou principalement comme un corpus d'idées transparentes à elles-même comme un corpus d'énoncés clairs et distincts»21. Les Lumières font partie d'ime transformation plus profonde des comportements dont l'enjeu reste l'affirmation d'un ordre humain des choses qui ne procède plus d'une investiture divine, d'un grand procès de laïcisation des représentation du monde qui repose sur la capacité de définir une société indépendante et un ordre nouveau des rapports entre les hommes et des hommes à leur univers. Elles rencontrent alors les réflexions et les pratiques que guident le souci d'utilité et de service, le gouvernement des hommes, la gestion des espaces et des populations, la mise en place d'institutions qui réorganisent la perception et l'ordonnancement du monde social. C'est ce que montre l'étude des sociabilités culturelles. On y voit coexister la force du conformisme, les institutions rassemblant des notables qui communient dans un même respect des pouvoirs, et la volonté à la fois réformatrice et gestionnaire des actions. Ce qui s'y joue c'est le problème de la raison publique que pose Kant, celui des limitations pratiques que l'on doit admettre pour la liberté et pour l'exercice du jugement. Pour le philosophe de Kcenigsberg, ces restrictions concernent l'usage que l'individu «peut faire de sa raison dans un emploi public ou une fonction qui lui est confiée»22. Cet accommodement n'entrave en rien la diffusion et le progrès des Lumières puisqu'il évite la dislocation du corps social qu'entraînerait le refus de la distinction entre l'usage privé-public, illimité. Il traduit sans doute en clair l'écart existant entre la situation sociale et politique de l'Allemagne où s'impose une modération dont la philosophie française est moins tributaire 23 . Le même écart se lit entre Paris et la province, entre l'acceptation d'ime volonté radicale de réforme, le refus de séparer la pensée et l'action d'une part, et le simple consentement à une réflexion commune dans une perspective plus gestionnaire que «révolutionnaire»24. Cette lecture permet de réévaluer les rapports de l'Etat et des Lumières; quand celui-ci, principal acteur des réformes, est la cible de celleslà qui visent à une transformation plus profonde. Elle autorise plus encore la mesure des écarts entre les discours et les pratiques25.
2 1 R. CHARTIER, o p . c i t . , p . 2 8 . 2 2 E . KANT, o p . cit., p p . 4 6 - 5 5 .
23 L. GOLDMANN, Structures mentales et création culturelle, Paris, 1970, La bourgeoisie chrétienne et les Lumières, pp. 2 3 - 1 3 1 , plus particulièrement pp. 2 7 - 2 8 . 24 D. ROCHE, op. cit., Le Siècle des Lumières en Province, 1.1, pp. 185-322. 2 5 R. CHARTIER, op. cit., pp. 35-36.
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Ainsi un même système de valeurs peut être l'objet au même moment d'appropriations différentes. On sait par exemple qu'il n'est plus possible de réduire l'influence du rousseauisme à une lecture unique. Outre que le spectre social de la diffusion vulgarisée des idées de Jean-Jacques a été largement déployé dans la société européenne 26 , il est assuré que des lectures partagées correspondent à des choix contraires. Parmi ses lecteurs aristocratiques, on retrouve les plus grands noms de la noblesse et ceux-ci communient avec lui dans une mythique de l'économie morale et une critique de la civilisation27. Le message de la Nouvelle Héloïse est pour eux une idéologie de substitution. A la même époque, le négociant Ranson, correspondant rochellais de la Société typographique de Neuchâtel, trouve en Rousseau un directeur de conscience, un modèle pour la vie familiale, un exemple pour l'éducation28. Enfin, dans le petit peuple parisien, on sait que très vite Jean-Jacques fut l'objet d'un culte familier et que sa connaissance, inséparable de celle de ses idées y était vulgarisée par d'innombrables publications, almanachs, esprits, extraits29. Plus encore, on peut analyser comment, la même œuvre, la Nouvelle Héloïse par exemple, peut à chaque étape de sa diffusion faire l'objet d'interprétations diverses et contraires30. Des réflexions portées sur l'œuvre par des correspondants variés, dans un échange où les hommes et les femmes, les catholiques et les protestants, les nobles et les bourgeois ne recherchent pas la même leçon, aux lectures critiques des journalistes, et aux choix des thèmes mis en valeur par les illustrateurs du roman, on voit s'infléchir et varier les façons de comprendre et d'agir à partir d'un même texte. Les Lumières ne peuvent être que plurielles. De surcroît, ne voir dans les Lumières qu'une seule manière de lire le monde interdit de tenir compte de phénomènes qui y sont essentiels, ainsi ΥΑμ/klärung religieux, plus particulièrement catholique, ainsi l'irrationalité qui, à la fin de l'Ancien régime, lient profondément ésotérisme et politique. Le débat retrouve le problème posé par Auguste Comte qui voyait l'histoire de l'humanité aboutir à l'âge industriel par ime rupture totale avec les sortilèges de l'âge théologiques51. Les Lumières, on le sait, n'ont jamais pu trancher totalement le lien entre théologie et politique, et Bernard Plongeron a surpris les Aufklärer européens en flagrant délit de théologie politique. Les théologiens les plus orthodoxes «sont tombés dans le piège des Lumières», en débattant de l'utilité sociale de la religion, et en développant ime apologétique qui aea_f>ne jure que par la sociabilité chrétienne 52 . Une politique contractuelle, une théologie des pactes s'oppose alors au contrat des philosophes, plus soucieuses de la dynamique des pratiques formalisées que des rigueurs logiques du concile de Trente; 26 D. ROCHE, «Les primitifs du Rousseauisme. Une analyse sociologique et quantitative de la correspondance de J.-J. ROUSSEAU», Annales E. S. C., 1971, pp. 151-172. 27 J. Βίου, «Le rousseauisme, idéologie de substitution», in: Roman et Lumières au XVIIIe siècle, Paris, 1970, pp. 115-128. 28 R. DAHNTON, «Le courrier des lecteurs de Rousseau: la construction de la sensibilité romantique», in: Le grand massacre des chats (1984), trad, fr., 1985, pp. 2 3 1 - 2 5 2 . 29 Journal de ma vie, Jacques-Louis Ménétra, compagnon vitrier au XVIIIe siècle, présenté par D. ROCHE, Paris, 1982, pp. 218-222 et 300. 30 C. LABROSSE, Lire au XVIIIe siècle. La Nouvelle Héloïse et ses lecteurs, Lyon, 1985. 31 B. PLONGERON, Théologie et politique au Siècle des Lumières, 1 7 7 0 - 1 8 2 0 , Paris, 1973, p. 13. 3 2 B. PLONGERON, o p . cit., p. 14-15.
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une autre ecclésiologie qui nourrira les réflexions des théologiens de la Constitution civil et du Concordat33 inspire ceux qui rêvent de codifier la foi. Au total, il peut paraître surprenant mais essentiel de rappeler que ce ne sont pas les rationalistes de YAußlärung qui ont décidé de répudier la théologie, mais les théologiens qui ont pris cette initiative34. La coupure date pour une part des temps du combat philosophique, mais il faut la rechercher avant, dès la fin du XVIIe siècle, quand la théologie, gallicane, s'est réduite au culte de la Loi à laquelle s'identifie la politique chrétienne. Théologie et culture profane ont alors amorcé leur divorce, en même temps que celui de la foi et de la théologie, celle-ci étant une science qui perd son statut, celle-là étant la codification des croyances dogmatiques. Désormais, il y a combat dans la religion même. De la même manière, les Lumières sont totalement inséparables d'une poussée de l'irrationnel. On l'a lu dans le préromantisme à la suite de Rousseau avec l'affirmation des droits de la passion et du cœur mais aussi dans la montée d'ime psychologie des profondeurs35. On a pu lire dans la société européenne une même compénétration du magnétisme mesmérien et des expériences sur l'électricité, de toutes les forces d'action psychique à distance, de toute une volonté d'utiliser des forces obscures qui sont autant de sources d'énergie secrètes. Cette mentalité révèle au cœur des Lumières la permanence d'irne logique des participations où ne régnent plus les principes de la raison souveraine. Elle traduit également une volonté de lire le monde dans ses obscurités mêmes retrouvant ainsi le sens profond de la métaphore centrale des Lumières dans l'opposition de la Lumière aux ténèbres où survit une ambiguïté spirituelle qu'on retrouve dans un même individu partagé entre le rationalisme et l'hétérodoxie mystique. Si de nombreux Aufklärer repoussent totalement, ainsi Voltaire, cette tradition, d'autres comme Diderot y réfléchissent et admettent la «logique du déraisonnable»^. Dans la théosophie, ils retrouvent une valeur culturelle, une liberté de recherche qui doit être réincorporée dans le capital des gens éclairés. Le monde de la maçonnerie européenne se voit attiré par les Lumières raisonnables comme il l'est par l'illuminisme, déchiré par le rationalisme et l'ésotérisme où l'Ecossisme a trouvé sa principale force37. Ainsi l'atmosphère des loges peut satisfaire une variété large d'exigences spirituelles et rationnelles; de la contestation politique à l'expérience ésotérique approfondie en passant par le simple frisson exotique et spiritualiste38. Toutefois, l'illuminisme n'est pas un masque de l'action politique radicale, c'est une vision encore vivant et vitale, et porteuse d'autres Lumières que celles des rationaux. Celles du secret fondamental, c'est-à-dire de ce qui n'est pas encore révélé ou de ce qui a été oublié depuis la chute mais que l'on peut retrouver par une quête personnelle guidée par l'initiation et l'illumination. Ce secret correspond à une 33 B. PLONGERON, op. cit., pp. 4 7 - 5 8 . 34 B. PLONGERON, op. cit., pp. 4 2 - 4 3 , pp. 324-326. 35 A. DUPRONT, op. cit., pp. 2 4 - 2 5 ; A. VIATES, Les sources occultes du romantisme, Paris, 2 vol., 1965.
36 R. DARNTON, Mesmerism and the End of Enlightenmen in France, Harvard, 1968; A. FAIVRE, L'ésotérisme au XVIIIe siècle, Paris, 1973; Mystiques, Théosophes et illumiés au Siècle des Lumières, New York, Hildesheim, 1976. 37 E. J. MANNUCI, Gli altri lumi, Palerme, 1988, pp. 3 0 - 5 5 . 3 8 E . J . MANNUCI, op. cit., pp. 2 2 - 2 5 .
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rationalisation rigoureuse du cosmos fondée sur des principes immuables, et c'est cela même qui débouchant sur la croyance illimitée dans les possibilités de perfectionnement de l'homme, qui unit les tenants des Lumières rationnelles et ceux de Pilluminisme ésotérique. Il n'est pas encore contradictoire de croire en même temps à la raison et aux forces spirituelles, à l'alchimie et à la chimie balbutiante, d'être théosophe et partisan du changement politique. Le secret ici ne masque aucune conspiration mais le secret de la liberté possible39. Dans l'atmosphère de vitalité créatrice qui caractérise les Lumières, la culture (Bildung) et la sociabilité (Gesellschaft) interviennent à la fois comme des moyens et comme des fins, des valeurs et en même temps des faits. Cette étude comparée de notions majeures met ainsi en évidence la difficulté centrale de l'histoire sociale et culturelle pour laquelle nous plaidons et travaillons depuis un quart de siècle. L'historien ne peut œuvrer sur les seules représentations et symboles, et il ne perçoit les structures et les réalités qu'à travers le langage et les mots. Son travail essentiel est alors l'interprétation des écarts qui jouent entre les niveaux d'analyse. L'interrogation des concepts majeurs permet de comprendre «la durée des expériences passées et de mesurer la capacité analytique des théories passées»40. C'est ainsi que la crise qui marque simultanément Civilisation et Culture dès le XIXe siècle et qui interroge encore aujourd'hui les idéaux majeurs des Lumières, montre qu'il s'est creusé une différence croissante entre les réalités et les significations auxquelles elles nous renvoyaient. On met en évidence ainsi les stratifications multiples des concepts, datant d'époques différentes, et, en même temps qu'ils définissent les conditions d'une histoire possible, l'espoir d'établir des correspondances dans le domaine matériel. Car il est nécessaire au moment où les historiens de la culture des Lumières banissant presque totalement de leurs analyses l'économique, mais conservent la médiation du social, de s'interroger sur les relations qu'entretiennent ces différents domaines entre eux. Le rôle de J. Habermas définissant la transformation structurelle de la sphère publique comme le cœur de la novation des Lumières est de ce point de vue intéressant. Nul doute que pour lui la sphère publique des lecteurs et des hommes de critique ne soit par nature bourgeoise, elle se distingue ainsi de la culture aristocratique des cours et de la culture plébéienne que cantonnent des frontières nouvelles. Ne faut-il pas alors retourner à l'analyse du jeu des classifications sociales et au rapport qu'entretiennent les Lumières et les bourgeoisies? Car, comme le fait remarquer Colin Jones commentant les travaux importants de l'histoire politique et culturelle, la bourgeoisie chassée par la grande porte des études sur le dix-huitième siècle, y fait sa rentrée par les fenêtres 41 . Il est toujours indispensable de retrouver derrière les mots d'autres réalités que celle des discours autonomes, c'est d'ime certaine manière rester fidèle à l'impératif des Lumières comme art de conduire le débat d'idées pour agir.
5 9 E . J. MANNUCI, o p . cit., p p . 1 3 5 - 1 5 6 .
Le futur passé. Contribution à la sémantique du temps historique ( 1 9 7 9 ) , trad, fr., Paris, 1990, pp. 115-117. 41 C. JONES, «The return of the banished bourgeoisie», Times Literary Supplement, 29 mars, 1991, pp. 7-θ. 4 0 R. KOSSELLECK,
Marius Flothuis
Position und Emanzipation der Frau zu Mozarts Zeit
Es ist nicht möglich, die ganze Problematik der Position bzw. Emanzipation der Frau zu Mozarts Zeit in einem Kurzreferat zu behandeln. Im folgenden sind einige Gedanken dargelegt, die zum Weiterdenken oder auch zu Kritik Anlaß geben dürften. Das Referat gliedert sich in drei Abschnitte und eine Coda. Der erste Abschnitt befaßt sich mit der Frauenbewegung im allgemeinen; der zweite geht von den Jahreszahlen 1992 und 1492 aus; in dem dritten steht, wie zu erwarten, Mozart im Mittelpunkt. 1. Abschnitt: Es ist gebräuchlich, die Ende der sechziger Jahre einsetzende Frauenbewegung als „zweite feministische Welle" zu bezeichnen; die erste wäre demnach diejenige, die sich in den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts abzeichnete. Man könnte sich indessen fragen, ob es nicht schon vorher, insbesondere im 16. und im 18. Jahrhundert, derartige Bewegungen gegeben hat; ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Buch The Feminist Papers (ed. Alice S. Rossi, New York 2 1974). Man muß aber unterscheiden zwischen Bewegungen und von Einzelpersonen initiierten Aktivitäten. Und um diese handelt es sich in der Hauptsache im 16. und 18. Jahrhundert. In beiden Fällen ist aber die Rede von einer Parallelität zwischen Förderung des unabhängigen Denkens und Ablehnung von Dogmen einerseits und Förderung der geistigen Entfaltung der Frau andererseits. Um dieses Kurzreferat nicht allzusehr mit historischen Fakten zu belasten, beschränke ich mich auf zwei Beispiele: die Malerin Sofonisba Anguissola (1535/40-1625), deren Talent, ebenso wie dasjenige ihrer Schwestern, ausdrücklich vom Vater gefördert wurde; und die Schriftstellerin Isabelle de Charrière (= Belle van Zuylen, 1740-1805), deren Gaben sich voll entfalten konnten, sowohl zur Zeit, als sie noch in Holland lebte,* als auch nach ihrer Heirat im Jahre 1771 mit dem Schweizer Charles-Emmanuel de Charrière. Die Erwähnung der Isabelle de Charrière im Rahmen eines kulturhistorischen Gespräches, das als Abschluß des Mozartjahres betrachtet werden kann, ist deswegen sinnvoll, da Mme. de Charrière sich der Bedeutung Mozarts bewußt war. Ende der achtziger Jahre sandte sie ihm einen französischen Operntext aus ihrer Feder, in der Hoffnung, daß er diesen vertonen würde. Leider schickte sie ihren Text nach Salzburg - daß Mozart schon längst nach Wien übersiedelt war, ist ihr offenbar unbekannt geblieben. Wir wissen somit nicht, ob er ihn je erreicht hat, noch weniger, ob und wie er darauf reagiert hat. 2. Abschnitt: 1492 ist das Jahr, in dem Kolumbus Amerika entdeckte, oder - wie Georg Lichtenberg schrieb - in dem der Indianer, der als erster den Kolumbus entdeckte, eine böse Entdeckimg machte. Amerika war das Land, in dem die grundsätzlichen Rechte des Menschen zum erstenmal formuliert wurden; wie bekannt, bildeten sie die Grundlage der Ideen, die später die führenden Personen der Französi* Wenn auch gelegentlich anonym, um dem Widerstand ihrer Familie zu entgehen!
Position und Emanzipation der Frau zu Mozarts Zeit
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sehen Revolution inspirierten. Beide Ereignisse fanden innerhalb der Lebenszeit Mozarts statt. Daß mit dem „Menschen" der Mensch männlichen Geschlechts gemeint war, wurde nicht ausdrücklich erwähnt - es war ja selbstverständlich. Die französische Erklärung vom Jahre 1789 trägt übrigens, um jedes Mißverständnis zu verhüten, die Aufschrift „Déclaration des droits de l'homme et du citoyen". Eine Frau, die diese Selbstverständlichkeit nicht zu akzeptieren wünschte, war Olympe de Gouges, die der Meinung war, mit „Mensch" sei sowohl „Mann" als auch „Frau" gemeint Nach anfanglichem Erfolg endete ihr Leben auf dem Schafott. Wenn wir schon des Jahres 1492 gedenken, so wäre die Entdeckung Amerikas nicht der einzige Grund, dies zu tun. 1492 ist nämlich auch das Geburtsjahr des spanischen Philosophen Juan Luis Vives (1492-1540), der in seiner Schrift De Institutione feminae christianae dafür plädierte, für Frauen die Möglichkeit geistiger Entfaltung und der Erwerbung geistiger Kenntnisse zu schaffen. 5. Abschnitt: Mit Argumenten „e silenüo" soll man bekanntlich behutsam verfahren. Wenn ich behaupte, daß in der ausführlichen Korrespondenz der Familie Mozart keine - um es mit einem zeitgemäßen Wort zu bezeichnen - „frauenfeindlichen" Äußerungen vorkommen, so heißt das nicht, daß es nie welche gegeben hat: es sind ja Briefe verlorengegangen. Wenn Mozart sich über Eleonore Eskeles in ungünstigem Sinne äußert, so hat das nicht in erster Linie damit zu tun, daß es sich tun eine Frau handelte, sondern, daß sie eine Jüdin war - was übrigens genau so schlimm ist. Außerdem hat er - wie schon Alfred Einstein dargelegt hat - einfach den damals kursierenden Berichten nachgeplappert. Mozarts Verhältnis zur Frau läßt sich auf dreierlei Weise belegen: 1. seine Briefe in bezug auf die Heirat; 2. seine Beziehung zu Interpretinnen; 3. die Behandlung der Frauenrollen in den Opern. Zu 1: Am 7. Februar 1778 schreibt Mozart dem Vater, nachdem er die „Geldheirat" des Herrn Von Schiedenhofen kritisiert hat: „so möchte ich nicht heyrathen; ich will meine frau glücklich machen, und nicht mein glück durch sie machen." Am 25. Juli 1781, auch in einem Brief an den Vater, heißt es: „wenn ich mein lebetag nicht aufs heyrathen gedacht habe, so ist es gewis itzt!" Er wollte sich offenbar wehren gegen das Geschwätz der Leute, die annahmen, wenn er schon bei der Familie Weber wohnte, würde er wohl eine der Töchter heiraten. Aber am 15. Dezember desselben Jahres heißt es: „ich der von Jugend auf niemalen gewohnt war auf meine sachen, was Wäsche, kleidung etc. anbelangt, acht zu haben - kann mir nichts nöthigeres denken als eine frau." Diese Formulierung mag uns heute haarsträubend vorkommen - sie entspricht vermutlich damals allgemein üblichen Auffassungen. Außerdem wollte Mozart, wie Silke Leopold zu Recht bemerkte, den Vater überzeugen, daß es jetzt dringend notwendig war, zu heiraten. Zu 2: Das fangt an mit der Beziehung zur Schwester, die er hochgeschätzt haben muß (er schickt ihr aus Wien das Rondo in D [KV 382] mit der Bemerkimg, niemand als sie dürfe es ihm nachspielen) und deren kompositorischen Versuche er durchaus ernst genommen hat. Die weiteren von ihm geschätzten Künstlerinnen sind gewiß nicht ausschließlich Sopranistinnen; ich erinnere an Barbara Ployer, Josepha von Auernhammer, Maria Theresia Paradis, Regina Strinasacchi. Und Aloysia Weber war nicht nur als Sängerin, sondern auch als Klavierspielerin begabt
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Zu 3: Es hieße, offene Türen einzurennen, wenn ich hier erwähnen würde, mit wieviel Liebe und Einfühlung Mozart die weiblichen Rollen in seinen Opern musikalisch gestaltet hat. Ein Faktum scheint mir aber besonders wichtig. In der Oper Die Zauberflöte, deren maurerische Grundlage wohl allgemein bekannt sein dürfte, werden Tamino und Pamina gemeinsam eingeweiht, was nicht in Übereinstimmung mit den damaligen Regeln des Freimaurertums ist und wohl die persönliche Auffassung Schikaneders und Mozarts widerspiegelt. Außerdem ist die Art, wie die Stelle „ein Weib, das Nacht und Tod nicht scheut" vom Orchester unterstützt wird, für Mozart höchst ungewöhnlich, wenn nicht gar einmalig: sieben Akkorde, jeder mit einem Sforzato versehen. Coda. Wie zu Anfang bemerkt wurde, eine „Bewegung" im modernen Sinne gab es in dieser Zeit nicht. Trotzdem scheint sich etwas zu ändern, wenigstens im Bereiche der Musik. Am 7. Dezember 1785, anderthalb Jahre nachdem Wolfgang mit Regina Strinasacchi Bekanntschaft gemacht und mit ihr öffentlich musiziert hat, schreibt Leopold anläßlich ihres Auftretens in Salzburg: „ihr Adagio kann kein Mensch mit mehr Empfindung und rührender spielen als sie; ihr ganzes Herz und Seele ist bey der Melodie, die sie vorträgt; und eben so schön ist ihr Ton, und auch kraft des Tones, überhaupt finde, daß ein Frauenzimmer, die Talent hat, mehr mit ausdruck spielt, als ein Mannsperson." Und im Februar 1822, eine Generation nach Mozarts Tod, heißt es in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung": „Unsere modernen Schönen wollen sich von keinem Theile der ausübenden Kunst ausgeschlossen wissen. Es ist nun wohl der Fagott und die Posaune allein noch übrig, auf welchem sie ihren Kunstsinn noch nicht öffentlich erwiesen haben." Allerdings wird es sich da wohl kaum um eine berufliche Tätigkeit der Frauen gehandelt haben - es gibt ja auch heute noch Sinfonieorchester, zu denen Musikerinnen keinen Zugang haben. Trotz der Leistungen einiger bedeutender Frauen, wie die schon erwähnte Isabelle de Charrière, wie Germaine de Staël, Karoline von Günderrode, Mary Wollstonecraft und andere, waren doch die schreibenden Personen in der Hauptsache Männer. Man sollte einmal systematisch zusammentragen, wie die schreibenden Männer sich über Frauen geäußert haben. Mir fällt da ein Satz aus dem Brief von Matthias Claudius an den Sohn Johannes ein, der mich immer ganz eigentümlich berührt hat: „Tue keinem Mädchen Leides und denke, daß Deine Mutter auch ein Mädchen gewesen ist."
Guy Haarscher
Liberalism, Justice and the Great Declarations of Rights in the XVIIIth Century
Leo Strauss has clearly distinguished between what he calls classical natural right and modern natural right. The first one is ideal-regarding and holistic: it refers the ideal city-state to an objective order (kosmos), a transcendent hierarchy of virtues. The rulers are the virtuous, and their aim is to foster and improve virtue in the polis. Modern natural right, on the contrary, is want-regarding and individualist: it takes peoples as they commonly are, and tries to build the artificial edifice of the State on the enlightened self-interest of men. Classical justice is thus related to an objective set of places, a harmony "in itself. When this harmony is disrupted, hubris has appeared, and, in Greek tragedy, fate re-establishes the cosmic order by punishing the trespasser and his descendente. Measure is the standard: individuals have to be adequate to the Order by accomplishing the functions they are fit for. The hierarchy of virtues defines the pyramid of power. On the other hand, modern justice is related to man as-he-is: virtue is no more the criterion of the right political organization, but now the standard is simply man as a member of the human species. People have natural rights which precede any institutional authority; these prerogatives are not at all related—at least in principle—to the individual's "performances"; they belong to man as such. A just social arrangement is therefore an order which guarantees for any individual the basic rights in the most efficient way. It is fundamentally unjust for an individual to be deprived of these rights, whatever the context, the possible situation of emergency, the so-called superior interests of religion, nation, Party, etc. Now this broad idea of justice may be called liberal in a definite sense: it is related to the concept (be it a simple hypothesis) of a state of nature, composed of Individuals free and equal, having no natural authority upon each other and entering society, accepting to obey the power, just because this is supposed to be a more efficient way to guarantee their basic rights. Liberty is to be limited only for the sake of liberty: this is the very basis of modern liberalism, in its purest form. Now Strauss has denied that liberalism would be a strictly modern notion, as opposed to classical holism (including the Rousseauist "Liberté des Anciens" criticized by Benjamin Constant as being indifferent to the private rights of all individuals). He has elaborated the notion oí ancient liberalism: "True liberals today have no more pressing duty than to counteract the perverted liberalism which contends 'that just to live, securely and happily, and protected but otherwise unregulated, is man's simple but supreme goal' . . . and which forgets quality, excellence, or virtue"1
1 Cf. Leo STRAUSS, The liberalism of classical political philosophy, in: Liberalism ancient and modern, New York/London, Basic Books, 1968, p. 64.
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So how can Strauss call classical political philosophy "liberal"? In the sense that, for Plato and Aristotle, virtue transcends the order of the city-state, the telos of which is to create and improve excellence in the citizens. Strauss calls liberal any conception which considers that the individual has a more fundamental status than the collective whole. If the latter prevails, then it is the domination of positive law, of relativism, of historicism. But the individual which transcends the collectivity is not any individual with his "wants" (want-regarding theory): it is the virtuous, the excellent individual. One can say in a summarized form: the virtuous individual is more fundamental than the collectivity and than the ordinary, non-virtuous individual. It is therefore just that the virtuous rule, and that the non-virtuous has no political rights. It is just, because it corresponds to the teleological order of the kosmos. Classical city-states have often been called holistic, as we have seen. But this is a misleading characterization: holism means that the order of the whole prevails over the individual's want. This is undoubtedly the fact in Plato and Aristotle. But if this whole (the positive order of the city-state) is itself subordinated to the telos of virtue, and if virtue is attainable by individual reason (and not authority), then in one sense there is a primacy of the ideal individual over the requirements of the positive order. This is what Strauss calls classical liberalism. Let us notice first that this "liberalism" would seem pretty odd—Strauss is of course aware of the provocative character of his thesis—to modern eyes. Indeed, the virtuous individual transcends the positive collective order, ethics is prior to politics. But at the same time, virtue is the Standard of the political order: non-virtuous people have no rights, except that, for prudential reasons, the old Plato and Aristotle have elaborated a less radical theory, allowing for some forms of consent by the "many" (the non-virtuous). So if common individuals have some rights, it is due to a sort of compromise with human frailty, and it is of course not a matter of categorical imperative. Secondly, the primacy of virtue (aristocracy) is completely at odds with our modern concept of a secularized State: for modern liberals, the State is a sort of referee, which acts in a value-free way towards individuals, provided they abide by some basic "rules of the game". Spiritual orientations, opinions, ways of life are private: the State has only to make this diverse attitudes towards life compatible, without of course taking sides in favour of one or another of them. Now if the State is to be dominated by a virtuous ruler who would have to foster excellence in society, it is obviously no more value-free. On the contrary, it has to favor a certain orientation (virtue) and to struggle against others (simple wants). So even if the margins of tolerance may vary, it is as a matter fo principle clear that the intervention of the State into the private sphere is a priori allowed, if not required. Now things become more problematic if we take into account the fact that contemporary Western States are no more strictly "referee-States". The second generation of human rights—that is, social and economic rights—has transformed the very idea of rights and liberties. Instead of having "liberties-from", as in the first generation (negative liberties, against the potentially tyrannical intervention of the State), we have now "liberties-to" (positive liberties, asking the State to perform some tasks). So the Welfare State is no more strictly value-free: it intervenes in order to establish fair rules of the game, that is a real equality of opportunities. It becomes an actor in society. This does not of course mean that the referee has now disappeared, that is,
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that the State has simply become an actor in society. The rule of law, the arbitration of the State are still present and effective; but there is a sort of tension between both generations of human rights, which require two different forms of State (minimal and Welfare State). Now the problem is that, for Strauss and his so-called "classical liberalism", things are surely getting worse with the intervening State: it acts in favour of the basic wants; it accomplishes the function which was not given to the refereeState: this was understood to be an instrument of the individual's wants; now it appeared, during the XlXth century, that arbitration was not enough to secure these wants, and that the State itself had to struggle in society against inequalities which made first generation basic rights simple words without content for the worst-off. It is always possible to criticize the Welfare State from different points of view. For the classical Straussian "liberal", it is dependent on the trend which was already present in the first generation: it is totally subordinated to the wants, and alien to virtueformation. Now the basic idea of justice underpinning the Welfare State is not exactly the same as the one embedded in the minimal State: whereas the latter was related to the principles "to everybody according to his merits" or "to everybody the same thing", the former is based on the principle "to everybody according to his needs". But whatever the criterion of distribution, it remains true that the very aim of the State is to secure the necessary conditions of surviving, which of course has nothing to do with the good life, that is the way people, being able to survive, will choose their orientations of life. Roughly speaking, the first generation guarantees for the individual a basic protection against arbitrary rule and human violence, whereas the second one guarantees a protection against natural or social threats (illness, poor family environment, ageing, etc.). In all cases, the State tries to guarantee the basic wants, and not to foster a certain (virtuous) idea of the good life. Now this is a very important problem related to the metaphysical foundations of modernity. Let us use, for our present purpose, Max Weber's concept of the "disenchantment of the world". Traditional ways of legitimization of power and rule are called by him "the authority of the eternal yesterday": there is a tradition rooted in a more or less sacred nature. Such a tradition is not at all an object of discussion (logon didonaï—to give reasons for such or such statement): it is accepted as coming from above, and as not being changeable by simple human means. Now this tradition is not just threatened and challenged by direct attack, for instance when people directly criticize its dogmatism and ask for individual liberty, free speech, free orientations of life. It is also, in a more devious and "cunning" way, endangererd by the emergence of some particular autonomous spheres of life, governed by some "human, all too human" interests: commerce, natural science and techniques, etc. In each of these spheres, positions of authority are conferred according to competence, that is rationally: if someone has to be obeyed in such a (still limited) context, it is no more because he has a privileged access to the very core of the Tradition, but because he is the best "cog" in the mechanism, the one who is supposed to perform the required tasks in the most efficient way. Now such a rational authority is, as anyone can see, only instrumental: it is rational to have these trained and competent people here to do the required job, but—required by what? By commerce, technique, and so on. These activities ordinarily emerge in the general context of traditional authority, without, as it were, attacking it in its very core: they are not concerned with the
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ultimate aims and ends of man (they leave this, in a more or less sincere way, to religion and the "eternal yesterday"). But nevertheless, these "patches" of rational authority in the general ensemble of traditional legitimacy are not stable: they create a sort of mentality, people being progressively prone to asking for reasons, competence, rational justifications in any domain of life. Finally, this process makes the traditional ideas of ethics, politics and law crumble. Now this is not necessarily a strictly negative, dissolving process: if reason disenchants the world by deconstructing the edifice of traditional, dogmatic, naively accepted autority, it is not to create a void, but to build a rational edifice, to find again the right order of reason (classical natural right in Straussian terms). There is a substantial reason: such is the presupposition (and the hope) of classical metaphysics. Authority is not destroyed by substituting chaos for order, but on the contrary by substituting the authentic order of reason for the false positive order of dogmatic "superstition". Take the American Declaration of Independence (1776) or the French Déclaration des droits de l'homme et du citoyen (1789): they presuppose that reason will rule in the future if societies are created on the basis of "self-evident'' truths; universal human rights are these truths, which any individual in good faith, using his reason, should recognize. And as if this were not enough, it is also stated that God has endowed his creatures with these rights: an ultimate remnant of traditional legitimacy underpins the new rational order. But maybe this is only a transitional and "explosive" mixture of two rather antagonist ways of legitimizing power. As a matter of fact, in approximately the same period, Hume wrote the famous following sentences in A treatise of human nature: "It is not against reason that I would prefer the destruction of the whole world to the scratching of my finger"2 This is the radical condemnation of any idea of substantial reason. Let us consider the most pessimistic position: Hume would be right. This is not to say that Hume himself was pessimistic: he believed in tradition and habit, so he had no difficulties in being a Uberai, simply substituting the traditional English liberties for the rational universal natural rights. But such a position (which will be called "decisionist" in the Twentieth Century) was no more tenable in the time of Weber: then not only traditional liberties seemed to be progressively swallowed by the Welfare State, by the "bureaucratic-administrative society"3, but new, secifically modern, forms of authoritarian States would have appeared, basically nationalist and marxist ones. Then, it would no more be possible to believe in the victory of the tradition of liberties, of the rule of law and the referee-State simply because of the "habits" of people: new customs, ways of life, forms of State would have been born and become effecitve, even dominant. Now if Hume is epistemologically and ontologically right and if we take account of the situation of the first half of the Twentieth Century, pessimism is understandable: democracy and the rule of law—shortly: liberalism—were threatened, and 2 David H U M E , A treatise of human nature, London, Fontana-Collins, 1972, Book II, p. 157. 3 E. KAMENKA et Α. TAY, "Social traditions, legal traditions" and "Transforming the law, "steering" society", in E. KAMENKA (ed.), Law and Social Control (Series "Ideas and Ideologies"), London, Arnold, 1980, pp. 3-26 and 105-116.
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many intellectuals thought that liberty would not be able to survive against fascism and stalinism. Weber did only experience the beginnings of such a dark period (he died in 1920), but obviously the situation was already significantly worse for him than for Hume. So let us summarize the argument. Modern liberal justice is related to the idea of a value-free referee-State. Its attitude towards individuals is want-regarding (it does not hierarchize desires and aspirations) as long as people abide by what could be called the "laws of surviving" (human rights, that is basic rules of the social game). Now the idea of a value-free State is not itself value-free: it embodies the choice for a certain type of political organization, the preference for want-regarding liberty. This State was explicitly considered an artifical one: it was built in order to secure preceding, ontologically more important natural rights. But then, the burden of the argument rests on this idea of natural rights: they were considered to be "self-evident", that is related to substantial reason, itself as it were supported by the transcendence of a monotheistic God (the God of the Uberai protestants, the deists, etc.). Now if Hume is right, there are no selfevident rational norms, and thus no rational natural rights at all. And if we take into consideration the continuing disenchantment of the world in the contemporary era, then the God of the Founding Fathers or of the French deists will inevitably appear as a remnant of the "eternal yesterday", to be inevitably reduced to a myth, just like all the other once intangible traditional norms and representations. But then the situation is clarified: the State-referee was to guarantee the respect of the rules of the game for individuals being allowed to look for the "good life" (the meaning of existence) in whatever way they wanted, provided they abided by these rules. The idea of a value-free State could be deduced from rational natural right, and therefore escape the fate of the other norms. The "good life" had become a private, existential, subjective, relativist, decisionist concept. But the State guaranteeing the compatibility of these "decision" was considered to be rational, or rather rationally deduced from selfevident truths. Justice was objective and public, the good life was subjective and private. Now the very idea of liberal justice was considered to be also subjective and decisionist: against other possible forms of basic political choices, for instance in favour of nationalism, or dictatorship of the proletariat. Justice had also become decisionist, once the rational-divine natural rights had been deconstructed. And, from a strictly Machiavellian or „Realpolitik" point of view, the victory of liberalism seemed less than probable. We know that, after the Second World War, fascism was defeated, at least in Europe. And, since 1985, when Gorbatchev came to power in the Soviet Union, the Marxist-Leninist conception of justice and the State seems to be abandoned (but let's be cautious: history is unpredictable). Now nothing is guaranteed, and everybody knows what the possible backlashes (on the Tien-An-Men model) are. But if, as a working hypothesis, we provisionally accept Hume's, Weber's and existentialist's metaphysical pessimism, we can see that, from a strictly Machiavellian point of view, the state of liberal justice is quite better today, as if liberalism could win on the Realpolitik level. Is this true, is it another illusion? We never know, but here is a fascinating task for an intelligentzia otherwise prone to disillusionment: thinking the present.
Brigitte Schnegg von Rütte
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Die geschlechtsspezifische Segmentierung der bürgerlichen Öffentlichkeit Die Aufklärung war - wie unter vielen anderen die Forschungen von Jürgen Habermas, Ulrich Im Hof und Daniel Roche gezeigt haben - sozial in jener vielfaltigen Geselligkeits- und Kommunikationskultur verankert, die sich seit dem 17. Jahrhundert in England und Frankreich und im 18. Jahrhundert auch im übrigen Europa entwikkelt hatte. Die Salons, Sozietäten und Gesellschaften, die Clubs und Kaffeehäuser, die Logen und Geheimgesellschaften waren Träger und Kristallisationspunkte einer zunächst literarischen und später zunehmend auch politischen Öffentlichkeit. Dabei bildete das gesellschaftliche Leben der Aristokratie und des neuen, wohlhabenden Bürgertums im Umkreis der barocken Höfe und in den europäischen Metropolen das kulturelle Milieu, in dem sich der intellektuelle Diskurs der Aufklärung entfaltete. Zugleich und in zunehmendem Maße schufen sich die Akteure dieses Diskurses in der Sozietätenbewegung auch selbst die informellen und formellen Institutionen, in denen sie sich als Gebildete zum gemeinsamen Räsonnement versammeln konnten. Nun unterscheiden sich die verschiedenen Formen aufklärerischer Geselligkeit nicht nur in bezug auf ihre Organisationsstrukturen, auf ihre Anliegen und Ziele, nicht nur hinsichtlich ihrer sozialen Basis und ihrer gesellschaftlichen Verortung, sondern auch in bezug auf ihre geschlechtsspezifische Zusammensetzung. Während auf der einen Seite der Salon, noch wesentlich in der aristokratischen Kultur verwurzelt, als Prototyp einer um Frauen zentrierten Geselligkeit gelten kann, stehen auf der anderen Seite die bürgerlich-republikanischen Formen von Öffentlichkeit, zu denen die Frauen in der Regel keinen Zugang hatten. Ich möchte im folgenden einige Überlegungen zu den Grenzverschiebungen innerhalb des öffentlichen Raumes anstellen, welche im Verlaufe des 18. Jahrhunderts den Zugang der Geschlechter zu den gesellschaftlichen Sphären neu regelten und so zu einer neuen „Ordnung der Geschlechter" (Honegger 1991) führten. Dabei gehe ich zunächst von den Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens in der Republik Bern aus, um danach einen Blick auf die Auseinandersetzungen um die gesellschaftliche Rolle der Frauen im Diskurs der Aufklärer zu werfen und die Fragestellung über den schweizerischen Rahmen hinaus auszuweiten. „Im Jahre 1693 hatte ein Berner Vinzenz Stürler, Brigadier in holländischen Diensten, eine vornehme Holländerin Namens Marguerite de Talion von Heilenegg, deren Mutter eine Französin Namens de la Nore war, geheirathet und bald darauf nach Bern gebracht. Da derselben die damalige bernische Lebensart bald zu altväterisch und langweilig vorkam, so suchte sie unter ihren neuen Verwandten und Bekannten Personen beiderlei Geschlechts . . . zusammen, welche nach dem bei ihr und in Frankreich gewohnten gesellschaftlichen Ton, eine reguläre Abendgesellschaft zu bilden geneigt wären" (Wagner 1916, 241 ff.). So begann im Rückblick des greisen Berner Patriziers Sigmund von Wagner „das goldene Zeitalter Berns".
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Sowohl der Vorgang wie dessen Darstellung durch Sigmund von Wagner sind bemerkenswert: Die Stadtrepublik Bern erlebte im Übergang zum 18. Jahrhundert eine Umwälzung ihrer gesellschaftlichen Sitten. Ausgelöst wurde diese Revolution des Lebensstils angeblich durch eine Ausländerin, eine Holländerin mit französischer Kultur, die durch ihr Beispiel die Berner veranlaßte, sich von ihrem alten, frugalen Leben abzuwenden und eine neue, verfeinerte Lebensart zu übernehmen. Es wurden nun nicht nur die alten eichenen Stühle und Bänke durch „gepolsterte Sophas und Kanapees, Fauteuils und Sessel" ersetzt, sondern man begann, neue Formen der Geselligkeit zu pflegen. An die Stelle der alten Zusammenkünfte der Männer in den Zunftstuben und Schützenhäusern traten seit Beginn des 18. Jahrhunderts die Soireen und Sozietäten in den patrizischen Häusern, wo sich Männer und Frauen zu Musik und Tanz, zu Gesprächen, Kartenspiel und allerlei Lustbarkeiten einfanden. Dieser Prozeß der Verfeinerung des gesellschaftlichen Lebens nahm in den folgenden Jahrzehnten - so berichtet Wagner - seinen Fortgang und erreichte Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre seinen Höhepunkt, als sich auch in Bern - im Umkreis der Salonnière und Femme de Lettre Julie Bondeli - reformfreudige Patrizier und bürgerliche Intellektuelle in aufgeklärten Zirkeln zusammenschlossen: „Durch die Einführung einer gebildeten gesellschaftlichen Lebensart und eines feinen Tones beim Umgange war jetzt der moralische Boden in Bern sehr gut vorbereitet, um auch den Samen edlerer geistiger Kultur, Liebe zu den schönen Künsten und Wissenschaften aufzunehmen, ja selbst gründliche Kenntnisse und gediegene Gelehrsamkeit bei uns gedeihen zu machen; wie denn die beiden bald die schönsten Blumen aufblühten und sich lieblich entfalteten und auch die köstlichsten Früchte wuchsen und rèif wurden, sowohl im Blumengarten des schönen als im Saat[-] und Früchtefeld des männlichen Geschlechts. Da wir nun bisher in der Ausbildung der Berner den Vorrang immer dem Ersteren zugetheilt haben, so möge auch hier dasselbe die goldenen Pforten des Musen- und Minerventempels zuerst eröfnen und uns ins Edelste, was die Menschen zieren kann, zur Ausbildung des Geistes durch Wissenschaft und Geschmak einführen." (Wagner 1916,261) Diese Neuerungen des bernischen Lebensstils manifestieren zunächst einen Wandel des soziokulturellen Habitus des bernischen Patriziats, das sich spätestens seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als quasi-geburtsständische Herrschaftsschicht etabliert hatte und seit Beginn des 18. Jahrhunderts immer aufwendigere Formen der Selbstdarstellung entwickelte. Dazu gehörten die Übernahme von Elementen eines barock-höfischen und aristokratischen Lebensstils nach französischem Vorbild und die Inszenierung eines entsprechenden geselligen Lebens. (Diese sehr weitgehende Orientierung an französischer Lebensart und Kultur zeichnete das bernische Patriziat gegenüber den Magistratsständen der anderen Schweizer Orte aus.) Die neuen Verkehrsformen dienten der Repräsentation ständischer Positionen. Gleichzeitig aber gehörten die Salons der patrizischen Häuser zu jenen sozialen Räumen, in denen sich das kulturelle Leben des Ancien régime und der intellektuelle Diskurs der Aufklärung entfalteten. Hier konstituierte sich jene neue Öffentlichkeit, welche die ständische Ordnung schließlich sprengen sollte. In Wagners Schilderung wird indessen ein weiterer Aspekt dieses Wandels der Sozialformen sichtbar: Der Übergang vom alten zum neuen Lebensstil ist in hohem Maße geschlechtsspezifisch konnotiert. Im 17. Jahrhundert spielte sich in Bern das
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gesellschaftliche Leben - eng verknüpft mit der traditionellen republikanischen Herrschaftsausübung - noch als rein männliche Geselligkeit ab. Im 18. Jahrhundert nun verlagerte es sich räumlich in die repräsentativen Salons der herrschaftlichen Häuser, in deren Mittelpunkt die Dame des Hauses als Gastgeberin stand, und zugleich wandelte es sich durch die Anwesenheit der Frauen in seiner personellen Zusammensetzung. Damit hatten sich die gesellschaftlichen Verkehrsformen strukturell in drei Punkten verändert: 1. Die neue Soziabilität emanzipierte sich aus der unmittelbaren Nähe zum staatlich-politischen Bereich und verlagerte sich in die sich formierende gesellschaftliche Sphäre, in die Société Civile. 2. Der enge Zusammenhang zu den alten republikanischen Institutionen löste sich auf und wurde durch aristokratisch-höfische Sozialformen ersetzt. 3. Gegenüber den alten Strukturen hatte sich die neue Geselligkeit grundlegend verweiblicht: Die Frauen waren nicht nur zahlreich und in bedeutenden Funktionen anwesend, sondern es dominierte überdies eine weiblich konnotierte Kultur: Tee und Kaffee statt Wein, weiche Sofas statt Eichenbänke, Galanterie statt Kannengießereien, innerhäusliche Räume statt Zunft- und Schützenhäuser. Dazu kommt, daß diese Strukturveränderungen - im vorliegenden Fall - auch durch Frauen initiiert worden waren. Diese Vorstellung über den Zusammenhang zwischen der Verfeinerung des gesellschaftlichen Lebens und der öffentlichen Präsenz der Frauen beziehungsweise ihrem Einfluß war im 18. Jahrhundert weit verbreitet. Sie taucht toposartig in den vielen gesellschaftlichen Entwicklungstheorien auf, und es herrscht breite Übereinstimmimg darüber, daß sich die Position der Frauen verbesserte, je höher die Zivilisationsstufe einer Gesellschaft war (Tomaselli 1985). Während man in der Regel von der Annahme ausging, daß primitive Gesellschaften durch gewaltdominierte soziale Beziehungen und besonders durch eine brutale Unterjochung der Frauen charakterisiert seien, galten verfeinerte Sitten und der Zugang der Frauen zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit als eigentliche Kennmarken von Zivilisation. Der Schotte John Miliar beschreibt in seiner Untersuchimg über „The Origin of the Distinction of Ranks" (erstmals 1771 veröffentlicht) die diversen Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung und die entsprechende Stellung der Frauen. Die Lebensweise in den am höchsten entwickelten Nationen schildert er folgendermaßen: „Man lebt frei von eigentlich beschwerlicher Arbeit, hat gleichsam alles und mehr als man unbedingt braucht und will nun auch seine Genüsse verfeinern. . . . Frauen guten Standes genießen nun allgemein Bewunderimg; . . . Man sieht es jetzt gerne, wenn sie die Zurückgezogenheit, die bisher ganz natürlich ihrem guten Ruf angemessen schien, aufgeben, wenn sie ihren Bekanntenkreis erweitern, an allgemeiner Geselligkeit teilnehmen und auch an öffentlichen Vergnügungsstätten zugegen sind. Spindel und Spinnrocken legen sie beiseite und zeigen statt dessen die gefalligeren Lebensäußerungen, wie es der herrschende Ton verlangt. Mehr und mehr ins gesellschaftliche Leben einbezogen, bilden sie auch zusehends jene Talente an sich aus, die alle Welt schätzt..." (Miliar, 121 f.) Dieses Bild einer hochentwickelten Gesellschaft ist kein spekulativer Entwurf Millars. Es gibt vielmehr die Vorstellungen wieder, die man sich vom gesellschaftlichen Leben in Frankreich, insbesondere in Paris, machte, dort also, wo nach Ansicht des Jahrhunderts die Kultur am weitesten fortgeschritten war. In den Beschreibungen
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der eleganten Gesellschaft der französischen Metropole finden wir, beispielsweise in den von Rousseau sehr geschätzten „Lettres sur les Anglois et les François" des Berners Beat Ludwig von Muralt, genau jene Elemente, die nach Miliar eine hochzivilisierte Nation auszeichnen: eine bessere Gesellschaft, die, freigestellt von materieller Arbeit, einen raffinierten Lebensstil pflegt, wo Männer und Frauen einen häufigen, ungezwungenen und galanten Umgang miteinander haben: «Le Beau-monde» so schreibt von Muralt bereits 1725 über die bessere Pariser Gesellschaft, «se fait valoir et s'éloigne de la foule, non-seulement par le Rang que les personnes qui le composent peuvent avoir naturellement, mais aussi par celui que ce train de vie distingué lui donne; par la Dépense qu'on y fait, et qui ne doit être trop calculée; par le Plaisir qu'on se procure de jour à l'autre, et dont on jouît plus délicatement que la foule. Mais, surtout, le train de vie du Beau-monde se soutient par le Mélange d'Hommes et de Femmes, qui en est comme le fondement et le lien. C'est ce qui donne Heu au Sçavoir-vivre, et à la Galanterie Françoise de s'étaler. C'est par-là que l'Inclination que les deux Sexes se portent naturellement, est réveillée et mise en œuvre. Par là les avantages de chaque Sexe paroissent avec éclat; l'envie de plaire les anime de part et d'autre, et c'est où la Liberté Françoise est en sa place et fait merveilles» (von Murait, 228 f.). Die Durchmischung der Geschlechter erscheint also geradezu als Grundlage der spezifischen Kultur der gehobenen Gesellschaft, als ein zentrales Distinktionsmerkmal, mit dem sie sich nach unten abgrenzt. Nun war allerdings die Haltung der Gesellschaftstheoretiker des 18. Jahrhunderts dieser Form der geschiechtergemischten Geselligkeit gegenüber äußerst ambivalent. Von Muralt scheint vom Charme und von der Eleganz des französischen Stils zwar durchaus beeindruckt gewesen zu sein, insgesamt aber überwiegt bei ihm das Unbehagen gegenüber der „extrême Liberté que les Femmes ont en France" und dem „commerce fréquent et Ubre entre les deux Sexes" (255), von denen er annimmt, daß sie dem Laster Vorschub leisteten: «. . . disons, qu'il y a peut-être cent fois plus de corruption, plus de P**nisme [sic], en France, parmi le Beau-monde, qu'il ne s'en trouve dans d'autres Païs, où les Femmes n'ont pas la liberté de voir les Hommes;...» (257 f.). Die Kritik an den galanten Umgangsformen zwischen den Geschlechtern und insbesondere an der starken weiblichen Präsenz in der Öffentlichkeit entwickelte sich zu einem zentralen Argument in den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts, wobei sich zwei Stoßrichtungen überlagerten: die ständische Konfrontation mit einer höfischen beziehungsweise Urbanen aristokratischen Lebensweise auf der einen Seite und die „Querelle des Femmes", der Streit um Rolle und Status der Frauen in der Gesellschaft auf der anderen Seite. Aus dieser Perspektive, die antiaristokratische mit antifeministischer Kritik verband, wurden die Verweiblichung der Gesellschaft als Verweichlichung, der verfeinerte Lebensstil als Hang zu Luxus und zu Verschwendung und weiblicher Einfluß als Intrige disqualifiziert. Prominentester und einflußreichster Vertreter dieser Position war zweifellos Jean-Jacques Rousseau. Die Ablehnung einer freien Durchmischung der Geschlechter in der Öffentlichkeit ist ein fundamentaler Punkt seiner Zivilisationskritik. Er sieht darin eine wesentliche Ursache für die Dekadenz der französischen Gesellschaft des Ancien régime. Der Salon, als Prototyp einer in der aristokratischen Kultur verwurzelten und um Frauen zentrierten Geselligkeit, war von dieser Kritik zentral
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betroffen. Er wurde zunehmend verdächtig: als Ort des Weiberregiments, als Milieu aristokratischer Libertinage, als effeminierte und effeminierende Form der Geselligkeit. Der Verlust der Moral und der Männlichkeit sei die Folge der Durchmischving der Geschlechter im öffentlichen Raum, so Rousseau in seiner Auseinandersetzung mit d'Alembert über das kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Republik Genf: «.. . elles [die Frauen] n'y perdent que leurs mœurs, et nous y perdons à la fois nos Moeurs et notre constitution: car ce sexe plus faible, hors d'état de prendre la sienne trop molle pour nous; et ne voulant plus souffrir de séparation, faute de pouvoir se rendre hommes, les femmes nous rendent femmes.» Und weiter unten: «Imaginez quelle peut être la trempe de l'âme d'un homme uniquement occupé de l'importante affaire d'amuser les femmes, et qui passe sa vie entière à faire pour elles, ce qu'elles devraient faire pour nous . . . Livrés à ces puériles habitudes à quoi pourrions nous jamais nous élever de grand?» (Lettre à d'Alembert, 266,269) Dieser amoralischen und effeminierten Gesellschaft stellt Rousseau das Gegenmodell einer geschlechtersegregierten Soziabilität nach dem Vorbild der Genfer „cercles" gegenüber: «Nos cercles conservent encore parmi nous quelque image des mœurs antiques. Les hommes entre eux, dispensés de rabaisser leurs idées à la portée des femmes et d'habiller galamment la raison, peuvent se livrer à des discours graves et sérieux sans crainte du ridicule. On ose parler de patrie et de vertue sans passer pour rabâcheur, on ose être soi-même sans s'asservir aux maximes d'une caillette. . . . Enfin ces honnêtes et innocentes institutions rassemblent tout ce qui peut contribuer à former dans les mêmes hommes des amis, des citoyens, des soldats, et par conséquent tout ce qui convient le mieux à un peuple libre.» (Lettre à d'Alembert, 271/272). In diesen Männerzirkeln können endlich nicht nur ernsthafte Kommunikation, Tugendhaftigkeit und Vaterlandsliebe entstehen, hier kann das männliche Individuum auch, ohne Zwang zur Verstellung, zu sich selbst finden und, die Rollen des Freundes, des Staatsbürgers und des Soldaten in sich vereinigend, zum bürgerlichen Subjekt werden. Es ist kein Zufall, daß Rousseau dieses Ideal einer virilen Geselligkeit in der Republik Genf verortet. Die republikanische Gesellschaft erscheint im Diskurs der Aufklärer nicht nur in ihrer politischen, sondern insbesondere auch in ihrer sozialen Verfassung vorbildlich, die durch die Strenge und Einfalt ihrer Sitten, durch eine relative Gleichheit der Bürger und schließlich durch die Keuschheit, Tugendhaftigkeit und häusliche Zurückgezogenheit der Frauen geprägt sei. Als idealtypische Verkörperung republikanischer Sittlichkeit und Tugend galten in erster Linie die antiken Republiken, bisweilen aber auch die schweizerischen Alpenrepubliken - allen voran Genf, wo sich republikanische mit calvinistischer Sittenstrenge verbanden. Der Rückbezug auf die alten republikanischen Tugenden, der gerade auch für das keimende helvetische Nationalbewußtsein eine wichtige Rolle spielte, führte dazu, daß das Ideal einer geschlechtersegregierten Gesellschaft in den aufklärerischen Eliten der Schweiz besonders populär war. Die leichtsinnigen, eitlen und putzsüchtigen Frauen, die, den französischen Moden nacheifernd, ihr Hauswesen ökonomisch und moralisch ruinieren, tauchen in moralischen Wochenschriften und pädagogischen Traktaten immer wieder auf und werden alter republikanischer Weiblichkeit, „Frauenzimmern von dem Schrot und Korn früherer Jahrhunderte", gegenübergestellt, bei welchen „Eingezogenheit und haushälterisches Wesen . . . manche andre glänzende Eigenschaft
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aufwäge" (Moralische Schilderung, 741). Der republikanische Diskurs, der die Gesellschafts- und Staatstheorie der Aufklärung insgesamt stark beeinfluBte, erhält durch die Verbindung seiner politischen und gesellschaftlichen Konzepte mit diesem Ideal der Geschlechterbeziehungen eine ganz besondere geschlechtsspezifische Konnotation: er ist, um einen Begriff aus der angelsächsischen Women's History zu übernehmen, „male gendered" (Joan W. Scott, Joan Β. Landes). Das Modell einer männlichen Soziabilität, das Rousseau in der «Lettre à d'Alembert» als Idealform geselliger Kultur darstellt, war indessen längst nicht nur in den „cercles" der Genfer Republikaner verwirklicht, sondern ihm entsprachen weitgehend auch die vielen und immer zahlreicher werdenden Sozietäten, Vereine, Logen und Geheimgesellschaften in ganz Europa, welche die Salons in ihrer Bedeutimg für die Konstituierung der neuen Öffentlichkeit rasch überflügelten; dies, obwohl - wie etwa in Berlin zwischen 1780 und 1806 (Hertz 1991) - die Salons zweifellos zu gewissen Zeiten, an gewissen Orten und für gewisse gesellschaftliche Gruppen auch weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielten. Die Sozietäten- und Vereinskultur unterschied sich in signifikanter Weise von der zunehmend in Mißkredit geratenden Salonkultur. Zunächst hatten Frauen dazu in aller Regel keinen Zugang. Die Gesellschaften und Sozietäten waren - anders als der Salon, wo nicht zuletzt ständische Positionen repräsentiert wurden - in ihrem Selbstverständnis überständisch beziehungsweise ständeübergreifend. Ihre interne Organisation folgte republikanischen Prinzipien. Im Gegensatz zum elitären aristokratischen Lebensstil des Salons zeichneten sich die Gesellschaften und Sozietäten durch einen bürgerlichen, teilweise auch antiaristokratischen Habitus aus. Ferner waren die Gesellschaften, im Unterschied zu den Salons mit ihren informellen Strukturen, in der Regel formalisierter, was am ausgeprägtesten sichtbar wird bei den strengen Ritualen der Geheimgesellschaften. Hatten Salon und private Gesellschaften gegenüber der Politik eine gewisse Distanz bewahrt, so rückten die Sozietäten mit ihrem Diskurs über das öffentliche Wohl, über „patrie" und „vertue" und mit ihren auf praktische Verbesserungen gerichteten Zielsetzungen wiederum an die politische Sphäre heran. Der Bedeutungsverlust des Salons als Ort aufklärerischer Geselligkeit und das Vordringen der bürgerlich-republikanischen Vereinsstrukturen führte zu einer Ausgrenzung der Frauen aus der gesellschaftlichen Sphäre, und zwar sowohl auf der diskursiven wie auf der faktischen Ebene. Wagner beschreibt diesen Prozeß für Bern. Er schildert auf der einen Seite die Entstehimg der Vereinskultur seit den sechziger Jahren, auf der anderen Seite die sich verstärkende Kritik am aufwendigen Lebensstil der besseren Gesellschaft, an den „femmes dissipées und mondaines" (Wagner 1918, 222 f.) und die wachsenden ökonomischen Schwierigkeiten des Patriziats. Dadurch sei „das gesellschaftliche Leben . . . in allen gebildeten Classen in Bern . . . viel eingezogener, häuslicher und bürgerlicher geworden" (Wagner 1919,132). Diese Entwicklung führte, wie Wagner mit offensichtlichem Bedauern feststellt, zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Segregation der Geschlechter: „Ob die Gesellschaftlichkeit durch diese vielen Gesellschaften gewonnen? - ob besonders der Umgang der beiden Geschlechter, durch die nach und nach eingerissene, beinahe gänzliche Trennung im gesellschaftlichen Leben derselben an Liebenswürdigkeit und geistreicher Unterhaltung gewonnen h a b e . . . " (Wagner 1918,233). Die Ausgrenzung der Frauen aus der Öffentlichkeit erreichte ihren Höhepunkt in
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der Französischen Revolution, als im Herbst 1793 - nach einer Phase massenhafter weiblicher Partizipation an den revolutionären Auseinandersetzungen - den Frauen der Zusammenschluß und die öffentliche Präsenz untersagt wurden (Landes 1988). Den sich artikulierenden Frauen aus Adel und Volk wurde - mit Rekurs auf antike römische Vorbilder - das Konzept einer „republikanischen Weiblichkeit" entgegengehalten, dessen Kernstück im Rückzug der Frauen in die Häuslichkeit, ins Private bestand (Darrow 1979). In der bürgerlichen Öffentlichkeit sollte sich diese republikanische Weiblichkeit nur noch als weibliche Wohltätigkeit im Rahmen von Hilfs- und Wohltätigkeitsvereinen manifestieren, wo die Frauen ihre Loyalität zum Vaterland unter Beweis stellen konnten. Allerdings: was hier als Rückkehr zu alten Idealen gepriesen wurde, war in Wirklichkeit nichts anderes als die Durchsetzung des neuen bürgerlichen Geschlechterdualismus, wie er sich im 19. Jahrhundert, spiegelbildlich zu den sich dissozüerenden Sphären von privat und öffentlich, von Familie und Erwerbsleben, etablieren sollte (Hausen 1976).
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Studies
Margret 5/1979,
Marinus A. Wes
Mozart and "The Age of Winckelmann". A Collage
Less than two year after the death of Mozart an anonymous critic wrote in the Musikalische Zeitung (1793,27): Mozart war ein grosses Genie; allein - er hatte eigentlich wenig höhere Cultur, und wenig, oder gar keinen wissenschaftlichen Geschmack. Less than half a year after the death of Beethoven, a German man of letters, Karl Iken, wrote an enthusiastic letter ot Goethe, in which he praised him for his recently published Helena (Gelzer, 1979, 310, 317). In his reply (September 27, 1827), Goethe wrote back that he was not in the least surprised about that enthusiasm: Bei der höheren Kultur der Besseren unseres Vaterlandes konnte ich zwar ein solches beifälliges Ergreifen gar wohl erwarten. The higher culture, which Goethe ascribes to Iken, is, as he makes clear some lines further down in his reply, the result of his (i. e. Iken's) classical education: Dass wir uns bilden ist die Hauptforderung; woher wir uns bilden, wäre gleichgültig, wenn wir uns nicht an falschen Mustern zu verbilden fürchten müssten. Ist es doch eine weitere und reinere Umsicht in und über griechische und römische Literatur, der wir die Befreiimg aus mönchischer Barbarei... verdanken. Mozart did not care about higher culture. Beethoven, only fourteen years his younger, did. A fragment from one of his letters to Breitkopf Härtel: . . . There is hardly any treatise which could be too learned for me. . . . from my childhood I have striven to understand what the better and wiser people of every age were driving at in their works. Shame on an artist who does not consider it his duty to achieve at least as much (Anderson, 1961, No. 228, November 2,1809). Whoever plunges into the literary remains of Beethoven, will soon discover that there is quite a lot of evidence to be found there concerning what is usually called Antikenrezeption. Beethoven knew at least the names of some twenty-four ancient Greek and Boman writers, and he frequently quotes or refers to Hesiod and Euripides, Plato and Aristotle, Cicero and Tacitus, Ovid and Pliny, and even more, Plutarch, and even on his death-bed he had enough Latin at his disposal to be able to quote a line that sounds as a reminder of the common closing line in the old Latin comedy: plaudite, amici, comoedia finita est (appaud, friends, the play is over). Beethoven's most favourite poet, however, was Homer (Boettcher, 1927). There are frequent references to Homer in the conversation books; the diary contains a number of citations; and there are occasional references in the correspondence. On January 23, 1824, he wrote to the Gesellschaft der Musikfreunde that he would like to set
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Homer to music. A draft canon, dating from probably 1825, on a text from the Odyssey occurs in a sketchbook which is now in the British Library. Perhaps the most interesting piece of evidence is Beethoven's marked copy of the first edition, published in 1781, of the Odyssey translation by Johann Heinrich Voss, which is now in the Deutsche Staatsbibliothek in Berlin. In Homer it is, as Walter Pater puts it, as though „there had been no effort in it". That Beethoven was looking for the same quality, we can be sure (Cooper, 1985, 83, 87, 96-99). History is a huge and unorganized mass of data which needs to be brought into some kind of figure or form. The basic question is: which figure or form? The answer to that question has always been dependent on the "observation post" of the historian, the historian as an individual working within the framework of his social and intellectual, or ideological, environment. Every generation of scientists has, as Thomas Kuhn has pointed out, its paradigm, and so has every generation of historians. Five years ago the American historian Martin Bernal, a scholar in Chinese studies and therefore, as he himself admitted, an outsider in the field of classical studies and the study of the classical tradition, opened fire on the classic paradigm that the origins of European culture and civilization are to be found in ancient Greece. Let us start with following Bernal for a while and see where Mozart comes in. Bernal aptly reminded his numerous readers (his book—Black Athena—found an enormous response, though not on the European continent) that we are all too easily inclined to forget that to most Renaissance thinkers Egypt, not Greece, was the place where the cradle of wisdom had stood. "This image of Egypt remained central to the Freemasons, who dominated intellectual life in the 18th century. Egypt maintained a high reputation for its philosophy and science, and above all for its political system, until the break-up of European political and intellectual order in the 1780s and 1790s" (Bernal, 1987, 159). What follows is juxtaposition of remarks derived from Bernal's Black Athena. The enthusiasm for ancient Egypt soared from 1680 to 1780. The best-known novel of the early part of this period, for instance, Fénelon's Télémaque, first published in 1699, does indeed feature a Greek prince—Telemachus the son of Odysseus—as its hero, but it is full of animadversions about the material wealth, great wisdom, philosophy and justice of the Egyptians. These are specifically contrasted with the inferiority of the Greeks (Bernal, 1987, 169 f.). Though he loved Homer and admired Greek simplicity, Fénelon's praise of the vast wealth and cultural superiority of the civilization of the Egypt of Sesostris, compared to that of Homeric Greece, clearly distances him from, for instance, Madame Dacier, the champion of Homer's eternal artistic and moral perfection (Bernal, 1987,179). The middle of the 18th century was a high point of Egyptophilia. True antiquity was Egyptian antiquity. "This is perhaps most aptly illustrated by the work of the Abbé Terrasson. Jean Terrasson was a leading figure in French intellectual life from the 1690s until his death in 1750. As professor of Greek and Latin at the Collège de France, and in key positions in both the Académie Française and the Académie des Inscriptions et Belles Lettres, he dominated the study of ancient history in early 18thcentury France. In 1715 he published a major attack on the Iliad, which had put him clearly on the side of the Moderns in the Quarrel between Ancients and Moderns....
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But he was best known for a novel which first appeared in 1731: Sèthos, histoire ou vie tirée des monuments: anecdotes de l'ancienne Egypte. With a relatively shallow pretence, Terrasson claimed that his work was that of an unknown Alexandrian of the second century A. D. Although a fake the novel incorporated, with references, a mass of material largely from the ancient writers from Herodotus to the Church Fathers His hero, Sethos, is an Egyptian prince born a century before the Trojan War. There were in fact two pharaohs named Sethos in the 13th century B. C . . . . The structure of the novel is fictional and resembles that of Fénelon's Télémaque in that it is concerned with the adventures and education of a noble young prince.... Like Télémaque, Sèthos contained many animadversions on the glories of Egyptian civilization and, even more strongly than the former work, it insisted on the great superiority of Egypt over Greece. Terrasson described the academy at Memphis as far finer than that of Athens, giving details of all the arts and sciences in which the Egyptians excelled the Greeks. Using classical quotations, he demonstrated that the founders of Greek politics, astronomy, engineering and mathematics had all studied in Egypt. Further, he also maintained that there were close parallels between Greek and Egyptian mythology and ritual and that the Greeks had derived their forms from Egypt.... Sèthos immediately became the standard Masonic source of information about Egypt. . . . The book was translated into English and German and was published in numerous editions throughout the 18th century. It became the source of many plays and operas, most of them Masonic, of which the best known is The Magic Flute" (Bernal, 1987,179 f.). There we are. When Mozart wrote The Magic Flute, however, Romantic Hellenism was already a major force: Egypt was replaced by Greece as the fount of European civilization. Greece was rapidly seen as the "childhood" of the "dynamic" "European race". Egypt, by contrast, with its long and stable history, which previously had been a source of admiration, now was depicted as static and sterile. It was bound to lose from the establishment of the new paradigm of "progress", as the notion of European superiority increased with European economic and industrial progress, and expansion into other continents. Ancient Egyptian government was criticized as a form of despotism which had led to decadence (Bernal, 1987,189 f., 196,198 f.). "The greatest champion of Greek youth and purity in the mid-18th century was Johann Joachim Winckelmann. . . . His History of Ancient Art, published in 1764, was the first attempt to integrate the history of art into that of society as a whole. According to Winckelmann, Egyptian art had only reached the primitive stage. . . . It was imperfect because it could not have been otherwise. Its development was blocked by unfortunate natural and social circumstances: in a very early example of modern racial discrimination against ancient Egyptians, Winckelmann followed Aristotle's claim that they were mostly bandy-legged and snubnosed. Thus they had no beautiful artistic models" (Bernal, 1987, 212). "Where Mozart glorified in the priests who possessed Egyptian wisdom and morality (according to the then predominant view that the Egyptians were neither Negro nor essentially African), Winckelmann held a different opinion, as the following quotation illustrates: How can one find even a hint of beauty in their figures, when all or most all of the originals on which they were based had the form of the African? That is they had, like them, pouting lips, receding and small chins, sunken and flattened profiles.
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And not only like the African but also like the Ethiopian, they often had flattened noses and a dark cast of skin. . . . Thus all of the figures painted on the mummies had dark brown faces" (Bernal, 1987,244). "Winckelmann also claimed—in the teeth of Herodotus and other ancient writers who had emphasized their passionate joy and grief—that the Egyptians were pessimistic and unenthusiastic. According to him Egyptian culture had been stunted by its monarchism and conservatism and was the symbol of rigid authority and stagnation (which also happened to be non-European). Greece, by contrast, epitomized freedom, liberty and youth. In his mind, the Greek city-states contained the liberty without which it was impossible to create great art" (Bernal, 1987,213). The effect of Winckelmann's work on Germany was electric. Goethe, himself generally credited as the founder of Romanticism, exuberantly called the eighteenth century The Age of Winckelmann (1805) (Bernal, 1987, 214). Mozart did not belong to that age. Beethoven did. Beethoven did. His intellectual leanings were wholly in line with the neoclassicistic taste of his time and were shared by many educated people of his generation (Solomon, 1988, 235), people who, like Goethe and the anonymous critic of 1793, cared about a kind of higher culture of which Goethe's Helen was clearly the symbol. It's time now to listen to some of the protagonists of the paradigm that has been attacked by Bernal. Priority goes to the late Gilbert Highet, a convinced classicist of the old stamp. Highet on Helen: "The episode of her appearance in Goethe's Faust II has quite a number of complex meanings. Certainly she symbolizes Greece as the home of supreme physical beauty.... But her beauty transcends that of the loveliest mortal girl and is more permanently enthralling. Faust could not leave her as he left Gretchen. She is spiritually desirable, she represents aesthetic experience in its noblest and most complete form—the experience of Greek culture. It is not easy for Faust—the personification of the Germans, and modern man—to make his way to Helen. Greek culture is difficult, it is aristocratic. Few can reach Helen. Faust himself must put on a great state before he can approach her. Even for him she is difficult to attain. She must not be seized as a passive prize: when he grasps her, she vanishes.... She is a stimulus, not a possession. She may be won, but not kept. The child she gives to Faust is too brilliant to live. And when it dies, she disappears for the second and last time, like Eurydice returning to the world of the dead: only her garments remain, to bear Faust upwards like a cloud into regions he could otherwise never have reached" (Highet, 1957, 387 ff.). Goethe's allegorical Helena-episode is the culminating point of a process that had started about 1750. Greek antiquity began to engross the attention of Europeans in the second half of the 18th century. It almost simultaneously assumed major intellectual importance in Germany and in England. In France things took a slightly different course. "The so-called Greek style which began to emerge in Parisian interior decoration in the 1750s was Greek in name only. No attempt was made to copy the form and structure of Greek or even Roman chairs and other pieces of antique furniture already familiar from ancient paintings and sculpture" (Honour, 1977, 26). As far as the Graecomania is concerned, however, the impact of the nowadays rather
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neglected Jean-Jacques Barthélémy should not be underestimated. I'm referring, of course, to his Voyages du jeune Anacharsis en Grèce, published in 1787, near the end of his life. Barthélémy worked on it for thirty years. It is the story of the journey of a young prince from southern Russia through 4th-century Greece. "Fénelon's Télémaque was one of its inspirations. The book had a tremendous success: it came out in more than forty editions in French and was translated into eight languages (even in Dutch). But the reversal it gives to the situation in Greece is fascinating. Where Fénelon's innocent northerner Télémaque came from Greece to sophisticated Egypt, Anacharsis comes from virtuous Scythia to Greece in a period of sophistication" (Bernal, 1987,186). The book helped enormously to deepen the passion for Greece. As Frank Turner eloquently puts it: "already from 1750 on, poets, literary critics, historians of art and travellers looked to ancient Greece as an imaginative landscape on which they might discover artistic patterns, ethical values, and concepts of human nature that could displace those of Christianity and ossified French classicism. The discontinuity between Greece and modern Christian Europe rendered the Greek experience all the more valuable and useful. Greece could represent almost any value or outlook that a writer wished to ascribe to it" (Turner, 1981,2 f.). Admiration for primitive art and society as an element in later 18th-century taste is well-documented and wellknown: Rousseau, the Noble Savage, Homer, the taste for "primitive" poetry (Jenkyns, 1980, 8). Already in 1735, as the late R. R. Bolgar has reminded us, the Aberdeen professor Thomas Blackwell had published a major study in which Homer's world was treated as an example of a primitive culture. Blackwell's book, however, was a work of scholarship, and therefore it had not really undermined "the polite distaste which the crudities of the primitive aroused in eighteenth century minds", a distaste which had made Pope feel that Homer needed rewriting before he could be savoured. "In the next generation this obstacle was removed thanks largely to a successful fake. One of Blackwell's pupils, James Macpherson, produced in 1762 what he claimed to be the translation of a Gaelic epic, and his Ossian' became one of the most popular books of the day. Its diction and content were modelled largely on Homer, but its heroes were, unlike their Homeric counterparts, suitably refined. It was a book in which the age could indulge its taste for the primitive without any qualms. Those however, who believed Ossian to be authentic ended by maintaining that only a young and unsophisticated culture like the Gaelic or the Homeric could produce a really great poem" (Bolgar, 1981, 463), and Goethe even came to the conclusion, as he put it, that "the Iliad teaches us that men in this life are condemned to enact hell" (Gransden, 1981, 71). While the English were led towards Hellenism through "a taste for travel and a sentiment for pilgrimage mingled with a spirit of almost boyish adventurousness" (James Stewart, Nicholas Revett, Robert Wood a. o.), the Germans took a different road. Like the English, "the partisans of Greece in Germany enjoyed speaking of Hellas ('Hellas', not 'Greece') in religious language, but in the manner less of pilgrims than of visionaries" (Jenkyns, 1980, 13). They found their influential high-priest and prophet in Winckelmann. "He became the great theoretician of the classical argument. The magnificent rhetoric of his prose created an idealized Greece—the vision of a land of demigods and heroes which has haunted the European imagination ever since. Firmly convinced of the fundamental mediocrity of Roman art, he was an
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impassioned advocate of the ultimate authority of the art of classical Greece. He taught his age to revere it as the embodiment of the Greek spirit, preaching that the modern artist could learn more by imitating its 'noble simpicity' than by copying nature itself, and that its serenity might still help mankind to lead happier lives" (Fox, 1978, 79). His theory of aesthetics was contained in embryo in his first publication, Thoughts on the Imitation of Greek Works in Painting and Sculpture, 1755. It was this little pamphlet, and not his History ofAncient Art, which exerted such an overwhelming inspirational force on his contemporaries. It was the beginning of the German renaissance, a violent rebellion against the standards and qualities of Baroque and Rococo. "With a superb taste closer to divination than to knowledge, he evoked what to him seemed the essential qualities of classic art" (Highet, 1957, 569). In Greece, so he thought, "man could devote himself to joy and delight from youth up; the bourgeois respectability of to-day never interfered with the freedom of manners, natural beauty could show itself undisguised, to the great advantage of the artists". "Those who know and imitate Greek works find in these masterpieces not only Nature at its best, but something more than Nature, namely certain ideal beauties formed from pictures created only in the mind of the artists." The essay was greeted with delight by the general public. Winckelmann became famous overnight (Trevelyan, 1981,15 f.), the more so since he argued that "the political independence of Greece had helped to nurture artistic excellence and had allowed it to flourish. And the passing of that liberty accounted for the decline of Greek art" (Turner, 1981,41). In the spring of 1768 Winckelmann spent a few weeks in Vienna. He was kindly and politely received by Maria Theresa and by Kaunitz, to whom he handed some letters of Cardinal Albani. The empress honoured him with a present: a few gold medals. Less than a month later Winckelmann was murdered in a hotelroom in Trieste. 1768 is the year of Mozart's second stay in Vienna. Winckelmann and Mozart, their shadows may have crossed, in the corridors of the imperial palace in Vienna, but they never met. Actually, they lived in two worlds. One year later, in 1769, the Prince Elector Karl Theodor completed at Mannheim the formation of his famous collection of casts. "It was an epoch-making event for the knowledge of ancient art in Germany, since until 1769 there was nowhere in Germany where one could get a comprehensive view of ancient art" (Trevelyan, 1981, 5). "Some had travelled all the way to Rome and seen the Laocoon and the Apollo Belvedere with their own eyes, but such fortunate ones were few. And now there was this unique collection at Mannheim, casts of more than twenty of the most famous antique statues, all in fact that were then regarded as of outstanding beauty and importance, commodiously housed, and so lighted and arranged that every statue could be studied to the best advantage. In the last days of October 1769 Goethe made an expedition to Mannheim with the purpose of studying the casts in the Antikensaal. 'Entre bien de jolies choses que j'y ai rencontré', he wrote to his friend E. Th. Langer, 'entre bien de magnifiques qui frappent les yeux, rien n'a pu tant attirer tout mon être que la groupe de Laocoon.... J'en ai été extasié'" (November 30,1769) (Trevelyan, 1981, 37 f.). "Gazing at the Laocoon at Rome, Winckelmann had decided that this contorted tour de force of agonized expressionism proved that the essential qualities of all Greek art were edle Einfalt und stille Grösse, 'noble simplicity and calm grandeur'"
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(Jenkyns, 1980,13), "a half-truth that was to enjoy a tremendous vogue. He held that the Greeks were moved by strong passions, but controlled these and achieved a state of calm; and by what seems to us the oddest of choices, he suggested the Laocoon group as an example of this control" (Bolgar, 1981, 464 f.). "Sein Elend geht uns bis an die Seele, aber wir wünschten, wie dieser grosse Mann [i. e. Laocoon], das Elend ertragen zu können", "we would like to be able to bear anguish in the manner of this great man" (Butler, 1935, 46). The words imply that Winckelmann himself felt anguished and that he did not consider himself as being able to bear his anguish, and the enthusiasm with which these words were greeted by the public suggests that he was not the only one who felt anguished. "It was a commonplace of the age that modern man was diseased, living in an artificial civilization. The 'nature worship' of the late 18th century merely emphasized the alienation of man from his environment" (Gransden, 1981, 83). In 1773 the French painter Hubert Robert had his version of the discovery of the Laocoon group—a discovery, which took place in 1506. Picture this: "in a vast interior composed of a succession of lofty barrel-vaulted corridors, small figures cluster around the marble Laocoon as it is brought to light from beneath the floor". The painting, a rather obscure painting, is now in the Virginia Museum in Richmond, Virginia. In 1956 it was on show in the exhibition "The Century of Mozart" in the Nelson Gallery Atkins Museum in Kansas City, Missouri. "Remarkably, Robert envisioned the newly discovered Laocoon as a complete and undamaged sculptural group. The anguished father and his two sons struggling with the serpent were painted with the 16th-century restorations (designed by Michelangelo) intact. The discovery did not occur, however, in a monumental building with vaulted and colonnaded halls, but on the Esquiline Hill in the ruins of the Golden House of Nero. Robert's romantic imagination, at once terrifying and picturesque, transformed what had been a well-documented event into a grandiose fantasy" (Williams, 1968, No. 36). His invention, however, is appropriate to the feeling of almost religious emotionalism which Winckelmann had unleashed in 1755. "Winckelmann's views were attacked, in 1766, by the learned Lessing, who correctly pointed out that the protagonists in Greek tragedies were often far from serene. But Winckelmann's conception was too strong for rational argument. Goethe, the most eminent of Winckelmann's disciples, transformed in his Iphigenia (1783) Euripides' unscrupulous heroine into a high-minded girl who was the perfect embodiment of spiritual control" (Bolgar, 1981,465). From November 1, 1777, Mozart spent almost twenty weeks in Mannheim. He never felt urged, like Goethe in 1769, or even obliged, to pay a visit to the Antikensaal. Nor is there any reason to suspect that he ever read Winckelmann. If he had done so, he would probably have made fun about him, as he did, according to Peter Shaffer (I know, it's fiction), about Salieri's Danaus and his own Idomeneo: "All those anguished antiques! They're all bores! Bores, bores, bores!" To Winckelmann, on the other hand, those same antiques looked far from anguished, in spite of their anguish while being cruelly strangled within the tangles of the serpent's writhing body, and it is precisely for this reason that he was the one whose breath was taken away and who became anguished. Anguished, just like Beethoven, by his lack of personal freedom and by the lack of political freedom in the Europe of his age.
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Winckelmann and Goethe, and Schiller, and Beethoven e tutti quanti were all obsessed by Sehnsucht, a passionate yearning, and that is, perhaps, the reason why they admired Homer so much. "Homer was free from the desire to reach some goal. He was equally content with whatever object, event or character he was describing. He lived in each moment. His world was uninfected and whole" (Gransden, 1981, 83). Just like the world of Mozart? But Mozart never wrote an opera Laocoon (Pietro Guglielmi did). He left Die Ruinen von Athen to Beethoven. It is a smart irony of history that one hundred years after Winckelmann Otto Jahn, one of the most distinguished music historians (and a classical scholar by profession), took over Winckelmann's characteristic of Greek art as edle Einfalt und stille Grösse, to characterize what then came to be called the Wiener Klassik of Mozart and Beethoven. Mozart and Beethoven: two names, two worlds.
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JinKroupa
Mentalitäten des aufgeklärten Bürgertums: Heinrich Friedrich Hopf in Brünn
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts korrespondierte der Tübinger Dekan und Stadtpfarrer Johann Gottfried Pressel (1789-1848) mit seinem Studienfreund, dem Pfarrer Johann Melchior Kohlmann, und dessen Familie in Horn bei Bremen. (Melville 1991, 157 f.) In einem dieser Briefe schilderte Pressel seinem Freund die Begegnung und anschließende Freundschaft mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, die em die Zeiten der Spätaufklärung erinnerte. Gemeint war Heinrich Friedrich Hopf, ehemaliger Tuchmanufakturist, Schriftsteller, Journalist und Freimaurer in der weit entfernt gelegenen mährischen Stadt Brünn/Brno. Der Tübinger Dekan Pressel, selbst von den Gedanken der Spätaufklärung erfüllt, schrieb nach dem Tode Hopfs: „Bis an mein Ende werde ich diese Verbindung als einen ausgezeichneten Segen Gottes betrachten. Denn im herrlichsten Ebenmaße war das Wesen dieses Mannes, der klarste, ruhigste, besonnenste Verstand in Verbindung mit einer reichen Fülle der tiefsten und innigsten Bewegungen eines höchst zart und feinfühlenden Herzens, eine stete Richtung des Blickes auf die höchsten und heiligsten Angelegenheiten des Menschen, eine volle Überzeugungs- und Glaubensfreudigkeit in Betreff der höheren Welt und unserer Verbürgerimg in denselben, und dabei die genaueste Auftnerksamkeit auf das Treiben und die Geschäfte der Erde und eine nichts gering nehmende Genauigkeit und Gewandtheit in denselben; ein unablässiges Suchen, Sammeln, Forschen in der Außenwelt, und verbunden damit die weiseste Verarbeitung des Gesammelten, inniges Sammeln seiner selbst und Einkehr in das eigene Herz..." Wenn wir diese Wort lesen, sehen wir die Verkörperung eines Menschenideals im Zeitalter der Aulklärung. Auch an anderen Orten der Aufklärung begegnen wir dem Ideal des Menschen, das Verstand und Gefühl, wahre Religiosität und pünktliche Geschäftsführung, das Suchen und Forschen, Patriotismus und Philantropismus miteinander zu verbinden wußte. Den Namen Friedrich Hopf finden wir in Meusels „Das gelehrte Teutschland, oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller" aus dem Jahr 1797. Hopf (oder Hoff) ist hier als Verfasser von insgesamt 24 Büchern verschiedenen Inhalts angegeben. Das Spektrum reicht von den „Patriotischen Vorschlägen, wie die Stadt- und Landwirtschaft in besseren Flor zu bringen", über „Hundert auserlesene prosaische Fabeln in dreyerley Sprachen, nämlich teutsch, italienisch und französisch, mit angehängter Moral zum besten der Jugend beyderley Geschlechts, die sich der Erlernung dieser Sprachen widmen, herausgegeben" bis zu „Historisch-kritische Enzyklopädie über verschiedene Gegenstände". Hopf gab jedoch auch einige Zeitschriften heraus und hatte Anteil an der Verbreitung der Kenntnisse über Mozarts „Zauberflöte" in Brünn. Es ist etwa überraschend, wenn wir erfahren, daß Hopf zugleich einer der führenden Unternehmer und Industriellen in Mähren war. Er wurde um 1754 in dem württembergischen Ort Ballingen geboren, studierte dann protestantische Theologie in Tübingen und ging als Hofmeister nach Brünn in Mähren. Hier wurde er Korrespon-
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dent und Geschäftsführer der ersten brünnerischen Tuchfabrik des Unternehmers Johann Leopold von Köffiller. Im Jahre 1780 wurde er „beständiger Sekretär" der „Hessen-Homburgischen patriotischen Gesellschaft" in Brünn (Schräm 1908, 79 f.). Ein Jahr später wurde er Vorsteher der protestantischen Gemeinde in diesem Ort, und 1785 gründete die Tuchfabrik „Hopf und Bräunlich", die einen sehr schnellen Aufschwung nahm und am Anfang des 19. Jahrhunderts als erstes Unternehmen in den habsburgischen Ländern die Spinnmaschine einführte (Janák 1981, 111 f.). Hopfs ökonomische und wissenschaftliche Tätigkeit wurde hauptsächlich von seiner Mitgliedschaft in den verschiedenen patriotischen, gemeinnützigen und wirtschaftlichen Gesellschaften in Brünn, Wien und Burghausen geprägt. Er war auch ein Freimaurer und etliche Jahre Meister vom Stuhl der Brünner Freimaurerloge „Zu wahren vereinigten Freunde bei aufgehender Sonne", die nach dem Muster der Wiener Loge „Zur wahren Eintracht" arbeitete. Um das Jahr 1816 siedelte er nach Stuttgart und schließlich nach Tübingen über, wo er 1825 starb. Seine Persönlichkeit kann uns als Beispiel für die Mentalitäten des aufgeklärten Bürgertums dienen, denn in seiner Person manifestierten sich verschiedene mentale Tendenzen, die in spezifischer Weise Verbindungen eingingen. Diese finden sich z. B. - wenn auch in verborgener Weise - im Thema unseres Gespräches und in Mozarts „Zauberflöte": gemeint ist die gegenseitige Durchdringung von Spätbarock und Rokokoklassizismus sowie von Glücksgefühl des Individuums und hoher „josephinistischer" Staatsidee. Hopf stellte in Brünn keine Ausnahme dar. In der Josephinischen Zeit trat hier ein verhältnismäßig umfangreicher Kreis von Persönlichkeiten in Erscheinung. Dieser bestand einerseits aus Manufakturunternehmern, andererseits aus Bildungsbürgern, die hauptsächlich aus dem Rheinland und - wie Hopf selbst - aus Württemberg kamen und Mitglieder der protestantischen Gemeinde Augsburgischen Bekenntnisses waren, z. B. Viktor Heinrich Riecke. Die protestantische Gemeinde in Brünn war jedoch nicht isoliert von ihrer Umgebimg. Im toleranten Milieu dieser Stadt wirkten die Protestanten mit den Bildungsschichten in Mähren und auch mit den Angehörigen des mährischen aufgeklärten Adels zusammen (Kroupa 1987). Was verband sie miteinander? Die Idee und die Wirklichkeit des Patriotismus sowie die freimaurerische und philanthropische Begründimg für ihre Tätigkeit. Eine Untersuchung von Mentalitäten im Zeitalter der Aufklärung zeigt zunächst, daß „Patriotismus" ein überaus häufig verwendeter Begriff war. Besonders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfuhr er eine bemerkenswerte Verbreitung. Natürlich ist Patriotismus kein exklusiv aufklärerischer Begriff, denn wir begegnen ihm z. B. auch in Äußerungen des traditionellen ständischen Landespatriotismus, der allerdings im 18. Jahrhundert in der Regel eine eher konservative Politik verfolgte. Im Milieu der Aufklärer jedoch hatte er in Korrespondenzen, in der Publizistik usw. die Funktion eines „Topos", eines „Locus communis". Dies zeigt sich in der Benennung von Gesellschaften, Zeitschriften und Buchtiteln, wie: „Patriotische Gesellschaft in Hessen-Homburg", „Patriotische Vorschläge", „Journal für Patrioten", „Patriotisches Tageblatt", aber auch Justus Mosers „Patriotische Phantasien", Josef von Sonnenfels' „Patriotischer Traum" usw. (Vierhaus 1980, 9 f.). Das Konzept des Patriotismus wurde in Äußerungen des 18. Jahrhunderts nicht eindeutig definiert; es war vielmehr ein alltägliches, selbstreferentes Gedankenkonstrukt, dessen Inhalt zu bestimmen eine Aufgabe der Studien zur Geschichte von Mentalität ist.
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Im Jahre 1780 entstand in Brünn ein Komitee der landgräflichen Hessen-Homburgischen patriotischen Gesellschaft „zur Beförderung der Kenntnisse und Sitten und der allgemeinen Bekanntmachung solcher Gegenstände, die einige Beziehung auf Wissenschaften, Oekonomie und Künste haben". Gegründet wurde es von Maximilian Graf von Lamberg, welcher damals gute Beziehungen mit den Begründern der Homburgischen Sozietät, dem französischen Schriftsteller Nicolas Hiacint Paradies in Frankfurt und dem Landgrafen Friedrich von Hessen-Homburg unterhielt Diese Patriotische Gesellschaft war Teil eines über ganz Europa ausgedehnten Korrespondenznetzes, eine Vermittlungsstelle für aufklärerisches Gedankengut (Voss 1980, 195 f.). Warum nannte sich die neugegründete Sozietät „patriotisch"? Eine Erklärung dazu findet sich in der Einführung ihrer Statuten: „Der Mensch ist nicht dazu geschaffen, um einsam und abgesondert zu leben . . . Diejenige Gesellschaft, von welcher eine einzelne Person ein zuhaltendes Mitglied ist, ist nur ein sehr kleiner Teil von der allgemeinen Gesellschaft, die aus allen Mitbürgern des allgemeinen Vaterlandes besteht. In diesem Verstände sind wir alle gegeneinander fremd, in dem entgegengesetzten Verstände ist der nützliche Mensch der Mensch der allgemeinen Gesellschaft, der Mitbürger des allgemeinen Vaterlandes, sobald er wirklich in dem größten möglichen Grade für sich und für andere nützlich ist." Die Patriotische Gesellschaft war also „eine Gesellschaft von Menschen, die sich dem Dienste aller anderen Menschen gewidmet haben". Solche Definition gibt eine klare Eingrenzung des Begriffs Patriotismus in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im deutschen Sprachgebrauch hatte das Wort damals eine gewisse moralisch-emphatische Bedeutungsaufladung. Patriotismus meinte Menschenfreundschaft und zugleich eine Art von bürgerlicher Pflicht. Das Brünner Komitee entstand erst in der zweiten Periode der Homburger Gesellschaftstätigkeit. Schriftsteller Paradies zog nach Brünn um, wo Graf Lamberg zum Chef der Patriotischen Gesellschaft wurde und Heinrich Friedrich Hopf das Amt des Sekretärs bekleidete. Unter den Mitgliedern war der Rektor und die „Zierde" der Brünner Universität, Josef Wratislav Monse. Alexis Habrich und Athanasius Gottfried waren monastische Gelehrte, der Bildhauer Andreas Schweigl sei als Beispiel für die vertretenen Künstler genannt. Die Seelen der Gesellschaft waren hauptsächlich Lamberg als aristokratischer Freigeist, Monse als ein Gelehrter und Historiker . . . und Hopf als ein Bürger und Unternehmer. Die Patriotische Gesellschaft in Brünn war nach dem Vorbild Homburgs vorrangig eine „französisch-deutsche" Gesellschaft. Sie vertrat ihren Patriotismus stets als Vaterlands- und allgemeine Menschenliebe in Verbindung mit der größtmöglichen Verbreitung der Aufklärung. Das Wirken dieser Sozietät stellt auch den Höhepunkt des französischen Kultureinflusses in Mähren dar. Es bildete sich so eine Elitegesellschaft des Bildungsbürgertums, die eng mit der damaligen Kunst und Kultur verbunden war. Es gab eine Verbindung zwischen dieser Elitegesellschaft und der ritterlichen Freimaurerei in Brünn. Lamberg und Hopf waren Tempelritter des Freimaurerordens der „Strikten Observanz". Wirklich die freimaurerische Brüderlichkeit und „Arkanpraxis" mögen vor allem den neuen aufgeklärten Sozietäten als Vorbild gedient haben. Während jedoch Graf Maximilian von Lamberg eher zur Fortsetzung der ritterlichen Tradition auch nach dem freimaurerischen Konvent in Wilhelmsbad
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(1782) neigte, näherte sich Heinrich Friedrich Hopf dem Viergrad-Freimaurertum der Wiener Logen (1786). Sein Freund, Pastor Viktor Heinrich Riecke, war einer der führenden Illuminaten in Brünn. Vielleicht wollte Hopf eine Verbindung dieser zwei Systeme schaffen; aus seinen Briefen geht eindeutig hervor, daß er das Freimaurertum umzugestalten suchte. Er hatte eine Loge im Sinn, die als Zentrum der Aufklärung und Verbreitung ihrer Ideen dienen sollte, indem sie eine patriotisch-bildende Zeitschrift für Mähren, ein „Mährisches Magazin", herausgeben würde. Wofür plädierte Hopf damals? Im Nachlaß des Landgrafen Friedrich V. von Hessen-Homburg, der faktisch Hopfs „Vorgesetzter" in der Patriotischen Gesellschaft war, gibt es eine interessante Stelle in dem seinerzeit geführten Briefwechsel (Schwartz II 1888, 171 f.). In Gedanken des Landgrafen über die Aufklärung aus der Zeit 1797/98 steht, daß Aufklärung keine wahre Aufklärung sei, denn es sei eine Zunahme der Sittenlosigkeit, steigender Luxus, abnehmender Fleiß bei allen Ständen, ein Anwachsen der Halbgebildeten in der Gesellschaft usw. zu beobachten. Und weiter heißt es: „ . . . nur Fleiss und Sparsamkeit, einfache Lebensweise, wahre Religiosität würden unsern Wohlstand mehr fördern." Ich vermute, daß eine Mehrheit der Aufklärer in Brünn rund um Hopf (und nicht nur von protestantischer Seite, sondern aus der Reihe des aufklärerischen Bildungsbürgertums) die Forderung nach Einfachheit, Sittlichkeit und Fleiß unterstützt hätte. Es handelte sich fast um ein protestantisches und bürgerliches Bekenntnis. In diesem Zusammenhang sind auch die Titel der von Hopf verfaßten Bücher von Interesse: „Magazin nützlicher und angenehmer Lektüre aus verschiedenen Fächern für denkende Leser aus allen Ständen"; „Lebensläufe, Geschichten und Erzählungen, meistens moralischen Inhalts"; „Abriß und ausführliche Erklärung aller Künste und Wissenschaften für erwachsene Personen" usw. Hopf kompillierte, kondensierte und popularisierte die Aufklärung in gleichem Sinn wie „die armen Teufel" der französischen Aufklärung, denen Robert Darnton seine Aufmerksamkeit gewidmet hat (Darton 1988). Seine Bücher wurden in Brünn, Prag, Preßburg, Graz und Linz herausgegeben und dann verbreitet. Im Umfeld seiner freimaurerischen und schriftstellerischen Tätigkeit läßt sich auch Hopfs musikalische Vorliebe zeigen. Natürlich können wir bei ihm ein Interesse für Mozarts „Zauberflöte" und freimaurerischer Musik finden. Im Brünner „Europäischen Journal" erschienen damals ganz neue Illustrationen zur „Zauberflöte" - übrigens hielt auch Emmanuel Schikaneder, der Verfasser des Librettos für diese Oper, das Brünner Milieu für so anziehend, daß er später etliche Jahre hier ein Theater führte. Hopf dichtete auch, und seine Gedichte scheinen ein gewisses Echo nicht nur im mährischen Milieu, sondern auch bei Lavater und Wieland gefunden zu haben. So mögen wir bei Hopf eine spezifisch mentale Haltung finden und beschreiben: Ist diese jedoch spezifisch aufgeklärt und bürgerlich? Wir können an Hopfs Haltung vielleicht einige allgemeine Charakteristika feststellen: a) der aufgeklärte Patriotismus als ein Durcheinander des kosmopolitischen, „österreichischen", d. h. an die Habsburgerdynastie knüpfenden Patriotismus, und des mährisch-regionalen Patriotismus; sowie b) eine freimaurerische Empfindsamkeit und bürgerliche Sentimentalität und c) ein neuer Unternehmergeist. Zu diesen Begriffen müssen wir wahrscheinlich noch die Worte von Pastor Pressel hinzufügen. In einem von ihm als Brief
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geschriebenen „Kurzwörterbuch" werden die Begriffe, die die Mentalitäten des Bürgertums ideell charakterisierten, folgendermaßen definiert: „der klarste, ruhigste Verstand"; „mit einer Fülle der Bewegungen eines feinfühlenden Herzens"; „eine Glaubensfreudigkeit in betreff der höheren Welt und unserer Verbürgerung in denselben" (d. h. die Möglichkeit, sich fortschreitend zu vervollkommnen und tugendhaft aufzusteigen); „das Tun und Reden". In Presseis Worten handelt sich es um ein „Gedächtnismal", das einem Geschäftsmann, einer Amts- und Respektsperson, einem Angehörigen des Honoratiorenstandes und wackeren Bildimgsbürger gesetzt wird. Dieses Gedächtnismal entstand jedoch nicht am Ort, in dem Hopf seine aufklärerische Tätigkeit ausübte, in Brünn, sondern im weit entfernten Württemberg. Das war nicht nur bei Hopf der Fall. Im Zeitalter der Antiaufklärung und des Vormärz zu Beginn des 19. Jahrhunderts wanderten auch viele andere „mährische Patrioten" aus und verließen den Ort ihrer bisherigen Tätigkeit Nach Stuttgart gingen Pastor Riecke und der Philantrop und Wissenschaftler Chr. K. André. Im dortigen freimaurerischen Milieu um den Verleger Cotta setzte dann André die Herausgabe der mährischen Zeitschrift „Hesperus" fort. Sie hatte einen nicht unerheblichen Einfluß in den Reihen des Bildungsbürgertums. Die sich in der Zeitschrift widerspiegelnde Atmosphäre erinnert an die Mentalitäten des späten 18. Jahrhunderts. Auch ihr Untertitel „eine Zeitschrift für Nutzen und Vergnügen der Patrioten" stand ganz im Sinn der von Hopf verfaßten Bücher und von André in Brünn aufgenommenen Gedanken. Deswegen finden wir im „Hesperus" unter anderem auch den großen Nekrolog auf Viktor Heinrich Riecke, der als „mährischer Girondist" in seiner Pfarrei in Lustenau bei Tübingen 1830 verstorben war.
LITERATURHINWEISE
Robert: Literaten im Untergrund. Lesen, Schreiben und Publizieren im vorrevolutionären Frankreich. Frankfurt am Main 1988. JANÄR, Jan: Poéátky strojního predení vlny ν brnënském soukenictví (Die Anfänge der Maschinenspinnerei in der Brünner Tuchindustrie). In: Sborník prací filosofické fakultv brnënské University (Studia minora facultatis philosophicae Universitatis Brunensis), C 28, 1981, 111— 141. KROUPA, Jin: Alchymie s tèsti. Pozdní osvícenství a moravská poleönost (Die Alchimie des Glücks. Die Spätaufklärung und die mährische Gesellschaft). Brno - Kromëriz 1987. KROUPA, Jin: Hesperus. Poznámky k interpretaci pocátku 19. století Ν moravské kultufe (Hesperus. Bemerkungen zur Interpretation der Anfänge des 19. Jh.s in der Kultur Mährens). In: Historická Olomouc VI, 1987, 239-246. MELVILLE, Ralph: Cesti bratn, husitsky kalich a táborská tradice ve württemberské farárské rodine doby predbreznové (Böhmische Brüder, Hussitenkelch und Tabortradition in einer württembergischen Pfarrersfamilie des Vormärz). In: Husitsky Tábor 10,1991,157-168. HAMBERGER, Georg Christoph - MEUSEL, Johann Georg: Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller. Lemgo 1796, 3. Bd., 375-377. SCHRÄM, Wilhelm: Mährisches Magazin für Biographie und Kulturgeschichte. Brünn 1908, Bd. 1, 79-81. SCHWARTZ, Karl: Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg und seine Familie. Homburg vor der Höhe 1888, Bd. 2,171-179. Voss, Jürgen: 1980 - siehe VIERHAUS, Rudolf (Hg.). VIERHAUS, Rudolf (Hg.): Deutsche patriotische und gemeinnützige Gesellschaften. München 1980. DAHNTON,
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Raison et sentiment. Rupture ou coexistence?
De prime abord, tout paraît simple: le XVIIIe siècle, siècle des Lumières, est aussi le siècle de la raison. Les grands ouvrages de référence s'accordent sur ce point. Mais tout accord massif, on le sait, se fonde en dernier ressort sur une bonne dose de flou épistémologique et d'imprécision conceptuelle: 1. un siècle entier ne peut être parfaitement unitaire et univoque; il ne l'est qu'au prix de l'occultation d'éléments jugés irréductibles. 2. la notion de lumière(s) n'a pas de contenu précis; elle peut se rapporter à la lumière divine ou à celle des hommes, au progrès du savoir, sans implication philosophique, ou à une marche en avant de la pensée émancipée. Elle s'oppose en général au préjugé, idée reçue, non vérifiée. 3. la raison, à son tour, peut signifier: au sens neutre, intelligence, entendement; ou faculté de bien juger, pensée logique, et enfin esprit critique (en opposition à passion, intuition, instinct ou sentiment). Le résultat est que ces termes jouissent d'un grand prestige et qu'on les trouve sous la plume de penseurs souvent antagonistes. Qu'on en juge par ces quelques exemples: - Locke, The reasonableness of Christianity (1695) - Wolff, Vernünftige Gedanken über Gott, die Welt und die Seele des Menschen - Wolff, Vernünftige Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes - Wolff, Vernünftige Gedanken von dem gesellschaftlichen Leben des Menschen - Wolff, Vernünftige Gedanken von den Wirkungen der Natur, tous publiés entre 1720 et 1726. C'est ce même Wolff qui écrit, dans le premier de ces ouvrages: «Einer kann tun so vielmehr ein Mensch genennet werden, je mehr er die Kräfte seines Verstandes zu gebrauchen weisz». - l'abbé Gauchat, L'accord du christianisme et de la raison (1768), et cette tendance culmine dans l'œuvre de Kant, Kritik der reinen Vernunft (1781) et Die Religion innerhalbb der Grenzen der bloszen Vernunft (1794). Cette conception de la raison n'a pas grand-chose en commun avec le sens que lui accordent Voltaire, d'Alembert et les «philosophes» français. Voltaire, dans L'Evangile de la Raison (1768) et Thomas Paine dans The Age of Reason (1794) l'identifient avec l'hostilité à la pensée judéo-chrétienne et à la pensée théologique en général, tendance qui culminera en 1793 dans le culte de la Déesse Raison, que Robespierre remplacera l'année suivante par le culte de l'Etre Suprême. La même ambiguïté entoure le concept lumières, qui n'a pas le même sens que Aufklärung ou Illuminismo (en français, illuminisme désigne une forme d'antilumières, ime pensée occultiste ou mystique). Le sens français est plus radical. Fontenelle en parle au début du XVIIIe siècle comme d'une percée de la pensée critique et scientifique. Voltaire estime qu'on est entré vers 1750-1760 dans une période de «lumières» et que ce fut une authentique révolution. C'est aussi la position de l'Encyclopédie et du Discours préliminaire de d'Alembert
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Celle de Kant est assez différente. Dans le fameux article Was ist Aufklärung? publié en 1784 dans la Berlinische Monatsschrift, il la définit en ces termes: «... der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.. . der Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen . . . Sapere aude ist also der Wahlspruch der Aufklärung.» Mais il limite aussitôt cette revendication à la sphère publique et l'écarté de la sphère privée, celle des devoirs professionnels et religieux. En cas de conflit, ce sont les derniers qui priment Pour Kant, le XVIIIe siècle n'est pas un siècle des Lumières (ein aufgeklärtes Zeitalter), mais un siècle qui progresse dans ce sens (ein Zeitalter der Aufklärung). En Autriche, Johann Pezzi publie en 1780 un Faustin, oder das philosophische Jahrhundert dont le titre évite cette subtile distinction. C'est que le terme allemand comporte un sens dynamique, évolutif, que le français n'a pas. Ne croyons pourtant pas que les Français tenaient les Lumières pour acquises: à l'optimisme militant d'un Condorcet s'oppose le scepticisme prudent d'un Voltaire, pour qui l'humanité est toujours susceptible de tomber dans la barbarie. Au-delà des différences et des nuances sémantiques, restent des traits communs qui font l'originalité du XVIIIe siècle. La notion de raison prend un caractère critique, militant, qu'elle n'avait pas au XVIIe siècle (la raison, pour Boileau, renvoie à: raisonnable, conventionnel, et non à: rationnel, analytique). Cette raison s'exprime par une méfiance envers l'irrationnel, le merveilleux; par une prise de distance à l'égard des formes populaires de la pensée religieuse et envers l'orthodoxie. Quelques exemples: - Shaftesbury, A Letter concerning Enthusiasm (1708), contre les formes aberrantes de la religiosité des huguenots réfugiés en Angleterre. Déistes et Free-thinkers: Collins, Toland, etc. - en France, outre Voltaire, Dumarsais, Boulanger, etc., une immense littérature manuscrite semi-clandestine de critique philosophique, historique, biblique et religieuse. - en Allemagne, l'œuvre de Reimarus, révélée par Lessing; les Rettungen de Lessing (réhabilitation de la pensée hétérodoxe). La raison mène un combat incessant contre les préjugés (Vorurtheilskritik); ceuxci sont tenus pour une pensée archaïque, primitive, où l'ancienneté tient lieu de vérité. On dénonce les formes de dévotion populaire: processions, pèlerinages, culte des reliques (cas exemplaire, en Espagne, de Feijoo, bon chrétien, prieur de l'ordre de St-Augustin). On assimile souvent préjugé à superstition, sans toucher ouvertement à la religion de l'Etat (exemple des Popularphilosophen). En France, un courant violemment antichrétien assimile superstition et religion révélée pour s'en tenir au déisme (Voltaire, Rousseau, etc.) ou passer radicalement à l'athéisme (le cercle du baron d'Holbach, Diderot, Naigeon, Maréchal). La figure emblématique de ce combat, qui évacue les mystères et les miracles, est incontestablement Voltaire, objet de culte pour les uns (le pèlerinage à Ferney) et d'exécration pour les autres, surtout en pays catholiques (par exemple l'ex-jésuite Feller). Peut-être faut-il chercher là l'explication de la lettre de Mozart à son père (datée de Paris, le 5 juillet 1778), où il lui annonce la mort de Voltaire, survenue après celle de sa chère Maman: «Voltaire, ce mécréant et fieffé coquin, est crevé, pour ainsi dire comme un chien, comme une bête. Voilà sa récompense».
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Pour éliminer les préjugés, il faut éclairer les hommes, répandre le savoir. Π en résulte ime immense œuvre d'information et de vulgarisation dont le sommet est l'Encyclopédie de Diderot et d'Alembert, qui témoigne d'un intérêt très nouveau pour la technique. La littérature scientifique connaît un grand succès: l'Histoire naturelle de Buffon est un triomphe en librairie et déclenche un autre pèlerinage, celui de Montbard. L'Allemagne voit naître ime vaste littérature destinée au peuple, et surtout aux paysans. Cette Volksaufklärung est sans correspondant en France. J.-J. Engel en donne un modèle avec Der Philosoph für die Welt. On assiste à im recul de la transcendance, de la postulation vers l'au-delà, si importante dans la pensée baroque. Dorénavant, l'essentiel se joue ici-bas, selon la formule de Spinoza: «Non de morte, sed de vita meditatur Philosophus» et Diderot félicite Socrate d'avoir fait descendre la philosophie sur la terre. Le rôle de la philosophie est de favoriser le bonheur sur cette terre et les ouvrages se multiplient qui traitent de la felicità ou de la Glückseligkeit. Dès lors, on substitue la morale sociale à l'éthique religieuse: le progrès suppose l'émancipation de l'humanité en général: c'est la thèse de Condorcet dans son Esquisse d'un tableau des progrès de l'esprit humain (1793). Cette idée suscitera l'ironie de Renan et de Flaubert Elle explique l'intérêt croissant du XVIIIe siècle pour l'éducation, et donc l'essor de la pédagogie. A côté de ce puissant élan de la pensée rationaliste coexistent de vastes zones de pensée irrationnelle, sous diverses formes: - illumination intérieure (méthodistes anglais, Quakers, piétistes allemands, qui s'écartent des orthodoxies par leur caractère nettement individualiste et leur aversion pour les organisations de type clérical) - croyances pseudo-scientifiques: astrologie, mesmérisme, prophétisme et voyance - recherche de lumières à caractère ésotérique, hermétique, postulant l'idée d'un savoir antérieur, primitif, conservé par quelques initiés, souvent situé en Egypte (Sethos, de Terrasson, une des sources de La Mûte enchantée). On retrouvera cette conception à l'âge romantique (Novalis, Die Lehrlinge in Sais). La Franc-maçonnerie jette un pont entre ces deux types de lumières: à la fois poursuite de bonheur, de bienfaisance, d'extension du savoir et lumières initiatiques, protégées par leur rituel (hymnes maçonniques de Mozart, initié en 1784, livret de La Flûte enchantée par Schikaneder, 1791). Siècle de la raison, le XVIIIe est aussi celui des mages, des mystères, et même des aventuriers (Cagliostro, le comte de Saint-Germain, Casanova, les frères Zannovitch). La raison pure laisse insatisfaits les élans du cœur. Les purs rationaux (les «géomètres») sont rares (Fontenelle) et même Voltaire est un homme impétueux, passionné, qui a la fièvre tous les 24 août, anniversaire de la Saint-Barthélémy. La raison raisonnante, de type cartésien, est jugée trop sèche, insensible à la poésie (Malebranche appelle l'imagination «la folle du logis» et on cite le mot de Fontenelle: «Sonate, que me veux-tu?»). On estime que la raison déductive, rigoureuse, convient au langage scientifique, mais on trouve qu'elle exclut le risque, le sacrifice, la passion, l'invention, l'imaginaire. Rousseau et Diderot sont à la fois rationalistes et «sensibles». Diderot réhabilite les passions (Pensées philosophiques, 1746) et compare
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les esprits méthodiques à un écureuil tournant sans arrêt dans sa cage. L'article Foible de l'Encyclopédie déclare qu'on a d'autant plus de sensibilité qu'on a plus de lumières. Le Rousseau des Discours, du Contrat social, de VEmile, œuvres de la raison critique, est aussi l'apologiste de la subjectivité, de l'illumination intérieure (Rêveries du Promeneur solitaire). En morale, Vauvenargues se fait le défenseur des valeurs de générosité et de chaleur humaine contre la morale de l'intérêt; Diderot critique Helvétius en raison de ses apriorismes utilitaristes. Le vrai Philosophe cherche la vérité par la raison, élabore une méthodologie de la connaissance, mais il s'éclaire aussi aux lumières du sentiment. La recherche lexicographique prouve que le mot cœur est plus fréquent que raison, et beaucoup plus que lumières. Il y a donc un XVIIIe siècle du sentiment aussi réel que celui de la raison. Il leur arrive de s'opposer, mais le plus souvent ils s'interpénétrent et coexistent, soit en association, soit en alternance. Ce serait une grave erreur de croire que l'émergence du sentiment est le fait du seul Jean-Jacques Rousseau: il l'a simplement justifié et sublimé avec un talent exceptionnel. Le mot sentiment est aussi complexe et nuancé que le mot raison. Il peut signifier, selon les cas: - sentiment d'opinion - sentiment d'émotion, ou sensibilité (terme ambigu qui peut aussi désigner l'irritabilité nerveuse qui prédispose aux larmes, au frisson). Souvent l'effet l'emporte sur sa cause: les larmes seront la preuve d'ime grande sensibilité (au théâtre et dans le roman). On a pu parler du XVIIIe siècle comme d'un Weinendes Saeculum. Le spécialiste du genre est Baculard d'Arnaud, dont Les Délices du Sentiment sont un des grands succès de l'époque dans l'Europe entière. L'époque associe étrangement sentiment et moralisme (dans le théâtre de Lillo, Diderot, Lessing, Sedaine, Mercier, etc., énorme répertoire qui marque profondément les esprits et le vocabulaire). Le même phénomène existe en peinture (Greuze). On parle d'un homme de sentiment ou man of feeling, des âmes sensibles, en Allemagne des Empfindsamen ou schöne Seelen. Si le phénomène s'accentue après 1750, il est largement antérieur puisqu'il apparaît déjà dans les romans de l'abbé Prévost: les Mémoires d'un Homme de Qualité (1728-1731), et surtout Cleveland (1731-1738) et l'Histoire d'une Grecque moderne (1740), qui présentent des personnages soumis à ime fatalité accablante et drapés dans leur mélancolie. Or Prévost est un homme des lumières, comme le prouve sa copieuse Histoire des Voyages (1745-1761). Le sentimentalisme dégénère vite en sensiblerie, en mode, en pose, en jeu social (ex. les héros de Baculard oscillent entre la frénésie et l'abattement et versent des «torrents de larmes»). Dans son Sentimental Journey (1760), Sterne raffine sur l'émotion et il en analyse les manifestations physiologiques avec une minutie narcissique qui fait émerger des aspects pervers sous couleur de franchise. Ce livre a connu en Allemagne une vogue énorme dans la traduction de Bode. Sterne garde cependant une distance qui préserve l'humour; ses admirateurs et ses disciples négligent cet aspect. L'Ecossais Henry Mackenzie va donner le modèle (négatif) du genre dans son Man of Feeling (1771) dont le héros est paralysé par les émotions que lui infligent la vie quotidienne et une société dénaturée. Il se présente comme un être
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d'exception, resté pur, qui souffre d'un excès d'affectivité et s'y complaît avec une sorte de masochisme morbide. On retrouve ces traits à un moindre degré dans le pauvre héros du Vicar of Wakefield de Goldsmith, le pasteur Primrose; encore outrés, en revanche, dans les attitudes excessives, la rhétorique boursouflée de l'Empfindsamkeit, qui singe maladroitement le déchirement werthérien. Herder, im moment mêlé à ce milieu par sa fiancée Caroline Flachsland, parlera avec mépris de «Milch- und Käse-Seelen». Le thème de la mort s'impose, tantôt avec des connotations tragiques (Manon, Virginie ou Werther), tantôt avec des côtés quasi pathologiques (Claire d'Albe devant la mort de Julie). Ce culte de l'émotion va aussi de pair avec un renouveau de la sensibilité religieuse (Rousseau dans la Profession de foi du Vicaire savoyard et dans les Lettres à M. de Malesherbes), avec le goût des ruines et avec un réveil de la sensibilité poétique. Les deux courants se complètent plutôt qu'ils ne s'opposent, mais sans jamais se fondre: l'auteur de La Religieuse et de Jacques le fataliste est aussi l'inventeur de la poétique des ruines, celui qui médite sur l'irréversibilité de l'instant de bonheur. Les grands penseurs, les grands artistes, ont su éviter le piège de l'irrationalisme. Goya, dans ses Caprichos, rappelle que «el sueño de la razón produce monstruos» et les fantasmes terrifiants de Sade en sont la preuve manifeste, à côté des aberrations mystico-occultistes du siècle finissant. Les plus hautes figures du siècle sont celles qui ont su assortir l'usage de la raison d'ime réflexion lucide sur les contradictions humaines (comme le Voltaire de Candide) ou tempérer les élans du cœur par la recherche du vrai et le sens des nuances éthiques (comme le Richardson de Clarissa Harlowe), qui ont su préserver les valeurs profondes d'une culture (comme le Lessing de la Duplik et de Nathan der Weise). Ceux-là ont donné au XVIIIe siècle cette gravité désabusée, mais souriante, ce sens aigu de la fugacité de nos désirs et de la précarité de notre existence. A cet égard, l'ironie sans illusions, la lucidité un peu triste de Così fan tutte est peut-être aussi représentative du XVIIIe siècle que l'optimisme maçonnique de La Flûte enchantée. C'est la gravité du Diderot de La Religieuse, le détachement de Sterne dans Tristram Shandy, l'émotion d'Emilia Gaietti, l'accession à la sagesse de Goethe dans Wilhelm Meister et dans le second Faust. Mais ceux-là nous mènent déjà en plein XIXe siècle, tant il est vrai que le meilleur XVIIIe siècle ne s'achève pas ex abrupto en l'année 1800.
Peter Hersche
Die alte katholische Kultur vor der Herausforderung der Aufklärung*
Wenn wir uns fragen, worauf die europäische Bewegung der Aufklärung als ihren Widerpart stieß, so kann man vorläufig antworten: Es waren, vereinfacht, zwei unterschiedliche, konfessionell geprägte Kulturen, die protestantische und die katholische. Denn Konfession war bis ins 17. Jahrhundert hinein entscheidendes, epochenbestimmendes Schicksal für Individuum und Gesellschaft: Dem Zeitalter der Aufklärung ging das Zeitalter des Konfessionalismus voran. Wenn aber hier von konfessioneller Kultur die Rede ist, so ist damit mehr gemeint als ursprünglich bloß theologische Differenzen. Es geht um Unterschiede in der Sozialstruktur, im Wirtschaftsgebaren, im geistigen Leben bis hin zum Alltagsverhalten. Für eine Rekonstruktion dieser konfessionsspezifischen Kultur bzw. Mentalität reicht die hergebrachte Kirchengeschichte von ihrer Interessenlage, Fragestellung, Aufgabenbereich und Methodik nicht aus. Gefordert ist eine Sozial- und Mentalitätsgeschichte der Konfessionen. Als Ausgangspunkt für eine solche bietet sich ein nunmehr schon altes, aber immer noch faszinierendes und keineswegs voll ausgeschöpftes Forschungskonzept an: Max Webers Protestantismus-Kapitalismus-These. Umstritten und von vielen kategorisch abgelehnt, vielfach mißverstanden und vulgarisiert-vergröbert, modifiziert, ergänzt und korrigiert, scheint sie heute im Rahmen des bei Historikern allgemein gestiegenen Interesses an Weber wieder mehr Beachtung zu finden. Bemerkenswert ist, daß die katholische Forschimg von Weber kaum Kenntnis genommen hat. Die ausgedehnte Diskussion beschränkte sich im wesentlichen auf die protestantische Welt - soziologisch und historisch. Von daher und nachdem das Forschungsdefizit auf katholischer Seite weit größer ist (wozu wiederum die Weber-These Erklärungsansätze bietet), mag es heuristisch fruchtbar sein, die Protestantismus-Kapitalismus-These einmal in inverser Form als Frage zu formulieren: Welches waren die unbeabsichtigten weltlichen Folgen - das ist ja Webers zentrale Frage - der Prägimg durch den nachtridentinischen Katholizismus, differenziert nach Räumen, Zeit, sozialer Schicht und eventuell Geschlecht? Obschon hier eine Antwort auf diese Frage nur als ganz grobe Umrißzeichnung gegeben werden kann, erheischt sie einige Vorbemerkungen. Zunächst muß als methodischer Grundsatz gelten, so wenig als möglich bloß normative Quellen zu benutzen, gerade um einer zweifellos bestehenden, allerdings von Weber als solcher erkannten Schwäche seiner Thesenführung zu entgehen. Räumlich muß man die katholische Welt im eigentlichen Sinn in Europa auf die Iberische Halbinsel, Italien, die habsburgischen Länder, die katholischen Territorien des Reiches (d. h. in erster Linie Bayern und die geistlichen Staaten) und die katholischen Orte der Eidgenossenschaft beschränken. Zeitlich spannt sich der Bogen dessen, was „alte katholische Kultur" umfaßt, von der abgeschlossenen Konfessionalisierung (erste Hälfte des 17. Jahrunderts) bis zum Eindringen der Aufklärung in die katholische Welt (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts), also über rund eineinhalb Jahrhunderte. Sozialgeschichtlich erbringt eine Untersuchung der mittleren und unteren Schichten mehr, weil die Unterschiede markanter sind. Daß dies mit einigen Schwierigkeiten verbun-
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den ist, liegt auf der Hand, ebenso wie der wünschenswerte Einbezug der analytischen Kategorie „Geschlecht" (präziser englisch: „gender"). Man wird bemerken, daß in der eben gegebenen Aufzählung Frankreich fehlt. Dies hat seine guten Gründe. Was nämlich für die historische Betrachtung des Protestantismus selbstverständlich ist, nämlich die Unterscheidimg verschiedener Ausprägungen („Denominationen", wie Lutheraner, Reformierte, Anglikaner, Puritaner, Pietisten usw.), hat prinzipiell auch für den Katholizismus Gültigkeit: Ihn, etwa wegen des Konzils von Trient, als monolithischen Block zu sehen, ist eine Rückprojektion aus der Sicht des 19. und 20. Jahrhunderts (die nicht einmal für diese Zeit richtig ist). Von daher stellt Frankreich einen Sonderfall dar: Es ist ein „halbkatholisches" Land, steht zwischen der eigentlichen katholischen Kultur und der „protestantischen" Ethik. Argumente für diese Behauptung lassen sich auf ganz verschiedenen Ebenen linden: außenpolitisch der säkulare Gegensatz zur katholischen Vormacht Habsburg, innen- und wirtschaftspolitisch der lange dauernde Einfluß der Hugenotten, der Konkurrenzkampf mit den protestantischen Seemächten und der Colbertismus, kirchenpolitisch die erneuerten und gesteigerten gallikanischen Traditionen, geistesgeschichtlich die religiöse Oppositionsbewegung des Jansenismus mit den Richerismus, kulturgeschichtlich die Entscheidung für den Klassizismus und gegen den Barock, alles in allem der im Vergleich zum übrigen mehr agrarischen und feudalen katholischen Europa eher „bürgerliche" Charakter Frankreichs. Natürlich sind bei dieser generellen Feststellung innerfranzösische regionale Unterschiede zu beachten. Teilweise vergleichbar mit Frankreich scheint die Situation in den benachbarten Niederlanden. Ganz anders gelagerte Sonderfalle sind hingegen die an der Peripherie gelegenen Länder Irland und Polen. Die namentlich bei Theologen häuflge und im Umkreis des Zweiten Vatikanums über Gebühr strapazierte Auffassung einer dezisiven Prägung des neuzeitlichen Katholizismus durch das Konzil von Trient muß aus historischer Sicht relativiert werden. Die wenigsten katholischen Staaten haben die Konzilsbeschlüsse überhaupt und vorbehaltlos akzeptiert. Nur ein Teil konnte in der Folge durchgesetzt werden, andere blieben vorderhand weitgehend Papier (etwa Kumulationsverbot, regelmäßige Synoden, Priesterseminare). Der anfängliche Widerstand der von den Reformen besonders Betroffenen darf nicht unterschätzt werden, entsprechende Institutionen (alte Orden, Domkapitel) erlangten nach vorübergehender Schwächung im 17. Jahrhundert erneut wieder Macht und Einfluß. Für das Volk wurden zunehmend religiöse Vereinigungen und Frömmigkeitsformen wichtig, denen das Konzil wenig Bedeutung zugemessen hatte. Schon nach 1600, im Süden früher als im Norden, versandet die Reformbewegimg vielerorts wieder, mit Ausnahme des gallikanischen Frankreich. Für mindestens ein Jahrhundert trat in der hoch- und spätbarocken Kirche das Reformanliegen in den Hintergrund, bis es in der katholischen Aufklärung, der Gegenbewegung dazu, wiederaufgenommen und mit der Fortsetzung im 19. Jahrhundert nun verwirklicht wurde. Vieles, was in der katholischen Kirche als „tridentinisch" denunziert und bisweilen heftig abgelehnt wurde und wird, ist nicht älter als zweihundert Jahre. Thesen, welche eine parallele Entwicklung in beiden Hauptkonfessionen im Sinne einer verstärkten Disziplinierung der Gläubigen postulieren, sind im Ansatz und beschränkt auf das 16. Jahrhundert richtig. Reformierende, modernisierende und dis-
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ziplinlerende Absichten hatten damals auch die katholischen Fürsten und übrigen Eliten. Aber anders als im protestantischen Raum blieb ihre Ausführung bis ins 18. Jahrhundert hinein weitgehend auf der Strecke. Als „Beweis" dieser Thesen dienten allzuhäufig vor allem normative Quellen. Für die Wirklichkeit belegen diese aber, allein genommen, noch gar nichts. Sieht man auf die zugegebenermaßen weit schwieriger zu eruierenden tatsächlichen Zustände, so zeigt sich, daß im katholischen Raum die Kräfte der Beharrung und der Wille zum Widerstand viel stärker waren. Somit erfaßten die Prozesse der Rationalisierung (Weber), der Zivilisation (Elias), der „Christianisierung" (Delumeau) und der Sozialdisziplinierung (Oestreich) die spezifisch katholische Welt erst mit einer beträchtlichen Phasenverschiebung, wiederum mit der Ausnahme Frankreichs (was auch heißt, daß aus französischem Material gewonnene Thesen nicht einfach generalisierbar sind). Wäre die Entwicklung wirklich gleichförmig verlaufen, so ließe sich der im 18. Jahrhundert entstehende katholische Inferioritätskomplex (s. unten) nicht erklären. Tatsächlich drifteten seit dem beginnenden 17. Jahrhundert protestantische und katholische Welt immer weiter auseinander, nicht allein theologisch, sondern auch wirtschaftlich, sozial, geistig und kulturell. Es entstanden zwei verschiedene konfessionell geprägte Kulturen, zwischen denen sich ein immer größerer Graben auftat, über den nur noch wenige Brücken führten. Natürlich sind diese Gegensätze nicht absolut. So gibt es besonders zu Beginn im protestantischen Volk noch verschiedentlich „katholische" Elemente. Umgekehrt gleichen sich katholische Oberschichten teilweise schon früh dem protestantischen Vorbild an. Von der Norm abweichendes Verhalten zeigt sich ferner bei konfessioneller Gemengelage etwa im Reich oder der Eidgenossenschaft Was zeichnet nun diese „alte katholische Kultur", gegen die dann die Aufklärung zum Sturmangriff blasen sollte, im Vergleich mit der protestantischen aus? Wie sieht das Gegenstück der „protestantischen Ethik" (heute würde man eher von Mentalität reden) aus? Beginnt man mit der Sozialgeschichte, so zeigen die Katholiken, den Ergebnissen der neueren demographischen Forschung zufolge, ein etwas anderes Reproduktionsverhalten als die Protestanten. Im katholischen Europa ist die ständische Gliederung mehr versteinert, das Bürgertum weniger bedeutend, sind umgekehrt Refeudalisierungstendenzen stärker. Der Klerus spielt in der katholischen Gesellschaft quantitativ und qualitativ eine größere Rolle. Im Unterschied zum Protestantismus, namentlich den Reformierten, behält er seine ständische Qualität weitgehend. Er ist aber weniger homogen, die Extreme reichen von der Adelskirche an der Spitze bis hinunter zu einem klerikalen Proletariat der bloßen Meßleser, „abati" u. dgl. Das Zölibat hat Auswirkungen über den Klerus hinaus. Besonders ist auf das Kloster hinzuweisen, das als alternative Form des Zusammenlebens, auch von Frauen, außerhalb der familiären und patriarchalen Norm, eine spezifisch katholische Einrichtung bleibt, mit allen Vor- und Nachteilen. Bezüglich der wirtschaftlichen Struktur ist vorerst auf den enormen, im wahrsten Sinn des Wortes immobilen und traditionell bewirtschafteten Grundbesitz der Kirche in den katholischen Ländern (im groben Schnitt ein Drittel des Bodens) hinzuweisen. Generell zeichnen sich die katholischen Länder durch eine bewußte Pflege der Landwirtschaft als primärer wirtschaftlicher Ressource aus. Partielle Reagrarisierungen betreffen, soweit bisher bekanntgeworden, bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert ausschließlich katholische Gegenden. Umgekehrt ist die „Protoindustrie", die vor
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allem im Textilgewerbe anzutreffende Heimarbeit im Verlagssystem, schwerpunktmäßig eine Angelegenheit der Protestanten geblieben, die sich sozusagen als einzige unternehmerisch betätigten. Nur beim Bergbau sind die Unterschiede weniger groß, weil dieser standortgebunden ist. Die Schöpfer der modernen Wirtschaftstheorien (Merkantilismus, Kameralismus, Freihandel) außerhalb Frankreichs sind ausnahmslos Protestanten gewesen. Das von Max Weber beschriebene spezifisch protestantische Arbeitsethos ging den Katholiken ab, institutionell gestützt besonders durch die vielen Feiertage (im Schnitt 40-50 in städtischen, 70-80 in ländlichen Verhältnissen), die ihnen etwa doppelt so viele arbeitsfreie Tage im Jahr bescherten. Zu den mentalitätsmäßigen, in alltäglichen Einzelheiten feststellbaren Charakteristika der voraulklärerischen katholischen Welt gehören etwa, stichwortartig aufgezählt: generell schwache Disziplinierung, fehlende Selbstkontrolle, Affekthandeln, diffuses Zeitgefühl und Zeitvergeudung, Bevorzugung nicht anregender Genußmittel, mangelndes Hygiene- und Ordnungsbewußtsein, Mußepräferenz und „In-den-TagHineinleben", geringe bis fehlende Vorratshaltung und Sparsamkeit auch bei Bessergestellten, Verzicht auf rationale Zukunftsplanung, Ablehnung der Versicherung, Duldung des Bettels, ostentative Verschwendung, unproduktiver Konsum (materiell und kulturell), barocke Baulust auch im Volke (die „Sakrallandschaft"), entwickelte Festkultur, Toleranz gegenüber „Ausschweifungen" und irrationalem Handeln. Diese Verhaltensweisen, alles in allem das genaue Gegenbild der von Max Weber umschriebenen „protestantischen Ethik", werden teilweise durch das theologische System des Katholizismus gestützt. Geistesgeschichtlich zeigt der Katholizismus lange eine reservierte bis ablehnende Haltung gegenüber den neuaufkommenden Naturwissenschaften, welche in der Folge nicht mehr in Italien, sondern in Frankreich, den nördlichen Niederlanden und England eine Heimstätte finden. Umgekehrt können sich Elemente magischer Weltvorstellungen im katholischen Raum länger halten: Im Rahmen des theologischen Systems ist ihnen ein begrenzter - in der Praxis wohl vielfach überschrittener - Spielraum gewährleistet. Die Sakramentalien etwa erleichtern magische Interpretation des Geschehens. Weit besser als im Protestantismus kann sich so im Katholizismus unterhalb der klerikal definierten Religion eine auch pagane Elemente umschließende Volksfrömmigkeit etablieren, die sich im 17. Jahrhundert immer reicher ausgestaltet. Alte agrarische und medizinische Kulte können so noch eine Zeitlang überleben. Die Rolle von Frauen als Trägerinnen dabei ist wohl nicht geringzuschätzen. Sucht man nach einem begrifflichen Schlagwort für diese hier nur skizzenhaft präsentierte alte katholische Kultur, so bietet sich zweifellos der Terminus „Barock" an. Wenn er nicht ganz von seinen kunsthistorischen Grundlagen losgelöst und undifferenziert weit verwendet werden soll, muß er zur Hauptsache auf den katholischen Raum beschränkt werden. Diese barocke Kultur stieß nun spätestens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts mit der im protestantischen Raum entstandenen, später zuerst von Frankreich übernommenen Aufklärung zusammen. Gegen 1750 nämlich wurde von den Eliten verschiedener katholischer Länder die Diskrepanz beider Kulturen allgemein bemerkt und hinsichtlich der katholischen als „Rückstand", sei es in politisch-wirtschaftlicher, sei es in geistig-kultureller Hinsicht, gewertet. „Fortschritt" schien nur in den protestantischen Ländern, allenfalls in Frankreich, stattgefunden zu haben. Im Zeitraum von etwa 1570 bis 1630 hatte die
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katholische Welt die protestantische Herausforderung angenommen und überstanden, sie hatte sogar in der gegenreformatorischen Offensive kräftig Terrain zurückgewonnen - und dies keineswegs bloß mit Gewaltmitteln allein. Danach aber gab es nur noch einen kaum unterbrochenen Prozeß des Niedergangs dieser Machtstellung, und hundertfünfzig Jahre später hatte sich die Balance tief nach der protestantischen Seite hin geneigt. Die iberischen Länder und die italienischen Staaten waren politisch und wirtschaftlich in Dekadenz versunken; führend waren nun die nördlichen Niederlande als Wirtschaftsgroßmacht, später England, vorübergehend auch Schweden. Frankreichs Versuch einer Hegemonialpolitik war gescheitert. Sowohl im Reiche wie in der Eidgenossenschaft hatte sich der Machtschwerpunkt merklich nach der protestantischen Seite hin verlagert. Das habsburgische Österreich hatte zwar durch die Taten des Prinzen Eugen ebenfalls den Großmachtstatus erlangt. Aber der Koloß stand auf tönernen Füßen. Das gleiche Bild zeigte sich außerhalb Europas: Die alten katholischen Kolonialmächte waren auf dem Rückzug, die neuen protestantischen weltweit auf dem Vormarsch begriffen. Die Bilanz, wie sie sich etwa einer Maria Theresia oder ihrem Kanzler Kaunitz, aber auch den Herrschern und Ministern in den mittelmeerischen Ländern präsentierte, war wahrhaftig erschreckend. Für die Österreicher insbesondere hatte der Erste Schlesische Krieg mit seinem Ausgang eine Schockwirkung. Die aus dem Nichts des märkischen Sandes emporgestiegene und verhältnismäßig am stärksten militarisierte, protestantisch-pietistische brandenburgische Macht hatte sich erfrecht, den Kaiserstaat mit Krieg zu überziehen und diesen auch noch zu gewinnen. Hatten vorher nur einzelne Weitblickende, etwa die Frühkameralisten oder ein Prinz Eugen, dunkle Wolken gesehen, so war die alarmierende Situation jetzt offenkundig. Maria Theresia war überzeugt, daß nur noch eine „große Remedur" den Staat retten könne, und Fürst Kaunitz, der die Überlegenheit des Westens auf Reisen schon früh kennengelernt hatte, sann auf Mittel und Wege, diese durchzuführen. Selbst hohe Repräsentanten der Kirche sahen ein, daß es nicht mehr so weitergehen konnte. Sekundiert wurden sie durch mit den protestantischen Rechtsschulen und dem Kameralismus vertraute Gelehrte und Publizisten. Sie bemerkten, nicht selten ebenfalls durch ausgedehnte Reisen, das Macht- und Wohlstandsgefalle und fragten nach den Ursachen. Die Aufklärung machte die Differenz zwischen den beiden Hauptkonfessionen sichtbar und zeigte mit Fingern auf die Defizite des Katholizismus. Katalogartig aufgelistet erscheinen sie etwa in der 1772 anonym erschienenen, dem bayrischen Aufklärer Ickstatt zugeschriebenen Schrift: „Christian Ludwig Menschenfreunds Untersuchung der Frage: Warum ist der Wohlstand der protestantischen Länder so gar viel größer als der katholischen?" In Österreich waren es Justi, Sonnenfels und Karl von Zinzendorf, allesamt Konvertiten zum Katholizismus, welche immer wieder, in Schrift und Rede, auf die Überlegenheit der protestantischen Länder hinwiesen. In Italien schrieb Carlantonio Pilati von Tassulo in diesem Sinn. So entstand der Inferioritätskomplex, der die katholische Welt bis ins 20. Jahrhundert hinein prägte. Zwingendes Gebot der Stunde war unter diesen Umständen daher: Einholen und wenn möglich Überholen der protestantischen Welt, Sichbefreien vom Odium der „Rückständigkeit". Dem diente eine umfassende, seit der Jahrhundertmitte verfolgte und fast alle katholischen Staaten treffende Reformpolitik, deren Maßnahmen in den meisten Fällen - wie könnte es anders sein - auf protestantische Vorbilder zurück-
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griffen. Relativ früh und besonders eingreifend wurde diese Politik im größten katholischen Staat Europas, dem habsburgischen Österreich durchgeführt. Sie ist unter dem Begriff „Josephinismus" bekannt geworden, richtigerweise müßte man von „Theresianismus"-(oder „Kaunitzianismus"-)„Josephinismus" sprechen. Die Vorbilder dieser umfassenden Reformpolitik boten auch hier die protestantischen Länder; Gleichziehen mit diesen ist der Kern und wesentliches Motiv der von Maria Theresia und Kaunitz eingeleiteten Maßnahmen, die unter dem Kaiser, der ihnen den Namen gab, nur noch intensiviert wurden. Diese neue Politik, eine Art Entwicklungsdiktatur, umfaßt sozusagen alle Bereiche des historischen Lebens, doch stellt naturgemäß die Kirchenpolitik den Angelpunkt dar. Dabei sind zwei Feststellungen von Belang. Erstens stecken hinter den kirchlichen Reformen, dem Josephinismus im engeren Sinn, stets auch profane, genauer gesagt ökonomische Absichten mit dem Ziel einer Mentalitätsveränderung des wirtschaftenden Menschen. Zweitens wirken sich die Reformmaßnahmen, welche die Kirche bzw. den Katholizismus insgesamt nicht direkt betreffen, also dem Josephinismus im weiteren Sinn, gleichwohl stets indirekt auf jene aus. Die josephinische Kirchenreform stellt den ersten Generalangriff auf die alte katholische Kultur dar, weitere sollten bis in unser Jahrhundert folgen. Die theresianisch-josephinische Staatsreform steht im Rahmen des sogenannten aufgeklärten Absolutismus, der, genau betrachtet und losgelöst von den borussischen Traditionen der deutschen Geschichtswissenschaft, zum größten Teil eine Angelegenheit des katholischen Europa gewesen ist. Für diese Länder, insbesondere auch die oft übersehenen mittelmeerischen, gab es offenbar keinen Weg am Reformabsolutismus vorbei, er war notwendige Durchgangsphase. Trotz den bekannten Widersprüchen, auf die man schon früh hingewiesen hat, scheint der Terminus „aufgeklärt" zur Charakteristik dieser Reformpolitik nicht ungeeignet, insofern als die Aufklärung im wesentlichen protestantischen Ursprungs ist, „Antibarock" in jeder Hinsicht, Inkarnation des Fortschrittsprinzips und totalitär in ihrem Anspruch. Aufklärung legitimiert die schon vorher einsetzenden Prozesse der Rationalisierung, Zivilisierung, Disziplinierung und Norminternalisierung und macht es nun auch in der katholischen Welt möglich, den Herrschaftsapparat dafür einzusetzen. Daher ist für das katholische Europa die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Zeitenwende, wie es für die protestantische nur die Reformation war. Die aufgeklärte Kirchenreform ist eine nachgeholte Reformation, aber in der Praxis radikaleren Zuschnitts, weil sie unter den Anforderungen und Bedingungen der sich nun ausbildenden technisch-industriellen, voll kapitalistischen Zivilisation stattfindet. Doch wäre es verfehlt, den Josephinismus auf die Kirchenreform einzuschränken. Im wesentlichen ist er eine „Mentalitätsrevolution" von oben, eine gigantische Umerziehungsaktion für ein ganzes Volk, eine Entwicklungsdiktatur eben mit dem Ziel, auch dem Katholiken die bislang weitgehend fehlenden, den „Fortschritt" befördernden protestantischen Tugenden einzupflanzen: Fleiß, Ordnung, Sauberkeit, Sparsamkeit, Genügsamkeit, Zeitbewußtsein, Zielstrebigkeit, Rechenhaftigkeit, Voraussicht und -planung, Affektkontrolle, Verschiebung von Bedürfnisbefriedigung, Bildimgsstreben, Leistungsbereitschaft, „Industriosität" usw., kurz alle jene rationalen und disziplinierenden Verhaltensweisen, welche zuerst Max Weber unter dem Begriff des „kapitalistischen Geistes" zusammengefaßt hat. Dies war das Programm des Angriffs auf die alte katholische Kultur, von der die Institution Kirche nur ein Teil ist Es gibt
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keinen Bereich dieser Kultur, der von den Reformmaßnahmen nicht tangiert worden wäre; unter den gegebenen Umständen war die Auseinandersetzung eine totale, ohne Pardon und Rücksichtnahme. Gewiß, man war erst am Beginn, und die Durchführung war schwieriger, als man es sich vorgestellt hatte: Vielen Aufklärern machte Kopfzerbrechen, daß der „Pöbel" nicht das tun wollte, was doch so vernünftig, gut und wohlüberlegt war. Gleichwohl sollte die Bedeutung dieser Umkrempelung, welche praktisch alle Lebensbereiche umfaßte und recht eigentlich einen neuen Menschen schuf, nicht unterschätzt werden. Der Josephinismus und verwandte Bewegungen waren der Beginn einer mentalen Veränderung der katholischen Welt, ein Prozeß, welcher erst nach der Mitte unseres Jahrhunderts seinen endgültigen Abschluß - lehramtlich sanktioniert im Zweiten Vatikanum - fand, nach vielen Pausen und Rückschlägen, nach Überwindung enormer Widerstände.
LITERATURHINWEISE ARETIN, Karl Otmar Frhr. von (Hg.), Der aufgeklärte Absolutismus, Köln 1974 (bes. S. 42-44 „Zwölf Thesen") HERSCHE, Peter, Wider „Müssiggang" und „Ausschweifung". Feiertage und ihre Reduktion im katholischen Europa, namentlich im deutschsprachigen Raum zwischen 1750 und 1800, in: Innsbrucker Historische Studien 12/13 (1990) S. 97-122 Ders., „Klassizistischer" Katholizismus. Der konfessionsgeschichtliche Sonderfall Frankreich (im Druck, erscheint in HZ 1995) Ders., Max Weber, Italien und der Katholizismus (im Druck, erscheint in QFIAB 76,1996) LEWISCH, Peter, Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Oesterreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum AGBG, Wien 1988 3 MÜLLER-ABMACK, Allred, Religion und Wirtschaft, Bern 1981 PRINZ, Michael, [Red.], Westfälische Forschungen 4 2 (1992) (mehrere Aufsätze zum Thema der Sozial disziplinierung) SACHSSE, Christoph / TENNSTEDT, Florian (Hg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, Frankfurt/M. 1986 SZABO, Franz A. J., Kaunitz and Enlightened Absolutism 1753-1780, Cambridge 1994 KLINGENSTEIN, Walter, Grete, Sozial di sziplinierung und ökonomische Probleme in der theresianischen Politik, in: Luigi Tavano und France M. Dolinar, Carlo Michele d'Attems, Primo arcivescovo di Gorizia (1752-1774) fra curia romana e stato asburgico, Gorizia 1990, S. 83-91
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Protestantismus und Aufklärung Voraussetzungen
Die Reformation brachte vier verschiedene Kirchentypen hervor, die alle relativ früh in die aufklärerische Bewegimg einmünden. Im 16. Jahrhundert hatten sich Lutheraner, Anglikaner und Reformierte dort, wo sie es konnten, als Staatskirchen organisiert. Wo dies nicht möglich war, erhielten sie meistens die Rechte von tolerierten Minderheiten. Nur in den Niederlanden, in Großbritannien und in Nordamerika konnten sich die „Dissenters" (bzw. „Non-Conformists") frei entwickeln: Täufer, Mennoniten, Methodisten, Baptisten etc. als „Sekten" oder „Freikirchen". Im 18. Jahrhundert ist die Lage in der Regel noch die gleiche, wie sie sich im Laufe des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte: Der Anglikanismus ist Staatskirche in England und seinen Kolonien, Staatskirche auch im an sich katholischen Königreich Irland. Minoritär finden sich auch Anglikaner im Königreich Schottland. Das Luthertum ist Staatskirche in Dänemark/Norwegen, Schweden/Finnland, im Baltikum und in der Mehrheit der deutschen Fürstentümer und Reichsstädte, minoritär in Ungarn und im Elsaß. Die durch die „Confessio Helvetica posterior" (1566) zusammengeführten Reformierten (Zwinglianer und Calvinisten) bilden Staatskirchen in den (wirtschaftlich) dominierenden unter den Schweizer Kantonen (Republik Genf inklusive), in den niederländischen Provinzen (und Kolonien), im Königreich Schottland sowie in etlichen deutschen Fürstentümern. Mehrheitlich reformiert ist auch das Königreich Ungarn, aber ohne eigentliche gesamtkirchliche Organisation, stets von Rekatholisierung bedroht. Schließlich gehören zur reformierten Welt die freikirchlich organisierten Presbyterianer in England, Irland (Ulster) und Nordamerika sowie die teils trotz aller Verfolgung in Frankreich verbliebenen Hugenotten und die ebenso verbliebenen Waldenser im savoyischen Piémont Versteckt leben noch Protestanten lutherischer oder reformierter Observanz im Bereich der Habsburgermonarchie, vor allem in Böhmen und im Königreich Polen. Diese bunte protestantische Welt findet so gut wie überall den Zugang zur Aufklärung; am raschesten der Anglikanismus dank humanistischer Traditionen (Naturrecht) und bestimmten politischen Veränderungen im England des 17. Jahrhunderts. Das Luthertum geht etwas langsamer den gleichen Weg. Bei den Reformierten ist der Bruch mit der calvinistischen Orthodoxie härter, vollzieht sich jedoch relativ rasch. Neue Wege finden auch die Freikirchen, insbesondere durch die pietistische Bewegung. Die staatskirchliche Verfassung der drei großen protestantischen Gruppen ist für die Aufklärung von Vorteil, wenn die Aufklärung durch den Staat befördert wird. Bei der engen Verflechtung von Kirche und Staat ist die aufklärerische Bewegimg in der Regel gemeinsame Sache von Geistlichen und Laien, die in den entscheidenden obrigkeitlichen Gremien Einsitz haben. Auch die Politiker verfügen in der Regel über eine gewisse theologische Bildung.
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I. Der rationalistische Ansatz der Reformation als ein Weg in die Aufklärung Die Bibelinterpretation ist ein theologischer Ansatz zur aufklärerischen Textkritik. Die Propagierung der Nationalsprache (d. h. einer für alle verständlichen Sprache) statt des Lateinischen fördert die Aufklärung in breiteren Schichten. Mit dem Psalmengesang wird eine neue Singtradition entwickelt, die weiteste Schichten erfaßt. Die Nüchternheit und Einfachheit der Liturgie (besonders bei den Reformierten und den Freikirchen), wie die „Reinigung" des Kircheninnern (besonders bei den Reformierten), bedeutet „Befreiung" von mystisch-irrationalen Elementen. Ähnlich wirkt die Neufassimg der Eucharistie (besonders rational bei den Reformierten: Wein und Brot als reines Zeichen und Sinnbild).
Π. Republikanisch-pluralistische als Erbe der Reformation
Organisationsformen
Schon die Tatsache, daß mehrere etablierte Kirchen nebeneinander bestehen, ist mit der Zeit ein Ansporn dafür, solche Pluralität als richtig zu erkennen. Das republikanische Element ist bei den Reformierten im Sittengericht (Consistoire), wo Laien dominieren, durchgeführt. Bei den Reformierten herrscht Kollegialität in der Kirchenfuhrung: zumindest Konvent der Stadtpfarrschaft, wenn nicht die Synode aller Geistlichen. Das republikanisch-demokratische Element findet sich ohnehin in den Freikirchen. Das pädagogische Anliegen der Reformation zielt auf allgemeine Schulung, auf Volkserziehung, Laienbildung: nicht städtische Elitenbildung allein, sondern auch die der „Landschulen". Hier hegt ein reformatorischer Ansatz zur „Volksaufklärung" (vgl. unter Abschnitt I, „Singkultur").
El. Sozioökonomische Offenheit Das alte christliche Arbeitsethos erhält durch die Reformation einen neuen nachhaltigen Impuls. Arbeit soll „ad majorem gloriam Dei" geleistet werden. Ganz allgemein führt die puritanische Lebensweise der Protestanten über zum aufklärerischen Tugendbegriff. Das Vorbild ist nicht mehr der meditierende, andächtige und betende Mönch im Kloster, sondern der tätige Mensch, der in der „Welt" das christliche Ideal lebt. Die Reduktion bzw. Abschaffung der kirchlichen Feiertage gehört auch in diese Zusammenhänge. Die Veränderung der „religiösen Landschaft", wo sich in Land und Stadt die kirchliche Aktivität auf die eine (alte) Hauptkirche konzentriert, wo Kapellen, Bildstöcke, Wegkreuze, Wallfahrtskirchen und ganze Klöster verschwunden bzw. säkularisiert sind, schafft eine für werktägliche Arbeit günstige Athmosphäre. Die Reformation hat auch mit der Verfemimg des (Wucher-)Kapitalismus Schluß gemacht, dadurch, daß Calvin in der leidigen Zinsfrage statt des freien Zinssatzes den vernünftigen, nach oben begrenzten Zinssatz offiziell in Genf einführen konnte und damit in einem christlichen Staatswesen ein geregeltes Bankwesen ermöglichte.
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Unter anderm aus solchen Gründen entwickelte sich die Protoindustrie fast ausnahmslos nur in protestantischen Ländern. Hier wäre die Rolle der emigrierten Hugenottenkaufleute im lutherischen und anglikanischen Bereich nicht zu vergessen.
TV. Die Frage des Widerstandsrechts Die von Calvin selbst und weiteren calvinistischen Theologen entwickelte Lehre vom Widerstandsrecht spielt in den Niederlanden und bei den Dissenters in England im 17. Jahrhundert eine bedeutsame Rolle, sowie natürlich bei den Hugenotten. Es stößt jedoch im lutherischen Bereich (besonders im deutschen) weiterhin auf Ablehnung. Das Widerstandsrecht wird jedoch - zumindest theoretisch - von der Aufklärung im Rahmen der naturrechtlichen Theorien durchaus rezipiert
V. Das Postulat des „vernünftigen Christentumsa Dieses liegt schon in rationalen Ansätzen der protestantischen Theologie, in bestimmten humanistischen Traditionen wie im Sozzinianismus begründet Die erste Kirche, die umschaltet, ist die anglikanische. Dies geschieht vor allem durch Bischöfe wie Tillotson und Cumberland, die mit dem Anglikaner Locke dem christlichen Naturrecht zum Durchbruch verhelfen. Im Anglikanismus ist durch den Reformator Richard Hooker und die Schule der „Cambridge Platonists" ein offener Humanismus angelegt. Schon vor der Revokation des Edikts von Nantes ist in der hugenottisch-reformierten Theologie durch die Schule von Saumur eine freiere Richtung zum Durchbruch gekommen. Ein deutlicher Wechsel vollzieht sich gegen 1700 in Genf, wo die steife calvinistische Orthodoxie des François Turrettini durch die offenere seines Sohnes Jean-Alphonse Turrettini abgelöst wird, der mit Ostervald (Neuchâtel) und Werenfels (Basel) als „helvetisches Triumvirat" die „vernünftige Orthodoxie" (Wernle 1923, 468 f.) begründet, die über den schweizerischen Protestantismus hinaus von Einfluß ist Später wirken im deutschen Luthertum Lorenz Mosheim und im nordischen Luthertum Erik Pontoppidan in ähnlicher Weise (Pontoppidan mit pietistischer Tendenz). Allgemein ist zu sagen, daß bei diesen Theologen der Akzent vom Dogma auf die christliche Ethik verlagert wird.
VI. Toleranzidee Die ursprüngliche Toleranzidee des christlichen Humanismus geht vorerst in der konfessionalisierten Welt des 16./17. Jahrhunderts unter. Als erste sollten die Niederlande in ihrem pluralistischen (wenn auch vornehmlich calvinistischen) geführten Kampf gegen das konfessionelle Spanien religiöse Toleranz praktizieren, je nach Provinz verschieden. Es ist nun möglich, daß neben der calvinistischen Hauptkirche in
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den Seitengassen und den Hinterhöfen „Scheenkerken" entstehen können, als Werk der verschiedenen Dominaüonen protestantischer Herkunft, die sich mehr oder weniger frei entwickeln können und politischen Einfluß haben (gilt besonders für Holland). Es folgt die englische Entwicklung, wo neben die anglikanische Kathedrale (bzw. Parish-Church) die „Chapéis" der verschiedenen nonkonfontiistischen Gruppen treten, die von der „Toleration Act" (1689) an Glaubensfreiheit genießen. Die literarisch-theologische Verarbeitung geschieht durch Jonathan Swift in seiner „Tale of a Tub" (1704), längst vor Lessings „Nathan dem Weisen" (1779). Im übrigen protestantischen Europa zeigt sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine etwas tolerantere Haltung, gelegentlich auch dem Katholizismus gegenüber. Sie ist abhängig von der Praxis der Regierungen und geschieht ohne offizielle Anerkennimg oder entsprechende Toleranzdeklaration. Mit der Toleranz andersartiger religiöser Gruppen geht schon früh die Offenheit naturwissenschaftlicher Forschung gegenüber einher. Relativ bald kann das kopernikanische Weltbild akzeptiert werden. Ganz allgemein verliert die kirchliche Zensur an Wirkung, bleibt aber offiziell bestehen. Sie wird je nach dem Grade des „aufgeklärten Absolutismus" verschieden gehandhabt.
VII. Freiere Religiosität Weil die Aufklärung in der Regel im Protestantismus keinen Feind sehen muß, verbleibt eine religiöse Grundhaltung - etwa als „Religiosität der Gebildeten" (Bödeker 1988, 114 f.). Deistische und gar atheistische Verhaltensweisen sind relativ selten. Damit entfällt auch ein ausgesprochener Antiklerikalismus. Oft auch gerade darum, weil protestantische Geistliche überall in der gemeinnützigen Reformbewegung (Sozietäten) aktiv sind. Ein orthodoxer Protestantismus bleibt natürlich bestehen. Er gerät aber überall in Minderheit und verliert den kirchenpolitischen Einfluß. Es sind jedoch durchaus Rückfalle möglich, wie zum Beispiel das Wöllnersche Religionsedikt in Preußen (1788-1797). In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage des Pietismus. Er ist im 18. Jahrhundert nicht - wie lange geglaubt - nur eine einseitig-antiaufklärerische Bewegung. Gemeinsam mit der Aufklärung hat er die Ablehnung der staatskirchlichen altprotestantischen Orthodoxie, ein ausgesprochenes Arbeitsethos und eine Achtung vor dem Individuum, der religiösen Persönlichkeit. Wichtig für den Pietismus wie für die Aufklärung ist die Freiheit in- und außerhalb der Staatskirche, was bei Geistlichen und Laien sehr viele Varianten des religiösen Verhaltens ermöglicht.
Vili. Ökumenische Tendenzen Innerprotestantisch gesehen ist festzustellen, daß der in England und den Niederlanden praktizierte Pluralismus der Denominationen auch allmählich in konfessionell geschlossene Gebiete eindringt. Beispiele wären Genf, wo ab 1700 lutherischer und ab 1712 anglikanischer Gottesdienst zugelassen wird. Dann die vielen Hugenotten-
Protestantismus und Aufklärung
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(und Waldenser-)Kirchen in lutherischen Territorien, oder etwa der Bau der reformierten Kirche in Göttingen unter Albrecht von Hallers Auspizien. Schwerer tut man sich mit den Beziehungen zu den römischen Katholiken. Das in deutschen Territorien und Reichsstädten, schweizerischen Kantonen und gewissen Teilen der Niederlande seit der Reformation praktizierte Nebeneinander beider Konfessionen in Form der (oft sehr ungleichen) Parität bleibt problematisch und beschränkt sich in der Regel auf politisch-juristische Regelungen. Auf hoher Ebene wird allmählich ein Gespräch möglich (Korrespondenz Bossuet/ Leibniz). Aber noch hundert Jahre später gilt etwa Lavater seiner Beziehungen zu Katholiken wegen als „Kryptokatholik". Ein Beispiel dafür, daß bei vielen - und besonders im breiten protestantischen Volk - der antikatholische Affekt weitgehend erhalten bleibt. Doch häufen sich die Beispiele offener Begegnung. So ist etwa in den wenigen Sozietäten gemischter Konfession eine intensive Zusammenarbeit zwischen Geistlichen und Laien beider Konfessionen festzustellen. Es handelt sich dabei um keine theologische, wohl aber praktische Zusammenarbeit. Interne theologisch-ökumenische Gespräche sind dabei gewiß nicht auszuschließen. Diesbezüglich wäre auch an die Freimaurerei mit ihren über- oder zwischenkonfessionellen Tendenzen (nicht nur in England) zu denken. - Beiderseits wird die Erkenntnis der Vielfalt der Wege zum Heil zum Bestandteil einer religiös aufgeklärten Haltung.
LITERATURHINWEISE
ANER, Karl: Die Theologie der Lessingzeit, Berlin 1929. BÖDEKER, Hans Erich: Die Religiosität der Gebildeten, Wolfenbütteler Studien 1988,114 f. IM HOF, Ulrich: Das gesellige Jahrhundert, Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, München 1982. PHILIPP, Wolfgang (Hg.): Das Zeitalter der Aulklärung, Bremen 1963, Wuppertal 1988. RENDTORFF, Trutz (Hg.): Glaube und Toleranz. Das theologische Erbe der Aufklärung, Gütersloh 1982. SCHMIDT, Martin: Art. Aufklärung II. Theologisch, in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 4, Berlin 1979, S. 594-608 (Lit.). SCHOLDER, Klaus: Grundzüge der theologischen Aufklärung in Deutschland, in: Geist und Geschichte der Reformation, H. Rückert, Berlin 1966, 460-486. TRÖLTSCH, Ernst: Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit, 1906, 2. Aufl. 1922. WERNLE, Paul: Der schweizerische Protestantismus im 18. Jahrhundert, 3 Bde., Tübingen 19251925.
Catherine Kintzler
Jean-Jacques Rousseau et l'Encyclopédie:
une rupture esthétique
La pensée esthétique de J.-J. Rousseau inaugure et légitime une référence qui est devenue notre évidence, notre pensée naturelle - l'idée selon laquelle l'art a pour fonction d'exprimer un état ineffable des passions humaines. Rousseau donne sa légitimité à l'anti-matérialisme et à l'anti-rationalisme accrédités aujourd'hui encore largement en matière esthétique. Dans cette légitimation, la musique joue un rôle décisif, placée par Rousseau en position d'art-pilote, de modèle représentant l'immatérialité, l'authenticité et la spiritualité du monde moral dont le schème est une voix intérieure. Mais cette inauguration s'autorise d'un renversement. Rousseau retourne comme un gant l'un des plus imposants édifices esthétiques jamais construits et pensés. Je veux parler de l'esthétique classique française, esthétique de la matière et des raisons, esthétique à modèle littéraire et poétique au sein de laquelle la musique avait cependant conquis une place de plein droit sous la forme magnifique et tapageuse de l'opéra merveilleux1. Si la France sort de son splendide isolement et s'aligne sur l'Europe à partir de la seconde moité du XVIIIe siècle, c'est la faute à Rousseau. A la fois système et contre-système, la pensée de Rousseau a l'ampleur d'une philosophie complète, avec sa logique - celle de la transparence 2 -, avec sa cosmologie, son système de la nature et son anthropologie - le dualisme entre monde physicorationnel et monde éthico-passionnel -, avec son éthique - celle de la régénération. De ce dispositif, les articles de l'Encyclopédie forment le premier jalon. Mais, pour en saisir la cohérence, il faut se donner un ensemble de textes plus vaste: la Lettre sur la musique française, la Lettre à d'Alembert sur les spectacles, et surtout l'Essai sur l'origine des langues. Dans ce dispositif critique et thématique, la musique occupe une place fondatrice. Pourquoi? La raisonnement de Rousseau est simple: l'aveuglement des penseurs classiques (dont Rameau est à la fois le représentant et la caricature) consiste à n'avoir pas su penser l'effet musical comme un effet signifiant. La musique ne produit d'effet que sur les hommes parce que seuls les hommes sont des êtres qui parlent: c'est de là qu'il faut partir. La pensée classique n'a pu saisir le rapport entre musique et phénomènes signifiants qu'en le matérialisant et en l'intellectualisant. Le modèle lullyste, qui s'efforce d'articuler musique et langue, n'aboutit au mieux qu'à une mécanique de leurs relations. Le modèle ramiste, qui croit épuiser la musique en déployant ses composantes abstraites, se crispe sur une vision intellectuelle et matérielle, vision exacte certes, 1 2
Voir C . KINTZLER, Poétique de l'Opéra français de Corneille à Rousseau, Paris: Minerve, 1 9 9 1 . Terme évidemment emprunté à J. STAROBINSKI, Jean-Jacques Rousseau, la transparence et l'obstacle, Pans: Gallimard, 1971.
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mais incomplète. Rameau se trompe en croyant que la musique se réduit à un ensemble ordnonné de vibrations calculables: il est victime de l'illusion harmoniste. Symétriques et renvoyées dos à dos, les deux grandes figures de la musique française ont en partage une forme de fétichisme: elles adorent la matière et ses articulations. Ni rationnel, ni matériel, irréductible à une grammaire 3 , c'est-à-dire à ime harmonie, l'effet de sens est moral et tient à la spécificité de la nature humaine. C'est sur la notion de parole qu'il faut se pencher si l'on veut comprendre quelque chose à la musique, et non sur l'analyse du corps sonore: voilà pourquoi la réflexion sur les langues fournit son appui à la théorie esthétique de Rousseau. Mais, loin de se donner l'organisation des langues comme objet, Rousseau se propose d'en dégager le noyau profond, de remonter à une phénomène originaire et commun à toutes. Il est ainsi conduit à supposer un langage primitif, fiction philosophique fonctionnant comme l'archétype de tout effet parlant. Alors s'effectue le déplacement par lequel Rousseau rompt avec la pensée classique: le principe actif rendant compte des effets de signification est à chercher dans une donnée immatérielle. Le signe passionné fournit seul aux langues et à la musique leur force et leur énergie. Le schème qui porte la trace de cette immatérialité est la voix, phénomène «pneumatique» inarticulé et accentué. «Les oiseaux sifflent, l'homme seul chante»4: la césure qui partage l'univers rousseauiste en monde matériel et monde moral, monde rationnel des calculs et monde psychique des passions, monde des alphabets et monde des hiéroglyphes, monde des articulations et monde des accents, monde réglé par l'espace et monde réglé par le temps, cette césure inlassablement et passionnément répétée dans l'Essai sur l'origine des langues a pour centre de gravité l'opposition: harmonie/mélodie. L'opposition matricielle entre harmonie et mélodie entraîne avec elle une théorie de la vérité et une ontologie. Dans ses conséquences, elle s'accorde avec le programme de régénération politique et morale dont la Lettre à d'Alembert sur les spectacles présente la version sombre, rudement réglée sur le fantasme lacédémonien, et dont le Contrat social est la version éclairée et apollinienne. Alors, à partir de la musique, c'est toute l'esthétique classique qui, de proche en proche, se trouve à la fois récusée et révélée. La musique française, l'opéra, le théâtre classique, tous ces joyaux d'une pensée somptueuse, chargée de matière et de concepts, d'une pensée qui exaltait la ficition (médiation nécessaire à la vérité), toutes ces valeurs, aménité, politesse, élégance, urbanité, raffinement, incarnées dans les cartésiens de la seconde génération, hautains, insolents et spirituels, - ceux que Rousseau souhaitait peut-être pour pères - les Fontenelle, les Voltaire, les Rameau, tout cela, dans un grand élan qui a quelque chose de platonicien, est dénoncé et démasqué. Parce qu'il se méfie de la matière et des raisons, Rousseau se retire dans un monde d'où l'esthétique classique lui apparaît comme le dernier mot et l'épuisement d'une pensée dépourvue de spiritualité parce que trop chargée d'esprit.
3 Voir J. DERRIDA, De la grammatologie, Paris: Minuit, 1967. 4 Essai sur l'origine des langues, chap. XVI.
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Voilà pourquoi Rousseau est le père des évidences modernes en matière esthétique5, de ces évidences spiritualistes qui nous ont longtemps rendu sourds à l'opéra français, qui ont inauguré cette étrange haine que les Français vouent à leur propre musique et cette étrange défiance qu'ils nourrissent à l'égard de leur propre théâtre. Pour terminer je voudrais malgré tout arracher Rousseau à cette réductrice et funeste descendance en soulignant trois idées. 1. Rousseau a cultivé son aversion pour la pensée et l'esthétique classiques françaises à un point extrême, précisément le point où l'aversion se transforme en intellectualité. Fossoyeur de la pensée classique, il en est aussi l'archiviste et le conservateur. 2. Sa réflexion esthétique passe par des voies raffinées, complexes et quelquefois retorses. Etrangement, elle reste dépendante de ce qu'elle honnit et a besoin de ceux qu'elle se donne pour cible. Ce fut le cas pour les lullystes, dont Rousseau reprend les arguments en 1755 pour les retourner contre la musique française 6 . Ce fut le cas - et cela est moins connu - pour l'abbé Dubos, penseur empiriste et ultra-mécaniste: la lecture rousseauiste accrédite encore un gigantesque contresens, qui fait de Dubos le précurseur de l'esthétique intimiste. 3. Bien que la pensée esthétique de Rousseau se solde souvant par un anti-rationalisme, elle est cependant parfaitement compatible avec la forme du rationalisme qui caractérise les Lumières. La pensée rationaliste française connut en effet deux formes distinctes. Le rationalisme de l'âge classique à modèle mathématique et métaphysique dont Descartes est l'emblème et le héraut, contrairement à ce qu'on entend parfois, s'accompagne d'une très riche pensée des possibles; c'est ime réflexion portée sur la métaphysique, trop rationnelle pour être raisonnable7. La théorie cornélienne de la vraisemblance en est une version esthétique. On oublie trop souvent que cette théorie, elle aussi trop rationnelle pour être raisonnable, fonde toute la poétique du merveilleux dont l'opéra va s'emparer 8 . On en voit encore de beaux restes dans l'Encyclopédie sous la plume de Cahusac. C'est à ce rationalisme fécond en produits imaginaires et romanesques que Rousseau s'en prend. En revanche Rousseau peut faire bon ménage avec le rationalisme des Lumières à modèle expérimental. Progrès en matière scientifique, cet esprit expérimental s'accompagne d'un mouvement d'appauvrissement poétique - critique de la mythologie, critique du merveilleux, critique de la danse, exigence de réalisme et de simplification - dont le théâtre bourgeois est le fruit le plus connu et sur lequel l'opéra va bientôt s'aligner. Rousseau, lui, va jusqu'au bout de cette logique de l'austérité en abolissant le théâtre dans la fête populaire, moment de communion ultime où le spectacle s'évanouit, où il ne se passe rigoureusement rien. 5 Voir notamment J. MONGRÉDIEN, La Musique en France des Lumières au Romantisme, Paris: Flammarion, 1 9 8 6 ; B . DIDIER, La Musique des Lumières, Paris: PUF, 1 9 8 5 ; R. MORTIER, L'Originalité. Une Nouvelle catégorie esthétique au siècle des Lumières, Genève: Droz, 1985. 6 Rousseau use de la même «technique de l'emprunt perverti» (Cf. C. KINTZLER, op. cit., p. 4 8 7 ) à propos des textes de Bossuet sur le théâtre. 7 Rappelons que les Méditations métaphysiques de Descartes se déroulent en grande partie en rêve, pendant que son auteur et son lecteur sont sous l'effiet de l'argument du sommeil. 8 Théorie scalaire de la vraisemblance, cf. KINTZLER, op. cit., p. 1 6 5 et suiv.
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Alors que la première forme de rationalisme ose penser l'ordre de la fiction comme relevant du possible et du vraisemblable, la seconde ne peut plus le faire parce qu'elle se borne au champ expérimental: il n'est donc pas étonnant qu'elle laisse les mains libres à l'irrationalisme en matière esthétique. D'un côté Duelos, Cahusac, d'Alembert, de l'autre Rousseau et Grimm (dont l'article «Poème lyrique» s'achève sur un manifeste de l'esthétique de l'ineffable et du point de suspension): c'est par ces deux figures que l'Encyclopédie me semble traversée.
Lionello
Sozzi
Il paese delle chimere
Illusioni dei sensi: inganno del demonio. Illusioni della mente e del cuore: inganno degli dei, o frutto dell'umana fragilità: la tradizione religiosa, il razionalismo illuministico, respingono le chimere illusorie in base a queste due antitetiche prevenzioni. Da un lato, in una prospettiva fideistica, illusori sono i beni di cui il mondo propone il seducente ma rischioso bagliore. Dall'altro, nella prospettiva della ragione, il discorso si capovolge: illusori sono i miti spiritualistici e le speranze ultraterrene con cui la fede e le strutture confessionali ci attirano, distogliendoci dall'unico compito cui valga la pena di obbedire, quello di coltivare il nostro giardino. Da un lato Bossuet, o il père Caussade, dall'altro il barone d'Holbach, o lo stesso Voltaire. Poi, con Rousseau, tutto cambia. Alla fine della Nouvelle Héloïse l'eroina della storia, Julie, spiega al suo ex-amante Saint-Preux perché a suo giudizio la mancata realizzazione del loro sogno sia tutt'altro che da deplorare. La fantasia, dice Julie, cinge di aloni sublimanti e chimerici le cose desiderate e sognate, ma non può più agire quando l'oggetto del desiderio è posseduto e goduto. Allora, cessando l'illusione, cessa ogni incanto, e tutto si degrada e svilisce. E' meglio, pertanto, saper rinunciare al possesso, non discendere mai dai livelli sublimi del desiderio e del sogno: si è felici solo prima di essere felici, il paese delle chimere è l'unico degno di essere abitato ed è bello solo ciò che non è. Nasce da quella pagina di Rousseau un ripensamento della nozione di illusione che invade, tra Sette e Ottocento, tutti gli spazi letterari, risolvendosi per altro in fomulazioni molteplici, anche molto diverse, persino antitetiche. Leopardi, che della pagina di Jean-Jacques trascriverà, nello Zibaldone, i passaggi salienti, sarà forse il punto di arrivo, e il più alto, di tale processo. Dicevamo: formulazioni molteplici. L'illusione può definirsi come gioco infantile (ludus, si sa, è la sua radice etimologica), come ingenuità, come candido cedimento a iridate ma false visioni, a miraggi accattivanti ma ingannevoli. Può limitarsi, sullo sfondo di un disincanto, alla dimensione del conforto, configurarsi come lenimento, come alternativa indubbiamente vana e tuttavia consolante. Può, sotto la spinta di mi entusiasmo ben più profondo, risolversi in termini di fecondità, assumere una funzione costruttiva, progressiva, creativa. Può ancora voler dire, alla luce di una fede più alta, alimentata da vocazioni contemplative, sguardo rivolto ai valori assoluti, all'infinito, al sacro, al divino, che il mondo trascura e dimentica. Può infine, l'illusione, sottrarsi, dissolversi, lasciando al suo posto un incolmabile vuoto: non si avrà, allora, la celebrazione delle illusioni, ma piuttosto l'osservazione sconsolata del loro dileguarsi dall'orizzonte degli uomini, il pianto senza lacrime sulle chimere incenerite. Ingenuo cedimento alle visioni illusorie. Uno spirito forte, uno spirito che ancora sia erede della lucida razionalità illuministica, conosce il fascino, il prestigio delle finzioni, ma sa anche, inflessibilmente, preservarsene. Sa che le illusioni sono come le insidiose „femmine" di cui parla Da Ponte in un'aria delle Nozze di Figaro: „Son streghe che incantano / Per farci penar, / Sirene che cantano / Per farci affo-
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gar". Valmont, nelle Liaisons dangereuses, non ha dubbi in proposito, egli è sicuro di riuscire a sottrarsi a ogni caligine chimerica, vuol conquistare Madame de Tourvel senza che il suo progetto si attardi negli spazi del sogno, vuole, dice, fissare la felicità senza ricorrere all'aiuto delle illusioni. Non è forse questa, per altro, l'illusione suprema? Valmont è vittima della sua stessa razionale strategia, crede (è il suo miraggio) che sia possibile all'uomo cogliere la felicità su un terreno nudo e spoglio, battuto dal freddo vento della ragione. Gioco orgoglioso del seduttore, del libertino? Certo, ma anche convinzione che ogni ingenuo cedimento metta in gioco l'umana dignità. E' il pensiero di Chamfort: uomo per eccellenza, dice in una sua massima, è il gentiluomo che ha saputo affrancarsi da ogni illusione. Non è gusto cinico, il suo, né dispregio dell'umano candore, bensì propensione al riserbo, senso del decoro, fierezza. Quest'honnête homme disincantato, precisa Chamfort, è come un uomo che, da un luogo in piena luce, vede in ima camera oscura i gesti ridicoli di coloro che scompostamente vi si muovono. La stessa immagine, per altro, o un'immagine consimile, può assumere significati del tutto opposti. In un brano di Werther, Goethe dice che l'illusione suprema, cioè l'amore, rende la vita come ima lanterna magica che sarebbe buia se non fosse rischiarata da quella luce: vi si muovono, allora, immagini vane, fantasmi illusori, che però ci rendono felici, se ci accontentiamo di contemplarne l'avvenenza. Qui, la camera buia non è quella di Chamfort, in cui gli illusi si muovono scompostamente, ma quella, appunto, di un mondo che non conosca miraggi e illusioni. Con un testo come questo, siamo già sul versante della funzione consolatoria di illusioni che sempre albergano nel cuore dell'uomo, gli danno luce e alleviano la sua tristezza e la sua pena. Lo dicono molto spesso i poeti, Akenside in Inghilterra nel suo poemetto sull'immaginazione, Bernis o Dorat in Francia, in Italia Metastasio, che Mozart amò, e che scrisse ad esempio nel melodramma Zenobia: „Non so se la speranza / Va coll'inganno unita. / So che mantiene in vita / Qualche infelice almen". Debolezze, ingenuità di poeti? In realtà, formulazioni del genere s'incontrano anche presso più austeri pensatori e scrittori. Durante il riflusso termidoriano, un poeta come Delille ammette che in taluni casi l'errore merita rispetto e l'inganno è sacro, e questo può sembrare davvero un capovolgimento della posizione dei philosophes, per i quali l'errore è sempre da combattere. Ma se poi apriamo l'Encyclopédie alla voce „illusion", leggiamo con sorpresa: „Ci sono illusioni dolci e consolanti che sarebbe crudele strappare agli uomini". All'illusione consolante credono dunque un po' tutti, anche gli enciclopedisti, anche gli spiriti più smagati. Tanto più che l'illusione non è solo lenimento e conforto, è anche sprone all'azione, spinta a realizzare „egregie cose". Su questo terreno, terzo momento della nostra rapida analisi, la verità o la vanità dell'illusione non sono in causa, quel che conta è il bisogno che se ne ha, come di un paradigma ideale senza il quale ogni avanzamento, anzi il fare stesso dell'uomo è impossibile. E' la tesi del Foscolo, com'è noto, ma altri prima di lui l'avevano enunciata. „L'illusione feconda abita nel mio petto . . . " Il grido di André Chénier alla vigilia del martirio racchiude il senso di questa proiezione. La morte crudele ed assurda solo in apparenza dice la fine di ogni chimera: rimana un'arma, la penna del poeta, per celebrare, al di là della morte, l'eternità dei valori. Era stata, in fondo, la tesi di Rant: l'illusione trascendentale, dice il filosofo, è ineluttabile, così come non può evitarsi che il mare, dalla riva, appaia più
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Lionello Sozzi
elevato di quanto non sia, o che la luna, al suo sorgere, sembri pir grande di quando splende alta nel cielo. L'assoluto è del tutto indimostrabile, e tuttavia opera nel nostro animo, accende i nostri ideali, ci consente di misurare le nostre azioni con „l'uomo divino che è in noi". L'uomo divino che è in noi. Abolita la presunzione di sopprimere ogni dimensione trascendente, ritorna, tra la crisi dei Lumi a l'inizio del nuovo secolo, e pur al di fuori di ogni specifica confessionalità, l'idea di una chimera come immagine di assuluto, da contemplare in sé, al di fuori di ogni rapporto col reale, nel rapimento di un'estatica ammirazione. Joubert diceva che l'illusione fa parte integrante della realtà, ma di fatto s'incontra più spesso la tesi opposta, quella del divario assoluto, della distanza invalicabile. Illusorie, allora, quasi platonicamente, appaiono le parvenze del mondo: verità è quell'ideale intravisto, quel miraggio che ci trascina e ci incanta. Lo dice il poeta inglese Akenside: „La Bellezza è scesa dal cielo per essere in mezzo alle illusioni del mondo, come garanzia e prova della Bontà e della Verità". Più tardi, Senancour esprimerà un'opinione molto vicina: nel naufragio di tutto, dirà in Oberman, la bellezza di un fiore, di una semplice giunchiglia, ci sconvolge come valore insieme assoluto e tangibile, non è sogno illusorio, è perfezione reale che ci fa misterio sámente avvertire la felicità cui siamo destinati. Ma la bellezza si contempla in pochi attimi fuggitivi. Poi, si sottrae agli sguardi, si dilegua. Come tutti i sogni, come tutte le speranze. Chiusa una tumultuosa stagione storica, Senancour, come più tardi Leopardi, come tanti altri, contemplano, con ima mestizia senza lacrime, la fine di ogni illusione, il volar via di ogni chimera. Abbiamo ancora dei desideri, ma non abbiamo più illusioni: così Chateaubriand, nella prefazione di René. Leopardi gli farà eco: „Incolume il desìo, la speme estinta", ma più tardi dirà il dileguarsi di entrambi gli elementi che si combinano nell'illusione, la speranza e il desiderio: „Non che la speme, il desiderio è spento". Il cammino avviato da Jean-Jacques qui giunge al termine. „Sventurato l'uomo che non ha più nulla da desiderare . ..": così aveva detto il cittadino di Ginevra. Davvero la morte della speranza porta con sé la morte del desiderio? La morte del sogno, dell'utopia, della chimera? Chamfort, in un'altra sua massima, aveva detto che le illusioni somigliano alle rose, che di continuo muoiono e di continuo rinascono. Leopardi, in fondo, ne era anch'egli convinto: anche nella stagione del disincanto avvertiva in sé, sopita ma non spenta, la fiamma di una „disperata speranza".
Manfred Wagner
Aufklärung - Ästhetik - Autonomie oder Drei Kategorien bedingen einander
Bei einer Umfrage in Österreich im Jahre 1989 - also zwei Jahre vor den alle mehr oder weniger beeeindruckenden oder verschreckenden Mozart-Feiern - erklärten 15 Prozent aller Österreicher, sich für klassische Musik zu interessieren, aber 53 Prozent der Befragten gaben ihr Mozart-Interesse unumwunden zu. Dies zeigt in einer relativ ungebrochenen Rezeptions-Hausse vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute sowohl bei den Interpreten als auch beim Publikum ein Phänomen an, das vermutlich keinen Vergleich in der Kulturgeschichte überregionaler Bedeutung kennt, und das nur aus einer mehr oder weniger glücklichen, gewollten oder auch zufälligen Koinzidenz von politischen Verhältnissen, dem Kunstwollen, dem physischen Vorhandensein kreativen Spitzenpotentials und der Bereitschaft, dieses Potential auch von der Publikumsseite her verstehen zu lernen, erklärbar ist. Die Vernetzung dieser Umstände in die Indizes Aufklärung, Ästhetik und Autonomie (sowohl der Kunstwerkes/-prozesses sowie des Künstlers) könnten von folgenden Topoi her argumentiert werden:
1. Den Sozialisationen durch (Kunst-)Erziehung, der Reiserealität und den damit verknüpften gesellschaftlichen Annäherungen. Auch wenn - oder gerade weil- die Schulpflicht erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts eingeführt wurde, war ein kindliches Aufwachsen unter dem Prätext des Projektionsmodells moderner Didaktik die Norm. Die gewöhnlich elterliche Entscheidung, dem Kind zuzuführen, was seine Fähigkeiten besonders fordere, erreichte ihren Zenit in jener „education through art", die Herbert Read1 dem Bildungsdesaster des 20. Jahrhunderts entgegenstellen wollte und deren Perfektion Leopold Mozart für seinen Sohne Wolfgang vorsah. Dieses Kind war nicht nur bereits im embryonalen Zustand ausschließlich mit zeitgenössischer Musik umgeben, sondern erfuhr auch seinen Unterricht im imitatorischen Verfahren durch Zuschauen und Zuhören beim geliebten Subjekt der älteren Schwester sowie durch eine kindheitsadäquate Didaktik des Vaters (in den verschiedenen Notenbüchlein nachzulesen). Am Kind wird nicht nur musikalisch experimentiert, sondern auch individuelle Pädagogik betrieben, quasi eine neue Kompositionslehre vom Vater entwickelt, die den Fortschritten beim Lernen entspricht und somit optimal fordernd wirkt.2 Als Spezifikum ist dabei nicht nur die Beherrschung der alten Generalbaßlehre 1 Herbert READ: Education Through Art, Faber & Faber, London/Pantheon, New York, 2. Aufl., 1945). 2 Manfred WAGNER: Mozart oder ein Tonkünstler begegnet seiner Zeit. In: Kultur und Politik Politik und Kunst. Böhlau Verlag, Wien - Köhl - Graz 1991, S. 240.
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Ματφ-ed Wagner
(sie lernte jeder Musiker der Zeit), sondern vor allem auch der Wert des Außenstünmsatzes zu vermerken, das heißt, dafl Baß- und Sopranführung von Anfang an absolute Priorität besaßen und in allen Übungen auf deren perfekte Umsetzung auch dezidiert geachtet wurde. 3 Mozarts absolute Sicherheit auf diesem Gebiet, die es heute noch ermöglicht, nahezu alle seine Werke mit zwei Fingern zu spielen und dennoch den gesamten Rontext vor sich zu haben, muß in diesen frühen Jahren ihren Grundstein gelegt bekommen haben. Auch die Methode des Instrumentalspiels, fast ein wenig in Taschenspielertricks (mit einem Tuch über den Händen!) ausufernd, zeigt das Lernen in Nachahmimg und motivierter Übungsfreude. Der Sozialisationseffekt durch den Kirchenbesuch muß ebenfalls als sehr intensiv verstanden werden. Denn gemäß den Bräuchen der Zeit wird nahezu täglich Festmusik betrieben und die Selbstverständlichkeit der religiösen Verpflichtungen von Mozart auch bis zu seinem Tode wahrgenommen. Im Salzburger Dom, aber auch in anderen Kirchen erlebte das Kind in der Teilnahme am Dienst seines Vaters in einer zweifellos eindrucksvollen Art die unmittelbare kommunikative Kraft der Kirchenmusik, das Gefühl für Räume, für Feierlichkeit, Ausdrucksnuancen, quasi die Darstellung aller menschlichen Verhaltensweisen im Rahmen von liturgischen Verrichtungen. Dies betraf zweifellos nicht nur Messen, sondern auch Vespern, Litaneien, Gesänge, Begräbnisse, Taufen, Hochzeiten und Feiern, das heißt auch ein sehr breites Genrefeld von Kompositionen, die vom einfachsten „Ora pro nobis" bis zum kompliziertesten vielstimmigen Satz reichten. Mozarts sicheres Gefühl für die Erzeugung von Stimmungen bei den Zuhörern seiner Musik dürfte gerade in diesem kirchlichen Rahmen, wo es darum ging, theologische Inhalte mit der Sprache der Musik auch in aller Differenziertheit einem Publikum nahezubringen, entscheidend trainiert worden sein. Die gesellschaftsmusikalische Sozialisation des kleinen Mozart hat ebenfalls mit den Diensten des Vaters in der Kapelle des Fürsterzbischofs von Salzburg zu tun. Es ging nicht nur um die Ausrichtung von privaten Feiern, sondern auch um die zahlreichen offiziellen Auftritte des Fürsterzbischofs. Es ist nicht untypisch, daß Mozarts erster öffentlicher Auftritt als Kind tatsächlich im Rahmen eines Universitätsfestes gegeben wurde, und es ist ebenso nicht untypisch, daß schon das kleine Kind bei vielen Tanzveranstaltungen anwesend war, die ebenfalls zum gesellschaftlichen Muß der Stadt zählten. Die Liebe des Vaters zum Tanz ging so weit, daß er sogar öfters selbst als Tanzveranstalter auftrat und sehr viele Privateinladungen mit Gegenbesuch zum Zweck des Tanzes aussprach. Den Gepflogenheiten der Zeit gemäß nahmen die Kinder in der Regel an diesen Vergnügungen teil. Hier zeigt sich wieder einmal, daß die Ästhetik des Vergnügens in gleichem Atemzug auch als Lehrmeisterin des Anspruchs zu verstehen war, weil das in dieser Zeit beliebte Menuett nicht nur als Tanzform, sondern - wie es Johann Mattheson formuliert hatte - als „Muster bey allen übrigen Compositionen" zu sehen war. 4 Mozart achtete auch in seinem zukünftigen Leben auf seine Integration in diese 5 4
Manfred WAGNER: Mozarts Musik - ein Produkt optimaler Sozialisationen? (in Druck) Gabriele BUSCH-SALMEN: Der Tanz im Leben Mozarts. In: Walter SALMEN (Hg.): Mozart in der Tanzkultur seiner Zeit. Edition Helbling, Innsbruck 1990, S. 70.
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gesellschaftlichen Veranstaltungen und Feste, wovon nicht nur fast ein Drittel seines Gesamtwerks als Tanzkomposition zeugt, sondern auch die immer wieder berichtete und beschriebene Teilnahme an dergleichen Veranstaltungen sowie die Tanzmontagen, die in seinen Opern zum Teil dramaturgisch entscheidende Rollen spielen. Daß diese Sozialisation aber auch eine moralisch ausgerichtete sein mußte, belegt Friedrich Schiller in seinem Plädoyer für die „ästhetische Kultur als das wirksamste Instrument der Charakterbildung" (Brief an Herzog Friedrich Christian von Augustenburg vom 15. Juli 1795), die gleichzeitig als „von dem politischen Zustande völlig unabhängig und also auch ohne Hülfe des Staates" zu erhalten sei.5 Dieses Erziehungsmodell, aufgespannt zwischen den Antipoden Rousseau und Voltaire - ein Spannungsfeld, das sich durch die bekannten Kindheitssozialisationen der großen Künstler dieser Zeit wie ein roter Faden zieht -, verhieß die Gleichwertigkeit historischen Wissens mit spontaner Einschätzung des Augenblicks, quasi die gemachte und erprobte und diskutierte Erfahrung der Historizität mit der unreflektierten, originellen und dynamischen Position des Einfalls. Dies bedeutete ein zeitgenössisches Schaffensmodell, das jederzeit auf seine Wurzeln zurückgreifen konnte und auf der langsamen Weiterentwicklung bereits vorhandener Ausgangsformen beruhte. Auch die Reiserealität und die damit verknüpften gesellschaftlichen Zwangserfahrungen weisen auf diese Doppelstrategie verschiedener Gesichtspunkte hin. Die Reise ersetzte damals quasi die Außenerfahrung eines auch wie immer gearteten Schulunterrichts, nach wie vor auf den dominanten Projektgegenstand - im Falle Mozart: Musik - bezogen, aber nun nicht mehr elterlich/väterlich dominiert, sondern vor allem auch die Begegnimg mit anderen Künstlern und anderen Kunstwerken einbringend. Man lernte auf Reisen eben nicht nur die Fachleute und den eigenen Fachbereich kennen, sondern trat quasi allen Hierarchien der menschlichen Standesordnung Auge in Auge gegenüber, kommunizierte mit ihnen und erfiihr daraus vermutlich eine Menschensicht, die später wieder dem eigenen Werk zugute kam. So wie Mozart auf diesen Reisen alle Kategorien der musikalischen Sozialisation kennenlernte, kompositorisch, interpretatorisch und verwaltungstechnisch, so erfuhr er auch seine soziale Prägung durch die Begegnung mit Berufsständen, die mit der Musikpraxis der Zeit in irgendeiner Form zu tun hatten, bis hin zum Papst und den regierenden Monarchen. Damit lernte man das Durchschauen ständischer Rituale, die Etikette in ihren verschiedensten Ausprägungen, lernte Menschen verschiedenster Schichten in ungewöhnlichen Situationen kennen, die ungestüme Überwindung von Standesgrenzen durch das Zugangsmodell der Vorführung, aber auch die Alltagsgewohnheiten und Bräuche, die kleinen Laster und Fehler, die „Menschlichkeit" hochgestellter Persönlichkeiten.
2. Der Selbstwert des Ich Neben aller Ableitung aus der eben beschriebenen Erfahrung wird dieses Phänomen gleich von mehreren Konditionen gestützt. Die zuständige Extremformulierung ist 5 Friedrich SCHILLER: Briefe. Kritische Gesamtausgabe, Hg.: Fritz JONAS, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart - Leipzig - Berlin - Wien 1892-96, Bd. 5, S. 329-339.
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das „Genie", bei Shaftesbury vor knapp 50 Jahren noch als „wahrer Prometeus unter Jupiter" terminologisiert, dann aber in der Nachfolge von Edward Youngs „Conjectures on Original Composition" (1760, ein Jahr nach dem Erscheinen, bereits in der deutschen Übersetzung „Gedanken über die Originalwerke" vorliegend) bei allen Ästhetikern der Zeit aufzufinden: bei Gottsched, Nikolai, Lessing, Sulzer, Herder, Hamann, Goethe und anderen. 6 Damit war auch der Originalität als Visavis der alten Gelehrsamkeit das Wort gesprochen, in einer Art der Radikalität, die ihre Grenzen bis zur Verweigerung ausstreckte. Der Subjektivismus, manchmal ein wenig durch Verbürgerlichung ironisiert, erzwang quasi die Autonomisierung des Künstlers, die Loslösung aus der Abhängigkeit und die Entwicklung eines selbständigen Berufsbildes, das Klopstock in der Literatur oder Mozart in der Musik, Maulbertsch - zumindest im Ansatz - in der Malerei vorexerzierte. Charles Burney hat dem Verweigerer Abate Costa sein eigenes Denkmal gesetzt.7 Der „Runstrichter" (der spätere „Kritiker") ist von diesem Gesichtspunkt her gesehen die Institutionalisierung des Rechtes, für jedermann zu urteilen, wie in den berühmten Reflexionen La Fonts von 1737 formuliert. Dieser Selbstwert bedeutet die berufliche Emanzipation des Künstlers gegenüber allen anderen bereits vorhandenen Berufssparten, die Gleichsetzung vom Adel des Geistes mit dem Adel der Geburt, das Wissen, daß die unternehmerische Freiheit für die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen unwiderruflich und auch in den Schwierigkeiten des Zusammenpralls der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber geradezu vorprogrammiert war. Mozart hatte dem Erzbischof schon einmal gekündigt, bevor er den zweiten Krach provozierte, und hatte schon die Schwierigkeiten erfahren, die mit der Selbständigkeit auch auf ihn zukamen. Aber das Bewußtsein, es schaffen zu können und sich dafür den „liebsten Ort" für sein „Metier" (Wien!) zu wählen, zeigt, wie zielgerichtet dieser Komponist die Sache anging. Auf der anderen Seite war aber ebenso klar, daß die Idee der Aufklärung immer noch voll durchschlug, denn Künstler wie Kunstrichter waren nicht nur Kunsttäter, sondern quasi auch die Kunstpädagogen der Zeit, und als endgültige Wahrheit galt erst, wie Habermas in seiner Habilitationsschrift nahezu literarisch ausformulierte, der Prozeß, daß nämlich „das wahre Urteil erst in der Diskussion nach der Kritik ermittelt werden soll".8 Mozarts Fähigkeit, bereits Geschriebenes nach den Wünschen der Konsumenten primär der Interpreten, aber auch der Auftraggeber, ganz selten des allgemeinen Publikums - neu zu formulieren, zu adaptieren, jedenfalls aber verständlich werden zu lassen, ist auch als Resultat dieser pädagogischen Haltung abzulesen, wo quasi der Egozentrismus des 19. Jahrhunderts, das den Schöpfer nahezu zur gottähnlichen β
Leo BALET/E. GERHARD: Die Verbürgerlichung der deutschen Kunst, Literatur und Musik im Jahrhundert. Herausgegeben und eingeleitet von Gerhard MATTENKLOTT. Ullstein Verlag, Frankfurt/M. - Berlin - Wien 1972. Charles BURNEY: Tagebuch einer musikalischen Reise. Zweyter Band. Hamburg 1 7 7 3 . Faksimile-Neudruck, Hg.: Richard SCHAUKAL. Bärenreiter Basel - London - New York 1 9 5 9 , S. 2 0 9 ff. Jürgen HABERMAS: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Luchterhand, Darmstadt und Neuwied 1962. 18.
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Gestalt erhob, noch nicht angepeilt war, sondern statt dessen der Kommunikationspartner im Wechselspiel von Produktion und Verständnis.
3. Der Wille zur Individualisierung der subjektiven Botschaft als Motor der Dynamisierung Allein die Tatsache, daß die Zahl der Dichter in Deutschland zwischen 1773 und 1787 sich annähernd verdreifachte, zeigt eine Art von angewandtem Pluralismus der Meinungen und Haltungen, der, wenn auch nicht in der heutigen Dimension des Weltfundus an gespeichertem Wissen und seinen ebenfalls gespeicherten oder zu speichernden Erscheinungsformen, so doch zumindest in der Kategorie der Historizität, der Zeitgenossenschaft und der Zukunftsperspektive, eine Art „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" erzeugte. Die Gründung der Lesegesellschaften, die Etablierung großer Bibliotheken, die Leihliteratur, das explosionsartige Ansteigen von Zeitschriftenauflagen, das explosive Verlagsgeschäft in der Musik und die Herausgabe jedes großen Tonwerkes in verschiedenen Fassungen für verschiedene Ensembles, also die Bedienung der Benutzbarkeit, machen quasi jeden Bürger zum Adressaten jedes Produzenten, ein Umstand, den die Öffnung der Theater und die Etablierung von musikalischen Vorführungen gegen Eintrittsgeld noch steigert Damit war gleichzeitig auch ein gewaltiger Internationalismusschub verbunden, der in Übersetzungen, Adaptionen und den damit verknüpften Einnahmechancen zur ökonomischen Sicherung der Produzenten entscheidend beitrug. Wahrscheinlich geht mit dieser Öffhungspräferenz gegenüber den Mengen, den Schichten und anderen Kulturstätten und deren Adressaten auch die Autonomisierung des Kunstwerkes selbst konform, das aus der lokalen Betroffenheit der Nähe, sprich: dem spezifischen Anlaßfall oder Herrschaltsgestus herauszunehmen war und einem breiteren, nicht vorbereiteten Publikum präsentiert werden mußte. Die merkwürdige Rezeptionsgeschichte von Mozarts Krönungsoper „Titus" als Interessenwiderspiegelung der Prager Stände könnte auch einmal unter diesem Blickwinkel betrachtet werden. Aus heutiger Verständnissicht ist es mühsam, im Detail die einzelnen Schritte dieses Weges zu interpretieren. Jedenfalls wurden sie getan und, wie das Opernschaffen Mozarts beweist, in kleinen Schüben, aber die Adressatenschicht unwiderruflich erweiternd. Mozart hatte zweifellos bei der Produktion seiner Werke immer ein Publikum vor Augen, aber nicht immer jenes allgemeine große der „Zauberflöte", das sich, analysierte man sie einmal nur kommunikationsorientiert, tatsächlich an alle, auch die entgegengesetztesten und die verschiedensten Schichten des Wiener Raumes wandte. Zwar ist immer noch höchst unwahrscheinlich, daß ein Werk aufgrund seiner autonomen Materialität allein entstand (im Sinne von Hanslicks „Musik ist tönend bewegte Form"), da, wie Joseph Haydn berichtete9, zu Beginn jedes Schaffensprozes9
Giuseppe Antonio CARFANI: Le Haydine ovvero Lettere sulla vita e le opere del celebre maestro Guiseppe Haydn, Mailand 1812, S. 69.
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ses einer Sinfonie das „Ausdenken einer Geschichte" stand, also eines thematischen Grundkonzepts, das in der Umsetzung der Form erst zur inhaltlichen Aussage wurde, aber die Loslösung aus der Funktionalität bis zum per Kunst zu illuminierenden Ereignis war zweifellos mit Riesenschritten auf dem Weg in das Religion durch Kunst profanierende 19. Jahrhundert.
4. Die Unifizierung von Produkten und Rezeption lief demnach auf mehreren Schienen ab: immer noch in der gemeinsamen Sozialisation von Kennern und Liebhabern, Professionals und Dilettanten, wie auch die Instrumentallehrbücher, die gängige Kompositionslehren darstellen, unschwer beweisen. Diese Tradition hielt in Wien bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, weil die alte Generalbaßlehre immer noch die Grundregel war und sich die neumodischen harmonikalen Schichtentheorien Deutschlands oder die Mischkategorien der französischen Harmonielehren nur in das System integrieren ließen, aber nicht das System ersetzten.10 Die Homogenität der kulturellen Ausdrucksweise, die noch nicht in E oder U oder Erhabenheit und Trivialität geteilt war, und wenn, dann nur in voneinander abhängigen Stilkategorien geprägt, einte das neue Bürgertum mit dem alten Adel, der zumindest im österreichischen Raum eine Generation lang in einer quasi Doppelzugehörigkeit der Schichten von höchst einflußreicher Bedeutung war, wobei der Glücksfall eines kunstverständigen Kaisers in jeder Richtung zur politischen Ausnahme zählte. Mozarts Publikum in Wien war letztendlich das ganze Wien und nicht der Hof, die Kirche, das reiche Bürgertum, das arme Bürgertum, die Vorstadt oder wer immer. Die Aufführungsstätten und Aufführungsadaptionen beweisen dies schlagend: Die Kirche als allumfassende Sozialisationsstätte ist mit dabei, das kaiserliche Burgtheater, die Adelsalons, die Privatakademien des neuen reichen Bürgertums, aber ebenso Gesellschaftsfeste („Schauspieldirektor"), die Freimaurerloge, der Tanzboden, der Ballsaal, die private Wohnung, die Akademie zu eigenen Händen, das höchst intime private Konzert und die allen zugängliche öffentliche Vorführung. Möglicherweise verdanken wir dieser Zwischenstation auf den gewöhnlich in der Menschheitsgeschichte antipodischen Zugehörigkeiten jene Kategorie von Allgemeinverständlichkeit der Kunst, die Kenner und Liebhaber, gesellschaftliche Spitzen und kleine Angestellte, ja selbst sonst so einander nicht übermäßig zugetane Landesteile und Dynastien Europas einte. Und möglicherweise ist dieses Durchscheinen einer Identität von Gesellschaft, Kunstwollen und Künstlerpotential sowie die Rezeptionsgarantie die Ursache dafür, daß bis heute die Kunst dieser Zeit, am Modellfall Mozart demonstriert, sich bei allen Schichten höchster Beliebtheit erfreut. Diese „conditions of excellence" (später der Wende um 1900 zugeschrieben)11 war von der Faktorenkonkordanz niemals zuvor und wohl auch nicht danach jemals erreicht worden. 10 Manfred WAGNER: Die Harmonielehren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Schneider, Regensburg 1973.
Georg Knepler
Aufklärung und Musik
Daß man Mozart nicht vollständig versteht, wenn man übersieht - oder nicht wahrhaben will -, daß er in reifen Jahren zu den Aufklärern zu zählen ist, glaube ich in meinem Mozart-Buch nachgewiesen zu haben. Aber auch, daß er nicht mit fliegenden Fahnen und nicht auf direktem, geradem Weg zur Aufklärung gestoßen ist Man bedenke den Nuancen- und Methodenreichtum der Bewegung, ihre Komplexität und Widersprüchlichkeit auf der einen Seite, die unauslotbare Vielschichtigkeit des Mannes Mozart auf der anderen, und man wird nicht erwarten, daß es ein einfacher Prozeß war, nicht für Mozart und nicht für andere, jener „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit", wie Immanuel Kant unübertroffen die Aufklärung charakterisierte. Ein schwärmerischer Jugendbund, dem Mozart in seinen späteren Salzburger Jahren angehörte, dürfte sehr wahrscheinlich von den radikal aufklärerischen Ideen der Illuminaten inspiriert gewesen sein. Und Leopold Mozart, der mit den Illuminaten sympathisierte, hatte seinen Sohn im Sinne der Aufklärung erzogen. Dennoch, als Mozart seit seiner Kinderzeit erst 1778 wieder nach Paris kam, das ihn diesmal kühl empfing, und obwohl er fast ein Vierteljahr hindurch in einem Zentrum französischer Aufklärung lebte, hatte er nur Spott und Hohn übrig, als der große Voltaire starb. Kompliziert verlief das Zusammentreffen mit dem väterlichen Freund Melchior Grimm, einem überzeugten und konsequenten Aufklärer. Auch er kommt in Mozarts Einschätzung nicht gut weg. Und dennoch hatte Mozart von Grimm - wie sich zeigen läßt - aufklärerische Ideen übernommen: die prinzipielle Kritik an der älteren Oper und am Opernbetrieb, wichtige geistige Voraussetzungen für Mozarts Leistungen nach 1778. Erst in Wien bewegte Mozart sich unter Menschen, die ihm geneigt waren - wie er ihnen - und die mit Ideen der Aufklärung und deren Realisierung in mancher der vielen Freimaurerlogen sympathisierten. Aber auch in Wien ließ Mozart sich Zeit, annähernd vier Jahre, ehe er sich zum Eintritt in eine Freimaurerloge entschloß. Nunmehr aber blieb er der Bewegung bis zu seinem Tode treu, obwohl (oder weil) er Veränderungen in den bestehenden Logen wünschte; er verfaßte ein Konzept zur Gründimg einer neuen Loge! Der Mühe, dem komplizierten Wechselspiel nachzugehen, das charakteristisch ist für die Beziehungen zwischen Aufklärung, Musik, Musikern und Musiktheoretikern, dieser Mühe hat sich die Musikwissenschaft durch Vernachlässigung - oft sogar durch offene Verachtung - der Aufklärung entzogen. Das Thema ist gröblich entstellt worden. Haben doch deutsche Musikforscher des 19. Jahrhunderts - Riemann, Gurlitt, Müller-Blattau gehören zu ihnen - Ideen der Aufklärung so hingestellt, als seien sie Symptome einer zu überwindenden Krankheit; Forkel etwa war in ihren Augen „noch" infiziert von deren gefahrlichen Keimen, von denen sie selbst sich befreit hätten. Und selbst Hugo Goldschmidt - um von kleineren Geistern zu schweigen, die aber erst recht einflußreich waren -, selbst er, der französische Autoren wenigstens
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Georg Knepler
gelesen hatte und Diderot für einen großen Mann hielt, sah ihn im Banne einer „Irrlehre". Daß Erich Schenk, im Umgang mit Wortführern der Nazibarbarei erfahrener als in dem mit Denkern, sich die Blöße gab, Diderot, Rousseau, d'Alembert und Holbach in seinem Mozart-Buch als „philosophierende Schöngeister" zu bezeichnen, ist nicht so beachtlich wie die Tatsache, daß diese Äußerung keinen Sturm der Entrüstung innerhalb der Musikwissenschaft hervorgerufen hat. Die DDR hat für die Herausgabe von Werken der Aufklärung mehr getan und tieferschürfende Analysen ihrer Gedanken veröffentlicht als reichere Länder. Gleichwohl war auch in ihr die Tradition der Geringschätzung der Aufklärung nicht ausgestorben. In seiner sonst so lesens- und bemerkenswerten Musiksoziologie bringt Christian Kaden es fertig, in einem dreißigseitigen Exkurs: Über die Geburt der „absoluten Musik" - es geht um das 18. Jahrhundert - Mozarts Werk auszulassen. In Österreich, wie Kurt Blaukopf (1990; 1991) kürzlich zu zeigen unternommen hat, gab es Richtungen innerhalb der Kunst- und Musikwissenschaften, die die Vermutung nahelegen, es hätten sich Strömungen erhalten, die auf josephinisch-aufklärerische Intelligenz rückfiihrbar sind. Natürlich gab es - und gibt es - überall Sonderentwicklungen und Einzelgänger, so in Deutschland Kurt Huber und, vor ihm, den sonderlichen, aber köstlichen Gustav Fechner. Mit Bestürzung muß man feststellen, daß in Frankreich, in diesem Mutterland der Aufklärung, ihre Traditionen in den letzten Jahrzehnten unterbrochen scheinen. Michel Foucault und andere waren darin erschreckend erfolgreich. So allgemeine, so gründliche, so prinzipielle Abwertung muß tiefsitzenden Motiven entsprungen sein. Nicht deshalb, weil sie veraltet, von der Geschichte überholt, schon gar nicht deshalb, weil etwa ihre Forderungen der Erfüllung nähergekommen wären, sind die Denkformen, ist die Philosophie der Aufklärung der Verachtung oder der Vergessenheit anheimgefallen. Ganz im Gegenteil. Sie wird verdrängt, weil sie so aktuell ist Wir befinden uns - in manch wesentlicher Hinsicht - immer noch in jener historischen Epoche, die im europäischen 18. Jahrhundert begann. Die damals einsetzende Entfesselung menschlicher Produktivität hält uns auch heute in Atem. Aber während damals denkende Menschen überzeugt waren, menschliche Errungenschaften überblicken und ordnen, Sinn und Zielrichtung menschlicher Handlungen lenkend beeinflussen zu können, scheint heute jene Entfesselung der Produktivität jedem Versuch hohnzusprechen, sie zu bremsen, gar zu lenken. Allzusehr damit beschäftigt, in der Zauberflöte Widersprüche und Ungereimtheiten aufzufinden, haben wir kaum zur Kenntnis genommen, daß in ihr, wie in Texten anderer Spätwerke Mozarts, Fragen solcher Natur sehr wohl gestellt sind. „In Kolter [Pflüge] schmiedet um das Eisen, das Menschen-, das Bruderblut bisher vergoß", heißt es in KV 619, in der Kantate nach Ziegenhagens Worten vom Juli 1791, und: „Sprengt Felsen mit dem schwarzen Staube, der mordend Blei ins Bruderherz sonst schnellte." Und im vielverleumdeten Libretto der Zauberflöte findet sich eine Formulierung, die sich auf die Grundfrage menschlicher Existenz bezieht, auf die Frage nämlich: Für wen oder was produzieren wir eigentlich? Beeindruckt von der Schönheit der Tempelbauten Sarastros, vermutet Tamino sich im Reich der Götter. Und dieses vermeintliche Idealreich charakterisiert er mit-
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tels einer Formel, die Aufmerksamkeit gebietet. Es weilten dort, singt er, wobei im Libretto die Worte sorgfaltig durch Kommata voneinander abgehoben sind, „Arbeit, und Klugheit, und Künste". Wir dürften es mit dem erstmaligen Auftreten des Begriffs „Arbeit" auf der Opernbühne zu tun haben, und er tritt Hand in Hand auf mit „Klugheit" und mit „Künsten". Gerade weil Taminos Worte nicht besonders poetisch, nicht metaphorisch oder parabolisch sind und weil Mozart sie im zwar gehobenen, aber nicht ariosen, sondern im Rezitativstil komponiert hat, sind sie interessant; sie gehören nicht nur in die Kategorienwelt, sondern auch in die Umgangssprache seiner Zeit Arbeit wird von Klugheit gelenkt, und die Künste stehen, als könnte es nicht anders sein, im Bunde mit Arbeit und mit Klugheit. Vergleichbare Formulierungen finden sich in den Schriften der Aufklärer auf Schritt und Tritt „Die Künste" sind ein Schlüsselwort beispielsweise in Diderots Schriften. Er unterscheidet zwischen „mechanischen" und „freien" Künsten, wobei zu den ersteren gehört, was wir heute „Technik" nennen; die „freien" fallen mit unserem heutigen Begriff „Künste" zusammen. Das birgt freilich die Gefahr in sich, den himmelweiten Unterschied zu übersehen oder für geringzuachten, der sich auftut zwischen Produkten der Technik auf der einen Seite - die ja immer einem angebbaren Zweck dienen sollen, meist dem Verkauf - und künstlerischen Produkten auf der anderen. Diese haben zwar auch ihre Funktion, nämlich die, Menschen ahnen zu lassen, wie sie leben müflten - oder nicht sollten -, aber die braucht weder ihren Produzenten, den Künstlern, noch ihren Konsumenten annähernd so klar vor Augen zu stehen, wie es bei materiellen Gütern der Fall ist. In der näheren, spezifischeren Erörterung der freien Künste hat die Aufklärung unendlich viel mehr geleistet, als Theoretiker von heute ihr in der Regel zugestehen. Selbst wenn wir bei Diderot blieben, dazu die kurzen, aber gewichtigen Passagen nähmen, die d'Alembert der Musik gewidmet hat, und sie mit Rousseaus berühmten Musik-Artikeln zusammenhielten, ergäbe sich eine solche Fülle von selbst heute nicht gelösten Problemstellungen, von Ideen, Anregungen, Ahnungen und Hinweisen, daß die übliche Gleichsetzimg von Musiktheorie der Aufklärung mit Nachahmungslehre Lügen gestraft wird. Nun ist freilich der Begriff der „Nachahmung" ein unglücklicher, der in seiner Überstrapazierung durch Vulgärmaterialismus und Vulgärmarxismus nicht glücklicher wurde. Er paßt zwar zur Not auf die musikalische Nachahmung außermusikalischer akustischer Vorgänge (und fallt dann zusammen mit Lautmalerei), aber schon die Vorstellung, daß in oder durch Musik Sprache „nachgeahmt" würde, trifft nicht ins Schwarze. Und wie die Beziehungen zwischen Affekten und Musik beschaffen sind, wird durch den Begriff der Nachahmung bestenfalls zum kleinsten Teil erfaßt Aber die ästhetische Theorie des 18. Jahrhunderts ist keineswegs auf diesen oder einen anderen Begriff festgelegt. Vielmehr sucht sie in immer neuen Anläufen zu fassen, was menschliche Sinnlichkeit zu produzieren versteht Das gilt in vollem Umfang auch für die Musiktheorie der Aufklärung. Gerade angesichts der immer dünneren Abstrakta, mit denen sich manche der philosophisch orientierten oder auf technisch-analytische Methoden fixierten Musiktheoretiker weiterzuhelfen suchten und suchen, sollten wir auch Mozarts derben Ausspruch auf seinen Sinngehalt überprüfen, das „Unglück" bestehe eben darin, daß
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die Musik jetzt „einen Kopf hat", es käme aber darauf an, daß sie „bald einen Arsch bekommt". Deutlich genug die Parteinahme für den Sensualismus und gegen dürren Rationalismus - den Mozart sowohl in der Verwaltung der Salzburger Musikangelegenheiten erblickte, als vielleicht auch in manchen der Ansichten, die Melchior Grimm im Sommer 1778 ihm vortrug. In dieser Parteinahme hatte Mozart unter den Denkern des 18. Jahrhunderts, besonders unter den Franzosen, mehr Bundesgenossen, als er vermutlich wußte. Auch Friedrich Schillers Vorhaben (1780), „den großen und reellen Einfluß des tierischen Empfindungssystems auf das Geistige" zu erkunden, Goethes Mitteilung (1826), er und Schiller hätten vorgehabt, ihre Ästhetik „immer inniger mit Physiologie, Pathologie und Physik" zu vereinigen, sind von gleich sensuahsüscher Denkart. Daß aber Musik, daß die Künste - wie alle menschliche Produktivität und Produkte - dem Wohl der Menschheit dienen, einer moralischen Zielsetzung also, galt als Selbstverständlichkeit. Natürlich auch für Mozart. Wenn man es schon seiner Musik nicht entnehmen will, daß der unbeschreibliche Reichtum seiner musikalischen Gestaltung dem Ausdruck von „Gesinnungen" untergeordnet ist, so müßte man es ihm doch glauben, wenn er ebendies in einem Geburtstagsbrief an den Vater ausdrücklich als seine besondere Fähigkeit beschreibt (Brief vom 8. November 1777). Einen spezifischeren Nachweis, wie Mozart den moralischen Charakter seiner Kunst auffaßte, enthält ein Brief an Konstanze, keine zwei Monate vor seinem Tod geschrieben (9. Oktober 1791). Ein unsensibler Gast in Mozarts Loge während einer Aufführung der Zauberflöte, man spielte gerade jene Sprechszene, von Mozart „die feierliche Szene" genannt, die 1. des 2. Aktes, Mozart ist unwillig, der Gast „belacht alles". Mozart sucht seinen Gast zu besserem Zuhören zu bringen, sagt aber nicht, wie es heute wohl manche tun würden, „Hören Sie doch lieber auf die Musik; gleich kommt wieder eine Musikstück!", nein, Mozart hatte anfangs, wie er schreibt - und nun wörtlich - „noch Geduld genug, ihn auf einige Reden aufmerksam machen zu wollen". Und in diesen „Reden" kommen die berühmt gewordenen Worte vor: „Er ist Prinz! - Noch mehr - Er ist Mensch!" Und im Dialog geht es um Weisheit, die sich gegen Vorurteile durchzusetzen habe, und um die „Pflicht der Menschheit". Es ist nicht mit allem aufwärts- und vorwärtsgegangen in den letzten zweihundert Jahren. Wie ist die Formel „Arbeit, und Klugheit, und Künste" Lügen gestraft worden! Aus sinnvollen Arbeitsprozessen sind heute weltweit Milliarden von Menschen hinausgezwungen worden, und die, die in Arbeit stehen, werden tendenziell zur Selbstausbeutung neben der Fremdausbeutung gezwungen, was in Japan - übrigens auch in den neuen Bundesländern Deutschlands - bereits furchterregende Formen annimmt. Der menschenmordende und naturzerstörende Kampf darum, wer wem was zu welchem Preis verkaufen kann, regiert unser aller Schicksal. Die Prophezeiung der drei Knaben, der „weise Mann" werde bald siegen, hat sich nicht erfüllt. Die weisen Männer von heute, die Staaten zum Wohl der Menschen zu lenken vorgeben, begnügen sich damit, die günstigmöglichsten Voraussetzungen zur Realisierung von Profit zu schaffen und die Funktion von Handlungsreisenden zu übernehmen. Die wahren Herren des Planeten sind übernationale, jeder Kontrolle so gut wie völlig entzogene Industrie- und Bankimperien. Dreifach der Blutzoll, den die erste Welt der dritten Welt abfordert: manipuliert niedrige Rohstoffpreise; niedrige Arbeitslöhne;
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Zinsen für die angebliche Hilfe in Form von Krediten. Und an diesem so trefflich funktionierenden System droht der Planet zugrunde zu gehen. Seit der Versuch einer sozialistischen Alternative in so vielen Staaten gescheitert ist, sind die Perspektiven nicht heller geworden. Aber da die Profitmacher gleichzeitig zu einem guten Teil auch Meinungsmacher sind - dazu gibt es ja mancherlei Kanäle -, meinen viele gute Leute, es könne gar nicht anders und kaum besser zugehen in der Welt „Die Reichen wissen nichts von Freundschaft", schrieb Mozart seinem Freund Bullinger; kaum hat er geahnt, daß er damit ein Menetekel niederschrieb. Die Reichen von heute, um sich oben zu halten in diesem selbstzerstörerischen System, das im 18. Jahrhundert zu entstehen begann, wissen nur von Profit. Daß Klugheit im Bunde sei mit den Arbeitsprozessen, kann man beim besten Willen nicht sagen. Und, da das so ist, finden sich die Künste in prekärer Lage. Es habe sich ihre Zielsetzung verschoben, meinte kürzlich der angesehene Kunstpädagoge Gert Seile (1991), „von der Bewährung in der Realität der Arbeitsgesellschaft zur Bewährung in der Realität der neuen Freizeit-, Medien- und Kulturgesellschaft". Er hätte hinzufügen sollen, daß, wenn sich das tatsächlich so verhält, die Sentenz für vier Fünftel der Menschheit sinnlos ist, und innerhalb des glücklicheren Fünftels für ein Drittel auch! Es ist wahrhaft kein Wunder, daß die bürgerliche Gesellschaft von heute sich von der Aufklärung abgewandt hat Ihr klingen die Worte von Klugheit und Menschlichkeit so hohl wie einem menschlichen Wesen, das sich im Alter seiner Jugend nicht erinnern will, weil es sich der vielen guten Vorsätze von damals schämt, aus denen allen nichts geworden ist. Aber vielleicht gibt es Gegenkräfte. „Eine bemerkenswerte Besserung im kulturellen und moralischen Klima", meint der eminente Sprachwissenschaftler und konsequente Kritiker des Imperialismus, Noam Chomsky (1991), entdecken zu können. Auch andere Forscher sehen Anzeichen einer moralischen Besinnung. Nicht allen ist es gleichgültig, Milliarden von Menschen im Elend zu wissen in einer Epoche der Überproduktion. In der Popmusik ist die Absicht, den Jugendlichen mehr zu bieten als Unterhaltung und auf ihre Proteste einzugehen, eher deutlicher hervorgetreten. Und in den Künsten überhaupt, wenn auch zunächst nur im kleinen Maßstab, sieht Günter Mayer (1991) „Elemente einer alternativen Kultur, einer integrativen Ästhetik des Lebendigen, einer neuen Verantwortungsethik". Vielleicht ist Moral, aus Bank- und Industrieimperien und Politik vertrieben, zu den Künsten geflüchtet. Vielleicht gehen von ihnen Impulse zu einer Weltveränderung aus. Dann würde auch die scheinbar konservative Rückbesinnung auf die Aufklärung, die hier vertreten wurde, sich als progressiv erweisen. Und die Musikwissenschaft wird entdecken, daß in der großen Musik der Aulklärung Gesinnungen, derer die Welt bedarf, zum beseelten Klang geworden sind.
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LITERATURHINWEISE Die Gedankenführung des Essays ist den Arbeiten von Dr. Gerhard SCHEIT, Wien, verpflichtet, besonders dessen „Notbremse" (Teil I: FORUM, Juli-September 1991, Teil II: März/April 1992, Teil III: Sinn und Form 45, 2/1995). Zur Aufklärung sind vor allem (in der Regel vorzüglich editierte und kommentierte) Werkausgaben in deutscher Übersetzung der Schriften von Rousseau, Voltaire, Diderot, Helveüus, d'Holbach, Morelly und anderen zu nennen. Weiter die „Neuen Beiträge zur Literaturwissenschaft", hg. von Werner KRAUSS und Hans MAYER. In dieser Schriftenreihe und in anderen Publikationen erschienen (groBteils grundlegende) Arbeiten von Werner KRAUSS, Walter MARKOV, Manfred KOSSOK, Manfred NAUMANN, Rita SCHOBER und anderen zu verschiedenen Aspekten der europäischen Aufklärung. BLAUKOPF, Kurt: Das soziologische Konzept des Kunstwollens. Seine Herkunft aus der österreichischen Kunst- und Musikwissenschaft, in: Musiktheorie 5 (1990), Heft 5. BLAUKOPF, Kurt: Natur- und Kunstwissenschaft: Ernst Machs Einiluß auf die Wiener Kunstsoziologie, in: K. E. BEHNE (Hg.), Musikwissenschaft als Kulturwissenschaft, Festschrift für H.-P. Reinecke, Regensburg 1991. CHOMSKY, Noam: Brave new world order, in: New Statesman & Society, 2 0 . und 2 7 . Dezember 1991. GOETHE, Johann Wolfgang von: Ludwig Tiecks „Dramaturgische Blätter", 1826. GURLITT, Willibald: Hugo Riemann und die Musikgeschichte, in: Zeitschrift für Musikwissenschaft I (1918/19), auch in: ders., Musikgeschichte und Gegenwart. Eine Aufsatzfolge, hg. von H. H. EGGEBRECHT, Wiesbaden 1966. MAYER, Günter: da pacem - Musiken und die Konflikte der Welt, in: Hanns-Werner HEISTER, Karin HEISTER-GRECH und Gerhard SCHEIT (Hg.), Festschrift für Georg Rnepler zum 85. Geburtstag, Bd. II, 1991. MULLER-BLATTAU, Josef: Vom Wesen und Werden der neueren Musikwissenschaft, Saarbrücken 1966. RIEMANN, Hugo: Artikel „Geschichte der Musik", in: Riemann-Musiklexikon. SCHILLER, Friedrich: Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen, 1780. SELLE, Gert: Neun Kapitel über das „Ästhetische Projekt", Manuskriptfragment 1991.
Hans Erich Bödeker
Mäzene, Kenner, Liebhaber: Strukturwandel des musikalischen Publikums in Deutschland im ausgehenden 18. Jahrhundert. Ein Entwurf
/ Im Strukturwandel des „musikalischen Lebens" im Verlauf des 18. Jahrhunderts veränderten sich die Formen der Produktion, der Distribution und der Rezeption musikalischer Werke und ihrer Vermittlungsinstanzen grundlegend. In diesen Umwälzungen, die sich seit der Jahrhundertmitte abzeichneten und sich im letzten Drittel des Jahrhunderts durchsetzten, prägten sich die Ansätze der Organisationsformen und Strukturen der „bürgerlichen Musikkultur" aus. Zwar sollte das Ausmaß dieser Entwicklungen nicht überschätzt, doch sollten die Veränderungen auch nicht unterschätzt werden.1 Die epochalen Veränderungen bestanden im wesentlichen in zwei Momenten: in der Entstehung des heutigen Konzepts von Musik sowie in der sachlich damit zusammenfallenden Entstehung eines grundsätzlich neuen, mit dem heutigen vergleichbaren Musikpublikums.
Π Noch immer muß die Musikgeschichte für die Beschreibung des musikalischen Publikums auf zeitgenössische Selbstaussagen zurückgreifen. Aus ihnen lassen sich die Begriffe „Kenner" und „Liebhaber" als die zentralen Kategorien des musikästhetischen Diskurses herauskristallisieren.2 Als eine Einheit verstanden, bezeichneten diese Begriffe alle an der Musik Interessierten, und zwar im Gegensatz zum „ohnmusikalischen Publikum".5 Gleichwohl stellten sich die Zeitgenossen die „Gesamtheit der musikalischen Rezipienten nicht als ein homogenes Auditorium vor".4 In eine knappe Formel verdichtet, hieß es in Sulzers vielbeachteter „Theorie der schönen
1 Vgl. Carl DAHLHAUS (Hg.), Die Musik des 18. Jahrhunderts, Laaber 1985 (Neues Handbuch der Musikgeschichte, Bd. 5); Peter SCHLEUNING, Das 18. Jahrhundert: Der Bürger erhebt sich, Reinbek bei Hamburg 1984 (Geschichte der Musik in Deutschland, Bd. 1); Hanns-Werner HEISTER, Das Konzert Theorie einer Kulturform, 2 Bde., Wilhelmshaven 1983 (Taschenbücher zur Musikwissenschaft, Bd. 87/88). 2 Vgl. den Überblick von Erich REIMER, Kenner - Liebhaber - Dilettant, in: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie (1974), sowie Peter SCHLEUNING, Das 18. Jahrhundert (wie Anm. 1), S. 101 ff. 3 Leopold MOZART an Wolfgang Amadeus Mozart (11.12.1780) in: Mozart, Briefe und Aufzeichnungen, hg. Bauer und Deutsch, Bd. 3, Kassel etc. 1963, S. 53. 4 Erich REIMER, Die Idee der Öffentlichkeit und kompositorische Praxis im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Musikforschung 29 (1976), S. 130-137, S. 132.
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Hans Erich Bödeker
Künste": „Man ist ein Liebhaber, wenn man ein lebhaftes Gefühl für die Gegenstände hat, die die Kunst bearbeitet; ein Kenner, wenn zu diesem Gefühl durch lange Übung und Erfahrung gereinigter Geschmack und Einsicht in die Natur und das Wesen der Kunst hinzukommt."5 In beiden Kategorien wurden unterschiedliche Ansprüche, unterschiedliche Rezeptionsbedürfhisse und Hörererwartungen des sich konstituierenden Publikums an die Musik artikuliert. Diese Differenzierung nach dem Rezeptionshabitus war unmittelbar verknüpft mit quantitativen Vermutungen über die zahlenmäßige Überlegenheit der „Liebhaber" unter dem Publikum. Sie sollen die überwiegende Mehrheit der Konzertbesucher ausgemacht haben; man sprach sogar von einem Verhältnis von zehn „Kennern" zu hundert „Liebhabern".6 Zunächst wurden die „Liebhaber" noch keineswegs als unqualifizierte Laien abgewertet; die Abwertung der „Liebhaber" der Musik setzte wirkungsmächtig erst im 19. Jahrhundert ein. In dieser Gegenüberstellung gründen jedoch die Ursprünge zur Aufspaltung des Publikums in divergierende Gruppen. In den zeitgenössischen Kontroversen über „Kenner" und „Liebhaber" spiegelten sich die Unsicherheiten der Komponisten, der das „musikalische Leben" Organisierenden sowie der Musikschriftsteller und Musikkritiker über das entstehende neue Publikum, das nur noch das Interesse an der Musik teilte. Eine sozialhistorische Kategorie war dieses Begriffspaar jedoch keineswegs. Mit Hilfe der Begriffe „Kenner" und „Liebhaber" können weder die sozialen Strukturen dieses Publikums noch die Ursachen für seine Entstehung aufgedeckt werden. Sie kreisen allenfalls die Konturen dieses Publikums ein. Immerhin stimmen die Begriffe in der Beschreibung der Qualifikations- und Funktionsmerkmale sowie in den Andeutungen der Rekrutierungsmerkmale der Rezipienten der Musik überein. Sie verweisen auf Teile der Aristokratie und auf die sich herausbildende Schicht der „gebildeten Stände".7
ΠΙ
Konstitutives Element der „gebildeten Stände" des ausgehenden 18. Jahrhunderts waren ihre verschiedenartigen zahlreichen Sozietäten, ihre freiwilligen, gleichberechtigten kulturellen Vereinigungen.8 Dazu zählten neben den Freimaurerlogen und den Lesegesellschaften nicht zuletzt auch die diversen Musikgesellschaften. Die Zunahme der Gründungen der vielfaltigen Formen der „musikalischen Gesellschaf-
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J. G. SULZER, Allgemeine Theorie der schönen Künste, Bd. 3,2. Aufl., Leipzig 1793, S. 14. Vgl. etwa Leopold MOZART an Wolfgang Amadeus Mozart (11.12.1780) in: Mozart. Briefe und Aufzeichnungen (wie Anm. 3), S. 53. Vgl. Hans Erich BÖDEKER, Die „gebildeten Stände" im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: Zugehörigkeit und Abgrenzungen. Mentalitäten und Handlungspotentiale, in: Jürgen KOCKA (Hg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil IV: Politischer Einfluß und gesellschaftliche Formation, Stuttgart 1 9 8 9 , S. 2 1 - 5 2 . Vgl. ebda, und die dort angegebene Literatur. Die systematische Analyse steht noch aus; heranzuziehen sind noch immer Gerhard PINTHUS, Das Ronzertieben in Deutschland. Ein Abriß seiner Entwicklung bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Straßburg etc. 1932, und Eberhard PREUSSNER, Die bürgerliche Musikkultur. Ein Beitrag zur deutschen Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts, Hamburg 1935.
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ten" legt ein entwickeltes eigenständiges Geschmacksbewußtsein, ein gewachsenes kulturelles Selbstbewußtsein ihrer Mitglieder nahe. Sie initiierten eine Dynamik des „musikalischen Lebens", dessen umfassende Analyse noch aussteht.9 Die Untersuchung ihrer Mitgliederstrukturen etwa ermöglichte tiefe Einblicke in das Sozialprofil des sich konstituierenden modernen musikalischen Publikums. Zwischen 1720 und 1770 entwickelten sich die Collegia musica, die weitgehend internen Vereinigungen von „Rennern", „Liebhabern" und Musikern zum Musizieren, zu Musikgesellschaften, in denen die Mitglieder - „Renner", „Liebhaber" und Musiker - nicht nur selbst musizierten, sondern auch Musik hören konnten. Der nach der Jahrhundertmitte einsetzenden beschleunigten Gründungswelle von musikalischen Gesellschaften als den Voraussetzungen von „Liebhaberkonzerten" im halböffentlichen Rahmen, korrespondierte deren schrittweise soziale Öffnung, ihre schließliche allgemeine Zugänglichkeit. Sie waren insoweit Grundlage für das allen zugängliche Subskriptionskonzert und damit Ausgangspunkt für das etwa 1770 einsetzende „Ronzertwesen" als kennzeichnende Repräsentation „bürgerlicher Musikkultur".10 Daß diese Öffnung geschlossener Musizierkreise in verschiedenen Etappen, phasenverschoben und mehrsträngig verlief, ist wiederholt betont worden. Die wirtschaftlich florierenden Städte wie Hamburg, Leipzig oder Frankfurt konnten viel früher einen regen Musikbetrieb verzeichnen als die Mittel- und Rleinstädte, wo es weniger finanzkräftige Adelige oder bürgerliche Mäzene und weniger wohlsituierte „Renner" und „Liebhaber" gab. Während sich in den damaligen Großstädten das „musikalische Leben" immer breiteren Schichten öffnete, blieb es in den Mittelund Rleinstädten noch lange Zeit bei gesellig angelegten, halböffentlichen „Liebhaberkonzerten". In den zahlreichen deutschen Residenzstädten blieb das „musikalische Leben" weiterhin eng mit den Höfen verknüpft, die bemerkenswerterweise die ständischen Begrenzungen bei höfischen Ronzertveranstaltungen aufhoben.'1 Die Mitglieder der Musikgesellschaften waren - soweit sich das auf dem jetzigen, vorläufigen Stand der Forschimg überhaupt sagen läßt - mehrheitlich bürgerliche Beamte mittlerer und oberer Ränge, Gebildete, Raufleute, Rentiers sowie Adelige.12 Auch wenn die bürgerlichen Schichten für das „musikalische Leben" entscheidend an Bedeutung gewonnen hatten, behielten die Adeligen als häufige Ronzertbesucher und als finanzkräftige Mäzene großes Gewicht.15 Ob man allerdings von einer Integration von bürgerlichen und adeligen Schichten im Musikpublikum sprechen sollte, erscheint fraglich. Es überrascht jedoch der zahlenmäßig hohe Anteil der adeligen wie der bürgerlichen Frauen im Musikpublikum, das ohne das umfangreiche häusliche Musizieren kaum hätte entstehen können. Aufschlußreiches Quellenmaterial hat auch Peter SCHLEUNING, Das 18. Jahrhundert (wie Anm. 1), S. 101 ff., zusammengestellt. 10 Zum Ronzertwesen vgl. vor allem Hanns-Werner HEISTER, Das Konzert Theorie einer Kulturform (wie Anm. 1). 1 1 Vgl. Erich REIMER, Die Hofmusik in Deutschland 1 5 0 0 - 1 8 0 0 , Wilhelmshaven 1991, S. 1 4 6 ff. (Taschenbücher zur Musikwissenschaft 112). 12 Vgl. die aufschlußreiche Zusammenstellung von Quellen in Peter SCHLEUNING, Das 18. Jahrhundert (wie Anm. 1), S. 117 ff. 15 Darauf hat nachdrücklich hingewiesen: David P. SCHROEDER, Haydn and the Enlightenment. The late Symphonies and their Audience, Oxford 1990, S. 25.
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IV Sozialgeschichtliche Studien zum reichen Ronzertieben des ausgehenden 18. Jahrhunderts, genauer seiner hauptsächlichen Finanzierungsform durch Subskription, verbunden mit Abonnement bzw. Pränumeration, könnten die Ausprägungen des zeitgenössischen Publikums erhellen. Dazu sind Untersuchungen der Subskriptionslisten der Konzerte dringend geboten, machten sich die „Renner" und „Liebhaber" eine Ehre daraus, zu subskribieren, gehörte es doch zur allgemeinen Bildung, an diesem Ronzertieben teilzunehmen.14 Ebenso ermöglichten Untersuchungen der Subskriptionslisten der Ronzerte individueller Musiker reiche Aufschlüsse über das musikalische Publikum. So waren C. Ph. E. Bachs Ronzerte offensichtlich eine Attraktion für die musikinteressierten Zirkel Hamburgs, die sich freilich aus den Schichten der wohlhabenden Einwohner zusammensetzten.15 Und Mozarts drei Trattnerhofkonzerte im März 1784 zogen, der Sozialstruktur der Residenzstadt Wien entsprechend, hohen Adel, Dienstadel, bürgerliche Beamte und Wissenschaftler, aber auch reiche und wohlsituierte Raufleute an. Charakteristisch für Wien - aber in welchem Ausmaß galt das für das allgemeine Musikpublikum? - war mindestens jeder vierte der Subskribenten Mitglied einer der Wiener Freimaurerlogen.16 Leider stehen Untersuchungen dieser Subskriptionslisten der Ronzerte zeitgenössischer Musiker noch aus. Aufschlüsse über die soziale Zusammensetzung des Musikpublikums ermöglichen schließlich auch die Eintrittspreise der Ronzerte.17 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dürfte die Spanne zwischen einem preiswerten und einem teuren Abonnement etwa zwischen 4 und 10 Reichstalern gelegen haben, sieht man einmal von besonders preisgünstigen Ausnahmen wie Greifswald oder außergewöhnlich kostspieligen Orten wie Leipzig ab. Als Durchschnittspreis für ein Virtuosenkonzert sollte man für diese Zeit von 1 bis 2 Talern ausgehen. Die hohen Eintrittspreise grenzten den gesellschaftlichen Rahmen des Ronzertpublikums von vornherein auf reiche und gebildete Adelige sowie wohlhabende und gebildete bürgerliche Schichten ein. Rleinere Beamte dürften kaum unter den Ronzertbesuchern gewesen sein; von den städtischen Handwerkern ganz zu schweigen. Verschiedentlich wurden die Eintrittspreise auch bewußt hoch angesetzt, um damit eine gewisse soziale Exklusivität herzustellen bzw. zu bewahren. „Der Übergang zu der tatsächlich nur vom Geld abhängigen Öffentlichkeit scheint... auch im öffentlichen Liebhaberkonzert... fließend gewesen zu sein."18
14 Im Sinne dieser Interpretation argumentieren die herangezogenen sozialgeschichtlich orientierten Untersuchungen zur Geschichte der Musik im 18. Jahrhundert. 15 Vgl. Hans-Günter OTTENBERG, Carl Philipp Emanuel Bach, 2 . Aufl. München, Mainz 1988, S. 158 ff. 16 Vgl. Volkmar BRAUNBEHRENS, Mozart in Wien, 6. Aull. München, Mainz 1991, S. 257. 17 Vgl. dazu die Hinweise bei Peter SCHLEUNING, Das 18. Jahrhundert (wie Anm. 1), S. 120 ff. 18 Ebda. S. 128.
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V Eine wichtige, noch kaum untersuchte Quelle für die soziale Zusammensetzung der Kreise der „Kenner" und „Liebhaber" sind schließlich die seit der Jahrhundertmitte in zahlreichen Notendrucken zunehmend vor- oder nachgedruckten Verzeichnisse der „Pränumeranten", der „Subskribenten", der „Beförderer".19 Die achtziger und neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts waren dann in Deutschland Blütejahre des musikalischen Pränumerations- und Subskriptionswesens. Auch wenn diese Verzeichnisse eine problematische, methodisch schwierige Quellengattung sind, ließen sich doch in interdisziplinär orientierten, methodisch umsichtigen Untersuchungen einer größeren Zahl überzeugende musiksoziologische Ergebnisse erzielen.20 Mit ersten, methodisch noch ungesicherten Informationen aus einzelnen Verzeichnissen lassen sich die Konturen des zeitgenössischen Musikpublikums vage umschreiben. Unter den Käufern etwa der verschiedenen Sammlungen C. Ph. E. Bachs waren wohl nicht nur zahlreiche Berufsmusiker, sondern größtenteils „Kenner" und „Liebhaber" aus dem hohen und niederen Adel sowie aus den gebildeten wie kaufmännischen Schichten der städtischen Bevölkerung. Auch in diesen Listen fällt die häufige Nennung von adeligen wie bürgerlichen Frauen als Teil des Musikpublikums auf.21 Dem Pränumerations- und Subskriptionswesen korrespondierten tiefgreifende Veränderungen der musikalischen Kommunikationsstrukturen sowie die Konstituierung des modernen Musikmarktes. Noch sollten Subskription und Pränumeration die Fiktion immittelbarer Kommunikation zwischen dem sich zum „freien", für einen Markt produzierenden Komponisten und dem mäzenatisch gesinnten Rezipienten von Musik aufrechterhalten. Die Subskription war dann nichts anderes als eine „Sammelpatronage" eines noch namentlich überschaubaren Kreises von interessierten Förderern, die ihr „honorarium" ohne gewerbliche Vermittlung dem Komponisten immittelbar zukommen lassen wollten.22 Die „Kollekteure", deren Rolle jeder wichtige und weniger bedeutende Komponist des 18. Jahrhunderts hat sich irgendwann auch als Kollekteur betätigt - sich kaum überschätzen läßt, beleben diese Idee des unmittelbaren Kontakts zwischen Komponist und Musikhörer. Dieser Vorstellung entsprach ein mäzenatisches Selbstbewußtsein der einzelnen Subskribenten, das auch Ausdruck eines sozialen Prestigebedürfhisses war, dessen Antrieben und Ausrichtungen hier nicht nachgegangen werden soll. Andererseits und zugleich hatte diese Idee auch vielfältige Konsequenzen für den auf dem entstehenden musikalischen Markt um seine ökonomische Unabhängigkeit kämpfenden Komponisten. Der Traum von der kollektiven Patronage und dem Mäzenatentum der 19 Vgl. vorerst Klaus HORTSCHANSKY, Pränumerations- und Subskriptionslexikon in Notendrucken deutscher Musiker des 18. Jahrhunderts, in: Acts Musicologia 4 0 ( 1 9 6 8 ) , S. 1 5 4 - 1 7 4 . 20 Vgl. dazu die quellenkritischen Refexionen von Reinhard WITTMANN, Subskribenten- und Pränumerantenverzeichnisse als lesersoziologische Quelle, in: Herbert G. GÖPFERT (Hg.), Buch und Lesen, Hamburg 1 9 7 7 , S. 1 2 5 - 1 5 9 (Schriften des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Geschichte des Buchwesens 1). 21 Vgl. Hans-Günter OTTENBERG, Carl Philipp Emanuel Bach, (wie Anm. 15) S. 158 ff. 22 In enger Anlehnimg an Reinhard WITTMANN, Subskribenten- und Pränumerantenverzeichnisse als lesersoziologische Quelle (wie Anm. 20), S. 134, formuliert.
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„Kenner" und „Liebhaber" des ausgehenden 18. Jahrhunderts war jedoch nur allzu rasch ausgeträumt. Das Subskriptionssystem - unfähig, die größere Nachfrage nach Musik zu befriedigen - wurde noch im ausgehenden 18. Jahrhundert von einem System spezialisierter Musikalienhändler ersetzt.23 Gleichwohl war das moderne Musikpublikum in dieser Phase seiner Konstituierung noch überschaubar, noch kein anonymes Publikum.2,1
VI Auf dem jetzigen Stand der Forschimg wird man kaum mehr feststellen können, als daß das musikalische Publikum im ausgehenden 18. Jahrhundert zahlenmäßig zugenommen hatte und auch ein breiteres soziales Spektrum aufwies. Ein differenziertes Sozialprofil des damaligen Musikpublikums, das sich offensichtlich in mehreren soziokulturellen Schichten bezeugen läßt, ist gegenwärtig noch nicht möglich. Die immer wieder evozierten „Kenner" und „Liebhaber" als die Trägerschichten des musikalischen Lebens zählten partiell zu den adeligen Schichten und den „gebildeten Ständen". Das entstehende musikalische Publikum dürfte dem sich konstituierenden literarischen Publikum geähnelt haben, das weniger als 5 Prozent der damaligen städtischen Bevölkerung ausgemacht haben dürfte.25 Nach einem zeitgenössischen Zeitungsbericht sollen in einer Stadt von etwa 20.000 Einwohnern weniger als 400 Personen dem Kreis der Musikrezipienten angehört haben.26 Dieses Verhältnis wurde als repräsentativ erachtet. Natürlich prägten Größe, ökonomische, soziale sowie institutionelle und funktionale Komplexität der Städte den Umfang und soziale Zusammensetzung der lokalen adeligen Zirkel und die der „gebildeten Stände" und damit auch die Zusammensetzung des musikalischen Publikums. Unterschiede und Abstufungen innerhalb der relativen soziokulturellen Homogenität der Musikrezipienten sind bislang kaum thematisiert worden. Und auch zum immer wieder auffallenden Anteil der musikalisch dilettierenden adeligen und bürgerlichen Frauen am entstehenden Publikum - eine Errungenschaft der modernen Musikkultur? - liegen nur vereinzelte, unzulängliche Untersuchungen vor.27 Das jeweilige lokale Publikum setzte sich aus den Freunden, Verwandten und Bekannten und wenigen musikinteressierten Angehörigen der städtischen Gemein-
23 Vgl. dazu die weiterführenden Überlegungen von William WEBER, Mass Culture and the Reshaping of European Musical Taste, 1770-1870, in: International Review of the Aesthetics and Sociology of Music 5 (1978), S. 5-21, S. 9 ff. 24 Vgl. dazu Erich REIMER, Idee der Öffentlichkeit (wie Anm. 4), und William WEBER, Mass Culture (wie Anm. 23). 25 Vgl. demnächst Hans Erich BÖDEKER, „... the commence of hearts and minds": Authors, the Literary Market and the Public in Eighteenth-Century Germany. 26 Vgl. Geschichte einer Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst, in: AMZ (1802), S. 265 ff. 27 Informativ Peter SCHLEUNING, Das 18. Jahrhundert (wie Anm. 1), S. 209 ff., sowie Eva RIEGER, Frau, Musik und Männerherrschaft. Zum Ausschluß der Frau aus der deutschen Musikpädagogik, Musikwissenschaft und Musikausübung, Frankfurt/M. etc. 1981.
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den zusammen. Die Zusammensetzimg des Publikums der „Liebhaberkonzerte" gründete also wesentlich in den Strukturen persönlicher Beziehungen. Und selbst die Subskriptionskonzerte der mehr oder weniger berühmten Musiker, deren kommerzialisierter Charakter kaum zu übersehen ist, setzte solche Netzwerke direkter oder indirekter persönlicher Beziehungen voraus.28 Das sich konstituierende Musikpublikum war also noch keineswegs das „anonyme" Publikum, das sich in der fortschreitenden Ausdifferenzierung und Spaltung des bürgerlichen Musikpublikums des 19. Jahrhunderts herausbilden sollte. Die unmittelbare Übernahme des modernen Begriffs „Öffentlichkeit" verstellt die Möglichkeit der Rekonstruktion des Musikpublikums des ausgehenden 18. Jahrhunderts.29
VII Den Anfangen des modernen Musikpublikums korrespondierte ein veränderter Umgang mit Musik.30 Essen, Trinken, Rauchen, Umhergehen, Konversation und ähnliche Aktivitäten, die noch im 18. Jahrhundert wie selbstverständlich zum Liebhaberkonzert gehörten und es gleichsam zu einem von Musik begleiteten gesellschaftlichen Ereignis machten, wurden allmählich zurückgedrängt. Die Musikrezipienten, denen spontanes Agieren zunehmend verwehrt war, die in die Rolle des regungslos sitzenden Zuhörers gedrängt werden sollten, fanden sich nur schrittweise in den neuen Kodex des Verhaltens hinein. Diese neue Verhaltensnormierung wurde durch institutionelle Vorkehrungen abgesichert und vorangetrieben. Die Einführung fester Sitzreihen im ausgehenden 18. Jahrhundert - erst nach 1800 ging man dazu über, die Eintrittspreise nach Sitzreihen zu staffeln - verhinderte das Umhergehen des Publikums während des Konzerts und sollte auch Gespräche erschweren. Mit der Einführung der Sitzreihen kam es zugleich zu einer räumlichen Trennimg von Musikern und Publikum. Später setzte sich das erhöhte Podium für die Musiker durch. Damit wurde die Ausrichtung der Hörer auf die Musiker, das Orchester konzentriert, was zugleich eine akustische Verbesserung für die Hörer bedeutete. Die implizierte Tendenz zur Immobilisierung der Musikhörer wird greifbar in der Forderung nach Unterdrückung aller Elemente körperlichen Interagierens, etwa der rhythmischen Körpermotorik oder des Mitklopfens des Takts mit dem Fuß. Und auch die Verdunkelung des Konzertsaals sollte zur Schaffung eines neuen Hörertyps beitragen. Die Dunkelheit des Konzertsaals hob jedes Interaktionsverhältnis des rezipierenden Subjekts mit seiner Umwelt auf, schuf die Voraussetzung dafür, daß der Zuhörer von der ihn umgebenden räumlichen Situation, von seinem Nachbarn und partiell auch von sich selbst absehen und sich ganz auf die akustische
28 Auf diese Dimension des Publikums hat William WEBER aufmerksam gemacht Mass Culture (wie Anm. 23), S. 8 f. 29 Vgl. Erich REIMER, Idee der Öffentlichkeit (wie Anm. 4). 30 Die folgende Argumentation gründet in den Hinweisen von Peter SCHLEUNING, Das 18. Jahrhundert (wie Anm. 1), S. 169 ff., sowie Hanns-Werner HEISTER, Das Konzert (wie Anm. 1), passim.
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Wahrnehmung der Musik konzentrieren konnte. Die Einführung einer Konzertpause schied bewußt zwischen Zerstreuung und Konzentration; sie brachte Entlastung von der Körperlosigkeit und der Vergeistigung beim Aufnehmen der Musik. Letztlich war ein in Herrschaft über den Körper erreichter Zustand erstrebt, der die körperliche Dimension des Rezipierens ausschloß, aber eine Erweiterung der Rezeptionsfahigkeit auf der unkörperlichen Ebene schuf. Darin lag zweifellos ein Gewinn und die Möglichkeit neuer ästhetischer Erfahrungen. Dieser Veränderung des Hörens entsprach eine Umwälzung der Musik selbst. Der „neue" Hörer war Hörer einer Instrumentalmusik, die zunehmend als „eigentliche" Musik und höherrangig als die Vokalmusik galt. Die Rezeption ihres differenzierten Klanggefuges erforderte konzentriertes und aktives Hören. Dieser Musik entsprach der andächtig lauschende Hörer, der sich ihr ganz hingab.31 Der „Kenner" mit der Taschenpartitur tauchte in den Konzertsälen auf. Musikrezeption war - idealiter - also eindeutig ein aktiver Vorgang, der allerdings keine rezeptionelle Willkürherrschaft erlaubte. Zugespitzt formuliert: Das neue Musikpublikum hörte nicht nur andere Musik, es hörte die andere Musik auch in anderer Weise. Die Institution „Musik" begann sich zu verändern und damit auch die musikhörenden Menschen.
31 Ob die in diesem Zusammenhang immer wieder hereingezogene Metaphorik der „Kunstreligion" zur Analyse des veränderten Verhaltens der Musikhörer ausreicht, erscheint jedoch fraglich.
Giovanni Carli Bailóla
Le Fiabe di Carlo Gozzi nelle strutture teatrali della Zauberflöte
L'incidenza del teatro di Carlo Gozzi (e in particolare di quella sua parte di gran lunga più rilevante e di risonanza europea, costituita dalle dieci Fiabe) nel sostrato drammaturgico dal quale prenderà forma la Zauberflöte, è tuttora tra gli aspetti meno indagati di tale cultura e tra i più sguarniti di una vera tradizione critica. Su Gozzi, i classici della monografìa mozartiana, da Abert a Einstein, tacciono affatto. A tale silenzio sembra corrispondere a grande maggioranza la saggistica musicologica internazionale, anche recente; sì che il sasso gettato in queste acque stagnanti da Charles Rosen, il quale, in The Classical Style (cap. V., The Opera Buffa, passim), là dove tratta della Zauberflöte, dedica alcune righe al letterato italiano, ha tutta l'aria di una provocazione culturale nata dall'intento dichiarato di „europeizzare" un fenomeno, quale è il Singspiel mozartiano, nel quale ima illustre tradizione critica ha sempre ed esclusivamente voluto vedere la splendida epifania dell'opera tedesca. Neil' ambito di una linea che movendo dall'Entfuhrung, si faceva proseguire attraverso la Zauberflöte e il Fidelio fino al Freischütz, ai titoli più significativi di Marschner e Lortzing su fino al Fliegende Holländer, l'ammettere la Fiaba gozziana tra le matrici accertabili della Zauberoper di Schikaneder poteva costituire un elemento di disturbo; non meno (per fare un altro esempio) che il riconoscere il Fidelio per quello che realmente è, un opéra-comique in travestimento tedesco. Si perdeva così di vista proprio un momento peculiare della cultura teatrale tedesca, quello che vede nello scorcio del Settecento la produzione gozziana affermarsi con straordinaria rapidità e fortuna, attraverso le compagnie di giro che la rappresentano in traduzioni letterali o libere parafrasi; diffusione favorita anche dalla vivace e originale sopravvivenza, negli Stati austriaci e in quelli tedeschi, delle superstiti troupes dei comici italiani dell'Arte scampati alla decadenza in cui li aveva ridotti in patria la nuova commedia borghese di stampo goldoniano. Scritte tra il 1761 e il 1765 (Gozzi 1772-74, 1801-03), le dieci Fiabe gozziane (L'amore delle tre melarance, Il corvo, Π re cervo, Turandot, La donna serpente, La Zobeide, I pitocchi fortunati, Il mostro turchino, L'Augellin Belverde, Zeim re de' Genj) conquistano subito la grande cultura teatrale tedesca (per la fortuna di Gozzi in Germania, si veda principalmente Hoflmann-Rusack 1930), da Lessing a Wieland, da Goethe a Schiller (che nel 1801 presenta a Weimar una propria riduzione della Turandot) ai due Schlegel, a Tieck. E non solo le Fiabe, ma anche la copiosa e diseguale produzione gozziana derivata per lo più dal teatro spagnolo del siglo de oro ed oggi completamente dimenticata, viene ritenuta degna di attenzione. A Berna, tra il 1777 e il 1779, una raccolta dei drammi di Gozzi, aggiornata secondo il ritmo produttivo dello scrittore, esce in 5 volumi nella traduzione tedesca di Friedrich August Clemens Werthes (1777-79). Tali testi offrono ben presto materia per una fitta produzione di parafrasi e rielaborazioni di ogni genere, non escluso quello melodrammatico: per il successo ottenuto a Mannheim nel 1779 va almeno ricordato Das
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tartarische Gesetz su libretto di Friedrich W. Gotter ricavato da I pitocchi fortunati e posto in musica da Johann André. Impossibile qui riferire per minuto le vicende di Gozzi in terra germanica. Sconfitto in Italia sul doppio fronte del classicismo tragico risorto con Vittorio Alfieri e della commedia rinnovata dal mortale nemico Goldoni, il conte Gozzi trovava la sua ambigua rivincita in una cultura sensibile a un teatro trasgressivo dei classici criteri della verosimiglianza e delle unità aristoteliche, aperto al meraviglioso, al magico, alle suggestioni dell'esotismo, e insieme alla antica, plateale comicità delle maschere italiane. Rivincita ambigua, s'è detto. Mentre infatti con Friedrich Schlegel (1797; 1798) e soprattutto con Friedrich Bouterwek (1802, 484-91) si viene creando il „mito" di un Gozzi preromantico; August Wilhelm Schlegel saprà cogliere con maggiore perspicacia le contraddizioni di un teatro che, se da una parte presenta il persistere di un apparato ideologico-didascalico e di una rigidezza di affabulazione fantastica che romantiche non possono certo dirsi, dall'altra vibra da capo a fondo di un gusto tutto intellettuale per l'ironia, la parodia, il paradosso capriccioso e ancora quel senso di amara dissociazione dal quotidiano, assai vicini alla incomunicabilità e alla solitudine spirituale dell'artista romantico. Come avviene per tutti i miti culturali, anche per quello di Gozzi la Romantik offrirà dunque una giustificazione sostanzialmente tendenziosa a una fortuna che se nei paesi tedeschi era stata spontanea e confortata dal consenso della grande cultura, in Italia aveva avuto origine da un progetto meditato in un clima di fiera polemica ideologico-artistica. Con Gozzi infatti nasceva una nuova forma di teatro che voleva essere „di massa" (non diremo „popolare", e vedremo poi perché) e che sfidava Goldoni sul suo stesso terreno, quello di un ampio consenso di pubblico. Con le sue fiabe Gozzi contestava il teatro psicologico, borghese e popolare di Goldoni e riproponeva la vitalità della vecchia commedia dell'Arte, affidando agli ultimi rappresentanti del genere, come al celebre Antonio Sacchi, grande Truffaldino, le sue variazioni su un meraviglioso volutamente assurdo e improbabile, usato come contenitore di un messaggio anti illuministico, aristocratico e ancien regime. La fiaba gozziana non avrebbe retto senza i lazzi e le gag infallibili dei vecchi comici dell'Arte. La sua novità, clamarosa, era questo innesto di una fabulazione macchinosa e fantastica sui vecchi canovacci e sulle vecchie maschere, da cui nasceva lo stravagante fascino per la rotta di collisione di Truffaldino, Brighella, Tartaglia, Pantalone e Smeraldina con fate, maghi, statue parlanti, metamorfosi zoomorfe e prodigi di ogni sorta, da una parte; dall'altra, con personaggi di alto affare appartenenti al mondo aulico della tragedia o dell'opera seria: re, regine, principi del sangue, eroi guerrieri e simili. L'aristocratico Gozzi tentava così di screditare il progressivo Goldoni sul suo stesso terreno: il consenso di massa ottenuto dalle fiabe presso il popolino pareggiava e fors'anche superava quello conseguito dal rivale, dimostrando che poteva essere molto dubbia l'organicità goldoniana ai ceti borghesi emergenti se, con mezzi totalmente opposti e volutamente provocatori, lo stesso risultato veniva raggiunto dal suo nemico ideologico. Assiduo frequentatore del teatro di parola, Mozart conosceva assai bene i testi di Gozzi attraverso gli originali tradotti e le rielaborazioni in repertorio della compagnia di Emanuel Schikaneder, attiva a Salisburgo fin dagli anni Settanta. Per uno di tali drammi, Die zwey schlaflosen Nächte oder Der glückliche Betrug, una libera rielabo-
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razione di Werthes da La due notti affannose, ossia Gl'inganni dell'immaginazione del commediografo veneziano, il musicista aveva anzi composto nel novembre 1780 un Recitativo ed Aria (Kv. 365a) oggi perduto. Nel 1791, lo stesso Schikaneder (probabilmente l'uomo di teatro tedesco più coinvolto col teatro gozziano) nell'intreccio della Zauberflöte gli avrebbe riproposto quello stesso mondo in un contesto sulle cui matrici ideologiche e strutturali esiste, come noto, una letteratura sterminate. Proprio la complessità di tali stratificazioni genetiche rende cautelosa, più che difficile, l'operazione intesa ad isolarvi quegli elementi strutturali sicuramente riferibili al teatro gozziano. Di alcune tra le strutture narrative di base, come il topos delle prove che l'eroe deve affrontare e superare per conseguire la felicità, o la lotta tra la positività e la negatività morale di due mondi contrastanti, e ancora tutto l'apparato prodigioso e metamorfico che fa da lievito spettacolare all'azione, le fiabe di Gozzi non sono, ovviamente, che il tramite letterario privilegiato, debitore a sua volta di una ramificata tradizione favolistica di matrice sia letteraria che popolare, e della sua antropologia. Più specificamente gozziani sembrano i lazzi della commedia dell'Arte, rivissuta dallo stesso Schikaneder come attore-improvvisatore nelle vesti di Papageno (in coppia con la Partner Papagena-Smeraldina e i suoi esilaranti travestimenti da vecchia vogliosa), e la loro commistione col mondo eroico e meraviglioso di Tamino e Pamina, di Sarastro e della Regina della Notte in una vera e propria modulazione di stili poetico-teatrali, destinata a trovare puntuale rispondenza nella prodigiosa variegatura stilistica della partitura mozartiana. Ma sono soprattutto le scene capitali nelle quali confluiscono tutte le linee di tensione ideologica e morale dall'opera a rivelare con chiara evidenza come l'apparato simbologico e ritualistico massonico abbia trovato nella fiaba di Gozzi il suo tramite più efficace. Si tratte della scena quindicesima del I atto, col dialogo chiarificatore fra Tamino e il Sacerdote e il rendimento di grazie die Tamino tra l'accorrere stupefatto di tutti gli animali della foresta al suono del flauto, e della scena ventottesima del secondo, con le prove dell'acqua e del fuoco affrontate da Tamino e Pamina con l'assistenza morale degli Armigeri. Tali episodi trovano la loro puntuale rispondenza nelle scene gozziane di carattere ideologico-didascalico, dove un essere sovrannaturale o meraviglioso - che può essere mia „statua morale", come neìYAugellin Belverde; un umano sapiente trasformato in creatura mostruosa, come nel Mostro turchino e in Zeim re de' Genj, o ancora, come ne La Zobeide, un virtuoso e saggio sacerdote depositario di arcani rivelabili soltanto a creature elette e a ciò predestinate dal volere divino. Squisitamente gozziano è inoltre il vivace contorno di ammali dai comportamenti umani e di uomini-simulacro (gli Zwei schwarz geharnischte Männer) cui vengono affidati apoftegmi ideali e morali; la presenza di realtà sonore in grado di produrre effetti prodigiosi (si vedano, neìTAugellin Belverde, l'acqua d'oro che suona e il pomo che canta; ne Π nostro turchino, il corno magico) nonché lo zoomorfismo parziale o totale di numerosi personaggi o comparse di Re Cervo, La donna serpente, La Zobeide, L'Augellin Belverde, Zeim, ecc., riflesso nella coppia Papageno-Papagena, rivestita di piume d'uccello. L'inclinazione gozziana allo scherzo, che nasce dalla rotta di collisione tra la vena ludica delle maschere e la seriosità dei personaggi e delle situazioni, ricompare infine nel malizioso ruolo affidato ai tre Knaben, ora angeli messaggeri, ora demoni
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tentatori, ora complici commossi e divertiti degli amori di Pamina e di Papageno. Infine, assai più che nell'opera seria, è nella forsennata, disumana negatività di certe figure femminili gozziane (si pensi alla regina mora Canzema, in Zeim re de' Genf) che è da ricercare la smisurata passionalità, votata a una tragica autodistruzione, della Regina della Notte. Elementi tutti radicati nell'humus di ima favolistica europea che soltanto un tramite letterario di spiccata originalità e di grande risonanza culturale - oltre che di successo popolare - poteva fare confluire nella Zauberoper viennese di fine Settecento e, da essa, nel capolavoro di Mozart e Schikaneder. Che poi, nella Zauberflöte, il messaggio dell'illuminismo massonico filtrato dalla humanitas mozartiana abbia gettato radici proprio nelle strutture teatrali elaborate per tutt'altri fini ideologici dal reazionario conte Gozzi, è problema che riguarda l'eterogenesi - o, per meglio dire, i colpi di scena - da cui scaturiscono i grandi eventi dell'arte e della cultura.
BIBLIOGRAFIA
Questo scritto riproduce testualmente la breve relazione da me tenuta al congresso „Mozart im Zeitalter Europas" svoltosi all'Università di Vienna tra il 26 e il 31 gennaio 1992. Le proposte di ricerca in esso enunciate sono da ritenersi alla base di un più vasto studio tuttora in corso di elaborazione. La conoscenza, da parte di Mozart e dei suoi familiari, del teatro di Gozzi nelle sue derivazioni in lingua tedesca è assai bene documentata dall'epistolario. Si vedano in Mozart, Briefe und Aufzeichnungen, Gesamtausgabe, a cura di W. A. BAUER e 0. E. DEUTSCH, Kassel etc. 19621975, le lettere ai nn. 555, 547, 550, 564, 649 e le relative note nel Kommentar, VI. Il recente saggio di David J. BUCH, Fairy-Tale Literature and „Die Zauberflöte", Acta Musicologica 1992/1, ci sembra il contributo più criticamente aggiornato e interessante sull'argomento (anche per il suo richissimo corredo bibliografico, nel quale le Fiabe di Gozzi sono almeno citate). BOUTERWEK, F.: Geschichte der Poesie und Beredsamkeit, Göttingen 1802. Gozzi, e.: prima edizione e quelle Colombani, uscita tra il 1772 (Venezia) e il 1774 (Firenze) in 8 voli. Più complete sono le Opere edite ed inedite, Venezia 1801-03,14 voli. Entrambe le edizioni sono precedute da un'ampia introduzione, Bagionamento ingenuo e storia sincera dell'origine delle mie dieci Fiabe, seguita da un'Analisi riflessiva sulla fiaba „L'amore delle tre melarance". HOFFMANN-RUSACK, H.: Gozzi in Germany, New York 1930. ROSEN, Ch.: The Classical Style, New York 1971. SCHLEGEL, FT.: Lyceum der schönen Künste, 1797. SCHLEGEL, FR.: Athenäum, 1 7 9 8 . SCHLEGEL, A. W.: Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur, IX. WERTHES, Fr. A. C.: Theatralische Werke von Carlo Gozzi aus dem Italienischen übersetzt, Bern 1777-1779.
Christian Kaden
Wandlungen musikalischer Kommunikationskonzepte im 18. Jahrhundert
1. Das 18. Jahrhundert legt, wirtschaftlich und soziostrukturell, die Fundamente des Industriezeitalters. Es leitet den Übergang ein vom Merkantilismus zum freien Markt, von feudal-ständischer zu entfaltet-kapitalistischer Produktion, von personalen zu monetär-sachlichen Abhängigkeiten. Paradox allerdings ist, und begreiflich zugleich, daß auf diesem Weg zu Sachlichkeit und neuer Komplexität zwischenmenschliche Bezüge zunächst nicht aufgegeben werden, sondern ekstatisch gesteigert und überhitzt. Was als geschichtliche Tendenz Depersonalisierung in sich trägt, ruft - namentlich seit der sensualistischen Wende der Aufklärung um 1750 - zugespitzte Personalisierung auf den Plan. Carl Philipp Emanuel Bach, beispielsweise, führt eine Korrespondenz mit Hunderten Geschäftspartnern und Subskribenten, als könnte es gelingen, unüberschaubare Marktlagen kraft individueller Willensanstrengung zu kontrollieren. Johann Wilhelm Ludwig Gleim gewinnt sich Brieffreunde auf dem gesamten europäischen Kontinent und versammelt sie, lebensgroß-lebensecht porträtiert, in der Galerie seines Halberstädter Domizils. Welt wird als Welt erfahren - und aufgestellt, aufgehängt in der bürgerlich guten Stube. Sozialisierung sucht, im großen wie im kleinen, nach menschlicher Nähe, nach einer Sprache der Wärme, der naturhaft-ursprünglichen Wirkungsmacht. In Musik, der seit Mitte des Jahrhunderts aufgetragen ist, von Herzen zu kommen und zu Herzen zu gehen, findet sie ihr Ideal, ihre Utopie - und ihres Scheiterns Probestück. 2. Musik - aus dem Herzen kommend, wieder zu Herzen gehend; dieser Topos umreißt, was wir heute „Kommunikation" nennen würden: die Übertragung musikalischer Information, musikalischer Ausdruckswerte von einem „Sender" zu einem „Empfänger", motiviert, zielgerichtet, linear. Zugleich erscheint darin eine spezielle Option. Denn so vielfältig communicaüo, im skizzierten Sinn, an Musikübung seit alters beteiligt war: deren ein und alles ist sie keineswegs. Vornehmlich in rituellem und zeremoniösem Zusammenhang, im Gottesdienst, im höfischen Fest, im bäuerlichen Brauch, wird sie von einer nonlinearen Verhaltensregulation flankiert, ja ergänzt. Es handelt sich dabei um Formen primär nicht der Übertragung von Handlungsimpulsen als vielmehr der Teilhabe an gemeinschaftlicher Aktion, um Verhaltensabstimmimg nicht von Mann zu Mann, sondern vor einem Dritten, in bezug auf dies Dritte: sei es Gott, sei es ein Herrscher, ein übergreifender Handlungsplan. Ich will diesem konzentrischen Modus, im Unterschied zur linearen communicatio, die Bezeichnung communio geben. Noch für das frühere 18. Jahrhundert muß er, zumindest intentional, bestimmend gewesen sein; erinnert sei an Johann Sebastian Bach, der seine Kompositionen obligatorisch dem Allerhöchsten weiht: „Soli Deo Gloria", mit formelhafter Abbreviatur sogar - „S. D. G.". Im Verlaufe hingegen des Aufklärungsjahrhunderts - dies meine These - gewinnt communicatio die Oberhand. Die urtümliche Komplementarität zweier Verhaltensprinzipien (in der communio stets eine Relativierung von communicatio bewirkt) wird aufgebrochen und zugunsten des einen Prinzips umzentriert.
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5. Faszinierend ist nun freilich, daß parallel zu solcher Akzentverschiebung das Konzept der communicatio selbst sich rigoros verengt. Ich habe den Prozeß andernorts (Raden 1984,148 ff.) als Verlust „epischer" Gesinnung, als Entepisierung beschrieben. „Epische Kommunikation" (Abb. 1) meint dabei den elementaren Sachverhalt, daß ein Informationsgeber, zusätzlich zur Artikulatiinforon eigener Befindlichkeit, mationeller Erzeuger Hintergrund ^ N a c h ^ — über sich hinausweist, von Empfänger i richt J (andere Information Tatsachen außerhalb seiInfoquellen, Denotate) ner selbst benennt. OfAbb. 1 fenkundig wird dergleichen z. B. in der Struktur des Romans (Abb. 2; vgl. - ·> Kirsch 1979), sofern dieErzähler Story 1 ser die Informations- ·> schicht des Autors bzw. Abb.2 des Erzählers von der der Story zu sondern weiß, oder auch in epischen * Theaterformen (Abb. 3), Figur 4 Darsteller die neben der dargestell·> ten Figur, durch Lüftung Abb. 3 der Maske, den Darsteller seinesteils kenntlich / machen. Epische Kom< \ / munikation verfügt miFigur < Darier thin über einen minde/ s < - -> / Ν stens doppelten Boden; Abb. 4 sie gründet konstitutio-
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nell auf Doppelung. Ebensolche Doppelungen nun jedoch werden im 18. Jahrhundert (ohne daß davon terminologisch die Rede ginge) zunehmend bekämpft, ja systematisch negiert. In der erzählenden Prosa schiebt sich der sentimentale Briefroman in den Vordergrund, der - rezeptionsgeschichtliches Schicksal von Goethes „Werther" den tatsächlichen Autor mit dem fiktiven Skribenten identisch setzt. Auf dem Theater muß, laut Lessings Hamburgischer Dramaturgie (1767/69), der Darsteller ganz und gar im Dargestellten sich verberen, sich einleben, einfühlen in die Figur (Abb. 4). Diese hat als „wirklicher" Mensch zu erscheinen, die Markierung des Schauspielers als eines Spielers wird ausgelöscht. Ähnliches widerfahrt dem Opernsänger, der - so Rousseau im Dictionnaire de musique (1768, 47) - als „musicien" restlos hinter der „personnage" zu verschwinden und fuglich aller virtuosen Eigenbeiträge sich zu enthalten hat. Selbst das Oratorium, zu dessen Gattungskonstituenten der Narrator, der Testo, der Evangelist unweigerlich gehören, wird seiner informationellen Vieldimensionalität beraubt (Abb. 5). Folgt man der Definition in Sulzers Kunstenzyklopädie (1771/74, Bd. 3, 610), soll es keine Geschichten vortragen - die interessieren wenig (Forkel 1783,187 f.) -, sondern die Gefühle darob singend bewegter Seelen: face to face. Im Sololied schließlich (Abb. 6) wird das empirische Ich des Sängers bzw. der Sän-
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gerin mit dem lyrischen Ich der Vorlage eins. Und in der Instrumentalmusik (Abb. 7) gibt - nach Carl Philipp Emanuel Bach (1753/62,1, 122) - der Musiker vollends sich selbst und sich allein; sogar die Doppelung von Komponist und Interpret muß aufgehoben werden, dergestalt, daß letzterer begeistert in den ersteren sich versenkt (vgl. Schleuning 1984, 418). Musikalische Kommunikation, vorzüglich des späteren 18. Jahrhunderts, kennt stets nur zwei: ein Subjekt des Ausdrucks - und dessen wahrnehmendes Gegenüber. Umfelder, Hintergründe, Vermittlungen der Partnerschaft werden unwesentlich und gleichsam hinweggedacht. „Von Herz zu Herzen": dieses Modell löst real vorfindliche soziale Komplexitäten scheinhaft auf; es bedeutet - um ein berühmtes Wort von Georg Groddeck (1909, 30) zu paraphrasieren die Verzwischenmenschelung musikalischer Kommunikation. 4. Verzwischenmenschelung aber ist nicht nur von Illusion geleitet, sie sorgt auch für deren erweiterte Reproduktion. Sie liftet Kommunikation zu einem Akt der Imagination. Schon im Einfühlungstheater, in der Einfühlungsoper ist der eigentliche Partner des Zuschauers und Hörers ein eingebildetes Subjekt. Erst recht können in der Instrumentalmusik - wiederum aus Sicht des Rezipienten - die Träger des Ausdrucks alles Erdhafte von sich streifen. Stufe 1 dieses Elevationsvorgangs (Abb. 8): Komponisten wie Interpreten werden, seit dem 18. Jahrhundert, zielstrebig vergottet und verStart; sie ziehen als „Amadeus", „unsterblicher Beethoven", Schubert-„Schwammerl" ihren Weg. (Bereits Carl Philipp Emanuel Bach ist eine Generation nach seinem protestantisch-bescheideneren Vater auf dem Vorzeigeporträt von Engelein umschwebt - Kaden 1984, Tafel 6.) Stufe 2 der Erhöhung (sie wird durch Sulzer 1771/74, Bd. 2, 678; Christian Gottfried Körner 1795; auch Griesinger 1810, 80, bezeugt): Zinn Subjekt des Ausdrucks avancieren typenhafte „Charaktere", irgendwelche edlen Menschen, auch Bösewichter, die man beim Hören und Musizieren sich vorzustellen trachtet (Abb. 9). Stufe 3 schließlich verstrickt sich in gänzlich affektive Abstraktion, in Netzwerke - ich zitiere Forkel (1784, 36 f.) - von „Haupt-" und „Nebenempfindungen"; sie erklärt Ausdruck zum Ausdruck per se, an und für sich. Solcher Ausdruck aber, der sich ablöst von real seelischen Substraten, der absolut wird in des Worts intensivstem
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Sinn, wächst im Herzen eines wirklichen „Senders" nie und nimmer - es sei denn: der Hörer werde affektiv entflammt und schalte sozusagen von „Empfang" auf „Eigen-Sendung" um. Dann freilich könnte der Weg von Herz zu Herzen das Ich nicht länger mit einem Du verbinden; es entspränge in der eigenen Brust und führte in diese zurück. Die Interaktion (Abb. 10) zwischen dem Du und dem Ich ver^ Idealpartner ,-S Klang X ^ Hörer käme zur autistischen Selbstregulation. KomAbb. 9 munikation mit dem ausschließlich imaginierten Partner wäre KommuniIch Du kation nicht mehr; illusiInteraktion onsbereite Verzwischenmenschelung brächte den isolierten einzelnen hervor. Λ Du 5. Tatsächlich scheint MuL \ Selbstregulation sikgeschichte des 18. Jahrhunderts - die große Aus" w j Abb. 10 nahme, der große Illusionslose, Mozart, bestätigt die Regel - von der umschriebenen Systemlogik getrieben zu sein. Nicht nur, daß an ihrem Ende die Idee der absoluten Musik in Erscheinung tritt, die nach dem Gesagten keineswegs als Paradigmenwechsel gedeutet werden muß (Dahlhaus 1979,12), sondern als Summation des geschichtlich Erfahrenen gelten kann. Nicht nur, daß die vorgewiesenen Ablösungsstrebungen allesamt durch zeitgenössische Quellen beurkundet sind. Auch institutionell wäre der Entwicklungsgang nachzuzeichnen, anhand z. B. der Geschichte des Konzerts (vgl. Heister 1983), das vom geballten Interaktionismus der Liebhabervereine (einer Mischung aus communio und communicatiö) zur aseptischen Einwegstruktur des Darbietungskonzerts mutiert - und das übrigens dem Hörer die äußeren Handlungsmöglichkeiten ebenso nimmt, wie es ihm Gelegenheit beschert zu wuchernder Illusionierung: Geistform und Soziostruktur in wechselseitiger Verstärkung. Ich verzichte jedoch auf weitere Details und versuche lediglich einen resümierenden Satz: Die Musikkultur des 18. Jahrhunderts, oft gefaßt als idyllisches Gegenstück zu der des 19. Jahrhunderts, ist bei weitem moderner, als man glaubt. Indem sie Zwischenmenschlichkeit zelebriert, zerschlägt sie diese. Im schönen Schein feiert sie einen Wesenszug modernen Menschlichkeit: die Vereinzelung des einzelnen vor selbstgezeugten Welten der Imagination. Fast sollte man meinen, schon das 18. Jahrhundert habe das Fernsehen erfunden, nicht technisch, aber in der Zurüstung von Mentalitäten.
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LITERATURHINWEISE
Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art, das Clavier zu spielen. Bd. 1 und 2. Faksimile. Leipzig 1957 (1753/62). DAHLHAUS, Carl: Die Idee der absoluten Musik. Leipzig 1979. FORKEL, Johann Nikolaus: Über die Beschaffenheit der musikalischen Oratorien, nebst Vorschlägen zur veränderten Einrichtung derselben. In: ders., Musikalischer Almanach für Deutschland auf das Jahr 1783. Leipzig 1783,166-206. FORKEL, Johann Nikolaus: Über eine Sonate aus Carl Phil. Emanuel Bachs dritter Sonatensammlung für Kenner und Liebhaber, in F moll. In: ders., Musikalischer Almanach für Deutschland auf das Jahr 1784. Reprint Hildesheim 1974, 22-38. GRIESINGER, Georg August· Kunst und Literatur. In: ders., Psychoanalytische Schriften zur Literatur und Kunst. Frankfurt/Main 1978,19-37 (1909). HEISTER, Hanns-Werner: Das Konzert. Theorie einer Kulturform. Wilhelmshaven 1983. KADEN, Christian: Musiksoziologie. Berlin und Wilhelmshaven 1984. KIRSCH, Rainer: Probleme des Epischen. In: ders., Amt des Dichters. Rostock 1979, 4 5 - 5 9 . KÖRNER, Christian Gottfried: Über Charakterdarstellung in der Musik. In: Hören 1795, 67-118. LESSING, Gotthold Ephraim: Hamburgische Dramaturgie. In: ders., Werke in 5 Bänden. Bd. 4. Berlin, Weimar 7 1975 (1767/69). ROUSSEAU, Jean-Jacques: Dictionnaire de musique. Bd. 1 und 2. Paris 1768. SCHLEUNING, Peten Das 18. Jahrhundert. Der Bürger erhebt sich. Reinbek 1984. SULZER, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1-4. Leipzig 1771/74. BACH,
Jean Mongrédien
Les Transformations de l'opéra français au tournant du XYIIIè et du XlXè siècles
Jusqu'à une date récente les historiens de la musique française ont négligé le demisiècle qui mène des Lumières au Romantisme (1780-1850). Cette période de transition entre deux esthétiques n'intéressait pas: on la considérait comme pauvre en œuvres de valeur, notamment dans le domaine de l'opéra où aucun nom de compositeur ne semblait devoir s'imposer. Pour s'en convaincre, il suffit de consulter les encyclopédies de la musique: pour le XVIIIème siècle, l'histoire de l'opéra français s'arrête au lendemain du départ de Gluck de Paris (1779); pour le XIXème, elle ne commence guère qu'avec le triomphe de Meyerbeer (Robert le Diable, 1831). Tout juste accordait-on parfois quelques lignes condescendantes à ce que l'on appelait d'irne façon aussi impropre que péjorative, l'opéra révolutionnaire. En fait, de Gluck à Meyerbeer, la France a vécu une période d'intenses mutations, politiques et sociales, mais aussi esthétiques et il est plus aisé aujourd'hui de montrer que l'éclosion romantique des années 1830 a été en réalité longuement préparée. Des signes certains de changement apparaissent dès 1780 et je voudrais, pour illustrer cette idée, prendre ici l'exemple de l'opéra. Je me limiterai à quelques remarques concernant les livrets sans entrer dans les problèmes plus techniques de forme et d'écriture musicale. Cependant, si l'on s'attachait à la musique elle-même, on parviendrait à des conclusions parallèles à celles que je présente ici à partir des livrets. A l'époque de la mort de Mozart (1791), il y a trois salles de théâtre lyrique à Paris (opéra et opéra-comique) qui jouent chacune plusieurs soirs par semaine. Le nombre d'opéras nouveaux représentés est considérable: plusieurs créations par mois parfois. D'une façon générale, l'ancien répertoire de la tragédie lyrique française, celui de Lully, de Rameau et de leurs contemporains, est totalement oublié à partir de 1780 environ: ces œuvres entrent alors dans un long purgatoire dont elles ne sortiront qu'à la fin du XIXème siècle grâce aux travaux des premiers musicologues. Le seul compositeur «ancien» qui sera continuellement repris et joué - et ceci pas seulement à Paris, mais à travers toute la France - est Gluck. Autrement on peut dire qu'à partir de 1790 le répertoire français est presqu'exclusivement composé d'oeuvres contemporaines. Ce répertoire nouveau est le fait d'artistes qui travaillent isolément sans se regrouper pour former une école. Dans la génération des jeunes maîtres qui apparaît au moment de la révolution (Méhul, Catel, Le Sueur, Cherubini et Berton) chacun travaille pour soi. Ils tentent des voies nouvelles et ils témoignent tous d'un très vif esprit d'indépendance et de liberté qui est nouveau en France. Ce sont des pionniers, mais des pionniers qui ne seront jamais des iconoclastes: ils ne cesseront de proclamer leur respect et leur admiration pour Gluck. La première conséquence de cette attitude des créateurs est un abandon progressif du sacro-saint principe de la séparation des genres qui a joué un rôle si important dans la pensée classique française. Une œuvre comme La Caverne de Le Sueur par
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exemple (1793), l'un des plus grands succès du théâtre lyrique sous la révolution, juxtapose de grandes scènes dramatiques (notamment des arias en deux parties adagio-allegro précédées d'un long récitatif obligé) à des ariettes qui sont dans la pure tradition de l'opéra-comique. La spécificité des genres tend à disparaître et la terminologie elle-même devient hésitante: opéra, opéra-comique, tragédie lyrique, drame héroïque, il semble parfois que ces termes soient employés indifféremment à partir de 1790. D'autre part, la référence à l'Antiquité qui était à peu près constante dans la tragédie lyrique française depuis Lully va disparaître ou du moins changer de nature. Depuis plus d'un siècle le recours aux fables de la mythologie avait permis aux librettistes de placer leur action hors du temps, dans ime espèce de lieu indéterminé où le surnaturel, le merveilleux et tous les phénomènes de la nature (tremblements de terre, tempêtes, éruptions de volcans, etc ...) se déchaînaient à l'envi, au grand plaisir des compositeurs qui y trouvaient prétextes à de belles imitations musicales. A partir de 1780 - plus tôt peut-être même encore - ce théâtre des enchantements comme l'avait si bien défini La Bruyère, va peu à peu se transformer et laisser la place à une autre vision de l'Antiquité. Si le cadre mythologique gréco-romain subsiste parfois, il perd alors le plus souvent son caractère merveilleux, sa fantaisie: les dieux empanachés de l'Olympe vont peu à peu faire place aux héros de l'histoire. Ce que l'on a appelé à juste raison le néo-classicisme impérial cherchera, dans le domaine de l'opéra, essentiellement la vérité de l'histoire. Que l'on voie seulement ce qu'est devenue l'Antiquité dans La Vestale de Spontini (1807), dans Olimpie (1819) du même compositeur ou dans Le Triomphe de Trajan de Le Sueur (1807). Ce n'est plus ime Antiquité fabuleuse qui donne libre cours à toutes les fantaisies de l'irrationnel: tout au contraire, tout, dans l'action, dans la mise en scène, dans les décors est là pour essayer de faire revivre une page précise d'histoire ancienne. Pour la première fois apparaît dans l'opéra français un souci assez remarquable de vérité historique, et ceci aura d'importantes conséquences: c'est là en effet que vient s'enraciner ce que l'on appellera plus tard le grand opéra romantique à sujet historique dont Meyerbeer et Halévy seront les représentants les plus éminents: dès le début du XIXème siècle en fait le public français a pris goût à ces grandes fresques lyriques. Il y a la tout un problème de chronologie qui doit être repensé. En tout cas le passage de la fable de la mythologie à l'histoire sera décisif: il signe l'acte de décès de ce que l'on appelle aujourd'hui (faute d'une meilleure expression) l'opéra baroque français. C'est sous la révolution française que commence vraiment à se manifester cette tendance. En 1791, l'année même de la mort de Mozart, Cherubini qui vient de s'établir à Paris et Kreutzer font jouer chacun une œuvre lyrique intitulée Lodoïska: le premier au théâtre Feydeau, le second au théâtre Favart (les deux troupes étaient alors rivales). L'opéra de Cherubini qui était complètement oublié depuis deux siècles vient d'être donné en Italie (Milan et Ferrare) dans sa version originale française sous la conduite magistrale de Riccardo Muti. Beaucoup d'entre nous ont découvert avec étonnement cette œuvre essentielle à bien des égards et que l'on ne peut ignorer si l'on veut situer à sa juste place le Fidelio de Beethoven. D'un strict point de vue dramatique ces deux partitions de Lodoïska durent apparaître aux contemporains comme des œuvres nouvelles, rompant avec la tradition de l'opéra
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français du XVIIIème siècle. Le sujet en effet est moderne, contemporain même et l'on y trouve des allusions à des événements qui sont d'actualité: il y est question d'un roi qui vit encore à cette date (le roi de Pologne Poniatowski), du partage de la Pologne et de la fameuse confédération de Bar. Certes, ces références à l'actualité existaient parfois dans la tragédie lyrique du XVIIIème siècle, mais dans un tout autre esprit: généralement limitées au prologue de la tragédie, elles étaient toujours présentées de façon indirecte par le truchement des personnages de la mythologie. De ce point de vue, Lodoïska introduisait sur la scène de l'opéra français un nouveau style. Une fois admis que l'histoire pouvait très bien constituer la matière d'un livret d'opéra, il était normal que les librettistes allassent chercher leur matière dans l'histoire des pays et des civilisation éloignées: ce sera alors l'occasion d'introduire, dans le cadre de l'histoire, un exotisme de bon aloi, très différent de l'exotisme de pacotille des tragédies de Rameau et de ses contemporains. C'est ainsi qu'au début du XIXème siècle l'opéra français va peu à peu s'approprier le monde. J'en donnerai quelques exemples. Dans Fernand Cortez (1809) Spontini introduit l'exotisme mexicain, celui des conquistadors du siècle d'or. Un an plus tard (1810), c'est l'extrêmeOrient qui apparaît sur la scène de l'Opéra de Paris avec Les Bayaderes de Catel. Trois ans encore (1813) et Cherubini cette fois présente son opéra Les Abencérages: c'est un épisode de l'histoire de l'occupation arabe en Andalousie et le librettiste a bien pris soin de préciser: «L'action se passe au milieu du XVème siècle». On n'aurait guère de peine à montrer dans cet opéra les premiers signes d'un exotisme espagnol qui reparaîtra souvent dans la musique française jusqu'à nos jours. Dans Les Abencérages on trouve pour la première fois l'évocation de la nuit d'Espagne et de ses parfums capiteux. Le chemin parcouru est, on le voit, considérable depuis Lully et Rameau. Ces mutations sont contemporaines en France des premières manifestations du romantisme naissant qu'elles vont favoriser. Un goût nouveau apparaît sans qu'il y ait jamais eu dans l'histoire de l'opéra entre 1780 et 1830 de heurts violents, de ruptures (comme il y en eut par exemple en littérature). La scène de l'Opéra s'est transformée insensiblement et lorsque Meyerbeer arrivera à Paris en 1831, il trouvera en fait les Français bien préparés à accueillir son nouveau système dramatique. Ces immenses bouleversements ont commencé timidement au moment même de la mort de Mozart. Il n'a pu les connaître, mais il nous est cependant permis de rêver un instant. Lors de son dernier séjour à Paris en 1778, on sait qu'il aurait voulu écrire un opéra français. Sur quelle sorte de livret son choix se serait-il porté? Aurait-il ranimé la flamme de l'ancienne tragédie lyrique en train de mourir ou bien, au contraire, aurait-il alors été l'un des pionniers qui ont aidé à frayer ces voies nouvelles? Hélas, on ne saura jamais ce qu'aurait pu être le destin de l'opéra français entre les mains de Mozart!
Etty Mulder
Mozart jenseits der Aufklärung. Zur Entwicklung der musikalischen Subjektivität
Man könnte sich fragen, wie es möglich ist, daß ein Zeitalter, das seine historische und sozialkulturelle Identität allerorts der Möglichkeit zur Einsicht zu verdanken scheint, ein Rätsel wie Mozart hervorgebracht hat. Mozarts vielbeschriebene „Einfalt" beruht ja auf Schein, und der Wert dieser Musik leitet sich her von der Art und Weise, wie dieser Scheincharakter einen eindrucksvollen Wirklichkeitsgehalt verhüllt. Das Verhältnis zwischen Mozart und der Aufklärung ist also außerordentlich kompliziert. Die Einzigartigkeit des Komponisten in unserer Kulturgeschichte läßt sich vielleicht einfacher fassen, indem man ihn, wie der Titel dieses Aufsatzes suggeriert, außerhalb des Zeitalters, das ihn hervorbrachte, situiert als dadurch, daß man ihn hineininterpretiert als den Inbegriff eines Exponenten der Aufklärung.
Musikwissenschaft und Aufklärung Mit Recht weist Carl Dahlhaus in seiner Einleitung zum fünften Band des führenden Neuen Handbuchs der Musikwissenschaft (1985) auf die Tatsache hin, daß die Musikwissenschaft nun einmal von „Heroengeschichte" konditioniert ist und daß es diese, was das 18. Jahrhundert betrifft, von „Rangbegriffen" bestimmte Form der Geschichtsforschung ist, wo heute „wissensoziologische" Fragen gestellt werden sollten. Ein „Rangbegriff" schlechthin ist selbstverständlich der Terminus, den wir traditionell auf Mozart projizieren: Wiener Klassik. Der musikhistoriographische Nachlaß fast zweier Jahrhunderte ist exemplarisch für eine problematische Situation, in der das Fachgebiet sich befindet, besonders dort, wo es um die Herstellung interdisziplinärer Beziehungen oder die Erweiterung des epistemologischen Rahmens geht. Wahrscheinlich ist es auch nur für Nichtmusikwissenschaftler befremdlich, daß der obenerwähnte Band des Neuen Handbuchs mit einem Beitrag unter dem Titel „Musik und Aufklärung" eröffnet, in dem eine inhaltlich nuancierte Umschreibimg des Begriffs Aufklärung oder wenigstens eine Sicht darauf fehlt: „... Geht man von der Prämisse aus, daß Aufklärung ein Sammelbegriff ist, dessen historiographische Funktion darin besteht, zwischen einigen hervorstechenden Merkmalen des Zeitalters Zusammenhänge sichtbar zu machen und in eine der vorläufigen Orientierung dienende Formel zu fassen, so bleibt der Musikgeschichtsschreibung nichts anderes zu tun, als Berührungspunkte von Musik und Musikästhetik mit Teilmomenten der Aufklärung zu entdecken . . N a t ü r l i c h gibt die hier eingenommene, von der Tradition bestimmte, untertänige Position der Musikwissenschaft als altmodischer Hilfswissenschaft Anlaß zur Kritik, aber es ist dennoch wertvoll, daß innerhalb desselben Textrahmens auf die Verlegenheitsnomenklatur hingewiesen wird, die sich hinter dem Konglomerat von Bezeichnungen des 18. Jahrhunderts wie „Galanter Stil", „Rokoko",
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„Empfindsamkeit" und „Sturm und Drang" verbirgt. Unbestreitbar gibt es wenigstens ein „Teilmoment der Aufklärung", nämlich die vermeintliche Rationalität oder den Rationalismus, über welche Aspekte sich im Zusammenhang mit Musik Näheres bemerken ließe.
Musik und Denken Das Verhältnis zwischen dem „Musikalischen" und dem „Rationalen" läßt sich auf zwei einander scheinbar überschneidende Kategorien von Musik und Denken zurückführen. Die Überschneidung steckt darin, daß Musik im strikten grammatikalischen Sinne denkbar ist. Das Subjekt, für das dies gilt, ist an erster Stelle der Komponist. So betitelt Pierre Boulez seine wichtige Studie zum modernen Komponieren „Penser la musique d'aujourd'huizu deutsch: Musik Denken Heute. Die Verbindung zwischen Denken und Musik ist hier direkt: Nicht die Betrachtung über die Musik wird gemeint, sondern die Musik als Ergebnis des Denkens. Denken und Schöpfen sind hier also gleichwertig. Diese völlige Identifikation von Schöpfen und Denken ist für die traditionelle Musikwissenschaft buchstäblich undenkbar, weil ihr Handeln ganz und gar konditioniert wird von der Distanz zwischen einem denkenden Geist einerseits und musikalischen Objekten andererseits. Ohne diese bedingungslose Möglichkeit, „über Musik zu denken", würde die Musikwissenschaft sich selbst aufheben. Sie entkommt dieser Drohung, indem sie sich der Begriffskonstruktionen bedient, die irgendwie herausstellen, daß Musik eine komplizierte Stellung einnimmt zwischen dem, was wir gewöhnlich als Gefühl der Vernunft umschreiben. Es spricht für sich, daß sich gerade diese Konstruktion gut für eine Anwendung auf das 18. Jahrhundert eignet, in dem sich in der Musik als Gefuhlskult, gerade aus der Natur der Kultivierung, sehr rationale Aspekte entdecken ließen und Gefühl und Vernunft eine Art Gleichgewicht gefunden hätten, in dem weder die Emotion noch deren Stilisierung „die Unschuld" der Galanterie zu durchbrechen vermag. In seiner vor fast dreißig Jahren erschienenen musikphilosophischen Studie Die Wirklichkeit der Musik zeigt Viktor Zuckerkandl, daß er sich völlig der Kompliziertheit dieser Dualität zwischen Musik und Denken bewußt ist, besonders vor dem Hintergrund des (auch heute noch) herrschenden positivistischen Wissenschaftsmodells, nach welchem das Denken imstande ist, die Wirklichkeit, von welcher Komplexität auch immer, zu ergründen. „... Es scheint, daß Jahrzehnte positivistischen Denkens uns der Fähigkeit beraubt haben, Probleme, wie die Musik sie stellt, auch nur zu sehen. ... Hier müssen wir mit der Frage rechnen, ob wir denn nicht in der Schule der modernen Denkdisziplinen gelernt hätten, daß das Denken einem Gegenstande von der Art der Musik aus dem Wege zu gehen habe. Über Seuchenverhütung, über Volkswirtschaft, über Erkenntnistheorie lasse sich nachdenken, nicht aber über Musik. Denken und Musik sind nicht für einander bestimmt. Musik ist fürs Fühlen da..." Auch das Neue Handbuch verweist auf die Situation, in der der Rationalismus, wie er sich seit dem 17. Jahrhundert auf eklatante Weise manifestierte, „immer dazu neigte, Musik gerade nicht mit Vernunft zu durchdringen", sondern als Reservat der
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Gefühle und Affekte gleichsam „draußen zu halten". Für die unvermutete Bedeutung dieser Worte und das tief in der Kulturgeschichte verwurzelte Bestreben, die Musik als Erlebniskategorie „draußen zu halten", muß man den Bereich der Musikästhetik mit dem der Kulturkritik vertauschen.
Dialektik der Aufklärung; Mozart Über den kulturkritischen Zusammenhang von Musik und Aufklärung lassen sich sehr aktuelle und inspirierende Gedanken in der berühmten, 1947 erschienenen Dialektik der Auflilärung von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno finden. Sie setzen die Entstehung dieses paradoxen Zusammenhangs von Musik und aufgeklärtem Bewußtsein - scheinbar sehr weit von Mozart entfernt - im homerischen Mythos des Odysseus und der Sirenen an. Es ist diesem Mythos zufolge unmöglich, dem Gesang dieser weibhaften Vögel zuzuhören, ohne der völligen Desintegration und dem Untergang anheimzufallen. Die Musik führt für Odysseus und seine Gefährten zur Regression, zum Rückfall in einen erst kürzlich besiegten präkulturellen und also präkategorialen Bewußtseinszustand. Der Gesang der Sirenen führt zum totalen Selbstverlust, zum Tod der frühesten Form von Subjektivität und Ichbewußtsein. Die List des Odysseus - er läßt die Ohren seiner Gefährten mit Bienenwachs verstopfen und sich selbst an den Mast seines Schiffes fesseln (mit offenen Ohren, denn er will sich der Versuchung aussetzen, ohne an ihr zugrunde zu gehen) -, diese List wird von Horkheimer und Adorno als ein erster Akt des rationalistischen Geistes, als erstes Anzeichen aufgeklärten Denkens in der Geschichte unserer Zivilisation aufgefaßt. Und es ist außerordentlich interessant, daß es sich an dieser Stelle in der „Odyssee" um eine Opposition gerade der Musik gegenüber der List handelt, der Musik gegenüber dem Denken, insofern die Musik zum Objekt des menschlichen Geistes gemacht wird, womit ihre Gefahren in diesem Kontext bezwungen sind. Diese Beschwörung der autonomen Macht der Musik als gefahrlicher Verführung und die hierarchische Unterwerfung der Musik unter den Geist bzw. die Sprache sind charakteristisch für die christliche Kultur und das aufgeklärte Denken. Ihre Präfiguration liegt also, wie das mit mehreren christlichen Zivilisationsmerkmalen der Fall ist, in der antiken Mythologie. Horkheimer und Adorno lenken so unsere Aufmerksamkeit auf ein grundlegendes Verhältnis zwischen einerseits einer Urmusik und andererseits den frühesten Aufklärungsaspekten in unserer Kultur. In der Gestalt des Odysseus, der wir alle sind, sehen wir uns mit der absoluten Notwendigkeit konfrontiert, die Natur, hier: die Musik, zu bezwingen und uns selbst gegen ihre bedrohliche Anziehungskraft abzusichern. Gegenüber diesem Bezwingen der Musik, das zwangsläufig auch ein Bezwingen der eigenen inneren Natur einschließt, wächst die subjektive eigene Identität dessen, der die List plante. Der Dialektik der Auflilärung zufolge, soll die Aufklärung als ein durch die Jahrhunderte hindurch fortschreitender Prozeß der Unterwerfung und Objektivierung der Natur aufgefaßt werden. Die Autoren dieses berühmten Werkes schildern uns die Aufklärung als einen dynamischen Entwicklungsprozeß und nicht als eine statische Periodisierung. Die-
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sem Prozeß liegt Musik zugrunde. In den mythologischen Bildern Homers, in den ersten Anzeichen eines aufgeklärten Bewußtseins wird ein psychologischer Kampf auf Leben und Tod mit der Musik ausgetragen. Odysseus beugt sich dem Lied der Lust und verteilt auf diese Weise sowohl die Lust als den Tod, sagt uns Adorno. In diesem sich der tödlichen Verlockung der Musik Entziehen ist uns ein archetypisches Beispiel in Form eines Kompromisses gegeben: Ohne daß wir zugrunde gehen würden, könnte die Musik dennoch erhalten bleiben. Man könnte sagen, dieses paradoxe Verhältnis zwischen uns und der Musik, gegründet auf die List des Odysseus, habe sich nicht wesentlich geändert und könne gewissermaßen als exemplarisch für unsere Kulturgeschichte aufgefaßt werden. Wenn wir eine Verbindung zwischen Mozarts Musik einerseits als pluriformer, übergeordneter Kategorie menschlicher Erfahrung und andererseits der Aufklärung legen, so sprechen wir von mehr als einem historischen Phänomen des 18. Jahrhunderts. Als höchste menschliche Identifikationsmöglichkeit, sublimiert auf der Ebene der Musik, können wir Mozart schlechthin als die Repräsentation der Entwicklung des Subjektes betrachten, des Ich, in unserer abendländischen Kultur, weit über die zeitlichen Grenzen des 18. Jahrhunderts hinaus. Nim ist aber die Kontamination von Mozart mit dem Zeitalter, das wir historisch als „Aufklärung" bezeichnen, natürlich kein Zufall. Ebensowenig ist es zufallig, daß Kernbegriffe des aufgeklärten Denkens, besonders der Gegensatz von Subjekt und Objekt, auch jener von Rationalität und Emotion übrigens, der eng mit Objektivität versus Subjektivität zusammenzuhängen scheint, uns in Mozarts Musik so viele Anhaltspunkte bieten für einen psychologisch-ästhetischen Annäherungsversuch. Wir brauchen an Mozarts Musik nicht zu sterben, aber es muß betont werden, daß keine andere Musik in der Geschichte uns den Tod - wenigstens in Gedanken - so nahebringen kann und die Möglichkeit, daß Musik tödlich sein könnte, so stark in unser Vorstellungsvermögen zu bringen vermag. Wir brauchen diese Musik nicht über uns ergehen zu lassen wie eine bedrohliche Verführung, der wir erliegen werden, aber Mozarts Musik dürfte wohl die einzige sein, bei der wir uns vorstellen könnten, daß Musik eine solche Macht besäße. Und wir philosophieren dann über das wundersame Paradoxon von Eros und Thanatos in dieser einzigen musikalischen Psyche: Mozart. Auch dieses Philosophieren selbst ist die archetypische Wiederholung der List des Odysseus: über den Weg der nüchternen und distanzierten Argumentiertradition entwischt man der direkten Drohung. Nicht nur selbst gemäß einem archetypischen Prozeß ist die Musik sichergestellt, „draußen gehalten", und zum Objekt gemacht, sondern auch innerhalb ihrer eigenen Gesetzmäßigkeiten, jener der Tonalität, vollzieht sich ein Objektivierungsprozeß im Spannimgsverhältnis von Dominante und Tonika, in dem man ja eine mimetische Abspiegelung des Verhältnisses von Subjekt und Objekt sehen kann. Es ist Adornos suggestive Annahme, daß sich die klassische, charakteristische Musik unserer Zivilisation, beispielsweise des 18. Jahrhunderts, bis in die Struktur ihrer harmonischtonalen Systematik mit dem innerlich widersprüchlichen, oppositionellen Erfahrungsbild der Aufklärung identifiziert habe. Das harmonisch-tonale System, dem die Antinomie von Tonika und Dominante - und pauschaler jene von Moll und Dur zugrunde liegt, ist ja in seinem tiefsten Wesen ein dualistisches System.
Mozart jenseits der Aufklärung. Zur Entwicklung der musikalischen Subjektivität
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Die am höchsten entwickelte, meistgehörte Musik unserer Geschichte - das 18. Jahrhundert nimmt darin eine zentrale Stellung ein - hat sozusagen den Kompromiß in ihre technische Struktur inkorporiert. Und in der rituellen Wiederholung denn dieses musikalische System existiert dank der Wiederholung, und jeder Wiederholung haftet etwas Rituelles an - durchdringt uns die archetypische Bedeutung des jahrhundertealten Rompromisses zwischen Musik und aufgeklärtem Denken. In dem harmonisch-tonalen System spiegelt sich das egozentrische Bewußtsein der Kultur, die das denkende Ich, den rationalisierenden Geist, zum Herrscher über die Natur erhob. Die Musik, die uns am besten paßt, bestätigt uns in unserer persönlichen Identität und Subjektivität, gemäß einem im Laufe vieler Jahrhunderte gewachsenen kulturellen Muster. Vor dieser Musik brauchen wir uns nicht zu fürchten. Gerade hier erheben sich interessante Fragen in bezug auf die spezifische Identität Mozarts, von dem ja nicht ohne Grund behauptet wird, seine Musik übersteige alle Polaritäten und beziehe sie in ein größeres, rätselhaftes Ganzes ein. Vielleicht müssen wir Mozarts Musik vor diesem Hintergrund als die vollkommene Identifikation des Ich mit der Welt betrachten, als totale Subjektivität, die bei fehlender Opposition hier ebensogut totale Objektivität genannt werden könnte, da die Dichotomie aufgehoben ist oder wenigstens auf eine andere Ebene gehoben ist Sublimierung im buchstäblichen Sinne ist hier zweifellos der passendste Terminus. Vielleicht müssen wir als Antwort auf die Frage, wie es möglich sei, daß sich ein solches Phänomen in Mozarts Musik manifestiere, sagen: durch Unnachdrücklichkeit, also durch die angebliche Natürlichkeit, Selbstverständlichkeit, die sogenannte Einfachheit, das nur kurze Berühren, das Tangieren - durch das Hinausgreifen über das Idiom. Wir würden die totale Subjektivität der genialen Identität Mozarts sofort wiedererkennen, in welchem Idiom auch immer. Es handelt sich um die Unnachdrücklichkeit, mit der die Musik über sich selbst hinauszuweisen scheint, wenn wir nach ihrer Bedeutung fragen. In diesem Paradoxon, das bedeutet, daß wir Mozart getrennt von der Aufklärung, die sein musikalisches Idiom konditioniert hat, betrachten können, hegt vielleicht der Schlüssel zu demjenigen, was wir als seine Einzigartigkeit und Größe erfahren. Die Betrachtung der Musik Mozarts im obenerwähnten Sinne, als vollkommene Identifikation des Ich mit der Welt, als totale Subjektivität, als ein Hinausgreifen über das Idiom, konfrontiert uns direkt mit einem Paradoxon, und zwar in dem Sinne, daß mit diesen Charakteristika, die dermaßen exklusiv für Mozart gelten, gleichzeitig eine Grenze zwischen dieser äußersten Subjektivität bzw. absoluten Individualität und einer Form allgemeiner Gültigkeit überschritten zu werden scheint Mozart kennt jedermann, auch in dem Sinne, daß Mozart nichts Menschliches fremd geblieben ist, und bereits in dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, daß die private historische Identität des Komponisten und dessen Biographie hinter der monumentalen Bedeutung seines Werkes verschwinden. Wie Alfred Einstein in seinem Essay über die Größe in der Musik beschrieb, ist man gegenüber menschlichen Schöpfungen, die „die Gewalt und Sicherheit eines Naturgebildes" ausstrahlen, nicht neugierig nach der Identität der Schöpfer. Einstein zeigt, wie „Anonymität" so zur höchsten Qualifikation wird. Genauso wie andere überwältigende Zeichen und Symbole, in denen der Wert einer gesamten Kulturepoche gespeichert ist - die Pyramide des Cheops, die Kathedrale von
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Chartres -, so könnte es am Ende des Zeitalters der Antinomie von Subjekt und Objekt und der totalen Individuation auch der Musik Mozarts ergehen, als Gemeingut, im tiefsten Sinne des Wortes, über alle Qualifikationen von Stil und Zeit erhaben und jenseits aller psychologischen Ordnungssysteme.
David Charlton
Mozart and Paris (1778)
The natural Parisian home for Mozart's talents in 1778 was, perhaps, the Opéra: but as fortune would have it, Gluck's finest works were being given and created there just at the same time. A season of Italian opera was also being presented at this theatre, organised by Piccirilli himself. In order to judge the local public and the acting company of Paris's second lyric stage (the Comédie-Italienne) Mozart must have gone to see operas with dialogue at its home, the Hôtel de Bourgogne. As it happened, this company too was experiencing an interesting period of creativity. The first-generation masterpieces of Philidor and Monsigny were still being given regularly [Le Roi et le fermier; Le Déserteur; Tom Jones] as were their lesser works (Rose et Colas; Le Bûcheron; Sancho Pança, etc.). The works of Grétry were predominant at this time. However, a number of works at this theatre also bore witness to the Parisian keenness for newer Italian music, which must have interested Mozart as a fact relevant to himself. In 1778 two Sacchini parody works were showing (La Colonie and L'Olimpiade) as well as French versions of La serva padrona and La buona figliuola. There was every reason for Mozart to suppose that he too might participate in this general influx. What must have pleased Mozart most about the Comédie-Italienne in 1778 was the considerable broadening in scale and style of the native repertory, since his last visit. It betokened a maturing company. Dezède's popular Les Trois fermiers (1777), for example, is musically substantial; so is Dezède's Julie, which was less often acted, though it furnished "Lison dormait" for Mozart's variations R.V. 264 (315d), likewise in 1778. Grétry too was still expanding his musical range; one of the most interesting borrowings by the later Mozart from Grétry derives from L'Amant jaloux, not seen until November 1778 (Mahling 1970,153 ff.; Charlton 1986,164 ff.). Could Grétry have played through his score for Mozart? There is no evidence for it (Angermüller 1979, 131-2) but a newly-identified thematic correspondence in another work by Grétry (see Ex. lc) can remind us how varied, and how potentially close to Mozart's musical ideals, the French stage was becoming. In particular, Grétry and his contemporaries were determined to break free of dependence upon rustic subjects, and introduce new dramatic sources. The particular importance of opéra-comique librettos, at this time, lay in their blend of social criticism with entertainment value—a blend clearly related to the English stage tradition, whose influence had been encouraged in successive works by the influential librettist Michel-Jean Sedaine. Whereas social criticism might be detectable in any genre of stage work from harlequinade to tragedy, its association with dramatic music of higher quality was, in 1778, a speciality of the Comédie-Italienne in many fables that took a middle-class perspective for granted. There was still an ample supply of sensibilité, the necessary leaven which made the philosophical content palatable; but philosophy as such was gaining ground. This was the kind of diet on which Beaumarchais thrived: Figaro's world (and Le Mariage de Figaro dates from 1778) was grounded in the same sort of attitudes and relationships as are found in, say,
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Dezède's Julie, or J. P. E. Martini's opera with dialogue, Le Droit du seigneur (1783), or the ever-popular Lucile by Grétry: all, using a country château setting, regard love as a metaphor for social liberty. Studying French opera scores (Frank 1852); presumably experiencing performances of Gluck; perhaps encountering Beaumarchais himself (Massin 1971, 812-13): Mozart may not have composed overmuch music in Paris, but he had a great deal to absorb in general. The most interesting premiere at the Comédie-Italienne during Mozart's visit was Grétry's Le Jugement de Midas (27 June), a clever reworking of an English burlesque, showing the musical contest between Apollo and Pan, but designed to discredit old stage-music (tragédie-lyrique or vaudeville) and vaunt the new: the modern, international style. In itself, such a plot shows the musical confidence of the Comédie-Italienne. This work can, incidentally, be added to the known background experience for Così fan tutte, because the character of Apollon (in disguise as a handsome youth) wins the hearts of both sisters at the same time (the sophisticated Lise and Chloé), flirtatiously taking them temporarily away from their respective fiancés. The humorously symmetrical plot-arrangement contrasts the different character of each sister. Mozart would doubtless have approved of its Italianate finale sequences, if not of its rather confined (Parisian) terms of reference, or its coy treatment of love. However, one of Grétry's most unusual, large-scale dialogue operas was revived during Mozart's visit, on 5 and 10 August: Les Manages samnites. First staged expensively in 1776, its dramatised civic ceremonies were enhanced by the participation of some 20 military musicians. This neoclassical work, chiefly successful in France outside Paris, rejected all elements of humour, and concentrated on recreating the atmosphere of the supposed republic of Samnium; the Samnites were originally enemies of the Romans; the latter are in fact defeated in battle in the course of the opera. The moral intention of the story is to show that an ideal society provides its citizens with a healthy civic context for love and the patriotic duties of fighting and child-rearing. Marmontel's Moral Tale of the same name (made into a libretto by B. Farmian de Rosoi) implicitly criticised French rulers for not providing the necessary means for all subjects to serve their country. (In his 1767 novel, Bélisaire, Marmontel's thinly-disguised sermons to the monarchy had incurred enormous displeasure in high places.) In the opera, love is more than a metaphor for social liberty: it actually symbolises it, through the imaginative expedient of creating an alternative ("historical") set of social laws. However, Rosoi created a memorable focus for the opera by expanding the character of Eliane, a personage only briefly mentioned in the original Tale. Love and duty for the Samnites are not portrayed as proper to upper-class characters, but shown within the young people who are obliged to serve the state in three ways: (i) by not revealing the identity of their betrothed to anyone except their parents; (ii) by not speaking to their hoped-for beloved before betrothal, but only communicating with the eyes; and (iii)—if they be mede—winning the right to choose a wife after showing outstanding bravery in battle. Eliane, however, is a feminist, and her powerful character would have interested Mozart as it inspired Grétry. Eliane objects to the law that deprives her both of any right to nominate (or even refuse) a partner, and of any active defence of the republic. Her arias fully express her heroism, but she goes
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further. She secretly dresses for battle and takes part in the fighting, so that, helmeted, she re-enters in Act 5 anonymously, to be revealed both as a woman and as the heroine who has saved the life of a general. Surely mindful of the recent triumphs of Gluck, Grétry combined restrained "neoclassical" musical expression, adventurous orchestration, and diverse musical forms. The Gluckian "Chœur et Marche" (Ex. la) concludes Act 1, and it may be compared with the prayer in Ex. 3 from the 1774 Iphigénie. During "Dieu d'amour" Mozart would have seen Samnite women filing on stage after male warriors have departed for battle. The women sing this prayer while entering and then leaving the stage. Act 2 begins with an aria, no. 11, for Eliane alone on stage, in which Mozart would perhaps have been surprised at her chromatic, intense and passionate music. She is overwhelmed by grief and defiant towards the gods. In no. 12 (see Ex. le) Eliane manifests her discontent in a duet with the other main female personage, Céphalide. The two women discuss their position under the law, sometimes disagreeing; the form is a rondo, whose inherent stability is unbalanced because Céphalide is conscious that her friend's rebellious arguments against male privilege might corrupt her; so the duet ends with a 24-bar ritornello that is entirely mimed, not sung. All through, the orchestra maintains a continuum of interest. Some traits from Les Mariages samnites may have echoed faintly in Mozart's mind in 1780-81 at the period of Idomeneo: E li tine's frustration and anger in Elettra's; the position and character of a D major military march near the close of Act 1. 1781 saw his variations on "Dieu d'amour", R.V. 352 (374c). The further likeness, between the Act 2 duet no. 12 and the second variation of the 1778 keyboard sonata K.V. 331 (300i)—see Ex. lb—is equally suggestive. Commentators usually maintain that the A major variation-theme stems from the song "Freu dich, mein Herz" (Rietsch, 1912/13, 278 ff.). But this melody is not the same as Mozart's, and I find the song's stress on the melodic dominant a point of great contrast. On the other hand, the dissonant 7th in bar 3 of "Freu dich, mein Herz", and its scalewise ascent in bars 3 and 4, are significantly Mozartian. Mozart's preferred version of this type of melody begins on the mediant: the 1764 sonata, R.V. 9, last movement, and the Andante of the symphony R.V. 95 (73n); in this last (see Ex. 2) the same characteristic dissonant 7th is present in bar 5, followed by an elaborated scalewise pattern. Thus there was perhaps nothing more than the surprise of recognising an "old friend" when Mozart conjecturally encountered Ex. lc in 1778. The inner dominant pedal lasts only from bars 1 to 4, but in general the music is so similar to Mozart's melodies as to strain the presumption of coincidence and prompt speculation. Any relationship of Ex. lc with K.V. 331 (300i) probably resides in Mozart's perception of the simple thematic development leading from Ex. la to Ex. lc. One of Grétry's later traits was both to admit general thematic interrelationships between movements (as in Zémire et Azor, the score of which Mozart owned); and to employ specific recollection and development of dramatically significant motives (Charlton 1986, 368, "functional recollection"). In seeing or reading through Les Mariages samnites, Mozart would have experienced the duet (Ex. lc) shortly after hearing "Dieu d'amour", and the same characters appear on stage in both numbers. The fact that the orchestra has a primary thematic role in the duet no. 12 seems to reinforce the duet's sense of being a development of "Dieu d'amour". On a dramatic level, this musical
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David Charlton
connection makes Céphalide's guilty reaction to Eliane's ideas seem guiltier still, through the subliminal evocation of the earlier hymn, which of course symbolises the role of female Samnites under the law. In other words, the thematic similarity could, in Grétry's case especially, have been fully intended for the opera's argument All this may have crystallised in Mozart's mind as he considered the unusual possibility of variations to open his sonata. He required, of course, a theme of sufficient originality (not a simple borrowing). More than this, however, Mozart would have heard or read in score Grétry's other, definitely specific use of thematic recollection in Les Mariages samnites: that is, the exemplum virtutis in battle of the main male character, Agathis, is given a complex musical motif, designed for voice and orchestra, which occurs twice in the opera. It is first heard near the close of Act 2, and is recalled in a different key halfway through Act 3. It is adumbrated in the overture as well. Thus, sharply opposed "female" and "male" musics are subject to internal dramatic development within the same work, and the redoutable Eliane crosses the line between them. Gluck's Iphigénie en Aulide, so palpably an ancestor of Idomeneo, has also attracted modern critics for its apparent use of thematic cross-reference (a useful summary of these arguments is in Rushton 1992, 25 ff.). Rushton's apt phrase describes the Gluckian process as a "chain of resonance" through the opera: not so much reminiscence motives as perhaps relevant echoes, tying areas of meaning together loosely. Many critics of Idomeneo itself accept Mozart's conscious integrative use of one or more musical motives, echoing areas of concentration of the drama, within one central dilemma. This type of thematic integration may well be something that he pondered over in 1778. He surely had little to learn about injecting Classical fables with passionate characterisation of an individual: one only has to recall that of Giunia in Lucio Silla. But just possibly the burning, individual rebelliousness of Grétry's Eliane might have had some effect on the general and unified musical conception of Elettra. For it was the increasing tendency towards overall unity that Mozart could have experienced both at the Opéra and the Comédie-Italienne. Opera at the latter, with dialogue, only lasted some two hours for a full-scale work. (Two named operas were often advertised for a single evening: a 1-acter and a 2- or 3-acter.) And the use of spoken dialogue made special connections between musical movements even easier to perceive than would have been the case with recitative. Concerning subject-matter even of neoclassical works, Paris, as we have briefly seen, almost daily furnished vivid examples of opera's engagement with sensitive topics on the critical agenda: whether in Iphigénie en Aulide, or Dezède's Julie, or Les Mariages samnites, challenges to authority were never far from the surface, using the metaphor of love to oppose the absence of reason or reform in a given society. No meaningful Parisian inspiration for the "Turkish" finale of R.V. 331 (300i) has yet been found. The Gluckian ambience of its two opening movements seems enhanced rather than reduced by the existence of Ex. lc (whatever its true relation to Mozart) because Ex. lc itself derived from Gluckian models. If the Elysian Fields scene in Orphée et Euridice has been seen as kin to the Trio (Massin 1971, 821 f.), Ex. 4c too shows no less kinship.
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BIBLIOGRAPHY Joseph: "Aus den ungedruckten Denkwürdigkeiten der Ärzte Peter und Joseph Frank", Deutsches Museum, Leipzig, January 1852, ed. in 0. E. DEUTSCH, Mozart Die Dokumente seines Lebens (Kassel etc., 1961), 476. RlETSCH, Heinrich: "Ein Sonatenthema bei Mozart", ZIMG, xiv (1912/13), Heft 9, 278-80. MASSIN, Jean and Brigitte: Wolfgang Amadeus Mozart (Paris, 1959, 2/1971). MAHLEMG, Christoph-Hellmut: "Typus und Modell in Opern Mozarts", Mozart-Jahrbuch 1968/70 (Salzburg, 1970), 145-58. ANGERMÜLLER, Rudolph: "Mozarts Pariser Umwelt ( 1 7 7 8 ) " , Mozart-Jahrbuch 1 9 7 8 / 7 9 (Kassel FRANK,
etc., 1979), 132-45.
David: Grétry and the Growth of Opéra-Comique (Cambridge Univ. Press, 1986). Julian: "Royal Agamemnon": the two versions of Gluck's Iphigénie en Aulide", in: Music and the French Revolution, ed. Malcolm Boyd (Cambridge Univ. Press, 1992), 15-36.
CHARLTON, RUSHTON,
Guido Bimberg
Musik und Aufklärung auf dem Weg nach Rußland
Mit meinem Beitrag möchte ich die Aufmerksamkeit in unserem kulturhistorischen Gespräch „Europa im Zeitalter Mozarts" auf die Interdependenz von sozialpolitischem Umfeld und künstlerischer Kreativität fernab des westlichen und mittleren Europa lenken mit Blick auf die gewaltigen Veränderungen im Osten des Kontinents: im Russischen Reich. Damit erlaube ich mir, in unsere Analyse und Wertung der Strukturen und Funktionsweisen europäischer Musikkultur im Zeitalter der Auiklärung eine andere musikhistorische und sozialpolitische Komponente einzubringen, die uns eine weitere Kategorie der Vielfalt damaliger Entwicklungen vergegenwärtigen mag. Mozart hat Rußland zwar zeit seines Lebens nicht besucht, aber einige seiner Werke wurden bereits zu seinen Lebzeiten im Russischen Reich bekannt. Die Musik im Russischen Reich des 18. Jahrhunderts machte ebenso wie die Wirtschaft, die Politik und die Alltagskultur eine solch rasante Entwicklung durch, daß man angesichts der durchmessenen Veränderungen zwischen dem Jahre 1700 und dem Jahre 1800 kaum glauben mag, daß da nur einhundert Jahre vergangen waren (vgl. Bimberg 1983). Tatsächlich hatte Rußland mit dem Regierungsantritt von Peter I. zu einem solch gewaltigen historischen Sprung in die in Mittel- und Westeuropa schon seit mehreren hundert Jahren sich profilierende Neuzeit angesetzt, daß es an drastischen Umwälzungen in wirklich allen Bereichen des Lebens nicht mangelte. Die Petrinischen Reformen erbrachten auch auf kulturellem Gebiet die Entfaltung eines neuen Pluralismus, der wie in allen anderen Bereichen auch auf heftigsten Widerstand der russischen Bevölkerung nahezu aller sich ihrer meist als eindimensional aufgefaßten Traditionen versichernden Stände traf (Bimberg 1990 a). Tatsächlich war das 18. Jahrhundert auch in musikalischer Hinsicht die (um ein Puschkin-Wort über Peter I. abzuwandeln) „Öffnung des Fensters nach Europa". In den Metropolen Moskau und St. Petersburg und auf den Landsitzen des Hochadels entstanden repräsentative Theater und Konzertsäle. In den Hospitälern und auf öffentlichen Plätzen boten Schauspielergesellschaften ihr Repertoire. Man muß sich vor Augen halten, daß dem bis dahin kaum gebildeten russischen Adligen, dann auch dem mehr lernwilligen Kaufherren und dem an Bärentanz und Kasperletheater gewöhnten einfachen Volk der Städte plötzlich ein von der europäischen Auiklärung zumindest beeinflußtes Theater- und Opernrepertoire und eine neuartige Instrumentalmusik geboren wurden, die zuvor kaum irgendwelche Wurzeln in der russischen Kultur besaßen. So wie Peter I. sein Petersburg auf dem nordischen Sumpfboden gewissermaßen „nur mit einem Lendenschurz bekleidet" (um Karl von Stählin, den Berliner Ordinarius für Geschichte um 1930 zu zitieren, S. 73) errichtete, Straßen, Alleen, Paläste und Kirchen bauen ließ - so mochte für viele Russen der Import westlicher Musik gleichfalls als etwas völlig Neues, im besten oder im schrecklichen Sinne des Wortes „Un-
Musik und Aufklärung auf dem Weg nach RuBland
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Erhörtes" erschienen sein. Zwar hatten die bereits im 17. Jahrhundert von Peters Vorgängern auf dem Zarenthron ins Land geholten Mittel- und Westeuropäer ihre jeweilige Musik in Rußland ausgeübt und gepflegt, doch nur in den den Ausländern vorbehaltenen, streng von den Russen abgegrenzten Siedlungen und Stadtteilen. Nun aber trat die neue Musik voll ins Licht der russischen Öffentlichkeit. Das bezog sich selbstverständlich nur auf die zahlenmäßig sehr geringe Gruppe der in den Städten und auf den Landsitzen lebenden und an Neuem interessierten Bevölkerung. In der Weite des Russischen Reiches und in erheblichem Maße auch in den Ballungszentren hatten der russische Kirchengesang und das Volkslied nach wie vor Priorität. Wenn auch Zar Peter I. selbst Maskeraden, Umzüge und derbe Spektakel bevorzugte, so gab es doch schon zu seiner Zeit - und erst recht unter der deutschfreundlichen Anna Ivanovna (als fast die gesamte Ministerschar der Regierung aus Deutschen bestand: 1750-1740) sowie unter der dem italienischen Gusto in der Musik huldigenden Nachfolgerin Elisabeta Petrovna (sie regierte von 1740 bis 1760) - in dieser ersten Jahrhunderthälfte Aufführungen von Werken von Komponisten wie Händel, Telemann, Keiser, Heinichen, dann auch von Corelli, Tartini, Porpora, schließlich von sogar in Rußland selbst zeitweise lebenden Italienern wie Araja, Vincenzo Manfredini, Galuppi, Traëtta, Paisiello, Cimarosa und Sarti (Bimberg 1985-1985). Von Paisiello wurde gar der berühmte „II barbiere di Siviglia" 1782 in St Petersburg uraufgeführt - wie viele andere damals europäisch gerühmten Opern übrigens auch (Traëtta, „Antigona", 178). Und Stefano Aretaga schrieb 1785 in der zum Standardwerk seiner Zeit gewordenen „Geschichte der italienischen Oper" von St. Petersburg als „einer der schönsten Opern in Europa" überhaupt (Aretaga, S. 509). Die Italienische Opera seria, Opera buffa und - seit Katharina II. - auch die Opéra comique (Bimberg 1989 a) sowie das deutsche Singspiel (Bimberg 1984) hielten bald nicht mehr nur für einen kleinen Kreis Auserwählter, sondern für die oben beschriebene größer gewordene Öffentlichkeit Einzug in Rußland (Philidor, Monsigny, Rousseau, Hiller, Neefe). Parallel dazu gab es die Bälle, Konzerte und Zwischenunterhaltungen, bei denen neue Instrumentalmusik aus dem Westen erklang (Bimberg 1985). Mit der Aufhebung des Residenzgebotes für den russischen Hochadel durch Peter ΠΙ. im Jahre 1761 (dem Ehemann Katharinas II.) reisten alsbald immer mehr russische Aristokraten gen Westen, hörten dort Musik und brachten sie nach Hause mit Den oft in ihrem Gefolge oder auch allein in entsprechenden Reiseunternehmungen zwischen West- und Osteuropa sich bewegenden Kaufherren und Händlern ging es ähnlich. Ende des 18. Jahrhunderts hatte das Russische Reich den Anschluß an die aktuelle Musikszene Mittel- und Westeuropas zumindest in der Repertoiregestaltung geschafft, aber auch im Auf- und Ausbau eines funktionierenden Musikmanagements in den größten Städten und im Austausch von Musik und Musikinterpreten. Über die Musiksituation im kaiserlichen Wien war man dabei selbstverständlich besonders gut informiert. Das ergab sich zum einen aus den politischen Kontakten auf höchster Ebene, wie sie sich auch in Reisen des russischen Thronfolgers Pavel Petrovic (des Sohnes von Katharina II.) dokumentierten. Zum anderen gab es mehr und mehr
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Guido Bimberg
handfeste wirtschaftliche Rontakte. Drittens linternahmen zahlreiche russische Aufklärer zunehmend Reisen nach Mittel- und Westeuropa, die sie häufig auch nach Wien führten. So hielten sich auch russische Musiker des öfteren in Wien auf, aus denen auch wenig später in Rußland sehr erfolgreiche Komponisten hervorgingen (Fomin). Auf drei Namen sei an dieser Stelle besonders hingewiesen, um darauf aufmerksam zu machen, daß der Wiener musikalische Stil damals in Rußland nicht nur ein fester Musikbegriff war, sondern zugleich das kompositorische Schaffen in Rußland und die Interpretation von Musik beeinflußte. Verwiesen sei hier auf Vincente Martin y Soler, der nach glänzender Karriere in Spanien, Italien und Wien in St. Petersburg (ein anderes Beispiel für diesen Musiktransfer vgl. Bimberg 1989 b) eine hochdotierte Anstellung am Hoftheater fand (ab 1788). Seine 1785 in Wien uraufgeführte Meisteroper „La cosa rara" (nach Lorenzo da Ponte) fand in Rußland außergewöhnliches Interesse (Bimberg 1988-1992). Zum zweiten sei auf Mozart verwiesen. Die „Entführung aus dem Serail" beispielsweise erklang in den neunziger Jahren in Rußland ebenso (Bimberg 1990 b) wie um die Jahrhundertwende „Die Zauberflöte". Ganz zu schweigen von anderen Erfolgsstücken des damaligen Wien wie etwa Ferdinand Kauers „Donauweibchen" (das von Davydow sofort russisch abgewandelt verarbeitet wurde zur „Dnepr-Russalka"). Parallel zu diesem in der europäischen Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts wohl einzigartigen Import fremdländischer Musik ging auch die Rezeption von anderen Künsten, von Literatur, Philosophie und politischen Schriften aus dem Westen mit gewaltigen Schritten voran. Der russische Hof unterhielt im 18. Jahrhundert unter allen Herrschern auf dem Zarenthron ausgesprochen enge Kontakte zu führenden Kultur- und Geisteszentren in Mittel- und Westeuropa, insbesondere schließlich unter Katharina II., der geborenen Prinzessin Sophia Auguste Friederike von AnhaltZerbst, die sich als „Semiramis des Nordens" von Aufklärern europäischen Ranges wie Diderot, Voltaire und Rousseau, von Lessing, Herder, dem Baron Grimm, Wieland sowie Georg Forster feiern ließ und selbst Opernlibretti verfaßte (Bimberg 1989 c). Russische Aufklärer wie etwa Sumarokov, Lomonosov, Derzavin, Fonvisin, Lvov, Knjaznin oder Krylov bis hin zum jakobitisch anmutenden Radiscev mit seiner Katharina II. drastisch anklagenden Schrift „Die Reise von Petersburg nach Moskau" (die ihn ins Gefängnis brachte) sahen in der Musik aus Mittel- und Westeuropa eine ganz außerordentlich wirkungsvolle Macht des Faktischen westlicher und von ihnen häufig als der Aufklärung verbunden angesehener und damit als nützlich erachteter neuer Kultur in einem Land, in dem allein schon die Aristokratie zu mehr als neunzig Prozent aus Analphabeten bestand. Für die Aufklärung in Rußland bedeutete die Orientierung an diesen mittel- und westeuropäischen Vorbildern in Verbindung mit der Besinnung auf die dem eigenen Volke entstammenden Traditionen ein sicherer Pfad für die Fortführung der Reformideen Peters I., auf die sich die russischen Aufklärer selbst noch Ende des 18. Jahrhunderts gern beriefen. Deshalb unterstützten sie zugleich nachhaltig die sich zugleich Ende des 18. Jahrhunderts herausbildenden eigenen, neuen russischen Musiktraditionen: das Schaffen russischer Komponisten, das Interpretieren von Musik durch russische Sänger und Instrumentalisten und die Bildung und Strukturierung
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eines sich selbst gleichfalls als neuzeitlich verstehenden russischen Musikpublikums nicht mehr nur in den Kreisen der Aristokratie, sondern auch in der Kauflierrenschaft, in Handel und Gewerbe, der niederen Beamtenschaft und im niederen Klerus, das den Begriff „prosvescenie" (= „Aufklärung") mehr und mehr zu hören bekam. Für die europäische Aufklärung schließlich bedeutete die Entwicklung in Rußland zudem einen erheblichen Zugewinn und eine Weitung des Blickfeldes und der Wirkungsmöglichkeit, die sowohl in Rußland als auch im „übrigen" Europa gerade auch mittels der Musik als Ausdruck einer neuen wirtschaftlichen, politischen, künstlerischen und letztlich damit auch philosophischen Dimension europäisch-abendländischen Selbstbewußtseins verstanden werden wollte. Daß man dabei den hier nur angedeuteten Anstrengungen in Rußland nicht überall gerecht werden konnte, mag abschließend ein Zitat aus den „Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst" von Christian Friedrich Daniel Schubert erleuchten: „Die russische Nationalmusik hat, wie man leicht erachten kann, sehr viel Wildes und Rauhes . . . Es läßt sich leicht erachten, was so eine Musik, von einem Pulkkosaken gesungen, für eine gräuliche Wirkung thun müsse. Kaum ist es begreiflich, wie die russischen Mädchen so etwas schön finden können" (Schubart, S. 245 f.).
LITERATURHINWEISE
Forschungen zur russischen Musikgeschichte unternahm der Autor bei mehreren Studienreisen nach Rußland, in die Ukraine, das Baltikum, nach Transkaukasien, Mittelasien und Sibirien. Ein Teil der erarbeiteten Erkenntnisse beim Quellenstudium in den dortigen Archiven und Bibliotheken ging zum Teil mit ein in die 1981 als Habilitation an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verteidigte und angenommene Arbeit „Die Oper im russischen Musiktheater des 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur russischen Operngeschichte", Halle 1981, 206 Seiten + 104 Seiten Anhang (Tabellen und Notenbeispiele). - An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg steht seit längerer Zeit ein Europäisches Forschungszentrum für Aufklärung und Pietismus an den Franckeschen Stiftungen, in dessen Arbeitsgruppen der Autor einbezogen ist. ARETAGA, Stefano: Geschichte der italienischen Oper. Aus dem Italiänischen übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Johann Nikolaus Forkel, 1. Band, Leipzig 1789. BIMBERG, Guido: St. Petersburg - Musikzentren des russischen Nordens, in: Musikzentren - Konzertschaffen im 18. Jahrhundert Konferenzbericht der XI. Wissenschaftlichen Arbeitstagung Blankenburg/Harz 1985 (= Studien zur Aufführungspraxis und Interpretation von Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts, Heft 23), S. 24-31. BIMBERG, Guido: Die italienische Opera seria im russischen Musiktheater des 18. Jahrhunderts, 1. Teil, in: Händel-Jahrbuch 29. Jg. 1983, S. 85-106; 2. Teil, in: Händel-Jahrbuch 30. Jg. 1984, S. 121-138; 3. Teü, in: Händel-Jahrbuch 31. Jg. 1985, S. 115-129. BIMBERG, Guido: Brandenburgisch-Preußische Musikkultur des 18. Jahrhunderts und ihre Auswirkung im Russischen Reich, in: Neue Aspekte zur Musikästhetik und Musikgeschichte im 18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Potsdamer und Berliner Musikkultur. Wissenschaftliche Konferenz zu den Bachtagen der DDR 1983 (= Potsdamer Forschungen, Wiss. Schriftenreihe der Hochschule Potsdam, Reihe A, Heft 60), Potsdam 1984, S. 76-84. BIMBERG, Guido: Russische instrumentale Kammermusik der Ekaterinischen Epoche, in: Kammermusik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Konferenzbericht der XIII. Wissenschaftlichen Arbeitstagung Blankenburg/Harz 1985 (= Studien zur Aufführungsprazis und Interpretation von Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts, Heft 28), S. 24-33. BIMBERG, Guido: Spanisches Musiktheater im Zeitalter der europäischen Aufklärung, 1. Teil, in: Händel-Jahrbuch 34. Jg. 1988, S. 145-163; 2. Teü, in: Händel-Jahrbuch 35. Jg. 1989, S. 137-172; 3. Teil, in: Händel-Jahrbuch 38. Jg. 1992.
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Guido Bimberg
Guido: „Jeunes amants, soyez galants". Französische Opernkultur im Rußland der Ekaterinischen Epoche, in: Musik des Ostens. Jahrbuch zur osteuropäischen Musikgeschichte, hrsg. von Hubert Unverricht, Band 11, Kassel etc. 1989, S. 153-167. BIMBERG, Guido: Italienische Musikbeziehungen zwischen Potsdam und Madrid im 18. Jahrhundert, in: Untersuchungen zur Musikkultur des 18. Jahrhunderts aus Anlaß des 300. Todestages von Carl Philipp Emanuel Bach. Bericht der 3. Musikwissenschaftlichen Konferenz, hrsg. von Fritz Beinroth, Potsdam 1989 (= Potsdamer Forschungen. Wissenschaftliche Schriftenreihe der Pädagogischen Hochschule Potsdam, Reihe A, Heft 39), S. 108-120. BIMBERG, Guido: Musikalische Geselligkeit um die russische Großfürstin aus der Fasch-StadtZerbst, in: Johann Friedrich und Carl Friedrich Fasch. Leben - Wirken - geistiges Umfeld Quellenlage - Wirksamkeit in der Gegenwart, Bericht der internationalen wissenschaftlichen Konferenz zu den 2. Fasch-Festtagen der DDR in Zerbst 1988 aus Anlaß des 300. Geburtstages von Johann Friedrich Fasch, Blankenburg/Harz 1989, Teil 2 (= Studien zur AufFührungspraxis und Interpretation von Musik des 18. Jahrhunderts, Heft 41), S. 29-37. BIMBERG, Guido: Musik und Bauernbewegung in Rußland von Bolotnikov bis Pugacev, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, Jg. XXXIX/1990, G, Heft 3, S. 81-86. BIMBERG, Guido: Wer ein Liebchen hat gefunden. Mozarts „Entführung aus dem Serail" in ihrer Zeit, Leipzig 1990. SCHUBART, Christian Friedrich Daniel: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, Wien 1806, Neudruck Hildesheim 1969. STÄHLIN, Karl von: Geschichte Rußlands, Band 2, Berlin-Königsberg 1930. BIMBERG,
Ludwig Finscher
Zur Struktur der europäischen Musikkultur im Zeitalter der Aufklärung
Das 18. Jahrhundert bildet in der Musikgeschichtsschreibung eine relative Einheit, die von etwa 1720 bis zu den letzten Rompositionen Joseph Haydns kurz nach 1800 reicht. Die Grundlagen dieser Abgrenzung - und ihrer Untergliederungen, wie sie etwa im „Neuen Handbuch der Musikwissenschaft" von Carl Dahlhaus (Bd. 5, 1985) vorgeschlagen werden - sind die kompositionsgeschichtlichen Entwicklungen von den Anlangen eines grundsätzlich neuen Stils in der Instrumentalmusik und der Oper (Vivaldi, Sammartini, Leo, Pergolesi) bis zum Ende dessen, was in einem engeren und genaueren Sinne Wiener Klassik heißen kann. Die chronologischen Eckdaten bleiben aber auch dann - unbeschadet aller Differenzierungen im Detail - gültig, wenn man andere Aspekte der Musikgeschichte in den Mittelpunkt stellt: Ideen- und Geschmacksgeschichte, Sozialgeschichte, Institutionengeschichte. Die Einheit der Epoche ist damit relativ gut zu begründen. Natürlich bedeutet Einheit hier nicht ein stabiles und statisches System, sondern im Gegenteil eine kontinuierliche, wenn auch nicht bruchlose Entfaltung übergreifender Tendenzen. Sie vollzieht sich in einem bis dahin unerhörten Tempo und mit einer Dynamik, die uns durchaus „modern" anmutet. Das frühe 18. Jahrhundert setzt auch in der Musikgeschichte jene Prozesse in Gang und entwickelt jene Strukturen, die im späten 20. Jahrhundert an ein Ende gelangt zu sein scheinen und sich auflösen. Eine Darstellung, die dem anspruchsvollen Begriff der Struktur gerecht werden wollte, müflte Prozesse und Teilstrukturen, die verschiedenen Ebenen der Musikgeschichte, regionale Unterschiede des Entwicklungstempos in eine Gesamtstruktur verbinden. Dafür gibt es in der Musikgeschichtsschreibung bisher kaum ein Modell; es ist kein Zufall, daß in dem erwähnten Band des „Neuen Handbuchs der Musikwissenschaft" zwar viel von Struktur die Rede ist, die Darstellung aber fast ausschließlich der Rompositionsgeschichte folgt, ohne daß die Bedingungen der Rompositionsgeschichte thematisiert würden. In dieser Situation müssen hier Andeutungen genügen, die primär dazu dienen sollen, eine Diskussion anzuregen. Im 18. Jahrhundert entwickelt sich die großstädtische Musikkultur, so wie wir sie noch heute kennen. Die Entwicklung beginnt, natürlich, in den beiden Metropolen, die die modernsten des Jahrhunderts sind, also in London und Paris. Sie wird in kleinerem Maßstab und mit Einschränkungen in wichtigen Handelsstädten aufgenommen; Einschränkungen, aber auch Akzentuierungen lassen sich aus den jeweiligen sozialen und politischen Bedingungen erklären. Die Stadt, die der Wiener Klassik ihren Namen gab, tritt erst sehr spät ins Bild - Wien ist, im europäischen Rontext und unter dem Aspekt der Entwicklungsdynamik der europäischen Musikkultur gesehen, noch bis 1780 eine recht unbedeutende Stadt. Die Träger der großstädtischen Musikkultur sind Hof und Stadtbürgertum, wobei Ronstellationen und Formen der Interaktion von Stadt zu Stadt verschieden sein und sich in verschiedenem Maße und Tempo entwickeln können. In London gibt es
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zuerst Musik als öffentliche Unterhaltung für die Massen (in den öffentlichen Gärten), an der offenbar die höfische Gesellschaft wie fast alle Schichten der Bürgerschaft teilhaben oder doch teilhaben können; daneben wird die italienische Hofoper als „internationales System" (Dahlhaus) in ein durch und durch kommerzielles, marktorientiertes System verwandelt, das der FunküonaUsierung für die politischen Zwecke rivalisierender Hofparteien weit offen ist - Händel erfahrt das mit ruinösen finanziellen Folgen. In London und nur in London entwickelt sich das volkssprachliche Oratorium über alttestamentarische Stoffe aus nur hier gegebenen Voraussetzungen: der Idee von der Auserwähltheit des englischen Volkes, typologisch dem auserwählten Volk Israel parallel gesetzt, und der Öffentlichkeit eines Musiklebens, an dem, gegen Bezahlung, prinzipiell jeder teilnehmen kann. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wird dieses öffentliche Musikleben zur Basis, auf der sich ein einzigartiges kommerzielles Ronzertieben entwickelt, von dem Haydn auf seinen beiden Englandreisen so außerordentlich profitiert. Parallel dazu erweitert sich die Oratorientradition zu Massenaufführungen, in denen das Oratorium zur nationalen Institution und Händel zum Nationalkomponisten stilisiert werden und aus denen sich die Idee des Musikfestes entwickelt, die im frühen 19. Jahrhundert dann auf dem Kontinent als dezidiert demokratische Idee rezipiert wird. Musikalische Öffentlichkeit, an der prinzipiell jeder teilhaben kann, und Musik als nationales Identifikationsobjekt heben die sozialen Schranken zwar nicht auf, mildern aber für den Augenblick ihren Druck; das wird zu einer, wenn auch nicht der einzigen Voraussetzung für den Siegeszug der musikalischen Gefühlsästhetik. Zugleich entwickelt sich aus dem so einzigartig reichen Potential der Londoner Musikkultur eine Konstellation, wie sie sehr ähnlich - ich meine: signifikant ähnlich - gegen Ende des Jahrhunderts in Wien wiederkehrt: Für die Entstehung des Händeischen Oratoriums wie für die der im engeren Sinne klassischen Instrumentalmusik ist das je spezifisch strukturierte und akzentuierte großstädtische Musikleben eine notwendige, aber keine zureichende Voraussetzimg. Für die Leistung des Komponisten, das heißt die Entfaltung der kompositorischen Individualität, bildet es das Substrat, nicht die Erklärung. Der Entwicklung einer musikalischen Öffentlichkeit mit den Institutionen Oper, Oratorium und Konzert mit der Tendenz zur Aufhebung sozialer Schranken im Moment des musikalischen Vollzugs entspricht die Entwicklung einer Musikpublizistik, wenigstens in Ansätzen, eines bereits differenzierten Musikverlagswesens und wesentlich schwieriger zu fassen - einer sich ausbreitenden Kultur des privaten Musikmachens. In der Londoner Musikpublizistik des 18. Jahrhunderts werden - in charakteristischem Gegensatz zu den gleichzeitigen Pariser Aktivitäten - Grundlagen der Gefühlsästhetik, auch für die Musik, und Grundlagen für ein Interesse an der Geschichte der Musik gelegt; beides Aspekte, die zentral für die Entfaltung einer spezifisch bürgerlichen Musikkultur im 19. Jahrhundert werden. Das Verlagswesen, das sich wie in Paris mit außerordentlicher Geschwindigkeit entwickelt, erlaubt hier wie dort in seiner Differenziertheit Rückschlüsse auf ein entsprechend differenziertes nichtöffentliches Musikleben, von dem es sich weitgehend ernährt: die Produktion der Verlage reicht von Einblattdrucken mit aktuellen politischen Liedern über Sammlungen und Arrangements von Arien aus der jeweils letzten erfolgreichen Oper, Klavierlieder, Volksliedbearbeitungen (für die noch Haydn und Beethoven einträgliche Verträge mit Londoner Verlegern schlossen), Kammermusik für Anfanger
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und Liebhaber von schlichtem Geschmack, Kammermusik für gehobene Ansprüche bis zu Partiturdrucken „klassischer", das heißt mustergültiger Werke für Renner und Fachleute. In der häuslichen Musikkultur scheint das stärker formalisierte Adelskonzert eine geringere Rolle als das weniger formalisierte bürgerliche Musizieren und weitgehend, wenn auch wohl nicht gänzlich analog - der Auftritt bezahlter Professionals eine geringere Rolle als das Selbstmusizieren der Liebhaber gespielt zu haben. In der bürgerlichen, weitestgehend von den Liebhabern selbst aktiv getragenen Hausmusik haben sich, wie Richard Leppert vor kurzem gezeigt hat, die Grundmuster der bürgerlichen Musikideologie und der alters- und geschlechtsspezifischen Verhaltensmuster ausgebildet, die wir aus dem 19. Jahrhundert genauer kennen. Die Struktur des Pariser Musiklebens im 18. Jahrhundert ist der des Londoner Musiklebens prinzipiell sehr ähnlich, allerdings mit einigen wichtigen und leicht erklärbaren Varianten und natürlich nur bis zur Revolution. Höfischer und aristokratischer Salon spielen eine größere und stabilere Rolle als in London, während wir von der bürgerlichen Hausmusik wenig oder nichts wissen; in der Oper ist das höfische und vom Hof finanzierte Repräsentationsinstrument der Tragedie lyrique von der dem breiteren Publikum zugänglichen und stärker marktorientierten Opéra comique streng getrennt. Das Konzertleben wird von der Aristokratie und von Adelskapellen, nicht von bürgerlichen Konzertunternehmern dominiert. Allgemein scheint die Rolle der professionellen Musiker viel größer und der Konkurrenzkampf unter ihnen härter gewesen zu sein als in London. Dem entspricht die Entwicklung der Orchesterkultur - diese allerdings unter dem Einfluß von Mannheim - und die Entwicklung neuer, von Virtuosität geprägter Gattungen wie Klavier-Kammermusik, konzertante Streicher-Kammermusik und Symphonie concertante. Mit der Professionalität offenbar weitester Rereiche des Musiklebens hängt wiederum zusammen, daß Paris bis zur Revolution der ideale Wirkungsort nicht nur für Virtuosen, sondern auch für Lehrer, vor allem Instrumentallehrer ist und eine entsprechende Anziehungskraft in Mittel- und Westeuropa ausübt, z. R. auf den jungen Mozart, auf Cambini, Roccherini und Viotti. Die Produktion der Musikverlage mit ihrem Akzent auf gehobener Instrumentalmusik trägt dem Rechnung; zugleich spiegelt sich die Trennung der höfischen von der großstädtischen Musikkultur in der ungebrochenen Tradition repräsentativer, finanziell und technisch aulwendiger Partiturdrucke für die höfische Tragédie lyrique. Und mit der besonderen Rolle der Tragédie lyrique einerseits und der Opéra comique als ihres Gegenbildes andererseits wie mit der Professionalität des Musiklebens allgemein hängt wohl auch die Akzentsetzung im französischen Musikdenken und in der Musikpublizistik zusammen: die quasinaturwissenschaftliche spezialisierte Forschung im Umkreis der Encyclopédie einerseits und die publizistischen Kämpfe um italienischen und französischen Nationalstil, Musik und Sprache und die wahre Opernform andererseits. Vor allem in den veröffentlichten Redeschlachten um die Opernreformen Glucks am Vorabend der Revolution bilden sich, wie nirgends sonst in Europa, jene Techniken zur Reeinflussung der Öffentlichkeit durch die Publizistik aus, die sich im 19. Jahrhundert ganz entfalten werden. Das 18. Jahrhundert ist idealtypisch das Zeitalter der Mischformen höfischer und stadtbürgerlicher Musikkultur, und die Prototypen dieser Mischformen sind die beiden modernsten Städte der Epoche, London und Paris. Natürlich gibt es daneben
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noch unvermischt höfische Musikkulturen, und es entwickeln sich unvermischt stadtbürgerliche; beide Bereiche sind in sich differenzierbar. Das Modell einer höfischen Musikkultur in ländlicher Isolation und fast Autarkie ist der Hof von Eszterháza; der Umschlag von feudaler Abhängigkeit in produktive innere Freiheit, der unter optimalen Bedingungen an einem solchen Hof geschehen konnte, ist in HaydLns berühmten Worten beschrieben: „Mein Fürst war mit allen meinen Arbeiten zufrieden, ich erhielt Beyfall, ich konnte als Chef eines Orchesters Versuche machen, beobachten, was den Eindruck hervorbringt, und was ihn schwächt, also verbessern, zusetzen, wegschneiden, wagen; ich war von der Welt abgesondert, Niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen und quälen, und so mußte ich original werden." Das Modell einer höfischen Musikkultur in einer Stadt, die so vom Hof dominiert wird, daß sich kein stadtbürgerliches Musikleben entwickeln kann, ist Mannheim; hier gab es das berühmteste und wahrscheinlich beste Orchester des Jahrhunderts und die größte Ansammlung von bedeutenden Komponisten, aber sonst gab es fast nichts, und es ist bezeichnend, daß sich zwar ein (nicht sehr bedeutender und nicht sehr langlebiger) Musikverlag, aber kein auf einen vielschichtigen Markt bezogenes und nach Markt- und Ronkurrenzmechanismen funktionierendes Musikverlagswesen etablierte - die Mannheimer Komponisten waren gezwungen, ihre Werke in Paris verlegen zu lassen. Den Gegenpol zur unvermischt höfischen bildete die unvermischt stadtbürgerliche Musikkultur, auch sie mit Abstufungen, die sich auf wirtschaftliche und politische Ursachen zurückführen lassen. Die vergleichsweise differenzierteste Struktur zeigt Hamburg, in wirtschaftlicher und geistiger Nähe zu London: eine (allerdings nicht auf London, sondern auf das venezianische Modell einer öffentlichen Oper im 17. Jahrhundert zurückgehende) wenigstens zeitweilig gut funktionierende Oper für alle zahlungsfähigen Bürger, in der - in Anpassung an die Bedürfnisse des Publikums - die Arien italienisch, die die Handlung tragenden Rezitative oder Dialoge aber deutsch vorgetragen wurden, ein reiches und reich abgestuftes öffentliches Ronzertieben und eine vielgestaltig bürgerliche Hausmusik, eine florierende Musikpublizistik und wenigstens in Ansätzen ein am Geschmack des lokalen Publikums orientiertes, zugleich diesen Geschmack prägendes Musikverlagswesen; schließlich als nordund mitteldeutsches protestantisches Erbe ein besonders reiches kirchenmusikalisches Leben, das für bedeutende Musiker attraktiv war, die dann wiederum das städtische Musikleben insgesamt bereicherten: erst Telemann, dann Philipp Emanuel Bach. Die durch keinen strukturgeschichtlichen Ansatz ganz zu überdeckende Rolle solcher bedeutender Musiker wird im Vergleich noch deutlicher: Im strukturell Hamburg vergleichbaren Amsterdam, wo solche Persönlichkeiten fehlen, entwickelt sich nennenswert nur das Musikverlagswesen; in Leipzig, wo der einzige bedeutende Musiker weitgehend im verborgenen wirkt und 1750 stirbt, entwickeln sich - gemäß den Chancen der Messe- und Bücherstadt - Verlagswesen und Publizistik. Die Anziehungskraft der Zentren und die ständige Differenzierung ihrer Musikkultur begünstigten die Mobilität der Musiker in einem bis dahin unbekannten Ausmaß, und sie begünstigten das Entstehen neuer Musikberufe. Die Rarriere Telemanns aus dem Hofdienst über eine vergleichsweise noch bescheidene Position in Frankfurt zum fast unumschränkten Beherrscher des Hamburger Musiklebens - eine Rarriere, die explizit unter der Devise „Stadtluft macht frei" stand - spiegelt das Maß der Mobilität
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für einen nun allerdings besonders unternehmenden und unternehmerisch gesonnenen Komponisten und spiegelt auch den beginnenden Aufstieg der stadtbürgerlichen und den Abstieg der höfischen Musikkultur. Die Karriere Haydns, der Aufstieg aus einfachsten und ärmlichen Verhältnissen, über Kapellknaben- und Kammerdienersteilen und mit einer weitgehend autodidaktischen kompositorischen Ausbildung zum Hofkapellmeister und gefeiertsten Komponisten Europas zeigt, welche soziale Mobilität möglich war; die Karriere Glucks zeigt den Weg vom fast mittellosen Försterssohn zum reichen weltstädtischen Besitzbürger. In der differenzierten Musikkultur Londons und Paris', später Wiens fanden zahlreiche Musiker als konzertierende Virtuosen, Gesangs-, Instrumental- und Kompositionslehrer, für Verlage arbeitende Arrangeure oder Produzenten von Unterhaltungsmusik nicht nur ein Auskommen, sondern Aufstiegschancen. Komponisten konnten Unternehmer werden, indem sie Verlage zum Vertrieb eigener und fremder Werke gründeten - so in kleinem Maßstab schon Telemann in Hamburg, in mittleren wirtschaftlichen Dimensionen Franz Anton Hoffmeister in Wien und in großem Maßstab am Ende des Jahrhunderts Ignaz Pleyel in Paris. Die Existenz als freischaffender Komponist war nur in den großen Zentren möglich und extrem risikoreich, wie das Beispiel Mozart in Wien zeigt, aber sie war doch möglich, wie der robustere und weltklügere Gluck in Paris demonstrierte. Die Differenzierung der städtischen Musikkulturen, die wachsende Rolle des Musikaliendrucks und Musikalienvertriebs und die wachsende Mobilität der Musiker waren aufs engste verknüpft mit den seit etwa 1720 zu beobachtenden kompositionsgeschichtlichen Tendenzen: der Verdrängung des kontrapunktischen Satzmodells durch das aus Lied und Tanz entwickelte Modell des melodiebetonten Satzes, der Entwicklung eines nicht nur quantitativ extrem reichen, sondern qualitativ und funktional vielfaltig differenzierten Repertoires und der Verbreitung von Teilen dieses Repertoires über die Grenzen der Staaten und der Nationalstile hinweg und bis in die Neue Welt. Die von Quantz formulierte Idee eines „vermischten" Stils, dessen Entwicklung Aufgabe der deutschen Musik sei, ist ohne diese Voraussetzungen nicht denkbar. Die musikalischen Kommunikationsmöglichkeiten und Kommunikationsstrukturen des 18. Jahrhunderts sind von denen des 17. durch einen qualitativen und quantitativen Sprung getrennt. Ihre Grenzen werden dort sichtbar, wo es um das Gespräch der Komponisten im Medium des Werkes geht: denn dieses Gespräch wird eindeutig von der Kommunikation auf kurze räumliche und zeitliche Distanzen beherrscht, trotz Telemanns virtuoser Fähigkeit, je nach den Marktchancen zwischen französischem und italienischem Stil zu wechseln, und trotz der nicht weniger virtuosen Fähigkeit des jungen Mozart, spielerisch in allen Stilen zu komponieren. Muster eines solchen kompositorischen „Gesprächs auf kurze Distanz" sind der Dialog zwischen Haydn und Mozart im Medium des Streichquartetts oder das Gespräch zu dritt zwischen Haydn, Leopold Kozeluch und Mozart, aus dem vermutlich Mozarts drei letzte Symphonien hervorgegangen sind. Damit sind wir wieder in Wien und am Ende des Jahrhunderts. Gestatten Sie nur, daß ich für diesen letzten Abschnitt meines Referates zum Teil auf das Kapitel zurückgreife, das ich für den schon erwähnten Handbuchband geschrieben habe. In allen bisher skizzierten Prozessen war Wien eher der nehmende als der gebende Teil, nehmend und gebend eingebunden in das am Ende des Jahrhunderts bereits außerordentlich komplizierte Netz kompositions-, organisations- und ge-
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schmacksgeschichtlicher Wechselwirkungen, das durch die reisenden Komponisten, Sänger und InstrumentaMrtuosen, die Handelswege der Musikverlage, die Anfänge der Musikpublizistik geknüpft wurde. Tonangebend war Wien nur in der anspruchsvollen Instrumentalmusik, also dem Kern dessen, was man wenig später als „Wiener Klassik" verstehen sollte, aber auf eine eigentümlich folgenlose Weise: Der Ruhm Haydns, der schon seit den sechziger Jahren europäisch wurde, blieb fast ohne kompositionsgeschichtliche Konsequenzen gerade dort, wo er durch die Musikverlage zuerst verbreitet wurde, in Paris und London. Trotz aller Verbindungen hatten gerade die Musikmetropolen ihr je eigenes Beharrungsvermögen und ihre je eigene Entwicklungsdynamik. Das Besondere an der Situation Wiens war aber offenbar, daß die Stadt erst sehr spät, um 1780, zu einer Musikmetropole wurde, daß sie dann aber von den Entwicklungen des Jahrhunderts so profitierte und Einflüssen so offen war wie keine vergleichbare Stadt und daß Haydn und Mozart in diesem offenen geistigen Klima und wenigstens zum Teil durch dieses Klima den Höhepunkt ihrer Produktivität erreichten. Der dritte „Klassiker", Beethoven, brach nach Wien auf, weil durch ebendiese Konstellation das einzigartig Neue bereits Gestalt gewonnen hatte, der „klassische" Stil greifbar geworden war: „Mozarts Geist aus Haydns Händen." In Wien trafen sich die Traditionen der Opera seria, der Opera buffa, der Opéra comique mit dem deutschen Singspiel, den Reformen Glucks und den josephinischen Bemühungen um ein deutsches Nationaltheater. In Wien trafen sich die moderne italienische Instrumentalmusik, die österreichisch-süddeutsche Unterhaltungsmusik und die volksmusikalischen Idiome der habsburgischen Länder. In Wien trafen sich auch die gleichsam von Natur aus konservative kirchenmusikalische Tradition und die Neigung eines ebenso musikfreudigen wie musikkundigen Kaiserhauses zum traditionellen Kontrapunkt mit der Bach- und Händelverehrung, die Gottfried van Swieten aus Preußen mitgebracht hatte und die etwas grundsätzlich anderes als die nationale Händelverehrung in London und als die Bachtradition nord- und mitteldeutscher Kirchenmusiker war. In Wien trafen sich die gleichfalls importierten Bemühungen Philipp Emanuel Bachs um eine „redende", affekt- und bedeutungsvolle Instrumentalmusik mit der neuen Einfachheit, Klarheit und Sinnlichkeit der italienischen Konzertsinfonia im Gefolge Sammartinis. Die Situation Wiens war derjenigen der anderen Musikmetropolen offenbar auch darin ungleich, daß hier eine ungewöhnlich vielschichtige urbane Musikkultur den Boden abgab, auf dem sich der „klassische" Stil Haydns und Mozarts als ein Mischstil entwickeln konnte. Die Stände wohnten enger beieinander als in den anderen Metropolen; die Wohnquartiere waren sozial und - in der Hauptstadt eines Vielvölkerstaates - auch ethnisch stärker gemischt. Musik bildete eine soziale Aufstiegsmöglichkeit, eine soziale Brücke, und Musik spielte im sozialen Leben eine bedeutendere Rolle offenkundig wird das in der josephinischen Idee, durch die „Redouten", für die auch Mozart Tanzmusik komponierte, die Vermischung der Stände zu fördern. Musik spiegelte die soziale und ethnische Vielfalt des großstädtischen Lebens in einer Vielschichtigkeit, die zwar hierarchisch geordnet war, deren Schichten aber nicht gegeneinander abgeschlossen waren. So wurde die Mischung von österreichischer Bauernmusik und Musik von Minderheiten, städtischer Unterhaltungsmusik und anspruchsvoller Kennerkunst, von volkstümlicher, galanter, empfindsamer und
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gelehrter Diktion in Haydns reifem Stil möglich, so auch das tiefsinnige Spiel mit allen diesen Ebenen in der „Zauberflöte". Der Vielfalt und Vielschichtigkeit der Produktion entsprach eine Vielfalt der Organisationsebenen: italienische und deutsche Oper; Hoftheater und Vorstadtbühne; öffentliches Konzert im Saal und im Freien, halböffentliches und privates Adelskonzert, imitiert von der Geldaristokratie; Musikverein und privater Zirkel mit allen Abstufungen vom anspruchsvollsten Rennerkreis bis zum einfachsten Musikliebhaber; öffentliche Redoute und privater Ball, dazu die ganze nicht organisierte Praxis des alltäglichen Singens, Spielens und Tanzens; ein riesiges Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten im Gesang, auf allen Instrumenten und in der Komposition, von dem sich viele ganz oder halb gescheiterte Komponisten ernährten; Notenkopiaturen und Musikverlage, die sich erst seit etwa 1770 nach Pariser und Londoner Vorbild etablierten, sich dann aber sehr schnell entwickelten und Wien zu einem Musikverlagsund Musikhandelszentrum machten, das die älteren Zentren überflügelte und das auch neue Produktionszweige entwickelte - am auffälligsten die Bearbeitungs-Industrie, die Arrangements der jeweils neuesten populären Stücke für jede nur denkbare Besetzung lieferte. In diesem Sektor wird auch jene sehr großstädtische Neugier auf Neues und Neigimg zu schnell wechselnden Moden besonders deutlich, die Mozarts öffentlicher Wirkimg zum Verhängnis wurde. Manche Elemente dieses großstädtischen Musiklebens waren in den älteren Musikmetropolen weiter entwickelt als in Wien, so das öffentliche Konzertleben in London oder die Musikpublizistik in Paris. Die Wiener Konstellation insgesamt aber scheint einzigartig gewesen zu sein. Daß sie zahlreiche Musiker aus allen habsburgischen Ländern und auch aus dem weiteren Europa anzog, erhöhte ihre potentielle Fruchtbarkeit. Daß sie Haydn und Mozart, später Beethoven zu binden vermochte, führte dazu, daß eine lokale Konstellation europäische Bedeutung gewann. Die Struktur der Wiener Musikkultur im letzten Drittel des Jahrhunderts war eine notwendige, wenn auch keine zureichende Bedingung für die Entstehung der Wiener Klassik.
François de Capitani
Die Entdeckung des Volkes: Wiederbelebung bzw. Erfindung des Volksliedes und der Volksmusik in der Schweiz 1750-1810
Albrecht von Haller hatte zuviel versprochen, als er in seinem berühmten Lehrgedicht „Die Alpen" schrieb: Ein junger Schäfer stimmt indessen seine Leyer, Dazu er ganz entzückt ein neues Liedchen singt. Natur und Liebe giesst in ihn ein heimlich Feuer, Das in den Andern glimmt, und nie die Müh' erzwingt; Die Kunst hat keinen theil an seinen Hirtenliedern, Im ungeschmückten Lied malt er den freien Sinn; Auch wann er dichten soll, bleibt er bei seinen Widdern. Und seine Muse spricht wie seine Schäferin. Sein Lehrer ist sein Herz, sein Phöbus seine Schöne, Die Rührung macht den Vers, und nicht gezählte Töne. (Haller 1882,25) Die Alpenbegeisterung der Aufklärer ist bekannt. In den Alpen suchte man nicht nur das Ideal einer unberührten und scheinbar unbezwingbaren Naturlandschaft, sondern auch eine Gesellschaft, von der man annahm, dafl sie in Harmonie mit der Natur lebte, einen Abglanz des „Goldenen Zeitalters" noch nicht völlig verloren hatte. Was lag näher als die Erwartimg, daß auch die Musik des Hirtenvolkes jenen Idealen entsprechen mußte? Schon die frühen Erforscher des schweizerischen Volkslebens im Umfeld von Johann Jakob Bodmer sahen sich aber vor unerwartete Schwierigkeiten gestellt: Die Kuhreihen und Sennensprüche, die in einigen Regionen noch vereinzelt gefunden werden konnten, genügten nur teilweise den hohen Ansprüchen, die diese frühen Aufklärer an die Volkspoesie stellten (Geiger 1911, 1-21 und Beilagen; im größeren Rahmen wird das Phänomen abgehandelt von: Baumann 1976). Noch schwieriger gestaltete sich die Suche nach den vermuteten ursprünglichen und echten Volksliedern. Stellvertretend für viele enttäuschte ethnologische Forscher aus ganz Europa sei hier Karl August Küttner zitiert, der 1779 die Schweiz bereiste: „Ich habe einige Lieder abgeschrieben, aber das mehreste was man hier singt, ist zu abgeschmackt, als dass ich Ihnen etwas zu Probe geben dürfte, z. B.: Ach Schönster, hörst du nicht die Süfzchen knallen, Alwie vor deiner Schlafkammerthür thun fallen. Ich finde in dem was ich gehört, nicht den Ton und die rustische Simplizität eines Volksliedes, nichts von jenen alten Liedern, von denen ich weiss, dass man noch hie und wieder in der Schweiz welche singt" (zit. nach: Nef 1909,128). Küttner fand - neben Psalmen - nur einige im ganzen deutschen Sprachbereich verbreitete Gassenhauer der damals entstehenden „Massenproduktion" (Wiora 1971, 108) und Lieder aus damals bekannten Singspielen von Hiller, aber keine Volksliedtradition. Was war geschehen? Wo waren die alten Volkslieder, die für das 15. und 16. Jahr-
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hundert in großer Zahl überliefert waren, geblieben? Es waren die Reformation, aber auch die katholische Reform, die das Singen und das Musizieren soweit als möglich unterbunden hatten. Gerade die protestantischen Obrigkeiten überboten sich zweihundert Jahre lang in Lied- und Tanzverboten. An die Stelle der alten Lieder hatten die Psalmen zu treten. Auch an weltlichen Anlässen sollten die Psalmen den einzigen erlaubten Gesang bilden. Als Beispiel sei hier ein bernisches Mandat von 1680 zitiert: „desgleichen sollen weder von Meister noch Gesellen, in freyen Zechen und Mähleren bey den Tischen einige üppige Lieder nicht, sondern nur christliche Lieder und Psalmen gesungen werden" (Markwalder 1930,190) (Beispiele für Zürich bei Geiger 1911,21ff.;allg. Zehnder 1976, 538 ff.). Die immer wiederholten Verbote blieben nicht ohne Wirkung. Bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bildeten die Psalmen das eigentliche Liedgut. Ein deutscher Besucher, Christoph Meiners, beschrieb das gesellige Beieinandersein und Singen der Berner Bauern noch 1783 folgendermaßen: „Nichts machte mich mehr lachen, als die Bauern, wenn sie besoffen sind, dass ihre Zungen nachgerade unbeweglich werden, Psalmen zu singen anfangen. Sie heben, wie man mir sagt, meistens mit dem 42. Psalm an und gehen dann zu dem 25., 27. und 103. Psalm fort. Sie singen diese Psalmen nicht aus Andacht, sondern weil sie meistens nichts anderes zu singen wissen" (Zulauf 1934, 60). Auch Johann Friedrich Reichardt erhielt noch 1791 Psalmen vorgesungen, wenn er nach alten Volksliedern fragte (Nef 1909, 6/7; Aeschbacher 1980/81, Anm. 28). Johann Georg Heinzmann schildert in diesen Jahren die Gesänge der Berner Bauern an Markttagen: „Am Abend ertönen die Weinkeller überall von Liedern, und sonderbar ist, dass der Berner Landmann bey dem Wein manchmal auch seine Psalmen singt, wenn ihm seine andern Lieder ausgehen, und zwar mit allem Anschein von Ernst und Andacht Man kann leicht denken, wie sehr das hohe feyerliche Choral mit der Anzahl der Flaschen steigt" (Heinzmann 1794,63). Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war die Situation besonders für die gebildeten und städtischen Kreise unerträglich geworden. Ein Volk ohne Lieder, ohne eigenständige ländliche Musiktradition paßte einfach nicht in das Bild der Schweiz, das die Aufklärer entworfen hatten und der sich alle Gebildeten in Stadt und Land verpflichtet fühlten. Es begann die Rekonstruktion der schweizerischen Volkskultur, insbesondere der Volksmusik und des Volksliedes (Baumann, 117 ff.; eine parallele Entwicklung in Schottland schildert Trever-Roger 1983). In der ehrwürdigen Helvetischen Gesellschaft, einer Vereinigung von Magistraten, Pfarrherren und reichen Bürgern aus allen Teilen der Schweiz, wurde im Jahre 1765 die Anregimg laut, mit neuen Liedern zur „Veredelung" des Volkes beizutragen. Johann Kaspar Lavater dichtete im darauffolgenden Jahr „Schweizerlieder", sie wurden vertont und fanden eine überraschend große Verbreitung (Im Hof/de Capitani 1983, Bd. 1,199 ff.). Die 200jährige Tradition des mehrstimmigen Psalmengesangs bildete eine hervorragende Voraussetzung für die Rezeption eines neuen Liedgutes. Der Bemer Musikforscher Gerhard Aeschbacher schreibt treffend: „Mit dem Psalmengesang gewinnt auch eine musikalisch ungebildete Bevölkerung ihre musikalische Sprachfahigkeit. Der Psalmengesang wird zum Ausgangspunkt einer breiten, weltlichen Musikpflege" (Aeschbacher, 240).
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Der Siegeszug des Volksliedes war nicht mehr zu bremsen. Unzählige Dichtungen und Kompositionen fanden den Weg zu einer breiten Bevölkerimg, die sie sofort mit Begeisterung sang. Seit den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurden die alten Psalmen langsam zurückgedrängt und durch ein neues Liedgut ersetzt. Eine Generation später entdeckten die Dichter den Dialekt für die Schöpfung von Volksliedern, eine Neuerung, die zwar nicht die Zustimmung der älteren Aufklärergeneration fand, die Popularisierung der neuen Lieder aber ungemein förderte (Geiger 1911, 37 ff.; zur Ablehnung des Dialekts durch Lavater: von Arx 1897, 27). Hand in Hand mit der Einführung neuer Lieder fand auch eine musikalische Neuorientierung statt. Hatten die ersten Volksliedschöpfer noch an die alten, mehrstimmigen Psalmenmelodien angeknüpft, so setzte sich nach 1780 ein neuer Liedstil im Geschmack der Zeit durch. Schließlich fand diese neue Melodik auch Eingang in den Kirchengesang, der den neuen Idealen der Stimmführung angepaßt wurde (vgl. Zulauf 1934, 75 ff.). Der Berner Kantor und Komponist Nikiaus Käsermann beschreibt 1799 die Aufgabe der Liederdichter und Komponisten folgendermaßen: „Dass musikalische Dichter (Ich verstehe solche, die nicht metrisch allein, sondern auch klangvoll dichten können) und dichterische Tonsetzer sich gemeinschaftlich bestreben, dem singenden Theil der Nation solche Gesänge zu liefern, die fähig wären, die schlafenden Gefühle zu erwecken und den melancholisch düsteren und schleppenden Ton, durch unsere Kirchenmelodien etabliert, wo nicht ganz zu verdrängen, doch aufzuheitern. Zu diesem End müssten aber schon die Schulmeister, welche für den grössten Theil der Jugend die Singmeister sind, in dem wahren Vortrag neuer Melodien geübt werden, wiedrigenfalls selbige nach alter Manier abgenäselt, wieder zu Psalmen oder gar Kuhreihen geraten würden" (Käsermann 1799,401). Nicht nur das Lied mußte wiederbelebt werden, auch andere traditionelle Formen der alpinen Musik bedurften einer Erneuerung, darunter ganz besonders das Alphorn, das zum Inbegriff des urtümlichen und freien Älplers werden sollte (Geiser 1876). In den Regionen des schweizerischen Hirtenlandes war das Alphorn seit dem Mittelalter bekannt. Es diente den Hirten als Signalinstrument und zur Unterhaltung. Schon die Humanisten hatten die beruhigende Wirkung des Alphorns auf das Vieh hervorgehoben. Im 17. und 18. Jahrhundert geriet das Instrument langsam in Vergessenheit. Die obrigkeitlichen Mandate hatten auch hier ihre Wirkung nicht verfehlt. Nun erfuhr aber gerade das Alphorn - zusammen mit den Kuhreihen - eine ausgiebige Würdigung in den Schriften der Aufklärer. Schon Bodmer hatte gehofft, in den Hirtentraditionen jene Musik zu finden „darinn die Stimme der Natur mit dem der eigenen Wohlredenheit spricht" (Geiger, 136). Jean Jacques Rousseau, der ja auch Musiker und Musikpublizist war, machte das Instrument in ganz Europa bekannt. Kaum jemand hatte dieses Instrument gehört, aber um so mehr wurde darüber geschrieben, besonders über seine unbeschreibliche Wirkung auf die Schweizer, die beim Hören des Alphorns in der Fremde das Heimweh nicht mehr ertragen konnten. Die politischen Umwälzungen der Revolution hatten auch in der Schweiz zu einer Belebung der Diskussion um die Volkskultur geführt. Ausgehend von den idealisierten Schilderungen der ländlichen Sitten und Gebräuche und in Anlehnung an die
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französischen Revolutionsfeste, hatte man auch in der Helvetischen Republik die Durchführung machtvoller patriotischer Demonstrationen geplant, in denen die Einheit und die Freiheit des ganzen Volkes hätte vor Augen geführt werden sollen. Unter der Helvetischen Republik (1798-1805) kam es nicht mehr zur Realisierung solcher Nationalfeste; die Schweiz war zu einem Kriegsschauplatz Europas geworden und darüber hinaus auch im Inneren derart zerrissen, daß sie kaum handlungsfähig war. Erst einige Jahre später, 1805, konnte an die Durchführung eines Festes gedacht werden, das sowohl Beschwörung der alten Hirtentradition wie auch Machtdemonstration des neuen Staates war. Der Berner Schultheiß Niklaus von Mülinen war die treibende Kraft für das erste „Schweizerische Hirtenfest", das am 17. August 1805 in Unspunnen stattfand. Das Fest in Unspunnen sollte den Bund zwischen Volk und Regierung neu besiegeln und das Bild eines geeinten Hirtenvolkes vor Augen führen. Die stadtbernischen Organisatoren erhofften sich eine machtvolle Demonstration des unverdorbenen Hirtentums, das den meist städtischen Besuchern, die aus allen Gegenden der Schweiz und Europas angereist waren, den Urtyp schweizerischen Wesens vor Augen führen sollte. „Zur Ehre des Alphorns" lautete die Devise, die auf die Erinnerungsmedaillen geprägt wurde, denn das Alphorn war einmal mehr zum eigentlichen Symbol der Älplerkultur erklärt worden. Das Fest unter freiem Himmel umfaßte Wettbewerbe für Schwinger, Schützen und Alphornbläser, musikalische Unterhaltung und Tanz. Als Hauptwettbewerb war natürlich der Alphornwettbewerb gedacht Sein Sieger sollte als „König des Festes" ausgerufen werden. Gerade hier erlebten aber die Organisatoren eine herbe Enttäuschung: aus der ganzen Schweiz nahmen nur zwei Alphornbläser am Hirtenfest teil; die Kunst des Alphornblasens war rapide im Verschwinden begriffen. Hier mußte etwas geschehen. Es war das Verdienst des Musiklehrers am Fellenbergischen Institut in Hofwyl, Ferdinand Früchtegott Huber (1791-1863), daß ein Neubeginn des Alphornspieles möglich wurde. Ihm gelang es, den Berner Schultheißen Nikolaus von Mülinen für die Idee einer Neubelebung des Alphornes zu begeistern. In seinen Memoiren erinnert sich Huber an den Auftrag, den er vom Schultheißen erhielt: „Herr Huber, sie blasen, wie ich vernommen habe, das Alphorn. Nim möchte ich gerne verhüten, dass dies schöne Nationalinstrument nicht ganz aus unseren Bergen und Tälern verschwände. Ich will ein halbes Dutzend neue machen lassen, wenn Sie sich damit befassen wollen ins Oberland zu gehen, dort sechs junge Leute auszusuchen und sie zu lehren, und dazu wäre Grindelwald, dünkt mich, der beste Ort" (zit. bei: Geiser, 1976, 7). In den Sommern 1826 und 1827 hielt Huber seinen „Alphornkurs" in Grindelwald ab; dieser Impuls gab dem Alphornspiel neuen Auftrieb, und aus dem urtümlichen Hirteninstrument war ein nicht mehr wegzudenkendes schweizerisches nationales Symbol geworden. Zwischen 1750 und 1810 fand also in der Schweiz die zielbewußte Rekonstruktion der Volksmusik und des Volksliedes statt. Noch vorhandene Spuren wurden systematisch aufgenommen und den Erwartungen der Aufklärer angepaßt. Im Namen der nationalen Tradition wurde mit der populären, kirchlich geprägten Musikkultur des Ancien régime radikal gebrochen.
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LITERATURHINWEISE
Einige wichtige Werke: SCHIRMER, Gustav: Die Schweiz im Spiegel englischer und amerikanischer Literatur bis 1848, Zürich 1929. - ZIEHEN, Eduard: Die deutsche Schweizerbegeisterung in den Jahren 1750-1815, Frankfurt 1922. - BERLINCOURT, Serge: La Suisse dans l'œuvre des grands poèts romantiques, Chateaubriand - Lamartine - Hugo, Courtelary 1926. - Β RANG, Peter: „Auch ich in Helvetien". Die Schweiz als Landschaft und als „geistige Landschaft" in slawischen Berichten und Gedichten, in: Verlust und Ursprung, Festschrift für Werner Weber, mit Beiträgen zum Thema „Et in Arcadia ego", Zürich 1989. - SCHALLER, MarieLouise: Die Schweiz - Arkadien im Herzen Europas, Zürich 1985. - WEISS, Richard: Das Alpenerlebnis in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, Zürich 1955. - RAYMOND, Petra: Literarische Entdeckung einer Landschaft: Die Romantisierung der Alpen. Diss. Münster 1986. - SEITZ, Gabriele: Wo Europa den Himmel berührt. Die Entdeckung der Alpen, München - Zürich 1987. - WEBER, Bruno: Die Alpen in der Malerei, Rosenheim 1981. - HAUPTMANN, William: La Suisse sublime vue per les peintres voyageurs 1770-1914, Mailand 1991. AESCHBACHER, Gerhard: Die Reformation und das kirchenmusikalische Leben im alten Bern, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 64/65 (1980/81), S. 225-247. ARX, Oskar von: Lavaters Schweizerlieder, Ölten 1897. BAUMANN, Max Peter: Musikfolklore und Musikfolklorismus. Eine ethnomusikologische Untersuchung zum Funktionswandel des Jodeins, Winterthur 1976 (Diss. phil. Bern). GEIGER, Paul: Volkshedinteresse und Volksliedforschung in der Schweiz vom Anfang des 18. Jahrhunderts bis zum Jahre 1851, Bern (Diss, phil.) 1911. GEISER, Brigitte: Das Alphorn in der Schweiz, Bern 1976. HEINZMANN, Johann Georg: Beschreibung der Stadt und Republik Bern, Bd. 1, Bern 1794. IM HOF, Ulrich, u. DE CAPITANI, François: Die Helvetische Gesellschaft - Spätaufklärung und Vorrevolution in der Schweiz, 2 Bde., Frauenfeld 1985. KÄSERMANN, Nikiaus: Beantwortung der Kiinstlerenquête 1799, Manuskript: Schweizerisches Bundesarchiv Bern, Helvetisches Archiv Bd. 1474. NEF, Albert: Das Lied in der deutschen Schweiz Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, Zürich 1909. TREVER ROPER, Hugh: The Invention of Tradition: The Highland Tradition of Scottland.
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Mozart, the Storaces and Opera in London 1787-1790
On 26 October 1790 the manager of the Pantheon Opera House in London wrote to Mozart inviting him to become house composer for the ensuing season at a salary of £300. The oft-quoted letter begins: "Par ime personne attachée à S.A.R. le Prince de Galles j'apprends votre dessein de faire un voyage en Angleterre" (Nottebohm, 1880, 67). What circumstances lay behind this famous invitation? More particularly, who was the person attached to the Prince of Wales who was apparently in touch with Mozart? Volkmar Braunbehrens has suggested this was Thomas Attwood, who had become a violinist in the prince's private band upon his return to London after studying composition with Mozart. Braunbehrens claims that the Prince of Wales "was actively involved in creating a wave of admiration for Mozart in England. Attwood was primarily engaged in securing commissions for operas and drawing up contracts with theater directors and impresarios"; the person attached to the Prince of Wales "can only have been Attwood" (Braunbehrens, 1991,287 ff.). I think a more likely candidate is the soprano Nancy Storace. Evidence has recently been discovered which shows that in 1790 "La Storace", as she was known, was closely involved with the Prince of Wales, who had a keen interest in the Pantheon Opera House. She made the hiring of Mozart a virtual condition for her own employment there (Price, 1989, 66 ff.). Close relationships with the high-born were not unknown to La Storace. She was a favourite of Emperor Joseph II, who helped her dissolve her disastrous marriage to John Abraham Fisher, and in 1787 she had been the constant companion of Lord Barnard, later Earl of Darlington, who accompanied her most of the way on the trip from Vienna back to London (Kelly, 1968, I, 260, 262, 274; Landon, 1989, 187). Her continuing loyalty to Mozart fits in neatly with the received idea that, since their return from Vienna in 1787, Nancy and her brother Stephen had been actively promoting his music, which was under-appreciated in England. But what exactly did the Storaces do to further Mozart's cause in London? How were they received at the King's Theatre? And, most important, why did London turn its back on Mozart's operas for another 20 years (the first to be staged there was La clemenza di Tito in 1806)? The retarn of the Storaces to their native land and the unanswered letter of 1790 have become mythologized as golden opportunities which Mozart failed to grasp during his final decline. But these events need to be seen in a broader context and from the London perspective. Despite years of financial and managerial chaos, the King's Theatre in the Haymarket was still Europe's premier Italian opera house, paying the highest salaries to the greatest singers and dancers of the age. Nevertheless, the Haymarket was simply one of several theatres on what might be called the "Italian opera circuit"—a system of peripatetic singers and repertory, moving round and round Europe from season to season. The network included as its principal stops La Scala, Milan, La Fenice in Venice (later), San Carlo in Naples, the theatres at Florence, Bologna, Turin and, as the farthest outposts of Italian culture, the Haymarket in Lon-
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don and the court theatre at St. Petersburg. Because the circuit existed primarily to promote opera seria, the Vienna Burgtheater was isolated from the mainstream; Mozart was not, therefore, able to compose for the first serious singers of the age, that is, the most esteemed and mostly highly paid. Nancy Storace, Francesco Benucci and Ferrarese del Bene are of abiding interest today because they happen to have created major roles in Mozart's operas, not because they were particularly prominent on the Italian opera circuit. A contract from the King's Theatre, Haymarket, was the most desirable of all Italian opera engagements and Nancy Storace, having received the offer brought from London to Vienna by her brother in late 1786 (Kelly, 1968,1, 262), would not have thought twice before accepting it. A second consideration affecting La Storace's return to England was the artistic crisis then facing the Italian opera establishment in London. Since 1778, when the wreckless playwright and politician Richard Brinsley Sheridan purchased the King's Theatre, the company had undergone a series of major financial upheavals, which climaxed with its bankruptcy in 1784. With the consent of the Court of Chancery, which acted as receivers, the theatre was managed by Giovanni Andrea Gallini, who had to operate under strict cash limits and other controls. Unfairly maligned by his contemporaries and even by modern historians, Gallini, who was a wealthy dancing master, attempted to affect a fundamental change in the artistic direction of the Italian opera in London. When he assumed the management in 1785, the popularity of Italian opera was at low ebb. Johann Christian Bach was dead and Sacchini had left London in 1782 having been accused of plagiarism. The relatively sophisticated harmonic and contrapuntal style of the older generation of opera composers, which included above all Piccinni, had been replaced by the vapid and rigidly periodic music of Cimarosa, Sarti and early Cherubini. By all accounts the King's Theatre was being sustained mainly by Gasparo Pacchierotti, the last great castrato, and by the new ballet d'action of Noverre. Although himself a former opera dancer, Gallini was no enthusiast of Noverre and the new style of narrative ballet. Instead, he set about almost single-handedly to reform Italian opera by injecting a degree of substance and sophistication into the repertory. This came mainly in the form of what might be called "Viennese" operas: works such as Paisiello's Π rè Teodoro in Venezia, Π barbiere di Siviglia (though written for Russia, it was immediately taken up in Vienna) and Martín y Soler's Una cosa rara (called La cosa rara in London). At the same time Gallini recruited singers from Vienna, although many of his principals continued to be engaged on the recommendation of Lord Cowper at Florence or through agents in Bologna (Gibson, 1987, 235 ff.). Another manifestation of Gallini's desire to deepen the quality of the Italian opera in London was his protracted effort to engage Haydn, even though he had probably never heard any of Haydn's operatic music. The later invitation to Mozart, although Gallini had nothing to do with it, is none the less a part of the attempt to raise the artistic standard of opera in London. Clearly, the aim was to have Mozart and Haydn as rival house composers during the 1790-91 season. To return to the earlier question about the Storaces' reception in London and their supposed role in promoting Mozart's music: Nancy took up her engagement on 24 April 1787, half-way through the 1786-87 season, at a salary of £550 (P.R.O. C38/ 754). She replaced the former prima buffa Anna Benini, who was to have received
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£600 for the full season (P.R.O. C107/201,12,17). Stephen Storace was appointed staff composer, assistant to the resident Joseph Mazzinghi. His salary is not known, but Gallini paid Stephen £63 for travelling to Vienna to acquire a score of Paisiello's Π rè Teodoro (P.R.O. C107/201, 27 May 1789, 9). His main duty was to help arrange pasticcios. During this first London season Stephen also conducted the comic opera Gli schiavi per Amore, a heavily adapted version of Paisiello's Le gare generose, brought out as a vehicle for his sister's London début as prima buffa. This opera includes no music by Mozart, but the opening ensemble of Act 1, "Quattro, cinque", is strikingly similiar in many respects to the first number of Le nozze di Figaro. Instead of measuring up, the principals are playing "all'oca", a dice game. The King's Theatre had mounted several operas during the 1780s in which Nancy Storace had appeared on the Continent: Cimarosa's Π pittore parigino (Milan 1782, London 1785); Sarti's Fra i due litiganti (Milan 1782 and Vienna 1784, London 1784 as I rivali delusi)·, Gazzaniga's Le vendemie (Venice 1782, London 1789 as La vendemmia); Paisiello's Π barbiere di Siviglia (Vienna 1784, London 1789); Paisiello's Π rè Teodoro (Vienna 1784, London 1788); and Paisiello's Le gare generose (Vienna 1786, London 1787). The next season (1787-88) was an outstanding success for both the Storace siblings. Nancy was promoted to prima buffa assoluta at a salary of £800, and sparkled in the roles of Lisetta in Π rè Teodoro and Madama Brillante in Cimarosa's La locandiera. A review of the performance of the former work on 12 January 1788 says that Storace "has baffled the efforts of the musicians to make her sing out of tune, quick or slow. As they fiddled, she modulated" (The London Stage, Part 5, 1034). Stephen continued to arrange pasticcios and was commissioned to write a new work, La cameriera astuta. Their conspicuous success is difficult to reconcile with a letter of 3 July 1787, in which Stephen bitterly complains of the great opposition his sister received from the Italians in London, "who consider it an infringement on their rights that any person should be able to sing that was not born in Italy" (GB: Lbl Add. MS 35,538). It is noteworthy that no Mozart was heard at the King's Theatre during this season. The 1788-89 season witnessed the reunion of Susanna and Figaro, as Francesco Benucci was engaged for the period 9 May-11 July 1789. Into the second act of an arrangement of Gazzaniga's La vendemmia was inserted their duet from Figaro, "Crudel, perchè finora", Mozart's first operatic music to be heard in London. From this single substitution has grown the idea that the Storaces were promoting Mozart's operas, even though Stephen was not involved in this production and the substitution could have been made at Benucci's request. By the way, Benucci was coolly received in London and was not re-engaged; English audiences much preferred the singing and acting of his rival Giovanni Morelli (Gibson, 1987,250). A clear indication that the Storaces were not the only advocates of Mozart in London is the February 1790 production of Fabrizi's I due castellani burlati, which involved neither Stephen nor Nancy. "Voi che sapete" was skillully introduced into Act 2, not simply as a substitute aria, rather it was woven into the drama of the finale itself. This opera also included what was almost certainly a parody of Zerlina's aria from Don Giovanni, "Pace, pace, bel mostaccio [ugly face], Non più guerra, Spagnoletto". I suspect that there is much more Mozart to be found in other London Italian operas of this season, hiding under similar parody texts. Yet for her benefit on 11 June
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1789, Nancy chose not a Mozart opera, which would have been her prerogative, but a sure-fire success, Paisiello's Π barbiere di Siviglia, this being its London première. The peak of La Storace's success in Italian opera in London came in the 1789-90 season. She received 200 guineas for ten appearances, and The Times (15 February 1790) reported that she was afforded a privilege granted to only the greatest singers in London: "full liberty as to the selection of her airs." She could therefore have insisted on singing nothing but Mozart, yet there was no appreciable increase in the amount of his music heard at the King's Theatre this season. The highest concentration of genuine Mozart is found in Federici's arrangement of Bianchi's La villanella rapita (February 1790). Presumably to accommodate La Storace's return as Mandina in yet another Count-and-Susanna relationship, the opera included "Deh viene" from Figaro, another parody of "Batti, batti", and the quartet "Dite almeno". But this last number was already a part of the opera, Mozart himself having introduced it as a substitution in the 1785 Vienna production of Bianchi's work. Against this background, the 1790 invitation to Mozart from the Pantheon seems less an unexpected sforzando than a natural consequence of the crescendo of interest in his operatic music which reached only mezzo forte. Haydn was already firmly engaged at the new King's Theatre in the Haymarket. But his last opera, L'anima del filosofo which he composed in London, could not be performed, because the Lord Chamberlain refused to grant the King's Theatre the necessary licence (Price, Milhous, Hume, 1991, 435 ff.). In fact, the Lord Chamberlain was a secret investor in the rival Pantheon (Price, 1989, 57 ff.). The Storaces were to play no role in the Pantheon experiment, which ended in bankruptcy and arson. Two seasons before, Stephen had left the King's Theatre to devote himself fully to the composition of English operas for Drury Lane, from which he could earn far more money than any composer of Italian opera, whether in London or on the Continent. Nancy's equivocation over the direction of her career is more puzzling. She too had been active and successful in English opera and was stand-offish about the Pantheon's repeated attempts to engage her as prima buffa. As we have seen, one of her conditions of employment was that Mozart be engaged as house composer. This never happened, and she pursued her career almost exclusively in the English-language theatres. When Nancy and her brother returned for one last season of Italian opera at the King's Theatre in 1793, they performed only in works by Sarti and Paisiello. The failure to bring Mozart to London in 1790, the effective ban on Haydn's last opera L'anima del filosofo because of theatrical in-fighting involving the Prince of Wales and the Lord Chamberlain, the return to the easy works of Paisiello and Cimarosa, all this marked a turning point in the development of English musical taste, at least as regards the love-hate relationship with Italian opera. The foundations of reform which had been laid by Gallini were washed away by a safe, tuneful repertory and continuing infatuation with superstars such as Pacchierotti and Madame Mara. By the time Da Ponte and Martín y Soler arrived in London from Vienna, easy mediocrity had triumphed. The brilliance of the 1780s was gone, and there was nothing Nancy Storace could or would do to recover it.
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BIBLIOGRAPHY BRAUNBEHRENS,
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Henri Vanhulst
Aspects de l'organisation de la vie musicale à Bruxelles au cours de la seconde moitié du XVIIIe siècle
Arrivé depuis une dizaine de jours à Bruxelles avec sa femme et ses enfants, Léopold Mozart écrit le 17 octobre 1763 une première lettre à Lorenz Hagenauer, dans laquelle il affirme: «les gens sont ici, et plus particulièrement envers les étrangers, le peuple le plus méchant du monde» (Bauer/Deutsch 1962, 105; Geffray 1986, 56). Si cette remarque acerbe est liée à l'incident de voyage survenu entre Liège et Tirlemont qui a retardé la famille Mozart et l'a obligée à déjeuner dans un endroit déplaisant, leur séjour bruxellois ne se déroule guère de manière plus agréable. Pressé d'arriver à Paris, le père espère que ses enfants pourront se produire rapidement devant Charles de Lorraine, le gouverneur des Pays-Bas autrichiens, qui lui a exprimé le souhait de les entendre. Les choses traînent cependant et Léopold en est manifestement irrité car il est obligé d'attendre le bon vouloir du prince qu'il craint de froisser en fixant seul la date du concert de Wolfgang et de sa sœur. Bien que les Mozart soient pour cette raison amenés à prolonger leur séjour, Léopold ignore presque totalement la vie musicale bruxelloise dans ses lettres. Il y consacre à peine une phrase, lorsqu'il écrit le 4 novembre au même destinataire: «Aujourd'hui il y a bal public en maschera au théâtre; comme étrangers, nous nous y rendrons sans maschera» (Bauer/Deutsch 1962, 109; Geffray 1986, 59). Une telle discrétion contraste avec les informations détaillées que Léopold donne à propos des tableaux et autres objets d'art qui ornent les églises, ou sur le luxe des appartements du gouverneur qui l'a visiblement ébloui (Bauer/Deutsch 1962,106-107; Geffray 1986, 56-57). Dans le partie relative à Bruxelles de ses notes de voyage figurent pourtant quelques noms de musiciens (Bauer/Deutsch 1962, 110: «Mr van Maltere trois frères, et Mr Vicedom Musiciens» et «Mr: Schwindel Virtuoso di Violino»), mais rien n'indique qu'il ait eu des contacts avec eux. Léopold avait peut-être l'intention d'évoquer ces sujets lorsqu'il raconterait à Hagenauer la prestation de ses enfants devant le gouverneur, mais celle-ci ne paraît guère avoir suscité d'enthousiasme, puisque dans la lettre qu'il lui écrit le 8 décembre de Paris - soit un mois après l'événement - il expédie en quelques mots «le grand concert (...) auquel assista le prince Karl» (Bauer/Deutsch 1962,113; Geffray 1986, 59. Il est aussi possible que Léopold parle plus longuement du concert dans sa lettre du 1 er décembre, qui est perdue, si bien qu'il se contente dans la suivante de rappeler l'événement.). Etant donné qu'il omet également de signaler que Wolfgang a profité de ce séjour prolongé pour composer une sonate pour le clavecin - Wolfgang en fera ultérieurement à Paris la Sonate pour clavecin et violon en ut majeur, K.V. 6. Cette œuvre reçoit plus bien d'attention qu'elle n'en mérite dans de Haas/Smets 1990,130-131 («La Sonate Bruxelloise») -, alors qu'il a fait précédemment allusion aux cadeaux reçus par ses enfants (Bauer/Deutsch 1962, 108; Geffray 1986, 58), on pourrait aussi penser qu'il est tellement obnubilé par la perspective de succès parisiens que l'épisode bruxellois lui semble dénué d'importance.
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Au silence de Léopold, il faut opposer le témoignage de Ch. Burney qui parcourt les Pays-Bas autrichiens en 1772 et laisse un compte rendu circonstancié de la vie musicale à Bruxelles (Burney 1775, Vol. I, 22-28 et 49-61). Vers 1763, celle-ci est encore fortement axée sur la cour mais la situation change peu à peu, comme nous allons le démontrer en évoquant brièvement quelques aspects de cette évolution. Le processus s'accélère après la Révolution brabançonne ' de 1789, qui aboutira à l'éphémère indépendance des Etats Belgiques Unis et dont l'échec politique ne doit nullement occulter les conséquences importantes qui en ont résulté pour l'organisation de la vie musicale. La création de la Société philharmonique de Bruxelles en 1793 nous semble dans ce contexte une manifestation particulièrement révélatrice, à en juger d'après les Statuts et réglemeos. Lorsque Henri-Jacques De Croes est en 1749 nommé maître de la Chapelle royale, celle-ci comprend des enfants de chœur, six chanteurs et un orchestre de douze musiciens à côté de deux organistes (Clercx 1940, 6-7, donne la composition de la Chapelle en 1744, lorsqu'elle est encore dirigée par J.-J. Fiocco). En 1783, De Croes, qui avait rapidement obtenu trois chanteurs supplémentaires, dresse et commente la Liste des services qui ce [sic] célèbrent pendant tous les ans à la chapelle royale de la Cour (Clercx 1940, 13-15). Il y insiste longuement sur les différents types d'offices liturgiques, qu'il divise en cinq groupes, allant du Te Deum solennel à l'office le plus simple pour lequel on se contente essentiellement du chant grégorien. Bien que l'interprétation de musique d'église semble la tâche principale de la Chapelle, il va de soi que les musiciens doivent également «se rendre aux concerts de table, concerts de chambre et autres endroits où Leurs Altesses Roïales trouvent bon de les employer» (Clercx 1940,13, note 2). L'orchestre dont fait partie le violoniste Pierre Van Maldere - cité dans le carnet de Léopold - est en outre tenu de participer aux opéras que l'on représente à la cour. Il y a en effet un théâtre au Palais de Bruxelles et même dans les autres résidences du gouverneur. Des considérations financières vont dès 1755 modifier graduellement le statut de la Chapelle royale et en 1783 ses membres cessent de faire partie de la maison princière; ils seront désormais payés à la prestation, de sorte qu'ils sont obligés de trouver ailleurs un emploi d'appoint. Ainsi le compositeur d'origine autrichienne Ignace Vitzthumb reste chef d'orchestre à la Monnaie quand il succède en 1786 à De Croes comme maître de la Chapelle. Son acte de nomination stipule les rémunérations auxquelles il aura droit en échange des multiples charges qui lui incombent. Celles-ci comprennent outre les services religieux, la copie de musique (à confier à un tiers) et l'instruction des enfants de chœur; quant aux «concerts, fêtes et bals», ils sont à peine cités dans le document (Vander Straeten 1872, vol. II, 232-233). L'exercice d'une telle fonction n'empêchera nullement Vitzthumb, un franc-maçon manifestement convaincu des idéaux de l'ordre, de prendre très activement part à la Révolution brabançonne. Dès le rétablissement de l'ancien pouvoir, il sera évidemment révoqué, mais la Chapelle ne survivra pas aux événements politiques. Si l'on essaie de définir le répertoire de la Chapelle royale, les documents d'archives nous en révèlent seulement les grandes orientations. Ils nous apprennent, par exemple, que le gouverneur «ne voulait plus entendre toute cette vieille musique que feue la sérénissime archiduchesse Marie-Elisabeth avait fait venir de Vienne»
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(Vander Straeten 1880, vol. V, 200). De Croes doit dès lors soit composer lui-même de la musique soit en acheter et entre 1763 et 1773, il acquiert sept partitions imprimées ou manuscrites qui font la part belle aux compositeurs étrangers. Nous savons par ailleurs que Charles de Lorraine fait «remettre de la musique apportée de Presbourg» à son maître de chapelle et celui-ci souligne qu'«elle est composée de la dernière difficulté», tout en affirmant que ses musiciens sont capables de l'exécuter à vue (Clercx 1940,14). S'il est normal que les goûts du gouverneur déterminent le répertoire de la Chapelle, il est tout aussi clair que la production des compositeurs locaux n'y occupe qu'une place secondaire. Etant donné que collégiale des Saints-Michel-et-Gudule est alors l'église la plus importante de Bruxelles, c'est en général là que tout événement heureux ou malheureux qui se produit à la cour - tant à Bruxelles qu'à Vienne - donne lieu à un office approprié. Ce n'est pourtant pas pour cette raison que l'église mérite l'attention, mais parce que les maîtres de chapelle et autres musiciens qui y ont travaillé laissent une collection très importante de quelque 525 manuscrits du XVIIIe siècle. Ce fonds - dit de Sainte-Gudule - qui se trouve aujourd'hui pour sa plus grande partie au Conservatoire de Bruxelles (les partitions retrouvées plus récemment font cependant partie des collections de la Bibliothèque Royale; cf. Huys 1987), a été constitué grâce à un chanoine mélomane, J.-B. Van den Boom (de Ridder 1983; voir aussi Wangermée 1950). En 1736, le chapitre de la collégiale l'élit à la fonction de chantre, de sorte qu'il est amené à rassembler de nombreux manuscrits, à copier lui-même de la musique et à commander des œuvres. En outre, il fait plusieurs dons à la fabrique d'église et en avril 1769, soit huit mois avant sa mort, il établit encore ime fondation de 1000 florins dont les intérêts seront affectés à la conservation des instruments de musique et les manuscrits. Alors que pendant le premier demi-siècle de l'existence de la Monnaie (cf. Isnardon 1890, qui reste la meilleure étude sur l'histoire du théâtre jusqu'à la fin du XIXe siècle), l'histoire de ce théâtre avait été assez mouvementée, la période correspondant au gouvernement de Charles de Lorraine est beaucoup plus calme et assez prospère. Le répertoire comprend tant du théâtre parlé que des œuvres lyriques, parmi lesquelles la production française prédomine. En 1771, Vitzthumb et un associé obtiennent un octroi de 10 ans pour l'exploitation de la Monnaie. Ils augmentent les effectifs de l'orchestre, dont ils confient la direction à Van Maldere, et engagent quelques artistes de premier plan. Ils s'emploient aussi à renouveler le répertoire dans lequel ils font une large place à Grétry. Malgré tous ces efforts, les directeurs connaissent rapidement des problèmes financiers, mais il importe davantage de retenir que la programmation n'accueille les compositeurs locaux que pour l'une ou l'autre œuvre de circonstance, dont la musique est d'ailleurs souvent perdue. La Confrérie des musiciens instrumentistes de Bruxelles, dite la Confrérie de saint Job, est depuis le début du XVIIIe siècle en déclin à cause de la concurrence que lui font les spectacles et les bals qui sont régulièrement organisés dans la ville. Les documents d'archives conservés concernent surtout les procès que la Confrérie intente à des joueurs d'instruments ou des maîtres de danse qui se livrent à des activités dont l'exercice est réservé à ses membres. En 1756, elle fait ainsi signifier au maître de danse de la cour l'interdiction «d'apprendre à danser et figurer dans les maisons des bourgeois et particuliers de la ville» (Cuvelier 1946, 53). Tout en obtenant souvent
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gain de cause dans ses procès, la Confrérie en sort chaque fois un peu plus affaiblie car ces actions en justice l'obligent à s'endetter. Plus encore que dans les autres villes, une telle corporation est à Bruxelles tout à fait dépassée à cause de l'évolution même de la vie musicale. *
Au cours de la seconde moitié du XVIIIe siècle, l'édition musicale et son corollaire, le commerce des partitions, se développent de manière considérable dans les Pays-Bas autrichiens, notamment à Bruxelles (cf. le chapitre «L'édition musicale» que nous avons écrit en collaboration avec P. Raspé dans Wangermée/Mercier 1980, 293-305), et ces facteurs contribuent à assurer aux compositeurs une relative indépendance vis-à-vis de leurs employeurs. Les firmes de Jean-Joseph Boucherie et, à partir de 1775, des frères Pierre-Joseph et Philippe-Henri Van Ypen, qui seront successivement associés à Salomon Pris et à Paul Mechtler, contribuent non seulement à la diffusion de la musique imprimée dans d'autres villes, et en particulier à Paris, mais publient un grand nombre d'oeuvres de compositeurs locaux. Quelques-uns parmi ceux-ci préfèrent néanmoins se faire éditer à Paris. C'est, par exemple, le cas pour l'organiste anversois Pierre-Joseph Van Den Bosch dont les opera II à VI sont publiés par Le Menu. On a conservé la liste des souscripteurs à ses Six suites pour le clavecin, op. IV et à ses Quatre sonates, op. V - il s'agit dans les deux cas d'une feuille volante glissée dans la partition; nous utilisons l'exemplaire de la Bibliothèque du Conservatoire de Bruxelles - et il est assez étonnant qu'aucun d'entre eux ne réside en France. Si la réputation du compositeur ne dépasse guère les frontières des PaysBas autrichiens, sa musique attire manifestement de nombreux amateurs locaux - et amatrices, pour reprendre le terme ajouté derrière plusieurs Noms des souscrivons et il est évident que le compositeur n'a jamais dû oublier les goûts de cette clientèle. Van Maldere, que nous avons déjà cité à plusieurs reprises, est sans doute le compositeur bruxellois qui s'est le plus efforcé de faire connaître ses œuvres à l'étranger. Il nous reste non seulement plusieurs éditions réalisées par des firmes de Paris et de Londres mais ce musicien a également profité d'un séjour prolongé en Irlande pour lancer en 1752 dans Faulkner's Dublin Journal une souscription pour une collection de «six Sonatas for two Fiddles, and a Thorough Bass ...», avant de faire jouer en 1756 son opéra-comique Le déguisement pastoral à Schönbrunn (Van Rompaey 1986,17 et 126). Si Léopold Mozart a tergiversé avant d'organiser un concert à Bruxelles, d'autres artistes de passage n'ont apparemment pas ressenti de tels scrupules, même avant 1763. Ils ne semblent pas avoir été beaucoup plus nombreux que les musiciens locaux qui se sont produits à l'étranger et parmi ces derniers on doit de nouveau mentionner Van Maldere, qui exécute en 1754 un concerto pour violon de sa composition à Paris aux Concerts spirituels (Van Rompaey 1986,139-140). Moins marginales sont incontestablement plusieurs initiatives qui visent à créer ime société de concerts. En 1756, Charles de Lorraine autorise un groupe de citoyens qui s'était constitué deux ans plus tôt sous le nom de Concert bourgeois, à organiser des concerts dans une salle qui est propriété publique. Le 24 avril 1768, Ch.-J. Van Helmont fonde une autre société dont on a conservé le règlement manuscrit (Bruxelles, Archives de
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la Ville, fonds Pergamini n° 3116). Le document n'est pas d'un grand intérêt, mais on note quand même l'absence de toute référence aux autorités: l'idée émane d'un petit groupe de particuliers. Au moment de sa création, la Société possède trois pupitres et sept bancs destinés aux musiciens - quatre pour les premiers et les seconds violons, un pour les hautbois, un pour les cors de chasse, la destination du septième n'étant pas spécifié. Peu après, on fait l'acquisition d'une première œuvre musicale, une Symphonie de Gossec. Quant au Concert noble, il semble la contination d'une Académie de musique qui existe déjà en 1749. Faut-il préciser que la dénomination choisie pour ces deux sociétés reflète sans doute le statut social de leurs membres? Nous n'avons guère de renseignements sur les activités de ces premières sociétés car la presse de l'époque en parle seulement à l'occasion de la présence du gouverneur à un concert: c'est uniquement de l'événement mondain dont il est rendu compte et la musique est passée sous silence. Grâce à des documents d'archives, nous savons quand même que Ferdinand Staes a obtenu un grand succès «tant au Concert bourgeois qu'à l'Académie de musique» (Vander Straeten 1878, vol. IV, 340) et que Philippe Doudelet a été le directeur musical des Concerts noble et bourgeois (Vander Straeten 1872, vol. II, 234, note 1). Lorsque dix-sept personnes créent le 22 novembre 1793 - jour de sainte Cécile et le choix de la date n'est pas un hasard - la Société philharmonique de Bruxelles, on pourrait croire que cette nouvelle initiative ne se distingue guère des précédentes. Il n'en est pourtant rien et les Statuts et réglemens, que les fondateurs ont pris soin de faire imprimer - il en subsiste un exemplaire à la Bibliothèque Royale à Bruxelles sont explicites sur ce point. S'il est impossible de citer in extenso ce document qui fait huit pages, nous en extrayons les passages les plus révélateurs. Article VI. [...] L'administration est provisionnellement chargée de faire la recherche d'un emplacement qui remplisse, jusqu'à nouvelle disposition, l'intention de l'institution, c'est-à-dire qui soit de nature à ce que les Membres de la Société puissent s'y rassembler tous les jours pour y faire de la musique entre eux [...]. Article VII. Le but de cet établissement n'étant incontestablement rien autre que de procurer des moyens de cultiver l'art de la Musique, il sera destiné un jour par semaine pour être employé à l'exécution des morceaux de musique de toute espece, bien entendu qu'il n'y aura que les Membres de la Société qui pourront être de ces petits Concerts, à moins que l'exécution de l'un ou de l'autre des morceaux n'exige le concours de personnes étrangères à la Société: celles-ci pourront, dans ce cas seulement y être admises [...]. Si les fonds de la Société sont suffisans, on pourra aussi de tems à autre donner un grand Concert public dans une salle de la ville propre à cet usage, & les Membres auront à distribuer, dans ces cas-là, un certain nombre de billets d'entrée, qui sera proportionné à la grandeur du local où se donnera le Concert, & à la quantité de Membres dont sera composée la Société à l'époque du Concert. Les Artistes, passant par cette ville & jouissant d'une réputation méritée, pourront aussi être admis aux petits Concerts dont il est parlé au présent article, & y faire preuve de leur talent, après toutefois que les Administrateurs de la musique, auxquels ils devront avant tout être présentés par un des Membres, l'auront trouvé convenir.
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Article VIII. Les Membres de la Société qui font profession de la musique, seront tenus de se prêter avez zele & bonne volonté, lorsqu'ils en seront requis par qui il appartiendra, pour que le contenu de l'article précédent qui les regarde n'éprouve aucune entrave, & ce sans pouvoir jamais de ce chef prétendre la moindre rétribution. Ceux des Membres qui, sans être professeurs, sont assez avancés pour remplir avec succès leur partie, sont également tenus de concourir, lorsqu'ils en seront pareillement requis, au bien-être de l'établissement pour le même objet, & les uns & les autres s'engagent ici bien formellement d'assister avec exactitude aux répétitions des Concerts publics & à leur exécution. L'emplacement & le jour de chaque grand Concert public seront arrêtés à la pluralité des voix dans une assemblée générale. Si parmi les Membres de la Société il y en a qui soient en possession de direction d'orchestre, soit du spectacle ou de Concerts, ils conserveront la direction de l'orchestre, lorsque le Concert se donnera dans l'emplacement où ils sont établis directeurs. Si les Concerts se donnent dans un local où aucun de ces Membres n'ait encore dirigé d'orchestre, il sera décidé par voie de scrutin dans une assemblée générale, lequel de ces Membres, déjà directeur d'orchestre, sera chargé de la direction, & elle sera confiée à celui qui réunira le plus de voix. Dans le cas d'un partage égal de voix, ce sera le Président qui décidera la question, en donnant, dans ce cas-là, deux voix. Article XIV. Tous les ans il sera donné, le jour de Ste. Cécile, si la chose est faisable, une fête plus ou moins brillante, suivant les fonds qui se trouveront en caisse. Cette fête, qui devra nécessairement commencer par ime messe solemnelle, pourra être suivie d'un dîner, d'un concert & d'un bal, à donner tels jours que la Société désignera. Article XV. Chaque membre pourra conduire aux fêtes de la Société autant de personnes qu'il sera convenu, & que le local en pourra contenir; mais il sera tenu d'annoncer par écrit, huit jours d'avance, à l'Administration quelles sont ces personnes. Ces articles démontrent dans quelle mesure la Société philharmonique s'éloigne des sociétés de concerts précédentes. Certes, le premier objectif est d'offrir aux membres l'occasion de faire ensemble de la musique, mais la longueur même des paragraphes consacrés aux concerts révèle que les initiateurs veulent aller plus loin. On ne pense pas seulement à des séances hebdomadaires dont l'accès est réservé aux seuls membres, mais on évoque l'éventualité de concerts publics et la probable participation de musiciens de passage. La réussite du projet repose entièrement sur les musiciens professionnels - le chef d'orchestre y compris - et amateurs avancés qui sont membres de la Société, mais on n'envisage pas encore de les rémunérer pour leur participation active aux concerts ni à organiser la vente des billets d'entrée. L'absence de toute référence à une autorité quelle qu'elle soit est très significative: d'après l'article IX, la société est dirigée par sept de ses membres, qui sont élus pour unan, à l'exception du président dont le mandat est limité à une période de six mois, quoique renouvelable. Ce comité, qui est chaque année renouvelé à moitié, a tous les pouvoirs et n'est responsable que devant l'assemblée générale de la Société. A côté de la structure démocratique, il faut aussi souligner que les initiateurs du
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projet demandent un droit d'adhésion à la Société, dont le montant doit augmenter de mois en mois mais la somme est plafonnée car sinon elle «pourroit devenir un obstacle à ce que bien des personnes, faites à tous égards d'ailleurs pour figurer honorablement dans la Société, s'y fissent présenter» (article V). L'idée est originale: elle doit inciter les personnes susceptibles de devenir membres à adhérer au plus tôt et limite en même temps la somme en question à un montant qui semble manifestement modique aux fondateurs. Si nous ne possédons guère d'autres renseignements au sujet de la Société philharmonique dont nous connaissons mieux l'histoire à partir 1822, la documentation n'est pas plus riche à propos des débuts de la Société des Amateurs de musique et de la Société du Grand Concert, qui sont fondées respectivement en 1794 et 1799, puisqu'il nous reste seulement quelques programmes. Nous connaissons ainsi pour la première celui du concert du 24 nivôse an 6 (13 janvier 1798). Comme il porte le numéro 55, on peut en déduire que cette Société a déployé une importante activité au cours des premières années de son existence. Quant à la seconde, elle est créée par le compositeur Jean-Englebert Pauwels, qui dirige depuis 1794 l'orchestre de la Monnaie. Devenu propriétaire de la salle du Concert noble, il y organise de janvier à décembre 1799 huit concerts et le Grand Concert acquiert en peu de temps ime excellente réputation. (Nous avons évoqué la place de la musique de Mozart dans les programmes de ces sociétés dans la communication que nous avons présentée au colloque «L'Europe des communications à l'époque de Mozart», Strasbourg, octobre 1991.) Ces sociétés se maintiendront avec plus ou moins de bonheur au cours des premières décennies du XIXe siècle pendant lesquelles on assiste à d'autres initiatives du même genre. La création des concerts du Conservatoire en 1833 entraînera rapidement sinon leur disparition, du moins leur déclin. En même temps que les institutions traditionnelles, telles que la Chapelle royale, déclinent notamment parce qu'elles coûtent cher aux gouvernants et qu'elles ne sont nullement des centres de création, la vie musicale bruxelloise évolue dans de nouvelles directions. Tout comme Mozart, certains musiciens des Pays-Bas autrichiens cherchent à se libérer de l'autorité de leurs employeurs en publiant leurs compositions ou en se produisant à l'étranger. L'apparition de sociétés de concerts qui sont organisées de manière démocratique, démontre que la musique s'affranchit de son asservissement au pouvoir qu'elle était jusqu'alors censée glorifier; elle va dorénavant rassembler les membres d'une même classe sociale. Plus que dans toute autre ville, c'est à Bruxelles que la vie politique et la vie musicale seront ensuite intimement liée car la Révolution de 1830 y éclatera après une représentation de La Muette de Portici à la Monnaie.
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Tomislav Volek
Italienische Oper in Prag im 18. Jahrhundert
Im Einklang mit unserem Generalthema werde ich mich in meinem Referat auf die Frage der Bedeutung der Prager - sozusagen - Filiale der italienischen Musikkultur für Mozart konzentrieren. In der deutschsprachigen Musikhistoriographie nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Musikgeschichte Europas sehr oft aus der Perspektive gesehen, die unter anderen Walter Wiora geprägt hatte. Das Wort Europa wollte er nur im geographischen Sinne verstehen, und für die Welt des europäischen Geistes benutzte er die Bezeichnung „Abendland". Der Rest Europas, der - nach Wiora - keine Kreativität des Geistes leistete und auch auf dem Felde der Künste nur rezipierend war, das waren für Wiora sogenannte Randgebiete. Auf diese Weise wurde auch Prag aus der Landkarte des Geistes wegmanipuliert. Vor 28 Jahren, bei einem Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft in Salzburg, habe ich zum erstenmal gegen eine solche Auffassung der Kulturgeschichte Europas argumentiert (Volek 1964), und es ist für mich eine große Freude, bei dieser Konferenz eine ganz andere Denkungsart, Terminologie und Interpretation der europäischen Kulturphänomene zu registrieren. Wenn ich die Geschichte der italienischen Oper in Prag studiere, habe ich nie das Gefühl, daß ich mich in einem kulturellen Randgebiet befinde (Volek 1990 u. 1991). Ganz im Gegenteil, mit den Prager Uraufführungen der Opern von A. Vivaldi (Volek/ Skalická 1967), Ch. W. Gluck - er führte in Prag als Dirigent der Locatelli-Gesellschaft zum erstenmal seinen Ezio (1750) und Issipile (1752) auf -, W. A. Mozart und anderen bin ich mit den genannten Autoren und dem Prager Publikum in einem der wichtigen Kulturzentren der europäischen Kulturgeschichte. Mehr noch: diese Prager Oper des 18. Jahrhunderts stellt ein ganz einzigartiges Modell der städtischen Opernkultur der damaligen Zeit dar. Als Kulturinstitution ist sie ein Original, keine Kopie, so wie die Stadt Prag der damaligen Zeit ein Original ist und keine Kopie. Auch Dank dieser Einmaligkeit der Präger Oper konnte eines Tages die „Oper aller Opern", Mozarts „Don Giovannikomponiert werden... Bis zum Jahre 1724 waren alle Versuche, in Prag die Oper zu spielen, nur disparate Einzelfälle, ohne Kontinuität. In dem genannten Jahr kam nach Prag - bestellt und bezahlt vom Grafen Franz Anton Sporck - eine italienische Operngesellschaft aus Venedig. Sie war so zahlreich, daß sich nach einigen Monaten eine Gruppe abspalten konnte, die unter der Leitung des Impresarios Antonio Peruzzi und des Kapellmeisters Antonio Bioni nach Breslau ging und 1725 dort eine lokale Operntradition stiftete. Für die Weiterentwicklung der Oper in Prag war die Person des Grafen Sporck, eines reichen Sonderlings aus den Reihen des neuen Adels, äußerst wichtig. Einen besseren Mäzen konnte sich der Impresario nicht wünschen: Sporck interessierte sich nämlich überhaupt nicht um diese Kunstgattung, Sprechtheater war ihm viel näher und wichtiger. Die Oper war für ihn nur eine Prestigesache, eine weitere Gelegenheit,
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die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf seine Person zu lenken. Das hatte für die Oper sehr gute Folgen: Nicht der Herrscher, nicht der Hof, nicht der Mäzen, sondern der Impresario und das Publikum waren die „decision-makers", was das Repertoire der Prager Opernbühne betrifft. Das Publikum muß man in diesem Zusammenhang als eine der entscheidendsten Kräfte auch deswegen nennen, weil es sehr zahlreich war: Die Prager Opernbühne war nämlich seit der Sporckschen Zeit der breiten Öffentlichkeit, das heißt auch dem zahlenden Zuschauer aus den bürgerlichen und unteren Gesellschaftsschichten zugänglich. Und so blieb es auch nach dem Ableben Sporcks, als sich die Stadt - mit Hilfe einiger Adeligen - ein neues Operntheater baute, das sogenannte Kotzentheater, das vom Jahre 1739 bis zur Eröffnung des Nostitztheaters im April 1783 allen Schichten der Prager Bevölkerung diente. Mit der Ausnahme des Hamburger Theaters - das aber in den dreißiger Jahren liquidiert wurde - war die Prager Opernbühne die einzige öffentlich zugängliche im mitteleuropäischen Raum nördlich der Alpen, die italienische Oper spielte. Dabei wurde die italienische Oper bis zur Mozartzeit die Hauptattraktion des Prager Gesellschaftslebens. ökonomisch hat man zwar den Prager Impresario nicht gerade verwöhnt, er konnte mit keiner Subvention rechnen und mußte der Stadtverwaltung jährlich eine ziemlich hohe Miete zahlen, aber auch das hatte gute Folgen: Der Impresario mußte viel mehr Vorstellungen geben als anderswo. In einem Hoftheater wurde eine neu einstudierte Oper nur selten mehr als viermal, fünfmal gespielt In Prag wurden 20 Vorstellungen einer Oper keine Seltenheit, weil die Zahl der Interessenten wirklich hoch war. Auch deswegen hatte Prag - diese politische Provinz damaliger Zeit - für die italienischen Impresari große Anziehungskraft. Im Jahre 1762 machte Gaetano Molin ari sogar den Versuch, eine zweite Opernbühne in Prag, auf der Kleinseite, zu stiften. Aber die Repräsentanten der Altstadt wandten sich an Maria Theresia mit der Bitte, sie möge solches Unternehmen nicht gestatten, „inmassen die Präger Städte nicht so populos seyn" (Teuber 1883, S. 108). In die Reihe der Unterschiede zwischen dem Typus der Prager öffentlichen Opernbühne und den Hofopern in Wien, Dresden, Potsdam, München etc. gehört natürlich das Repertoire. Jedes Hoftheater wurde durch viele Repräsentationspflichten, aber auch durch Zensuraufsicht und verschiedene Eingriffe des Hofes belastet. Bis in die zweite Jahrhunderthälfte dominierte auf den Hofbühnen die Opera seria. An der Prager Bühne siedelte sich aber gleich im ersten Jahrzehnt ihrer Existenz auch die komische Oper an. Schon im Jahr 1727 führte der Prager Impresario eine Oper, offenbar ein Pasticcio, für das er selbst das Libretto schrieb, „Π confronto dell'amor coniugale" auf, in der die komische Figur der Kaiser ist, der römische Kaiser Caligula, der sich nach einem ihm angebotenen Liebestrunk in den Mond verliebt und dann auf der Szene verschiedene Dummheiten begeht (frisiert sich mit einem Ast usw.). Die Umstände der Uraufführung der ersten Prager Oper über das Don-JuanThema sind allerdings das beste Beispiel für das erstaunlich Uberale Verhältnis der Prager Administration zur Oper. Es geschah im Jahre 1730: Der damalige Prager Impresario Anton Denzio „schmuggelte" - mit Bewilligung der Statthalterei und des Erzbischofs (!) - auf die Bühne in der Fastenzeit (!!), also der Zeit, in der in der ganzen Monarchie der Opernbetrieb untersagt wurde, eine Oper über den großen Verführer der Frauen. Es genügte, das Stück im Libretto als „rappresentatione morale" zu bezeichnen und am Schluße des Stückes eine Szene mit Don Giovanni in der
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Tomislav Volek
Hölle, wo er in einem Rezitativ den Zuschauern eine rechtzeitige Buße empfiehlt, beizufügen. Allerdings über das Libretto dieser Oper La pravita castigata, deren Aufführung in Brünn 1734 er behandelt (die Prager Uraufführung blieb ihm unbekannt), sagt Stefan Kunze in seinem Buch Don Giovanni vor Mozart, daß „das Burleske, Romische, insbesondere das Verhältnis von Don Giovanni - Malorco schon ganz im Sinne der Buffa in den Vordergrund rückt" (Kunze 1972, S. 28; s. Volek 1991, S. 26 f.). Die achtzigjährige Geschichte der Prager italienischen Oper zeichnet sich durch eine besondere Symmetrie aus. Sie spielte sich in drei Theatern nacheinander ab: zunächst im Sporckschen-, dann im Kotzen- und zuletzt im Nostitztheater. Jedes von ihnen hatte eine Don-Giovanni-Oper uraufgeführt, und jedes hatte einen besonders beliebten Autor. Im Sporckschen Theater war es Antonio Vivaldi, im Kotzentheater Baidassare Galuppi, der allerdings mit seinen 19 Opern in 27 Inszenierungen im Kotzentheater ein Champion der ganzen Prager Opernhistorie ist (Volek 1992), und im Nostitztheater dominierte Mozart. Die Rolle der Prager Oper und des Prager Opernpublikums im Leben und Schaffen Mozarts wird in der Mozartliteratur - allgemein gesagt - bisher nicht entsprechend behandelt. Es muß auch während diesem unseren kulturhistorischen Gespräch gesagt werden, daß die großen Unterschiede zwischen dem in Wien praktizierten Typus der Hofoper und dem Prager Typus der öffentlichen städtischen Opernszene auch zur Folge hatten, daß das Publikum in Prag anders war als in Wien. Während man in Wien erst Mitte der sechziger Jahre des 18. Jahrhunderts damit begann, auch dem zahlenden Zuschauer aus den bürgerlichen und unteren Gesellschaftsschichten Einlaß in die Oper zu gewähren, so war Prag in dieser Richtung - damals! - um vier Jahrzehnte voraus. Vor Mozarts Ankunft gab es in Prag ein größeres Opernpublikum als in der Kaisermetropole - deswegen war auch das neue Nostitztheater größer als das Wiener Burgtheater -, und es war um zwei Zuschauergenerationen älter, das heißt auch erfahrener. Und es war ein sehr gut informiertes Publikum, denn die erfolgreichen italienischen Opernneuheiten gelangten durchschnittlich im Verlauf von zwei bis drei Jahren an die Prager Bühne, manchmal sogar in einigen Monaten. Von der Anziehungskraft des liberal geleiteten Prager Opernhauses in jener Zeit zeugt auch die Tatsache, daß diese Provinzbühne zum Aufführungsort der Uraufführungen von Dutzenden italienischen Opern wurde. Aufgrund der bisherigen Evidenz kann nachgewiesen werden, daß in den Jahren 1724-1807 in Prag die Uraufführungen von über dreißig italienischen Opern stattfanden. Mehrere dieser Opern wurden unmittelbar in dieser Stadt komponiert, wo ihre Autoren gewisse Zeit lebten. Das ist bei zwei Opern von Francesco Zoppi der Fall, der später an die Oper in Petersburg ging. Mehrere Jahre lebte der aus Florenz stammende Marco Rutini (1723-1797) in Prag, und auch von seinen vier in Prag aufgeführten Opern hatten zwei hier ihre Uraufführung. (Die erste Präger Oper Rutinis war Alessandro nell'Indie [1750, nicht in der MGG, im New Grove, in F. Stiegers Opernlexikon etc. registriert], die zweite war La Semiramide riconosciuta; die Uraufführung fand am 6. November 1752, nicht 1753, wie oft angeführt wird, statt!) Zu weiteren Autoren, deren Opern in manchen Fällen in Prag früher als anderswo erklangen, zählte auch Niccolo Jomelli, in mehreren Fällen Domenico Fischietti, der jahrelang in Prag lebte (später auch in Salzburg, wo mit ihm Mozart in Kontakt stand), ferner der Römer Antonio Boroni und besonders Vincenzo Righini.
Italienische Oper in Prag
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Ein Zitat aus der Prager Oberpostamtszeitung vom 8. Juli 1786 hat für unser Thema eine ganz besonders starke Aussagekraft: „... und wer nicht glauben will, daß sogar der gemeine Haufe an den italienischen Musikstücken Vergnügen finde, der bleibe nur an der Ecke einer Gasse stehen, und es werden ihm von allen Seiten die Arien aus den beliebten italienischen Opern entgegentönen, so daß zu furchten ist, es werden auf der Gasse ganze Opern gegeben werden." - Ein Monat nach der Publikation dieser „Zeugenaussage" kam es zu der Prager Erstaufführung von Le nozze di Figaro. Die enthusiastische Reaktion des Prager Publikums ist bekannt. Dann reiste Mozart zum erstenmal nach Prag. Wer hat ihn eingeladen? Leopold Mozart schreibt in seinem Brief vom 21. Januarl787 über die „Gesellschaft großer Renner und Liebhaber". Ja, eine solche Gesellschaft hat den Brief an Mozart geschickt, aber das waren nur Repräsentanten des Publikums, des höchstqualifizierten Opernpublikums, das Prag je hatte. Und eine wichtige Rolle spielten dabei die Mozart hochschätzenden Prager Rollegen, das heißts das Orchester der italienischen Oper. Also gerade die Faktoren, die in Wien nicht auf seiner Seite standen. An anderer Stelle habe ich gezeigt, wie sich Mozart dem Prager Publikum in dem Finale des zweiten Aktes, in der Szene mit drei Zitaten aus Opern von Martin y Soler, Sarti und aus Le nozze di Figaro revanchierte (Volek 1991, S. 71 f.). Die Geschichte der italienischen Oper in Prag (als Institution) endete im April 1807. Die italienischen Rünstler haben sich mit Prag mit der Aufführung der zweiten Mozartschen Oper für Prag - La clemenza di Tito - verabschiedet. Mit den Worten des ersten Referenten unserer Ronferenz, Herr Allan Janik, fand Mozart in Prag ein ganz besonders - „creative milieu - it means a social context, which facilitates the impact of the novelty". Und daß es in der Zeit in Prag so ein „creative milieu" gab, hängt sehr mit der ganz spezifischen Geschichte der Prager italienischen Oper zusammen.
LITERATURHINWEISE
KUNZE, Stefan: Don Giovanni vor Mozart. Die Tradition der Don-Giovanni-Opern im italienischen Buffa-Theater des 18. Jahrhunderts, München 1972. TEUBER, Oscar: Geschichte des Prager Theaters, I, Prag 1883. VOLER, Tomislav: Roundtable „Die Rolle der slawischen Völker in der Geschichte der europäischen Musik des 18. und 19. Jahrhunderts", in: Bericht über den neunten internationalen KongreO Salzburg 1964, hrsg. von Franz GIEGLING, Band II, S. 242 f. VOLER, Tomislav: L'opera veneziana a Praga nel settecento, in: L'opera italiana a Vienna prima di Metastasio, a cura di M. T. Muraro, Firenze: Olschki 1990, S. 193-206. VOLER, Tomislav: Die Bedeutung der Prager Operntradition für das Entstehen des Don Giovanni und Titus, in: Mozarts Opern für Prag, Divadelní üstav [Theaterinsütut], Praha 1991, S. 22-100. VOLER, Tomislav: Italská opera a dalSí druhy zpívaného divadla (Die italienische Oper und andere Gattungen des Musiktheaters), in: Divadlo ν Kotcích [Kotzentheater] 1739-1783, hrsg. v o n FrantiSek CERNÍ, Praha 1992, S. 4 3 - 5 6 .
VOLER, Tomislav/SRALICRÁ, Marie: Vivaldis Beziehungen zu den böhmischen Ländern, in: Acta Musicologia 39 (1967), S. 64-72.
Jean Bérenger
La culture autrichienne à l'époque des Lumières
La culture autrichienne connaît, entre 1750 et 1792, un extraordinaire renouvellement par rapport à l'âge baroque et à l'ère de la Contre-réforme. Les quatre souverains - Marie-Thérèse, son époux François-Etienne de Lorraine et ses deux fils Joseph II et Léopold II - ont pris des initiatives capitales telles que la réforme de la censure en 1759, l'installation de loges de la franc-maçonnerie, l'expulsion des Jésuites en 1775 et la patente de tolérance de 1781. L'Autriche s'est ouverte peu à peu aux grands courants de pensée européens, français et anglais, mais aussi allemands et italiens. La possession de la Lombardie a facilité la circulation des idées nouvelles dans un pays qui était, au moins en ce qui concerne ses élites, pétri de culture italienne II serait en effet injuste de tenir compte uniquement des influences venues d'Europe occidentale ou d'Allemagne du Nord, car l'Italie, également sensible au mouvement philosophique, que ce soit à Naples, à Rome ou à Milan, a profondément influencé la vie intellectuelle autrichienne, de sorte que la mainmise politique des Habsbourg sur une partie de la péninsule en 1714 a eu une influence positive sur l'évolution culturelle de l'Autriche, qui apparaît ainsi, moins que jamais, comme une simple province méridionale du monde germanique. D'une manière générale, la pensée critique a pris le pas sur le respect de la tradition, telle qu'on l'avait enseignée à l'époque de la Contre-réforme. Ce sont les problèmes de religion, d'éducation et de culture nationale qui ont préoccupé les esprits éclairés, beaucoup plus que les théories politiques et économiques, car ni l'absolutisme monarchique, ni le mercantilisme n'ont été fondamentalement contestés. En fait, il convient, en ce qui concerne l'Europe centrale, de faire une distinction entre l'idéologie ancienne, que l'on essaie de moderniser, et les concepts vraiment nouveaux, qui ont bien du mal à s'imposer. Dans la première catégorie, le jansénisme à l'italienne occupe une place exceptionnelle, dans la seconde les idées des physiocrates et les problèmes d'économie politique. Enfin il ne faut jamais oublier que la diffusion des Lumières ne concerne qu'une élite fort restreinte, même si le rôle de ces 5 à 5.000 personnes fut déterminant. Les monarques ne pouvaient s'appuyer sur une bourgeoisie qui n'existait pas, sauf à Vienne, où elle commença à se manifester à partir de 1780; ils pouvaient tout juste compter sin· une bureaucratie en voie de formation, sur les cadres de l'armée, et, surtout, sur la fraction éclairée des élites traditionnelles de la Monarchie, clergé et noblesse, où des éléments pouvaient, à titre individuel être gagnés par les idées nouvelles, même si, en corps, les Ordres étaient plutôt réticents. Le rôle des élites éclairées explique l'importance capitale de la franc-maçonnerie qui a permis de réunir tous ceux qui, à titre personnel, étaient favorables aux changements.
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L'évolution religieuse: du confessionalisme à la tolérance La première brèche dans le système mis en place au XVIIème siècle a été ouverte en effet par les Jansénistes, protégés par l'Impératrice Marie-Thérèse, intimement convaincue d'une nécessaire évolution à l'intérieur de l'Eglise, ainsi que dans les rapports entre l'Eglise et l'Etat. Deux critères définissent mie attitude janséniste dans l'Autriche du XVIIIème siècle: d'une part, un certain rigorisme moral, opposé au laxisme supposé des Pères jésuites, d'autre part, l'étude sérieuse de la Bible et des Pères de l'Eglise, ce qui, intellectualement, correspondait au rejet de la scholastique moderne, alors toute-puissante dans les facultés de théologie et les séminaires diocésains. A l'aristotélisme interprété par les Jésuites, qui dominait la vie intellectuelle de l'âge baroque, on préféra la philosophie cartésienne, enfin reconnue, et l'histoire de l'Eglise. Il est néanmoins clair qu'en aucun cas les jansénistes autrichiens n'ont admis l'augustmisme rigoureux du père fondateur de «la secte», l'évêque dTpres Jansenius, ni sa doctrine de la grâce. La base de leur religiosité reposait sur le «Catéchisme de Montpellier», œuvre de Charles Joachim Colbert de Croissy. Ce neveu du Grand Colbert était évêque de Montpellier au début du XVIIIème siècle et avait confié la rédaction du catéchisme de son diocèse à Monsieur Pouget, un théologien janséniste notoire. Par la suite, les «Nouvelles ecclésiastiques», publiées à Utrecht par le comte Dupac de Bellegarde, eurent une large diffusion, en attendant d'être relayées, à partir de 1776, par une revue en langue allemande, plus accesible, les «Wiener Kirchenzeitungen». Comme leurs confrères français du siècle des Lumières, les Jansénistes étaient hostiles aux messes privées et aux petites dévotions qui entretenaient la piété populaire. Ils souhaitaient limiter le culte des Saints et rejetaient la dévotion au Sacré Cœur de Jésus, bref ils allaient à contre-courant de cette Pietas Austriaca développée par la branche styrienne de la maison d'Autriche, depuis Ferdinand II jusqu'à Charles VI. Ils voulaient une église dépouillée et favorisèrent le style néo-classique, qui finit par s'imposer après 1780. Ils allèrent jusqu'à condamner les pèlerinages, qui, rythmant la vie religieuse des paroisses rurales, donnaient lieu à de fréquents débordements que condamnait leur rigueur morale. On voit que tous les opposait aux courants dominants dans le clergé comme dans le peuple chrétien et qu'ils préconisaient une véritable révolution culturelle à l'intérieur du catholicisme autrichien. Ils trouvèrent néanmoins des appuis parmi les conservateurs qui souffraient du monopole intellectuel dont jouissait la Compagnie de Jésus depuis le siècle précédent. Mais c'est Rome et le «Collegium Germanicum» qui ont largement contribué au succès du jansénisme en favorisant le «catholocime réformateur» et en encourageant l'évolution de l'épiscopat autrichien, démarche capitale, puisque les réformes religieuses ont été imposées d'en haut à des fidèles franchement réticents. Le «catholicisme réformateur» est né dans les milieux romains des années 1720, par réaction contre la prépondérance des Jésuites; c'est le mouvement de la «sana dottrina», hostile aux petites dévotions, aux exagérations de la piété baroque, voire aux supersitions qui sont fréquemment mêlées à la piété populaire. Muratori, à l'origine bibliothécaire du duc de Modène, joua un rôle décisif dans ce mouvement. Si son livre «Della carità cristiana» fut diffusé tardivement, quoique largement (il fut très vite traduit en tchèque et en hongrois), son ouvrage de dévotion «Delle regolate
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publié à Venise en 1747, eut un franc succès en Autriche à partir de 1760, grâce à l'édition latine de Vienne (1759), suivie d'une traduction allemande (Augsbourg, 1761) et tchèque (Prague, 1778). Artisan du renouveau spirituel, proche du jansénisme, Muratori a probablement contribué au succès du joséphisme, quoiqu'il n'en fut pas le père. D'une manière générale, la «sana dottrina» préconisait, comme les Jansénistes, un retour aux sources authentiques du christianisme, les Saintes Ecritures et les Pères de l'Eglise, rejetant la scholastique des Jésuites. Elle s'est infiltrée au «Collegium Germanicum» romain, où l'on formait les futurs évêques d'Europe centrale, de sorte qu'elle a influencé les futurs «évêques réformateurs» de la Monarchie, les comtes Thun, Firmian, Waldstein, Schaffgotsch, Hallweil. Ces rejetons de l'aristocratie avaient été envoyés à Rome parce qu'on les destinait aux plus hautes fonctions ecclésiastiques de Bohême ou d'Autriche. Le «Collegium» romain a eu une influence déterminante sur les deux prélats qui occupèrent le diège archiépiscopal de Vienne dans la seconde moitié du XVIIIème siècle, les comtes Trautson (1751-1757) et Migazzi (1757-1799). Ce dernier en particulier joua un rôle considérable dans l'évolution du catholicisme autrichien, tant par so fonction de cardinal-archevêque de Vienne sous quatre souverains successifs que par sa propre évolution: réformateur dans les débuts, il prit peur devant les conséquences de ses propres audaces et adopta, dès 1765, des positions nettement conservatrices, avant de rejoindre, sous Joseph II, le camp des réactionnaires. Mais en aidant Marie-Thérèse à briser le monopole des Jésuites et en fondant un séminaire diocésain, il contribua à former une génération de prélats réformateurs, qui occupèrent rapidement des postes-clés: chapitre de la cathédrale Saint Etienne, chaires de la faculté de théologie de l'Université de Vienne, commission de censure. En 1759, une crise dont les origines sont encore mal élucidées avait en effet abouti à une réforme capitale pour l'avenir. Usant de son pouvoir régalien, Marie Thérèse retira en effet aux Jésuites le contrôle de la commission de censure, qu'ils détenaient depuis plus d'un siècle. La commission de la librairie fut placée sous l'autorité directe de la souveraine, qui nomma président son médecin personnel Gérard Van Swieten, se réservant le droit de trancher en dernier ressort en cas de litige. Les belles-lettres n'étaient dorénavant plus soumises à la censure préalable, Van Swieten était chargé des ouvrages de médecine et de philosophie, tandis que la théologie était confiée à des Jésuites favorables aux réformes, les RR.PP.Debiel et Franz, qui laissèrent circuler les ouvrages jansénistes. D'ailleurs l'activité de la commission fut réduite aux livres étrangers. Comme l'a bien montré Mme Klingenstein, cette réforme correspondait à une sécularisation et à ime libéralisation de fait, non à une suppression de la censure, car au corn's du quart de siècle durant lequel l'Autriche s'est ouverte aux influences étrangères (1765-1790), la censure n'a jamais été abolie. Toutefois, à partir de 1765, on pouvait acheter à Vienne, chez les libraires, à peu près toutes les publications honnêtes (à l'exclusion des polissonneries dont le XVIIIème siècle était friand). Le pouvoir avait donc repris à son profit le contrôle de la vie intellectuelle et pouvait orienter l'opinion. Joseph II n' a pas manqué de s'en servir pour favoriser le parti philosophique. Avec la fin de la co-régence et la mort de Marie-Thérèse, la situation a en effet notablement évolué. Si la souveraine leur était favorable au point de donner des
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directeurs de conscience jansénistes à ses enfants et de prendre le chanoine Ignace Muller comme confesseur (de 1765 à 1780), Joseph II ne les aimait guère en dépit des ressemblances de leur programme, parce que les Jansénistes étaient aussi hostiles que les conservateurs au catholicisme d'Etat que Joseph II voulait imposer à l'Eglise. Les réformes de Joseph Π ont représenté en effet un rude choc pour les pasteurs comme pour les fidèles. Il heurta les sentiments religieux de la plupart des catholiques autrichiens en remodelant les rapports de l'Eglise et de l'Etat. Il confia cette tâche à une commission dominée qui s'inspira fortement des idées de Hontheim, le chancelier de l'Université de Trêves, selon lesquelles l'Eglise devait avant tout dispenser les sacrements et assurer la formation morale des sujets. Le Pape Pie VI après sa visite à Vienne (1782) fut néanmoins rassuré, car Joseph II lui avait promis qu'il ne toucherait pas au dogme et qu'il ne songeait nullement à créer un schisme. Toutefois en tant que «protecteur suprême de l'Eglise en Autriche», l'Empereur exigea la soumission absolue du clergé et imposa des réformes d'inspiration janséniste. Plus de 400 couvents furent supprimés et leurs propriétés, qui provenaient de donations anciennes des fidèles, furent attribuées à un organisme d'Etat, «le fonds de religion», dont les revenus servirent à couvrir d'autres dépenses de l'Eglise; le maintien de nombreuses maisons religieuses aux trois quarts vides se justifiant mal, surtout dans l'optique de l'époque des Lumières, pour laquelle moines et nonnes étaient des parasites, des fainéants, dont rien ne légitimait l'existence. Le «catholicisme réformateur», d'orientation pragmatique, reniait en effet cette vie contemplative qui avait été exaltée à l'époque de la Contre-réforme: un religieux ne pouvait justifier son existence que s'il enseignait ou s'il avait charge d'âmes. En réalité cette action pouvait se justifier sur le fond et être critiquée dans la forme. L'éxécution de ces mesures fut trop souvent confiée à des esprits forts, qui détruisirent des bibliothèques, saccagèrent des bâtiments conventuels, choquèrent les fidèles des alentours et contribuèrent à aliéner le joséphisme dans l'esprit des catholiques autrichiens. D'une manièr plus générale, les prélats éclairés laissèrent se dévolopper une propagande anticléricale, qui brocardait les formes traditionnelles de la piété et déployait une ironie mordante contre les adversaires de l'Eglise joséphiste. Pourtant les revenus du «fonds de religion» ne furent pas détournés à des fins profanes et servirent au contraire à parachever l'œuvre de la Contre-réforme sur le plan pastoral. Des religieux furent employés comme curés dans des paroisses jusqu'alors mal desservies et surtout les fonds libérés servirent à créer de nouveaux évêchés et de nouvelles paroisses, afin de mieux encadrer les populations - projet toujours ajourné depuis plus d'un siècle devant la mauvaise volonté des aristocrates (catholiques et souvent fort dévots) à restituer les biens d'Eglise jadis sécularisés. Le résultat de cette politique fut spectaculaire. Cinq nouveaux évêchés furent érigés sous Joseph II: Linz, Sankt Pölten, Ljubljana, Hradec Kralove et Ceske Budejovice et le gouvernement créa un nombre imposant de paroisses: 263 dans la seule Basse-Autriche; 180 en Moravie et plus de 1.000 en Hongrie. Le résultat devait être des fidèles plus instruits et mieux encadrés par un clergé plus proche d'eux. On avait bien là ime application du programme des catholiques réformateurs. L'Etat se mêla d'ailleurs de près à la vie paroissiale: les confréries furent brimées, quand elles ne furent pas purement et simplement dissoutes, les processions et les pèlerinages, qui comptaient tellement dans la dévotion traditionnelle, furent suppri-
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més, le nombre des fêtes religieuses chômées considérablement réduit. Des ordonnances impériales réglementèrent prédication, liturgie, funérailles, ornementation des églises et Frédéric II ironisa sur cette manie de Joseph II de s'immiscer dans la vie religieuse de ses sujets: «Mon frère le sacristain». ... Les fonctionnaires civils eurent l'ordre d'assister aux sermons pour s'assurer que les prêtres ne critiquaient pas le pouvoir et l'Empereur. Les dénonciations de prêtres récalcitrants se multiplièrent, entraînant mutations et sanctions. On aboutit à une bureaucratisation de la pastorale et à ime automatisation du service divin, administré par des ecclésiastiques «éclairés», qui faisaient appel à la raison et non au cœur des fidèles. Ces critiques visaient surtout la nouvelle génération de prêtres formée dans les séminaires généraux. En effet Joseph II avait supprimé les séminaires diocésains et les collèges conventuels, dont l'obéissance laissait à désirer, pour créer des établissements d'Etat, les séminaires généraux, qui furent soustraits à l'autorité des évêques, pour être confiés à des enseignants acquis aux idées nouvelles. On y introduisit une discipline militaire, on y enseigna la haine de Rome et on persuada les séminaristes qu'ils seraient les piliers de l'Eglise joséphiste. Pour bien montrer que l'ère de la Contre-réforme et de l'Eglise triomphaliste était close, Joseph II avait promulgué dès le 13 octobre 1781 l'édit de tolérance qui accordait aux luthériens, aux calvinistes et aux orthodoxes la liberté de culte et restituait aux protestants hongrois la totalité de leurs droits civiques. Toutefois le catholicisme demeurait la religion «dominante» de l'Etat; les lieux de culte des non-catholiques n'avaient droit ni au parvis ni au clocher et les registres d'état-civil restaient entre les mains du clergé catholique. Ces mesures furent accueillies avec reconnaissance dans les communautés crypto-protestantes d'Autriche et de Bohême, qui avaient continué de lire la Bible et de chanter des cantiques en secret: une cinquantaine de paroisses se reconstituèrent en Carinthie. En Hongrie, où la moitié de la population n'était toujours pas catholique (en 1790, il y avait encore 25% de calvinistes, 5% de luthériens et 20% de grecs orthodoxes), cette mesure contribua à rallier, dans un premier temps, la noblesse protestante à la politique de Joseph II. Pourtant l'ensemble des réformes religieuses fut mal accueilli. Le clergé, avec, à sa tête, la cardinal Migazzi prit des positions nettement hostiles aux réformes et aux prélats éclairés et critiquèrent si vigoureusement les séminaires généraux que leur introduction en 1787 fut à l'origine de la première révolte des Pays-Bas autrichiens. Les milieux populaires demeurèrent attachés aux formes de piété baroque, aux belles cérémonies, aux églises richement ornées, au culte des saints, aux fêtes et surtout aux processions et aux pèlerinages. Une piété austère, cérébrale, ne leur convenait pas. En outre les populations rurales restaient fidèles aux réguliers persécutés par Joseph II, de sorte que leurs sentiments étaient partagés entre un Empereur qui avait tant fait pour leur bien-être en abolissant les servitudes personelles en 1781 et qui, d'un autre côté, remettait en cause leur vision du monde et leur conception de la religion. En réalité, las paysans constituaient, avec la majorité du clergé, une formidable force de résistance au joséphisme et un extraordinaire bastion conservateur.
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Les progrès de l'éducation La remise en cause du monopole des Jésuites dans les années 1760, puis la suppression de la Compagnie dans les années 1770 posèrent un problème d'autant plus grave que la création d'un véritable appareil d'Etat, à partir de 1749, impliquait la formation d'une bureaucratie qualifiée. La double nécessité d'une ouverture intellectuelle - on reprochait aux Jésuites, vers 1750, de dispenser un enseignement secondaire sclérosé - et d'un élargissement du recrutement des «capacités» entraîna une série de réformes d'une remarquable continuité, à laquelle Marie-Thérèse eut la plus grande part. Conseillée par son médecin personnel Van Swieten, elle s'attacha d'abord à rénover l'enseignement supérieur. Van Swieten commença par réorganiser les études de médecine en créant une chaire de chirurgie qu'il confia à Ferdinand Leher, en l'installant au Bürgerspital et en obligeant les étudiants à assister aux opérations. Il fit d'autre part venir le Lorrain Jacquin pour enseigner la botanique et la pharmacie. De ces efforts devait naître la première école viennoise de médecine qui forma assez d'élèves pour fournir de bons professeurs aux Universités de Prague, de Pesth, de Fribourg et, plus tard, de Lvov. La souveraine créa ensuite une commission de l'instruction publique, dont elle confia, en 1760, la présidence au cardinal Migazzi. Placée sous l'autorité directe du Chancelier Kaunitz, cette commission («Studienhofcommission») joua progressivement le rôle d'un ministère de l'Instruction publique. Elle modernisa d'abord l'Université de Vienne. Migazzi remplaça les professeurs de théologie jésuites par des Augustins ou des Bénédictins, tandis que les Jésuites placés à la tête des facultés de philosophie et de théologie furent écartés en 1759 auf profit de deux Jansénistes, le chanoine von Stock et J.-P. Simen. Marie-Thérèse veilla également au progrès des études juridiques, au moment où droit public et sciences politiques prenaient ime importance croissante. L'un des professeurs, Karl von Martini, travailla pendant 20 ans à la rédaction du «Codex Theresianum» qui, promulgué en 1768, maintenait la peine de mort et la torture, malgré les idées de Beccaria largement diffusées à Vienne. Toutefois un décret de 1776, pris sous l'influence de Sonnenfels, abolit finalement la torture dans la procédure pénale autrichienne seul Pierre-Leópold de Toscane, le futur Léopold II, osa abolir la peine de mort à Florence. D'autre part le «Codex Theresianum» mit officiellement fin aux procès de sorcellerie. L'Université de Prague fut également modernisée: en 1761, les Jésuites furent écartés de la faculté de théologie qu'ils contrôlaient depuis 1621 et des prêtres séculiers, des Augustins et des Dominicains les remplacèrent. De nöuveles chaires furent créées, qui correspondaient aux orientations intellectuelles des réformateurs: patristique, histoire de l'Eglise, langues orientales. L'abbé Rautenstrauch, partisan convaincu du catholicisme réformateur, fut nommé directeur des études par le gouvernement et le doyen réduit à un rôle honorifique. L'étape suivante sera, en 1782, l'introduction de la langue allemande à l'Université de Prague. Puis la commission d'Instruction publique, présidée par le conseiller d'Etat Kressl se pencha, au début des années 1770, sur le sort de l'enseignement secondaire. Avec la disparition brutale de la Compagnie de Jésus, il fallait en effet prendre rapidement des mesures et Kressl élabora un plan radical, d'inspiration philosophique, mais totalement irréaliste dans l'Autriche de l'époque. Il proposa en effet la complète laïcisation
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de l'enseignement secondaire, sans tenir le moindre compte des mérites pédagogiques de nombreux prêtres ni de la difficulté de recruter rapidement de bons professeurs en dehors du clergé. Finalement le conseil d'Etat, plus soucieux d'efficacité que d'idéologie, écarta le plan du conseiler Kressl et retint celui d'un piariste, le R. P. Gratien Marx, recteur du Theresianum. L'Etat contrôlerait l'enseignement en définissant les programmes, le contenu des manuels et se réserverait le droit d'inspecter les établissements; toutefois, il associerait doublement l'Eglise en employant de nombreux prêtre comme professeurs et en rendant le catéchisme matière d'enseignement obligatoire dans les collèges. A l'instar de ce qui se passait dans les Electorate rhénans et en Prusse, le contenu de l'enseignement secondaire fut profondément modernisé. Le latin perdit son monopole et devint une matière comme une autre, concurrencée par l'allemand et les mathématiques, tandis que l'histoire, la géographie, les sciences physiques faisaient leur apparition. Les études secondaires dureraient 5 ans. Sur le modèle prussien, on n'hésita pas à créer des écoles primaires supérieures, les «Realschulen», d'où l'enseignement du latin était banni, puisqu'elles avaient pour but de former des employés, des commerçants, bref de donner une instruction pratique à la petite bourgeoisie. En même temps, on en profita pour supprimer nombre de petites écoles latines, qui n'avaient plus d'utilité et étaient avantageusement remplacées par les «Realschulen». Le gouvernement confia les affaires scolaires à des commissions provinciales qui nommeraient les inspecteurs. La nouvelle organisation fut instituée par la patente impériale de décembre 1774, qui ne concernait que les pays austrobohêmes. Pour la Hongrie, un ancien jéuite, Joseph Ürményi, rédacteur à la chancellerie royale hongroise, fut chargé de mettre au point un projet de réforme scolaire adapté aux pays de la Couronne de Saint Etienne. Au collège comme à l'université, le monopole du latin serait aboli et l'on enseignerait l'allemand. Le pays serait divisé en neuf districts, placés sous l'autorité d'un inspecteur royal des écoles, mais les ordres religieux, les Piaristes en particulier, continueraient à fournir l'essentiel des professeurs de collège, sauf, bien entendu, pour les Académies protestantes. Les professeurs seraient payés avec les revenus des biens ayant appartenu à la Compagnie de Jésus, qui avaient été dévolus par le Pape à Marie-Thérèse. Ce texte fut sanctionné par la souveraine en 1777 et devint la «Ratio Educationis». Fait plus original, le gouvernement s'intéressa aussi à l'enseignement primaire, à l'instar des premières mesures qui avaient été prises en Prusse en 1764. MarieThérèse fit admettre dans la commission d'Instruction publique un prélat silésien Jean-Ignace Felbiger, qui, établi à Sagan, avait consacré une bonne partie de sa vie à la pédagogie; il s'était rendu à Berlin et avait étudié les expériences des Piétistes en matière d'enseignement pour les adapter dans sa ville de Sagan. Sa réputation était telle que Marie-Thérèse sollicita de Frédéric II l'exeat de ce sujet prussien. On partait du principe qu'un bon chrétien devait avoir un minimum d'instruction; on décida d'adjoindre au chant, à la lecture et au catéchisme, traditionellement enseignés dans les écoles paroissiales, l'écriture et le calcul. Ce qui était nouveau, c'était le caractère obligatoire de l'enseignement élémentaire jusqu'à l'âge de 12 ans, non seulement pour les garçons mais aussi pour les filles; si un enfant voulait entrer en apprentissage, auparavant, il devait produire un certificat délivré par le curé après examen. L'enseignement serait assuré dans la langue vernaculaire, ce que les différentes Eglises faisaient depuis longtemps. Ce programme ambitieux se heurtait à deux difficili-
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tés majeures: le financement et le recrutement des maîtres d'école. En principe, l'enseignement était payant, mais les paysans rechignaient à rétribuer le maître d'école. Celui-ci recevait de la paroisse ime maison, un jardin, un champ, ce qui rendait sa condition moins précaire; encore fallait-il trouver des grands propriétaires ou des communes disposés à assurer ce premier investissement. C'est pourquoi la mise en œuvre de la patente de 1774 a demandé de longues années; elle a été appliquée plus ou moins vite selon les régions et si l'analphabétisme a été lent à disparaître dans les régions périphériques, les résultats ont été bons en Bohême et en Autriche. Vers 1790, ces pays avaient un taux d'alphabétisation comparable à celui de l'Europe occidentale - Rhénanie ou plaines du Bassin parisien. Il faut donc cesser d'opposer une Allemagne du Nord protestante, alphabétisée et éclairée et une Autriche catholique, analphabète et obscurantiste. Pour le recrutement des maîtres d'école, la Monarchie adopta, grâce à Felbiger, le principe d'Ecoles normales, calquées sur le modèle prussien. Dans chaque capitale provinciale, on créa une école destinée à former les maîtres ou «Normalschule»; ultérieuement les communautés rurales ne pourraient plus recruter que les gens issus de ces écoles, ce qui mettrait fin à l'amateurisme qui régnait dans la profession vers 1770; en attendant, on y enverrait en stage, durant un semestre, les maîtres déjà en place. La patente impériale de 1774, complétée par la «Ratio educationis» hongroise de 1777 a donc mis en place un système cohérent, qui devait assurer un relèvement du niveau général d'instruction dans l'ensemble de la Monarchie mais aussi diffuser la langue allemande sans l'imposer. Le résultat de cette politique à long terme fut double: à la fois meilleure formation des élites et progrès de la culture allemande, au moment précis où se pose la question des cultures nationales. Face à une langue latine jugée archaïque, la langue allemande est en train d'éblouir l'Europe cultivée par les succès littéraires de Lessing, du jeune Goethe et de Schiller. Remplacera t-elle de latin? Se substituera - t-elle définitivement au tchèque, au hongrois, au roumain, au croate?
Le progrès des cultures nationales La Monarchie demeure en effet au XVIIIème siècle un Etat pluriethnique et multiculturel, sans oublier son caractère multiconfessionnel reconnu traditionnellement par le droit d'Etat hongrois (paix de Vienne de 1606, Diploma Leopoldinum de 1691, Diploma regis, etc.) et confirmé solennellement par la patente de tolérance de 1781. Plusieurs langues ont une existence légale comme langue administrative, le français aux Pays-Bas autrichiens, l'italien dans le duché de Milan, le latin en Hongrie; la Bohême reste officiellement bilingue et le tchèque, en déclin dans la pratique, reste théoriquement l'égal de l'allemand, même si Marie-Thérèse déplore de ne pas trouver de fonctionaires maîtrisant la langue tchèque; dans les pays de la Couronne de Saint Etienne, le hongrois et le croate sont des langues de culture largement utilisées par l'administration locale (comitate, seigneuries) concurremment avec le latin, plutôt réservé aux rapports avec le gouvernement de Vienne. L'allemand, langue des pays héréditaires et des pays tchèques, n'est donc pas la seule langue de la Monarchie. La Coin· elle-même utilise traditionnellement une langue étrangère, l'italien
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jusque vers 1740 et, depuis l'avènement de Marie-Thérèse, le français; elle est un bel exemple de ce que les germanistes appellent cosmopolitisme, même si la prédominance de la langue française fut plus tardive qu'en Prusse, par fidélité à la culture italienne et par hostilité à la France. On note d'abord un recul du latin comme langue savante. Avec les réformes scolaires de Marie-Thérèse, il cesse d'avoir le monopole dans l'enseignement au profit de l'allemand car, paradoxe de la «ratio studiorum» des Jésuites, on n'enseignait pas plus le français à Paris que l'allemand à Vienne, cette hégémonie du latin au collège se justifiait toutefois dans la mesure où l'enseignement universitaire était dispensé en latin et où la plupart des ouvrages savants étaient écrits dans cette langue. L'abandon du monopole du latin risquait de poser des problèmes, sinon à Vienne, du moins à Prague et surtout en Hongrie. On note ensuite une offensive de grande ampleur contre le latin administratif: un décret de Joseph II de 1784 a remplacé le latin par l'allemand, ce qui a provoqué l'indignation des Hongrois, même si la mahorité des gentilshommes qui s'opposaient à cette réforme savait encore moins le latin que l'allemand; comme le latin était un des signes visibles de leur autonomie à l'intérieur de la Monarchie, ils étaient insensibles aux arguments du roi soucieux de pragmatisme et d'efficacité, qui, cherchant une langue de communication à l'intérieur de ses Etats, adoptait la plus moderne et la plus répandue. Alors que Marie-Thérèse fut respectueuse de cette diversité linguistique qui était l'un des traits originaux de la Monarchie, Joseph II esquissa une politique volontariste qui ressemblait fort à une politique de germanisation. A Vienne, il a réussi à imposer un théâtre littéraire d'expression allemande. Comme Sonnenfels, il pensait que le théâtre pourrait avoir une valeur éducative et faire passer dans le public populaire les idées nouvelles. Le plan d'un théâtre national allemand lui a été soumis dès 1769 par le conseiller d'Etat von Gebler. Joseph II souhaitait offrir des divertissements à un vaste public, tout en réduisant les distances considérables qui séparaient encore la Cour et la Ville et en manifestant son hostilité à l'égard du théâtre français auquel sa mère, Kaunitz et l'aristocratie étaient attachés. En 1775, il. profita du départ du surintendant des théâtres, le comte Sporck, pour réaliser son plan: tous les artistes en place furent chassés à l'exception de la troupe des comédiens allemands, qui occupa à elle seule le théâtre de la Cour rebaptisé à cette occasion «Nationaltheater». Afin de promouvoir le théâtre en langue allemande, Joseph II garantiit le paiement des gages des acteurs et cette mesure, provisoire à l'origine, fut prorogée indéfiniment, alors que l'Empereur refusait systématiquemet des subventions aux compagnies théâtrales. Il fit recherche dans toute l'Allemagne des acteurs de talent pour les attirer à Vienne. Ainsi naquit en mars 1776 le «Burgtheater», qui s'imposa bientôt comme la première scène dramatique d'Allemagne et qui, outre les classiques allemands, se constitua un répertoire d'ouvrages traduits du français ou de l'anglais (Shakespeare). L'initiative de Joseph II correspondait à la volonté de favoriser l'essor de la langue allemande, alors que Frédéric II, à la même époque, ne patronnait que des comédiens français. Le parti allemand exultait après la réforme de mars 1776 et le conseiller von Gebler écrivait à Nicolai', à Berlin, le 26 mai: «Tout patriote doit se réjouir que notre Allemand Joseph ait désigné la scène allemande comme théâtre de la Cour. Il n'emploiera certainement pas des Français tant qu'il n'y aura pas un théâtre allemand à Versailles».
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De la même façon Joseph II tenta, avec moins de succès il est vrai, de ruiner l'opéra italien à Vienne. Le «Nationaltheater» souhaitait en effet élargir son répertoire au «Singspiel», c'est à dire à l'opéra-comique allemand mais jusqu'en 1781, les efforts du théâtre de la Cour s'étaient soldés par des échecs ou des succès d'estime, tel ces «Bergknappen», poème de Weidmann, musique d'Ignace Umlauf, directeur de la musique du «Hofburgtheater». C'est à ce moment qu'intervint Mozart, qui souhaitait étendre son répertoire au «Singspiel»; en 1781, il apporta de Salzbourg un livret d'opéra, «Zaïde», dont il fit le lecture chez la comtesse Thun, en présence de Gottfried Van Swieten et de Sonnenfels, qui s'intéressèrent au projet de Mozart mais Stephanie le jeune, directeur du Théâtre national lui proposa le livret de Y«Entfîihrung aus dem Serail», adaption du drame «Belmonte & Constance», de Christophe Bretzner, un obscur littérateur de Leipzig. Le livret était une profession de foi philosophique: on y dénonçait l'arbitraire et la tyrannie du préjugé religieux (Osmin) et on célébrait un hymne à la tolérance en la personne du pacha, un rénégat d'origine espagnole. Si l'opéra fut commandé à Mozart en juillet 1781, il ne fut représenté qu'en juillet 1782. En dépit d'une cabale montée par le parti conservateur, qui taxa le livret de plagiat, le Singspiel de Mozart reçut un accueil chaleureux grâce à l'appui du parti philosophique, des Francs-Maçons et de Joseph II. En effet l'Enlèvement au Sérail était ime œuvre importante du point de vue de sa politique culturelle, car Mozart démontrait que le Singspiel n'était pas un simple divertissement populaire, truffé de boufonneries, mais un genre raffiné pas forcément ennuyeux, qui avait sa place au théâtre de la Cour et pouvait entrer en compétition avec l'opéra italien. Goethe luimême, surintendant des théâtres de Weimar comprit l'importance de V«Entführung», le premier opéra allemand: «Tous les efforts que nous faisions pour parvenir à exprimer le fond des choses devinrent vains au lendemain de l'apparition de Mozart l'Enlèvement au Sérail nous dominait tous». Pourtant il s'agissait d'un succès sans lendemain, le Singspiel se portait mal à Vienne, des échecs d'ouvrages médiocres permirent à Antonio Salieri de plaider habilement la cause de l'opéra italien auprès de Joseph II qui liquida en mars 1783 la section musicale du théâtre national; le théâtre italien, réorganisé, absorba les meilleurs chanteurs de la troupe allemande, comme la soprano Aloysia Weber, la belle-sœur de Mozart. Celui-ci dut constater le succès du nouvel opéra italien à Vienne et l'impossibilité d'y faire représenter désormais un opéra allemand, de sorte qu'il revint à l'opéra italien (Le Nozze di Figaro, 1786), en attendant que son ami Emmanuel Schikaneder ne lui fournît une revanche tardive avec la «Zauberflöte». Il est vrai qu'en 1791 les idées de Sonnenfels avaient partiellement triomphé et que les nombreuses salles des faubourgs servaient à faire passer un message philosophique dans le public populaire, après la réorientation de la censure, sous Joseph II. Le peuple viennois lit peu et, en tout cas, pas des livres en langue étrangère; sa culture est essentiellement orale, alimentée par le sermon et le théâtre; les pièces représentées dans les aimées 1780 sont des adaptations du théâtre français ou, le plus souvent, la production d'obscurs auteurs travaillant sur un thème philosophique; la publication du catalogue de Ferdinand Wernick ne laisse guère d'illusions sur la pénétration réelle des idées des Lumières dans les milieux populaires. On assiste néanmoins à un essor remarquable de l'édition viennoise, qui s'adresse à l'élite cultivée. Le monde des Sonnleithner et des Hörling reste d'ailleurs dominé
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par la figure de Trattner. A l'origine compagnon imprimeur, catholique de stricte obédience, il a pris position contre les Jésuites parce que ceux-ci exerçaient, avec leurs imprimeries, une concurrence déloyale dans le domaine du livre religieux, qui constituait l'essentiel de son chiffre d'affaires. D'après Peter Hersche, Trattner a publié au moins 25% des livres jansénistes, en particulier les traductions allemandes du «Catéchisme de Montpellier», des «Essais moraux» de Pierre Nicole ou des oeuvres de l'abbé Duguet. En Hongrie, c'est l'imprimerie universitaire de Bude qui, à partir de 1777, a joué un rôle essentiel dans la diffusion de la culture et dans l'élaboration ou la modernisation des langues vernaculaires. Elle publia 6.000 titres jusqu'à la révolution de 1848, essentiellement des manuels ou des ouvrages de vulgarisation scientifique aussi bien en hongrois, qu'en latin, en allemand et, fait encore plus intéressant, en serbe (11%), en roumain (4%) ou en croate (2%). Cette action était conforme a la politique de Joseph II qui souhaitait favoriser l'essor de toutes les langues nationales à côté de l'allemand, à condition que cette dernière fût acceptée comme langue commune dans la vaste Tour de Babel qu'était la Monarchie. S'il y a eu germanisation, ce n'était certainement pas au détriment des autre cultures. C'est ainsi que Joseph II fit créer ime chaire de littérature tchèque à l'Université de Prague en 1782 et encouragea, à partir de 1785, des représentations en langue tchèque au théâtre des Etats, construit grâce à la munificence du comte Nostitz. En 1789, Kramerius publiait, à Prague, le premier journal en langue tchèque. Mais l'élite aristocratique, cosmopolite, n'avait pas besoin de traductions pour prendre connaissance de la pensée des Philosophes, même si certains, comme Cari von Zinzendorf, lisaient les ouvrages anglais en traduction française. Nous savons qu'à partir de 1760 l'aristocratie hongroise, qui se mit à séjourner à Vienne, a lu Voltaire et Montesquieu dans le texte et qu'elle était profondément influencée par la culture française. L'inventaire des grandes bibliothèques privées nous en administre la preuve: le comte Sztaray possédait 5.000 ouvrages en français, le comte Csáky 5.000 également, tandis que chez les Hédervary, on en comptait 6.000 sur une bibliothèque de 15.000 volumes. Les vrais aristocrates éclairés étaient d'ailleurs minoritaires: au total 27 personnes, représentant ime vingtaine de lignages sur les 313 familles de Magnats siégeant à la Chambre haute. Au nombre des Magnats éclairés, il faut citer les 4 frères Vay, François Esterházy, les deux frères Orczy, Pierre Balogh, les 4 Festetich, 3 Batthyány, 2 Forgách; les plus célèbres d'entr'eux étaient le Transylvain Samuel Teleki, qui se constitua une admirable bibliothèque dans son château de Marosvasarhely, et le comte Jean Fekete, qui entretint une correspondance régulière avec Voltaire. Et pour ceux qui ignoraient le français, on traduisit «l'Esprit des Lois» en latin... Si, malgré l'apparition des premiers cafés et des cercles de lecture, la presse périodique n'eut pas à Vienne l'importance culturelle qu'il convient d'attribuer au théâtre populaire, elle fit en revanche son apparition en Hongrie dès 1764 la «Gazette de Presbourg». A partir de 1780, l'éditeur de Presbourg Mathieu Rat publia deux fois par semaine «le Courrier hongrois», qui tirait à 500 exemplaires, et ne cachait pas son dessein de stimuler l'intérêt du public instruit pour la lecture; ses abonnés étaient pour moitié des aristocrates et pour moitié des intellectuels. En 1786, Szacsvay, partisan convaincu des Lumières, lié à la Garde hongroise et au mouvement de renais-
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sance littéraire nationale, publia à Vienne un journal en hongrois, «le Messager hongrois»; l'année suivante, il avait 370 abonnés, alors que la nouveau journal de Bude «le Mercure hongrois» dépérissait à vue d'oeil. Très bien informé - par exemple sur les débuts de la révolution française - il était aussi engagé dans le combat contre les forces conservatrices de l'Eglise et reçut l'appui de Joseph II. Mais ces périodiques, quelle que fût leur qualité, avaient ime diffusion restreinte et c'était tout le problème de la culture des Lumières, comme celui de Joseph II: comment élargir l'audience des idées nouvelles et comment rallier progressivement de larges couches de la population aux réformes? La diffusion des Lumières reposait en effet sur des élites fort réduites quiu comprenaient essentielement les prélats et les aristocrates ralliés aux idées nouvelles, demeurés minoritaires dans leur petit monde, le cercle janséniste de Sainte Dorothée autour du chanoine Ignace Müller, une partie de la noblesse protestante hongroise (avec des gens comme Grégoire Berzeviczy), des artistes, des musiciens et des intellectuels viennois. C'est pourquoi tous ces gens ont éprouvé le besoin de se regrouper dans la franc-maçonnerie La première loge viennoise «Zu drei Kanonen» fut fondée en 1742; elle était fille d'ione loge de Breslau et fut fermée dès l'année suivante sur ordre de Marie-Thérèse, qui appliqua strictement les recommandations de la Bulle »In Eminenti«, bien que François-Etienne de Lorraine ait été initié dès 1727. La francmaçonnerie autrichienne n'avait pourtant rien de révolutionnaire et comptait davantage d'aristocrates que de bourgeois, en dépit des principes d'égalité. Soucieuse de fraternité, de progrès et de bonheur humain, elle a contribué à répandre les idées philosophiques dans les élites. Joseph II s'était entouré de francs-maçons, qui ont participé à sa politique de réformes et l'ont soutenu face à l'opinion conservatrice. C'est pourquoi le mouvement connut son apogée durant les dix années du règne de Joseph II, bien que, en dépit de ses sympathies pour les frères, celui-ci se méfiât de la franc-maçonnerie, difficilement compatible avec sa conception autoritaire du pouvoir. Aussi, par le décret de 1785, les obligea-t-il à se regrouper dans une loge unique par province, comptant au maximum 180 frères. Malgré ces restrictions, le décret de Joseph II représentait un net progrès par rapport aux interdictions antérieures (et aux persécutions postérieures). Si l'on s'en tient aux termes du décret, les francsmaçons auraient été moins de 3.000 dans la Monarchie et l'on est frappé par le caractère élitiste de la diffusion des Lumières, puisque la population totale de l'Autriche avoisinait déjà les 10 milions d'habitants (sans compter les Pays-Bas et les territoires italiens).
Conclusion La culture autrichienne conserve des traits originaux par rapport au reste de l'Europe des Lumières. Elle demeure en particulier fortement marquée par le catholicisme et l'époque des Lumières a plus représenté une modernisation religieuse qu'une marche vers la déchristianisation; tandis que les élites s'orientaient vers une religion plus intellectuelle, les masses populaires demeuraient fidèles à piété gestuelle. La conflit a porté sur la meilleure manière d'adorer Dieu, non sur le rejet ou la défense de la religion. Grâce à la création des séminaires généraux et à la mainmise
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des catholiques réformateurs sur les positions stratégiques, l'Eglise joséphiste a fini par triompher et donner un cours nouveau à une Eglise profondément marquée par la Contre-Réforme. L'apport le plus original des Lumières fut probablement la réforme scolaire, très ambitieuse, qui mettait l'Autriche sur le même plan que les Etats allemands (Prusse, Electorate rhénans) et la situait vraiment dans le grand mouvement du XVIIIème siècle: vaincre d'abord l'ignorance du peuple pour lui apporter ensuite le bonheur. Marie-Thérèse et surtout Joseph II ont en effet tourné le dos à l'idéal de leurs prédécesseurs: au lieu de se préoccuper d'abord du bonheur éternel de leurs sujets en assurant le salut de leur âme, ils souhaitent désormais améliorer leurs conditions de vie. En réformant écoles et universités, en rendant l'instruction primaire obligatoire, Marie-Thérèse a vraiment préparé l'avenir et placé la Monarchie à la pointe du progrès, de même qu'en assouplissant la censure, elle avait replacé l'Autriche dans le mouvement intellectuel européen. Mais l'Etat multinational a connu aussi ime sensible évolution dans la seconde moitié du XVIIIème siècle: le mouvement des Lumières n'a pas seulement touché Vienne mais la Hongrie et la Bohême, Presbourg, Bude et Prague. Les élites sont sensibles aux Lumières tout autant dans les provinces que dans la capitale. Le phénomène capital, du point de vue de l'équilibre des cultures et du respect des langues est l'abandon du latin au profit de l'allemand que Joseph II tente d'imposer comme «koiné» à l'ensemble de ses sujets d'Europe centrale. Sa politique était ambiguë. Avec les progrès de la scolarisation et la formidable réussite de l'allemand comme langue littéraire et scientifique, il préparait en fait la germanisation du XIXème siècle, mais aussi les conflits qui en résulteront. En attendant, il se heurta à de fortes résistances aussi bien dans Vienne, métropole cosmopolite, que dans la Hongrie patriote. Une ultime conclusion s'impose: la Monarchie autrichienne n'était pas, à l'époque des Lumières, une puissance marginale, périphérique, attardée. Grâce à une politique imposée par les souverains, relayée par une élite peu nombreuse, mais convaincue, elle a essayé de faire progresser une culture qui demeurait fondamentalement dominée par le catholicisme et les diversités nationales. En luttant contre l'analphabétisme, en enseignant les langues vernaculaires, en modernisant les Universités et en favorisant l'expansion de la langue allemande, les Habsbourg, leurs conseillers, leurs évêques et leurs administrateurs ouvraient la voie du progrès en Europe centrale. Il ne dépendait pas d'eux que le système se soit bloqué à partir de 1792, dans un autre contexte social et international.
Michèle Galand
Charles de Lorraine et la vìe artistique dans les Pays-Bas autrichiens
Charles de Lorraine fut gouverneur général des Pays-Bas autrichiens de 1744 à 1780. Doublement beau-frère de Marie-Thérèse, il représentait cette dernière dans ces provinces éloignées. En fait, il jouait essentiellement un rôle d'apparat, car la Souveraine avait pris soin de le seconder par un ministre plénipotentiaire qui détenait la réalité du pouvoir. Ces ministres furent choisis parmi les meilleurs diplomates de la Monarchie et furent effectivement d'excellents administrateurs. Le prince Charles se distingua tout au long de son gouvernement par l'extraordinaire sympathie qu'il suscita aux Pays-Bas. Le prince a conquis ses proches - essentiellement la haute aristocratie qui formait un cercle restreint autour de lui -, mais aussi la population, par son caractère avenant, son intérêt particulier pour le développement économique et artistique des pays confiés à son administration et sa bonne grâce à se plier aux coutumes locales lorsqu'il visitait ces provinces. De plus, son long gouvernement coïncida avec une période de paix qui permit à l'économie de se redresser après tant d'années difficiles (L. Perey, s. d. [1903]; J. Schouteden-Wery, 1943; catalogues Europalia, 1987). Charles de Lorraine était, en outre, un prince éclairé et un grand amateur d'art. Comme il était aussi un collectionneur passionné, il développa une importante activité de mécène. Les archives de la Maison du prince recèlent de nombreuses preuves de cet intérêt pour toutes les formes d'art (A. Vanrie, 1981). Il régna, en effet, sous son influence, irne effervescence artistique sans précédent à la Cour. Attiré par l'architecture de style néo-classique qui faisait timidement son apparation dans les Pays-Bas proches du modèle français, Charles de Lorraine n'eut de cesse de bâtir ou rénover les diverses résidences dont il disposait aux PaysBas (C. Lemaire, 1981; C. Lemoine-Isabeau et M. Jottrand, 1979-1980; V. Martiny, 1987). Pour entreprendre ces grands travaux et pour alimenter ses collections, le prince fit appel à de nombreux artistes, la plupart issus de ces régions, ce qui lui permit de se familiariser avec la production artistique des Pays-Bas (C. Terlinden, 1922; S. Ansiaux et J. Lavalleye, 1936; S. Ansiaux, 1939; P. de Zuttere, 1980; L. de Ren, 1987; A. Jacobs, 1987). Certains d'entre eux, comme l'architecte L. B. Dewez et le sculpteur L. Delvaux, ont joué un rôle moteur dans l'introduction du style néo-classique aux Pays-Bas (D. Coekelberghs et P. Loze [dir.], 1985-1986). Le prince sacrifia, évidemment, à la mode du temps et à sa passion des collections en présentant dans ses palais des cabinets de laques et de porcelaines ou des galeries de tableaux. Ces collections faisaient l'admiration des visiteurs. Pourtant, elles furent entièrement dispersées à la mort de Charles de Lorraine: après que Joseph II eût fait ramener les plus belles œuvres à Vienne, tous les effets du prince furent mis en vente en 1781. Les catalogues effectués à cette occasion attestent le faste dont s'était entouré le gouverneur (Catalogue des effets précieux...; Catalogue des livres, ..., 1781). Ils permettent également de déceler ses goûts artistiques: ainsi, si Charles de Lorraine appréciait les beaux-arts, il portait aussi une grande attention aux arts décoratifs puisque ces
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productions devaient servir à la décoration de ses palais éternellement en chantier. Il fit meubler ses appartements avec goût, achetant des meubles en France et en Angleterre, recourant aux services d'ébénistes et orfèvres de talent, collectionnant les plus belles pièces de porcelaine et d'argenterie. Les meubles effectués par l'Allemand D. Roentgen pour Charles de Lorraine sont conservés aujourd'hui à Vienne (Museum für Angewandte Kunst) et il en est de même pour de beaux exemplaires de vaisselle précieuse (L. de Ren, De surtout..., 1982; L. de Ren, Tafelsilver..., 1984). Charles de Lorraine éprouvait également une très grande passion pour la musique: sous le gouvernement de ce prince, la chapelle de la Cour rayonna d'une activité incessante, accompagnant les services religieux assurés à la Cour ou les grandes cérémonies célebrées en la Collégiale Sainte-Gudule. Outre ces prestations solennelles, les musiciens étaient appelés à assurer le divertissement du prince et de ses hôtes lors des réceptions organisées au palais (S. Clercx, La chapelle ..., 1940). Certains de ces musiciens ont acquis une belle renommée en tant que virtuoses et compositeurs: Charles de Lorraine présenta lui-même le violoniste Pierre Van Maldere à MarieThérèse lors d'un de ses voyages à la Cour de Vienne (S. Clercx, Henri-Jacques de Croes, ..., 1940; S. Clercx, Pierre Van Maldere, ..., 1948). Le gouverneur joua donc véritablement un rôle de stimulateur de la vie musicale à Bruxelles, en tant qu'auditeur attentif et averti, mais également comme mécène actif. C'est dans ce contexte favorable que le jeune Wolfgang Mozart se rendit à Bruxelles en automne 1763, dans l'espoir de pouvoir se produire devant Charles de Lorraine. Il dut pourtant patienter plusieurs semaines avant que ce dernier ne trouvât l'occasion de l'écouter... (Mozart en Belgique, 1990). Par ailleurs, Charles de Lorraine aimait aussi énormément le théâtre et se rendait régulièrement aux spectacles organisés par la troupe du Grand Théâtre de Bruxelles, essentiellement composée de comédiens français (H. Liebrecht, 1923; L. Renieu, 1928). Le prince payait un abonnement annuel pour assister à toutes les représentations et sa présence assidue exerça un effet d'entraînement pour toute la société aristocratique et bourgeoise de Bruxelles. Le prince s'intéressait, en fait, à toutes les formes de spectacles, n'hésitant pas à assister avec curiosité aux spectacles de marionnettes, de funambules ou aux démonstrations des sauteurs de corde et joueurs de gobelets. Lui-même n'était pas en reste, puisqu'il proposait des représentations théâtrales dans son palais, imité en cela par ses proches tels le prince de Ligne ou le duc d'Arenberg. Enfin, Charles de Lorraine anima particulièrement la vie mondaine à Bruxelles en organisant des mascarades et bals masqués qui se déroulaient la plupart du temps au Grand Théâtre (J.-Ph. van Aelbrouck, 1991). Mais l'action de Charles de Lorraine dépassa les activités - si importantes fussentelles - d'un mécène averti, disposant de moyens importants pour satisfaire ses goûts pour les spectacles et les collections d'objets d'art. En réalité, la promotion de la vie culturelle et artistique faisait partie des ambitions des autorités gouvernementales, et dans cette action, le rôle des ministres éclairés, tels Cobenzl et Starhemberg, fut prépondérant (C. de Villermont, 1925; Gh. de Boom, 1932). La politique économique menée par le gouvernement de Bruxelles s'inscrivit, du moins jusqu'aux environs de 1765, dans le cadre du colbertisme, impliquant notamment le soutien de l'Etat aux manufactures de produits de luxe. Les encouragements apportés à la fabrication de nouveaux produits comme la porcelaine et le cristal furent ainsi le fait de ces ama-
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teurs d'art qu'étaient Charles de Lorraine et Cobenzl (E. Soil, 1883; Ph. Moureaux, 1981; A. Douxchamps, 1979; B. d'Hainaut, 1985). Car, en dépit des dissensions qui les opposèrent dans l'exercice du pouvoir, il est certain qu'ils collaborèrent étroitement pour promouvoir toutes les formes de l'art aux Pays-Bas, le premier apportant le poids du prestige attaché à son rang et à sa fonction de gouverneur, le second sa force de travail et son jugement sûr à ces projets qu'il fallut soutenir contre les réticences de Vienne, où l'on craignait notamment les sacrifices financiers qu'exigeait une telle politique. Le frein apporté par les autorités viennoises aux projets de Cobenzl en matière de protection des industriels et des artistes trahit leur attitude réservée à l'égard des Pays-Bas, qui constituaient des territoires aus statut particulier et qui s'inséraient avec difficulté dans la politique générale de la Monarchie. Mais le décalage entre la générosité des objectifs de Bruxelles et la prudence du chancelier Kaunitz qui réclamait la parcimonie, doit aussi être évalué à la lumière des contraintes financières extrêmement pesantes qu'imposèrent les guerres au gouvernement de Marie-Thérèse (P. Lenders, 1981). Il faut donc mettre à l'actif du gouvernement de Bruxelles les encouragements prodigués à l'enseignement artistique: on peut souligner le cas particulier de l'académie de Bruxelles qui fut réorganisée de 1763 à 1766 et où un cours d'architecture fut introduit sous l'impulsion de Charles de Lorraine. Le prince remettait lui-même les prix aux lauréats de cette école {Académie royale des Beaux-Arts de Bruxelles, . . 1 9 8 7 ; Académie de Bruxelles,..., 1989). D'autre part, le gouvernement permit à des artistes originaires des Pays-Bas d'aller se former à ses frais en Italie (D. Coekelberghs, 1976). Le but des autorités bruxelloises était d'élever les Pays-Bas sur la scène internationale en suscitant dans ces régions des talents capables de se confronter à la nouvelle problématique artistique issue des Lumières: l'ouverture sur la France et l'Italie, et donc l'initiation à la redécouverte de l'Antiquité permit ainsi au néo-classicisme de s'implanter progressivement dans ces pays attachés jusque là à un passé artistique prestigieux mais révolu (D. Coekelberghs et P. Loze [dir.] 1985-1986; A. Jacobs, 1989). Ainsi, la présence à Bruxelles d'un prince amateur d'art éclairé, assisté de ministres acquis aux idées nouvelles, eut-elle un impact important sur le développement de la vie artistique aux Pays-Bas. Dès lors faut-il évoquer, en guise de conclusion - ou d'«aboutissement» - l'une des plus belles réalisations de ce siècle des Lumières qui marqua de son empreinte la capitale des Pays-Bas autrichiens: ime statue à l'effigie de Charles de Lorraine fut élevée en 1775, à Bruxelles, pour célébrer ce prince populaire, et une place monumentale fut érigée dans le haut de la ville, sur le modèle des places royales françaises (G. des Marez, 1919-1923). Elle fut bientôt prolongée d'un parc aux allées rectilignes, entouré de constructions de style néo-classique. Ce «quartier royal» qui subsiste encore aujourd'hui constitue l'un des plus beaux ensembles architecturaux de Bruxelles. Non loin de là se trouve également la belle façade du palais qui hébergea le prince Charles de Lorraine, et ce malgré les assauts révolutionnaires de la fin du XVIIIe siècle et ensuite les grandes transformations qu'a connues la ville durant ces deux derniers siècles. Ainsi s'est maintenu à Bruxelles le souvenir d'une époque où la vie de Cour et la vie artistique furent intimement liées.
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Michèle Galand
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Waltraud Heindl
Bürokratie und Aufklärungskultur
Die Institution Bürokratie war das Lieblingskind der österreichischen Aufklärer, ein malträtiertes Kind zwar, aber doch ihr eigentliches Geschöpf und als solches die Verkörperung aufklärerischer Ideen. Von den Fürsten des aufgeklärten Absolutismus war den Beamten ursprünglich die Rolle der Diener und Gehilfen im Modernisierungsprogramm von Staat und Gesellschaft zugedacht gewesen, eine Rolle, die sie eher zu erfüllen bereit schienen als die alten Stände, denen die altständische Gesellschaft und ihre eigenen Privilegien eher am Herzen lagen als die modernen Ideen der Aufklärung. Von Fürstendienern entwickelten sich die Beamten allerdings unter dem Einfluß der neuen Staatslehren fast überall in Europa zu Staatsdienern. Die Beamten waren das (mehr oder minder) verläßliche Instrument des Staates und zugleich Symbol der modernen Staatsidee. Sie vertraten die Bildungseuphorie der Aufklärung und repräsentierten selbst sowohl die moderne Berufsgesellschaft als auch die gebildeten Intellektuellen der Zeit, die mit der Philosophie des Naturrechts vertraut, mit dem notwendigen Fachwissen ausgestattet und vom Glauben an die entmythologisierten Wissenschaften und den Fortschritt beseelt waren. Der Hofrat der niederösterreichischen Regierung Joseph Sonnenfels, zugleich Professor an der Universität Wien, ist ein treffendes Beispiel für diesen Typus des „neuen" Intellektuellen, Managers und Wissenschaftlers des 18. Jahrhunderts. Die Institution Bürokratie und die in ihr und an ihr wirkenden Beamten mußten als die Protagonisten des aufgeklärten Rationalismus erscheinen. Drei Fragen erscheinen im Zusammenhang mit unserem Thema von Relevanz: Erstens, wie die Beziehimg zwischen den Aufklärungsideen und der Bürokratie, die einerseits nicht wenig zur Popularisierung des aufgeklärten Gedankenguts beitrug, andererseits selbst von diesen Ideen geprägt wurde, im speziellen aussah; zweitens, wie die Folgewirkungen sozialer und kultureller Natur waren, und drittens, wie und in welcher Form und in welchem kulturellen und sozialen Kontext die Begegnung mit dem Genius unserer Tagung stattfand. 1. Die Bürokratie war, wie bereits gesagt, im allgemeinen in ihrer modernen Form eine Kreation des aufgeklärten Absolutismus - ein allgemeines europäisches Phänomen. Sie war ausgebildet mit der Bestimmung, dem Fürsten zu Diensten zu sein, den feudalen, ständig opponierenden Adel in Schranken zu halten und den modernen Staat und die für alle gültigen Gesetze, Verordnungen und Edikte durchzusetzen. In Österreich war es vor allem Joseph II., der der Bürokratie sein besonderes Augenmerk widmete und ihr eine elitäre Rolle im Modernisierungsprozeß von Staat und Gesellschaft zudachte. Bereits als Kronprinz in den sechziger Jahren begann er Bürokratie und Beamte in seine weitgespannten Reformpläne einzubeziehen. Zeugnis dafür sind seine Rêveries, eine Tatsache, auf die Derek Beales aufmerksam gemacht hat. Es handelte sich um eine Sisiphusarbeit, die bis Ende der achtziger Jahre im großen und ganzen tatsächlich vollendet war. Wir können von einem Lebenswerk sprechen, ungeachtet der Tatsache, daß diese „vollendete" Bürokratie zunächst nur auf dem Papier, das heißt den Gesetzen, Verordnungen und Regeln
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Waltraud Heindl
nach, bestand, in der lebendigen Praxis aber beträchtliche Mängel aufzuweisen hatte, wie aus dem donnernden „Hirtenbrief des Kaisers an seine Beamten von 1785 eindeutig hervorgeht, der uns die Unzufriedenheit des ungeduldigen Kaisers und seinen feurigen Zorn auf die lethargischen Beamten spüren läßt (Walter, Zentralverwaltung Nr. 94). Trotzdem: Die Organisationsform - im modernen Sinn - war ausgebildet. Die Bürokratie funktionierte nach Regeln, sie war streng hierarchisch gegliedert, und zwar sowohl nach dem Dienstalter, nach dem seit 1786 eingeführten Anciennitätsprinzip, und nicht mehr nach Geburt und Adelsrang, als auch nach Ausbildung, wobei man versuchte, die Aufnahme in den höheren Staatsdienst ausschließlich an die Absolvierung der juridisch-politischen Studien zu binden, eine Maßnahme, die allerdings erst 1800 voll durchgesetzt werden konnte. Seit Anfang der sechziger Jahre wurde die Besoldung der Beamten in ein festes Gehaltsschema eingebunden, und seit 1781 gab es ein (wenn auch ärmliches) Pensionssystem - auch für Witwen und Waisen. Es handelte sich also um eine fast moderne Institution mit den Kriterien, die Max Weber als Maßstab für eine moderne Bürokratie gesetzt hat (Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 124 ff. und 559 ff.; Heindl, Gehorsame Rebellen, 313-321). 2. Die Bürokratie wurde - obwohl Lieblingskind des Kaisers und seiner aufgeklärten Reformer - schlecht behandelt, schlecht bezahlt und mit viel Strafen und wenig Liebe bedacht. Erstens schon deshalb, weil man es sich kaum anders leisten konnte. Denn der Aufbau eines zentralisierten Staatsapparates verursachte zum Entsetzen Josephs (wie zu allen Zeiten) eine Beamtenvermehrung in einem Parkinsonschen Ausmaß und die Explosion von Verwaltungskosten. Dies mußte vor allem dem sparsamen Kaiser als bedrohliche Entwicklung erscheinen, die bereits dem Kronprinzen Joseph zu einer Reihe von einschränkenden Maßnahmen schreiten ließ. Zweitens aber mußten die Beamten gerade von einem absoluten Herrn in Schranken gehalten werden. Nachdem sie mit Bildimg, Kenntnissen und Wissen ausgestattet wurden, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß bewältigen zu können und in begrenztem Ausmaß auch mit Macht - schließlich hatten sie staatliches Handeln durchzusetzen und staatliche Autorität zu repräsentieren -, stellten sie für den absoluten Fürsten im Staatsgefüge einen nicht ganz kalkulierbaren Faktor dar, der seine Stellung, seine Funktionen und Kenntnisse auch zu selbständigem Handeln, eventuell auch zu unbotmäßigem Rebellentum mißbrauchen konnte. In der österreichischen Jakobinerbewegung, in der eine beträchtliche Reihe von Beamten vertreten war, wurden diese für den Fürsten drohenden Gefahren sichtbar (Wangermann, Joseph II., 153-160; Reinalter, Österreich, 52). Um diesbezüglich Schranken zu errichten, griff man zu dem zu allen Zeiten beliebten Mittel, die Gehälter niedrig, die Pensionen kärglich zu halten und ein rigides System von Disziplinarstrafen für unfolgsame, eigenmächtige oder verschuldete Beamte zu errichten. In der Flugschrift Richters „Warum wird Kaiser Joseph von seinem Volke nicht geliebt?" drücken die Beamten ihren Unwillen darüber in einer nicht sehr unterwürfigen Art und Weise aus (Heindl, Gehorsame Rebellen, 28 f.). In diesem Spannungsfeld lebten und entwickelten sich die Angehörigen dieses neuen Berufsstandes, der sich auch in den höheren Rängen immer mehr aus nichtadeligen Schichten rekrutierte: eine Entwicklung, die von Joseph II. durchaus intendiert war. Die höhere Bürokratie stellte schon im josephinischen Jahrzehnt eine vor-
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wiegend - nämlich in Wien zu fast ca. 80% - bürgerlich besetzte Institution dar (Heindl, Gehorsame Rebellen, 134-179 und 211-220). Die höheren Beamten waren damit eine zahlenmäßig beträchtliche, wenn nicht die größte bürgerliche geschlossene Berufsgruppe, denen es auch sozial und politisch gesehen um bürgerliche Ziele gehen mußte. Sie waren gleichmäßig über die ganze Monarchie verteilt, denn seit den Haugwitzschen Reformen reichte der zentralisierte Verwaltungsapparat bis in die hintersten Winkel des Reiches, und die Beamten waren mit einem gut Teil des gesamten Länderkomplexes der habsburgischen Krone vertraut, denn es gehörte zur Maxime der Beamtenausbildung, die Staatsdiener möglichst viele Ämter und Provinzen kennenlernen zu lassen. Zwei wichtige Konsequenzen resultieren daraus: Die Bürokratie, übergestülpt über diesen inhomogenen Länderkomplex mit politisch und sozial so verschiedenen Strukturen, galt zweifellos als das moderne Element, als der Staat schlechthin, gegenüber den veralteten ständischen Verfassungen der einzelnen „Königreiche und Länder". Sie war neben dem Monarchen im Grund das einzige einigende Band. Selbstbewußtsein einerseits, aber auch Demütigung und Devotion anderseits bildeten den sozialpsychologischen Hintergrund für die Tatsache, daß die Beamten zu den wichtigsten Vermittlern der Ideen der Aulklärung sowie einer neuen Kultur wurden, die wir gemeinhin heute als „bürgerlich" subsumieren, und zwar ausgehend vom Zentrum Wien in Richtung der Peripherie. 3. Voraussetzung dafür war allerdings, daß die Beamten selbst über entsprechende Bildung verfugten. Und dafür sorgten die aufgeklärten Vertreter des Staates (Anton v. Martini, Joseph v. Sonnenfels und Gottfried van Swieten sind als Beispiele anzuführen). Mit einigem Erfolg wurde seit 1752 versucht, die Aufnahme in den höheren Staatsdienst an die Absolvierung des Jusstudiums zu binden (Heindl, Gehorsame Rebellen, 93-134). Die Beamten genossen die Eliteausbildung der damaligen Zeit. Sehen wir zunächst von der maria-theresianischen Ritterakademie ab, die nur von den Sprößlingen des Adels besucht wurde. Das Gros der höheren Beamten hatte, wie bereits erwähnt, die vierjährigen juridisch-politischen Studien zu absolvieren. Diese waren ausschließlich auf die Beamtenerziehung ausgerichtet, vermittelten aber nicht nur die für die Arbeit wichtige Gesetzesmaterie und das technische Know-how des Beamtenberufes wie Briefeschreiben, Einrichten einer Registratur etc., sondern - und das hielten die Aufklärer für den Beamtenberuf offensichtlich für unerläßlich - eine breitere Allgemeinbildung: Zeitweise, im josephinischen Jahrzehnt, wurde Unterricht in österreichischer Geschichte erteilt, womit die österreichischen Aufklärer - bezeichnend für ihren Bildimgsenthusiasmus - patriotische Gefühle zu erwecken glaubten, weiters Unterricht in der deutschen Sprache und vor allem im Naturrecht, dem sie als philosophische Grundlage der Beamtenbildung eine besondere Bedeutung beimaßen. Seit den sechziger Jahren bereits wurde dieses nicht nur an den Universitäten gelehrt, sondern auch in den Kreishauptstädten, die bekanntlich Sammelpunkt der Beamten in den Provinzen waren, veranstaltete man Vortragsreihen im Naturrecht. Der Deutschunterricht der angehenden Beamten aber sollte eine folgenreiche Entwicklung haben. Da im Habsburgerreich Deutsch als eigenes Fach nicht im Gymnasium gelehrt wurde, bildete der Universitätsunterricht im Deutschen die einzige wirklich fundierte Erziehung in der deutschen Muttersprache. Die (Beamten-)Juri-
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Waltraud Heindl
sten stellten somit die einzige größere Gruppe von Gebildeten dar, die zur Sprache eine besondere Beziehung entwickelten, nicht nur zur Amtssprache, sondern auch, wie sich herauskristallisieren sollte, zur literarischen Sprache. Bezeichnenderweise sind fast alle Dichter des Josephinischen Jahrzehnts - Blumauer, Pezzi, Ratschky sind als Beispiele anzuführen - Beamte. Somit waren die Beamten aufgrund ihrer Erziehung geradezu prädestiniert dafür, auch im nichtinstitutionalisierten Bereich der Bildung eine entscheidende gesellschaftsprägende Rolle zu spielen, als einzige größere nichtadelige bzw. kleinadelige Gruppe: Sie waren sowohl Träger der Freimaurerei als auch der nichtaristokratischen Salonkultur, beide, wie wir wissen, Multiplikatoren des aufklärerischen Gedankengutes. Und diese, Freimaurerei sowie Salonkultur, stellen die Kreuzungspunkte dar, an denen die Begegnung Mozarts mit der kaiserlichen Bürokratie Wiens - unvermeidlicherweise - stattgefunden haben mußte. Wir kennen Mozarts gute Beziehungen zur Freimaurerei, nicht nur zu seiner eigenen Loge, sondern auch zur eigentlichen „Beamtenloge" der Zeit, zur „Loge zur wahren Eintracht", in der hervorragende Beamte als Mitglieder inskribiert waren, deren Meister vom Stuhl der berühmte Beamte und Wissenschaftler Ignaz v. Born war und zu der auch Mozarts Vater Leopold gehörte (Heindl, Gehorsame Rebellen, 286 f.; Rosenstrauch-Königsberg, Freimaurerei; Zaubertöne, 329 ff.). Die Salons der Beamten aber stellten wichtige Kommunikationszentren des künstlerischen und intellektuellen Wien dar. Er war zunächst dem adeligen nachgeahmt, entwickelte aber bald eigene - und zwar typisch bürgerliche - Formen (Heindl, Gehorsame Rebellen, 274-286). Daß im josephinischen Jahrzehnt dieser bildungsbürgerliche Beamtensalon bezüglich Fortschrittlichkeit bereits den des Adels überflügelt hatte, können wir den Berichten des aufmerksamen Chronisten des josephinischen Wien, Johann Pezzi, der selbst ein bürgerlicher Beamter war, entnehmen. Pezzi hebt die Rolle der Gesellschaften „der bürgerlichen Räte, Agenten, Doktoren" hervor, die nun begännen, sich „unter allen Ständen am meisten aufzuhellen, welches eine treffliche Wirkung" tue. „Da die Gesellschaften derselben für andere ehrliche, aber ungeadelte Erdensöhne nicht sorgfältig verpalisadiert sind wie jene der ersten Noblesse: so verbreitet sich durch sie", so erzählt uns Pezzi, „die lichtere Denkart auf mehrere Köpfe ... Hier wirkt besonders das Verdienst einiger Damen aus diesen Häusern, die männliche Denkart mit weiblicher Grazie verbinden ... Sie sind Schülerinnen Musarions: Ihr Umgang ist so belehrend und geschmackvoll als reizend; in ihren Häusern vergähnt man die Abende nicht mit elendem Kartengeblätter. Kleine Musiken, vertrauliches Freundschaftsgeplauder, literarische Neuheiten, Räsonnements über Bücher, Reisen, Kunstwerke, Theater ... machen die Unterhaltung aus ..." (Pezzi, Skizze von Wien, 89 f., auch 121). Das war also der „neue" bürgerliche Salon des josephinischen Wien, in dem die aufgeklärten Bürger ihre Erziehimg in den Künsten und in den Kenntnissen der „großen Welt" vervollkommneten und zu dem der Zugang hatte, der über die nötige Bildimg verfügte. Die neue bürgerliche Gesellschaft erkennt ihre Mitglieder an ihren Codes, und das waren die der Bildung (und nicht mehr die der Geburt). Die Musik nahm in diesem Rahmen, besonders in Form von Darbietungen der Einladenden sowie der Eingeladenen, eine hervorragende Stellung ein. Diese Tatsache sollte für die Rezeption von Mozarts Musik in diesen Kreisen eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Das Engage-
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ment eines Gottfried van Swieten, der Hofräte Sonnenfels, Born und Greiner sind nur prominente Beispiele für das Interesse, das die Wiener Beamten Mozarts Musik entgegenbrachten (Zaubertöne, 248,253 f., 329 f. und 334). Die Beamten waren vielleicht nicht kreativ im künstlerischen Sinn, aber sie waren ein Teil des „kreativen Milieus" (Allan Janik), weil sie in hohem Ausmaß sensibel für Bildimg und daher anfallig für die Rezeption von allem künstlerisch Neuen waren schon deshalb, weil sie als bürgerliche Aufsteiger auf soziale Anerkennung angewiesen waren, und diese war mit Kenntnissen der damaligen Moderne verbunden.
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Hamish Marshall Scott
The Problem of Government in Habsburg Enlightened Absolutism
In the fascinating Relazione in which he recorded his insider's impressions of a celebrated visit to Vienna in 1784, the Grand Duke Leopold of Tuscany touched on one of the problems facing his brother, Joseph II. There was, he declared, an insufficient number of officials to cope with the business now handled by the Austro-Bohemian Chancellery, which was badly understaffed [Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Vienna: Familien-Archiv, Sammelbände 16, fo. 110]. Though this particular reduction of personnel had been deliberate policy, Leopold's remarks highlighted a more general problem. This was the extent to which the wide-ranging reforms introduced during the reigns of Maria Theresa and Joseph II were compromised by the inability of central government in Vienna to handle the larger volume of business involved and to implement new policies successfully at the local level. The present paper explores the role of government in the process of reform, a dimension which has been less fully examined in the abundant literature on Habsburg Enlightened Absolutism than might have been anticipated. This is largely due to the existence of a remarkable consensus among modern scholars. The established view is clear enough. The major administrative reforms of 1749, together with the further modifications introduced at the end of the Seven Years War, created a modern unitary system of government for the Hereditary Lands, that is to say the Austrian duchies and the Bohemian provinces: the vast Kingdom of Hungary clearly stood outside the scope of these changes and was only marginally affected by them, as were various other outlying territories, above all Transylvania and the Austrian Netherlands. Only in the 1780s would a determined, though unsuccessful attempt be made by Joseph II to introduce administrative centralisation throughout his territories. Before long, the agencies of government set up under Maria Theresa came to be staffed by a new generation of bureaucrats, educated primarily in law and cameralism and supposedly overwhelmingly middle-class in origin. These men provided a cadre of reform-minded officials and much of the impetus behind particular innovations. This view rests on the assumption that, in the second half of the eighteenth century and especially during Joseph IPs personal rule, the Monarchy's central lands very rapidly became a bureaucratic state (Beamtenstaat): something that is now axiomatic, at least for Austrian scholars (see especially Heindl, 1991). The overhaul of central government was accompanied and completed by a series of linked changes in local administration. Together, these reforms united the Austro-Bohemian territories and made them the core of a great power that could hold its own in the maelstrom of eighteenth- and nineteenth-century international rivalry and would endure until the end of the First World War. The prevailing consensus, however, goes considerably beyond what can safely be assumed in the present state of knowledge and owes rather more to nineteenth- and twentieth-century historiographical fashion than to the realities of eighteenth-century government. Its intellectual parentage is clear. The classic statement and fullest
The Problem of Government in Habsburg Enlightened Absolutism
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exposition is to be found in the writings of the influential Austrian administrative historian, Friedrich Walter. His major work, published in 1938, was Die österreichische Zentralverwaltung in der Zeit Maria Theresias, and his views were subsequently summarised, almost unchanged, in a brief study of the 1749 reforms (Walter, 1958), and in his posthumously-published survey of Austria's constitutional and administrative evolution since 1500 (Walter, 1972, pp. 89-114). This incorporated an established, centralising, German view of the Monarchy, which went back to Alfred von Arneth's great work on Maria Theresa (Arneth, 1863-1879) and was elaborated by the influential study of Ignaz Beidtel (Beidtel, 1896-1898). It was also strongly influenced by a seminal article by the great German administrative historian, Otto Hintze. In the Historische Zeitschrift for 1901, Hintze had published a comparative study, significantly entitled "Der österreichische und der preußische Beamtenstaat im 17. und 18. Jahrhundert". Lightly-footnoted and based on a limited acquaintance with the Habsburg territories, it studied developments through a Prussian lens. Hintze was clear that there were significant differences and, specifically, argued that in the Habsburg Monarchy, absolutism never degenerated into autocracy (as it did in Prussia), mainly because of the role played by the influential Staatsrat (Hintze, 1962, p. 345). But, once made, these distinctions tended to be minimised and even forgotten. Instead emphasis was placed on the similarities between the historical evolution of the two polities. His overarching argument was that the reforms of 1749-1761, and the further changes introduced in the 1780s, created a centralised and absolutist system of government in the Hereditary Lands (Hintze, 1962, p. 322). In this way, Austria was finally brought into the mainstream of European developments during the seventeenth and eighteenth centimes by acquiring an absolutist government and becoming a Gesamtstaat. Hintze's perspectives were adopted by Walter, whose own political sympathies clearly predisposed him to locate Austria's evolution within a larger German context. This has had one particularly important consequence. It has exaggerated the similarities between eighteenth-century Prussia and Austria, and unfairly diminished the very real differences which existed. The Prussian state, especially after the major administrative reforms carried through by Frederick William I (1713-1740), was— and has remained—a by-word for efficient, centralised government. The celebrated General Directory, created in 1723, stood at the apex of the system, and unified an administrative framework which held together the disparate and widely-scattered territories ruled over by the House of Hohenzollern. In this way a perspective that was valid for Prussia came to be applied uncritically to the very different situation facing the Habsburgs. Both dynasties ruled over widely-scattered territories which were at first only united by the ruling family, but even the localism and the distinct political traditions against which the Hohenzollerns struggled paled into insignificance when compared to the diversity of constitutional arrangements, languages, religions, races and cultures to be found within the Habsburg Monarchy, which was not a unified state but a federation of semi-autonomous territories. In this way, Walter came to view "Austria" as a kind of Prussia on the Danube, to play down the sheer diversity of the Monarchy, and to attribute to the mid-century administrative reforms the same crucial importance as the changes carried out a generation before by Frederick William I.
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This perspective was confirmed by two further considerations. Admiration for the Prussian administrative system guided the Habsburg reforms of 1749 (Walter, 1937). The leading figure behind these changes, Count Friedrich Wilhelm Haugwitz, had been inspired by the evident success of the new Hohenzollern government of Silesia, after its seizure by Frederick the Great, and especially by the substantially increased taxation which it was able to collect. The centrepiece of Haugwitz's reforms, the Directorium in Publicis et Cameralibus, was closely modelled on the Prussian General Directory and was also intended to provide unified control over internal policy. The context within which Walter's major work appeared, moreover, also had a Prussian precedent. The series "Die österreichische Zentralverwaltung", which in the 1920s and 1930s opened up the study of Austrian central government, was modelled to some extent on the famous series on the history of eighteenth-century Prussian administration, the Acta Borussica, and also blended detailed monographic studies— such as Walter's own—with substantial volumes of edited documents. In this way, the idea became established that during the second half of the eighteenth century a Prussian-style Beamtenstaat was created in the Habsburg Monarchy. Following Max Weber (the great German sociologist who was an important influence on Hintze), this administrative state has been credited with certain distinct "bureaucratic" characteristics. The most important of these were that there should be a selfconscious set of officials, with defined functions, a clear hierarchy of status, and an ability to work in a regular and routine way. These officials should be recruited through open competition, should have at least some relevant and prior education or training, and should be paid regular salaries, as well as having a right to expect some kind of pension upon retirement. A bureaucracy of this kind was clearly in existence by the first half of the nineteenth century (Heindl, 1991); whether it already existed (as distinct from slowly taking shape) in the final third of the previous century is much more open to question, though this is widely assumed by modern scholars. The picture of Habsburg government painted by Friedrich Walter was blinkered and incomplete, rather than entirely wrong. There was clearly significant progress, especially at the centre, after 1740. These decades did see the emergence of a group of professional career officials, often with a legal background and sometimes from more middle-class origins than the traditional servants of the Habsburg dynasty: this was not, of course, the case where the Kingdom of Hungary was concerned. During the second half of the eighteenth century there was also a considerable expansion in the size of government, with the emergence of administrative rules and practices, and significant progress towards a more bureaucratic kind of administration, at least at the centre. Yet this evolution was more limited than often assumed. This becomes apparent as soon as the size of the administration in Vienna and in the localities is considered in relation to the significantly increased workload now imposed upon it. The remarkable and pioneering study of Professor P. G. M. Dickson, Finance and Government under Maria Theresia 1740-1780 (1987), has rightly been hailed as "the most important contribution to eighteenth-century Austrian history in recent years" (Klingenstein, 1990, p. 155). It has enabled historians to measure with considerably more precision the increase in the number of government personnel during these decades. In 1740 there were some 6,000 officials for the entire central lands of the Monarchy, that is the Austrian duchies, the Bohemian lands and the Kingdom of Hun-
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gary. By 1763—after the major administrative re-organisation of the Empress's reign—the comparable figure was around 10,000, an increase of some two-thirds since 1740. Maria Theresa's later years saw a further small increase in this total, and this was principally due to the need to recruit administrators to govern Galicia, annexed from Poland in 1772 by the First Partition. By 1780, the total number of central government officials in the Habsburg territories in central Europe was around 11,000, a modest total given the extent and diversity of these possessions. These are rounded estimates and include the personnel of the Habsburg Court (between 1,000 and 1,500 over the period as a whole) and the ever-increasing numbers in the Vienna City Bank, which was responsible for tax collection (Dickson, 1987, vol. I, pp. 506310). There may have been a further increase in the administrative establishment during Joseph IPs personal rule, but as yet this has not been reliably measured. Though the expansion of central government after 1740 was significant, it was far short of that required to keep pace with the explosion of administrative activity. This was largely caused by the reform programme itself, and was especially marked between 1765 and 1790. The period of the Co-Regency witnessed the most wide-ranging programme of reforms attempted anywhere in later-eighteenth century Europe, with a series of radical religious, administrative, legal, social, economic and agrarian measures. This was interventionist government on a wholly new scale. The burdens upon officials at the centre and in the localities were further increased by a developing preoccupation with the collection of statistical information, as a search for precise figures became part of administrative culture. By the 1780s, if not earlier, the gathering of such data had become an essential preliminary to the adoption of new policies. One convenient, if inexact, measurement of the ever-increasing burden upon Habsburg officials is provided by figures for the average annual number of published edicts for the German Hereditary Lands (Dickson, 1987, vol. I, pp. 318-319). This grew from a mere thirty-six in the 1740s to ninety-six by the 1770s, and to an astonishing 690 during the 1780s: the decade of Joseph IPs hectic personal rule, during which the total number of edicts was twice that for Maria Theresa's entire reign. This increase can partly be attributed to the tendency, especially after 1780, to produce separate decrees for each territory, in order to reflect and deal with the wide variations in local circumstances to be found throughout the Monarchy. It is also true that the Emperor's edicts were in general rather shorter, an average one page in length, as against perhaps two pages before 1780, though this brevity was not accompanied by any narrowing of aim: on the contrary, the majority of Joseph IPs reforming initiatives were far more wide-ranging than those attempted dining the previous reign. The general point, however, remains valid: there was a considerable quickening of the pace of administrative activity during Maria Theresa's reign followed by an exponential increase during the decade when Joseph II was in sole charge. A similar pattern emerges when figures for the workload of the Lieutenancy Council in Hungary are considered. This implemented decisions taken in Vienna for the government of the Kingdom. During the 1740s, it was on average handling around 2,500 letters annually. In the course of Maria Theresa's reign, there was a fourfold increase in the business transacted, and by the 1770s the Lieutenancy Council was handling over 10,000 letters a year. Yet during the same period, the number of administrative personnel only rose by a factor of some two and a half, from fifty officials to
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122 (Evans, 1990, p. 191). There was a further sharp increase in the early years of Joseph IPs personal rule, when the average annual number of letters being received was over 16,000 in 1781-1783 (Dickson, 1987, vol. I, p. 320). Once again, the workload increased significantly faster than the number of administrators available to handle it, and they in turn complained, sometimes vociferously. Another example of this administrative overload is the way in which the new Staatsrat (Council of State) even as early as the 1760s, when the reform programme was in its infancy, was unable to cope with the massive amount of business referred to it. Throughout the Habsburg government, officials faced an ever-increasing workload, particularly after the Seven Years War, complained about this, and were less and less able—especially by the 1780s—to keep up with the volume of business. These burdens were apparent to contemporaries and on several occasions during these decades were discussed at a high level in Vienna. But what was known at the time as Fielschreiberei (literally "much writing") was deeply ingrained in the administrative culture of the Monarchy, where government was conducted in a leisurely fashion and principally on paper, and little was done to improve the situation, at least before Maria Theresa's death (Dickson, 1987, vol. I, pp. 320-521). The inadequate number of officials to cope with an ever-increasing workload was not simply the consequence of financial exigency, though this was clearly of some significance. The Habsburg treasury was usually short of money, and the army always had a higher priority than the administration, as did the massive interest payments on loans which were a permanent element in the budget after the Seven Years War. Yet there was also evidence of a genuine shortage of suitable potential administrators. This, in turn, reflected the relatively small numbers of qualified professionals to be found in the Habsburg Monarchy, and able and willing to serve in government or as schoolteachers. This especially concerned one leading reformer, the Austrian Chancellor Wenzel Anton von Raunitz (Klingenstein, 1977, pp. 87-89). Kaunitz believed very strongly in the merits of a professional and educated civil service as the mainspring of the reform programme. He rigorously imposed professional standards on his own department, that of foreign affairs, and continually advocated their merits within governing circles in Vienna. The small pool of potential talent, however, could only be increased by education, which alone (Kaunitz believed) could bring about essential changes in the intellectual and cultural attitudes of society at large. A marked improvement in the educational standards of government personnel is apparent during these decades. It was essential in view of the increased and more complex tasks which the administration was being called upon to discharge. But there were real limits upon what could be achieved in a relatively short period of time. Austria's own institutions of higher education, even after the notable reforms at this time, seem to have been unable to produce potential recruits in the numbers now required. Reforming initiatives were periodically delayed and sometimes even failed altogether because of the shortage of specialised personnel. This was an especial obstacle to the educational initiatives of the 1770s and 1780s, which were handicapped by a shortage of schoolteachers, especially at the secondary level. Another well-known example was the problems encountered by Joseph IPs land surveys during the 1780s. These were the foundation of some of the Emperor's most radical agrarian and fiscal
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legislation, but they were for long delayed and eventually were not fully completed, in part because trained personnel could not be found to carry out the necessary surveying. The shortage of trained personnel such as surveyors or accountants was one obstacle to the progress of agrarian reform. The relatively small number of officials available to carry out the wishes of central government and (where necessary) to impose unpopular policies against the resistance of sectional interests was always an important limitation upon the success of enlightened absolutism. The enlarged central administration, moreover, was not always a reliable instrument of the ruler's wishes, as a fully bureaucratic apparatus should have been. On the contrary: there was significant opposition, both latent and overt, within the administration to some of the more radical measures. The religious and agrarian reforms aroused particular controversy and there were opponents and agnostics as well as enthusiasts in government circles. The problem was exacerbated by the incomplete bureaucratic hierarchy within Habsburg administration. The older traditions of collégial government and shared responsibility survived, and this could make the effective exercise of individual authority very difficult (Dickson, 1987, vol. I, p. 527). These problems were especially apparent after 1780, when the flood-tide of Josephine decrees and orders at times threatened to swamp the administration. Joseph II was forever complaining that his officials were dilatory, inexpert and even obstructive (Beales, 1991, p. 11). The Emperor's abrupt and impatient temperament, the radical nature of many of his policies, and his belief that government personnel were subordinates who owed only obedience, rather than advisers who could exercise initiative, were part of the problem. But his frustrations are an important reminder that, in its size and in its operation, central government in the 1780s was not yet a fully reliable and effective instrument of the ruler's will. This was even more the case where local administration was concerned. Walter quite deliberately studied only the central administrative agencies, and his perspective has been surprisingly enduring. This bias, together with his own ignorance of developments at the local level, led him to assume that the mid-century reforms were executed reasonably uniformly throughout the Hereditary Lands. This was no more than an assumption, and it clearly went far beyond the state of knowledge then—or even now. Kaunitz had been much nearer the mark when he pronounced in 1775 that the administrative system of the Habsburg Monarchy was analogous to "an inverted pyramid" and argued that local government could no longer be neglected and required to be thoroughly overhauled (Szabo, 1976, p. 84). We remain surprisingly badly informed about the personnel, structure and operation of local administration throughout the Habsburg Monarchy. Though one or two valuable monographs have been written, these are only a beginning (see especially: Glassi, 1975; Haselsteiner, 1985; Karafiol, 1965; Josupeit-Neitzel, 1986; Quarthal, 1977). The subject of local government dining the second half of the eighteenth century remains in its infancy, and the extent of our ignorance is far greater than often admitted. Extensive and detailed research, based on a full exploration of the relevant archival sources, will have to be undertaken before we can speak with any confidence on this subject. The obstacles to such research are significant, not least the destruction of relevant archival material caused by the Justizpalast fire in 1927 and by military action during the Second World War, but the opportunities are even more apparent
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In the limited space available, only the barest outlines of a highly-complicated situation can be sketched. There was considerable variation from territory to territory in the structure and operation of local government. The sheer constitutional diversity was quite bewildering, and even an elementary knowledge of the distinct arrangements in individual Länder is sufficient to refute the proposition that the Monarchy was—or was even becoming—a Gesamtstaat. In some areas, Vienna's authority at the provincial level could be very real, such as in the Duchy of Milan (Lombardy). Here an extensive remodelling of the local administration during Maria Theresa's reign, and the further and radical reforms introduced after 1780, made Habsburg authority very considerable indeed (Capra, 1984; Grab, 1984). Milan, however, was clearly an exceptional situation. The Duchy was territorially compact and highly urbanised, and the feelings of the local élite did not have to be taken into account to any great extent: indeed, the Milanese patricians actually assisted in the task of reform during Maria Theresa's reign and continued to do so immediately after 1780, until alienated by the Emperor's rigorously centralising policies after 1785. Here the political influence of the traditional rulers, the urban patricians, was not completely ended, even by Joseph II, and their social and economic power remained considerable and important. At the opposite end of the spectrum was the situation in Hungary, whose semi-autonomous status was recognised implicitly by the Kingdom's exclusion from the reforms of 17491761 (Evans, 1990). Here, at least before 1780, Vienna's authority was exercised through, and limited by, the established, traditional agencies of local government, though, of course, the Diet did not meet again after 1764. The Lieutenancy-Council and the all-important counties were dominated by the Hungarian magnates and lesser nobility, who used this power to protect their own privileged position (Csizmadia, 1969). It is often claimed, especially in older studies, that the reforms of 1749 marked the beginnings of "absolutism" in the Habsburg Lands. This verdict is, at best, questionable and in one respect at least it is potentially misleading. A crucial characteristic of European absolutism was the emergence of new-style agents of central government who enforced the ruler's will in the localities, to a greater or lesser extent. The prototype of these "commissaries" had been the royal provincial intendant in seventeenthcentury France. The reign of Maria Theresa, however, saw only a very limited evolution of this kind. Greater uniformity was certainly achieved, mainly through the introduction of Bohemian agencies of government into the Austrian duchies. The powers and duties of the Landeshauptmann and the Kreisamt, as the principal local agents of Vienna's authority were generally styled, were increased, and these officials probably appeared in the countryside in increased numbers. But at times they lacked the authority and the coercive power to impose their wishes, and outside Vienna they were often outnumbered by the officials of the territorial Estates, towns and local lordships (Dickson, 1987, vol. I, p. 308). There appears to be no sharp break in the middle decades of the eighteenth century at the local level, either in formal institutions or in the personnel who staffed them. The familiar generalisation that the reforms of 1749-1761 created the administrative system that would endure until the break-up of the Monarchy at the close of the First World War clearly does not apply to local government. On the contrary, at
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the provincial level the traditional, established mechanisms continued to operate until 1780, and to some measure even beyond, and the time-honoured agencies of local government enforced—or ignored—instructions from Vienna. These bodies, moreover, were dominated by the local nobility of that region, and this could further diminish the responsiveness of this tier of administration to central direction. A new upper layer of central government had been added, but the extent of its influence at times could be surprisingly slight. This was certainly apparent to one leading reformer. In 1771 Kaunitz described the widespread disregard of central government edicts as "the main evil of the Monarchy" and during the next few years pressed for a further administrative shake-up to put this right. His hope was that the powers of the Kreisämter could be substantially enhanced, enabling these key officials to break free from the control of the local nobility and thus provide more effective direction over the gubernia. Their authority was, in fact, increased in 1774 throughout the Hereditary Lands and Galicia, though whether the gains in efficiency were as great as sometimes claimed must be questionable (Szabo, 1976, pp. 82-84, 88,105-107). The personal rule of Joseph II witnessed a determined attempt to increase central authority at the provincial level, partly by the use of new-style administrators. The Emperor had himself studied the operation of an intendancy during his visit to France in 1777, and after 1780 made considerable use of special commissioners or "commissaries" (Kommissäre) who were sent round to check up very carefully on the implementation of official edicts. When the independent authority of the Hungarian counties was suppressed in 1785, commissioners of this kind with very considerable powers were sent to administer the ten districts into which the Kingdom was divided (Csizmadia, 1969, p. 363). Joseph II even made one determined but ill-starred attempt to create actual intendancies. Early in 1787, as part of a wider initiative to centralise government in the Austrian Netherlands, nine intendants were established there. They aroused intense opposition and were withdrawn within two month. The creation of intendancies for the Austrian Netherlands had been proposed by the governor some forty years earlier, at the time of the fundamental reorganisation of 1749, but was then rejected by Vienna after protests by the local élite (Lenders, 1988; Davis, 1974, pp. 98, 229, 231-232, 243). Their introduction in the 1780s highlighted the new tone of government under Joseph II. Maria Theresa had not intervened very actively in the outlying territories (the Austrian Netherlands, Milan, even the Tyrol; and, above all, Hungary). Even within the Austro-Bohemian core of the Monarchy the authority of her government was far from absolute. The Empress had acknowledged these limitations upon her authority, and had sought to make progress by cooperation and compromise. Her reign had seen a slow advance of centralisation over regional and local government. But her son, by contrast, sought to impose and coerce, and soon encountered widespread opposition. The extent to which the beginning of Joseph IPs personal rule marked a real dividing line was also apparent in other ways. The formal, institutional structures, which leave written records and can therefore be studied by historians, were always supplemented and reinforced by less formal networks of authority. Foremost among these was the Roman Catholic Church, which had long been an important supporter of the Habsburg dynasty and on occasion had acted as an unofficial agency of the Vienna government. Though only in Hungary did the Catholic Church have a formal role, it
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was everywhere a potential reinforcement of Habsburg authority. There might not be a priest in every Catholic parish, but there was more likely to be one than an agent of the Habsburg government. Joseph II set out after 1780 to make the Catholic Church an unofficial agency of Habsburg government, decreeing, for example, that official edicts had to be read out from the pulpit on a Sunday: this was the eighteenth-century equivalent of modern mass communications. A second extra tier of authority was provided by the Habsburg army, which could be employed to supplement the efforts of central and local government: as it was on the Josephine land survey in the 1780s. The employment of the army was also considered as a means of increasing administrative control over the Hungarian towns (Csizmadia, 1969, p. 370). These and similar non-institutional dimensions of government in the later eighteenth-century Habsburg Monarchy need to be brought more clearly into focus. Central authority was transmitted to the local level through a matrix of institutional and personal networks, within which continuities were as important before the 1780s as the new structures introduced at mid-century. This continuity was also apparent in the officials themselves. Throughout the Monarchy's central lands the personnel of local government changed remarkably little over the half century after Maria Theresa's accession. The reforms of 1749 briefly brought new men into local government, but this was not sustained. Aristocratic and noble leadership of provincial administration was as complete in the 1770s and 1780s as it had been during the 1740s, before the reforms began (Dickson, 1987, vol. I., p. 385). This does not in itself mean that the authority of central government was limited. There is considerable evidence that, in certain fields of activity, the territorial nobility were willing and even anxious to join in the reform effort. The role of the Estates and of the traditional agencies of government as partners in the programme of Enlightened Absolutism is beginning to be recognised as crucial. There were simply too few royal officials to impose Vienna's will and the new tier of government created at this time exercised often no more than a general supervisory authority. This had one obvious implication for the reform programme: radical measures could not easily be imposed upon a reluctant provincial élite, who usually exerted considerable influence upon local government in their particular region. This became especially apparent during the 1780s when Joseph II embarked on a remarkable series of agrarian reforms, including the abolition of serfdom. These were the most radical part of the Emperor's reform programme, though this has been obscured by the continuing preoccupation of many modern scholars with the religious legislation. The agrarian measures enjoyed only limited success. They were delayed and eventually failed, as has been suggested, partly because of the shortage of trained specialists to carry out the essential preliminary work. Even more important, however, was the enduring influence of the landed élite in government, both in Vienna and in the localities. The shortage of state officials meant that the nobility's active co-operation was believed essential to the completion of the survey, but this was far from being forthcoming. The Habsburg government, in its attempt to complete the work, drafted in the army and employed large numbers of extra officials—up to the remarkable total of 11,500 in Hungary alone—and even members of the peasantry (Dickson, 1991). The failure of Joseph II's agrarian reforms demonstrated the real limitations upon Vienna's authority, even in the late 1780s after a further series of centralising initiatives.
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It exemplifies the final problem surrounding the role of government in Habsburg Enlightened Absolutism, which was a consequence of the shortage of personnel and of the hybrid nature of central government and the weakness of its authority at the local level. This was that the extent of centralisation, even as late as the 1780s, was far less than often assumed. The two tiers of Habsburg administration were unable to integrate fully and equally the many and varied constituent parts of the Monarchy. This highlighted the distinctive political development of the Habsburg Lands during the early modern period (Evans, 1979). Whereas in many European countries there had been territorial consolidation followed by a significant expansion of central authority and especially fiscal power, no such evolution had taken place in the territories ruled from Vienna. The rise of the Austrian Habsburgs since the sixteenth century had been based not on increasing central intervention at the local level but on a partnership between the dynasty and the twin forces of the Roman Catholic Church and the territorial nobilities. In the Austrian duchies and Bohemian lands, as in the Kingdom of Hungary, the secular and ecclesiastical magnates ruled in the name of the Habsburgs and implemented—or circumvented—the instructions which arrived from far-away Vienna. The weakness of central authority had been reinforced by the social and political dominance of the aristocracies and lesser nobilities in the various provinces, by the considerable powers of the individual Estates (dominated by the landed élite), and by the separate legal and administrative systems which each maintained and tenaciously defended. Until the middle of the eighteenth century, such unity as had existed had been provided by the Habsburg dynasty itself, by the army and the Court in Vienna, by the triumphant Counter-Reformation and by a distinctive culture, that of the Catholic baroque. This decentralised polity, and the particularism and provincialism that supported it, had been sustained by the development of separate systems of government for each group of territories, headed by the Austrian and Bohemian chancelleries. Dominated by the respective territorial magnates, these bodies defended their own sectional interests, rather than advancing those of Vienna. This dualistic system of government, within which central authority was far less potent than that of the Estates, had been exposed as ramshackle and unable to support Austria's great power position during the wars of the mid-eighteenth century. It was the principal target for the successive attempts at administrative reform after 1749. Yet the inroads made by the centralising reforms against the established framework were far less substantial than sometimes believed. The second half of the eighteenth century saw the local Estates yielding up some of their authority to the newlyenlarged and increasingly-powerful central government. This was a shift of emphasis, however, rather than a change of direction. Government in the Habsburg Monarchy, up to 1780 and even beyond, remained a blend of old and new, a partnership between the established rulers at the local level and the enlarged, yet far from overwhelming authority of central government. Even at the end of the eighteenth century, centrifugal forces were stronger, and centripetal tendencies weaker, in the Habsburg Monarchy than in most continental states. Though government at the centre and even at the provincial level certainly exhibited some modern characteristics, it was still some distance from the ideal type of a bureaucratic administration envisaged by Max Weber and widely assumed to have existed. Above all, the numbers of administrative personnel were too few to carry out the duties imposed upon them. During the
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1780s, the objectives of the reformers seem to have run ahead of the capacity of the government and its agents to implement them. Undoubtedly the expanded and more powerful administrative system created at this time did much to make possible the reforming achievements of these years, as has frequently been argued. Yet the imperfect bureaucracy at the centre, and continued influence of territorial interests at the local level, also inhibited and limited these same initiatives in a way that has not been sufficiently recognised. A recognition of the weakness of government authority carries with it wider implications for Enlightened Absolutism in the Habsburg Monarchy. The emphasis in recent scholarship on the decisive administrative contribution to reform must be balanced by a corresponding attention to the quite crucial role of personalities. Government in the later eighteenth-century Monarchy remained premodern in important respects. It had not yet been fully "routmised", in the language of Max Weber. On the contrary, government and its activities were still shaped by personalities and by human agency and personal failings. A striking demonstration of the extent to which this was so has recently been provided by a brief study of the Hungarian land survey of the 1780s (Dickson, 1991). That this ran into widespread and successful opposition has long been known. Professor Dickson shows, however, that the whole enterprise was driven forward primarily by the energy and restless activity of Joseph II, who struggled with notable success against the twin forces of administrative inertia and sectional interest, and contributed much to overcoming the considerable practical problems which it faced. The survey was far closer to completion than usually recognised, when it was abandoned in February 1790, a mere nine days before the Emperor's own death. Contemporaries were clear that Joseph II was a ruler of a very different kind than his mother. They expected his accession to be the signal for a series of radical reforms, and in this they were not disappointed. The early years of the personal rule saw the launching of a whole series of radical measures. Contemporaries were also clear that the Emperor was playing the central, directing role in this reform programme (Venturi, 1991, pp. 622 ff.). This also needs to be recognised by modern scholars, who have been too slow to recognise that in important respects Maria Theresa's death was a real turning point in the history of Habsburg Enlightened Absolutism. It gave full, untrammelled authority to one of the most radical reformers of the later eighteenth century. His policies were primarily the outcome of his distinctive views on government and its purpose, rather than the force of abstract ideas. Their implementation owed more to the Emperor's will than to a faceless administrative machine. The initiative succeeded, to the extent that they did, primarily because of the ruler himself. The age of Mozart—and especially the decade he spent in Vienna— was also, and more importantly, the age of Joseph II. I am extremely grateful to Professor Derek Beales (Sidney Sussex College, Cambridge) for generous help and for the reference to Leopold's Relazione. I also thank Professor Roland Mortier (Université libre de Bruxelles), who drew my attention to relevant literature on the Austrian Netherlands.
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Ernst Wangermann
Gesellschaftliche und moralische Anliegen der österreichischen Aufklärung
Ich möchte mit meinen Überlegungen zu einigen gesellschaftlichen und moralischen Anliegen der österreichischen Aufklärung jene Aspekte der österreichischen Aufklärungskultur herausgreifen, anhand derer, wie ich glaube, die Zusammenhänge zwischen sozialpolitischem Umfeld und ästhetisch-künstlerischen Bestrebungen besonders deutlich aufgezeigt werden können. Als ich mich in meinem 1959 veröffentlichten Buch From, Joseph Π to the Jacobin Trials zuerst mit der österreichischen Aufklärung befaßte, war mein vorrangiges Anliegen, die Reformen Maria Theresias und Josephs II. nicht als Ausfluß irgendeiner den Herrschern durch Erziehung oder Lektüre vermittelten Theorie oder Staatsauffassung zu verstehen, sondern als notwendige Folge ihres Bestrebens, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückständigkeit der Habsburger Monarchie zu überwinden (Wangermann 21969,1-4). Obwohl ich an dieser Auffassimg festhalte, interessiert mich heute doch ein anderer Aspekt mehr, nämlich die Tatsache, daß viele Anhänger der theresianischen und josephinischen Reformen das angepeilte Ziel der Überwindung der Rückständigkeit als moralische Herausforderung an alle Staatsbürger vortrugen. Angesichts der enormen Aufgaben, die es zu bewältigen galt, sagte man jeglichem „Müßiggang" den unerbittlichen Kampf an. Die Publizisten der österreichischen Aufklärung ließen keine Argumente zur Rechtfertigung der Enthaltung von praktischer Aktivität in irgendeinem sozialen Bereich gelten. Ihre Kampagne richtete sich in erster Linie gegen die Klöster, vor allem der beschaulichen Orden, in denen die Aufklärer angesichts dieser Enthaltung nur Horte des Müßiggangs sehen konnten. Was immer zur Zeit der ursprünglichen Entstehung der geistlichen Orden eine Abkehr von der weltlichen Gesellschaft gerechtfertigt haben mochte, niemand hätte im Zeitalter dringend notwendiger Reformen das Recht, sich von der Beschäftigimg mit gesellschaftlichen Aufgaben loszusprechen. Der Kampf gegen den „Klostergeist" und die Klostermoral wurde auf einer breiten Front geführt, die von der populären Publizistik der 10-Kreuzer-Broschüren zu den theologischen Studienordnungen der Lyzeen und Universitäten reichte. Die anti-monastischen Publikationen, darunter die satirische Monachologie Ignaz von Borns, sind relativ bekannt, und auf sie braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Ich möchte aber aus der „Anleitung" des theologischen Referenten der Studienhofkommission, Augustin Zippe, zitieren, nach der sich ab 1787 alle Lehrbücher der Moraltheologie für Lyzeen und Universitäten zu richten hatten: Die Klostermoral hat nach ihren Hauptgrundsätzen in der ... christlichen Sittenlehre keine Anwendung, weil sie auf einem willkührlichen irrigen Begriff von der evangelischen Vollkommenheit gebauet ist, die sie auf ein abgezogenes, beschauliches, dürftiges und verächtliches Leben zurückführet ... Die evangelische Armuth besteht nicht darin, daß man freywillig nichts habe, die Früchte der Erde, die man nicht anbauen mag, verzehre, sich der Pflicht, von seiner Hände Arbeit zu
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Ernst fVangermann
leben, begebe, und ein dürftiges, verächtliches Leben führe ... Die Verleugnung der Welt fordert nicht von uns, daß wir die menschliche Gesellschaft verlassen, Einöde suchen, und unser Leben in unthätiger, trübsinniger Betrachtung zubringen (Allg. Verwaltungsarchiv Wien, Studienhofkommission, F. 8, Moraltheol.). Eine analoge Kampagne richtete sich gegen jene Adeligen, die, auf den Lorbeeren ihrer Vorfahren ruhend, nur den standesgemäßen Vergnügungen nachgingen. Diese Adeligen waren die besondere Zielgruppe der moralischen Wochenschrift Der Weltmann. Herausgeber dieser Wochenschrift, die die bürgerliche Verbesserung des moralisch verdorbenen Adels bewirken sollte, war Otto Freiherr von Gemmingen, der Verfasser des damals sehr geschätzten didaktischen Schauspiels Der deutsche Hausvater (Solly 1981, passim). Gemmingen versuchte darzulegen, daß ebenso wie unter dem Klerus auch unter dem Adel ein Korruptionsprozeß stattgefunden und Verderben angerichtet hätte. Ursprünglich wäre der Adel der traditionsreiche Verteidiger des Vaterlandes gewesen aber nach und nach riß ein das Übel, und fremde Sitten, fremde Krankheiten, und aller Welt Thorheiten nahmen Sitz unter dem Adel. Nun steht die väterliche Wohnung leer, und man schwelgt in Städten, verpraßt seiner Unterthanen Brod, und überläßt sie den Bedrückungen habsüchtiger Beamten (4. Stück, 52-53). Da man im Begriff war, die müßigen Mönche zu vertilgen, verdienten die müßigen Adeligen im Prinzip dasselbe Schicksal (12. Stück, 213). Die Vertilgung des Adels war jedoch nicht im Reformprogramm vorgesehen, und der Weltmann mußte Mittel und Wege zu seiner bürgerlichen Verbesserung in Vorschlag bringen. Nun scheint es mir im Zusammenhang mit der Thematik dieser Sitzung besonders bedeutsam, daß Gemmingen bei seinen diesbezüglichen Überlegungen auf die von Shaftesbury herrührenden Gedanken über das Verhältnis von gutem Geschmack und moralischem Verhalten, von Ästhetik und Ethik, zurückgriff (Wangermann 1986, 226-230). Kurz nach Erscheinen des ersten Stückes des Weltmanns erschien in Wien auch eine deutsche Übersetzung von Henry Home, Lord Kames' Elements of Criticism (Zeman 1979, 422 f., wo aber nur die Ausgabe Trattners von 1785 erwähnt wird). Der Weltmann machte seine Leser auf diese Erscheinung mit folgenden Worten aufmerksam: Arbeiten Sie diesem Verfasser nach und Sie werden beständig eine reizende Verbindung der Kritik mit der Moral, des guten Geschmacks mit der Tugend finden. Sie werden sich von der Wahrheit überzeugen, daß eine richtige Kultur der schönen Wissenschaften das Herz bessert: und haben Sie dieß Buch recht verdauet, so bin ich Ihnen Bürge, Sie werden den Weg zu emsthaften Beschäftigungen gefunden haben, werden Ekel für Ihre bisherige Lebensart bekommen, Ihr Leben zwischen Geschäfte und mäßige, anständige Ergözung theilen, und glückliche Menschen werden, wenn Sie aus dem gegenwärtigen Taumel erwachen (5. Stück, 82). Von einer ernsthaften Beschäftigung mit den schönen Wissenschaften und Künsten, gegründet auf der Pflege des guten Geschmacks, glaubte Gemmingen also das Heraustreten des Adels aus seiner standesspezifischen Untätigkeit erwarten zu können. Diese Beschäftigung würde beim Adel das Bewußtsein hervorbringen, daß der Adel „eher Bürger war, als Mitglied dieses oder jenes Standes" (11. Stück, 195), und so das im Weltmann skizzierte Wunschbild vom Adeligen, der stolz darauf war, ein guter und nützlicher Bürger zu sein, verwirklichen helfen (4. Stück, 60). Engster Mitarbeiter Gemmingens bei der Besorgung seiner moralischen Wochen-
Gesellschaftliche und moralische Anliegen der österreichischen Aufklärung
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schrift war Gottfried van Swieten, Spiritus rector des damaligen Wiener Musikbetriebs, der kurz vorher das Amt des Präses der Studien- und Zensurhofkommission übernommen hatte. Laut Aussage eines gut informierten Zeitgenossen war van Swieten der Verfasser vieler Beiträge im Weltmann (Archiv d. Gesellschaft d. Musikfreunde in Wien, Sonnleithner-Akten, Nekrolog für Gottfried van Swieten). Das könnte durchaus auf den oben zitierten Beitrag über Kames' Elements of Criticism zutreffen. Denn in seinen Reformen des österreichischen Unterrichtswesens wies sich Gottfried van Swieten als überzeugter Vertreter der Gedanken Shaftesburys und Kames' aus. Im Jahre 1784 machte er das Studium der Ästhetik und der schönen Wissenschaften, gegründet auf den einschlägigen Werken von Shaftesbury, Kames und Johann Georg Sulzer, zu einem obligaten Teil des philosophischen Studienabschnitts, den alle Studenten vor dem Übergang zu den „Brotstudien" absolvieren mußten (Wangermann 1978, 69 f., 107). Mir sind keine namentlichen Hinweise auf die hier genannten Ästhetiker in der Korrespondenz der Familie Mozart bekannt. Dennoch besteht meines Erachtens überhaupt kein Zweifel, daß Mozart mit deren Gedankenwelt auf Schritt und Tritt in Berührung kam. Gottfried van Swieten vermittelte ihm die Partituren von Händeis Oratorien, deren außerordentliche Popularität nicht zuletzt auf die Bedeutimg zurückzuführen ist, die diese Ästhetiker dem Oratorium als Kunstform beimaßen (Wangermann 1986, 230-253, Wangermann 1994, 285-290). Gemmingen war Meister vom Stuhl der Loge „Zur Wohltätigkeit", in die Mozart im Dezember 1784 aufgenommen wurde. Die Wahl gerade dieser Loge dürfte damit zusammenhängen, daß Mozart Gemmingen schon seit seinem Aufenthalt in Mannheim 1778 kannte (Irmen 1988, 85-114). Das Thema der Ansprache, die der Dichter Friedrich Hegrad anläßlich der Aufnahme Mozarts in die Loge hielt, war ebenfalls - wie konnte es anders sein? die „reizende Verbindung" von Kunst und Tugend, von Harmonie und Liebe: Sie aber, mein Bruder, Liebling eines höhern Genius! Freund der süssesten Muse! Von der gütigen Natur ausersehen, durch seltne Zauberkraft Herzen zu bewegen, und Trost und Erquickung in unsre Seelen zu giessen! Sie werden mit all der warmen Empfindung die Menschheit umfassen, die Sie durch Ihre Finger so wunderbar ausdrücken, die alle die herrlichen Werke Ihrer glühenden Phantasie durchströmt! Ihr Leben wird Ihrer Musik gleichen, ebenso harmonisch und ebenso hebevoll. Sie werden bey jeder Gelegenheit beweisen, wie ähnlich das Gefühl der Seiten [vermutlich: Saiten] mit dem Gefühl der Tugend und Menschenliebe i s t . . . Ihr Talent und Ihr Herz werden zusammen ringen; so wie jenes der Menschheit Lust und Vergnügen schaffte, ... ebenso wird dieses mit gleichem Eifer beschäftiget seyn, durch Freundschaft und Liebe den Menschen zu dienen, sie ohne Ausnahme als Brüder anzusehen, und es ihnen bey jeder Gelegenheit zu beweisen suchen (Hegrad 1785, 2. Bd., 203 f.). Mozarts Vorhebe für Libretti, in denen Freundschaft und Menschenhebe eine vorrangige Rolle spielen; die herausragende Bedeutung, die das Thema: Vergebimg und Versöhnung statt Vergeltung und Rache für ihn hatte; die musikalische Sprache, durch die er dieses Thema artikulierte - das alles zeigt deutlich genug, daß Hegrads Ausführungen Mozarts eigenen ästhetischen Vorstellungen sehr nahe kamen. In der Kantate Maurerfreude (K. 471) hat er diese Gedanken - in der Version des Textautors Franz Petran - direkt vertont:
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Sehen, wie dem starren Froscherauge Die Natur ihr Antlitz nach und nach enthüllet, Wie sie ihm mit hoher Weisheit Voll den Sinn und voll das Herz mit Tugend füllet: Das ist Maureraugenweide, Wahre, heiße Maurerfreude. Mit diesen Worten wurde der Naturforscher Ignaz von Born gefeiert. Aber im Rontext der in Mozarts Kreisen vermittelten ästhetischen Gedanken sollte der Künstler nicht weniger Erforscher der Weisheit- und tugendlehrenden Natur sein als der Mineraloge. LITERATURHINWEISE 1. Quellen Haus-, Hof- u. Staatsarchiv Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission (bis 1791), F. 8 (Moraltheologie), ad 243 ex 1788. Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Wien, Sonnleithner-Akten, Nekrolog für Gottfried van Swieten von Joseph Sonnleithner. GEMMINGEN, Otto Heinrich von (Hg.): Der Weltmann, 3 Bde., 1 7 8 2 / 8 3 . HEGRAD, Friedrich: Vermischte Schriften, 2 Bde., Frankfurt & Leipzig 1785. 2. Literatur IRMEN, Hans-Josef: Mozart - Mitglied geheimer Gesellschaften, Prisca-Verlag 1988. SOLLY, Ingrid: Der Weltmann, Geisteswissenschaftliche Diss, der Universität Wien (Maschinschrift) 1981. WANGERMANN, Ernst: From Joseph II to the Jacobin Trials, Oxford 1959; deutsch: Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen, Wien 1966; 2. Aufl. Oxford 1969. Ders., Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung: Gottfried van Swieten als Beformator des österreichischen Unterrichtswesens 1781-1791, München u. Wien 1978. Ders., „Revolution in Music - Music in Revolution" in: Porter, Boy u. Teich, Mikulás (Hg.), Bevolution in History, Cambridge 1986. Ders., „Ethik und Ästhetik - moralische Auflagen an die schönen Künste im Zeitalter der Aufklärung" in: WANGERMANN, Ernst u. a. (Hg.), Genie und Alltag: Bürgerliche Stadtkultur zur Mozartzeit, Salzburg 1994. ZEMAN, Herbert: „Das Textbuch Gottfried van Swietens zu Joseph Haydns ,Die Schöpfung'" in: ZEMAN, Herbert (Hg.), Die österreichische Literatur. Ihr Profil an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (1750-1830), Graz 1979.
Moritz Csáky
W. A. Mozart und die Pluralität der Habsburgermonarchie
Jeder Versuch, das kulturelle beziehungsweise künstlerische Produkt eines Individuums historisch zu rekonstruieren, wird vor allem auch das politische und das soziokulturelle Umfeld jener Zeit in Betracht zu ziehen haben, in welcher das Individuum lebte. Das heißt, der wissenssoziologische Kontext, in welcher sich eine Persönlichkeit befindet, beeinflußt nicht nur deren Denkweise und Handlungen, er ist folglich auch für ihre nachträgliche Interpretation von Relevanz. Zu Recht wird man annehmen können, daß zum Beispiel ein Künstler des 18. Jahrhunderts mit den künstlerischen und soziokulturellen Codes seiner eigenen und nicht mit jenen einer anderen Zeit zu argumentieren wußte, indem er sich all jener Elemente und Vokabel bediente, die zum kulturellen Instrumentarium seiner Zeit und seines unmittelbaren sozialen Umfelds gehörten, selbst dann, wenn es ihm gelang, diesen zeitlichen beziehungsweise sozialkulturellen Rahmen mit dem, was man Kreativität nennt, zu überschreiten. Er bediente sich der für seine künstlerische Tätigkeit ganz spezifischen Vokabel und brachte damit, wie unterschiedlich auch die jeweilige künstlerische Ausdrucksweise sein mochte, den „Geist seiner Zeit" in die Produktion mit ein. Somit kann sein Werk und dessen Interpretation zugleich auch ein authentischer Zugang sein zu dem für seine Zeit typischen sozialkulturellen Bewußtsein. Mozart deutete diese Zusammenhänge zwischen Kunstschaffendem und Gesellschaft, zwischen Individuum und Zeit, in einem Schreiben anläßlich des Geburtstages seines Vaters Leopold selber an: „Ich kann nicht poetisch schreiben; ich bin kein Dichter. Ich kann die Redensarten nicht so künstlich einteilen, daß sie Schatten und Licht geben; ich bin kein Maler. Ich kann sogar durch Deuten und durch Pantomime meine Gesinnungen und Gedanken nicht ausdrücken; ich bin kein Tänzer. Ich kann es aber durch Töne; ich bin ein Musikus. Ich werde auch morgen eine ganze Gratulation sowohl für dero Namens- als Geburtstag bei Cannabich auf dem Klavier spielen" (Knepler 1991, 28). Abgesehen von der Tatsache, daß ein Künstler weitgehend mit jenen „Materialien" argumentiert, welche ihm in seiner konkreten Lebenszeit zu Verfügimg stehen, die er sich aufgrund seiner intellektuellen Sozialisation angeeignet hat - Mozart beispielsweise argumentierte nicht mit einer musikalischen Formensprache des 19. oder 20. Jahrhunderts, sondern mit jener seiner eigenen Zeit, das heißt des ausgehenden 18. Jahrhunderts -, wirkt sich auch die vom Künstler stets mitbedachte und erwünschte Rezeption durch ein Publikum auf die konkrete künstlerische Produktion aus. Das heißt, indem der Künstler für eine „Öffentlichkeit" im Hinblick auf eine möglichst breite Akzeptanz seiner Werke hinarbeitet, beeinflußt zumindest indirekt auch der intellektuell-kulturelle Horizont dieser „Öffentlichkeit" Form und Inhalt des künstlerischen Produkts. Ein Kunstwerk sollte doch, will es die erwünschte Akzeptanz erfahren, durch die Rezipienten zumindest in seinen wesentlichen Aussagen dekodierbar sein. Diese Akzeptanz durch ein Publikum ist gerade in einer Zeit der zunehmenden Etablierung eines „freien Künstlertums", das sich im Laufe des
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18. Jahrhunderts nicht zuletzt infolge sozialer Transformationsprozesse herauszubilden begann, insofern von besonderer Wichtigkeit, als von ihr nicht nur die Anerkennung des Individuums als Künstler, vielmehr auch das materielle Überleben, das heißt die finanzielle Absicherung des Künstlers abhingen. Will man die Werke, die Mozart während seines zehnjährigen Wien-Aufenthalts (1781-1791) schuf, nicht nur nach werkimmanenten musikalischen Kriterien, sondern in einem umfassenderen kulturellen Kontext interpretieren, muß insbesondere auch nach den konkreten politischen, sozialen und kulturellen Konditionen Wiens und der Habsburgermonarchie im ausgehenden 18. Jahrhundert gefragt werden. Die folgenden Ausführungen sollen einige dieser Zusammenhänge in aller Kürze und nur andeutungsweise benennen. Zunächst wäre festzuhalten, daß der Aufenthalt Mozarts in Wien sich im allgemeinen mit den Herrschaftsjahren Josephs II. deckt, mit einer politisch außerordentlich bewegten Epoche, in der in rascher Folge ganz entscheidende Veränderungen im politischen und sozialen Bereich eingeleitet beziehungsweise durchgeführt wurden. Zwar waren bereits seit den späten vierziger Jahren des Jahrhunderts, noch unter Maria Theresia, wesentliche Reformen initiiert und durchgeführt worden, so zum Beispiel die Universitäts- und Schulreform, die unter anderem darauf abzielte, Bildung der kirchlichen Kontrolle zu entziehen, sie den staatlich-säkularen Zielen unterzuordnen und möglichst weiten Teilen der Bevölkerung die innovativen Bildungsinhalte, die bereits weitgehend von der Aufklärung bestimmt waren, zu vermitteln. Wir wissen, daß vor allem im Staatsrat, dem auch der Thronfolger angehörte, schon vor dem Ableben der Kaiserin, jene weiteren, wesentlichen und zum Teil radikalen Reformen diskutiert worden waren, die dann Joseph II. während seiner Regierungszeit durchführen sollte (Beales 1987). Dies alles hatte zur Folge, daß der „Erwartungshorizont" großer Teile der Bevölkerung bereits unmittelbar vor dem Regierungswechsel auf jenen Wandel vorbereitet und eingestellt war, von welchem man sich die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen, die Veränderung veralteter sozialer Strukturen und insgesamt mehr politische und individuelle Freiheit erhoffte. Kaspar Riesbeck, der in seinem authentischen Bericht über das Josephinische Jahrzehnt auch auf die Jahre vor dem Regierungsantritt Josephs II. zu sprechen kommt, gibt die öffentliche Meinung, in welcher sich die Erwartungen seiner Zeitgenossen spiegeln, mit folgenden Worten wieder: „Sobald Joseph alleine am Ruder der Regierung steht, wird hier eine Revolution geschehen, wodurch die jetzigen Einwohner schon in der nächsten Generation werden unkenntlich gemacht werden. Er ist ein Philosoph im wahren Verstände des Wortes, ob er schon nicht [...] nach den Sternen sieht [...]" (Riesbeck 1790, 55-54). Und nachdem Joseph die Alleinregierung angetreten hatte, vermerkt Riesbeck mit sichtlicher Befriedigung: „Nun sieht man, lieber Bruder, was der Kaiser während seiner Mitregentschaft im Stillen vorgearbeitet hat. Alle Fremden, die hier sind, staunen, wie ruhig eine der größten und schnellsten Revolutionen bewirkt wird. Ein offenbarer Beweis, daß der Monarch nach einem lange überdachten Plane handelt, und schon lange die Materialien zu dem Gebäude in Bereitschaft hatte, welches er nun mit unglaublicher Geschäftigkeit ausführt [...]" (Riesbeck 1790, 252-253). Gerade diese letzte Bemerkung unterstreicht zugleich indirekt auch die Annahme, daß sowohl der zeitliche als auch der gesellschaftliche Kontext der Josephinischen Reformen, oder des Josephinismus insge-
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samt, sich nicht allein auf die zehnjährige Regierungszeit Josephs reduzieren läßL In der Tat erscheint es geboten, den Josephinismus als eine spezifisch österreichische Ausformimg des aufgeklärten Absolutismus im Gesamtzusammenhang jenes Veränderungsprozesses zu sehen, der bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, vor allem im Umkreis damaliger Bildimgsschichten, wie der Beamtenschaft und des Klerus (Klöster), eingesetzt und in den nachfolgenden Jahrzehnten mit stetiger Akzeleration auch eine qualitative Vertiefung erfahren hatte (Winter 1966, Winter 1971, Wangermann 1973). Freilich ist der „funktionale" Charakter (Bodi 1977, 31 ff.) dieser Reformbestrebungen, das heißt die praktische Applizierbarkeit von Reformen und Innovationen in ein vorhandenes politisches System, ein typisches Merkmal dieser österreichischen Aufklärung. Das heißt, Reformen, auch wenn sie den Zeitgenossen als radikal erscheinen mochten, hatten weder einen radikalen humanitären noch einen allgemeinen Selbstzweck, sie wurden vielmehr „von oben", von seiten der Regierung verordnet und gesteuert und hatten somit das Interesse der Konsolidierung des realen politischen Systems stets vor Augen. Die Reformen sollten zu einer „Rationalisierung" (Max Weber) und zu einer effizienteren Handhabung von politischer Herrschaft beitragen, was nicht zuletzt mit Hilfe der Modernisierung der Verwaltung geschah, die mit einer Aufwertung der Beamtenschaft (Heindl 1991) einherging, deren Repräsentanten die Hauptträgerschicht eines aufgeklärten Bürgertums bildeten. Der österreichischen Aufklärung des Josephinismus waren also gewiß auch radikale Inhalte der Aufklärung zu eigen, sie unterschied sich aber von anderen, etwa westeuropäischen (Frankreich) Varianten, in mehrfacher Hinsicht. Erstens wurden ihre Inhalte und die praktische Umsetzung dieser Inhalte „von oben", vom Herrscher beziehungsweise von der politischen Verwaltung „verordnet". Dies Schloß freilich innovative Tendenzen auch „von unten", das heißt von seiten verschiedener Individuen und sozialer Gruppen nicht aus. Unter anderem wäre in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des österreichischen Reformkatholizismus und Spätjansenismus für die Ausformung des Josephinismus hinzuweisen (Winter 1944, Winter 1962, Hersche 1977). Beide sind Entwicklungen, die von der Basis ihren Ausgang nahmen und dennoch zuweilen für die allerhöchsten Entscheidungen maßgeblich wurden. Trotzdem blieb letztlich für die allgemeine Effizienz solcher Initiativen entscheidend, ob sie „oben" akzeptiert woirden und sich - zumeist durch Verwaltungsverordnungen - in gewissen Bereichen Geltung verschaffen konnten. Zweitens wurden radikale Thesen der Aufklärung durch den Josephinismus zumeist entschärft, sie erfuhren, als österreichische Variante durch eine sorgfaltige Selektion und indem sie der staatlichen Kontrolle unterstellt wurden, eine „Domestizierung", die für den praktischpragmatischen Charakter des Josephinismus typisch war. All das, was dem Staat beziehungsweise der Konsolidierung der politischen Herrschaft nützlich erschien, wurde angenommen und flöß in die staatlichen Reformverordnungen ein, und alles, was zu deren Infragestellung oder Gefahrdung hätte fuhren können, wurde abgelehnt, ferngehalten oder zumindest umgedeutet. Die geschickte Entschärfung des zuweilen radikalen Beaumarchaisschen Originals durch die Mozart-Da Ponte'sche Fassung von „Le Nozze di Figaro" ist symptomatisch für eine solche geschickte „Domestizierung" radikaler, systemkritischer Aussagen im Rahmen einer funktionalen Aufklärung des Josephinismus (Csáky 1986). Wenn also nach dem konkreten politischen, sozialen und kulturellen Kontext Wiens
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und der Habsburgermonarchie der achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts gefragt werden soll, dann sollte weniger auf jenen gesellschaftlichen und Mentalitätszusammenhang aufmerksam gemacht werden, der für weitgehend noch immer ständisch beziehungsweise „feudal" strukturierte Schichten der Gesellschaft des Ancien régime typisch war, als auf den eben angeführten Prozeß von Veränderungen, die offiziell verordnet wurden. Sie entsprachen ebenso einem allmählichen Wandel des gesellschaftlichen Bewußtseins, als sie diesen unterstützten und beschleunigten. Als Mozart im März des Jahres 1781 in Wien eintraf, war der Inhalt der Zensurverordnung Josephs II. bereits allgemein bekannt, obwohl sie erst am 11. Juni offiziell verlautbart werden sollte. Die Lockerung der Zensur wurde als eine Verwirklichung von Freiheit verstanden. Freie Meinungsäußerung entsprach nicht nur einem allgemeinen Postulat der Zeit, sie schien auch eine theoretische Grundhaltung der Aufklärung, nämlich die freie und autonome Äußerung von Kritik, praktisch einzulösen. Im dritten Paragraphen der berühmten „Grund-Regeln" vom Februar 1781, auf welchen dann die spätere Zensurverordnung beruhte, heißt es denn auch: „Kritiken, wenn es nur keine Schmähschriften sind, sie mögen nun treffen, wen sie wollen, vom Landesfursten an bis zum Untersten, sollen besonders wenn der Verfasser seinen Namen dazu drucken läßt, und sich also für die Wahrheit der Sache dadurch als Bürge darstellt, nicht verboten werden, da es jedem Wahrheitsliebenden eine Freude sein muß, wenn ihm selbe auch in diesem Wege zukömmt" (Bodi 1977, 49; Mitrofanov 1910, 828). Sowohl die Ankündigung als auch der endgültige Erlaß der Verordnung wurden nicht nur in der Habsburgermonarchie, sondern europaweit als eine wichtige Errungenschaft der Aufklärung gefeiert und ließen Wien als einen Hort von Freiheit und Fortschritt erscheinen. Mozart, der sich bekanntlich mit den aufklärerischen Ideen seiner Zeit zu identifizieren wußte (Puntscher - Riekmann 1982, 50 ff.) und zudem von einem unbändigen individuellen Freiheitsstreben beseelt war, kam gerade zu jenem Zeitpunkt in die Haupt- und Residenzstadt, als dieses „Freiheitsdekret" bekannt und öffentlich diskutiert wurde. Die josephinische Zensurverordnung mag wohl vielleicht - das sei nur hypothetisch angedeutet - mit ein Grund dafür gewesen sein, daß Mozart sich letztlich rasch und leicht dazu entschloß, den engen, autoritären Lebensbedingungen, die am Hofe des Salzburger Fürsterzbischofs herrschten, den Rücken zu kehren und sich für das Wien Josephs II., das heißt für die Freiheit zu entscheiden. Ab der Mitte der achtziger Jahre erfolgte dann freilich eine sukzessive Einschränkung der Meinungs- und Druckfreiheit, als nämlich klar wurde, daß die offene Argumentation mancher Brochuristen, deren Verfasser überwiegend dem aufgeklärten Bürgertum der Beamtenschaft angehörten, ganz offen auch gegen Personen und Einrichtungen gerichtet waren, die den Bestand der gegenwärtigen politischen Herrschaft garantierten. So bemerkte bereits 1782 D. A. Clemens an den sächsischen Minister Stutterheim: „Die Grenzen der Druckfreyheit werden durch den Vorschub des Baron van Swieten als Chefs der Censur immer mehr ausgedehnt; es werden täglich sowohl Grundsätze als Personen angegriffen und scharf beurtheilet, welche ehemals durch die öffentliche Meinung oder das Vorurtheil dafür gesichert waren" (Mitrofanov 1910, 828). Es entsprach in der Tat der Ambivalenz der funktionalen Aufklärung, sowohl Freiräume zu schaffen als auch diese wieder einzuschränken, sobald sie systemgefährdend zu werden drohten. Trotzdem galt das Wien Josephs II., zumindest in den ersten Jahren seiner Regentschaft, als nämlich in rascher Folge
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Zensurfreiheit, Toleranz, die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Beschränkung der Todesstrafe und die Einschränkung des kirchlichen Einflusses - nicht zuletzt durch die Klosteraufhebungen - ausgesprochen wurden, als ein Hort von öffentlicher und individueller Freiheit Eine der Ronsequenzen der freien Meinungsäußerung war auch die rasche Entfaltung einer neuen Öffentlichkeit, welche nicht nur eine, zum Beispiel die bis dahin als offizell anerkannte Meinung zu artikulieren wußte, sondern eine sich stets differenzierende Meinungsvielfalt zum Ausdruck brachte. Dies hatte weiterhin zur Folge, daß auch ein Künstler sich einerseits diese Freiheiten zunutze machen konnte und andererseits in seiner Produktion freier, vielfältiger argumentieren mußte, wenn er Erfolg haben wollte. Das heißt: Das Produkt hatte sich zumindest auch nach jenem Markt zu richten, welcher eine Öffentlichkeit repräsentierte, die das Kunstwerk rezipierte. Es ist daher durchaus verständlich, wenn zuweilen gerade Repräsentanten jener traditionellen Schichten, die bis dahin als Förderer, als Mäzene, als Kunstkenner und Rezipienten galten, sich im Gegensatz zu anderen, neuen sozialen Gruppen nun von manchen Kunstprodukten zunehmend weniger angesprochen fühlten. Damit deutet sich nicht nur eine Differenzierung, vielmehr auch eine „Demokratisierung" der Kunstrezeption und des Kunstgeschmacks an. So bemerkt Johann Graf Fekete in seinem „Esquisse d'un tableau vivant de Vienne" (1787): „Das Wiener Volk macht vielleicht raschere Fortschritte als die herrschenden Klassen. Als unzweifelhaften Beweis dafür will ich Folgendes anführen: Im Nationaltheater ist der dem Stücke und den Schauspielern gespendete Beifall auf den Galerien immer zeitgerechter, als der aus dem Parterre noble und den Logen ertönende. Die dort Thronenden sind immer bestrebt, durch unziemlichen Lärm das Volk daran zu verhindern, seinen Anteil an rührenden, pathetischen oder lustigen Stücken zu nehmen, die es stets besser begreift, als jene, die für Inhaber billiger Plätze nur Verachtung übrig haben" (Fekete 1920,101-102). Mit einer solchen sich zunehmend differenzierenden Öffentlichkeit wurde auch die Sprache des Künstlers differenzierter. Er hatte sich einer Vielfalt von Vokabeln zu bedienen, mittels welcher er nun nicht mehr vornehmlich eine relativ homogene Rezipientenschicht, sondern auch Repräsentanten neuer Schichten erreichen konnte. Der Künstler mußte sein Werk so zu gestalten wissen, daß es vielfaltig rezipierbar sein konnte. Er begann also mit einer Vielfalt solcher Codes zu argumentieren, die für möglichst viele Rezipienten dekodierbar sein konnten. Dies bedeutete in bezug auf das Kunstwerk nicht nur eine reichere, differenziertere Argumentationsbreite, einen größeren Zitatenreichtum, ein Durchbrechen von eindeutigen Stilrichtungen, vielmehr wurde dadurch auch etwas begünstigt, was eine unverzichtbare Voraussetzung für Kreativität sein dürfte, nämlich die Möglichkeit, zwischen einer Vielzahl, einer Pluralität von Variablen zu wählen, gleichsam „gegen den Strich" traditioneller Vorgaben zu argumentieren. Eine sich zunehmend differenzierende Öffentlichkeit, die eine Differenzierung des kollektiven und individuellen Bewußtseins zur Folge hatte, bewirkte also auch eine zunehmende Differenzierung von Stilrichtungen in der Kunstproduktion. Es mag dies ein Phänomen sein, das wohl zu einem der wesentlichen Kriterien der soziokulturellen Entwicklung der Moderne zählt Begünstigt und unterstützt wurde diese Entwicklung also bereits durch die Moderne der josephinischen Aufklärung, durch die Schaffung von Freiräumen, das heißt konkret durch die Ermöglichung von öffentlicher Meinungsvielfalt. Eine solche Meinungsfrei-
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heit implizierte freilich nicht nur die Betonung von Vielfalt im positiven Sinne, sie Schloß naturgemäß auch das stärkere Hervortreten von Gegensätzlichkeiten, von Konflikten mit ein. Im Kontext der funktionalen Aufklärung des Josephinismus bedeutete dies auch den Konflikt mit jenen sozialpolitischen Rahmenbedingungen, welche die vorhandene politische Herrschaft stabilisierten. Seit der Mitte der achtziger Jahre versuchte die Regierung daher dieser systemgefährdenden Krisensituation mit Maßnahmen, mit Verordnungen, entgegenzutreten, welche solche für sie gefährlichen Konflikte beseitigen sollten. Eine dieser Verordnungen war die Sprachenverordnung (1784), mit welcher, anstelle der Sprachenvielfalt in der Verwaltung, eine allgemein verbindliche deutsche Amtssprache eingeführt werden sollte. Joseph von Sonnenfels verfaßte zu diesem Zweck ein Sprachbuch, das bis in das 19. Jahrhundert als offizielles Lehrbuch für Staatsbeamte seine Gültigkeit behielt (Sonnenfels 1784). Mit Hilfe dieser zentralistischen Vereinheitlichung sollte also der Heterogenität, der sprachlich-kulturellen Differenziertheit der Monarchie, zumindest auf der Ebene der öffentlichen Verwaltung, entgegengetreten werden. In der Tat wurde die zunehmende innergesellschaftliche Differenzierung einerseits von jener Differenziertheit nachhaltigst unterstützt, welche in der ethnischen und sprachlich-kulturellen Heterogenität der zentraleuropäischen Region und in der Vielfalt der politischen Traditionen der einzelnen Königreiche und Länder, die der Monarchie angehörten, begründet war. Nach Meinimg des venetianischen Botschafters am Hofe Josephs II. läge gerade in dieser Vielfalt eine Gefahr für die Einheit des Reiches: „Österreich hat, wie aus der letzte Rekrutenzählung hervorgeht, zweiundzwanzig Millionen Einwohner. Würden diese eine Nation bilden, so wären die Kräfte des Reiches viel ansehnlicher; so aber sind es Leute, die durch Sprache, Sitten und Religion einander fremd sind" (Mitrofanov 1910, 255). Diese Heterogenität der mitteleuropäischen Region der Habsburgermonarchie, die, abgesehen von der politischverfassungsmäßigen, ebenso von einer dichten ethnischen, sprachlich-kulturellen und religiösen Pluralität bestimmt war, war nicht nur für die Region im allgemeinen, sondern ebenso für ihre einzelnen Subregionen, die Königreiche und Länder, kennzeichnend. Dies hatte zur Folge, daß deren Bewohner eine Vielfalt von „nationalen" Zugehörigkeiten, multipolare Identitäten aufweisen konnten. Mehr noch als Böhmen oder manche der österreichischen Erblande wies das Königreich Ungarn eine Vielzahl von Völkern, Sprachen und Kulturen auf. Ein Siebenbürger Sachse war zum Beispiel sowohl Mitglied der „natio Saxonica" als auch Siebenbürger, Hungarus und „Österreicher" im Sinne der Zugehörigkeit zur „Monarchia Austriaca", und die Bezeichnung „Ungar" für die Bewohner dieses Königreichs hatte im 18. Jahrhundert noch keineswegs jenen exklusiv nationalen Beigeschmack wie ein Jahrhundert später. So konnte David Czwittinger zu Beginn des 18. Jahrhunderts in seinem „Specimen Hungariae litteratae" mit gutem Recht festhalten: „Während ich in der Wissenschaft von berühmten Ungarn spreche, möchte ich unter diesen nicht nur jene verstanden wissen, welche in engerem Sinne aus Ungarn stammen, vielmehr halte ich es für richtiger, in einem umfassenden Sinne auch alle jene Völker zu verstehen, die dem Königreich Ungarn angehören oder jenem angeschlossen sind, so die Dalmatiner, die Kroaten, die Slawen und die Siebenbürger verschiedener Konfession" (Sôtér - Tarnai - Csetri 1981). Ähnlich argumentierte Péter Bód in seiner „Ungarischen Athena" im Jahre 1766: „Es gibt in der Schar der imgarischen Gelehrten auch solche,
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die ihrer Herkunft nach Siebenbürger Sachsen oder ungarländische Slowaken sind: Auch ihnen kann man die Bezeichnung Ungar nicht absprechen. Denn in fremden Ländern bezeichneten sie sich ja selber auch als Ungarn, durch ihre Schriften trugen sie zum Rume der ungarischen Nation bei und wurden von den Bewohnern fremder Länder auch als Ungarn bezeichnet. Mit ihrem Fleiß haben sie bewiesen, daß sie es sehr wohl verdient haben, Patrioten genannt zu werden" (Sôtér - Tarnai - Csetri 1981, 226). Zu dieser regionalen oder endogenen Pluralität der Monarchie kam, nicht zuletzt aufgrund ihrer europäischen Situierung, auch eine exogene, gesamteuropäische Vielfalt hinzu, die in zahlreichen ethnogenetischen oder Akkulturationsprozessen sichtbar wurde. Hier kam nicht nur Deutsches, infolge der Verbindung mit dem Reich, zum Tragen, vielmehr ebenso Spanisches, Italienisches oder, gerade im 18. Jahrhundert, Niederländisches. Auch wenn sich aufgrund politischer Entwicklungen die Verbindimg zu diesen europäischen Regionen gelockert hatte, im kulturellen Gedächtnis blieben prägende Codes und Elemente dieser europäischen Traditionen erhalten und wurden zu wesentlichen Kriterien einer „österreichischen Kultur" (Csáky 1988/1, Csáky 1991/1, Csáky 1991/11). Die Pluralität der Monarchie wurde zu Ende des 18. Jahrhunderts vor allem in den rasch anwachsenden Urbanen Zentren sichtbar, in denen sich Bewohner der umliegenden Regionen ansiedelten. Dies hatte zum einen Assimilations- und Akkulturaüonsprozesse zur Folge und bereicherte nicht zuletzt auch die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Andrerseits wurden im engen städtischen Bereich Unterschiede besonders sichtbar, die zu Konflikten, Ab- und Ausgrenzungsversuchen, zu Xenophobien und letztlich zu Identitätskrisen führten. Als in der Begleitung Franz Stephans zahlreiche Bewohner aus Lothringen sich in Wien niederließen, hatte dies zwar im Kulturellen zahlreiche Innovationen zur Folge, es wird aber in den sechziger Jahren bereits von einem offenen Lothringerhaß gesprochen (Csáky 1988/11,134). Die regionale und gesamteuropäische Vielfalt wurde besonders in der Haupt- und Residenzstadt Wien wahrgenommen. Zumeist waren es Ausländer, denen diese Tatsache, im Vergleich zu anderen europäischen Städten, besonders auffiel. „Nach dem Essen legte ich mich ans Fenster der Gaststube", berichtet Kaspar Riesbeck, „woraus ich einen großen Teil einer der gangbarsten Straßen dieser Stadt, nämlich der Kärnthnerstraße überschauen konnte. Das Gewimmel ist nicht viel geringer, als das in der Gegend der neuen Brücke zu Paris, und es sieht hier viel bunter aus. Türken, Raizen, Pohlen, Ungarn, Kroaten, und ich glaube auch Panduren und Kroaten und Kalmücken, durchkreuzen auf eine stark abstechende Art den dicken Schwärm der Eingebornen, der sich in unglaublicher Stille durch die Straßen drängt Entweder weiß man hier nichts zu reden, oder man scheut sich laut zu reden" (Riesbeck 1790, 6). Der aus Bayern zugewanderte josephinische Schriftsteller Johann Pezzi weiß über Wien ähnliches zu vermelden: „Was die innere unmerkbare Verschiedenheit der Bewohner Wiens betrifft, in dieser Rücksicht ist es wahr, daß keine Familie ihre einheimische Abstammung mehr bis in die dritte Generation hinaufführen kann. Ungarn, Böhmen, Mährer, Siebenbürger, Steiermärker, Tiroler, Niederländer, Italiener, Franzosen, Bayern, Schwaben, Sachsen, Schlesier, Rheinländer, Schweizer, Westfaler, Lothringer usw. usw. wandern unaufhörlich in Menge nach Wien, suchen dort ihr Glück, finden es zum Teil und naturalisieren sich. Die originalen Wiener sind verschwunden. Eben diese Mischung so vieler Nazionen erzeugt hier jene
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unendliche Sprachenverwirrung, die Wien vor allen europäischen Plätzen auszeichnet" (Pezzi 1923,22-23). Diese endogene und exogene pluralistische Situation hatte zur Folge, daß die Kultur der Städte der Monarchie, insbesondere jene Wiens, weniger homogen waren als die anderer vergleichbarer europäischer Städte, daß verschiedene kulturelle Traditionen gleichzeitig sichtbar wurden, einander beeinflußten und daß sich auch eine „Wiener" Kultur aus einer Vielfalt von Elementen zusammensetzte, die aus verschiedenen Quellen gespeist wurde. Selbst die tägliche Umgangssprache war von solchen Einflüssen nicht frei geblieben, was eine auch nur oberflächliche Beobachtung der Sprache Raimunds oder Nestroys verdeutlicht (Kreissler 1967). Wien war zu Ende des 18. Jahrhunderts eine Stadt, die manchen nationalkulturellen Vorstellungen, die sich damals auszubilden begannen, keineswegs entsprach. Gerade ihre pluralistische Verfaßtheit wurde schließlich zur Ursache jenes großen Mißverständnisses, welchem der Preuße Friedrich Nicolai anläßlich seines Wien-Besuches erliegen sollte. Unter dem Eindruck einer Aufführung des Gluckschen „Orpheus" im Kärntnertortheater mokierte er sich über die Akzeptanz solcher nichtdeutscher Elemente: „Ich habe mich daher sehr gewundert, daß Wiener Dramaturgisten sehr umständlich und sogar mit Eifer und Wärme von französischen Gesellschaften geredet haben. Man lasse das ausländische Schauspiel den Hofleuten, den bei uns wohnenden Fremden, oder wer sonst daran Geschmack findet, denn man muß niemandes Geschmack zwingen wollen; aber kein deutscher Gelehrter, keiner dem deutsche Literatur am Herzen liegt, muß solche ausländische Sachen gleich den inländischen geltend zu machen suchen. In den Wienerischen Dramaturgien wird gewöhnlich von den ausländischen Schauspielern mit einer Wichtigkeit gesprochen, als ob sie auch zur Sache gehörten. Das sollte nicht sein ... Wir werden doch nicht Ausländer werden wollen? In Wien hat man jetzt wieder eine Truppe italiänischer musikalischer Possenspieler, die auf dem sogenannten Nationaltheater die Hälfte der Tage spielen, und den Beifall mit den deutschen Schauspielern mehr als teilen" (Nicolai 1987, 277-278; Martens 1979). Der Zusammenfluß solcher pluralistischer Elemente regionaler und gesamteuropäischer Provenienz wurde für die Bewohner der Stadt, natürlich schichtspezifisch unterschiedlich, mentalitätsprägend. So bemerkte bereits 1777 Wilhelm L. Weckherlin, die Wienerinnen besäßen „das Gefühl einer Neapolitanerin, den Buhlgeist einer Französin, und das Herz einer Deutschin. Dies ist ihre Skitze. Sie kleiden sich nach den möglichsten Gesetzen der Natur. Niemals bedienen sie sich der Kunst, als um die Natur zu verschönern. Die Sultane, die Polonaisen, die Jacquets haben sich viel länger in Wien erhalten, als die Robben à la Duchesse oder à la Tocque [...]. Das Frauenzimmer lernt französisch, wälisch und deutsch sprechen. Wenn es die Situation zuläßt, auch wohl englisch und latein" (Weckherlin 1777, 67-68). Diese multipolare Ausrichtung von kulturellen Identitäten führte in der künstlerischen Produktion zu spezifischen Konfigurationen, zur Adaption, zur Neben- und Gegenüberstellung verschiedenster Elemente und Codes, die dann für die Bewohner, die Rezipienten, in analoger Weise dekodierbar waren. Dieser wissenssoziologische Kontext drückte sich entsprechend auch im Musikalischen aus. Nimmt man noch hinzu, daß gerade die Musik hier eine besondere Rolle spielte, daß es zahlreiche private Musikkapellen gab, dann mögen in der Tat diese pluralistischen Elelemente in der Aufführungspraxis und im Kompositionsstil
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gerade ausländischen Besuchern besonders aufgefallen sein, nicht zuletzt der aus Neapel überkommene „neue Ton": „Die Musiken sind das einzige, worin der Adel Geschmack zeiget. Viele Häuser haben eine besondere Bande Musikanten für sich, und alle öffentlichen Musiken beweisen, daß dieser Theil der Kunst in vorzüglicher Achtung hier stehet. Man kann hier 4 bis 5 große Orchester zusammenbringen, die alle unvergleichlich sind. Die Zahl der eigentlichen Virtuosen ist geringe; aber was die Orchestermusiken betrifft, so kann man schwerlich etwas Schöneres in der Welt hören. Ich habe schon gegen 50 bis 40 Instrumente spielen gehöret, und alle geben einen so richtigen, reinen und bestimmten Ton, daß man glauben sollte, ein einziges übernatürlich starkes Instrument zu hören. Ein Strich belebet alle Violinen, und ein Hauch alle blasenden Instrumente [...]" (Riesbeck 1790, 118). Musikalische Beeinflussungen und Wechselwirkungen hatten zunehmend ihren Ort in einem vermischten, Urbanen Milieu, und wenn auch Auftraggeber und Produzent zunächst an kulturelle Oberschichten gebunden blieben, wurde im Zuge einer funktionalen Aufklärung einerseits soziale Permissivität bewußt gefördert (Redouten, Maskenbälle), andererseits entwickelten sich sowohl durch eine dichtere soziale Kohärenz als durch gesellschaftliche Differenzierungen neue Rezipientenschichten, die zumindest als „quasi-bürgerlich" apostrophiert werden können. „Die Situation Wiens war derjenigen Paris', Londons oder Berlins offenbar auch darin ungleich, daß hier eine unvergleichlich vielschichtige urbane Musikkultur den Boden abgab, auf dem sich der ,klassische' Stil Haydns und Mozarts - als ein sublimer Mischstil - entwickeln konnte. Aristokratie, Mittelstand, Kleinbürger- und Handwerkertum wohnten enger beieinander als in den anderen Metropolen; die Wohnquartiere waren sozial und als Reflex der Tatsache, daß Wien die Hauptstadt eines Vielvölkerstaates war - auch ethnisch weitgehend gemischt. Musik bildete eine soziale Brücke [...] (Finscher 1985,236). Dieses politische und kulturelle Ambiente war jene konkrete Lebenswelt, in welcher sich Mozart nach seiner Übersiedlung in die Kaiserstadt wiederfand. Es bleibt der musikwissenschaftlichen Forschung vorbehalten zu untersuchen, ob diese spezifische soziopolitische und soziokulturelle Situation auch in seinen Werken zu speziellen musikalischen Konfigurationen geführt hat, ob die Hypothese, daß gesellschaftliche Differenzierimg, ethnisch-kulturelle Pluralität, auch auf die künstlerische Produktion einen Einfluß haben und in gewissem Sinne auch Kreativität begünstigen, auch für Mozart zutrifft. In aller Kürze soll zumindest folgendes festgehalten werden: In der Tat argumentierte Mozart mit den musikalischen Vokabeln seiner Zeit, in welchen synchrone und diachrone europäische musikalische Elemente gleichermaßen präsent waren. Er argumentierte aber auch mit spezifischen musikalischen Codes der zentraleuropäischen Region, der Habsburgermonarchie. Zahlreiche sogenannte „Exotismen", wie die Verwendung „türkischer" Elemente bei Mozart, die im kulturellen Gedächtnis Mitteleuropas einen gesicherten Platz haben, verdanken sich in Wahrheit einem regionalen (endogenen) musikalischen Arsenal. Es wäre festzuhalten, daß „den türkischen Kolorit bestimmende Elemente nicht unbedingt auf original türkische rückführbar sind, sondern auch imgarische oder sogar italienische Herkunft aufweisen. Das Türkische in der Wiener Klassik ist also vielmehr eine exotisierende Reflexion des orientalischen Einflusses, indem sie mit anderen lokalen musikalischen Idiomen Mitteleuropas eine Synthese eingeht"
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(Fïorioli 1988). Horst Reichenbach hat in seiner Arbeit über das Populare bei Mozart den sogenannten Exotismen ein eigenes Kapitel gewidmet (Reichenbach 1975, 98 ff.). Er konnte nachweisen, daß gerade durch den Filter sogenannter türkischer Motive gesamtregionale Bezüge deutlich würden, etwa schon im Ballett „Gelosie del Seraglio" (1772, KV Anh. 109): Die Grundlage wäre französisch, daneben klänge aber auch österreichische, böhmische und ungarische Volksmusik an: „Szabolcsi zitiert zwei Melodien der Ballett-Nummern 22 und 23, in denen ein Typ der ungarischen und böhmischen Tanzmusik des 17. und 18. Jahrhunderts erkennbar ist" (Reichenbach 1975, 99). Mozart mußte diese Tanzmusik, nicht zuletzt den ungarischen Verbunkos, schon seit seiner Kindheit gekannt haben (Eintragung in sein Notenbüchlein); er hatte ja mehrfach in Begleitung seines Vaters Wien besucht, wo Zigeunerensembles für die Verbreitung „imgarischer" Tänze sorgten; des weiteren verkehrte er mit dem 1762 aus Großwardein in Ungarn nach Salzburg zurückgekehrten Michael Haydn und Ditters von Dittersdorf, die beide den imgarischen Verbunkos kannten und auch in ihr musikalisches Schaffen aufnahmen (Szabolcsi 1956, 218; Dobszai 1984,218). Schließlich möge nur mehr angedeutet werden, daß der spezifische sozialpolitische Wandel zur Zeit des josephinischen aufgeklärten Absolutismus in manchen der großen Opern Mozarts seine Artikulation und Reflexion erfahren hat, so, wie bereits erwähnt, im „Figaro" oder später im „Titus". Die eingangs formulierte Hypothese, daß der politische, der gesellschaftliche und der kulturelle Kontext für eine künstlerische Kreativität von besonderer Bedeutung ist, sollte mit diesen kurzen Ausführungen freilich nicht zwingend nachgewiesen werden. Vielleicht konnte aber dennoch gerade im Zusammenhang mit der Reflexion über das musikalische Schaffen Mozarts in Wien in manchen Bereichen und durch einige Beispiele deutlich gemacht werden, daß für ein tieferes Verständnis der musikalischen Gedankenwelt eines Komponisten wie Mozart der Bezug auf das konkrete sozialkulturelle Umfeld von ebenso großer Bedeutung gewesen ist, wie die Verpflichtimg gegenüber einer gesamteuropäischen musikalischen Tradition. Der politische Kontext von Mozarts Wiener Jahren war geprägt gewesen von den Josephinischen Reformen, das gesellschaftliche und soziokulturelle Ambiente war die Haupt- und Residenzstadt Wien, in welcher sich nicht nur ein beschleunigter sozialer Wandel, vielmehr die pluralistische Verfaßtheit der Habsburgermonarchie widerspiegelten. Es wäre erstaunlich, sollte das Œuvre Mozarts von solchen spezifischen Konditionen unbeeinflußt geblieben sein. LITERATURHINWEISE
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István Fried
Polikulturalität in Ungarn im Zeitalter Mozarts
Als „Europa im kleinen" bezeichnete Johann von Csaplovics (1780-1847) das Ungarn am Anfang des 19. Jahrhunderts. 1 Jener Autor, der seinen slowakischsprachigen (tschechische Bibelsprache) Gedichtband als Jan Caplovic2, seine ungarischsprachigen ethnographischen, statistisch-juristischen Abhandlungen als János Csaplovics signierte.3 Das war im 18. und 19. Jahrhundert bei weitem keine Ausnahmeerscheinung; die Mehrsprachigkeit und das Bewußtsein der Polikulturalität war in Ungarn von entscheidender Bedeutung, wo mehrere Völker nicht nur nebeneinander, sondern in ständiger Berührung miteinander, sogar vermischt leben. Das spürten vor allem jene jungen Leute, die zum Schulbesuch in eine andere Stadt, von ihrer Heimat entfernt, kamen, und wurden sich dessen bewußt, daß ihre kulturelle Welt als Erbe verschiedener Traditionen entstanden war. Hier können wir - vor allem - von der muttersprachlichen Tradition sprechen, die nicht imbedingt aus der Folklore abgeleitet werden kann (wenn auch von dort Impulse kommen können), von dem im 18. Jahrhundert als Sprache der Kirche und der Wissenschaft und zum Teil auch der Dichtung anerkannten Latein, das die Antiquität und die internationale Wissenschaftlichkeit gleichermaßen vermittelt haben dürfte, von der Rolle anderer im Lande gesprochener Sprachen (und anderssprachiger Kulturen) neben der Muttersprache, die die neuen literarisch-ästhetischen Bestrebungen im Bewußtsein der Autoren zu adaptieren hilft. Zu diesem Kreis können wir auch den Besuch ausländischer Universitäten zählen (die ungarischen Reformierten gingen in die Schweiz, manchmal auch nach Holland, die Evangelischen anfangs nach Halle und Tübingen, dann nach Jena, Göttingen, besuchsweise nach Weimar, viele Katholiken kamen nach Rom), viele Vertreter der ungarischen Aristokratie wohnten in Wien; ein Graf Pálffy oder ein Graf Koháry errangen als Theatermäzene einen bedeutenden Platz in Wiens Kulturgeschichte. Das nach der langen türkischen Besetzung befreite, mit Kolonisten besiedelte Ungarn entwickelte relativ schnell sein kulturelles Gesicht, für das die Vielfalt, die Geschichte und organische Einfügung der ausländischen kulturellen Erscheinungen in die imgarischen Überlieferungen bezeichnend war. Im 18. Jahrhundert war die Sprache noch nicht das entscheidende Kriterium der Zugehörigkeit zur Nation, in den sich nebeneinander entwickelnden muttersprachlichen Literaturen tauchen hier und da Autoren auf, die sich nicht nur einer einzigen Literatur verpflichten, sondern, in mehreren Sprachen schreibend, dichterische Wendungen und Themen von der einen zur anderen übertragen oder gemischtsprachige, sogenannte Makkaroniverse verfassen. Das entspricht der vielhundertj ährigen Tradition der „handgeschriebenen
Johann von: Gemälde von Ungern. 1 . - 2 . Teil. Pesth 1 8 2 9 . Jan: Slowenské versse. Pest 1 8 2 2 . 3 CSAPLOVICS, János: Ethnographiai értekezés Magyarországról [Ethnographische Studie über Ungarn], Tudományos Gyujtemény 1822. Cs. war Mitarbeiter der ungarischsprachigen Zeitungen Hirnök, Századunk, Magyar Kurir. 1
CSAPLOVICS,
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CAPLOVIC,
Polikulturalität in Ungarn i m Zeitalter Mozarts
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Liederbücher"4, denn in diesen nicht im Druck erschienenen, beliebte Lieder enthaltenden Büchlein stehen deutsche, slowakische, rumänische, serbische und kroatische Lieder friedlich nebeneinander, der größte Teil des Materials in diesen, in Ungarn verwahrten handgeschriebenen Büchern ist natürlich in ungarischer Sprache geschrieben. Das musikalische Material ist gemischt, kann aus verschiedenen Gegenden stammen. Die Selbstcharakterisierung eines slowakischen Historikers (Juraj Papanek, 17381802), der über „slawische" Geschichte geschrieben hat, gibt genau den Grad des „patriotischen Bewußtseins" an und auch, was der Bürger eines mehrsprachigen Landes von den Komponenten des Nationalbewußtseins für wichtig hält: „Non ego me nativitate Slavum, sed noveris educaüone Germanum, nobilitate Hungarum, actuali officio curae animarum Illyrum esse .. ."5 Der Faktor der Geburt, der Muttersprache steht wegen der Chronologie an erster Stelle, denn sowohl die Sprache der Grundausbildung als auch das Bewußtsein der Zugehörigkeit zu Ungarn sind nicht weniger bestimmend. Und da er als Seelsorger in Südungarn tätig ist, kann für ihn auch das Illyrische nicht gleichgültig sein. An anderer Stelle veranschaulicht er das allgemeine Hungarus-Bewußtsein vor der Zeit des sprachlichen Nationalismus: „Minus, qui Patriae indlscretus amator, forem, non enim ubi nascor, sed ubi pascor Patria mihi.. ."6 Es wäre kaum überzeugend, wenn das Ungarn des 18. Jahrhunderts als Idylle, als Paradies von Nationen und Nationalitäten geschildert würde. Es handelt sich lediglich darum, daß die Zugehörigkeit zur Nation viel eher von der Regierung, vom geographischen Gebiet und nicht zuletzt von den identischen Privilegien bestimmt wurde. Das ist der Grund dafür, daß der die Geschichte der Slowaken aus Daten und Legenden rekonstruierende slowakische Historiker seine ungarische Nobilität betont Und deren Sprache war nicht das Ungarische, sondern das Latein, in dieser Sprache wurde in den Romitatsversammlungen und im Landtag gesprochen7, in lateinischer Sprache wurden die Gesetze und die Prozeßakten verfaßt, diese Sprache wurde in den Schulen gelehrt. Daneben spielte auch die jeweilige Muttersprache keine geringe Rolle, wenn sie im 18. Jahrhundert auch jeweils aus dem offiziellen Leben verdrängt waren. Es muß bemerkt werden, daß das Lateinische nicht unbedingt ein Zeichen der Absonderung und des Mangels an Nationalitätsbewußtseins war. In lateinischer Sprache waren jene epischen Dichtungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts abgefaßt, die mit ihren Themen das ungarischsprachige Epos der Landnahme vorbereiteten. Im 18. Jahrhundert erarbeitet die lateinische Dichtung in Ungarn zum guten Teil jene Variationen und Terminologien, die vom Ende des
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STOLL, Béla: A magyar kéziratos énekeskônyvek és versgyújtemények bibliographiája. [Bibliographie der ungarischen handschriftlichen Gesangbücher und Gedichtsammlungen] 1565-1840. B u d a p e s t 1963.
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PAPANER, Georgius: De regno, regnibusque Slavorum [...] Quinqué Ecclesiae 1780. Prooemium. Ebenda. BÄK, János M.: Zum mittelalterlichen Hintergrund der Latinität des ungarischen Adels. In: Sprache und Volk im 18. Jh. Hg.: Hans-Hermann BARTENS. Frankfurt am Main — Bern 1983» S. 41-48.
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István Fried
18. Jahrhunderts ab in den partriotischen Oden der ungarischsprachigen Dichtung wiedererklingen werden. Gesondert müssen wir über die Theater- und Schauspielertruppen sprechen. 8 Als Vorläufer des Ende des 18. Jahrhunderts erscheinenden ungarischsprachigen Theaterspiels können die deutschen städtischen und Wandertruppen angesehen werden, die in vieler Hinsicht ein Vorbild lieferten für die Bearbeitung ungarischer historischer Themen. In die deutschen Truppen in den Städten kamen Gastschauspieler aus Wien, Prag, Brünn, Lemberg usw., in den Orchestern ergänzten Musiker aus Böhmen und Mähren die örtlichen Ensembles; bezeichnend für die deutschen städtischen Theater war im allgemeinen, daß ihre Mitglieder aus dem Gebiet der Habsburgermonarchie kamen. Die Musiker, die sich hier niederließen, brachten neben der deutschen Sprache auch die Liederwelt, die Musikkultur ihrer Heimat mit, und sie vermochten deren Kultivierung mit der Entdeckung der ungarischen Musik und den Bestrebungen zur Herausbildung eines ungarischen musikalischen Stils in Einklang zu bringen. Der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Pest-Ofen tätige Dirigent Vincenz Ferrerius Tucek (1755-1820) zum Beispiel nahm das Thema einer seiner Opern aus der tschechischen Geschichte und schmückte sie mit slawischen musikalischen Motiven, in eine seiner Rompositionen aber schmuggelte er die Klänge des Rákóczimarsches. Beim Sprechtheater möchte ich den vermittelnden Charakter der ständigen Repertoirestücke hervorheben. Kotzebues Stücke mit ungarischer, tschechischer oder eben russischer Thematik hatten nicht nur in- und außerhalb der Habsburgermonarchie große Erfolge, sie nuancierten auch weitgehend das Bild, das man sich von Ungarn, Tschechen oder Russen machte. Im 19. Jahrhundert wird dann das Programm der nationalen Kultur im politischen und alltäglichen Sinne Wirklichkeit, obwohl die Mehrsprachigkeit und die Polikulturalität zu einer auch die Monarchie überlebenden differentia specifica gerade der Städte der Monarchie werden wird. Dessenungeachtet scheinen die von Grillparzer verdammten Kämpfe zwischen Nationen und Nationalitäten diese Polikulturalität zu vergessen und vergessen zu lassen. Es ist eine vielsagende Tatsache, daß der bedeutendste Schriftsteller der imgarischen Romantik, Mor Jókai (1825-1904), das lateinsprachige 18. Jahrhundert als „rückwärtsgewandte Utopie" charakterisiert, obwohl er die Handlung seines Romans ebenfalls in eine vielsprachige Landschalt, in den Kaukasus verlegt: „Und wodurch werden alle diese verschiedenen Völker zusammengehalten?" „Gerade durch ihre Verschiedenheit. In der eignen Gruppe bewahrt ein jeder seine Ursprache, seine Tracht und Gebräuche. Die Regierung aber bedient sich einer gemeinsamen Sprache, die von allen angenommen werden, da sie niemanden angehört, und das ist das lateinische. Gesetzgebung, Handel und Verkehr bedienen sich dieses Idioms [...] Ueberall ist das reichste Wohlleben anzutreffen. An den durch den Staat erhaltenen Universitäten wird natürlich die Staatssprache, in den Volksschulen die Muttersprache unterrichtet [...] Jedermann arbeitet und lernt, die dreihundert Volksstämme setzen einen nationalen Stolz darein, ein je größeres Wohlleben zu ent8
KÁDÁR, Jolán: Geschichte des deutschen Theaters in Ungarn. 1 Bd. Von den Anfangen bis 1812. München 1933; Magyar színháztorténet. [Geschichte des ungarischen Theaterwesens] 1 7 9 0 - 1 8 7 3 . Red.: Ferenc KERÉNYI. Budapest 1 9 9 0 .
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wickeln, sich gegenseitig in geistigen Fortschritten zu überbieten. Ihre Friedfertigkeit birgt keine Gleichgültigkeit, sondern einen edlen Wettstreit."9 Zum Schluß ein Zitat eines Zeitgenossen, von Gregor Berzeviczy (1765-1822), der in der Latinität die völkerverbindende Kraft des Vielvölkerstaates gesehen hatte: „In Ungarn ist die lateinische Sprache eine constitutionelle (...) da so viele Völcker, Nationen, Sprachen in Ungarn sind, so ist diese Idee ganz natürlich, die lateinische Sprache zur Staatssprache gemacht zu haben. Aber nicht für Ungarn allein, für die ganze österreichische Monarchie scheint diese Idee passend zu sein. Italien, Illyrien, Croatien, Slavonien, Ungarn, Siebenbürgen, Galizien, Mähren, Böhmen, Oesterreich könnten mit keinem füglichen Sprach-Bund umschlungen werden als mit jenem der lateinischen Staatssprache .. ."10
9
Auf höheren Befehl. Roman von Maurus JÓKAI. Deutsche Bearbeitung von Ludw.[ig] Wechsler. Leipzig 1888, S. 178,183. 10 BALAZS, Éva H.: Latinität als Charakteristikum des Adels im Osteuropa. In: Sprache und Volk... op. cit., S. 58-59.
JiHFukac
„Nationelles" (Populares) - Musik Zur Pluralitätsproblematik der Musikkultur in den böhmischen Ländern um 1800
Um 1800 stellte die Musikkultur der böhmischen Länder ein spezifisches soziokulturelles System dar, dem viele Züge der endogenen sowie exogenen Pluralität eigen waren. Es machten sich da Auswirkungen einer qualitativ neuen ethnonationalen Differenzierung geltend, und man berief sich dabei auf die „Stimmen der Völker", das heißt auf Musikidiome, die den Grundschichten real oder scheinbar nahestanden. Derartige Differenzierungsvorgänge entsprachen zwar jenen soziokulturellen Tendenzen, die das Musikleben eines viel breiteren Raums determinierten, nämlich der Habsburgermonarchie und darüber hinaus des gesamten mitteleuropäischen (anders ausgedrückt: deutschsprachigen oder aufs Deutsch als Fach- bzw. Kultursprache irgendwie angewiesenen) Terrains, unter den böhmischen Umständen gewannen sie allerdings an besonderer Klarheit und Brisanz. Natürlich hat es in diesem breiteren Terrain bestimmte typologisch ältere musikalische Pluralitätsmodi schon wesentlich früher gegeben, die manchmal just in ihrer kulturpragmatischen Verquickung reflektiert wurden, wobei sich als Medium der Reflexion sogar die Aussagekraft der Musik selbst zu bestätigen wußte. Auf solch eine musikalisch hörbare Weise kam das spezifisch mitteleuropäische Pluralitätsbewußtsein in den der Kaiserin Eleonore gewidmeten Huldigungsvariationen „Aria Allemagna con alcuni Variazioni sopra l'Età della Maestra Vostra" (1677) des Wiener Hofkomponisten Alessandro Poglietti (übrigens eines Musikers, der in Kontakt mit der mittelmährischen Region Haná stand) zum Ausdruck, wo uns Stücke wie „Böhmischer Dudlsackh", „Hanacken Ehrentanz", „Polnischer Sablscherz" und „Ungarische Geigen" auf die regional-ethnische Buntheit des gesamten Raums, darunter auch auf die zur Kenntnis genommene Musikspezifik Böhmens und Mährens verweisen (Stöhr 1921, 179 f.; Ceskoslovenská vlastivëda, 1971, 92). Im 18. Jahrhundert wurde dann das als „Hanackisch" benannte Musikidiom zu einem der barocken „Nationalstile" (bzw. zur Komponente des frühklassischen „vermischten Geschmacks"), und zwar sogar außerhalb der immittelbaren Habsburger Machtsphäre, wie dies Telemanns Werke und Reichhardts theoretische Überlegungen beweisen (Fleischhauer 1968,182 f.; Reichardt 1976,136 f.; Trojan 1985, 31 f.). Was den eigentlichen böhmischen Kulturkontext angeht, so manifestierte sich da schon im Jahre 1699 die Bemühung, differente Idiome „vermischt" zu verwenden, bei dem Prager Komponisten Nikolaus Franz Wentzely, der seine Sammlung „Flores verni" als „opus Musicum stylo Germanico-Boemico, non-nihil tarnen florido, adornatimi" (Smolka 1989, 26) charakterisiert hat (vermutlich ging es um eine spezielle Anwendung homophoner sowie kontrapunktischer Verfahren). Sonst machten sich in der Musikproduktion Böhmens, Mährens und österreichischen „Restschlesiens" ganz natürlich Vertonungen tschechischer wie deutscher Texte geltend; man versuchte auch die Gattung Singspiel sprachlich zu tschechisieren, und auf die Idiomatik der in den
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böhmischen Ländern vorhandenen (sowohl der slawischen als auch der deutschsprachigen) Musikfolklore reagierten am direktesten nebst den sogenannten „Pastorellen" (auf die „allösterreichische" Dimension dieser Gattung haben Autoren wie Chew, 1968, und Berkovec, 1987, aufmerksam gemacht) zahlreiche kleine, vom Singspieltypus grundsätzlich abweichende und völlig rustikalisierte tschechisch gesungene Opern (auch „Operetten" genannt), die mit dem Kloster- oder Dorfmilieu verknüpft waren (heute bezeichnet man sie in der tschechischen Fachliteratur als „ceské zpëvohry"; Trojan 1981,1-2). Dennoch waren solche älteren, ethnisch und lokal determinierten Differenzen am Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr fähig, das kultlurelle Pluralitätsbewußtsein weiter zu fordern. Zu einer qualitativ neuen, dem heranwachsenden modernen Nationalidentitätsgefühl entsprechenden kreativen Ausnützimg realer Typen der tschechischen (bzw. auch deutschböhmischen ethnischen) Musik konnte es erst auf der Basis der Nationalmusik und auf Grund der folkloristischen Sammlertätigkeit kommen (am frühesten in der Vormärzepoche, konsequent erst seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts). Gerade vor und auch nach 1800 haben sich nichtsdestoweniger bestimmte Keime des künftigen DifFerenzierungsvorgangs konstituiert, wobei sich diese Tendenz stärker in der Ebene musikbezogener kognitiver und wertender Akte als im Musikschaffen selbst durchsetzen konnte. Die Situation läßt sich folgendermaßen beschreiben: 1. Auf der Basis des Josephinismus hat sich in den böhmischen Ländern das österreichische aufklärerisch-absolutistische Konzept als dominierende Ideologie durchgesetzt, die „von oben" durchaus paternalisüsch, zentralistisch, ja bürokratisch den Gesellschaftsorganismus ändern wollte. Die sowieso schon minimalisierten Ansprüche des böhmischen Staatswesens wurden so weiter reduziert Böhmen und Mähren, nach 1760 noch rege Zentren der allösterreichischen Aufklärung auf dem wissenschaftlichen sowie künstlerischen Gebiet, wurden unter diesen Umständen immer deutlicher - natürlich vom gesamtösterreichischen Gesichtspunkt betrachtet - zu periphären Basteien lokaler Geschehnisse (Fukac 1990,144 f.). Nicht ganz ungünstig war aber solch ein Klima für das universitäre ästhetische Denken, wie es sich in Prag seit 1763 auch zugunsten der kognitiven Bewältigung der Musik entwickeln durfte, und für die heimatkundlichen kunstgeschichtlichen Reflexionen, repräsentiert z. B. durch G. J. Dlabacs „Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theil auch für Mähren und Schlesien" (Prag 1815). Just so konnte man nämlich seine eigene Spezifität am wirksamsten artikulieren (Vit 1987, 20 f.). Zugleich fehlte es in der ausländischen (darunter auch der deutschen) Musikpublizistik nicht an Anerkennungen der böhmischen Musikeigenart: Nach der von Charles Burney formulierten Aussage über die Musikalität der Böhmen (1772) waren es vor allem die bekannten Worte Schuberts, die die ästhetische Qualität des böhmischen „Geschmacks in der Musik" positiv einschätzten. (Nach Schubarts Meinung war auch der „böhmische KammerstU", eine offensichtlich durch die Interpreten böhmischer Herkunft geschaffene Qualität, „unstreitig der schönste in der Welt"; Schubart 1977, 86.) In den einheimischen Deutungen des eigenen Kulturgutes setzte sich daher als Reaktion auf derartige Aussagen eine spezifische, zum Teil gegenaufklärerische Tendenz durch: man idealisierte das Aufblühen der Künste (vor allem der Musik) in der vorjosephinischen Zeit und bedauerte, daß so viele „Böhmen" nun im Ausland wir-
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ken müssen (zugleich prahlte man mit ihrer Berühmtheit). Akzentuiert wurde die Parallelität Prags und Wiens als Musikstädte. (Diese Tendenz wird vor allem durch die im Prag erschienene Publikation „Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag 1756" dokumentiert.) Am klarsten wurde diese Denkart in dem anonymen Aufsatz „Ueber den Zustand der Musik in Böhmen" (Allgemeine musikalische Zeitimg 1, 1799-1800, 488 f.) zum Vorschein gebracht. Dieses historisierende, jedoch durchaus aktuelle landespatriotische Bewußtsein mobilisierte große Initiativen: man dachte, im „Konservatorium Europas" zu leben (oder bisher gelebt zu haben), und hat auch ein wirkliches Konservatorium gestiftet (1811), es entstanden Vereine „zur Beförderimg" der einheimischen Tonkunst usw. Diesen ideellen Bewegungen entsprach allerdings auch die reale Rezeptionslage. Inventaríen damaliger Musiksammlungen zeigen, daß der Anteil der einheimischen Produktion und der Werke der böhmischen Emigranten (vor allem der in Wien wirkenden) am Repertoire allmählich wuchs: ein böhmischmährischer Musikmarkt hat also begonnen, sich autark zu profilieren. 2. Die österreichische Aufklärung rechnete mit dem Werdegang einer Staatsnation, wobei die deutsche Sprachkultur als scheinbar optimales Integrationsmittel angesehen wurde; zugleich bildete sich in Böhmen bzw. in den böhmischen Ländern eine besondere lokalpatriotische Variante jenes Konzeptes, eine Abwehr und Anpassung zugleich. Später nannte man sie „utraquistisch", denn sie wollte sowohl die Tschechen als auch die einheimischen Deutschen zu demselben Indentitätsgefühl führen. Der stark entwickelte lokale Historismus und dessen pragmatische kulturorganisatorische Folgen haben just die Musik zum idealen Terrain für die Geltendmachung des utraquistischen Nationalgefühls gemacht: Der in Wien wirkende Jirovec ebenso wie Tomásek als die größte Autorität des Prager Musiklebens konnten daher mit ihren deutschen wie tschechischen Liedern beim einheimischen Publikum erfolgreich sein, und Spuren dieses produktiven Billinguismus lassen sich noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts finden. Falls Franz X. Nëmecek oder jemand aus seinem Umkreis tatsächlich den bereits erwähnten Aufsatz „Ueber den Zustand der Musik in Böhmen" für die Leipziger „Allgemeine musikalische Zeitung" (1800) geschrieben hat, so entsprangen die Worte „Nicht mit Unrecht wird Böhmen das Vaterland deutscher Tonkunst genannt" jener böhmisch-patriotischen Gesinnung, die das hohe kulturelle Niveau (bzw. die Kulturambition) der böhmischen Hauptstadt mit deren vorausgesetzten Bedeutung für den gesamten deutschen Raum, ja sogar für die deutsche National- und Sprachkultur verknüpfen wollte. (Eben in der Generation von Nëmecek hat sich die feste Überzeugung eingebürgert, daß man in Prag „ein reines Deutsch" spricht.) Sogar der Prager Mozart-Kult scheint durch diese Ideologie hervorgerufen (oder mindestens stark motiviert) worden zu sein. Dies läßt sich unter anderem aus jenem Gedicht herauslesen, das der Präger Arzt Anton Damel Breicha in dem anläßlich der „Figaro"-Aufführung kolportierten Flugblatt veröffentlicht hat (Procházka 1892, 27 f.; Braunbehrens 1988, 317 f.) und in dem folgende Worte zu lesen sind: Sieh, Deutschland, Dein Vaterland, reicht Dir die Hand, Nach Sitte der Deutschen, und löset das Band Der Freundschaft mit Fremdlingen auf und verehret In Dir nun den deutschen Apoll, und versöhnt Sich so mit Gennaniens Musen...
„Nationelles" (Populares) - Musik
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Im Mähren besang etwa in derselben Epoche der aus Schlesien stammende Haugwitzer und Brünner Kapellmeister Gottfried Rieger die mährisch-altslawische Frühgeschichte mit einer deutschen Swatopluk-Kantate. 3. Für die Tschechen in Böhmen und in den übrigen böhmischen Ländern war allerdings jenes „utraquistische" Konzept doch allzu eng. Zuerst auf dessen Basis (es gab sogar einige „deutsche Förderer" des modernen tschechischen Nationalitätswerdeganges; Lemberg 1932; Slavik 1975, 17 f.), etwa seit 1820 immer selbständiger und in Anlehnung an romantische Auffassungen der Folklore und des Panslawismus, setzte sich die sogenannte tschechische nationale Wiedergeburt durch, wobei der Kampf um die tschechische Sprache und Kunst unter den restaurativen Umständen der Vormärzepoche die konkrete nationalpolitische Aktion völlig ersetzen konnte. Am Anfang zweifelte man zwar nicht an der Bedeutung der deutschen Sprache für das böhmisch-tschechische Milieu, dennoch wollte man - in voller Übereinstimmimg mit frühromantischen Auffassungen des National-Autochthonen - die Eigenart der in Böhmen produzierten Musik von der angeblichen Musikalität der tschechischen Sprache ableiten. In seiner (übrigens deutsch geschriebenen!) „Akademischen Antrittsrede" argumentierte z. B. Franz Martin Pelzel folgendermaßen: „Wer böhmisch spricht, lernt auch die Musik leichter und besser, denn in der Böhmischen Sprache muß das Sylbenmaaß auf das genaueste beobachtet werden, daher ist sie harmonisch, und der Böhme redet gleichsam im Takt. Nichts beleidigt ein böhmisches Ohr mehr, als wenn die kurze Sylbe eines Wortes lang, oder eine lange kurz ausgesprochen wird ... Die Musikmeister versichern, daß sie mit einem Schkolar, der böhmisch spricht, in weniger Zeit weiter, als mit einem andern kommen. Man bemerkt auch, daß es in den böhmischen Ortschaften weit mehr Musikanten giebt, als in deutschen. Diese streichen wohl ihre Geige leidentlich herunter, dagegen aber die Böhmen in der Kirnst viel weiter zu kommen pflegen ..." (Pelzel 1793, 9 f.). Immer mehr ging es dann um eine bewußte Tschechisierung jener ideellen Vorbilder, die sich bereits im Umkreis des utraquistischen, ja sogar allösterreichischen Patriotismus als Repräsentanten der vaterländischen Kulturauffassung bewährt hatten: So wurde Mozarts Musik im Jahre 1862 wegen ihres „tschechischen Musikstils" (das heißt der Ähnlichkeit mit den tschechischen Volksliedern aus Böhmen) für tschechisches Kulturgut erklärt (Kolesovsky 1862, 4 f.), während die Prager Deutschen Mozart für ihren, das heißt die wahre Deutschtümlichkeit verkörpernden Meister hielten, der es verdienen würde, exhumiert und nach Prag überführt zu werden (Procházka 1892, 200-201, 230). 4. Ein indirekter, jedoch interessanter Beweis unserer These, daß auch der Werdegang oder Aufstieg der eigentlichen tschechischen Nationalmusikkultur durch spezifisch allösterreichiche Anhäufung differenter Kulturtypen determiniert wurde, läßt sich der musikterminologischen Geschichte entnehmen. Kaum kann es zufallig gewesen sein, daß man gerade um oder bald nach 1800 bei den nichtdeutschen Völkern der Habsburgermonarchie die von vom Wort „musica" abgeleiteten einheimischen Bezeichnungen der Musik durch einheimische Ausdrücke ersetzt hat (tschechisch und slowakisch „hudba", slowenisch und kroatisch „glasba" bzw. „glazba", ungarisch „zene"). Zu solchen Umwandlungen des musikalischen Zentralterminus kam es tatsächlich nur in den genannten Nationalsprachen (unter deren Einfluß dann auch bei den Slawen in der Oberlausitz). Es ging dabei nicht um die bloße Aus-
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Wirkung des damals typischen Sprachpurismus, denn dieser war auch für Völker kennzeichnend, die auf solch einen Umbenennungsakt verzichteten. Die neu etablierten Ausdrücke sollten ähnlich wie der ältere deutsche Terminus „Tonkunst" mittels ihrer eigenen Etymologie das Musikphänomen als tönende Qualität, ja als Ergebnis einer Klangtätigkeit auffassen, was sicherlich in vollem Einklang mit der Autonomieästhetik der (Instrumental-)Musik als Kunst war. Um die Autonomie ging es in erster Reihe den tschechischen Patrioten jedoch nicht: vor allem wollten sie auf diese Art und Weise die Selbständigkeit ihrer Musikkultur manifestieren. Nicht die Konnotation „Kunst", sondern vielmehr das Moment der etymologisch vermittelten und damals ideell so gewichtigen einheimischen Volksautarkie ist hervorgehoben worden („hudba" läßt sich im treuesten als „Fiedeln" übersetzen), was der Denkart der mit der deutschen Kultur sich mühsam auseinandersetzenden nationalen Wiedergeburt kleinerer Völker vollkommen entsprach.
LITERATURHINWEISE
Ceské pastorely (Prag 1 9 8 7 ) . Volkmar: Mozart in Wien (München - Mainz 1988). CHEW, Geoffrey Α.: The Christmas Pastorella in Austria, Bohemia and Moravia (Dissertation, University of Manchester 1968). fieskoslovenská vlastivëda IX. Umëni 3, Hudba (Prag 1971). FLEISCHHAUER, Günter: Die Musik Georg Philipp Telemanns im Urteil seiner Zeit (in: HändelJahrbuch 15-14,1967-1968, Leipzig 1968, S. 173-205). FUKAC, Jirí: Mezi revolucí a biedermeierem (Hudebm vëda 27,1990, Nr. 2, S. 140-151). KOLESOVSKÎ, Zikmund: Nëkolik slov o èeském slohu hudebnim (Slavoj 1,1862, S. 4-9, 21-25). LEMBERG, Eugen: Grundlagen des nationalen Erwachens in Böhmen (Reichenberg 1932). PELZEL, Franz Martin: Akademische Antrittsrede über den Nutzen und Wichtigkeit der Böhmischen Sprache (Prag 1793). PROCHÁZKA, Rudolph Freiherr: Mohart in Prag (Prag 1892). REICHARDT, Johann Friedrich: Briefe, die Musik betreffend (Leipzig 1976). SCHUBART, Christian Friedrich Daniel: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst (Leipzig 1977). SLAVÍK, Bedrich: Od Dobnera k Dobrovskému (Prag 1975). SMOLKA, Jaroslav: Hudba ceského baroka (Praha 1989). STÖHR, Richard: Musikalische Formenlehre (Leipzig 1921). TROJAN, Jan: Òeské zpëvohry 18. století (Brünn 1981). TROJAN, Jan: Moravismy Ν hudbë 17. a 18. století (in: Morava Ν ôeské hudbë, hrsg. von Rudolf PECMAN, Brünn 1985, S. 31-34). VÎT, Petr: Esteücké myslení o hudbë. Ceské zemë 1760-1860 (Prag 1987). BERKOVEC, JIRI:
BRAUNBEHRENS,
Elisabeth Fiorioli
Die Wiener Salonkultur als Spiegel der Gesellschaft
„Europa im Zeitalter Mozarts" - mit diesem Titel richtet sich unser Fragehorizont schon auf eine grundlegende Problemstellung hin aus, indem er miser Fragen nach der Vergangenheit durch den Blick auf ein Individuimi fokusiert, auf die Person Mozarts. Es kann als allgemeine Übereinkunft vorausgesetzt werden - sonst käme es wohl kaum zu einem kulturhistorischen Gespräch dieser Art -, daß außermusikalische Erscheinungen auf die musikalische Entwicklung einer Epoche wirken, bzw. daß wir über das musikalische Schaffen eines Komponisten Aufschlüsse über seine Zeit erhalten. Die offene Frage besteht vielmehr darin, welcher Art dieser Einfluß ist und in welcher Weise er einem Versuch historischen Verstehens dienen kann. Unser Interesse an Mozarts Welt kommt ja nicht aus einer objektiv-wissenschaftlichen Distanz, sondern aus der Tatsache, daß wir uns als Fragende immer schon darin befinden, insofern wir angegangen sind durch Mozarts Musik. Gerade an ihr wird besonders deutlich, was für das Verhältnis von geschichtlicher Quelle und historischer Reflexion gilt: nämlich die Unmöglichkeit, sich mit Hilfe methodischer Reflexion aus dem Überlieferungszusammenhang herauszukatapultieren, da aus der Musik als immer neu zu interpretierendem Kunstwerk unsere eigene Welt zu uns spricht. Es erscheint mir daher gerade vor diesem Hintergrund sinnvoll, den Blick auf die schon angesprochene Wechselwirkung der Kunst mit verschiedenen Gesinnungen, Ideen und kulturellen Elementen zu richten und die Frage nach der Verankerung dieser Prozesse in der Struktur des gesellschaftlichen Gefüges zu stellen. In diesem Sinne soll das folgende als bescheidener Versuch gelten, nicht nur neuen Staub in die Sammlung historischer Schubladen zu legen, die dann wieder geschlossen werden, sondern zu zeigen, daß dieser Staub immer die Luft ist, in der wir atmen. Die große musikalische Produktion des ausgehenden 18. Jahrhunderts - mag sich im letzten die Substanz ihrer Hervorbringungen auch als ein durch nachträgliches Erklären uneinholbarer Lichtblick erweisen - kommt doch keineswegs aus dem Nichts. Sie ist vielmehr eingebettet in ein bestimmtes Milieu, das man auch als die Infrastruktur eines kulturellen Netzwerkes beschreiben könnte. Kreativität ist darin nicht nur die Einzelleistung eines Genies, sondern in besonderer Weise abhängig von den jeweiligen Formen der Kommunikation und Rezeption, welche ihr im wörtlichen Sinne Spielraum verschaffen. Eine unter diesem Gesichtspunkt fraglos maßgebende Form kreativer Rezeption ist der Salon. Hinlänglich bekannt sind ja die Salons der Wiener Aristokratie und des aufstrebenden, vor allem jüdischen Großbürgertums, in denen Mozart verkehrte. Es ist hier nicht der Ort, auf die einzelnen einzugehen, doch lohnt es sich, sie im Hinblick auf ihre charakteristischen Gemeinsamkeiten zu betrachten. Sie stehen in einem Spannimgsfeld von Öffnung und Abgrenzung. Abgrenzung - insofern sie sich als geistige oder gesellschaftliche Elite verstehen, Öffnung - sofern sie aufnahmefähig sind gegenüber Fremden, seien dies Menschen anderen Standes, anderer Nation
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oder neuer Ideen. Dieses Spannungsfeld ist auch ein Feld der Konfrontationen, das allerdings nicht nur das bloße Aufeinandertreffen enthält, sondern auch die daraus resultierende Auseinandersetzung mit dem anderen. Im Auseinander-Setzen werden Kräfte frei. Diese können im Extremfall destruktive Formen von Gewalt annehmen oder aber als kreative Potentiale wirken. Je vielfaltiger die aufeinandertreffenden Einflüsse sind, desto multipolarer wird die Auseinandersetzung. Die dabei entstehenden Freiräume müssen nun von der Gesellschaft für kreative Lösungen des Zusammenlebens genutzt werden. Läßt sich so das Klima der Salons charakterisieren, so darf es nicht losgelöst von der spezifischen Situation Wiens betrachtet werden. In den Salons spiegelt sich nämlich ein Sachverhalt, der auf verschiedenen Ebenen der Wiener Gesellschaft anzutreffen ist. Mit anderen Worten: Wien war als die Hauptstadt des habsburgischen Vielvölkerstaates Sammelpunkt zahlreicher heterogener Einflüsse und damit selbst Modell eines solchen multipolaren Spannungsfeldes. Doch noch einmal zurück zu den Salons. Sie sind Knotenpunkte eines gesellschaftlichen Netzwerkes, über dessen Verbindungslinien - das sind direkte und indirekte Kontakte der Salonbesucher untereinander - wichtige Austauschprozesse stattfinden, die den beteiligten Personen spezifische Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Einerseits betrifft dies die Ebene der sozialen Integration und der damit verbundenen Möglichkeiten, Einfluß auszuüben, also das soziale Kapital einer Person: Durch bestimmte gesellschaftliche Kontakte kann ein einzelner seine Position etablieren und verbessern, zugleich aber kann einer anderen Person durch ebendiesen Kontakt ein erheblicher Prestigeverlust drohen. Dieses Moment ist gerade im Hinblick auf die Situation Wiens von besonderem Interesse, da sie einerseits durch die sich herausbildende strenge Trennung von erster und zweiter Gesellschaft charakterisiert ist, zum anderen aber eine besonders hohe soziale Permessivität in den ersten Salons der Stadt zu bemerken ist. Was hier auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, erklärt sich durch eine Betrachtung jenes Hintergrundes, auf dem Bezüge entstehen, welche die Sozialstruktur überlagern, aber keineswegs mit ihr deckungsgleich sind. Nicht der soziale Rang einer Person ist das einzige Maß für ihre Einschätzung, sondern mit dem Interesse an Musik und Literatur, Sprachkenntnissen und der gelehrten Begeisterung für Fernreisen und Exotismen, der Wissenschaft und den Ideen der Aufklärung werden auch andere Kriterien relevant, nach denen sich Verbindungen ausrichten. Auch beruflich-wirtschaftliche Kontakte oder der gemeinsame Dienst in der Armee sind hier exemplarisch als Elemente zu nennen, die jenes sehr heterogene Mehrebenensystem entscheidend bestimmen. Damit ist auch schon ein zweiter Bereich von Austauschprozessen angesprochen, die über das Netzwerk Salon sichtbar werden, nämlich die Transfers von Ideen und geistigen „Bausteinen" einer Kultur. Für den Historiker sind diese Transfers meist nicht zu hundert Prozent empirisch nachweisbar, doch lassen sich hypothetisch Einfluß- und Verbindungsstränge zwischen geistigen und gesellschaftlichen Formationen herstellen, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Ein oberflächliches Bild von statischen Strukturen läßt sich also auf diese Weise differenzieren. Wie das gemeint ist, soll im folgenden am Beispiel des Salons des Wiener Hofmedicus Alexander Ludwig L'Augier (1719-1774) deutlich werden. Sein Salon war eines der bedeutenden musikalischen Zentren, als enger Freund Metastasios verkehrten in
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seinem Salon der Florentiner Hofdichter Leopolds, Gianbattìsta Casti, ebenso wie Mitglieder der hohen Aristokratie. Den Briefen Leopold Mozarts an Lorenz Hagenauer zufolge war auch der junge Wolfgang Amadeus Mozart bei seinen Wienaufenthalten 1767/68 und 1773 häufiger Gast dieses Hauses. Der englische Reisende Charles Burney überliefert von seinem Wienbesuch 1772 folgendes: „Sein Haus ist der Sammelplatz der größten Leute von Wien, sowohl in Ansehung des Standes als des Genies. ... Unter anderen erworbenen Kenntnissen, hat er's auch zu einer großen Geschicklichkeit in der Musik gebracht ... und hat mit einem philosophischem Ohre alle Arten von Nationalmelodie gehört ... er ist in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und Konstantinopel gewesen, und ist mit einem Worte eine lebende Geschichte der neueren Musik" (Burney, 36). Für den der Aufklärung nahestehenden Musikwissenschaftler Burney ist gerade dies von besonderem Interesse, daher läßt er sich die nationalen Besonderheiten näher erklären: „Herr L'Augier sang mir verschiedene abgebrochene Stellen aus böhmischer, spanischer, türkischer und portugiesischer Musik vor, in welchem der eigentümliche Ausdruck von dem Contre temps oder der Rückung der genauen Taktes abhing; man schlage den Takt und halte ihn so richtig, als es bei der verfeinerten und neueren Musik nötig ist, und ihre Wirkung geht verloren" (Burney, 40). Welche Schlußfolgerungen erlauben diese kurzen Zitate? Die folgenden Bemerkungen sollen einige mögliche Richtungen einer Interpretation andeuten. So wie Burney und andere hatte wohl auch der junge Mozart in diesem Salon schon sehr früh die Möglichkeit, verschiedene nationale musikalische Idiome kennenzulernen - eine Tatsache, die nicht nur deshalb bemerkenswert ist, weil diese Elemente in Mozarts musikalischem Schaffen von höchster Bedeutung werden sollten. Die Verwendung von nationalen und popularen Vokabeln findet sich als wichtiges Spezifikum in der gesamten musikalischen Sprache der Wiener Klassik und zeigt zugleich, daß sich diese Musik bestimmten nationalen oder ständischen Zuordnungen entzieht. Um so klarer tritt damit auch zutage, wie müßig und irreführend die Fragen sind, ob Beethoven ein Repräsentant deutscher Musik oder Haydn ein kroatischer Komponist sei. Ebenso werden in dieser Perspektive die scheinbar reinsten Ausflüsse der österreichischen Seele wie die unübertroffenen Rubati, die uns Carlos Kleiber mit den Wiener Philharmonikern im Neujahrskonzert 1992 vorgeführt hat, zu durchaus akkulturierten Errungenschaften und lassen plötzlich ihre Herkunft auch in anderen nationalen Traditionen wurzeln. - Dies nur als Beispiel, wie sich erratische Blöcke historischer Zuordnung zumindest ansatzweise verschieben lassen. Verschiedene kulturelle Codes - in diesem Fall sind es Elemente fremder musikalischer Traditionen, die gerade in Wien lebendig sind - werden nachweisbar über einen Salon vermittelt. Dabei ist zu bedenken, daß diese Vermittlung als eine Form der Akkulturation ein dialektisches Phänomen ist: Sie enthält nämlich sowohl die kulturellen Annäherungen, die vermittels der Musik geschehen, wie auch die außermusikalischen Berührungspunkte zwischen Kulturen, die sich in der Musik spiegeln. Daß es in Wien gesellschaftliche Formationen gab, die solche interkulturellen und intersozialen Austauschprozesse ermöglichten, ist noch lange keine ausreichende und alles abdeckende Erklärung für die künstlerische Kreativität dieser Zeit Ebenso-
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weit entfernt davon ist das Bild einer harmonischen multikulturellen Gesellschaft, die in den Salons und im Runstieben ihr Spiegelbild hat, in das sich der Historiker gefahrlos verlieben kann, ohne sich auf das Glatteis retrospektiver politischer Utopien begeben zu müssen. Es verweist uns lediglich darauf, daß die hier andeutungsweise offengelegten Ebenen des gesellschaftlichen Netzwerkes - obwohl in keineswegs strenger Kausalität zueinander - zu Bestandteilen eines kreativen Klimas werden konnten, das noch heute miser Fragen herausfordert.
LITERATURHINWEIS Bernhard (Hrsg.): Dr. Charles Burneys „Musikalische Reise durch das alte Österreich 1772". Wien 1948.
PAUMGARTNER,
Hans de Leeuwe
Künstler und Gesellschaft am Beispiel von Mozarts Opern
In der niederländischen Stadt Utrecht steht ein schöner Dom. Es heißt, daß der Bischof, als das Gotteshaus vollendet war, den Baumeister, Jan van den Dom, habe blenden lassen, um zu verhüten, daß dieser auch in einem andern Bistum eine ebenso schöne Kathedrale errichten würde. Nun, das ist eine Legende, die - wenn ich nicht irre, finden sich auch in der klassischen Mythologie und Historie solche grausigen Geschichten1 - in sagenhafter Übertreibung das sklavische Abhängigkeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und Künstler-Handwerker demonstriert So schlimm war es zu Mozarts Zeit nicht Aber Mozart hat doch als Komponist die Abhängigkeit von einem Bischof erfahren und erlitten, und der Bürger Mozart war froh, als er mit einem Fußtritt vom Obersthoiküchenmeister die Freiheit erhielt Erlitten, sagte ich, aber er wurde sich selbst nicht zum Subjekt eines Dramas wie Goethes Tasso. Künstlerdramen sind zu jener Zeit selten. Erst die Romantik glaubt, im Künstler den wahren Menschen zu erkennen. Will das Genie mit seinen hohen Gedankenflügen nicht zugrunde gehen, so muß es sich mit der philiströsen Umwelt verständigen. Goethe hat das fertiggebracht, und Mozart auch - dank seines künstlerischen Selbstbewußtseins.2 Er hat als freischaffender Künstler den Forderungen und Erwartungen seiner Auftraggeber und des Publikums entsprochen und nur unterschwellig ab und zu seine eigene Meinung gesagt Aber dazu bedurfte er des Wortes. Und das hatten seine Librettisten. Künstler und Gesellschaft: War Mozart, der Zeitgenosse der Französischen Revolution, ein Revolutionär? Ein politisch engagierter Künstler? Nein, er war Musiker, und die bringen so rasch die Welt nicht durcheinander. Aber Figaros Hochzeit, wird man fragen? „Nirgends bisher" - so schreibt ja Heinz Kindermann - „war solch eine unerhörte Verhöhnung des Adels, der Zensur, des Stellenkaufes, einer unzuverlässigen Justiz zugleich mit einer Anklage gegen alle Entrechtungen und Freiheitsbeschränkungen laut geworden."3 Ja gewiß, im Schauspiel des Beaumarchais, aber nicht bei Mozart und Da Ponte. Die beiden hatten ganz und gar nicht die Absicht, das Publikum zu provozieren. Dies Verkleidungs- und Versteckspiel behandelt die Treue und die Untreue in der Liebe. Der Diener überlistet in diesem Fall den Herrn, aber weder aus dem Text noch aus der Musik hört man einen kommenden Aufstand heraus.4 Figaros Kavatine 1 Perillus verfertigte für Phalaris, den Tyrannen von Agrigent, einen ehernen Stier mit hohlem Leibe, in welchen Verbrecher gesteckt und durch untergelegtes Feuer gebraten werden sollten. Der Künstler mußte als erster die Probe aufs Exempel machen... 2 Ich glaube nicht, daß er sich, wie Norbert Elias meint, am Ende „aufgegeben" hat 5 KINDERMANN, Heinz: Theatergeschichte Europas IV, Seite 399. 4 Daß der Ton gefahrlich herausfordernd ist, daß die Hörner bedrohlich pochen, daß wegwerfende Aufsässigkeit in den kurz angebundenen Deklamationsgliedern und im erschreckend wuchtigen Forte-Ausbruch liegt - es ist eine Interpretation, der ich kaum beipflichten kann.
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Se vuol ballare Signor Contino klingt eher lustig als aufmüpfig, und wenn die Worte nicht wären, würde man sie für ein reizendes Tänzchen halten (es ist ja auch ein Menuett). Nein, Figaro5, obwohl Sieger in dieser Affäre, zettelt keinen Umsturz an, die Gesellschaftsstruktur bleibt erhalten6, erst Brechts Knecht Matti wird seinem Herrn Puntila den Rücken kehren. Ein anderer Diener Daponte-Mozartscher Prägung heißt Leporello. Der beklagt sich bitter über Don Giovanni, will fortwährend weglaufen, aber immer bleibt er durch angedrohte Schläge gezwungen oder durch Geld verführt.7 Sein Herr ist unantastbar in der aristokratischen Gesellschaft, der er angehört.8 Nur überirdische Mächte können ihn vernichten. Don Ottavio fuchtelt vergeblich mit Degen und Pistole. In Così fan tutte gibt es eine Dienerin, Despina, die die Gewitzteste von allen ist und dadurch ihre Überlegenheit beweist, aber sich zugleich über ihren Stand beklagt. Man schwitzt, sagt sie, man arbeitet, und dann bleibt von dem, was man tut, nichts für einen selbst. Und sie schlürft die Hälfte der Schokolade, die sie soeben für ihre Herrinnen gerührt hat. Das ist wenigstens etwas. All diese Gestalten sind mit ihren Eigenschaften, ihrem Tun und Treiben Erben der Commedia dell'arte, der es seit dem 16. Jahrhundert nicht an Gesellschaftskritik gemangelt hat, wenn auch nur halb geäußert. Mozart, der in allen Operngattungen zu Hause war, hat von frühester Jugend bis zu seinem Tode eine Gattung gepflegt, in der nun ganz klipp und klar eine politische Idee verlautbart wurde, die Opera seria, deren Essenz in der Mahnung an den Alleinherrscher zu Gerechtigkeit, Güte und Milde bestand. Wer gebietet einem König? fragt Alexander der Große, und er antwortet: Seine Größe, seine Gerechtigkeit, das Ansehen, das Wohl der andern, Vernunft, die Pflicht. Wenn du über dich nicht herrschst, wie willst du über andere herrschen? Als guter Hirt wirst du auch ein guter König sein. So steht es in Metastasios Libretto R re pastore. Die Tyrannen wandeln sich. Lucio Silla wird zum großmütigen Führer römischer Bürger, Mitridates ringt sich zum Verzicht durch, und Titus ist gar die Idealgestalt eines Kaisers, er verzeiht seinem besten Freunde, der ihn töten wollte. Metastasio und seine Nachfolger empfanden sich nicht als Angreifer und Herausforderer der
Gewifl vermag ein Darsteller, wenn der Regisseur es will, etwas Herausforderndes in Gesang und Spiel legen, aber die Musik zwingt ihn nicht dazu (Stefan Kunze, Mozarts Opern, Seite 240). 5 Figaro hat auch über das Militär seine eigenen Ansichten. Er weiß, daß das Soldatenleben nicht lustig ist. Statt den Fandango zu tanzen, marschieren die Infanteristen durch den Fango, den Morast, und die Kugeln pfeifen ihnen in allen Tönen um die Ohren. 6 Die Gräfin empfindet das Komplott mit der Kammerzofe als Erniedrigung: „Jetzt muß ich bei einer Dienerin Hilfe suchen." 7 Der Bauernbursche Masetto weiß genau, wie und was gespielt wird, aber er muß klein beigeben: „Ich hab' verstanden, ja, mein Herr. Ich widerspreche nicht mehr. Ihr seid ja ein Kavalier." 8 Don Ottavio ist erschüttert, als er hört, daß sein künftiger Schwiegervater von Don Giovanni erstochen worden ist: „Wie könnte ich je glauben, daß ein Adliger zu einem solchen Verbrechen imstande ist?"
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geltenden Ordnung, sie wollten nur den absoluten Monarchen zum aufgeklärten Fürsten erziehen. Einiges von diesen Gedanken ist auch in das deutsche Singspiel gedrungen. Was ist Bassa Selim in der Entführung aus dem Serail anderes als ein starrer Tyrann, der eine junge, verlobte Frau mit Martern aller Arten zur Liebe zwingen will, aber rechtzeitig zu der Einsicht kommt, daß es ein weit größeres Vergnügen ist, eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als Laster mit Lastern zu tilgen? Zu dieser hohen Ethik gesellt sich die Vernunft, denn - so erklärt er dem racheschnaubenden Osmin - wen man durch Wohltaten nicht für sich gewinnen kann, den muß man sich vom Halse schaffen. Und die vier Freigelassenen kommen zu dem Schluß, daß nichts so häßlich sei wie die Rache. Dieser Begriff tritt nun ganz ins Blickfeld in Schikaneders Text zur Zauberflöte. In Sarastros heiligen Hallen kennt man sie nicht. Humanistische Gesinnung gehört nun völlig in eine Oper, die von beiden Autoren als Verteidigung einer verfolgten geistigen Minderheit gemeint war, der Freimaurerei. Geschickt haben sie von der Feerie, vom Märchen, von der Volkskomödie, von der herrschenden Ägyptomanie Gebrauch gemacht, um die edlen Denkbilder der geheimnisvollen und furchterregenden Logenbrüder in ihr Stück hineinzumontieren. Der zwanzigjährige Tamino, ein Prinz (mehr noch - „Er ist Mensch" - sagt Sarastro von ihm), sehnt sich nach Illumination, nach Erhellung, nach Aufklärung (wann also wird die Decke schwinden?). Verhüllten Hauptes eingeführt, durchläuft er die Stationen vom Lehrling zum Gesellen, zum Meister (freilich, ohne daß diese Terminologie erwähnt wird). Todesdrohungen, Verfuhrung und Verlockung, völliges Schweigen, ja sogar das Abweisen der Geliebten - diese Prüfungen dürfen ihn nicht irremachen, bis er - wieder mit Pamina vereint - Feuer und Wasser durchschreitet und in den Strahlen der Sonne das Licht erblickt. Freimaurerische Rituale, Symbole und Anschauungen werden dem Zuschauer, auch wenn er nicht zu den Eingeweihten gehört, allmählich nähergebracht. Liebe, Bruderbund, Menschenglück, Zufriedenheit, Tätigkeit, Standhaftigkeit, Duldsamkeit und Verschwiegenheit - die Ideale der Loge - kennzeichnen den Text. Tugend, Weisheit und Wahrheit werden - rührender Optimismus! - das böse Vorurteil, Blendwerk und Aberglauben überwinden.9 Da hätten wir nun endlich doch noch ein mozartisches Manifest ungewohnten Inhalts, ein Bekenntnis als Versuch zur Beeinflussung der Gesellschaft. Die Worte sind aber nicht von ihm, sondern vom Textdichter Schikaneder, Mozart - dem es allerdings Ernst damit war - hat sie „nur" komponiert. Aber wenn die Worte anders gelautet hätten, würde seine Musik dann anders und nicht gleichermaßen ergreifend gewesen sein? Die Musik erhebt sich über ihre gehorsame Tochter, die Poesie10, sie sublimiert, sie abstrahiert, sie entrückt uns in eine bessere Welt. Mozart hat der Gesellschaft seiner Zeit gegeben, was sie verlangte, dabei aber seine Individualität gewahrt und die Zeitgenossen weit unter sich gelassen.
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„Tugend" und „Weisheit" mit ihren Zusammensetzungen kommen im Text elfmal bzw. sogar achtzehnmal vor. 10 Brief an den Vater anläßlich der Vorbereitungen zur „Entführung" (13.10.1781).
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Hans de Leeuwe
LITERATURHINWEISE Norbert: Mozart. Zur Soziologie eines Genies. Herausgegeben von Michael SCHRÖTER. Frankfurt 1990. 3 HILDESHEIMER, Wolfgang: Mozart. Frankfurt 1991. KINDERMANN, Heinz: Theatergeschichte Europas IV. Salzburg 1961. KAISER, Joachim: Mein Name ist Sarastro. Die Gestalten in Mozarts Meisteropern von Alfonso bis Zerlina. München - Zürich 1984. KUNZE, Stefan: Mozarts Opern. Stuttgart 1984. MOZART, Wolfgang Amadeus: Sämtliche Opernlibretti. Herausgegeben von Rudolph ANGERMÜLLER. Stuttgart 1990. ELIAS,
Derek Beales
The Impact of Joseph II on Vienna
No city has been more lovingly and intensively studied by its citizens than Vienna. A foreigner hardly dares to intrude. But, having been explicitly asked to speak on Vienna, I take the theme I know most about, the impact of Joseph II. I shall refer chiefly to the period of his sole reign (1780-1790), which nearly corresponds to Mozart's years of residence in Vienna (1781-1791), and I shall emphasize aspects that have so far been little mentioned during this conference. In fact, much of the history of Vienna in the 1780s comes to the same thing as the impact of Joseph II. It was a most peculiar period in the history of the city, both by comparison with previous and subsequent reigns and by comparison with other countries, and much of its peculiarity is ascribable to the individual views of Joseph II, which his ferocious will often, though not always, succeeded in translating into decrees and, less frequently, into effective action. He did not, of course, cause the population explosion discussed by Dr. Raven. On the other hand, he put his stamp on the way in which it was contained (Waissenberger, 1980). It was his initiative to open the Prater and the Augarten to the public at large. He was instrumental in having the city's houses numbered and its streets better lighted. He decided to maintain the fortifications that constricted the old city and he guided the development of the suburbs beyond them. His policies made it easy to take over monastery gardens for housing and caused the resulting new streets to be given names intended to efface their previous ownership from memory (Winner, 1955/6). He relieved houseowners of the obligation to let their best rooms to officials and soldiers. He had the essential role in the creation of the Josephinum, the mental hospital and the Allgemeine Krankenhaus, determining their architectural style as well as their planning. It was his centralizing policies that made necessary a new building for the Hungarian Chancellery, and his taste and principles ensured that it was built in a thoroughly utilitarian style. Only under his rule can one imagine a palace being built on the prime site opposite the Imperial Library by an upstart banker, baron Fries. As an absolute ruler his approval was necessary for an enormous range of acts. Sometimes, no doubt, he gave it unthinkingly, following the advice of his officials. But he very often—much more frequently than most absolute rulers—had his own view and insisted on pressing it (Beales, 1991).
/ The first aspect I shall take is the Court. I want to expand the argument, recently restated by Professor Braunbehrens (1991, 41-47), that under Joseph II the Court virtually ceased to exist. In previous reigns a lavish and highly formalized Court displayed itself publicly in a heavy programme of ceremonial church attendances and state receptions. And the majority of members of the royal family at Court were women (Beales, 1987,
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29-38, 154-161). Joseph, twice widowed, refused to remarry. He despatched his two unmarried sisters to convents, describing them, together with the archduchess Marie Christine, as a "feminine republic", and calling archduchess Marianne—in words decorously omitted by Arneth—"a harpy" (to Leopold, 28 March 1781, HHSA, Familienakten, Sammelbände 7). He abolished most Court offices, reduced ceremony to a minimum and discontinued or diminished most pensions (Wagner, 1975). He was often ill or away on his travels and then, although he left Kaunitz in charge of affairs of state, Court functions simply ceased. Vienna in the 1780s was not so much the seat of a Court presided over by a monarch. Rather, the city housed a civil bureaucracy headed by Joseph as first servant of the state and a military administration directed by Joseph as generalissimo. This was absolutely Joseph's own doing. It has been suggested that it was characteristic of Enlightened rulers in general to suppress the trappings of their Court (Zaubertöne, 149), and Joseph's practice certainly recalled and to some extent imitated Frederick the Great's. But even Frederick, unlike Joseph, built palaces; and Catherine the Great's notion of Enlightened government, like that of many less powerful rulers, included the deliberate cultivation of a splendid Court. I want to add to this comparatively well-known picture an aspect usually ignored: Vienna's role as capital of the Holy Roman Empire. Incidentally, this topic bears upon one of the announced themes of this conference, namely, the relationship and contrast between the ancient unreformed Empire and the partly modernized Austrian Monarchy. Under Charles VI there had existed in Vienna not one but two Courts, his Court as ruler of the Austrian Monarchy and his Comi as Holy Roman Emperor. Ambassadors, for example, had to present their credentials to him in both capacities. There were of course two separate administrations in Vienna, each employing hundreds of officials, officials for business as well as for show. The business of the Holy Roman Empire was notoriously pedantic, leisurely and unproductive, but there was an awful lot of it. Under Maria Theresa, uniquely in the modern period, the emperor and the head of the Monarchy were different individuals, and from 1745 until 1780 both were based in Vienna. While her husband, Francis I, was emperor, this duality enhanced the significance of the separation between the two Courts; but Joseph amalgamated them in their public and ceremonial aspects (Khevenhüller-Metsch). He also, as Professor von Aretin described, became steadily more and more frustrated by the business of the Empire and his role as emperor. However, he continued to deal with its routine, and the imperial bureaucracy remained distinct and numerous. It was headed until 1788 by prince Rudolf Colloredo and thereafter by prince Franz Colloredo, respectively father and brother of the archbishop of Salzburg who fell out with Mozart. The Colloredos' rivalry with Kaunitz, head of the Monarchy's administration, was a byword; and Mozart can have lost nothing in Joseph's or Kaunitz's estimation by offending the Colloredo family. But the composer's quarrel with them presumably lost him a significant group of possible patrons among the imperial administrators of Vienna. This is an issue which deserves further study. However, the imperial dimension of Habsburg rule had much wider significance for Vienna—and therefore for Mozart—than that. Here I propose to quote part of an immense letter written by the elector-archbishop of Cologne, archduke Max Franz, to his brother Leopold, Joseph II's successor, on 1 March 1790, nine days after Joseph's
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death. Most of this very striking document has long been in print (Lüdtke, 1951) but, no doubt because it was published within an article on diplomatic history, has been ignored by students of Austrian culture. Leopold had asked Max Franz for advice on the policy he should pursue in Germany in order to secure election as emperor. Max Franz's answer consisted largely of a comparison between the imperial policies of Francis I and Joseph II. L'Allemagne fut utile à Francois I., inutile et même dangereux à Joseph II... Notre père, doux poli affable honnêt régnait sur tous les cœurs, L'Impératrice gratieuse et généreuse le secondait à merveille, les princes d'Empire étaient attirés à Vienne, y étaient annexés, flattés, cajolés et en raffolaient à leur retour; les princes ecclésiastiques étaient traités avec la plus grande considération, et les chanoines trouvaient dans les chapitres et évêchés des pays héréditaires, dans les abbayes de l'Hongrie, dans les recommandations toujours efficaces de la Cour Impériale au pape ample matière pour satisfaire leur intérêt et ambition; aussi ne se faisait-il pas la plus petite élection sans l'influence prépondérante de la Cour Impériale, et ses créatures se trouvant considérées restaient totalement dévouées, à la maison. Les petits princes et comtes étaient distingués par des places à l'armée ... Les petits nobles trouvaient également leur fortune au service civil et militaire, les collèges Thérésiens et de Savoye y attiraient beaucoup de jeunes nobles d'Empire, qui revenaient tous répandus en Allemagne considérant Vienne comme leur seconde patrie et y gardant des liaisons. The elector might have added that Vienna also functioned as a marriage market for the aristocracy of Catholic Germany (Press, 1981). He went on to point the contrast with Joseph's reign: Notre frère avait donné les plus grandes espérances ...; sa première démarche à l'égard de l'amélioration des tribunaux deFEmpire, principal soin du chef de l'Empire, remplit tout le monde de la plus grande attente; mais on vit bientôt qu'il négligeait cette partie où il trouvait des difficultés à exécuter le bien public qu'il se proposait, avec cette précipitation qui lui était propre; on vit qu'il négligeait absolument les individus ..., on ne considérait les nobles d'Empire que comme des solliciteurs et intriguants, ce qui devait les choquer. A chaque des grâces qu'ils étaient accoutumés d'obtenir, on leur opposait ein allergnädigstes Normale. Les abbayes d'Hongrie étaient supprimées, les canonicats ne pouvaient s'acquérir que par dix ans de service in cura animarum. La voix Romaine était coupée par les brouilleries avec cette cour, ... les collèges de tous les pays héréditaires furent abolis ou restraints aux sujets du pays ... Tout grade militaire sinon celui de cadet leur [i. e. aux nobles de l'Empire] était interdit, et aucun espoir d'avancement que par ancienneté, d'ailleurs point de cour, par conséquent de distinction, car le public ignorant comment un tel avait été reçu et accueilli par la cour, le traitait sans distinction selon son amabilité personelle, et alors les marquis français et les mylords anglais étaient fêtés, tandis que je voyais tant des chanoines et cavaliers de vrai mérite rélégués à la table d'hôte et à la société des Reichsagenten. This document, at once a cogent and revealing statement of the values of the ancien régime and a devastating critique of Joseph's behaviour, surely brings out that the status of Vienna was to a significant degree diminished by his rejection of the traditional role of emperor, that it became less the capital of Germany—even of south Germany—than it had previously been. A subsidiary effect must have been to reduce the
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amount of aristocratic patronage available to musicians in Vienna. At an earlier stage of this conference it was stated that, as compared with Italians and subjects of the Monarchy, few musicians from the Empire made their career in Vienna. If this is true, Joseph's alienation of the Reich would help to explain the fact. I know of no one who advised him to follow this line or approved of it. Like his attitude to Courts, to public appearances and to ostentation, his approach to imperial affairs was individual, even idiosyncratic, and yet it was the basis of his public policy.
Π At the end of that immensely long letter of Max Franz's, in a postscript not published by its editor and said by him to concern Belgian affairs, the elector took the opportunity to denounce to the new ruler of the Monarchy "la déspotie avec laquelle Swietten at chercher a introduire dans toute les ecoles publiques pour Axiome les opinions, source principale de la révolution des Pays-Bas" (HHSA, Familienakten, Sammelbände 18). Earlier, Leopold himself, in an unpublished section of his Relazione del Viaggio e soggiorno fatto da SA.K in Vienna nel Luglio 1784, called "Baron Wanswicken, uomo di moltissimo talento, ma di pessimo carattere, alto, fiero, vendicativo, senza religione, nè morale, e lo affetta, ed è uomo molto pericoloso". These quotations underline the peculiar radicalism of Joseph's attitudes and actions, even as seen from the standpoint of two other rulers who deservedly rank as Enlightened. The impact of Joseph's radicalism—or, in other words, of Josephi(ni)sm—was especially powerful and immediate in Vienna. I do not need to describe the whole gamut of measures, since Professor Bérenger and others have already discussed many of them. Most conspicuously, the city experienced the dissolution of half its monasteries; the introduction of a new and much simplified ritual into Catholic services, which involved some use of the vernacular, the destruction of many artefacts and symbols of Baroque piety, and the suppression of some church music; the recognition of some Protestant sects, and to a lesser degree of Jews and Muslims; a dramatic relaxation of censorship which gave writers much greater freedom of expression than was known in almost any other state of Continental Europe and made possible the Broschürenflut·, for a time, a large expansion of Freemasonry; and, paradoxically, the rapid development of an ever more intrusive police force (Waissenberger, 1980; Bodi, 1977). I shall direct my attention to three points concerning these reforms which seem to me to have been underemphasized. First, the dissolution of monasteries had a constructive as well as a destructive justification. Its avowed purpose was to make resources available for the establishment of new parishes and new schools. In Vienna during Joseph's reign the very large number of forty-seven new parishes was created. In most cases this meant taking over and adapting existing buildings that had served as private chapels or for brotherhoods or for monasteries, but a few new churches were built (Josephinische Pfarrgründungen). Surviving monasteries were made responsible for the provision of some parish churches and clergy, as the Schottenstift was made to build and staff St. Laurenz church in the Schottenfeld—a church whose new organ Mozart probably helped to test in 1790 (Kellner, 1986). In all cases the
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changes involved disturbing a welter of long-standing rights to property, privileges and fees. So far as music was concerned, both the suppression of monasteries and the liturgical changes threw many musicians out of employment. In principle most of Joseph's legislation was intended to apply throughout the Monarchy. In practice—and this is the second point that I think has been neglected— Vienna often functioned as a laboratory or trial-ground for his measures. In some cases this was accidental or unintended. The new liturgy was supposed to apply everywhere from the start, but was first effectively introduced in Vienna and proved difficult to extend to the provinces. The reorganization of parishes was carried through much more speedily in Vienna than elsewhere. The relaxation of censorship had by far its greatest impact in Vienna itself, where so many writers, printers and booksellers operated, where the elite of the Monarchy resided and where major political decisions were nearly always taken. But the new Armeninstitut—the new way of dealing with the poor, intended to eliminate begging—was avowedly introduced into Vienna as an experiment. According to Leopold, in so far as it worked in Vienna, its success depended on subsidies from the whole Monarchy. However, on paper it was soon extended to the provinces (Relazione, 1784). In his "Josephist" programme the emperor owed much more to others than in his attitude to the Court and the Empire. Kaunitz on the whole supported the measures, and the civil service had prepared the ground for many of them before 1780. But the particular form of the final legislation was usually the result of a struggle between hesitant officials, continually emphasizing the difficulties, and the emperor, determined to impose some sweeping decree (Maass, 1951-1961, vols I—III). The third point I wish to make about the emperor's reform programme is this. It was never Joseph's intention—despite his relaxation of censorship—that the public, the people or the victims of his legislation should be consulted. This emerges with particular force from a rather obscure episode, his characteristic reform of the government of Vienna itself. After a couple of false starts, he decided in 1783 to sweep away the last vestiges of the constitution of the city as laid down by Ferdinand I and to establish a magistracy (Magistrat) with both administrative and judicial powers. This body was completely subordinate to the ruler, his officials and the Regierung of Lower Austria. The remnants of popular participation disappeared: the Magistrat was appointed by the government and there was no elected city council. The only exception to the principle of uniformity—and this too deserves emphasis—was that nobles still had their own courts of first instance. This measure also was consciously a pilot scheme, which was later extended to other towns (Walter, 1941; Seliger & Ucakar, 1985).
m The third aspect of Joseph II's impact on Vienna which I wish to discuss—not so much neglected as consistently misrepresented by historians—is the Turkish war, which began in February 1788. Nearly all the literature, including for example the catalogue of the great Mozart bicentenary exhibition, asserts, first, that Joseph's secret treaty of 1781 with Catherine the Great did not bind him to a full-scale war
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against the Turks and, secondly, that the war was universally unpopular in the Monarchy (Zaubertöne, 384; Braunbehrens, 1991, 310-316). This interpretation rests on multiple errors. The agreement with Russia was that, if she made war on the Turks and other Powers, and in certain other circumstances, Joseph must assist her with a small contingent of troops. If, however, the Turks actually attacked her, then he was bound to support her with all his forces. In 1787 this clause came into operation because the Turks attacked Russia. Maybe the treaty of 1781, and particularly this provision, were unwise: Joseph and Kaunitz were originally troubled by the clause, and in 1787 they hesitated before accepting their obligations under it. But they were in no doubt, and there can be no doubt, that they had committed themselves to supporting Catherine with all the forces of the Monarchy if the Turks attacked her. Though the emperor was notoriously anxious for military glory and aggrandisement, throughout his reign his instincts were cautious, and Kaunitz was more bellicose towards Turkey than his master (Roider, 1982,160-187). Much has been made of the unpopularity of the war (Mitrofanov, 1910, I, 211222). Among the worthy attitudes commonly ascribed by historians to Freemasons is pacifism or, at least, non-belligerence. But bellicosity (if it had ever died down) was reviving in the Monarchy before the Turkish war broke out. Two books published in 1787, Abdul Erzerum's neue persische Briefe and Dya-Na-Sore, both declared that men were becoming too soft and that only war would bring out the best in them and nurture Vaterlandsliebe. It used to be thought that Johann Pezzi, author of the radical novel Faustin (1783) and secretary to Kaunitz, wrote the Neue persische Briefe (Gugitz, 1906, 195-197). It has recently been argued that both these books were written by the same man, Friedrich von Meyer or Meyern (Kunisch, 1990; Horwath, 1991). If so, he puts his argument more strongly in the second, where he urges that the entire population should be placed under arms. Both Pezzi and Meyern were Masons. The fact that prince Karl Liechtenstein was a Mason did not stop him, so long as his health permitted, leading his troops against the Turks in the campaign of 1788 (Irmen, 1988, 252). Schikaneder, generally believed to have been a Mason, and certainly a Viennese popular writer, introduced bloodthirsty patriotic songs into his productions during the war, for example into Die beiden Antone oder der dumme Gärtner, which Mozart saw and enjoyed (Anderson, 1985, 940; Hock, 1904, 93-94). Here is a sample verse: Wohlan, deutsche Brüder, faßt alle itzt Muth! Verfolgt die Osmanen, verspritzet ihr Blut! Doch, wenn sie sich geben, ertheilet Pardon Und lasset sie gehen in Frieden davon. Die Kerls sind es ja, beim Teufel, nicht werth, Daß man sie mit Weibern und Kindern ernährt. (Hock, 1904,101) Victory in the war, when it came, was unquestionably popular. The Prussian ambassador in his despatches (Jacobi to Hertzberg, 17 Oct. 1789, ZSA Rep. 96 154 H), Pezzi in his Skizze von Wien and Caroline Pichler in her memoirs all described the wild enthusiasm of the Viennese when they heard the news of the capture of Belgrade in October 1789.
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Here, for once, some of Mozart's works are directly related to specific political events. In January 1788, at the time when, before Joseph declared war, an attempt was made to seize Belgrade, Mozart wrote a dance with the title, Die Belagerung Belgrads (or La Bataille), R. 535. In March, just after the declaration, he set Gleim's old song of 1776, "Ich möchte wohl der Kaiser sein", as Ein deutsches Kriegslied, for Friedrich Baumann to perform in the Leopoldstadt theatre. The words are somewhat equivocal: Gleim, the unflagging eulogist of Frederick II, pledges support to Joseph only so long as he continues to pursue the policies admired by the poet. But it cannot have been difficult to give a straightforwardly patriotic and bellicose rendering of a song containing the lines: Ich möchte wohl der Raiser sein, Den Orient wollt' ich erschüttern, die Muselmänner müssten zittern, Constantinopel wäre mein. The music is emphatically "Turkish". It is interesting that Richter in Das alte und neue Wien (1788, 19) complained: "Es würde den Stolz der Türken nicht wenig kitzeln, wenn sie erführen, daß deutsche Rrieger durch türkische Musik zur Schlacht begeistert werden." Much more remarkable, though far less familiar, is Mozart's other patriotic song, Beim, Auszug in das Feld, dated 11 August 1788 (R. 552). It was believed lost until the early twentieth century and was not included in collected editions until the most recent. It was originally published in the fourth volume of a collection entitled Angenehme und lehrreiche Beschädigung für Kinder (1788), of which only one copy is known, in the library of the Wiener Musikfreunde. I have not, however, been able to see it nor to obtain an answer to my enquiries about iL Fortunately, the words were reprinted with related material by Eusebius Mandyczewski in Der Merker for 1911 (324-330). Their author is unknown. It the true interest of the text is to be grasped, we must not only examine the full eighteen verses but also the elaborate explanatory notes that were appended to them—so far as that is possible, given that Mandyczewski says he has shortened them and the full version is inaccessible. The first verse talks of the emperor fulfilling his promise and mobilizing his armies which are "voll Durst nach Sieg, und Ehren". Verses 2 and 3 praise his paternal concern for his soldiers' welfare. The next verse mentions the overriding importance for the troops of their confidence that God is on their side. Then in verse 5 the poet changes gear, very clumsily: Denn Vater Josephs Beispiel schnitt Sich tief in ihre Herzen Wo ungerecht die Menschheit litt, Da fühlten sie auch Schmerzen. Verses 6 to 9 may fairly be called Masonic, at least in a generalized sense: God cares for all nations including Jews, Turks and heathen; all men are brothers. In verses 9 and 10 the gears are crashed a second time. The emperor, says the author, has extended toleration to both Turk and Jew. He has also been seeking peace between nations. But alas! ONE nation—the Turks—have stood out and thwarted his benevolence. With that the song can return to martial and patriotic fervour: God does not want brothers to die, but equally certainly he wants to correct injustice; the brave
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troops are fighting for the right and for mankind; God will reward the heroes whose blood is shed; future generations will bless them; and their heroism will not have been in vain. The notes to the song, like other pieces in the volume from which it comes, are stridently propagandist, directed at persuading young men of the justice of the emperor's cause. Though it is admitted that some exceptional Turks bear the marks of civilization. "Der wahre gemeine Türk aber bleibt, in seinem Lande besonders, im Durchschnitt noch immer ein menschlichkeitloses, unbändiges Unthier." The song is linked specifically and precisely to the most recent events. An attempt is made to counteract the revulsion against the war which food shortage and other economic problems had evoked. On 31 July, we are told, bakeries throughout the capital had been stormed by the usually phlegmatic inhabitants. The annotator claims that none of this would have happened if Joseph had not been away from Vienna on campaign. Young men—future conscripts into the army—must be persuaded of the invariable wisdom of the emperor, God's representative on earth. The song has not fared well at the hands of editors and commentators. When the music was first published in England, as late as 1958, it was headed with a delicious editorial note: Written apparently for a youth rally, the song had an enormous number of verses which seem to refer to the Turkish war ... The words have no interest whatever outside their own period and purpose. For the present edition, therefore, the lovely tune has been provided with new English words. The title given to this improved version was "The Maiden and the Fawn" (Werner, 1960). I know of only one recording of the original, in the Phillips complete CD series, where the song is oddly located among the arias and where only six verses are sung, chosen so that its message is uncomplicatedly warlike. On the other hand, Hans-Josef Irmen, in his fascinating Mozart Mitglied geheimer Gesellschaften (261), prints only the first eight verses, which minimizes the song's bellicosity. As for Mozart's own attitude, Mandyczewski took the song as evidence that the composer wholeheartedly supported Joseph's policy. The Neue Mozart Ausgabe (III, 8, 157) assures us, on the other hand, that the setting by "MOZART THE FREEMASON" skilfully highlighted the Masonic elements in the song. This is manifest nonsense: the music is the same for every pair of verses, whether their sense is cosmopolitan or patriotic, humanitarian or heroic. In any case, as we have seen, Masonic affiliations in no way precluded support for the war. Actually, as with almost all the texts he set, we have no direct evidence about what Mozart thought of this one. Rut there is no justification for ignoring it and his other patriotic pieces, or writing them off as aberrations. Of all his compositions this is easily the most explicitly related to specific political developments. There is no need here, as in the case of the operas, to make a leap of faith and infer from a generalized expression of feeling in a contrived situation, ostensibly located in some remote age and country—or from a botched anagram—first the librettist's and then, by extension, Mozart's attitude to current issues. Here the composer conspicuously associated himself with a highly specific and elaborate exercise in war propaganda. He wrote two more pieces explicitly related to the war: a dance celebrating prince Coburg's victory (R. 587) at the end of 1789 and in the following year a work for
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mechanical organ commemorating field-marshal Laudon, the victor of Belgrade, who died in July 1790 (K. 594). Whatever Mozart's own views were, these pieces testily to the impact made by the war on Vienna, which is inseparable from the impact of Joseph II. Beim Auszug in das Feld is an especially valuable historic document, illustrating as it does the confusions and inconsistencies—or, to be charitable, the complexities—in prevailing attitudes to the war and to government policy in general. What is so striking is that it was possible at this moment to hold this mish-mash of views all at once. The point applies more widely, to the ideas of the emperor himself and indeed to the Austrian Enlightenment as a whole, and particularly to Josephist, Masonic and progressive opinion in Vienna.
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Harald Haslmayr
Wien 1781 bis 1791 Verbürgerlichung der Musik?
Mozarts Wiener Jahre von 1781 bis 1791 können als hervorragendes Beispiel für die völlige Unzulänglichkeit des auch ideologisch zu stark besetzten Begriffes der „Verbürgerlichung" gelten. Diese These soll hier nicht durch soziologisch-demographische Argumente gestützt werden - nur allzu deutlich haben die neueren Forschungen die spezifischen Kriterien der Eigenart des gesellschaftlichen Gefüges der Habsburgermonarchie herausgearbeitet -, sondern vor allem durch musikalische, die selbstverständlich einen deutlich anderen Rationalitätsstil erfordern als den positivistisch „wissenschaftlichen". Um den Rahmen der Argumentationslinie abzustecken, seien zunächst die aus den Quellen belegbaren Spuren des öffentlichen musikalischen Wirkens Mozarts in Wien von seinem Eintreffen am 16. März 1781 bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1791 aufgelistefc - Mozart gibt 15 Privatakademien zu seinem eigenen Vorteil. - Bei sechs Veranstaltungen der Tonkünstler-Societät kommen Werke Mozarts zur Aufführung (ohne die Wiederholungen). - 28 Auftritte Mozarts in adeligen Palais sind tatsächlich belegt - 6 Konzerte Mozarts in bürgerlichen Salons haben stattgefunden. - Mozart ist an 25 Musikveranstaltungen beteiligt, entweder als Interpret oder Komponist (Konzerte der Tonkünstler-Societät nicht mitgerechnet). - 5 Konzerte Mozarts im Rahmen der Freimaurerei sind bezeugt. - 6 Konzerte mit Mozarts Bearbeitungen sind nachzuweisen. - 151 Opernaufführungen Mozarts fanden bis zum 6. November 1791 in Wien statt. Zahlreiche Aufführungen, so zum Beispiel Mozarts Tanzmusik, die er als Kammerkomponist geschrieben hatte, müssen sicher noch stattgefunden haben. Es geht hier aber nicht um die exakten Zahlen, sondern diese - im letzten nie ganz scharf zu erstellende - Aufstellung soll zeigen, daß Mozart eben in allen Arten der Konzerte Wiens auftrat Auch die „Augarten"-Konzerte sind noch zu erwähnen, die sicher nicht 1782 eingestellt wurden. Auch ein Blick auf Mozarts Schülerkreis zeigt deutlich, wie aussichtslos eine schichtspezifische Unterscheidung im Hinblick auf eine lang andauernde Tendenz oder Veränderung ist, wobei hier auf eine genaue Interpretation des Schülerkreises verzichtet werden muß, die mindestens so lohnend wäre wie die der Subskriptionsliste der Akademie Mozarts von 20. März 1784. (Die folgenden Daten geben lediglich den Beginn des Unterrichtsverhältnisses wieder.) Zeit 1781
1782
Kompositions-Schüler
Klavierschüler Gräfin Marie von Rumbeck Josephine Auernhammer Therese von Trattner Gräfin Wilhelmine von Thun? Anna Maria von Zichy
512 1783 1784 1785 1785/86 1786 1786/87 1786/88 1787 1787/88 1788
1790 1791
Harald Haslmayr
Francesco Pollini? Barbara Ployer Anton Eberl Thomas Attwood Michael Kelly Graf August von Hatzfeld Gottfried von Jacquin Franz Jakob Freystädtler
Fürst Karl Lichnowsky Franz de Paula Roser Ludwig Gall Joseph Eybler Karl Andreas Göpfert Ludwig F. v. Montecuccoli Franz Xaver Süßmayr
Komtesa Palffy Barbara Ployer
Franziska von Jacquin Karoline Pichler Ludwig van Beethoven Marianne Willmann? Johann Nepomuk Hummel Anton Liste? Maria M. Hofdehmel Dr. med. Joseph Frank Joseph Wölfl Anonyme Schülerin
Interessant ist nun der Blick auf die gesellschaftliche Aufführungssituation der Werke Mozarts, wobei sich hier die drei „großen" Serenaden KV 561 (370 a), KV 375 und KV 388 (584 a) als Beispiele geradezu anbieten. Das erste Werk, die „Gran partita" KV 561 (570 a), entstand kurz nach dem Eintreffen Mozarts in Wien und legt beredtes Zeugnis für die starke Tradition der Bläserserenade in Wien ab. Das „Wienerblättchen" vom 25. März 1784 kündigt die Aufführung folgendermaßen an: „Heut wird Herr Stadler der ältere in wirklichen Diensten Sr. Majestät des Kaisers, im k. k. National-Hoftheater eine musikalische Akademie zu seinem Vortheil geben, wobey unter anderen gut gewählten Stücken eine große blasende Musik von ganz besonderer Art, von der Composition des Hrn. Mozart gegeben wird." Das umfangreichste der drei Werke gelangt also in einer öffentlichen Konzertveranstaltung, einer „Akademie", zur Aufführung, zum Vorteil des Klarinettisten Stadler. Drei Tage zuvor, am 20. März, finden sich auf der bereits erwähnten Subskriptionsliste für Mozarts Akademie weit über 100 Subskribenten der verschiedensten gesellschaftlichen Herkunft, es besteht also kein Grund anzunehmen, daß diese Akademie vor leerem Haus stattgefunden hätte, zumal auch der Grazer Schriftsteller Johann Friedrich Schink aus Wien im Frühjahr 1784 berichtet: „Hab' auch heut eine Musik gehört mit Blasinstrumenten, von Herrn Mozart, in vier Sätzen - herrlich und hehr! Sie bestand aus dreizehn Instrumenten, als vier Corni, zwei Oboi, zwei Fagotti, zwei Clarinetti, zwei Basset-Corni, ein Contre-Violon, und saß bei jedem Instrument ein Meister - o es tat eine Wirkung - herrlich und groß, treflich und hehr!" Im Oktober 1781 folgt die Serenade KV 575, ursprünglich nur für je zwei Fagotte, Klarinetten und Horner. Anlaß für die Komposition war der Namenstag der Schwägerin des Wiener Hofmalers Joseph Hiekel, Theresia. Teile der Aufführung könnten sich
Wien 1781 bis 1791 - Verbürgerlichung der Musik?
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sogar im Freien abgespielt haben - in jedem Fall handelt es sich um die Sphäre privater Bürgerlichkeit. In die Welt der hochadeligen Auftraggeber weist die Serenade KV 388 (384 a), die sogenannte „Nacht Musique", die Ende Juli 1782 für die Hauskapellen des Fürsten Schwarzenberg oder des jungen Fürsten Liechtenstein entstanden ist. Oft bemerkt und viel diskutiert ist das wirklich überraschende Fehlen jeglicher äußerlicher Repräsentation zugunsten der bohrenden Düsterkeit dieses Werkes, das immerhin einer Musikgattung friedlich-pastoraler Herkunft entstammt. Vergleicht man nun diese drei Serenaden, so fällt auf, daß die so extrem unterschiedlichen Entstehungs- und Auffiihrungsumstände keine wie auch immer geartete soziologischen Unterscheidungen zulassen. In Wien hat es also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen spezifisch „adeligen" oder „bürgerlichen" Musikdialekt gegeben, der eindeutig zugeordnet werden könnte. Ein Detail zeigt aber ganz deutlich, daß Mozart keineswegs ein „überzeitlich-allgemeinmenschlicher Orpheus" war, sondern daß er sich den musikalischen „Codes" seiner Zeit raffiniert zu bedienen wußte: Im 4. Satz der „Gran partita" KV 361 (370 a), dem 2. Menuetto, erscheint im 2. Trio ein „Schleifer" oder „Dreher", eine - wie Nikolaus Harnoncourt es gezeigt hat unverkennbare Vorform des Walzers. Diese Figur des „Schleifers" ist an zwei ganz wesentliche Voraussetzungen gebunden, nämlich an die Drehung und an das Sichumfassen der Tänzer, zwei Formen also, die der adeligen Auffassimg und Tanztradition diametral widersprachen. Dieser Schleifer kommt, was noch ausführlicher zu zeigen wäre, eindeutig aus den „unteren" sozialen Schichten und war lange geradezu als unsittlich verpönt - daß etwa Maria Theresia bei Hof gerne statt des Menuettes „Deutsche" getanzt hat, ist dagegen ebensowenig Argument, als wenn man etwa behaupten wollte, Kaiser Friedrich III. wäre in Wirklichkeit ein Konspirant der Türken gewesen, weü er im Grazer Dom in türkischer Tracht dargestellt ist Bemerkenswert ist nun, daß dieser „Schleifer" bei Mozart und auch Haydn öfters auftritt: Es soll nun keine vollständige Auflistung erfolgen, sondern einige Beispiele, die die Semantik des „Schleifers" zeigen. - Zauberflöte: No 1, Introduktion. Takt 128-133. Die Drei Damen wollen einander im Walzertakt fortschicken, um mit Tamino allein zu sein - um ihn endlich umarmen zu können? No 21, Finale. Takt 534—542. Papageno will sich erhängen - weü niemand da ist, den er umarmen könnte? - Così fan tutte: No 12, Arie der Despina. Takt 33-39, 45-49. Despina, auch sonst reich mit österreichischer Folklore bedacht, setzt die Untreue der Männer auseinander. No 18, Finale. Takt 357-361. Der Schleifer fallt genau auf Despinas „virtù" - eine beißende Ironie Mozarts! No 19, Arie der Despina, Takt 21-35, 51-57, 90-92. Am Ende auf „Viva Despina che sa servir" - jeder Kommentar erübrigt sich! - Idomeneo: No 20, a Duetto Ilia-Idamante. Takt 26-30, 33-36, 71-75. - Missa in C KV 66: Kyrie Takt 44-56, 86-98. - Symphonie Nr. 39 Es-Dur KV 542. Trio, Takt 1-7,17-24.
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Harald Haslmayr
- Symphonie Nr. 41 C-Dur KV 551. Trio, Takt 16-20. Eine tänzerische Klammer, die doch auf die innere Einheit der symphonischen Trias hindeuten könnte? - Divertimento Es-Dur KV 563. Menuetto II Trio II, Takt 63-65, 71-74, 84-86. Zahlreiche Beispiele, vor allem auch aus den Tanzkompositionen Mozarts, ließen sich noch aufzählen, ein hervorragender Zeuge für den Nachweis der Herkunft des „Schleifers" aus ländlichen Traditionen ist aber vielmehr der „Weinchor" aus dem Herbstteil von Haydns Jahreszeiten, in dessen Walzermittelteil man bereits Johann Strauß Vater mittanzen hören kann ... Ein wirklicher Zeuge der „Verbürgerlichung" im Sinne des Frühkapitalismus wird dann erst Rocco aus Beethovens „Fidelio" sein: Seine Mahnung „Doch wenn's in der Tasche fein klingelt und rollt, Da hält man das Schicksal gefangen ... Drum lächle der Zufall euch gnädig und hold Und segne und lenk euer Streben ..." wird genau von der sich drehenden Schleiferbewegung begleitet - die Drehung des Zufalls, das Rollen des Talers (immerhin noch des Talers - Mephistos Vorschlag zur Einführung des Papiergeldes im zweiten Faust ist noch nicht geschrieben!) ist an die Stelle der Drehung der sich umarmenden Tänzer getreten. Die Idee des Fidelio, die Erscheinung der transzendentalen Freiheit in menschlicher Geschichte jedoch sprengt jede gesellschaftsspezifische Grenze und weist Roccos Mahnung den Platz einer Episode zu - ähnlich wie es für den Begriff „Verbürgerlichung" in der Kulturwissenschaft angebracht wäre.
Volkmar Braunbehrens
Mozart und die Freimaurerei
Seit Otto Erich Deutschs Aufsatz über „Mozart und die Wiener Logen. Zur Geschichte seiner Freimaurer-Kompositionen" (Wien 1932), der sich vor sechzig Jahren erstmals quellenkundlich mit Mozarts Freimaurertum beschäftigte, sind eine Reihe größerer und kleinerer Arbeiten zu diesem Thema erschienen (vor allem von Paul Netti, Philippe A. Autexier, H. C. Robbins Landon, Hans-Josef Irmen). Aber auch in der Erforschung der Wiener Logensituation am Ende des 18. Jahrhunderts, speziell in der josephinischen Zeit, sind bedeutende Fortschritte gemacht worden (vor allem durch die Arbeiten von Ernest Krivanec, Helmut Reinalter, Edith RosenstrauchKönigsberg und Hans Wagner). Wir wissen heute sehr viel mehr über Mozarts Beziehung zur „königlichen Kunst", und dennoch wird man sich ehrlicherweise eingestehen müssen, daß seine Logenbiographie alles andere als geklärt angesehen werden kann. Ich verstehe mein Referat deshalb vor allem als Impuls zur Diskussion und werde wohl mehr Fragen stellen oder Thesen formulieren als abgerundete Ergebnisse vorlegen. Mozart bewegte sich in Wien - im Gegensatz zu anderen Musikern - in einer Gesellschaft mit ungewöhnlich hohem Anteil an Freimaurern. Bei seinen Subskriptionskonzerten im Trattnerhof (März 1784) dürften etwa ein Viertel bis ein Drittel der (männlichen) Anwesenden Freimaurer gewesen sein, und dies keineswegs aus Anhänglichkeit an einen Logenbruder, denn Mozart war zu diesem Zeitpunkt noch kein Mitglied der Loge. Auch unter den engeren Bekannten Mozarts finden sich viele Freimaurer. Wenn man davon ausgeht, daß es in Wien um 1785 etwa 600 bis 1000 Logenbrüder gegeben haben mag (bei etwa 200.000 Einwohnern), wird man Mozarts gesellschaftliches Ambiente von dem anderer anerkannter Musiker deutlich unterscheiden können. Im Umkreis von Salieri etwa, um nur einen zu nennen, können wir kaum Freimaurer ausmachen. Wenn Mozart aber in Wien von Freimaurern geradezu umstellt war, ist es doch bemerkenswert, daß er in die von ihrem gesellschaftlichen Rang, ihrer Ausstrahlung und ihrem Ansehen her imbedeutende Loge „Zur Wohltätigkeit" Eingang fand und nicht in die „Prominenten"-Loge „Zur wahren Eintracht", in der er viele seiner Bekannten treffen konnte (und in der er auch freundschaftlich verkehrte - aber „seine" Loge war sie nicht). Das Profil der etwa acht bis zehn Wiener Logen war außerordentlich verschieden. Das zeigte sich sowohl in der personalen Zusammensetzung, die etwa nach schichtspezifischen Gesichtspunkten (z. B. Anteil des hohen Adels), politischer Funktion (ergänzend auch Einstellung zur josephinischen Reformpolitik mit ihrer Überschneidung zu freimaurerischen Zielen), aber auch nach Berufsgruppen aufzuschlüsseln wäre, als auch in der Richtung der freimaurerischen Vorstellungen und Zielsetzungen (bei denen u. a. auch nach dem finanziellen „Spielraum" der Mitglieder zu unterscheiden wäre. Was wurde etwa für alchymistische Experimente ausgegeben?) Das Spektrum in Wien reichte von Alchymie und Rosenkreuzertum bis zu Aufklärerlogen (wie etwa „Zur wahren Eintracht", die sich fast als ein Vorgriff auf eine
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Volkmar Braunbehrens
künftige Akademie der Wissenschaften verstand), von Hochgradsystemen bis zu den „Asiatischen Brüdern" und hatte ein reiches Spektrum an Esoterik, an geistiger und praktischer Logenarbeit. Aber über die einzelnen Logen in ihrer Verschiedenartigkeit und Abgrenzung ist vieles noch unklar, vor allem auch die personellen Überschneidungen bei der Logenarbeit, da manche Freimaurer zugleich in mehreren Logen arbeiteten. Das Logenprofil müßte im Grunde ergänzt werden durch eine biographische Ermittlung der wichtigsten Logenmitglieder und ihrer „Wanderung" durch verschiedene Logen, also eine Geschichte von Logenkarrieren. Wer hat nun Mozart in engeren Kontakt mit den Logen gebracht, ihn in die Freimaurerei geführt? Traditionellerweise wird hier immer Otto von Gemmingen genannt, den Mozart schon aus Mannheim kannte. Einen Beleg dafür sucht man freilich vergebens, Gegengründe hegen allerdings auf der Hand. Denn von einem engeren Kontakt zum Freiherrn von Gemmingen in Wien weiß man nichts, abgesehen davon, daß Gemmingen als Stuhlmeister der Loge „Zur Wohltätigkeit" fungierte. Für mich ist sehr viel plausibler der Einfluß eines anderen Mitgliedes der Loge „Zur Wohltätigkeit", des Grafen Karl Lichnowsky, mit dem Mozart bei unterschiedlichen Gelegenheiten häufig zusammen war, nicht zuletzt bei den Matineen bei van Swieten, zu denen Lichnowsky mancherlei Handschriften und Abschriften beisteuerte, die er aus Berlin bzw. von seinem Studium bei Forkel in Göttingen mitgebracht hatte. Darüber hinaus war Lichnowsky ständiger Gast bei Gräfin Thun, deren Schwiegersohn er später werden sollte. (Die spätere rätselvolle Beziehung Mozarts zu Graf Lichnowsky spricht kaum dagegen: sie pendelte zwischen der freundschaftlichen Reisebegleitung nach Berlin [1789] und dem Schuldprozeß, in den Lichnowsky Mozart noch wenige Wochen vor seinem Tod verwickelte. Hier ist noch vieles aufzuklären, wie überhaupt die Persönlichkeit Lichnowskys noch kaum erhellt ist.) Von der Loge „Zur Wohltätigkeit" wissen wir eingestandenermaßen wenig. Immerhin gibt es eine aufschlußreiche Mitgliederliste vom Juni 1785, die unter den 40 Mitgliedern und vier Ehrenmitgliedern nur vier höherrangige Adlige aufweist (zwei Freiherren und zwei Grafen) sowie zehn weitere Personen mit einfachem Adelsprädikat. Etwa die Hälfte der Mitglieder sind Beamte oder Militärs, unter den anderen sind immerhin fünf künstlerisch tätig (darunter auch der Schriftsteller Johann Pezzi), zwei sind Geistliche, drei Professoren, zwei Doktoren der Rechte, ein Buchdrucker und Buchhändler - insgesamt also eine eher bürgerliche Mischung, zumal unter den Beamten keiner sehr hohe Regierungsstellen einnimmt. Über die eigentliche Logenarbeit haben sich so gut wie keine Hinweise überliefert. Ein Präsenz- oder ein Ereignisbuch, wie es von der Loge „Zur wahren Eintracht" sich erhalten hat, sucht man vergebens. (Die verhältnismäßig gute Überlieferungsgeschichte der Loge „Zur wahren Eintracht" verdankt sich letztlich nur der Beschlagnahme ihrer Akten durch die Geheimpolizei. Im übrigen ist diese Loge, so einflußreich sie auch gewesen ist, für das innere Logenleben eher untypisch, jedenfalls kann ihre Tätigkeit kaum als repräsentativ für die Wiener Logen angesehen werden, wohl aber symptomatisch für die Wirksamkeit der politischen Aufklärung.) Aber auch von der Loge „Zur neugekrönten Hoflnung", der Mozart nach dem josephinischen Freimaurerpatent von 1785 angehörte, haben sich kaum Spuren ihrer Tätigkeit erhalten, obschon diese Loge, entgegen dem allgemeinen Trend, um 1789 sogar steigende Mitgliederzahlen aufweisen konnte. Trotz Überwachung durch die
Mozart und die Freimaurerei
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Geheimpolizei wuBte sie ihre Aktivitäten und ihren Schriftwechsel gut zu hüten und geheimzuhalten. Auch hier ist eine Tendenz zur Verbürgerlichung zu beobachten, sie hatte um 1790 sogar auffallend viele Fabrikanten und Apotheker unter ihren Mitgliedern, während sich der Adel mehr und mehr zurückzog. Welchen Anteil Mozart an der Arbeit dieser Loge nahm, ob und wie oft er sie besuchte, ist nicht bekannt. Auffallig ist aber, dafl Mozart sich bis zum Ende seines Lebens, als dies gewiß nicht mehr opportun war für einen freien Künstler, der von der Publikumsgunst ebenso abhängig war wie von seinen Auftraggebern, öffentlich zu seiner Logenzugehörigkeit bekannte. Die Veränderungen des Logenwesens nach dem Freimaurerpatent können ihm nicht entgangen sein, im Gegenteil gewinnt man den Eindruck, daß er selbst sich für eine Erneuerung des Logenwesens und eine Rückbesinnung auf die eigentlichen, fast pädagogisch zu nennenden Zielsetzungen der Freimaurerei vehement einsetzte. (Ob sein eigener ausgearbeiteter Plan zu einer Logenorganisation, den er „Die Grotte" überschrieb, in diesen Zusammenhang gehört, muß eine Vermutung bleiben, solange dieses Dokument, das erst um 1800 verlorengegangen ist, nicht wieder aufgefunden wird.) Jedenfalls vertritt der Text der „kleinen Freymaurer-Kantate" (KV 623), seines letzten vollendeten Werkes, mit Emphase den Gedanken, daß freimaurerische Arbeit ihre humanitären Ziele in der Stille zu verfolgen habe, ein Prozeß der Selbstvervollkommnung sei als Beitrag zur „Vervollkommnung des Menschengeschlechtes" - wie Johann Gottfried Herder sich ausdrückte -, und daß ihr jeder äußere Prunk und Herrschsucht wesensfremd sei. Daß solche Gedanken auch in der „Zauberflöte" eine wesentliche Rolle spielen, an der Figur des Sarastro geradezu exemplifiziert werden, wird durch eine eher fatale, aber hartnäckige Inszenierungstradition bestens verdeckt. Gerade Sarastro ist nicht die Verkörperung jener Weisheitslehren, die er im Munde führt, sondern muß den Weg vom selbstherrlichen Fürsten zum einfühlsamen Menschen (Hilfe bei der Überwindung der Angst, 11/21) für sich selbst erst gewinnen, er ist selbst ein „Suchender". (Ausführlicher habe ich hierzu im Programmbuch zur „Zauberflöte" der Salzburger Festspiele 1991 geschrieben.) Kann man „Die Zauberflöte" also als eine Logenarbeit bezeichnen? Die Oper vertritt zum einen nach innen gerichtete freimaurerische Reformgedanken und kann als Beitrag zum Selbstverständnis maurerischer Arbeit verstanden werden. Sie wendet sich andererseits aber in erster Linie an ein „profanes" Publikum, das nicht durch die Hofbühne des Nationaltheaters repräsentiert wird, sondern - breiter noch - im Vorstadttheater - an ein bürgerliches Publikum aller Schichten, in das sich freilich auch der Adel zwanglos mischte. Und diesem Publikum gegenüber tritt diese Oper zur Verteidigung der Freimaurer zu einem Zeitpunkt an, als das Logenwesen aufs äußerste gefährdet war. Der absolutistische Staat konnte sich eine seiner Kontrolle entziehende Geheimgesellschaft nicht dulden, sie widersprach seinem Verständnis des Staatsaufbaus diametral. Wieviel eher mußte das gelten zu einem Zeitpunkt, als der absolutistische Staat durch die auf ganz Europa ausstrahlenden Vorgänge der Französischen Revolution selbst bedroht war. „Die Zauberflöte", bewußt in die Form eines Märchens gekleidet, stellte ein Politikum dar und wurde, wie die vielen verschiedenen allegorischen Ausdeutungen, aber auch die musikalischen Adaptionen mit aktuell unterschobenen Texten zeigen, als solches verstanden. „Die Zauberflöte" als öffentlicher Beitrag im historischen Prozeß der Unterdrückungsgeschichte der Freimaurerei (einsetzend mit dem Freimaurerpatent von 1785, bereits endend mit
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Volkmar Braunbehrens
der Selbstauflösung der Wiener Logen 1793) ist meines Wissens noch nie in diesem Zusammenhang untersucht worden. (Warum das so ist, dazu ließen sich selbst einige Thesen aufstellen. Sie beträfen die fehlende Geschichte der politischen Enthaltsamkeit der Freimaurerei ebenso wie den immer noch virulenten Unwillen, den historischen musikalisch-ästhetischen Bereich mit dem realhistorischen Bereich in Beziehung zu setzen.) Nim noch ein Wort zu Mozarts Freimaurermusik. In den Logenritualen ist schon immer Platz gewesen für gemeinsame Gesänge, Kettenlieder, Eingangs- und Schlußgesänge. Daneben mag es auch häufiger zu feierlicher musikalischer Umrahmimg von Logentreffen gekommen sein. Aber gibt es so etwas wie eine spezifische freimaurerische Musik eigener Tradition? In diesem Zusammenhang wird oft auf die „freimaurerischen Klänge" des Bassetthorns, der Klarinetten verwiesen, die Bevorzugung der B-Tonarten (B wie Brüder?), auf ein feierlich getragenes Adagio und ähnliches. Doch eine wie auch immer spezifizierte freimaurerische Instrumentalmusik vor oder neben Mozart läßt sich nicht finden. Es gibt zwar Stellen im Logenritual, für die eine solche Musik denkbar wäre, etwa die „Wanderung" (Anklang hierzu am Beginn der „Geharnischten"-Szene der „Zauberflöte"), aber wir kennen wohl keine Musik, die eindeutig für solchen Gebrauch geschrieben wäre. Es gibt auch kein spezielles Instrumentarium, das für den Logengebrauch zur Verfügung stand. Mozarts Verwendung der Bassetthörner und Klarinetten in einigen Bläserwerken erklärt sich wohl eher aus der experimentellen Zusammenarbeit mit Instrumentalisten, die zugleich auch Logenmitglieder waren. Die Tonartenwahl führt dabei vor allem auf die Stimmung der Instrumente zurück. Mozarts Experimente mit diesen Instrumenten sind durch eine Reihe von Studien belegt, in denen neue Klangmöglichkeiten ausprobiert wurden. Es sind dies Bläserwerke wie KV 410, 411 oder 484 a-e. Durchaus denkbar, daß solche Stücke auch in der Loge gespielt wurden, aber waren sie auch für diesen Zusammenhang geschrieben? Etwas anderes ist es mit der „Maurerischen Trauermusik", deren genaue Entstehungsumstände zwar noch immer nicht endgültig geklärt sind, deren Logenzusammenhang allerdings unbestritten ist und die spezielle Faktur dieser Musik bestimmt hat. Daß - zumindest in Wien - Logenereignisse zu großen Gesellschaftsereignissen werden konnten mit einer repräsentativen Beteiligung der Musik, zeigt ζ. B. die Kantate „Die Maurerfreude", ein Huldigungswerk für Ignaz von Born, das vermutlich als Auftragswerk zustande kam. Wie auch immer man Mozarts Freimaurermusik von maurerischen Gedanken beeinflußt sieht, war sie Ausdruck seiner ureigenen Auseinandersetzung mit dieser Lehre, konnte sich auf keine Vorbilder stützen, auf keine bereits eingeführten Stilmerkmale, keine bekannte musikalische Symbolik. Das heißt, wir müssen entweder aus einer detaillierteren Kenntnis der Logenpraxis, insbesondere von Mozarts freimaurerischen Tätigkeiten, als wir sie bisher haben, das spezifisch Freimaurerische dieser Musik zu bestimmen suchen, oder wir müssen offen eingestehen, daß all jene symbolträchtigen oder gar bis zu einer vorgeblichen Geheimschrift-Entschlüsselung reichenden Interpretationen (wie etwa von HansJosef Irmen) willkürlich und im historischen Sinne irrelevant und obsolet sind. Mozarts Freimaurermusik ist dann ausschließlich musikalisch zu interpretieren, wobei im Falle der Textvorlagen (wie etwa bei der „Zauberflöte") dieselben Methodenkriterien zu gelten haben wie bei jeder anderen Textvertonung Mozarts.
Mozart und die Freimaurerei
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Daß Mozart selbst keine freimaurerische musikalische Tradition begründen konnte, erklärt sich wohl nicht zuletzt damit, daß kurz nach Mozarts Tod die Freimaurerei in Österreich für zwei bis drei Generationen völlig zu existieren aulhören mußte.
Marie Cornaz
La vie culturelle viennoise du temps de Mozart vue à travers la presse bruxelloise
Introduction Nous allons examiner à travers deux journaux bruxellois, la Gazette de Bruxelles et la Gazette des Pays-Bas, ce que les Bruxellois lettrés pouvaient connaître par la presse de la vie culturelle viennoise pendant la vie de Mozart, entre 1756 et 1791. La vie culturelle d'une ville s'exprime à travers les manifestations intellectuelles, artistiques, scientifiques qui s'y déroulent. La culture englobe notamment la peinture, l'architecture, la sculpture, les arts décoratifs mais aussi la musique, la littérature, les sciences. Ce sont les éléments concernant ces différents domaines qui ont retenu notre attention. La Gazette de Bruxelles et la Gazette des Pays-Bas sont des journaux qui regroupent des informations provenant des quatre coins de l'Europe, et souvent de plus loin, répertoriées sous des rubriques ayant le nom de la ville d'où proviennent les nouvelles. Notre étude s'attache uniquement aux renseignements concernant strictement Vienne et donc issus des chapitres intitulés «De Vienne». Chaque numéro hebdomadaire est suivi d'un supplément comprenant également des rubriques portant le titre «De Vienne». Lorsqu'un nouveau numéro paraît, les informations provenant de Vienne datent d'une dizaine de jours. Ainsi, dans la Gazette de Bruxelles datée du 9 janvier 1756, les informations de Vienne portent la date du 27 décembre 1755. La Gazette des Pays-Bas remplace en 1759 la Gazette de Bruxelles. L'année 1791, qui termine notre étude, est aussi la dernière année de parution de la Gazette des Pays-Bas. Ces deux journaux ont fait office pendant plusieurs dizaines d'années de journal officiel, mais d'autres journaux bruxellois ont existé, souvent peu de temps, durant cette période. En lisant la gazette, le Bruxellois francophone et lettré de l'époque pouvait se faire une idée de ce qui se passait loin de chez lui, à Vienne. Le chapitre consacré à cette ville rassemble des informations diverses concernant: - les événements de la Cour: les services religieux auxquels elle assiste, les fêtes qu'elle organise lors de naissances, de mariages, d'anniversaires, de victoires militaires, les manifestations culturelles auxquelles elle participe pour se divertir, les cérémonies funèbres qu'elle célèbre, les maladies des personnalités qui la compose; - les événements politiques: la signature d'un traité de paix, la ratification de nombreuses ordonnances, la visite de personnalités autrichiennes ou étrangères; - les conditions climatiques: le froid, l'orage, les inondations ont de graves répercussions; - la démographie.
La vie culturelle viennoise du temps de Mozart vue à travers la presse bruxelloise
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I. Les spectacles Les spectacles mentionnés par les gazettes sont ceux auxquels la Cour participe: opéra, théâtre, ballet, concert de musique instrumentale ou vocale. Le 15 octobre 1757, jour de la fête de Sainte-Thérèse, la cour va voir un spectacle donné au Burgtheater. Toute la famille impériale, ainsi que le comte Giacomo de Durazzo (1717-1794), surintendant général des spectacles, assistent à une représentation du ballet Zamoysc de Franz Hilverding (1710-1768), chorégraphe et danseur autrichien, considéré comme un précurseur de Noverre. La gazette précise que l'épisode du «cosaque jaloux», avec un pas de deux exécuté par Louis Mecourt et Mlle Joflroy, a été particulièrement apprécié. 1 L'empereur François I et l'impératrice Marie-Thérèse assistent en mars 1759 à la tragédie Isaac figure de Rédempteur, en italien, à l'hôtel de Saxe-Hildbourghausen. La musique est de Giuseppe Bonno, les paroles de l'abbé Métastase (1698-1782).2 En mars 1760, le comte de Losy, devenu grand-maître de la maison de l'archiduchesse Marie-Christine, a laissé sa place de directeur de la musique de la Cour et de la Chambre au comte de Durazzo. Leurs Majestés impériales admirent le 7 janvier 1761 l'opéra Armide, avec une musique de Tommaso Traetta (1727-1779), maître de chapelle du duc de Parme. 3 Le 3 novembre 1761, le feu se déclare au théâtre allemand, le Kärntnerthortheater: le théâtre est entièrement détruit. 4 On organise au Burgtheater à partir du 13 novembre le premier d'ime série de concerts dont le bénéfice servira à la reconstruction du théâtre allemand. 5 Le 23 mars 1762, est exécutée, à l'occasion de l'accouchement de l'archiduchesse Marie-Christine, une sérénade de Georg Christoph Wagenseil (1715-1777), compositeur de la Chambre des Altesses impériales. 6 Au Burgtheater, en mai de la même année, l'opéra italien de l'abbé Métastase Le Triomphe de CUlie est représenté. La musique est de Johann Adolf Hasse (16991783), connu, précise la gazette, sous le nom de «Sassone» (surnom qu'il avait depuis son séjour en Italie en 1726 alors qu'il n'était pas saxon); les ballets sont de Domenico Maria Gaspero Angiolini (1731-1803), chorégraphe, danseur et compositeur italien élève de Hilverding. La gazette raconte l'histoire et précise que les décorations et les machines sont au point. 7 Le 4 janvier 1763, on donne au Burgtheater la première représentation de l'Artaserse de Métastase, avec la musique de Scarlatti.8 Le théâtre allemand est rebâti en mai 1763 sous la direction du comte de Durazzo,
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Gazette Gazette Gazette Gazette Gazette Gazette Gazette Gazette
de Bruxelles, n° CX, vendredi 28 octobre 1757. de Bruxelles, n° XXXIX, 30 mars 1759. des Pays-Bas, n° VII, jeudi 22 janvier 1761. des Pays-Bas, n° XCII, lundi 16 novembre 1761. des Pays-Bas, n° XCV, jeudi 26 novembre 1761. des Pays-Bas, n° XXVIII, jeudi 8 avril 1762. des Pays-Bas, n° XXXVII, lundi 10 mai 1762. des Pays-Bas, n° V, lundi 17 janvier 1763.
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Marie Cornaz
surintendant des spectacles. Le bâtiment est construit sur le même emplacement que le précédent mais il est plus important.9 Le 26 décembre 1767, on ouvre à nouveau les théâtres, après l'Avent. Au Burgtheater, on donnea/cesie, nouvel opéra italien de Ranieri de Calzabigi (1714-1795), avec la musique du chevalier Gluck. La gazette précise que Gluck «en mettant cette pièce en musique a donné une nouvelle preuve de son genre & de la supériorité de ses talents».10 Le spectacle est suivi d'un ballet du chorégraphe français Jean-Georges Noverre (1727-1810), Les petits riens, qui a eu beaucoup de succès. On fait venir des comédiens français pour l'ouverture du nouveau théâtre allemand, le 3 mai 1768. A cette occasion, la tragédie de Voltaire Adelayde du Guesclin est jouée. La pièce est suivie de L'épreuve réciproque, comédie en un acte de Le Grand.11 L'acteur Prehauser meurt à Vienne en 1769. Il était connu pour ses rôles comiques à la comédie allemande. Les comédiens français et ceux de l'opéra italien suivent le convoi funèbre. 12 L'ambassadeur de France vient à Vienne en avril 1770 pour le mariage de l'archiduchesse Marie-Antoinette avec le Dauphin. La cour se rend à la salle des spectacles décorée fastueusement pour l'occasion. On représente la comédie La mère confidente de Marivaux et un ballet de Noverre, Les bergers de Tempé.13 En juillet 1774, Suleiman Effendi de Constantinople, en visite à Vienne, va au théâtre allemand. La gazette précise que sept loges y sont réservées pour lui. Il voit ce soir-là L'amore in campagna, un opéra-bouffon italien, puis un ballet tragico-pantomime d'Angiolini, L'orphelin de la Chine.14 Le comte et la comtesse du Nord assistent le 8 décembre 1781 à une représentation d'une tragédie de «Shakespear». Le 9, ils voient l'opéra Iphigénie en Tauride. Après le spectacle, une redoute rassemble plus de trois mille personnes masquées. 15 Le 2 mars 1785, l'ambassadeur du Maroc en visite à Vienne assiste au Burgtheater, rebaptisé théâtre national par Joseph II en 1776, au drame italien d'Alceste du chevalier Gluck.16 L'empereur voit au théâtre national, en août 1784, la première représentation de l'opéra Le roi Théodore à Venise, avec les paroles de l'abbé Giovanni Battista Casti (1724-1805) et la musique de Giovanni Paisiello (1741-1816).17 Le théâtre allemand, appelé aussi théâtre de la porte de Carinthie, est à nouveau ouvert le 4 août 1785 après avoir été restauré intérieurement. La réouverture a lieu avec l'opéra italien Giulio Sabino, sur ime musique de Giuseppe Sarti (1729-1802).18
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Gazette des Pays-Bas, n° XXXIX, lundi 16 mai 1763. Gazette des Pays-Bas, n° III, lundi 11 janvier 1768. Gazette des Pays-Bas, n° XL, jeudi 19 mai 1768. Supplément à la Gazette des Pays-Bas, n° XV, lundi 20 février 1769. Gazette des Pays-Bas, n° XXXV, lundi 30 avril 1770. Gazette des Pays-Bas, n° LXI, lundi 1 août 1774. Gazette des Pays-Bas, n° CIII, lundi 24 décembre 1781. Gazette des Pays-Bas, n° XXII, lundi 17 mars 1783. Gazette des Pays-Bas, n° LXXVIII, lundi 6 septembre 1784. Gazette des Pays-Bas, n° LXVI, jeudi 18 août 1785.
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Pour la bénédiction de la nouvelle église des Minimes, on exécute en mai 1786 une musique vocale et instrumentale due à Johann Gottlieb Naumann (1741-1801), maître de chapelle de son altesse royale Albert de Saxe. Karl Friberth (1736-1816), compositeur autrichien, Nancy Storace (1766-1817), première interprète de Suzanne dans Les noces de Figaro, Pietro Benucci (1745-1824), chanteur basse italien, Stefano Mandini (?1750-ca. 1810), basse-bouffe et baryton italien, ainsi que d'autres musiciens (en tout plus de quatre-vingts) furent très applaudis.19 Le 22 et le 23 décembre 1786, la Société des Musiciens de Vienne donne son concert annuel au profit des veuves et des orphelins de ses membres. Le sujet du concert est tiré de la bible, Jonas. Les paroles sont de l'abbé Métastase et la musique de Anton Teyber (1756-1822), compositeur, pianiste, organiste et violoncelliste viennois. Le 22 décembre, Célarius Scheidl, 10 ans, fils du secrétaire de la Société des Musiciens, joue sur le «forte-piano». Le 23 décembre, Joseph Zintler, membre de la société, exécute ime prestation au violon.20 Une cantate est interprétée le 21 octobre 1787 au petit théâtre de l'opéra. La musique est de Naumann.21 Le 6 janvier 1788, on célèbre le mariage de l'archiduc François avec la princesse Elisabeth de Wurtemberg. Le 7 janvier, le spectacle est gratis dans les deux théâtres de la Cour et dans ceux des faubourgs. Au théâtre national, on peut voir la comédie La chose impossible. Au théâtre de la porte de Carinthie, on peut assister à la première représentation de l'opéra Richard Cœur-de-Lion, donné en français, avec les paroles de Michel Sedaine (1719-1797) et la musique de André-Modeste Grétry (1741-1813). Le 8 janvier, on donne gratis au théâtre national la première représentation de l'opéra tragi-comique Axur, re d'Ormus, avec une musique de Antonio Salieri (1750-1825), maître de chapelle de l'empereur, et un livret de Lorenzo Da Ponte. Au théâtre de la porte de Carinthie, on peut voir Les trois sultanes.22 En janvier 1790, l'empereur Joseph II est malade. La gazette précise que les jours où il n'est pas atteint par la fièvre, il travaille beaucoup et se divertit par la musique.
II. Beaux-Arts et arts décoratifs Dans les années 1760, la gravure en taille-douce connaît un nouvel essor. En 1763, l'empereur François I permet au libraire Trattner de choisir dans sa galerie trois tableaux comme modèles pour trois graveurs: - La fuite en Egypte de Domenico Fetti: la gravure est de Anton Tischler (1721ca.1780). - Le joueur de luth de Prete Genuese: la gravure est réalisée par Johann Christoph von Reinsperger (1711-1777), miniaturiste et graveur; il a été peintre du duc Charles de Lorraine avant d'être celui de la cour à Vienne.
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Gazette des Pays-Bas, n° XXXVI, jeudi 4 mai 1786. Gazette des Pays-Bas, n° IV, jeudi 11 janvier 1787. Gazette des Pays-Bas, n° XCII, jeudi 15 novembre 1787. Gazette des Pays-Bas, n° VI, lundi 21 janvier 1788.
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- La fille de Tancrède de Turino: le graveur est Johann Ernst Mansfield (17391796), élève de l'Académie impériale de Vienne et de Jacob Schmutzer. 23 Le 10 novembre 1766, l'impératrice Marie-Thérèse érige en académie l'école de dessin et de gravure de Jacob Mathias Schmutzer (1733-1811), dessinateur et graveur en taille-douce viennois de la Cour. Les membres de l'Académie de peinture, de sculpture et d'architecture sont nommés membres de cette nouvelle académie. 24 Les prix à l'Académie de dessin, de peinture et de gravure sont distribués le 29 janvier 1768. Le prince Kaunitz Rittbergh visite l'académie et admire un tableau de Joseph Messner (1746-1799), peintre de paysages et graveur viennois. 25 Lors de la mort du baron Van Swieten en 1772, on élève, sur l'ordre de l'impératrice, un mausolée dans l'église des Augustine. Ce mausolée comporte un buste de marbre de Carrare sur une niche de marbre noir; à côté, on trouve des livres et des plantes en bronze doré. Le monument est couronné par une urne de bronze doré surmontée d'un serpent. 26 Le 23 décembre 1772, l'Académie des Arts Réunis est érigée sous l'impulsion de l'impératrice qui veut réunir en ime seule académie les quatre existantes. L'institution est placée sous la protection du prince Kaunitz-Rittberg. L'inauguration se fait à l'université. 27 Le sculpteur flamand Charles François Van Poucke (1740-1809) venant d'Italie présente au mois de juin 1776 à l'impératrice Marie-Thérèse le buste de la reine des deux Siciles et les portraits de l'infant duc de la Pouille et des Infantes, travaillés en marbre et posés sur un piédestal en porphyre revêtu de bronze doré. Pour le remercier, l'impératrice offre à l'artiste irne tabatière en or et une bague de diamants. 28 Les arts décoratifs sont souvent présents dans la gazette. On trouve régulièrement mention des bijoux en or et en diamants offerts aux loyaux serviteurs de la cour (les médecins, par exemple) mais aussi aux personnalités de passage à Vienne. La gazette indique que l'empereur Joseph II possède une riche collection de médailles et de monnaies dont les plus anciennes datent de Charlemagne. On frappe régulièrement des médailles lors d'événements importants, notamment suite à une victoire militaire. Lorsque des cadeaux vont être acheminés à un haut dignitaire, on les expose à la Cour dans la grande salle des glaces situé au Belvédère inférieur; ainsi, en 1762, on peut admirer les présents (argenterie, montre en diamants, etc....) qui vont être offerts au grand vizir de Constantinople. A de nombreuses reprises, l'empereur Joseph II ouvre sa galerie aux artistes pour que ceux-ci progressent.
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Gazette des Pays-Bas, n° XLVI, jeudi 9 juin 1763. Gazette des Pays-Bas, n° XCVI, lundi 1 décembre 1766. Supplément à la Gazette des Pays-Bas, n° XIII, lundi 15 février 1768. Gazette des Pays-Bas, n° XCII, lundi 16 novembre 1772. Gazette des Pays-Bas, n° II, jeudi 7 janvier 1773. Gazette des Pays-Bas, n° LII, jeudi 27 juin 1776.
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III. Sciences - Astronomie L'astronomie est alors à la mode. En 1761, on signale dans la gazette la sortie d'un ouvrage d'astronomie du père jésuite Hell, astronome de l'université de Vienne, qui observe le 28 février de la même année 612 aurores boréales.29 En juin 1761, on apprend que l'astronome César François Cassini (1714-1784), appartenant à une famille d'astronomes français d'origine italienne et auteur de la grande carte de France, est à Vienne. Il observe avec l'archiduc Joseph le passage de Vénus sur le Soleil.30 - Médecine Le médecin de l'empereur, Stoerck, publie en 1762 un traité sur certaines plantes que l'on considérait jusqu'alors comme des poisons et qui s'avèrent être utiles en médecine.31 La petite vérole, synonyme de la variole, décime beaucoup de monde et n'épargne pas la noblesse. Locher, médecin de l'hôpital Saint-Marc, distribue à plusieurs reprises à cette époque une brochure sur la maladie. Le médecin Chenu publie en 1771 un traité sur la propagation de la peste.32 La gazette parle en 1775 d'un ouvrage de Collin, médecin de la faculté de médecine de Vienne, concernant les plantes à usage médical. Le livre défend notamment la supériorité de l'arnica sur la quinquina.33 Le baron de Wenzel, médecin, soigne les maladies de l'œil de toutes les grandes personnalités de l'époque; son nom est fréquemment cité dans la gazette. - Inventions Durant le courant du mois de janvier 1784, une expérience d'aérostatique est faite à Vienne avec un ballon envoyé avec de l'air chaud au-dessus du sol. Les premières expériences avaient été faites en France en 1783. En mai 1784, au Prater, les écuyers anglais Hyam, Price et Massan font irne nouvelle expérience d'aérostat: c'est un succès. L'artificier Stuwer lance en juillet de la même année un feu d'artifice du Prater pour fêter l'invention de l'aérostat par les frères Joseph et Etienne Montgolfier. Un engin de ce type, où peuvent s'installer quatre personnes, est présenté à cette occasion. En 1791, l'aéronaute français Jean-Pierre Blanchard (1753-1809) fait une nouvelle ascension d'aérostat à partir du Prater; celui-ci avait traversé la Manche en ballon en 1785. - Botanique-Zoologie L'époque s'intéresse beaucoup aux plantes, aux arbres et aux fleurs rares et exotiques. La gazette indique que l'empereur Joseph possède une collection botanique rassemblant des plantes venant des quatre coins du monde. 29 50 51 52 55
Supplément à la Gazette des Pays-Bas, n° XXIV, lundi 23 mars 1761. Gazette des Pays-Bas, n° L, lundi 22 juin 1761. Gazette des Pays-Bas, n° LXVIII, jeudi 26 août 1762. Supplément à la Gazette des Pays-Bas, n° XX, lundi 11 mars 1771. Gazette des Pays-Bas, n° XCII, jeudi 16 novembre 1775.
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Ce goût pour l'exotisme s'exprime aussi par l'attirance pour les animaux lointains: en juin 1771, l'empereur fait venir à Vienne des oiseaux et des animaux exotiques. La gazette précise que parmi ces derniers, on trouve un éléphanteau de 23 mois.
IV. Personnalités On annonce la mort en 1758 à Vienne d'Erasme Frölich, grand savant de la Compagnie de Jésus, auteur de plusieurs ouvrages.34 Le 23 novembre 1758 meurt Jean de Baillou, savant qui possédait une collection de pierres précieuses; celle-ci fit ensuite partie du cabinet de l'empereur. 35 En 1764, on fait placer un tableau représentant le baron Van Swieten, bibliothécaire de l'empereur, président de la faculté de médecine, membre de différentes académies et sociétés littéraires, dans la salle de l'université où se tiennent les réunions du collège des médecins. Le 18 juin 1772, le baron Van Swieten meurt. 36 L'abbé Franz est le directeur du cabinet d'histoire naturelle et de physique. Sa personnalité éminente est appréciée par les visiteurs étrangers: Suleiman Effendi lui rend visite en 1774. Le chevalier Gluck, appelé «célèbre» par la gazette, reçoit aussi de nombreuses visites, notamment de la part du comte et de la comtesse du Nord en novembre 1781.37 On annonce en avril 1782 la mort de l'abbé Métastase, poète à la cour depuis 53 ans.38
V Visites Lors de leurs visites, les personnalités de marque autrichiennes ou étrangères vont voir: - l'Université: le Pape Pie VI fréquente ses murs en mars 1782; - la manufacture de porcelaine: le comte et la comtesse du Nord la visitent en décembre 1781; - la bibliothèque impériale: la gazette la décrit en novembre 1772 comme la plus riche d'Europe après celle du Vatican: 300.000 volumes reliés et 12.000 manuscrits en différentes langues.39 En août 1774, Suleiman Effendi la visite en compagnie de Rollar, le directeur de l'établissement; en 1784, la bibliothèque achète des livres ayant appartenu au duc de la Velière; - l'académie de dessin, de peinture et de gravure ainsi que le cabinet d'histoire 34 35 36 37 38 39
Gazette Gazette Gazette Gazette Gazette Gazette
de Bruxelles, n° LXXXVI, mercredi 19 juillet 1758. de Bruxelles, n° CXLV, 4 décembre 1758. des Pays-Bas, n° LUI, jeudi 2 juillet 1772. des Pays-Bas, n° C, jeudi 13 décembre 1781. des Pays-Bas, n° XXXIV, lundi 29 avril 1782. des Pays-Bas, n° XCVI, lundi 30 novembre 1772.
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naturelle, le cabinet des médailles, le cabinet des tableaux de la couronne et l'imprimerie de Trattner sont également souvent visités.
VI. Evolution des mentalités En avril 1784, une ordonnance indique que la religion ne pourra plus être un obstacle à l'obtention d'un degré académique dans les universités. La même année, on crée un établissement pour les pauvres. En juillet, un nouvel hôpital, l'hôpital général, peut accueillir 4000 malades. Un décret d'avril 1785 décide que dorénavant les corps des morts seront bénis à l'église puis transportés à la sépulture sans être accompagné d'ecclésiastique. En juin 1786, l'empereur décide que les vacances scolaires auront lieu au mois de juillet et d'août et plus au mois de septembre et d'octobre. Il semble qu'avec les changements politiques européens, la gazette se sente obligée de passer le faste de la Cour quelque peu sous silence. Les informations se limitent dans les dernières années du journal au strict minimum, même lors d'une cérémonie importante. En février 1790, la police recherche l'auteur de L'Echo, journal satirique critiquant l'empereur. La gazette de Vienne précise que le pamphlet doit sûrement venir des Pays-Bas. En 1791, Giuliani écrit un Essai sur les vicissitudes inévitables des sociétés civiles.
Conclusion Les extraits issus de la Gazette de Bruxelles et de la Gazette des Pays-Bas nous ont permis d'aborder des aspects très diversifiés de la vie culturelle viennoise entre 1756 et 1791. Mais la vision que l'on a de celle-ci est déformée: certains événements sont passés sous silence; ainsi, Mozart n'est mentionné à aucun moment. Ces lacunes ou manquements sont eux-mêmes intéressants, car ils nous permettent de comprendre quelles sont les informations en provenance de Vienne qui ont été accessibles aux Bruxellois lettrés en cette deuxième moitié du XVIIIème siècle. Celles-ci concernent essentiellement des manifestations culturelles auxquelles la cour a assisté ou même participé de manière active. La Gazette de Bruxelles et la Gazette des Pays-Bas se font l'écho du pouvoir à Vienne tout comme elles le font, dans les autres rubriques, pour les autres pouvoirs européens. En mettant en évidence le faste de ces Cours d'Ancien Régime, cette presse se trouve d'ailleurs bien ennuyée lors des mouvements révolutionnaires et semble alors jeter un voile pudique sur toutes les manifestations décrites peu de temps auparavant.
Kurt Schubert
Aufklärung und Emanzipation der Juden
Die Zeit Mozarts war die Epoche der Aufklärung, für Österreich die des Josephinismus. Im System des aufgeklärten Absolutismus galt der Grundsatz: Der Staat ist verantwortlich für das Wohl seiner Bürger, aber nur der Staat weiß, was seinen Bürgern zum Wohl gereicht. Diesem Nützlichkeitsstandpunkt diente auch die Judenpolitik Josephs II. und seiner Nachfolger. Der Referent der Vereinigten Hofkanzlei, Hofrat von Widmann, faflte den Zweck der josephinischen Toleranzgesetzgebung am 29. Dezember 1818 wie folgt zusammen: „Weiland Kaiser Joseph der Zweite hatte bald nach dem Antritte seiner Regierung zu erkennen gegeben: Seine Absicht gehe nicht dahin, die jüdische Nation in den Erblanden mehr auszubreiten, oder da, wo sie nicht toleriert ist, neu einzuführen, sondern nur da, wo sie ist, und in dem Maße, wie sie als toleriert besteht, dem Staate nützlich zu machen. In diesem Geiste wurde auch unter Euer Majestät Regierung fortgefahren ... indem man sich ... zum Ziele setzte, das Universum der Judenschaft unschädlich, die Individuen aber nützlich zu machen." Mit anderen Worten: die Toleranz mit ihrem Erziehungs- und Bildungsangebot an die Juden sollte auch gleichzeitig der Friedhof für das Judentum werden. Nicht weniger deutlich und klar formulierte der Abgeordnete Clermont-Tonnerre diese Tendenz in der französischen Nationalversammlung im Jahre 1789 in der Debatte über die Verleihung der Bürgerrechte an die Juden: «Il faut tout refuser au juifs comme nation, il faut tout leur accorder comme individúes.» Das Judentum als kulturelle Einheit wurde genau so abgelehnt wie zur Zeit der restriktiven Bestimmungen unter der Regierung Karls VI. und Maria Theresias. Das Ziel der Toleranzgesetzgebimg war es, die Juden zu dem zu machen, was man unter durchschnittlichen Bürgern verstand. Jedoch war man im Gegensatz zu früher der Überzeugimg, daß es nicht jüdische ererbte Eigenschaften sind, die die Juden im gegenwärtigen Zustand für eine volle Gleichstellung mit den Christen untauglich machen, sondern das ablehnende Verhalten der Umwelt den Juden gegenüber. In dieser Hinsicht ist bezeichnend schon der Titel des Buches von Christian Wilhelm Dohm, „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden", Berlin und Stettin 1781, 21783. Der zweideutige Titel sagt bereits alles: Wenn die Juden verbessert werden, werden sie auch in der Gesellschaft bessere Konditionen als bisher vorfinden. Als bessere Juden aber galten nur solche, die bereit waren, sich in die nichtjüdische Umgebung zu integrieren und dabei von ihrem Judentum nicht allzuviel Aufhebens zu machen. Ein derartiges Verhalten zum Judentum entsprach vollkommen der religionskritischen und der die glaubensmäßigen Unterschiede relativierenden Grundtendenz der Aufklärung. Selbst das berühmte Ringgleichnis in Lessings „Nathan der Weise" ist ein beredtes Zeugnis dafür. Ebenso ist es kein Zufall, daß Lessing unter dem Pseudonym Reimarus die kritische Bibelwissenschaft gewissermaßen in Gang setzte. Vernunft stand nunmehr gegen vermeintliches oder wirkliches Offenbarungsgut. Nicht anders dachte Voltaire, wenn er das Judentum und seine Bibel vom rationalistischen Vorverständnis der Aufklärung her beurteilte. Das Arsenal antijüdischer Vorurteile
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wurde von ihm nicht nur einmal bemüht, wenn es ihm darum ging, die gegenwärtige Struktur des Judentums zu ironisieren. Rein Wunder also, daß Toleranz und Emanzipation gleichbedeutend waren mit der Erwartung, daß die Juden all das aufgeben, was man als jüdische Eigenart negativ belastet empfand. Und man irrte auch nicht, die Öffnung des Ghettos bedeutete für die Juden eine Identitätskrise, wie es sie seit der Antike nicht mehr gab. Die Reaktion der Betroffenen, der Juden, die einerseits nach Emanzipation verlangten und andererseits noch feste Wurzeln im überkommenen Judentum hatten: sie wollten bewahren und verändern zugleich. Entweder begrüßten sie die josephinischen Reformen entusiastisch, wie ζ. B. Naphtali Herz Weisel/Hartwig Wessely (17251805) in seinen „Divre schalom we'emet" (Worte des Friedens und der Wahrheit), die 1782 unmittelbar nach Veröffentlichung des Toleranzpatents erschienen, oder man äußerte Skepsis aus Furcht, daß mit der Emanzipation die jüdische Selbstachtung abnimmt und die jüdische traditionelle Bildung gegenüber den neuen Möglichkeiten schal wird. Zu den letzteren gehörte der Prager Oberrabbiner Ezechiel Landau, der unmittelbar nach dem Erscheinen der „Worte des Friedens und der Wahrheit" noch am Sabbat vor Pesach 1782 eine Brandpredigt gegen Wessely und sein Sendschreiben hielt. Doch auch er mußte schließlich an den Zeitgeist Ronzessionen machen, als er sich im Jahre 1789 gezwungen sah, eine Ansprache an die ersten jüdischen Rekruten der kaiserlichen Armee zu halten. Tatsächlich bedeutete die Auflösung des Ghettos und der Weg des Judentums in die bürgerliche Gesellschaft eine nicht geringe Identitätskrise. Die Mauern des Ghettos boten nach innen auch eine selbstverständliche Geborgenheit mit einer inneren nicht zu hinterfragenden Wertskala, an deren oberster Spitze die traditionelle Bildung stand. Außerhalb der jüdischen Gasse aber mußten die einzelnen Juden die allgemeine Wertskala akzeptieren und sich nach ihr richten. Dabei verloren sie in hohem Maße die Bindung an die überkommenen Werte. Anstelle der messianischen Erwartung und der Heimführung der Exilierten nach Zion trat der lokale Patriotismus in den einzelnen Ländern der jüdischen Diaspora. Juden wurden zu Patrioten, wo immer sie lebten, und verloren mit der messianischen Zukunft auch die jeweilige jüdische Gegenwart aus den Augen. Die Gegenwart war für sie dieselbe wie die der Nichtjuden in den einzelnen Staaten. Man übertreibt nicht mit der Feststellung, daß die Juden die jeweilige emanzipatorische Gegenwart messianisch aufwerteten. Dennoch: zunächst noch suchten die Juden nach einer neuen Form jüdischer Selbstdarstellung vor ihren Nachbarn. Die wohl entscheidendste Persönlichkeit in der Frühphase dieser Entwicklung war Leopold Zunz, „Zur Geschichte und Literatur", Berlin 1845. Zunζ war noch Optimist und meinte, durch Bekanntmachung der nichtjüdischen Umwelt mit den kulturellen und literarischen Werten des Judentums einen entscheidenden Durchbruch erzielen zu können. Hoflnungsfroh formulierte er: „Die Gleichstellung der Juden in Sitte und Leben wird aus der Gleichstellung der Wissenschaft des Judentums hervorgehen". Etwas erfolgversprechender war die hebräische Aulklärung in Deutschland und Österreich. Diese wollte nicht Nichtjuden von den Werten jüdischer Rultur überzeugen, sondern wandte sich der eigenen Gemeinde zu; hier ging es um eine Aktualisierung der jüdischen Tradition. In Deutschland erschien die Zeitschrift „Me'asseph", und in Wien bei Anton Schmidt
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Kurt Schubert
erschienen die „Bikkure ha-ittim" (Erstlingsfrüchte der Zeiten) und „Kerem Chemed" (Lieblicher Weingarten). Gleichzeitig nahm die Tauibewegung überhand. Die Enkelkinder von Moses Mendelssohn waren allesamt getauft. Herz Homberg war der Verfasser von drei Religionslehrbüchern für die jüdische Jugend. Hat er in „Imre Schepher" (Schöne Worte), die 1802 hebräisch und deutsch veröffentlicht wurden, noch die messianische Hoffnung erwähnt, in dem nur mehr deutsch geschriebenen „Bne Zion" (Söhne Zions) 1813 war nicht mehr von ihr die Rede. Seine Kinder ließen sich alle taufen. Der bedeutende in Wien wirkende Hoffaktor Samson Wertheimer, der 1724 verstarb, betätigte sich noch als Mäzen für verschiedene jüdische Zwecke, er errichtete Synagogen und sponserte eine Talmudausgabe. Sein Enkel Bernhard Eskeles wurde 1797 nobilitiert und erhielt 1822 den Rang eines Freiherrn. Mit Baron Salomon Rothschild war er an der Entwicklung der Nordbahn beteiligt. Bernhards Frau Cäcilie, Tochter des Berliner Bankiers Daniel Itzig, führte 1815 einen der bekannten Wiener Salons. Seine beiden Kinder wurden getauft. Heinrich Heine hatte wohl recht, wenn er die Taufe als das Entreebillett in die europäische Kultur bezeichnete.
Zdeñka Pilková
Josephinische Reformen und ihr Einfluß auf das Musikleben der böhmischen Länder
Die Art und Weisen, in denen die Musik das gesellschaftliche Leben durchdrang, wurden - wie bekannt - in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitgehenden Umwandlungen unterworfen. Das alte Modell der institutionellen Basis, dessen Kern die Kirchenchöre, Ordenshäuser, adelige Residenzen und Schulen bildeten, begann zu zerfallen. Auf der anderen Seite formten sich allmählich die Voraussetzungen des bürgerlichen Musiklebens. In den böhmischen Ländern verlief dieser Prozeß langsam, und seine einzelnen Phasen waren undeutlich. Nichtsdestoweniger brachten die siebziger und vor allem achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts eine rege Bewegung in allen Musikbereichen. Zu den entwicklungstragenden Kräften, die in den sozialen Wandlungen wurzelten, trat hier zum erstenmal - ähnlich wie in anderen Ländern der habsburgischen Monarchie - ein ausgeprägter und weitreichender Eingriff in das Musikleben von oben: die josephinischen Reformen. Zum erstenmal erschienen im Musikbetrieb Verordnungen legislativen Charakters, die jetzt nicht mehr für ein Dominium, eine Stadt, einen Orden gültig waren, sondern die den Musikbetrieb, vor allem in der Kirchenmusik, im ganzen Reich unifizieren möchten. Die elementaren Prozesse des Musiklebens wurden hier zum erstenmal konfrontiert mit der Regulation, die den ganzen Staat betraf und die ideologisch durch die josephinische Aufklärung motiviert war (Pilková 1988, S. 257 ff.). Wie sah die Situation im Musikleben der böhmischen Länder aus, in die die josephinischen Reformen eingetreten sind? Von den Institutionen des älteren Modells war die Kirche immer noch die Stelle, wo alle gesellschaftlichen Schichten regelmäßig mit der komponierten Musik zusammentrafen. Bis zum Jahr 1785, als Joseph der Zweite Verordnungen für Gottesdienste herausgab, wuchs die Quantität und höchstwahrscheinlich auch die Qualität der Musik auf den Chören. Eine Reihe zeitgenössischer Beobachter setzt den Höhepunkt der Aufführung der Figuralmusik im 18. Jahrhundert in die sechziger und siebziger Jahre. Dies beweisen auch die Inventare (Verzeichnisse) der Instrumente, die den größten Zuwachs um die Hälfte des Jahrhunderts aufweisen. Weiter wuchs auch der Anteil der großen vokalinstrumentalen Kompositionen, die an Sonntagen und an zahlreichen Feiertagen aufgeführt wurden. Die Musik zog immer größere Aufmerksamkeit auf sich, und an vielen Orten waren die Musikereignisse ein stärkerer Anlaß zum Besuch der Kirche als der eigentliche Gottesdienst: die ästhetische Komponente wurde allmählich wichtiger als die liturgische. Den Beweis dafür bietet auch die offizielle Formulierung, die die josephinische Restriktion der Musik beim Gottesdienste begründete: „Die Musik führt das Volk von der wahren Frömmigkeit ab." In dieser Zeitspanne nahm die Musik auch wesentlichen Anteil an den kirchlichen Zeremonien außerhalb der Kirche. Obwohl die zahlreichen Prozessionen, Umzüge und Wallfahrten charakteristisch auch für die vorangehende Epoche waren, wuchs bis in die achtziger Jahre weiter nicht nur ihre Zahl, sondern auch ihr Pomp, zu dem
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Zdeñka Pilková
gerade die Musik wesentlich beitrug. Schon in der Regierungszeit Maria Theresias wurde im Jahre 1754 ein Versuch unternommen, die Pracht der kirchlichen Feierlichkeiten durch das Verbot des Benutzens der Trompeten und Pauken zu beschränken. Aber diese Verordnimg wurde offensichtlich nicht respektiert: die zeitgenössischen Nachrichten über das Mitwirken der Militärmusiker bei den größten kirchlichen Feierlichkeiten beweisen das Gegenteil. Die josephinischen Eingriffe kamen also in die Zeit der vollen Blüte der Figuralmusik bei den Kirchenchören: sie wurden gegen den übermäßigen Pomp abgezielt; durch das Verbot der Prozessionen brachten sie die Musik zusammen mit den kirchlichen Zeremonien in die Kirche zurück. Charakteristisch für sie ist die Tatsache, daß sie sich nur um die Quantität der Musik kümmerten, nicht um ihre Qualität. In ihren Wurzeln fühlen wir neben den ideologischen Gründen (die aufklärerische Abneigung gegen die übermäßige Macht der katholischen Kirche) auch die ökonomischen. (Zu den geistigen Wurzeln sowie auch zu der Praxis der josephinischen Reformen siehe: Flotzinger-Gruber 1979, S. 111 u. a.; Svátek 1970; Valjavec 1944, S. 4-10; Williams 1976, S. 71; Winter 1965, S. 297, 386-388; Zöllner 1966, S. 313-327.) Das Reduzieren der Zahl der Festtage (von mehr als 50 sind nur 26 geblieben) sollte zur höheren Produktivität beitragen. Die Beschränkung der Musik beim Gottesdienst bedeutete gleichzeitig erspartes Geld, das in die anderen Fonds, vor allem in den Schulfonds, übertragen werden konnte. In meinem Beitrag möchte ich mich auf drei Bereiche des Musiklebens in böhmischen Ländern konzentrieren, die durch josephinische Reformen markant betroffen wurden; erstens auf die Musik beim Gottesdienst in den Pfarrkirchen, zweitens auf die Musik in den Ordenshäusern und drittens auf die Musik in der Schule. Zum ersten Bereich, zur liturgischen Musik der Pfarrkirchenchöre. Nach der neuen Gottesdienstordnimg, die im Januar 1783 publiziert wurde, durfte die instrumentale Musik nur beim Hochamt an Sonn- und Feiertagen erklingen. Dabei waren die Pfarrkirchenchöre von den Chören der Ordenshäuser unterschieden. Bei den letzteren war die Restriktion der Musik noch radikaler: die Instrumentalmusik sollte dort nur auf die Orgelbegleitung beschränkt werden. So fiel nicht nur alle Figuralmusik an den Werktagen aus, sondern auch an Sonn- und Feiertagen weitere Musikstücke (z. B. Litaneien, Vespern). Eine solche Gottesdienstordnung wurde im April 1784 auch für Prag und in Prag herausgegeben.1 In dieser wurden zwanzig Prager Kirchen einbezogen (vor den josephinischen Eingriffen war ihre Zahl zweimal so hoch). In Form ausführlicher Tabellen enthielt diese Verordnung einen genauen Zeitplan der Gottesdienste für Arbeits-, Feier- und Sonntage, für Sommer und Winter. In den Tabellen war der genaue Tagesplan der Messen für jede der Prager Kirchen extra erhalten. Die frühesten Messen, die meistens für Dienstboten bestimmt waren, fanden im Sommer zwischen 5 und 7 Uhr statt, im Winter zwischen 6 und 7 Uhr. Dann folgten zwischen 7 und 9 Uhr stille Messen und die Segenmessen, zwischen 9 und 11 Uhr fand das Hochamt statt. Strenge Verordnungen regulierten auch die Gottesdienste am Nachmittag; so 1 Sammlung der k. k. Landesfürsüichen Verordnungen und Gesetze in materiis publico-ecclesiasticis oder Joseph des Ilten Befehle in Kirchensachen. Prag 1784, Nr. XXVIII., 23. 4. 1784, S 36 ff.
Josephinische Reformen und ihr Einfluß auf das Musikleben der böhmischen Länder
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z. B. durften Vespern choraliter nur in der St.-Veits-Kathedrale, am Strahov und bei St. Thomas aufgeführt werden. Die Verordnungen setzten auch die Sprache für die Predigten fest: Es wurde angeordnet, in welcher Kirche tschechisch, in welcher deutsch und wo beide Sprachen gepredigt werden durften.2 Ausschließlich deutsch gepredigt wurde in St. Thomas, in der Malteserkirche und in St. Element, tschechisch in St. Veit, in der Kreuzherrenkirche, in St. Adalbert, St. Stephan, St. Peter und am Vysehrad. Es ist interessant, daß in der Kathedralkirche St. Veit und in der Kapitelskirche am Vysehrad nur die tschechische Sprache benutzt wurde. In den übrigen Kirchen wechselten die beiden Sprachen während des Tages. Die Verordnungen sahen auch spezielle Gottesdienste für die italienischen Einwohner Prags in ihrer Sprache vor. Die Einführung der Nationalsprache bei der Predigt sollte der Vertiefung der Beziehimg der Gläubigen zum Gottesdienst dienen. Denselben Zweck verfolgte auch die Teilnahme der Gemeinde beim Gesang der Lieder, die in aufklärerischem Geist neu komponiert waren. Für die neubewilligten nichtkatholischen Religionen wurde eine Liste der Gesangbücher herausgegeben, die benutzt werden durften. In diesem Verzeichnis vom 22. 6. 1782 finden wir neben deutschen Sammlungen auch das Gesangbuch „Cythara Sanctorum aneb zalmy a pisnë duchovní", was zweifellos das Gesangbuch von Jin Tranoscius „Pisnë duchovní aneb Cythara Sanctorum" war.5 Dieses Gesangbuch wurde zum erstenmal im Jahre 1636 in Levoca in der Slowakei gedruckt und war eines der beliebtesten Gesangbücher für die nächsten zwei Jahrhunderte. Es erschien in vielen Ausgaben im Ausland; die josephinische Verordnung führt die Ausgabe von Leipzig 1737 an. Bis jetzt ist nicht klar, wie weit in den böhmischen Ländern beim Gottesdienst die offizielle Singmesse verbreitet war, die einigen Redaktionen unterworfen wurde und die in der Form, die ihr Michael Haydn im Jahre 1790 gab, in den deutschsprachigen Ländern der Monarchie sehr populär war. Die josephinischen Reformen wurden in den böhmischen Ländern schon unter der Regierung Joseph des Zweiten nicht völlig respektiert. Nach seinem Tode wurde manches spontan oder mit der offiziellen Zustimmung der Nachfolger Josephs rückgängig gemacht. Die Reformen betrafen sehr stark die Musik der großen Stadtchöre, vor allem in den Ordenskirchen. Während vor dem Jahr 1783 den größten Prager Kirchen durchschnittlich zehn bis zwölf Kapellknaben zur Verfügimg standen, hatten im Jahre 1796 von den 19 Prager Kirchen nur die Kathedrale sechs, Kreuzherren, Teinkirche, Strahov und Loreta je vier und die übrigen nur zwei. Auf der anderen Seite hatten die josephinischen Reformen die kleinen Kirchenchöre auf dem Lande nur wenig getroffen. Dort wurde, wie die Figuralmusik, nur an den Sonn- und Feiertagen musiziert. Auch die Kontrolle war dort schwieriger. Daß die Gesetze und Verordnungen nur teilweise beibehalten wurden, belegen die wiederholten josephinischen Dekrete und Erlasse, die immer wieder auf das Verbot der
2 Wie Quelle 1, S 41. 5 Joseph des Ilten Gesetze in Kirchensachen, Zweyter Theil, Prag 1782, S 178.
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Zdeñka Pilková
Prozessionen aufmerksam machten4, mit Strafen für die Überschreitung der Zahl der Fundationsstellen drohten usw.5 Auch die Belege vom Musikverkehr beweisen, daß die kaiserlichen Dekrete nicht eingehalten wurden: Auf manchen Chören wuchsen die Inventare der Instrumente und der Musikalien weiter, die Nachrichten aus der damaligen Zeit sprechen über große und eindrucksvolle Figuralmessen; belegt ist auch das Wirken mancher Literatenbruderschaften nach dem Jahre 1783, obwohl sie in diesem Jahre durch ein Gesetz aufgelöst wurden. In dieser Zeit kam es zu einer sehr interessanten Verwandlung: Der Kirchenchor begann in den böhmischen Ländern die Funktion zu übernehmen, die in den Regionen mit höher entwickeltem bürgerlichem Musikleben die öffentlichen Musikakademien und Konzerte hatten. Die Bedingungen, bei denen die Kirchenmusik bei uns aufgeführt wurde, hatten gemeinsame Züge mit denen der damaligen öffentlichen Konzerte: Die Musik wurde hier regelmäßig aufgeführt, sie war allen Schichten der Bevölkerung zugänglich, zur Aufführimg vereinigten sich Liebhaber und Berufsmusiker. Kurz zu dem zweiten Problem, zur Musik in den Ordenshäusern. Diese blieben bis Anfang der achtziger Jahre sehr wichtige Musikzentren. Bis zu den josephinischen Reformen wuchs ihre Anzahl: Zwischen den Jahren 1740 und 1773 wurden mehrere neue Konvente gegründet, und mit ihnen wuchs auch die für die Musik wichtige Zahl der Fundationsstellen. Ähnlich wie bei den Chören der städtischen Pfarrkirchen, wuchs auch in den Ordenskirchen bis in die achtziger Jahre die Intensität der Musikauffiihrungen sowie ihre instrumentale Ausstattung. Die war im Durchschnitt wesentlich besser als an den weltlichen Chören. Dies beweisen eindeutig die Musikinstrumenteninventare. Auch die Besetzung der Chorstimmen war offensichtlich in den Ordenschören wirklich chorisch (im Sinne des 18. Jahrhunderts etwa acht bis zwölf Sänger), während an den kleinen Chören auf dem Lande die Chorstimmen der großen figuralen Kompositionen meistens nur durch Solisten gesungen wurden. Die Instrumentalmusik, deren angewachsene Beliebtheit in den böhmischen Ländern seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts zu bemerken ist, erfreute sich auch in den Klöstern, wo übrigens die weltliche Instrumentalmusik schon früher als eine Form der rekreativen Tätigkeit der Ordensmitglieder gepflegt wurde, wachsender Beliebtheit. Neben den adeligen Residenzen waren gerade in den Ordenshäusern die besten Bedingungen zur Musikpflege: Die Konvente verfügten über zahlreiche Instrumente und gute Musiker. In manchen Ordenshäusern wurden regelmäßig Sinfonien, Quartette, Divertimenti und andere Werke aufgeführt. Bei internen feierlichen Gelegenheiten wurden ganze Konzerte der Instrumentalmusik veranstaltet. Manche Orden, vor allem die Jesuiten, Patres piares und Prämonstratenser, paßten sich den neuen Tendenzen auf dem Gebiet der dramatischen Vokalmusik an: Sie
4 Sammlung aller k. k. Verordnungen und Cirkularien, welche in dem vierten Regierungsjahr 1784 Joseph des Zweyten ... durch das königlich-böhmische Landesgubernium zur allgemeinen Wissenschaft bekannt gemacht worden. Prag, in der von Schönfeldischen Buchhandlung. Zweytes Quartal 1784, Nr. 5, Wallfahrtszüge und Prozessionen. - Auch in: Drittes Quartal 1785, Nr. 4,15. 6.1785. 5 Die Sammlung wie Quelle 3, Erstes Quartal 1786, Nr. 60, Studentenstiftungen, 23. 3.1786.
Josephinische Reformen und ihr Einfluß auf das Musikleben der böhmischen Länder
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übertraten oft das Verbot der Schuldramen aus dem Jahre 1760 und setzten in ihrer Aufführung fort. Auch in dieser Zeitspanne waren es vor allem die Jesuiten und Piaristen, die der Musikaufführung und speziell dem Musikunterricht die größte Sorge und Mühe widmeten; viele ihrer Ordensmitglieder hatten gründliche musikalische Bildung. Die besten Kollegien der Jesuiten und Piaristen näherten sich durch ihr Niveau und ihrer Funktion den späteren Konservatorien. Ein umfangreicher Musikbetrieb von guter Qualität ist in dieser Zeit auch bei den anderen Orden nachweisbar, z. B. bei den Minoriten, Kreuzherren, Prämonstratensern, Benediktinern, Zisterziensern und bei den Barmherzigen Brüdern. Nach der Auflösung des Jesuitenordens im Jahre 1773 wurden im Jahre 1782 in der habsburgischen Monarchie viele andere Orden aufgehoben, oder mindestens wurde die Anzahl ihrer Ordenshäuser und Mitglieder stark reduziert (von den obengenannten, für Musikentwicklung wichtigen Orden, waren es die Benediktiner, Zisterzienser und Minoriten). Vor dem Jahr 1781 gab es in den böhmischen Ländern 268 Ordenshäuser (davon in Böhmen 181, in Mähren 76, in Schlesien 11). Durch die Gesetze Josephs des Zweiten wurden 151 davon aufgelöst 6 Die Musik hatte dadurch einen großen Teil ihrer AufRihrungsbasis verloren. Die Aufhebung vieler Fundationsstellen betraf nicht nur das damalige Musikleben, sondern hatte weitreichende Folgen für die Zukunft: Viele der Musikbildungszentren hörten auf zu existieren und wurden bis zur Gründimg des Prager Konservatoriums im Jahre 1811 nicht ersetzt. Insgesamt wurde die musikalische Aktivität der Ordenshäuser durch die josephinischen Verordnungen tiefgreifender betroffen als die Chöre der weltlichen Kirchen. Der dritte Bereich des Musiklebens, in den die josephinischen Reformen eingegriffen hatten, war die Musik in der Schule. In der vorjosephinischen Zeit war die Schule offenbar stark an die Kirche gebunden. Die Kirche hat an manchen Orten den Lehrer direkt eingesetzt, in einigen beibehaltenen Verträgen war die Kirchenmusikpflege im Verzeichnis der Pflichten des Lehrers an der ersten Stelle genannt, während der eigentliche Unterricht am Ende angeführt war, erst danach folgten Pflichten wie das Ankleiden des Priesters zum Gottesdienst und das Läuten. Der Lehrer wurde vor allem nach dem Niveau der Kirchenmusik eingeschätzt. Weil die Musik für den Lehrer auch eine wichtige Quelle der Nebenverdienste vorstellte, kann man annehmen, daß der Musikunterricht überall so intensiv war, wie dies die Dokumente einiger Orden belegen. Diesen Dokumenten zufolge wurde Musik täglich unterrichtet, und zwar meistens zweimal, vormittags und auch noch nachmittags. Unterrichtet wurde nicht nur Gesang, sondern auch Instrumentenspiel (zeitgenössische Nachrichten sprechen über Gruppenunterricht in Violine in einer Dorfschule, an dem 15 Schüler teilnahmen). Dazu kamen wöchentlich noch einige Stunden dazu, in denen neue Kirchenkompositionen für Sonntag eingeübt wurden. 6 Joseph des Ilten Gesetze in Kirchensachen, Zweyter Theil, Prag 1785, No. CXXXIX, S. 149, 11. 10. 1785, Verzeichnis der in Prag zuverbliebenden Klöster; No. CXLI, 21. 10. 1785 [Verzeichnis aller aufgelösten Klöster nach Kreisen geordnet, mit der Anzahl der dort wirkenden Ordensmitglieder], S. 150. Siehe auch Josef SVÁTEK in der Bibliographie.
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Die Situation im Schulwesen begann sich nach der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als die Schule in das Zentrum der Aufmerksamkeit des Staates gelangte, zu ändern. Die einseitige Abhängigkeit der Schule von der Kirche hörte auf, und allmählich begann sich ein selbständiger Lehrerstand zu gestalten, dessen Hauptberuf sowie auch die einzige Quelle des Einkommens der Unterricht war. Den tiefgreifendsten Eingriff in diese Sphäre brachten die josephinischen Reformen. Diese sollten den Unterricht auf ein wesentlich höheres Niveau bringen und vor allem fähige Beamte, Handwerker und Geschäftsleute heranziehen. Deswegen betonte die josephinische Schule alle Gegenstände, die zur Praxis hinzielten. Die Musik, wie andere Künste, hatte dort keinen Platz mehr. Weiterhin sollte sie höchstens in der Form der aufklärerisch eingefärbten Gesänge schwacher Qualität überleben, die z. B. den Unterricht der Handarbeiten begleiten sollten. Wenn es auch in diesem Bereich zu keiner Vereinheitlichung kam und an manchen Stellen der intensive Musikunterricht fortgesetzt wurde, betraf nichtsdestoweniger die musikalische Aktivität des Lehrerstandes die ganze Bevölkerung nicht mehr so komplex wie früher. Überdies fanden viele Lehrer, deren Qualifikation vor allem im Musikbereich lag, im neuen System keine Stelle mehr. Anhand dieser drei Bereiche versuchte ich zu belegen, wie die josephinischen Reformen in das Musikleben der böhmischen Länder eingegriffen hatten. Die künftigen Erforschungen weiterer Lokalitäten und Musikzentren werden sicher noch manche interessante Erkenntnisse dazu bringen.
LITERATURHINWEISE
FLOTZINGER, Rudolf, GRUBER, Gernot: Musikgeschichte Österreichs. Graz - Wien - Köln 1979. Band II. Vom Barock zur Gegenwart, S. 111. PILKOVÁ, Zdeñka: Doba osvícenského absolutismu [Die Zeit des aufgeklärten Absolutismus] 1740-1810, in: Hudba ν èeskych dëjinâch [Musik in der böhmischen Geschichte], Prag 19882, S. 237 ff. SVÁTEK, Josef: Organizace feholnich institua' Ν ceskych zemích a péòe o jejich archívy [Die Organisation der Orden in den böhmischen Ländern und die Pflege ihrer Archive], Erschien als Beilage des: Sborník archívních praci 20,1970, Nr. 2. VALJAVEC, Fritz: Der Josephinismus. Zur geistigen Entwicklung Österreichs im 18. und 19. Jahrhundert. Brünn - München - Wien 1944, S. 4-10. WILLIAMS, Johnson M.: The Austrian Mind. London 1976. WINTER, Eduard: Josefinismus a jeho dëjiny [Josephinismus und seine Geschichte], Praha 1965, S. 2 9 7 , 3 8 6 - 3 8 8 .
ZÖLLNER, Erich: Geschichte Österreichs, Wien 1966, S. 313-327.
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Das letzte Impulsreferat des Kongresses „Europa im Zeitalter Mozarts" möge als neuerlicher Versuch verstanden werden, die Leistungen jenes Menschen, dessen Andenken letztlich der Kongreß gewidmet ist, vor dem Hintergrund des musikalischen Lebens in Wien als die wohl bedeutendsten Folgewirkungen desselben durch die Heranziehung wenig beachteter Dokumente darzustellen. Die Beweisführung ist vor allem soziohistorisch. Das Musikmachen und Mozarts revolutionäre Leistungen werden als soziales Handeln verstanden. Die kaiserliche Haupt- und Residenzstadt wird als Ort dieses Tuns behandelt und als „der beste Ort von der Welt" für sein „metier", wie Mozart die Donaumetropole bekanntlich mehrfach pries (rezipierte Form im Brief an den Vater vom 4. April 1781), geprüft, aber auch als der „widrigste von allen" untersucht (vgl. Brief an Puchberg vom 12. Juni 1789), wie dies ein einziges Mal, in einer Zeit offensichtlich tiefster Erniedrigung und Verzweiflung, geschah. Die Hintergründe des zitierten negativen Diktums wurden erst in unseren Tagen durch einen sensationellen Fund von Walter Brauneis neu aufgerollt. Falsche Verdächtigungen, viel zu weit gehende Schlüsse bei der Darstellung von Mozarts letzten Lebensjahren werden dieses bedeutenden Dokumentes wegen korrigiert werden müssen. Viel wird dabei noch immer verstellt bleiben und sich vielleicht nie völlig aufklären lassen. Manches ist heute besser zu verstehen. Die zwingende Katharsis in der letzten Phase des vierten Wienaufenthaltes läßt sich jedenfalls heute nicht mehr in dem Sinne halten, wie dies die romantische Mozartliteratur gerne gesehen hätte (vgl. Mitt. Intern. Stiftung Mozarteum 39 (1991) 159-163). Ins Zentrum meines Beitrages, in dem ich die Bedeutung Wiens für Mozart von dessen frühester Jugend an von einem soziohistorischen wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachte, stelle ich ein Dokument, das von der bisherigen Forschung nicht beachtet wurde und lediglich bei Willried Scheib kurz Erwähnung fand (Wilfried Scheib, „Die Entwicklung der Musikberichterstattung im Wienerischen Diarium von 1703-1780, mit besonderer Berücksichtigung der Wiener Oper", phil. Diss. Wien 1950, maschr. vervielf., Kurzfassung ÖMZ 1962, 400: „Ein vierseitiger Artikel im .Wienerischen Diarium'"), ohne daß die sich daraus ergebenden musikhistorischen Schlüsse gezogen worden wären: den vierseitigen, anonym veröffentlichten Artikel im „Wienerischen Diarium" des 18. Oktober 1766 mit dem Titel „Vom Wienerischen Geschmack in der Musik".
Wiens Musiker und deren spezielles Musikinteresse In dem zitierten Beitrag wird von der Überzeugung ausgegangen, daß der wahre Musiker „Verstand, Erkenntniß und ein fühlbares Herz" haben müsse, daß diese drei „als wesentliche Ingredienzien den selben bilden müssen und nach der Bildung in seine Bestandtheile verwandeln". Sie seien Gaben der Natur, deren Mangel man nicht ersetzen könne. „Sie seien mit uns gebohren", einem jeden von uns seien
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„seine Pfunde zugetheilet worden". Ohne sie könne er „zu seinem Erfolg" nicht gelangen. Der Verstand müsse dabei aber stets das „Wahre" vom „Falschen" unterscheiden. Eine solche Erkenntnis müsse „als eine Fackel" leuchten. „Der Geschmack" sei eine Empfindung, die das „Gute, Mittelmäßige und Schlechte mit Gewißheit unterscheidet". Diese Empfindung aber sei „bei der Musik in deren Natur" begründet, und „ein Volk" werde mit sicherem Geschmack die Kunst nur dort anerkennen („bewundern"), wo sie ihm wie beim Betrachten der Natur „kein Mißfallen" errege. Niemand würde den Künstlern deshalb Dinge verbieten, wenn sie Natur nachahmten („worinn sie selbiger nachahmen wollen"). „Nirgends", also in keiner anderen, dem Autor bekannten Stadt, würde deshalb im Sinne dieser, in der Bevölkerung so fest verankerten Überzeugimg „das Neue und Unerwartete mehr verlangt als in Wien". Es dürfe nur „nicht abentheuerlich ausfallen", will es Anerkennung finden („den Beyfall erhalten und keinen Eckel erwecken"). „Endzweck" von Musik sei es nämlich, zu „gefallen", zu „bewegen", zu „rühren" und „vergnügen zu schaffen". Genuß bedeutet, was „in den schönen Künsten Reiz und Anmuth" genannt werde („ist der wirkliche Genuß"). Das Ordinäre („eine gemein Historie") „rührt" wenig („nur unvollkommen") und quäle die Seele („läßt die Seele in einer Art von Sklaverey seufzen"). Die „wahrhaftige Poesie" aber vermöge zu begeistern, die Phantasie zu beleben und zu „entzücken". Die Musik teile „mit vollen Händen erst den Genuß davon aus". Die Freude erfasse die Sinne. Dieses Vergnügen verdiene es, als „unschuldig" bezeichnet zu werden. „Ein ganzer Himmel von Fröhlichkeit" ziehe sich „um das Herz zusammen". Alle als Einzelempfindungen darzustellenden Gefühlswerte machten das Vergnügen schließlich zu einem ganzen Erlebnis, wenn die Teile in Harmonie sich endlich zu einem Ganzen fügten. Alle liefen dann in einem „gemeinschaftlichen Vereinigungspunkt zusammen". Die Textpassagen erinnern in ihrer strikten Forderung nach Neuem, nach stets Überraschendem, in ihrer Tendenz vergleichbaren Forderungen der Zeit. So finden sich beispielsweise im Abschnitt über die ästhetische Wahrheit in Baumgartens „Aesthetica" (1750/58, hrsg. v. Schweizer). Hier behandelt der Philosoph die gesamte Problematik des Begriffes und stellt diesen der „aesthetischen Falschheit" gegenüber. Die Verbindimg zu Baumgarten ist auf dem Wege des Vergleichs mit Zeitgeistphänomenen möglich, und die Unterscheidung von „Wahr" und „Falsch" entbehrt in der Wiener Zeitschrift umfassender Systematik ebenso wie der Unterscheidung verschiedener Wahrheitsgrade. Die Ideen des Berichterstatters im „Diarium" sind in ihrer emphatisch vorgetragenen Diktion aber durchaus mit der Baumgartens vergleichbar. Sinnliche Erkenntnis muß auch hier, soll sie Wahrheit vermitteln, nicht nur widerspruchsfrei, sondern auch von der Fülle, Größe und Würde des Phänomens geprägt sein. Die ästhetische Wahrheit erhebt den Anspruch auf „materiale Vollkommenheit" (Baumgarten § 558). Ihr Prinzip tritt im Rahmen der den Menschen zugänglichen subjektiven Wahrheit als „formale Vollkommenheit" gegenüber. Die neuzeitlich-aufklärerische Position der Verbindung von Erkenntniskritik mit humanistisch-künstlerischer Bildungstradition wird angestrebt und schließlich auch erreicht. Ein Gedankengebäude wird konstruiert, das letztlich dem der modernen Geisteswissenschaften gleichkommt. Die Herausstellung Wiens als eines Ortes, in dem das Neue und Über-
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raschende in einer Art und Weise verlangt wird, wie nirgendwo sonst, scheint im vorgebrachten Postulat zumindest nach gegenwärtigem Wissen einzigartig zu sein. Die Anerkennung der sinnlichen Erkenntnis der Ästhetik wird gegen das Logische ausgespielt. Der erkenntnistheoretische Aspekt sinnlicher Erfahrung prägt das Streben nach ästhetischer Wahrheit. Künstlerischer Ausdruck erhält Erkenntnisbedeutung. Erkenntnis wird als passiv und aktiv, rezeptiv und zugleich produktiv verstanden. Das Streben nach Wahrheit wird zum unbedingten Postulat. Bevor der gegenwärtig noch nicht voll identifizierte Autor in seinem Beitrag auf die Repräsentanten dieser Wiener Musik in ihrer Gemeinsamkeit eingeht, dabei einzelne Persönlichkeiten herausgreift und genauer behandelt, geht er grundsätzlich auf allgemein kulturelle Phänomene und auf das Bild ganze Gesellschaften ausmachender Prozesse näher ein. Er vertritt die Meinung, daß „jede Nation, jede Provinz ihren eigenen Dialekt und Geschmack habe", was jeweils „von der herrschenden Neigimg ihrer Führer gebildet werde". („Zwey oder drey" könnten in der Literatur wie in der Musik „den Geschmack bey einer ganzen Nation umschaffen und rechtsetzen".) Daß beispielsweise „die Franzosen" heute noch immer „auf dem Einförmigen ihres Lully daherschreiten", die „Italiäner nach und nach in das Bizarre ausarten", die Deutschen aber ein wahrhaft „musikalisches Gebäude" errichteten, „haben sie wohl niemand anders, als ihren Tonkünstlern zu danken". Vor allem in Wien. Die Darstellung der vom Autor als repräsentativ erachteten Komponisten Wiens verdient in mehrfacher Hinsicht Beachtung. Der Autor widerspricht wiederholt den gängigen Musikgeschichtsdarstellungen, nach denen das musikalische Milieu Wiens als begrenzt und als bar weit zurückliegender Traditionen bezeichnet wird oder die Rechtfertigung des Begriffes „Wiener Klassik" überhaupt in Abrede gestellt wird. An die Spitze der schöpferischen Wiener Musiker wird in dem zur Rede stehenden Beitrag „Von dem wienerischen Geschmack in der Musik" Georg Reutter (1656-1738), der auf dem Gebiete der Kirchenmusik „unstreitig der Stärkste Componisi" sei, ein Vorbild für alle seine Kollegen, gestellt. Keiner könne nämlich das Prächtige, das Freudige, das Frohlockende besser zum Ausdruck bringen als er, „ohne" dabei in das „Profane und Theatermäßige" zu verfallen. Seine Messen zögen viele Bewunderer an. Jeder gehe „erbaut, gewonnen und belehrter" hinweg. Wer, so fragt der Autor, vermag „pathetischer, harmonienreicher" zu schreiben, wenn „der Gesang eine Traurigkeit, eine Bitte, einen Schmerz verlangt", als er? An zweiter Stelle würdigt der Autor Leopold Hofmann (1738-1793), den Kapellmeister am Stephansdom. Neben Reutter und der von diesem geleiteten Musik am Kaiserhof wird damit das zweite musikalische Zentrum der Haupt- und Residenzstadt angesprochen. Dieses wurde von der Stadt Wien (!) finanziert und besaß gleichfalls ein Sängerknabeninstitut, das auf eine mehrhundertjährige Tradition zurückblicken und solcherart als eine seit vielen Jahren durchorganisierte Ausbildungsstätte angesehen werden konnte. Aus diesen Zentren gingen die bedeutenden Musikerpersönlichkeiten hervor. Der Dom ist dabei, ein viel zu wenig beachtetes Musikzentrum, das seit alters her als Zeichen von Macht und Ansehen fungierte und an dessen Seite nur noch die großen Stadtpfarren St. Michael und beim Schottenkloster eine vergleichbare musikhistorische Bedeutung hatten. Wiens musikalisches Leben wurde in vielerlei Hinsicht von diesen drei großen Kirchen geprägt, wobei man nicht vergessen darf, daß vor Kaiser
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Joseph II., dem aufgeklärten Herrscher und radikalen Kirchenreformer, in Wien überdies neun (!) Stifte sowie zahlreiche Klöster und Ordensgemeinschaften bestanden, die alle ihre Feste im Jahreskreis hatten und das Stundengebet, liturgisch ebenso wie paraliturgisch, musikalisch gestalteten. Eine Unzahl von Musikern fanden hier Beschäftigung. Die verzweifelte Eingabe um Aufhebung der kaiserlichen Reformen (1783) soll hier nur als ein Beispiel der vielen, in ihrer Gesamtheit noch nicht untersuchter historischer Dokumente hervorgehoben werden, die Wiens musikhistorische Bedeutimg auch für das sogenannte Josephinische Jahrzehnt untermauern. Dieser, im musikwissenschaftlichen Schriftum vernachlässigte Leopold Hofmann (1738-1793), so meint der Autor des Beitrages im „Diarium", komme „im Kirchenstyl" Reutter ganz nahe. Seine Messen seien von „majestätischen und großen Zügen". Bewunderungswürdig sei nicht nur das, was er an St. Stephan leiste, sondern im laufenden Jahr beispielsweise auch bei den Karmelitern am Fest des hl. Johannes Nepomuk auf dem Gebiete des musikalischen Oratoriums gezeigt habe. Die Darstellung der Affekte habe dabei die Zuhörer tief bewegt. Man müsse darüber hinaus aber auch Hofmanns Instrumentalmusik entsprechend würdigen. Seine Symphonien, Konzerte, Quartette und Triokompositionen. Auch müsse man festhalten, daß er nach Stamitz „fast der Einzige ist, welcher im Satz der Flöte Traversiere die Leichtigkeit und den Gesang zu geben vermag". Georg Christoph Wagenseil (1715-1787), dem Hofmann 1769 als Hofklaviermeister nachfolgte, ehe er 1772 Hoforganist und gleichzeitig Kapellmeister an St. Stephan wurde, wird in dem 1766 erschienenen Artikel als Vertreter der Instrumentalmusik gepriesen. Er sei vortrefflich „im componieren" ebenso wie im „Klavierspielen" und habe mit Opern und Serenaden hier in Wien wie auch andernorts „größten Beyfall errungen". An den Symphonien müsse die originelle Schreibweise hervorgehoben werden. „Sie seien fest und vollkommen im Satze." Die Klaviermusik sei „hinreißend", „einnehmend" und auch noch „nach vielen Jahren" den Ruhm befestigend: „Dem Clavier mit Hülfe der begleitenden Violinen eine Art von Gesang zu geben, war Wagenseil vorzüglich vorbehalten." Hervorgehoben werden an diesem bedeutenden Schüler von J. J. Fux und führenden Instrumentalkomponisten im Vorfeld Joseph Haydns, „fremde, aber ungezwungene Modulationen, mit welchen er auf eine ihm eigene Art durch alle Töne gehet". Sie zeugten von der Einsicht eines großen Meisters. Man pflege seine Werke „an vielen großen Höfen". Er habe das Klavier, „welches so wenig des Gesanges fähig ist, weil es fast nur zum Accompagnieren gemacht zu sein scheint, und auf welchem die Konzerte meistens so mager sind, daß man sie nicht lang ertragen kann, wahrhaft Würde gegeben", eine bemerkenswerte Aussage im Hinblick auf die Entwicklung des Hammerklaviers. Joseph Steffan (1726-1797) sei „würdig" im besten Sinne des Wortes. An seinen Kompositionen und seinem Spiel lasse sich der „wienerische Geschmack" besonders gut studieren. Die bei ihm in besonderer Weise manifest gewordene neue Ästhetik sei deutlich erkennbar: „Man kann ihm die Neuheit, schöne und ungesuchte Wendungen, in denen die Kunst und Natur zusammen verbunden scheinen, niemals absprechen." Er werde von „Kennern allemal den Beyfall erhalten". Joseph Haydn wird als der Größte, der „Liebling unserer Nation" bezeichnet, „dessen sanfter Charakter sich jedem seiner Stücke eindrücket". Sein Satz habe
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„Schönheit", „Ordnung", „Reinlichkeit", „eine reine und edle Einfalt", die besonders dann empfunden werde, wenn die Zuhörer „noch dazu vorbereitet sind". Die Schönheit seiner Rompositionen wird mit vielen Epitheta ornantia gepriesen. Auf das Meisterhafte in der Satztechnik wird Bezug genommen. Trefflichkeit in der Darstellung unterschiedlicher Affekte und gattungsspezifisch immanenter Charakteristiken werden ausdrücklich hervorgehoben. Der Autor mündet am Schluß seines Lobpreises in die Worte: „Kurz: Haydn ist das in der Musik, was Geliert in der Dichtkunst ist." Den „wienerischen Geschmack" findet der Autor in besonderer Weise auch bei Carl Ditters (1739-1799). „Sooft er Auftritt", sei er „neu", und „man merkt, daß in ihm ein Genie hegt, welchtes sich durchzuarbeiten versucht, um den höchsten Grad der Vollkommenheit zu erlangen." Er gefalle überall, „weil er den Nationalgeschmack mit der Kunst gefällig zu verbinden weiß". Er sei nicht nur ein guter Komponist „als er besonders auch ein großer Violonist sei". Seine letzten Arbeiten, besonders die Messen, „haben Fugen, welche die strengsten Kritiken aushalten". In seinen Konzerten zeige er auf vollkommene Weise, wozu das jeweilige Instrument befähigt sei. Seine Musik sei „feurig", „heftig kühn", stets aber in der Melodik „angenehm und reizend". Am Schluß die bemerkenswerte Frage: „Sollte oder könnte uns die Zeit nicht an ihm einen Bach schenken?" Christoph Willibald Gluck (1714-1787) sei nach der Meinung des Autors „wirklich für das Orchester erschaffen". Seine Opern allein hätten ihn schon unsterblich gemacht, die Werke Metastasios seien durch ihn „beseelt" worden, Engländer und Franzosen gefalle er so wie uns. Man könne ihn und seine Musik nicht fühlen, wenn man nicht zugleich Dichter und Tonkünstler sei. Die Opéra comique habe er allein „zu ihrer Vollkommenheit gebracht". Neben diesem Komponisten werden als vorbildlich Johann Georg Zechner (1716-1778), 1736 ff. im Stift Göttweig, 1753 ff. in Stein an der Donau tätig, „vor allem seiner a capella-Kompositionen widment" erwähnt. Ferner wird der noch nicht hinreichend erforschte Carlos Ordonitz (Ordonez 1734-1786), Josef Starzer (1727-1787) und Florian Leopold Gaßmann (1729-1774) nebst anderen „ihrer Instrumentalkomposition wegen" genannt. Vollständigkeit strebt der Autor nicht an, und „die Modekomponisten, die dann und wann unter ihren zusammengefaßten Bettelflecken auch etwas Neues sehen lassen", werden übergangen („dürfen wir hier nicht anführen"). Die musikhistorische Bedeutung dieses Dokumentes ist groß. Es erschien damals in einer neu eröflneten Rubrik mit dem Titel „Gelehrte Nachrichten", in denen „alles, was in österreichischer Geschichte der Gelehrsamkeit einschlägt", Berücksichtigimg findet „Neue Versuche und Erfindungen in den Künsten, neue Wahrnehmungen in der Naturgeschichte, Beförderungen der Gelehrten, öffentliche Disputationen etc." „Liebhaber und Kenner gelehrter Sachen" könnten nach Meinung der Herausgeber in Wien wie „in den übrigen österreichischen Ländern" in Kurznachrichten und längeren Beiträgen Mitteilung finden. Die Rubrik erschien zu Beginn im Samstag-, später auch im Mittwochanhang. Sie wird in besonderer Weise zum Propagandainstrument der deutschsprachigen Gesellschaft in der Habsburgermonarchie und im Reich. In den Beilagen wird die vor allem von den höfisch konservativen Kreisen gelesene Zeitschrift zu einem mutigen Sprachrohr der progressiven Kräfte und der Anhänger einer kulturellen Aufklärung in den österreichischen Ländern. Die objektiven Tagesmeldungen sind davon deutlich abgehoben. Aktualität bleibt aber auch in diesen Bei-
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trägen ein unverkennbares Anliegen der Redaktion. Der besprochene Artikel ist ein sichtbarer Ausdruck im veränderten Stil der Musikberichte des „Diariums". Der kritische Ton in der Berichterstattung richtet sich im vorliegenden Beitrag vor allem gegen Tendenzen in Deutschland, welche „durch ihre parteiische Kritik in der Musik unfehlbar gegen offenbare Schönheiten geblieben sind". Die Vertreter derselben werden mit dem Einsiedler Diderots verglichen, der in seiner Beschränktheit geglaubt habe, bereits alles zu wissen und zu verstehen. Diesen Kritikern wird in aller Schärfe eine Zurechtweisung erteilt: „Diese Kunstrichter, wir wollen sie nur nennen, die Verfasser der allgemeinen deutschen Bibliothek, erkühnen sich, über die Werke unserer ersten Tonkünstler zensorische Urteile zu schreiben, wovon sie nicht einmal eine Note verstehen. Und dennoch leben sie in der überzeugenden Meinung, daß sie das Monopolium des guten Geschmackes besäßen." Aber nicht nur die Autoren dieser von Friedrich Nicolai herausgegebenen Reihe werden scharf angegriffen, sondern auch die Verfasser der „Hamburgischen Unterhaltungen", die sich ohne Sachkenntnis beispielsweise an Oktawerdoppelungen mokierten. Ihnen wird Unkenntnis und Unmusikalität vorgeworfen. Man könne sie nicht besser demütigen als mit „Verachtung und Stillschweigen". Angesichts des Artikels „von dem wienerischen Geschmack in der Musik" aus dem Jahre 1766, aber auch vieler Argumente, die in dieser Angelegenheit in die Waagschale geworfen wurden, um von „Wiener Klassik" sprechen zu können (vgl. dazu den kritischen Beitrag von Ludwig Pinscher: „Zum Begriff der Klassik in der Musik". In: Deutsches Jahrbuch für Musikwissenschaft II, Leipzig 1967, 9-34 sowie in Carl Dahlhaus, hg: „Die Musik des 18. Jahrhunderts" und die dort zitierte Literatur) und einige Jahrzehnte danach Wien zu einer Musikmetropole eigener Art machte, die sich von den anderen Zentren Europas deutlich abhob.
Mozart als Rezipient und Mitgestalter von Wiens Musik und musikalischem Leben Leopold Mozart, der zu den ersten bürgerlichen Europareisenden zählte, hatte seinen Sohn immer wieder auf die Stadt Wien aufmerksam gemacht Er hatte dessen Karriere, die mit dem fünften Lebensjahr begann, mit allen Mitteln rationaler Entscheidungsgabe und Durchsetzungskraft danach ausgerichtet. Er wußte, was Wien im europäischen Kontext darstellte. Daß Leopold Mozart bei der Durchführung seines Planes sich auf eine außergewöhnliche Begabung stützen konnte, lohnte die Mühe. Sein vom Denken und Streben der Aufklärung geprägtes Unterfangen fing bei seinem Sohn immer wieder Feuer und wurde schließlich in dessen Streben nach Neuem und nach weitgehender Unabhängigkeit so stark, daß er, wie die Vorgänge zu Beginn seines vierten Aufenthaltes in Wien lehren, schließlich von den Entscheidungen seines Sohnes übermannt wurde. Von Eifersucht geplagt, reagierte er in einer kläglichen Art und Weise auf dessen Verhalten in einer Form, wie sie in früheren Jahren von ihm nicht zu erwarten gewesen wäre. Die vielerorts kritisierte, aber weitgehend noch immer intakte Welt des Ancien regime mit ihrer auch in musikalischen Belangen an den jeweils Regierenden gemessenen Geschmacksorientierung entfaltete sich im gesellschaftlichen Leben der
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österreichischen Länder noch immer im Sinne einer sozialen Pyramide. Musik und musikalisches Leben entsprach in vielerlei Hinsicht dem gesellschaftlichen Gefalle, in welchem die jeweils Höherstehenden von den Vertretern der jeweils niedrigeren Gesellschaftsschichte den Ton angaben, die Ärmeren sich auch im musikalischen Tun an den ihnen jeweils Übergeordneten orientierten. Die Exklusivität jenes schichtenspezifischen Verhaltens Schloß viele Vertreter der Gesellschaft aus und erlaubte ein selbstbewußtes Verhalten zunächst nur in Grenzen, wobei überhandnehmende Strukturen im revolutionären Geist der Aufklärung im zunehmenden Maße die althergebrachten Formen aufbrachen. Bei aller Verschiedenheit gab es für die Einwohner der Donaumetropole in ihrer Gesamtheit den in den Quellen immer wieder zum Ausdruck kommenden imperialen Glanz. Mit ihren 220 Adelspalästen wurde Wien nicht nur optisch als Zentrum bestimmt. Von der Provinz hoben sich die herrschaftlichen Häuser schon in ihren äußeren Dimensionen deutlich ab. Dementsprechend boten sich Ausstattung und Größe auch bei den musikalischen Aufführungsstätten an. Wie ausgeprägt das Streben der Menschen nach Wien war, kann man trefflich an Leopold Mozarts Reisepolitik verfolgen, auch wenn verschiedene Einflüsse sowie persönliche Überlegungen die Einstellung zum kaiserlichen Wien im Laufe der Jahre in seinem Denken sich immer wieder verschob. Seines Sohnes Wolfgang Bestreben verdichtete sich, in die kaiserliche Metropole zu gehen, dorthin, „wo der Kaiser wohnt" (Leopold Mozart). Eine Fülle Chancen schien sich zu eröffnen, besonders in jenen Jahren, in denen Joseph II. als Kaiser regierte und zu seinem Idol wurde. In dessen Umgebimg tätig zu sein, wurde schließlich sein erklärtes Ziel. War im sogenannten „Josephinischen Jahrzehnt" der Kaiser doch eine Art selbsternannter Generalmusikdirektor, der, dem Zuge der Zeit folgend, in der Öffentlichkeit mit dem musikalischen Leben an seinem Hof nicht nur Macht und Ansehen dokumentieren, sondern sich auch selbst darstellen wollte. Er steuerte das musikalische Leben und kontrollierte, wo er konnte. Die Reform seines Hofstaates und der in diesem vereinigten Musikstände sprechen hier eine deutliche Sprache (Brigitte Perger, „Wolfgang Amadeus Mozarts Leben und Wirken im Jahre 1787 mit einer eingehenden Analyse seiner Aufnahme in den kaiserlichen Hofstaat", phil. Dipl. Wien 1991, maschr. vervielf.). Hofkomponist zu sein, war für Mozart Ende der achtziger Jahre (ex posteriori betrachtet: viel zu spät) etwas, was er bei jeder Gelegenheit präsentierte. Der Ehrentitel und die damit verbundene Geldgabe bedeutete für ihn bedauerlicherweise zwar nicht die Erringung einer Stellung am Hofe mit entsprechender Besoldung, aber es war immerhin eine hohe Auszeichnung, ein Synonym dafür, daß man von höchster Stelle anerkannt worden war. Es war ein Stipendium, mit dem einer der Besten seines Faches im Reich ausgezeichnet wurde, und es geschah dies offensichtlich aus dem Grunde, daß eine geeignete Position nicht vorhanden war. Man vergleiche in diesem Zusammenhang Josefs Verhältnis zu Mozart seit dessen zweiten Wienaufenthalt und die Tatsache, daß er nach dem Tode des Reformkaisers dessen Nachfolger, dem späteren Leopold II., an diese Ehrengabe sofort erinnerte. Die hochprominente Stelle eines Kapellmeisters an St. Stephan hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits in der Tasche. Wäre es ihm möglich gewesen, den Kapellmeister Hofmann zu beerben, so hätte er damit ein Amt bekleidet, das ihm ein Salär beschert hätte, das finanziell dem
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entsprochen hätte, was der kaiserliche Hofkapellmeister Salieri bekam. Wie sehr die Öffentlichkeit darüber gedacht und auch Mozart selbst diese Entscheidung empfunden haben mag, läßt sein Biograph Niemtschek aus Prag zu der, speziell auf die Kirchenmusik in den österreichischen Ländern bezogenen Aussage kommen: „Mozart würde in diesem Fache der Kunst seine ganze Stärke erst gezeigt haben, wenn er die Stelle bey St. Stephan wirklich angetreten hätte; er freute sich auch sehr darauf. Wie sehr sein Genie für den hohen Stil des ernsten Kirchengesanges gemacht war, beweiset seine letzte Arbeit, die Seelenmesse, die gewiß alles übertrifft, was in diesem Fache bisher ist geleistet worden" (Franz Niemtschek, „W. A. Mozart's Leben. Nach Originalquellen beschrieben", Prag 1808, Neudruck). Im Sinne der Befürworter des Begriffes „Wiener Klassik" soll in diesem Zusammenhang auf die Leistungen der aus Wien stammenden oder in der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt wirkenden Musiker verwiesen werden, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Wien wie von einem Magnet angezogen wurden und in deren Stadtpalais ebenso wie in den Schlössern auf dem Lande ein ausgeprägtes musikalisches Leben entfalteten. Kunstsinn und Bildimg als Zeichen von Macht und Ansehen wurden hier gepflegt bis in die entferntesten Territorien des deutschen Sprachraumes, Ungarns, Böhmens, Mährens und Italiens, wo die Stadtresidenzen in ihrer Größe jeweils im gehörigen Majestätsabstand errichtet worden waren. In zunehmendem Maße war zur Zeit Mozarts das Musikleben des kaiserlichen Wien in einem zunehmenden Maße auch vom aufstrebenden Bürgertum geprägt worden (Salonkultur). Ein großes kreatives Milieu muß die kaiserliche Haupt- und Residenzstadt damals besessen haben, ein kulturelles Klima, das Mozart für seine Sache blendend zu nutzen verstand. Für ihn bedeutete Wien ein städtisches Zentrum, das an Größe und historischer Bedeutimg von keinem anderen im deutschsprachigen Raum übertroffen wurde und, gesamteuropäisch gesehen, als Hauptstadt des Römischen Reiches und der mit diesem geographisch nicht deckungsgleichen Casa d'Austria in musikalischen Belangen einen Vergleich mit London, Paris oder Neapel nicht zu scheuen brauchte. In welcher Form und in welchen Beispielen sich dieses kreative Milieu auswirkte, soll nachfolgend in aller Kürze und in vollem Bewußtsein des an dieser Stelle nur unvollkommen Möglichen beispielhaft darzustellen versucht werden.
Mozarts Selbstbefreiung und „Zerschlagen der Fesseln" Die positiven Aussagen Mozarts über die kaiserliche Hauptstadt, wie beispielsweise die eingangs zitierte Lobpreisung (s. o., 4. 4.1781), vermochten die in der letzten Zeit zur vorgefaßten Meinung verhärtete, tendenziös negative Sicht eines gespannten Verhältnisses zu Wien kaum zu verdrängen. Der Weg einer einzigen Katharsis erschien für die meisten Mozartforscher und -schriftsteiler erwiesen zu sein. Die im Vergleich zu Mozarts Jugendzeit zahlenmäßig spärlich gewordenen Dokumente über sein späteres Leben, sein Werk und seine Wirkung haben diese üble Nachrede nur begünstigt und ihr immer wieder den Ausdruck einer scheinbar zwingenden Logik verliehen. Das klassische Künstlerschicksal, das die Romantik aufgebaut hatte, sei, so kann man immer wieder lesen, an Mozart tatsächlich in Erfüllung gegangen. Die Bewer-
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tung von Mozarts letztem Lebensjahr wurde zu einem besonderen Beispiel konstruierter Realität (vgl. W. Pass u. F. Wallner, „Konstruktiver Realismus und Musikwissenschaft", Sammelband zum gleichnamigen Projekt 1989-1994, erscheint 1995). Zweifellos hätte man diesen von Romanciers und Musikschriftstellern vertretenen Thesen eine unvoreingenommene, wissenschaftlich fundierte Quellenkritik schon längst mit Entschiedenheit entgegenstellen müssen. Jedoch geschah diesbezüglich viel zu wenig, auch wenn schon sehr früh damit begonnen wurde, Korrekturen am falschen Mozartbild vorzunehmen. 1781 hatte für Mozart mit einem Schlag ein in mehrfacher Hinsicht neuer Lebensabschnitt begonnen. Keine drei Wochen nach dem Beginn seines vierten, von seinem Dienstherrn, Fürsterzbischof Colloredo, angeordneten Wienaufenthaltes hatte sich für ihn bereits ein klares Bild von Wien abgezeichnet Mit gutem Grund fügte er seinem Brief, der den durch die allzu euphorisch anmutenden Eindrücke seines Sohnes möglicherweise skeptisch eingestellten Vater mit allen Mitteln umstimmen sollte, noch drängend hinzu: „Das wird Ihnen jedermann sagen!" (s. o., Brief vom 4.4.1781). Mozarts selbstbewußtes Aufbegehren, das man in den Briefen aus früherer Zeit in dieser Form nicht kennt, treibt er in dem zitierten Schreiben schließlich mit einer Entschiedenheit sondersgleichen auf die Spitze. So meint er unter anderem: „und ich bin gern hier, mithin mache ich es mir auch nach meinen kräften zunutzen." Alle Torheiten mögen vergessen sein. Die Welt stehe für ihn nunmehr offen. Eine große Zahl ungeahnter Möglichkeiten böten sich ihm an. Wenn in dieser Situation überhaupt noch einer im Wege stünde, dann lediglich der Erzbischof: „eine grosse hinderniß, denn der ist mir wenigstens 100 Dukaten schade, die ich ganz gewis durch eine ,akademie' im Theater machen könnte", (ebenda). Am Schluß dieses Briefes kommt er mit anderen, die Ungehörigkeit im Verhalten Colloredos empört anprangernden Worten noch einmal auf seine, im Inneren kochende Wut zurück: „allein unser ,Erzlimmel' erlaubt es nicht - wil nicht, daß seine leut profit haben sollen!" Mozarts vierter Wienaufenthalt wurde so von allem Anfang an zu einem „Zerschlagen der Fesseln", wie der bedeutende Mozartforscher Ludwig Schiedermair (1876-1957) diesen Kraftakt treffend beschrieb. Seine Entscheidimg für Wien war mutig und in ihrer Art wahrhaft revolutionär zu bezeichnen. Als erster Musiker in der Geschichte hatte er die Idealposition eines freien Künstlers errungen. Abhängigkeiten jeglicher Art hatte er selbstbewußt von sich gewiesen. Die gesicherte Anstellung am Salzburger Hofe mußte in den Hintergrund treten. Der Weg eines auf sich selbst gestellten, nimmehr aber auch für seine Taten allein und voll verantwortlichen freien Musikers war geebnet. Für Mozart gab es keine Alternative.
Mozarts Wiener Publikum Mit Sicherheit kann man schon heute davon sprechen, daß Mozart, dessen Kompositionen aus seiner Kinderzeit bereits das Streben nach individueller Darstellung (Veränderung des Althergebrachten) erkennen lassen, in Wien wesentlich geprägt wurde und daß er in der Donaumetropole zu jener außergewöhnlichen Größe heranwuchs, zu jenem „Monument", von dem ein Georg Knepler so nachdrücklich spricht. Der zum Wahlwiener gewordene Mozart trifft seine Entscheidungen glasklar und
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ohne Sentimentalität. Ohne weitere Umschweife nennt er die Gründe, die ihn dazu geführt hätten: vor allem die Tatsache, daß er hier in Wien nun endlich jenes Geld verdiene, das seinem Rönnen und seiner Leistung entspreche. Als Kind der Aufklärung wurde er erst im Wiener Milieu zu einem Repräsentanten einer neuen Zeit und einer neuen Denkweise. Ohne einen gerechten Lohn hätte er letztlich das wie auch immer geartete, aber in barer Münze nicht entlohnende Publikumsinteresse schroff zurückgewiesen, als nichts anderes denn als Mißachtung seiner Person empfunden. Er war nicht mehr gewillt, sich in ein hierarchisch geordnetes Gesellschaftsgefüge eingliedern zu lassen, das die Leistungen des einzelnen mißachtet und sich bei deren Beurteilung nach Geburt und Namen orientiert. Mozart begeisterte sich deshalb auch sofort für jenes „Wiener Publikum", das er im April 1781 anläßlich einer Akademie der Witwen- und Waisensozietät im Kärntnertor-Theater kennenlernte und unter anderem in einem Brief an seinen Vater (4. April 1781) schrieb. Es schien ihm anders geartet zu sein, als er es bisher anderswo erlebt hatte. Die neuen Möglichkeiten für den nunmehr unabhängig gewordenen Künstler brachte ihm aber auch damit verbundene Ängste und Sorgen. Er war mit diesem Publikum nicht nur „recht zufrieden". Er war beispielsweise überaus glücklich darüber, daß er aufgrund des außerordentlich großen Beifalls - wie er schreibt „wieder Neuerdings anfangen mußte, weil des applaudierenden kein Ende war". Zwar blieb eine geeignete Anstellung bei Hofe weiterhin sein erklärtes Ziel, und er sollte von diesem Plan auch bis an sein Lebensende nicht abrücken. Doch habe er es in diesen wenigen Tagen bereits erlebt, daß man mit „2 scolaren ... besser als in Salzburg" leben könne. Anerkennung und gesellschaftliche Reputation bedeuteten für ihn eine Conditio sine qua non. Er wolle dementsprechend auch - und diese Briefstelle wurde in der Vergangenheit oft verschwiegen und wird auch heute noch gelegentlich aus falscher Scham übergangen - „so viel wie möglich Geld gewinnen; denn das ist nach der Gesundheit das Beste"!
Die neuen Möglichkeiten für den unabhängig gewordenen Künstler; aber auch die damit verbundenen Ängste und Nöte Es ist keine Frage, daß sich im Vergleich zu den vielen Schreiben an seinen Vater aus den Jahren nach 1781 der Brief vom 12. Juni 1789 mit den Hinweisen Mozarts auf eine katastrophal schlechte Lebenssituation in Wien grundsätzlich unterscheidet. Eine entsetzliche Notlage, in der er sich damals befand, linderte sein enger und stets hilfreicher Freund Puchberg, aber wie wir wissen, damals nur mit einer geringen Gabe, nämlich mit 150 Gulden Kredit. Und jeder, der sich ausschließlich mit dieser Quelle auseinandersetzte, mußte den Eindruck gewinnen, als habe sich alles gegen Mozart verschworen. Wir wissen aber, daß sich Mozarts verzweifelte Situation im darauffolgenden Jahr zu bessern begann und im letzten Lebensjahr 1791 schier ins Gegenteil verkehrte oder zumindest zu verkehren begann: Mozart erhielt wieder lohnenswerte Aufträge, er wurde zum Erfolgskomponisten. Hochgestimmt schrieb er seiner Frau am 7./8. Oktober 1791, daß er in Wien ebenso wie in Prag zu einem richtigen Publikumsliebling geworden sei. Und was er in diesem Brief mit dem vielzitierten und
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fast ausnahmslos fragwürdig interpretierten „stillen Beifall" zum Ausdruck bringen wollte, ist zweifellos nicht jener, von vielen Autoren so gern gesehene, resignierende Rückzug in die Stille eines verkannten Genies. Denn bei kritischer Lektüre dieser Passage wird eine andere, als typisch mozartisch zu bezeichnende Haltung deutlich, daß es nämlich dem Komponisten bei aller Freude am Beifall des Publikums letztlich doch stets vor allem darum ging, nicht nur die publikumswirksamen Teile des Werkes beklatscht zu wissen, sondern vor allem auch jene, die kunstgerecht und dementsprechend oft komplizierter gebaut und damit schwerer verständlich waren. Dies, so war es seine Überzeugimg, müsse aber nicht in lautstarkem Jubel zum Ausdruck kommen, sondern zeige sich eben oft in jenem „stillen Beifall", den ein verstehendes Publikum zu geben vermag. Im Juni 1789 aber hatte Mozart sich tatsächlich in einer Lage befunden, „die", wie' er schreibt, „ich meinem ärgsten Feinde nicht wünsche". Seinem Logenbruder Puchberg beweist er dies unter anderem damit, daß er mit einem Subskriptionsangebot in katastrophaler Weise durchgefallen sei: „ich habe 14 Tage eine Liste herumgeschickt, und da steht der einzige Name Swieten!" Dazu kämen, wie er schreibt, noch die Rosten, die die Krankheit seiner Frau Constanze verursachten und dadurch die Lage zusehends verschlechterten. Völlig verzweifelt verspricht er dem Logenbruder auch eine baldige Rückzahlung der erbetenen Geldgabe, um kreditwürdig zu erscheinen. Er verweist darauf, daß er an Quartettkompositionen für den König von Preußen arbeite sowie an Klaviersonaten für dessen Tochter, Prinzessin Friederike, die er „bey kozeluch ... stechen lasse". Verstrickt in eine damals ausweglos scheinende Situation schließt er den Brief mit dem Hilfeschrei: „wäre mir diese Krankheit nicht gekommen, so wäre ich nicht gezwungen gegen meinen einzigen Freund unverschämt zu seyn." Als er am 16. März 1781 voller Hoffnung nach Wien gekommen war, sah die Situation im Vergleich dazu völlig anders aus. Mozart hatte bereits die Hälfte seines gesamten Werkes geschrieben: mehr als ein Dutzend Messen, andere Kirchenwerke, Opern, Kammermusik der verschiedensten Besetzungen, die meisten Sinfonien u. a. m. In all diesen Kompositionen kann man ihn als einen überaus vielseitigen und insbesondere phantasievoll schreibenden Musiker bewundern. Er, der als Virtuose auf der Geige und auf dem Klavier, als Dirigent und Organist in ganz Europa Außergewöhnliches geleistet hatte, sollte aber, wie es sich zeigen wird, in den letzten zehn Jahren seines Lebens in Wien für weitere, in der überwiegenden Mehrzahl sogar für größte Überraschungen sorgen. Denn was ihm in den Jahren 1781-1791 gelang, veränderte die Musikwelt in einer nie zuvor gesehenen Weise, wurde in vielerlei Hinsicht oft erst lange nach seinem Tode voll erkannt. Auf dem Gebiet der formalen Gestaltung beispielsweise haben dies richtungweisend bedeutende Gegenwartskomponisten wie Olivier Messiaen (geb. 1908) oder Karlheinz Stockhausen (geb. 1928) erkannt. Gepaart mit einer stupenden Meisterschaft in der melodischen Erfindung gelangen ihm meisterhafte Formulierungen einer neuen musikalischen Rhetorik, die das Ererbte und von seinen Kollegen Vor- und Mitgeformte zu ungeahnten, faßlichen musikalischen Gestalten bündelte und dabei, mit der formalen Disposition eng verknüpft, stets eine vortreffliche, im besten Sinne des Wortes moderne Harmonik. Sie war, und das gehört zum Bedeutendsten in Mozarts Schaffen, stets auch von einer bestechenden Sicherheit in der Beachtung formaler Regelmäßigkeit begleitet, die sich aber dennoch nie in stereotyper Wiederholung von Formeln verlor. Nie wieder-
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holt er sich, indem er Bestehendes zitiert. Stets war er auf Erweiterung und Veränderung bedacht. Sein Erfindungsreichtum ist wahrhaft als besonders groß und außerordentlich zu bezeichnen. Auf die bahnbrechenden Leistungen auf dem Gebiet der Harmonik soll weiter unten eingegangen werden. Die großen Mozartforscher des 19. Jahrhunderts haben bereits auf dieses Außergewöhnliche in Mozarts Werk hingewiesen und Theorien entwickelt, wie man diese Phänomene besser erkennen, verstehen, beschreiben und schließlich in einer musikalisch immanenten Rekonstruktion dem Zuhörer so gut wie nur möglich nahebringen könne. Eine in weitestem Sinne als historische Theorie zu begreifende These vertritt ein Karl Franz Friedrich Chrysander (1826-1907), der meint, Mozart habe sein Werk, insbesondere jenes der Wiener Jahre, in Sprüngen verfaßt. Otto Jahn (18131869) wiederum spricht davon, daß sich Mozarts Gesamtwerk evolutionär wie das Wachstum einer Pflanze entfaltet habe. Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte prägen die Erkenntnis von Mozarts Leben und Werk und erklären die Wirkungsgeschichte, die sich im Weiterleben des von ihm Geschaffenen manifestiert.
Mozarts „Streben nach vorn" als Zeichen eines geschichtsbewußten Handelns Vom Erzbischof nach Wien beordert, war Mozart 1781 hier in Wien plötzlich mit einem Gemeinwesen konfrontiert, das sich ihm auf der einen Seite als eine sehr traditionsbewußte Stadt, auf der anderen Seite aufgrund vieler Baustellen aber auch als ein Ort im Aulbruch darbot. Das Musikinteresse hatte eine große Tradition und war in allen Teilen der Bevölkerung vorhanden, wies aber in der Art der musikalischen Darstellung nach den sich bietenden Möglichkeiten und damit schichtspezifisch ein unterschiedliches Gepräge auf (vgl. beispielsweise die Tänze in Mozarts Oper „Don Giovanni"). Mozart, der sich von den von Josephs II. mit Härte und Konsequenz durchgezogenen Reformen beeindrucken ließ, führte mit seinem Schaffen gleichfalls zu neuen Ufern. Das bei einer kritischen Analyse seiner Werke immer wieder zutage tretende imbedingte „Streben nach vorn", wie man diese neue Haltung einige Jahrzehnte später bezeichnete (vgl. Beethovens Brief an Erzherzog Rudolf vom 29. Juli 1819), war zum dominanten Kunstinteresse schlechthin geworden. Was sich dabei als besonders bedeutungsvoll erwies, war der Umstand, daß seine Arbeit stets einem weitreichenden tiefen Verantwortungsgefühl entsprang und nicht nur einem Leistungsstreben für hic et nunc. Es bedeutete ein neues Verständnis für die Dinge, die auch Mozart in den achtziger Jahren beschäftigt haben mußten. Historisch zu denken setzt sich immer mehr durch, wird sozusagen selbstverständlich. Auch in der Musik gilt es nun, die Schöpfungen der Vergangenheit wie „ein Feld durchwandern, das dem denkenden Betrachter so viele Gegenstände des Unterrichts, dem tätigen Weltmann herrliche Muster zur Nachahmung ... eröffnet" (Schillers Antrittsrede an der Universität Jena, 1789). Mozart folgt nun in seinem ganzem Denken diesem neuen Zeitgeist. Was er damit für die Wiener Musik zuwege brachte, die später einmal für den gesamten Zeitraum von ca. 1770-1830 als „Wiener Klassik" bezeichnet werden sollte, war unendlich viel, auf dem Gebiete seiner Kunst vor allem „musikalische Dichte und Ausgewogenheit" (Freudenberg).
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Geschichtsbewußtes Handeln spricht aus fast allen seinen Werken. Die in der Kirchenmusik tradierte Barockmusik und die in adeligen Kreisen in einer Zeit des Umbruchs auch als Sekuritätsbedürfnis erklärbare Pflege alter Musik im Bereich Kammermusik der höheren Stände trafen sich nun mit dem neuen Interesse für Altes, für Johann Sebastian Bach, Händel und deren Zeitgenossen. Für Mozart wird es zur Verpflichtung, das Neue nicht allein des Neuen wegen zu beachten, sondern auch musikalische Sprachformeln der Vergangenheit zu pflegen. Dies geschah der vielen treffenden musikalischen Darstellungsformen wegen, die sich in der alten Musik finden ließen und damit gewissermaßen aktuell wurden, weil es in der Gegenwartsmusik kein Äquivalent dafür gab. Da dies im gleichzeitigen Streben nach individueller Gestaltung geschah, war geschichtsbewußtes Handeln auch für einen guten Komponisten stets damit verknüpft, Bestehendes nicht zu wiederholen, sondern im Sinne einer bewußten Weiterentwicklung in „Neues" umzuwandeln.
Mozarts Wunsch für Leute „aller Gattung" zu schreiben, für „Nichtkenner" ebenso wie für „Kenner" und „Könner" Betrachtet man Mozarts Wienaufenthalte in ihrer Gesamtheit und stellt man dazu noch in Rechnung, daß zwei seiner Großonkel nach Wien zogen und einer von ihnen sogar in derselben Gasse starb wie er selbst, so zwingt sich geradezu der Gedanke auf, daß Mozarts Entscheidung für Wien im Sinne eines historisch notwendigen Entwicklungsprozesses erfolgte, der, wie man heute sagen würde, evolutionär verlief. Der unbedingte Wille des Vaters Leopold, seinen Sohn zum ersten Mal in Wien einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren (1762) und später dann (1767-1769) In der Stadt, „wo der Kaiser wohnt" (vgl. dazu die Briefe Leopolds an J. L. Hagenauer, in denen auf die dadurch möglichen Verbindungen zu Italien hingewiesen wird), seinem Wunderkind den Start für eine große Karriere als Opernkomponist zu ebnen, spricht für sich. Bis zu seiner endgültigen Niederlassung in Wien lagen nämlich nicht nur Jahre des Erfolges als ausübender und in zunehmendem Maße auch als komponierender Künstler, sondern vor allem auch Lehr- und Lernjahre in den verschiedensten menschlichen Belangen, man denke nur an die Reise nach England, wo er als Kind mit der Welt der Aufklärung konfrontiert wurde, die von dort ihren Ausgangspunkt genommen hatte. Oder man vergegenwärtige sich Frankreich, wo Mozart mit bedeutenden Gelehrten zusammentraf und wo ihm das Schreiben von Musik als „Wissenschaft" bewußt geworden sein mußte. Schließlich beachte man die drei Reisen nach Italien, das zu jener Zeit großteils österreichisch war (von der Lombardei bis Neapel, mit Ausnahme des Kirchenstaates). Erlebte er doch dort historische Zentren der europäischen Musik. Nicht zu vergessen sind dabei die Städte des Kirchenstaates, vor allem Bologna, wo er in Padre Martini den damals bedeutendsten Musiktheoretiker kennenlernte, und Rom. Was er aber auf diesen Reisen in besonderem Maße lernte, war ein kluges gesellschaftliches Verhalten. Mit einem Publikum, das ihm zujubelte, wurde er ebenso konfrontiert wie mit einem Auditorium, das seiner Arbeit trotz größten persönlichen Einsatzes reserviert gegenüberstand. Daß man die Komposition als Wissenschaft nie in ihrem Wert unterschätzen dürfe und dabei das weniger gebildete Publikum ebenso
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ernst nehmen müsse wie das der Renner und Könner, wurde für ihn zu einer Selbstverständlichkeit. Mozart war solcherart auch zu jener faszinierenden Persönlichkeit herangewachsen, deren Musik bis zum heutigen Tag auf ein einzigartig breites Publikumsinteresse stößt. Die vielfältigen Einflüsse, die er erhielt und in beispielloser Weise rezipierte, hatten ihn im Sinne des Kongresses, der die Vielfalt Europas als innovationsförderndes großräumiges Milieu zu behandeln trachtet, im gegenwärtigen Sprachgebrauch wahrhaft zu einem Europäer gemacht. Einige Briefstellen sprechen davon, daß er für Leute „aller Gattimg" schreiben könne, für die „Unwissenden" ebenso wie für die zitierten Kenner und Könner. Stets vermochte er dies, ohne ins Alltägliche und Seichte zu verfallen. Über jene drei Klavierkonzerte KV 413-415, mit denen er beim Wiener Publikum sensationelle Erfolge erzielte, schrieb er am 28. Dezember 1782 an seinen Vater: „die Concerten sind eben das Mittelding zwischen schwer, und zu leicht - sind sehr Brillant - angenehm in die ohren - Natürlich, ohne in das leere zu fallen - hie und da - können auch Kenner allein Satisfaction erhalten - doch so - daß die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum." Und an anderer Stelle sparte er aus ähnlichen Überlegungen auch nicht mit Kritik, als er einem Pianisten seine Unfähigkeit vorwarf: „die Zuhörer: ich meyne diejenigen, die würdig sind, so genannt zu werden: können nichts sagen, als daß sie [lediglich] Musik und Ciavierspielen - gesehen haben. Sie hören, denken und - empfinden [nämlich] so wenig dabey - als er." Hier in Wien, wo das Musikleben auf einem sehr hohen Niveau stattfand, wo im Burgtheater, wie er voller Begeisterung seiner Schwester schrieb (Brief vom 4. 7. 1781), die Besetzungen doppelt sind und dementsprechend eine ganz andere Qualität ermöglichten, als dies Wandertruppen anzubieten imstande waren, hier mußte er es als ein besonders erstrebenswertes Ziel, ja als Herausforderung empfunden haben, eine Musik zu schreiben, die grundsätzlich von allen verstanden werden konnte. War er doch in Wien auf eine, von ihrer Zusammensetzung her als gemischt zu bezeichnende „ideale" Gesellschaft gestoßen, in der nicht mehr der Adel allein den Ton angab. Denn im Zuge der steuerlichen Reformen Josephs II. war dieser in seiner althergebrachten musikalischen Kultur empfindlich beeinträchtigt worden und hatte zwangsläufig die Gestaltung des musikalischen Lebens an andere Gesellschaftsschichten weitergeben müssen. In Mozart mußte dies den Eindruck einer entwickelten Gesellschaft hinterlassen haben, einer interessierten Zuhörerschaft, in der zu reüssieren in zunehmendem Maße davon abhing, Kenner wie Liebhaber, Gebildete wie weniger Gebildete zufriedenzustellen. Die aufstrebende bürgerliche Aufklärung hatte tatsächlich die seit Jahren angestrebte Harmonisierung von Ratio und Sentiment als Leitbild und neues Programm durchgesetzt.
Zum sozialen Sinn der Kompositionen Mozarts Bemerkenswert ist, daß Mozart in seinen letzten zehn Jahren in Wien mehrere musikalische Gattungen, die ihn seit seiner frühesten Jugend interessierten und ihm, vor allem auf dem Gebiete der Violinkompositionen viel Erfolg brachten, nicht mehr pflegte. Es zeigt sich dabei, wie sehr Mozart für bestimmte Anlässe und Personen
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schrieb, und es empfiehlt sich, bei näherer Betrachtung jeweils auch nach dem Anlaß für die Entstehung dieser Werke zu fragen, deren soziale Implikation zu bestimmen und beim Anhören eine Imagination der historischen Umstände zum Zwecke eines tieferen Verständnisses (Erlebnisses) zu versuchen. Es ist dementsprechend auch ungenügend, lediglich nach absolutem Kunstwert allein zu suchen. Vielmehr vermag man Mozarts Leistimg erst dann voll zu erfassen und zu verstehen, wenn man auch nach ihrem sozialen Sinn fragt. Etwas anders verhält es sich hier bei seinen geistlichen Kompositionen. Im Josephinischen Jahrzehnt war liturgisches Musizieren auf ein Minimum reduziert worden. Abgesehen von der c-Moll-Messe, die er als persönliche Votivgabe für den Besuch in Salzburg (1783) geplant hatte, hat Mozart als liturgisches Werk in den letzten zehn Jahren lediglich die Motette „Ave verum" (1791) geschrieben. Gleichzeitig (und letztlich auch im Einklang mit Josephs II. Reformen) war damals aber eine neue Art von Religiosität entstanden. Sie war mächtig herangewachsen und hatte immer größere Bereiche der Gesellschaft erfaßt. Als neues Interessengebiet kam für Mozart das in Wien bereits zur Tradition gewordene Oratorienschaffen. Auf einen Text, der möglicherweise von Lorenzo da Ponte stammte, schuf Mozart so das Oratorium „Davidde penitente", in dem er auf eine höchst bemerkenswerte Art Teile seines c-Moll-Messe-Torsos mitverwendete. Die 1783 geschriebenen Sätze unterscheiden sich in ihrer Faktur grundsätzlich von den 1787 komponierten Arien. Die Chöre zeigen eine auf dem barocken Chorstil aufgebaute Kompositionsweise. Woher Mozart seine Kenntnisse nahm, ist nicht mehr eindeutig feststellbar. Sicherlich hatte er sie auch in jenem Kreis für alte Musik kennengelernt, den van Swieten aufgebaut hatte, für den er seit 1782 Werke von J. S. Bach und anderen bearbeitete. Vollends in den Sog einer bewußt betriebenen historischen Musikpflege auf dem Gebiet des Oratoriums trat er 1788, als er mehrere Händel-Oratorien bearbeitete, die ihm in einer gemischten Gesellschaft aus Adeligen und Vertretern des Bürgertums eine breitgefacherte, soziohistorisch bemerkenswerte Anhängerschaft sicherten (Gesellschaft der Associierten Cavaliers 1786-1792). Das Engagement für die alte Musik läßt sich seit Beginn der achtziger Jahre in seiner kontrapunktischen Schreibweise, in zahllosen Fugen und Entwürfen dieser Zeit (vgl. dazu den Brief an seine Schwester vom 20. April 1782), in späteren Jahren vor allem in den Choralvariationen der „Maurerischen Trauermusik" oder dem Gesang der Geharnischten in der „Zauberflöte" und schließlich im „Requiem" feststellen. Unglaublich großen Erfolg brachten ihm in Wien seine Kompositionen für Klavier, insbesondere seine Klavierkonzerte. Diesbezüglich ist auf die einzigartige Stellung der Stadt auf dem Gebiete des Klavierbaues hinzuweisen (vgl. dazu Mozarts Brief an seinen Vater vom 2. Juni 1781 mit dem bemerkenswerten Hinweis: „hier ist doch gewis das Clavierland"). Konzerte im Augarten, im Belvederepark, im Garten des Liechtensteinpalais in der Roßau und auf der Bastei sowie in dem großen Saal der „Mehlgrube" und schließlich im Jahnschen Saal in der Himmelpfortgasse waren es, wo er nicht nur großen Beifall erzielte, sondern und sehr viel verdiente. Dazu kamen die Konzerte der „Tonkünstler-Sozietät", Akademien, die er selbst im Burgtheater veranstaltete, und nicht zuletzt die Auftritte in Salons, die vom Adel und dem gebildeten Bürgertum getragen wurden. Im josephinischen Wien waren diese erheblich von den berühmten Salons in Paris unterschieden, da in ihnen die Musik die entscheidende Rolle spielte und man
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deshalb bei ihren Besuchern nicht von passiven, sondern von engagierten aktiven Hörern sprechen kann. Diese hatten sich im häuslichen Musizieren und Rammermusikspiel die entsprechende Vorbildung angeeignet und als musikalische Kulturträger zu dem von Mozart gelobten hohen Stand des Wiener Musiklebens Wesentliches beigetragen. Viel wäre noch darüber zu sagen, was Mozart in den letzten zehn Jahren auf dem Gebiet des Solokonzerts, des Liedes, der Rammermusik unterschiedlicher Besetzimg und vor allem der Symphonik leistete, wo er Entwicklungen späterer Zeiten vorwegnahm. Neben den noch wenig untersuchten und gespielten Tänzen sowie den Rompositionen für den Bereich der sogenannten Hausmusik (den Ranons beispielsweise) verfaßte er zahlreiche Operneinlagen und neu hinzukomponierte Arien, an denen man unter anderem auch sehr deutlich erkennen kann, inwieweit der Romponist in das musikalische Leben der Stadt integriert war und wie sehr er zu anderen Romponisten in einem kollegialen Verhältnis gestanden sein muß.
Mozarts Bemühen um gesellschaftliche Anerkennung Was aber könnte Mozarts Rrisen gegen Ende der achtziger Jahre ausgelöst haben? Mit einiger Sicherheit kann man annehmen, daß es sich um Frauenaffären nicht gehandelt haben kann. Die medizinische Behandlung seiner Frau Constanze in Baden hatte zweifellos Unmengen an Geld verschlungen. Auch der Umstand, daß Mozart von seinem Eintreffen in Wien 1781 an immer darum bemüht war, durch entsprechende Lebensführung, Kleidung, eine geeignete Wohnimg an einem prominenten Platz etc., dem von der sogenannten Gesellschaft vorgelebten Lebensstil zu entsprechen. Diese gesellschaftliche Anerkennung war ihm nämlich sehr angelegen. Wenn er in Ronzerten auftrat oder ein Auftragswerk verfaßte, wollte und mußte er deshalb auch einen entsprechenden Lohn verlangen. Und die Anstellung als Rammermusikus 1787 brachte ihm nicht nur verdientes Geld, sondern vor allem eine entsprechende Reputation in der Öffentlichkeit: ein nicht unbeträchtliches Salär von 800 fl jährlich. Entsprach dies auch nicht dem, was ein Christoph Willibald Gluck bekommen hatte (2000 fl), so müßte es für den erst 31jährigen Romponisten, dem die von den älteren Rollegen (wie Salieri) nach wie vor besetzten Dienstposten am Hofe verwehrt waren, zufriedengestellt haben. Nichts deutet jedenfalls darauf hin, daß er von Kaiser Joseph II., den er verehrte, aber auch von dessen Nachfolger Leopold II. in irgendeiner Weise in seiner Würde verletzt oder nicht entsprechend beachtet worden wäre. Dabei ist auch zu bedenken, daß gerade der Reformkaiser es war, der in einem Maße wie kein anderer vor und nach ihm um höchste Sparsamkeit bei der Vergabe von Geldern bemüht war und seine Hofhaltung (insbesondere auch im Bereich Musik) bewußt klein hielt. Der große Mozart-Forscher Otto Erich Deutsch hat es im Nachwort seiner kleinen Briefausgabe (1960, 180) auf eine kurze Formel gebracht, was alle, die sich mit diesem Romponisten beschäftigten, immer wieder so tief bewegte: „Daß Wolfgang Amadé Mozart am 5. Dezember 1791, zwei Monate vor seinem 36. Geburtstag, starb, erfüllt uns immer wieder mit bitterem, hilflosem Schmerz. Und doch hatte er menschlich und künstlerisch - alles erlebt und gegeben, was ein scheinbar viel längeres Leben anderen aufgetragen und gewährt hat." Reinen Biographen hat dieses
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Wunder Mozart in den letzten 200 Jahren losgelassen, und zur Erklärung der bis heute noch nicht gelösten, in vielen Fällen wohl auch nie zu lösenden Fragen sollen hier zwei Dokumente aus der ältesten, bis heute, mit Ausnahme der Zeit des deutschen Faschismus in Österreich, erscheinenden Tageszeitung, dem 1703 gegründeten und eingangs zitierten „Wiener Diarium" (ab 1780 „Wiener Zeitimg") herangezogen werden. Sie sollen stellvertretend einen Eindruck davon geben, wie Mozart durch Wien geprägt wurde und das in dieser Stadt Erworbene wieder an seine Umgebung zurückgab. Sie sollen aber auch einen Eindruck dessen vermitteln, wie sehr Mozart in seiner Wahlheimat geschätzt wurde. Als erstes ist die in der Literatur vergleichsweise viel zu wenig beachtete Todesanzeige in der „Wiener Zeitung" vom 7. Dezember 1791 (Nr. 98) zu nennen: Reaktionen auf den unerwarteten Tod Mozarts am 5. Dezember. Nach dem kurzgefaßten Vermerk in der amtlichen Totenliste erscheint hier der knappe, die Tragödie in ihrer vollen Dimension darstellende Nachruf: „In der Nacht vom 4. zum 5. d. M. verstarb allhier der k. k. Hofkammerkomponist Wolfgang Amadeus Mozart. Von seiner Kindheit an durch das seltenste musikalische Talent schon in ganz Europa bekannt, hatte er durch die beharrlichste Verwendung die Stufe der größten Meister erstiegen; davon zeugen seine allgemein gehebten und bewunderten Werke, und diese geben das Maß des unersetzlichen Verlustes, den die edle Tonkunst durch seinen Tod erleidet." Dieser, im Stile der Zeitung kurz und prägnant gefaßten Nachricht, die von aufrechter Anteilnahme geprägt ist, folgt der Nekrolog in lateinischer Sprache: „Mozardi / tumolo inscribendum. / Qui jacet hic, Chordis Infans Miracula / Mundi / Auxit, et Amphionem Vir superávit. / Abi! / Et Animae ejus bene precare!" (Wörtlich übersetzt: Als Inschrift auf dem Grabe Mozarts. Der hier liegt, hat als Kind mit seinem Saitenspiel die Wunder der Welt vermehrt und als Mann selbst Amphion überragt. Verweile und sprich ein Gebet für seine Seele.) „Amphion" wird übrigens in der zweiten, für den Vertrieb außerhalb Wiens vorgesehenen Ausgabe bemerkenswerterweise durch „Orpheus" ersetzt. Der mit „K" Bezeichnete, der in seiner fehlerhaften Metrik etwas holprige Text, wurde Kozeluch, dem Komponisten und Musikverleger, sowie engen Bekannten Mozarts zugeschrieben. Aus dem von allergrößter Hochachtung geprägten Text läßt sich nichts herauslesen, daß die These einer angeblichen Mißachtung der Leistungen Mozarts in Wien untermauern würde. Auch der Hinweis auf Wien als der „widrigsten" Stadt ist, streng genommen, auf die Richtung der gängigen Darstellungen des stufenweisen Abstieges in den letzten Lebensjahren des Komponisten interpretiert. Wörtlich heißt es in dem Brief vom 12. Juli 1789: „Mein Schicksal ist leider, aber nur in Wien, mir so widrig, daß ich auch nichts verdienen kann, wenn ich auch will." Eine historisch korrekte Deutung hätte nämlich die äußeren Umstände, die durch den Hinweis auf die erfolglose Ausschreibung (nur: „van Swieten" hatte sich gemeldet!) zum Ausdruck gebracht werden, berücksichtigt haben müssen. Die historische Wahrheit in der Frage von Mozarts Verhältnis zu seiner Wahlheimat Wien ist in vielerlei Hinsicht eine andere, als dies aus der zwiespältigen Rezeptionsgeschichte dieses Problems herauszulesen ist. Und selbst in dieser gab es in Wien viele, die sich für die Erforschung Mozarts und der Pflege seiner Werke größte Verdienste erwarben: Ludwig Ritter von Kochel (1800-1877), Guido Adler (1853-1941) oder Otto Erich Deutsch (1883-1967) schufen, um nur einige Forscher aus der älteren
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Generation zu nennen, Bedeutendes. Vieles blieb bis heute unerledigt und gibt zu denken, daß die Bibliothek jener Stadt, bei deren Magistrat sich Mozart in seinem letzten Lebensjahr erfolgreich um eine Stelle an St. Stephan beworben hatte, post mortem oft sehr wenig tat und beispielsweise kein einziges musikalisches Autograph des von der ganzen Welt gefeierten Komponisten erwarb.
„Hätte er noch länger gelebt, würde er eine ganz neue Musik erschaffen haben" Als Wunderkind war Mozart, wie man aufgrund der gezielten Dokumentation seines Vaters vor allem in Briefen weiß, in ganz Europa gepriesen und gefeiert worden. Die Wirksamkeit dessen, was ihm in Wien gelang, ist im Vergleich dazu nicht nur aufgrund des Fehlens von Quellen schwerer durchschaubar. Wie wenig von dem, was Mozart in Wien hervorbrachte und in seiner Wahlheimat auch in Aufführungen durchzusetzen vermochte, über die Grenzen der österreichischen Länder hinausdrang, läßt sich nach wie vor schwer beurteilen. Anzunehmen ist, daß die Rezeption zunächst auf die Zentren der Monarchie beschränkt blieb, dort aber, wo es direkte zweiseitige (politische) Rontakte mit entsprechenden Interessen gab, darüber hinausreichte. Als Erklärung dieser These sei hier auf Ernst Ludwig Gerber (1746-1819) verwiesen, einen der bedeutendsten musikalischen Lexikographen der Zeit. Sein Mozart-Artikel im „Historisch-Biographischen Lexikon der Tonkünstler" von 1790 (Neuausgabe Wessely 1977, 976) geht nämlich in einer, vom Autor in seiner Tragweite kaum erfaßten Art und Weise auf das Problem des Neuen in Mozarts Schaffen ein. Er schreibt: „Dieser große Meister hat sich durch seine frühe Bekanntschaft mit der Harmonie so tief und innig mit selbiger vertraut gemacht, daß es einem ungeübten Ohre schwerfallt. Selbst Geübtere müssen seine Sachen mehrmals hören. Ein Glück für ihn, daß er noch jung unter den gefalligen und tändelnden wienschen Musen seine Vollendung erhalten hat. Es könnte ihn sonst leicht das Schicksal des großen Friedemann Bach treffen, dessen Figur nur wenige Augen der übrigen sterblichen noch nachsehen konnten." Bemerkenswert ist es, daß diesem Autor, der durch seine musikalische Erziehung im Vaterhaus mit der Musik von Johann Sebastian Bach bestens vertraut war und dementsprechend gute musiktheoretische Kenntnisse besaß, zu solch kritischen Tönen fand. Unverständlich ist es aber auch, daß er bei der Neuausgabe seines Lexikons, dem „Neuen Tonkünstlerlexikon" aus dem Jahre 1813 (Neuausgabe Wessely 1964, 474), wenig an seiner Meinung änderte, obwohl ein Vierteljahrhundert seither vergangen war und die Mozartpflege bereits einen relativ hohen Stand erreicht hatte, vor allem aber viele Werke Mozarts in Ausgaben zugänglich gemacht worden waren. In seinem neuen Mozart-Artikel flüchtet er sich nämlich in die fragwürdige Metapher: „Er war ein Meteor am musikalischen Horizont, auf dessen Erscheinung wir noch nicht vorbereitet waren." Richtig und vor allem ehrlicher wäre es gewesen, wenn er die ausschlaggebenden Gründe für seine „Hörprobleme" gesucht hätte. Werden sich diese doch wohl nur dadurch erklären lassen, daß es diesem bedeutenden Gelehrten aufgrund andersgearteter Rezeptionsmöglichkeiten im Musikleben seiner Heimat nicht möglich war, die Veränderungen, die sich in der Musik andernorts
„Der Wiener musikalische Stil"
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abgezeichnet hatten, voll zu verstehen. „Meteor" jedenfalls ist angesichts des evolutionären Weges, den Mozart in seinem kompositorischen Schaffen genommen hat, ein denkbar unglücklicher, ja falscher Begriff, der Assoziationen weckt, die nicht zutreffen. Daß der Komponist im engeren Freundes- und Bekanntenkreis sowie unter Kennern und Könnern in Wien tatsächlich voll verstanden wurde, belegen mehrere von Mozarts Zeitgenossen. So bemerkt Lorenzo da Ponte in seinen 50 Jahre später (1857) verfaßten „Memoiren", daß man Mozart seinerzeit als jenen Meister betrachtet habe, der auf dem Gebiete der Harmonie von keinem übertroffen wurde. Im Gegensatz zu ihm sei Martin y Soler als Verfasser der „süßesten" Melodien gefeiert worden, Antonio Salieri aber als der Könner der musikalisch-formalen Gestaltung schlechthin. Michael Haydn wiederum sagte nach glaubwürdigen Berichten seiner Biographen: „Wenn dieser [Mozart] noch länger gelebt hätte, würde er eine ganz neue Musik erschaffen haben" (vgl. die Edition dieser Textstelle in den Mitt. d. Intern. Stiftung Mozarteum 57,1989,205). Mozarts Dissonanzen und die Art ihres Einsatzes bedeuteten in seiner Zeit ein fundamentales neues Ereignis, eine wesentliche Erweiterung des musikalischen Ausdrucks. Waren früher die geregelte Abfolge von Konsonanz und Dissonanz im System der Stimmfuhrungsregeln bzw. aufgrund der musikalisch-rhetorischen Figuren geregelt gewesen, so hat Mozart mit seinen Erfindungen dort angesetzt, wo die Entwicklung das auf zwölf gleich temperierte Halbtöne innerhalb einer Oktave aufgebaute Tonsystem neue kompositorische Möglichkeiten und damit gleichzeitig auch neue musikalische Inhalte brachte. Vom Standpunkt der Historie aus betrachtet, waren mit diesen Neuerungen auch Verluste verbunden. So wurden damit die Stimmungen mit ihrer ganzen klanglichen Vielfalt (Stimmimg als theoretische und praktische Festlegung von absoluten und relativen Tonhöhen) in mancherlei Hinsicht bedauerlicherweise endgültig verlassen. Neue Elemente des Reizes und der Spannung, des Pulsierens von Ladung und Entladung wurden gefunden. Die musikalische Sprache hatte sich in ihren Ausdruckswerten in eine neue, in späterer Zeit als fatal bezeichnete Richtung hin entwickelt, die kaum 120 Jahre später zur Überwindung der Dur-MollTonalität führte. Johann Philipp Kirnberger (1721-1785) hatte noch „wesentliche" und „zufallige" Dissonanzen unterschieden. Mozart hätte sich zweifellos gegen dieses „zufallig" verwahrt. War es ihm doch darum gegangen, durch den gezielten Einsatz von Konsonanz und Dissonanz letztlich den musikalischen Satz wesentlich zu verdichten und vor allem mit neu gewonnenen klanglichen Erfahrungen zu erweitern. „Wohl-" oder „Übellaut" (C. Ph. E. Bach) werden in ihrer Wertigkeit bei ihm klar differenziert Nicht umsonst hat Arnold Schönberg (1874-1951) auf Mozart aufmerksam gemacht. Die spezifische (nicht graduelle) Differenz zwischen Konsonanz und Dissonanz war im Keim geboren und hatte damit erste Vorbedingungen für die 150 Jahre später vollzogene „Emanzipation der Dissonanz" geliefert. Es ist keine Übertreibung, wenn man diesbezüglich davon spricht, daß ohne Mozarts Erfindungen im kompositorisch-technischen Bereich die europäische Musik sich vielleicht in eine andere Richtung hin entwickelt hätte. Und man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, welchen Einfluß Mozart auf andere Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts nahm, wie beispielsweise Claude Debussy (1861-1918). Ungeachtet der noch offenen Fragen beim Versuch einer historischen Bewertung
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von Mozarts Aufenthalt in Wien und der dadurch ausgelösten wechselseitigen Beeinflussung läßt sich sagen, was auch an anderen, vergleichbaren Beispielen stets deutlich wird: Der Mensch ist geprägt durch Erbgut und Umwelt, wobei es an der Umwelt liegt, gegebene Anlagen zu fördern und zur Entfaltung zu bringen. Man wird deshalb nicht daran vorbeikommen, die Wiener kulturellen Einflüsse auf Mozart weiter zu erforschen und dabei die aus wissenschaftshistorischen oder nationalen Gründen versperrten Zugänge zu durchbrechen. Die Aussagen seiner Musik werden erst dann in vollem Maße erfaßt und damit einer angebrachten musikalischen Interpretation ebenso wie dieser dann entsprechenden Rezeption zugeführt werden können.
Peter Branscombe
The Relationship between Spoken Theatre and Music-Theatre as Exemplified in Mozart's Works
My contention in this paper is that Mozart tried his hand at virtually every kind of theatrical activity that was practised in the Austria of his time, from spoken comedy to the strictest form of opera seria. I must omit tragic drama, which anyway was not popular in Vienna, not least because of the well-known antipathy to it of Maria Theresia, since as far as we know Mozart harboured no ambitions in this direction (though there is evidence that he was familiar with at least the then most popular Shakespearean tragedies, and he knew well at least three of the leading Burgtheater actors, Stephanie the Younger, Müller, and his brother-in-law Joseph Lange). Mozart essayed all the other dramatic forms: opera seria, sacred drama (Die Schuldigkeit des ersten Gebots), oratorio (Davidde penitente), opera buffa, German Singspiel, play with music (Thamos, König in Egypten), ballet, and spoken Volkskomödie·, he at least planned to compose a duodrama (Semiramis), and at different times in his life he tried his hand at doggerel verse. I shall concentrate on the less obvious forms. But first it may be helpful to have a brief survey of the various Viennese theatres, the venues for Mozart's works in performance, and for his experiences as a member of the audience. Though we should not take too literally Joseph Sonnleithner's statement that there were more than ninety theatres in Vienna at the end of the eighteenth century (Sonnleithner, 1812, III, 4), there can be no doubt about the intensity and variety of the city's theatrical life. The court theatres, the Burgtheater and the KärntnertorTheater, had a repertory of musical and spoken works alternating between the two houses, though with important musical events more commonly taking place in the Burgtheater. In Mozart's day there were three established suburban theatres, taking advantage of the Spektakelfreiheit of 1776, which allowed a growth in public theatrical activity. These were the Theater in der Leopoldstadt, which opened in autumn 1781; the Theater im Fürstlich Starhembergischen Freihause auf der Wieden, which opened in October 1787; and the Theater in der Josefstadt, which opened a year later, and was of limited significance in terms of repertory and standards of performance (as far as is known Mozart had no connection with this theatre). There was also, more briefly, a theatre in the Landstrasse suburb which staged quite ambitious operatic works. And there were innumerable temporary and private stages, some of them modest affairs, others more lavish in scope, such as Prince Auersperg's theatre, for which Mozart revised and directed Idomeneo in March 1786 (Deutsch, 1961, 234/1966, 267). Three of Mozart's stage works were performed at the Kärntnertor during his lifetime: his choruses and incidental music for Gebler's Thamos, König in Egypten, Κ 556a, in 1774 (before the theatre was taken into court control; see H. Heckmann's preface to NMA, II/6/1, 1956, VII); Die Entführung aus dem Serail was given twenty times in this theatre between 1785 and 1788; and Der Schauspieldirektor was given
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three times in the Kärntnertor-Theater in February 1786, following its première at Schönbrunn. This theatre was also used for concerts; Mozart appeared there as pianist and music director several times between April 1781 and April 1784 (and perhaps later); he directed the performance of Die Entführung on 25 January 1784 for his sister-in-law's benefit (Deutsch, 1961,196/1966,221). Mozart's links with Schikaneder's Freihaustheater auf der Wieden are well known, thanks to Die Zauberflöte. Less well known is that fact that he wrote other music for members of Schikaneder's company, including the orchestration of a comic duet for the singers who a year later were to create the roles of Papageno and Papagena, in Der Stein der Weisen, mainly composed by Benedict Schack, the first Tamino (K 592a). Mozart wrote a set of keyboard variations (K 613) on the song "Ein Weib ist das herrlichste Ding" from the second of Schikaneder's Singspiels about the gardener, Anton (1789; the variations were written in March 1791). He also wrote "Ein deutsches Kriegslied", Κ 539, for the benefit concert in March 1788 of Friedrich Baumann, a popular member of the Theater in der Leopoldstadt, run by Schikaneder's principal rival, Karl Marinelli. Mozart evidently attended performances at these theatres quite often, as we know from comments in his letters; one instance is the famous dismissive remark about the Perinet/Wenzel Müller Kaspar der Fagottist (still frequently and against all the evidence held to have influenced the plot of Die Zauberflöte; see e. g. Branscombe, 1991, 29-34), of which he attended the fourth performance on 11 June 1791.1 draw attention to these two theatres in this context because their repertories quite as much as those of the court theatres are reflected in Mozart's own works for the stage, especially the farces with which I end this brief survey. Before then, however, I want to consider Mozart's endeavours in the fields of melodrama, play with music, and ballet and pantomime. Mozart's enthusiasm for the melodrama is well known, thanks to his comments in letters to his father written towards the end of the return journey from the visit to Paris in 1778. In the letter from Mannheim of 12 November 1778 he voices an excitement in the achievement of Georg Benda in his Medea and Ariadne aufNaxos that he admits he could never have imagined without actual experience of the genre; and he rejoices in the invitation he has received from Baron Dalberg to compose a duodrama for the Mannheim company. He gives his father further details in his next letter home, dated Mannheim, 3 December 1778: "why do I have to be brief?—because I have my hands full; I'm now writing for H[err] v[on] Gemmingen, and to please myself, the First Act of the Declaimed opera (which I was commissioned to write), but not for a fee;—I'm taking it with me, and shall complete it at home;—you see, so great is my desire for this sort of Composition;—H[err] v[on] Gemmingen is the Poet, of course,-and the Duodrama is called: Semiramis;—" (BuA, II, 1962, 516). Though there is a further comment on the effectiveness of melodrama in the letter to Leopold written at Kaisheim on 18 December 1778, Semiramis seems to have slipped from the forefront of Mozart's mind. Nothing of it seems to have survived, though it was mentioned as a work in progress, and later as if it were a completed work, in consecutive issues of the Gotha Theater-Kalender (by the 1785 edition the piece was misnamed Seminarius; Deutsch, 1961,162 and 206/1966,180 and 232). Some melodramas by Mozart do survive: no. 4 in Thames has the text cues inserted in Leopold Mozart's hand, but not the complete spoken text; and Zaide has
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two melodramas, one for Gomatz, the other, leading into an aria, for Soliman; both these scores date from around 1779. It is often forgotten, and usually overlooked in performance, that Mozart and Schikaneder intended the opening ritornello of Papageno's entrance-song in Die Zauberflöte to be punctuated by Tamino's spoken words "Was hör ich? Wo bin ich?", etc.—without these spoken words the 26-bar ritornello is distinctly long, and a valuable link between the two characters is missing. Melodrama was not especially popular in Vienna in the 1780s—there were regular but infrequent performances of Benda's Medea and Ariadne in the court theatres at this time, 57 in all during Mozart's final decade there. And a few musicians from his circle produced examples—Maria Theresia Paradis brought out her Ariadne und Bacchus (proclaimed as sequel to Benda's piece) in July 1791 (only four performances), and Anton Eberl's Pyramus und Thisbe achieved just two performances in Decemberl794. It is impossible to say whether Mozart's use of normal spoken dialogue (or of Italian recitative) in his later stage works reflects Viennese preference or his own change of heart; melodrama did become popular in Vienna, but not until two decades after Mozart's death (Branscombe, 1982,108-114). Incidental music plays a very small part in Mozart's output, though entr'actes, marches and vocal numbers were commonly required in the theatre of his time, and there is evidence that some of Mozart's instrumental works were conscripted to serve theatrical purposes—for example, the Symphony in E flat, R 161a, was used as overture to Plümicke's play Lanassa in 1779 and again in 1790 (Deutsch, 1961, 165/1978, 64/1966, 185-186 and 571). The one drama to which Mozart contributed a full set of musical numbers is Gebler's Thamos, König in Egypten; the score consists of three extended choral movements with solo voices dating from 1779/80, and five orchestral movements (one of them replaced by the choral finale), which date from two or three years earlier (Tyson, 1987, 24-25, 152). The most interesting number in the present connection is no 3, the entr'acte between the second and third acts, the autograph score of which contains, in Leopold Mozart's hand, indications of the emotional states of the characters that the music depicts: "Pheron's deceitful character", "Thamos's honesty", thus revealing Mozart's desire to portray character through instrumental music (NMA, II/6/1,1956, 57). A work that deserves an important place in this study is Der Schauspieldirektor, Κ 486, first performed at a court banquet in the orangery at Schönbrunn Palace on 7 February 1786 in a double bill with Salieri's Prima la musica e poi le parole. Der Schauspieldirektor, subtitled in the first edition of Gottlieb Stephanie's libretto "Ein Gelegenheitsstück"—"an occasional piece"—and more revealingly designated by Mozart in his Catalogue of all my works ... "Eine komödie mit Musick für Schönbrun", is formally unique in Mozart's œuvre. After the Overture there is a long sequence of six scenes of prose dialogue, more pointful and witty in its day than it can seem to a modern audience, or even a well-informed reader, concerning the tribulations of a theatre director assembling a troupe of actors and singers to perform at Salzburg. After various actors and actresses have played audition scenes, and been engaged, one of the actors, Herr Herz, returns with his wife, would-be prima donna of the company, and introduces her to the impresario in a way familiar from innumerable Singspiels and plays: "I have the pleasure of presenting my wife to you. She is ready to give you a sample of her singing with a little aria" (NMA, II/5/15,1958,26).
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The arias of the two ladies are separated only by a few brief spoken exchanges. Mademoiselle Silberklang's Rondò is followed by a short, and increasingly acrimonious, dialogue scene, before the splendid terzetto in which Herr Vogelsang, the newly arrived tenor, finally manages to calm the soprano rivals. Again there are a few lines of dialogue, and then comes the closing quartetto of conciliation. In shape the work is thus a short spoken comedy with a musical divertissement tacked on at the end—though opportunities to hear it as Stephanie and Mozart actually wrote it are rare indeed. Despite the important role of dance in Idomeneo, Le nozze di Figaro and Don Giovanni, and the immense quantity of dance music Mozart wrote, especially after his appointment as Kammermusicus in December 1787, we tend not to think of him as an important composer for the ballet. Things might have been very different had the Viennese court maintained the interest in the ballet that it showed during the decades before Mozart finally settled there, when first Hilverding, and then his pupil Angiolini, directed the troupe. Noverre, who became ballet master in 1767, was a close friend of the Mozarts, as is made clear by references in the family correspondence (see for example the letters of 28 August 1773, 5 April, 29 April-11 May, and 9 July, 1778). However, though new ballets of his invention continued to be given in Vienna between 1781 and June 1794, Noverre left his post as maître de ballet in 1774, and Mozart commented rather glumly to his father on 12 September 1781 on the sad state of the dance—interestingly, in a context that strongly suggests he was then planning to include dances in Die Entführung: "There are rehearsals after rehearsals in the theatre—the ballet Master Antoine has been summoned from Munich—and supers are being recruited throughout Vienna and in the suburbs—for there is still a sad remnant of Noverre ['s troupe], but for 8 years they haven't shaken a leg and most of them are thus just like posts" (BuA, III, 157). We owe to the link with Noverre Mozart's only independent ballet, Les petits riens (R 299b, staged at the Paris Opéra on 11 June 1778)—a ballet that Noverre had originally put on early in his Vienna years, with music by Aspelmayr. Mozart's love of dancing is well attested. Nissen reports: "he danced very beautifully, especially the minuet. In the dance Vestris had been his teacher." (Nissen, 1828, 692; "Vestris" is presumably the ballet master Gaetano Vestris, who was in Vienna during the Mozarts' visit in 1767, rather than his son Auguste, who danced in the Paris production of Les petits riens.) Further, we have a revealing statement by Mozart's wife, speaking to Michael Kelly, who created the rôles of Don Curzio and Don Basilio in Figaro: "After supper the young branches of our host [Kozeluch] had a dance, and Mozart joined them. Madame Mozart told me, that great as his genius was, he was an enthusiast in dancing, and often said that his taste lay in that art, rather than in music" (Kelly, 1975, 112-113; cf. BuA, II, 39 and 71: 6 October and 18 October 1777). Closely related to ballet at this time was pantomime, in the sense of a combination of mimed action with descriptive musical accompaniment. Mozart used the form in Act II, scene 7 of the early opera La finta semplice (Κ 46a, 1768): Recitativo ("Cassandra con gesti da pantomimo le domanda se lo ama ...", etc. (NMA, II/5/2, 1983, 221-224). And there is a more familiar example in Act I, scene 8 of Idomeneo, "Pantomima e Recitativo", in which Neptune rises from the sea, calms the storm, but
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threatens the king (NMA, II/5/11, 1972, 93). A further example of pantomime will be discussed below. Finally, Mozart in the unfamiliar role of playwright—though he is of course one of the greatest dramatists of all time, it is easy to overlook his fragmentary spoken comedies. He is the author of a scenario for much of the first act of a farce, Der Salzburger Lump in Wien (BuA, IV, 1963,167-168), and of three fully written-out scenes of Act I of what was to have been a comedy in three acts ("Ein LustSpiel in Drey Aufzligen"), called Die Liebes-Probe. The sketched outline of the first four scenes of Der Salzburger Lump in Wien provides little indication of its potential. Herr Stachelschwein (Mr. Porcupine) inherits from his father, and seems to be planning matrimony; as he, like the author, comes from Salzburg (also the traditional home province of Hanswurst), there is potential for irony as well as broad comedy. Die Liebes-Probe is very much in the vein of Philipp Hefner's comedies that were written in the middle of the eighteenth century, and that Joachim Perinet and Wenzel Müller were shortly to adapt and revise as Singspiels for the Theater in der Leopoldstadt. Rosaura and Leander are the young lovers, her father is Herr von Dumkopf ("Fathead"); the letter's servant is Kasperl—the persona immortalized by Johann Laroche in the Leopoldstadt Theatre; while Leanders servant is Wurstl, a familiar diminutive of Hanswurst—who had been ineffectually banished from the Viennese stage in the 1760s by Joseph von Sonnenfels and his fellow guardians of good taste. The cast-list also includes Hr. von Knödel (Mr. Dumpling), who is in love with Rosaura; her maid; a female dwarf and a female giant; and a witch (whose name, Slinzkicotinzki, recalls the nonsense nicknames for family and friends that Mozart enumerates in the letter to his friend Gottfried von Jacquin that he wrote from Prague on 15 January 1787; BuA, IV, 1963,11). There are plenty of jokes and puns; but the text breaks off after 160-odd lines. In neither of these fragments is there any indication that the use of music was intended—there are no song-texts or stage directions requiring music. These pieces are tentatively to be dated to around 1786/87 (BuA, VI, 1971, 428), and it is tempting to see them as related to the Fasching pantomime that Mozart wrote for, and performed with, his relations and friends in March 1783. He reported on the success of the performance in the letter to his father of 12 March: "On Carnival Monday we performed our Company Masquerade at the rout.—it consisted of a Pantomime, which lasted just the half hour that was set aside for it.—My sisterin-law [Aloysia Lange] was the Colombine, I the Harlequin, my brother-in-law [Joseph Lange] the Piero, an old dancing-master [Merk] the Pantalon, an artist [Grassi] the Dottore.—the scenario and the music were both by me.—Dancing-master Merk was good enough to coach us; and I may tell you, we played very well.—I include the announcement, which a mask dressed as a local postman handed out to the assembled company.—the verses are doggerel, and could be better; they aren't my work.—the actor [J. H. F.] Müller scribbled them off* (BuA, III, 1963, 259). The music survives in an incomplete autograph of the first violin part (K 416d; NMA, 11/6/ 2, 1963, 120-127); what survives amounts to some 22 minutes' music of the 30 it originally lasted. This lively creative contact with members of the court theatre company in the mid 1780s brings us back almost full circle to Mozart's earliest theatrical contacts in Vienna, Müller having shared an involvement with Friedrich Wilhelm Weiskern, the
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Odoardo of the old extemporized company of Hanswurst Prehauser and Kurz Bernardon, in the refashioning of the libretto of Bastien und Bastienne (see R. Angermüller's preface to NMA, II/5/5,1974, IX). In conclusion I wish only to say that Mozart's theatrical activities cover a wider range than we tend to think. His comedy sketches are not performable, but they do reveal his fascination with even the most trivial of dramatic forms, as well as his knowledge of the popular repertory of the previous generation. And they confirm the validity of a phrase that, with little variation, occurs at least three times in his letters: "Meine ganze Unterhaltung ist das Theater" ("the theatre is my sole source of entertainment"; see the letters dated 26 May and 4 July 1781, and 3 October 1790—BuA, III, 1963,121 and 138, IV, 1963,116).
Summary This paper considers the range of Mozart's achievements as a dramatist in the widest sense of the term, showing that he attempted to write in every theatrical genre then current apart from spoken tragedy. Particular attention is paid to the less familiar forms of theatre—melodrama, incidental music, comedy with songs, ballet, pantomime, and spoken popular comedy (Volkskomödie). By drawing attention to these less familiar aspects of his oeuvre I hope to make a small contribution to an understanding of the universality of his achievement.
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Sibylle
Dahms
Tanz und Ballett in Wien zur Zeit Mozarts
In der abendländischen Kulturgeschichte spielte Tanz als gesellschaftliches Vergnügen, als legitimes Medium zur Annäherung der Geschlechter, als körperliches und geistiges Exerzitium in der Erziehung gesellschaftlicher Eliten, als Instrument höfischer Repräsentation und schließlich als theatralisches Kunstwerk von jeher eine bedeutsame, dennoch vielfach unterschätzte Rolle. Letzteres hängt wohl in erster Linie mit der problematischen Überlieferungsmöglichkeit dieser Zeit- und Raumkunst zusammen, für die - anders als in der Musik - erst in unserer Zeit einigermaßen befriedigende Aufzeichnungsmethoden (Tanzschriften, die die ZeitRaum-Kraft-Dimension gleichermaßen einbeziehen; Filmdokumentation) entwikkelt wurden. Die erste bedeutsame, nicht nur ikonographisch, sondern auch schriftliche dokumentierte Tanzkultur entwickelte sich an den Fürstenhöfen der italienischen Renaissance und des beginnenden Barock. Das hier entstandene, höchst geist- und kunstvolle Konzept eines primär auf die höfische Gesellschaft ausgerichteten Tanzund Bewegungskanons verband in idealer Form unterschiedliche Künste - vor allem Musik und Architektur - mit gesellschaftlicher Lebensform. Die uns namentlich bekannten italienischen Tanzmeister Messer Domenico da Piacenza, Guglielmo Ebreo und Antonio Cornazano (15. Jahrhundert) sowie Fabritio Caroso und Cesare Negri (16. und beginnendes 17. Jahrhundert) stellten die hier entwickelten Lehren sowie ihre Anwendungsmöglichkeiten in diversen Traktaten dar, von denen namentlich die gedruckten Werke Carosos und Negris europaweit Verbreitung fanden.1 Die hochentwickelte, theoretisch und praktisch fundierte italienische Tanzkunst bot zweifelsohne auch die Ausgangsbasis für das französische „Ballet de Cour", jene merkwürdige Mischform aus Schauspiel, opernartigen Elementen und Tanz, die sich, auf neuplatonisches Gedankengut stützend, als wichtiges Propagandainstrument im Dienste absolutistischer Machtbestrebungen erweisen sollte. Bereits im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts verselbständigte sich die französische Tanzkunst sowohl im höfisch-gesellschaftlichen wie theatralischen Bereich zusehends. Ab 1661 erlangte sie schließlich mit der Gründimg der Académie royale de Danse durch den tanzbegeisterten Sonnenkönig Louis XIV. erstmals eine gewissermaßen staatliche Institutionalisierung. Zumal dank der Erfindung der ersten zumindest zweidimensionalen Tanznotation (Musik/Raumweg) durch den bedeutendsten Choreographen und Tänzer des französischen Hofes, Pierre Beauchamp (ca. 1631-1705) errang die französische Tanzkunst zentrale Bedeutimg in Europa. Lediglich für den Macht- und Einflußbereich Habsburg-Österreichs war aufgrund der politischen Gegebenheiten weiterhin die italienische Tanzkunst, die ab Beginn des 17. Jahrhunderts mit der neuen 1
Sibylle DAHMS: Die Rezeption italienischer Tanzkunst an den Höfen Europas mit besonderer Berücksichtigung Österreichs, in: Italienisch-europäische Kulturbeziehungen im Zeitalter des Barock, Stuttgart 1991.
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Kuiistform Oper über die Alpen gelangt war, bestimmend. Vor allem die beiden aus dem Hause Gonzaga stammenden Kaiserinnen Leonore I., Gattin Ferdinands II., und Leonore II., Gattin Ferdinands III., sorgten für eine feste Etablierung italienischer Tanzkultur am Wiener Kaiserhof, die hier bis weit ins 18. Jahrhundert dominant blieb. Italienische Tänzer, italienische Tanzmeister und Choreographen - vom Venezianer Santo Ventura (von 1626 bis 1676 „Maestro di Ballo") bis zu Gasparo Angiolini (1731-1803) und Antonio Muzzarelli (1744-1821), den Zeitgenossen Glucks und Mozarts, wurde der gesellschaftliche wie vor allem auch der theatralische Tanz vom italienischen Stil entscheidend geprägt, einem Stil, der für beide Bereiche durch mimisch-pantomimische Ausdruckskraft und eine stärkere akrobatische Sprungtechnik gekennzeichnet war. Erst mit dem durch Staatskanzler Kaunitz eingeleiteten grundlegenden Wandel in der Außenpolitik und der damit verbundenen kulturpolitischen Öffnung nach Frankreich, erlangte - zusammen mit französischer Theaterkultur - auch die französische Tanzkunst ganz offiziell jene Spitzenposition, die sie bereits im übrigen Europa eingenommen hatte. Im Bereich des Gesellschaftstanzes trat nach der bunten Vielfalt barocker Tanzformen - wie fast überall in Europa - eine Reduktion auf lediglich drei Tanztypen ein: Bestimmend blieb dabei weiterhin das Menuett, zentrale Tanzform des Barock, das bis weit ins 19. Jahrhundert in der tänzerischen und gesellschaftlichen Erziehung dominierte. Es setzte Maßstäbe für die Erlernung aller anderen Tänze der Zeit - „Ohne Menuet ist es beinahe unmöglich, die anderen Tänze mit Anstand tanzen zu können" 2 , meint Tanzmeister Mädel in einem vielgelesenen Tanzbuch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig diente das Menuett der Aneignung galanter Umgangsformen und ganz generell der Erlangung einer eleganten Nonchalance in Haltung und Bewegung. Daß dieser von den Tanzmeistern immer wieder als Zentralaspekt der Gesellschaftstanzkunst propagierte Prüfstein „Menuett" gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Wien trotz allem nicht mehr selbstverständlich zum Repertoire der Balltänze zählte, geht aus Karoline Pichlers für diese Zeit so besonders informativen „Zeitbildern" hervor: „Wo so ein Paar wirklich kunstgerechter Tänzer im Menuett sich zeigte oder wo eine oder die andere Tänzerin darin excellierte, sammelte sich sogleich ein bewundernder Kreis und die Tänzerin konnte darauf zählen, nicht so bald vom Platze zu kommen. Immer wieder waren neue Tänzer da, die, wie sie ein Menuett geendet, schon wartend standen, um sich ihre Hand und Zusage zum folgenden zu erbitten .. ."3 Im Verlauf der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erwuchs dem Menuett mit seiner komplizierten Schritttechnik, aber relativ schematischen Choreographie, die sich zumeist auf die berühmte Z-Linie beschränkte, im Kontretanz sowie im Deutschen Tanz eine mächtige Konkurrenz. Die figurenreichen Kontretänze, die sich bereits in der ersten Jahrhunderthälfte in Frankreich entwickelt hatten, gingen auf die in England so beliebten Countrydances zurück, die dort bereits im 17. Jahrhundert unterschiedliche Gesellschaftsschichten zusammengeführt hatten. Von französischen 2 3
E. Chr. MÄDEL: Die Tanzkunst für die elegante Welt, Erfurt 1805, p. 13. Karoline PICHLER: Zeitbilder. Teil 1: Wien in der letzten Hälfte des 1 8 . Jahrhunderts, Wien 1924 (1838).
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Tanzmeistern verfeinert, das heißt vor allem durch abwechslungsreichere, aber keineswegs komplizierte Schrittfolgen bereichert, bildete sich diese Tanzform mit ihren ungemein phantasievollen, auf ständigem Partnertausch beruhenden Figuren zu einem höchst amüsanten Gesellschaftsspiel heraus. In unzähligen Blattdrucken oder Tanzkompendien verbreiteten namhafte Tanzmeister der Zeit, aber auch erfindungsreiche Laien, ab etwa 1760 weit über tausend Kontretanz-Choreographien.4 Gemessen an der Fülle vor allem französischer, aber auch deutscher Drucke und Handschriften, die uns die ganze Breite der Kontretanzbegeisterung jener Zeit nahebringen, ist dieser Tanz für den Wiener Raum nur auf musikalischem Gebiet (etwa im Schaffen Mozarts), jedoch kaum - zumindest bis jetzt - in choreographischen Dokumente nachzuweisen. Ein kleines, in rotes Maroquinleder gebundenes Bändchen mit handschriftlichen Kontretanznotierungen, das sich heute in der Musiksammlung der Nationalbibliothek befindet, ein anonymer Druck mit dem Titel „Englische Tänze. Nebst einer vollständigen Erklärung der Figuren für Anfanger von einem Böhmen", 1777 bei Trattner verlegt, sowie einige auf Österreich verweisende Tänze in einem um 1757 in Gent erschienenen Kontretanz-Sammeldruck mit Tanztiteln wie „L'Ordre Theresien" oder „Les Victoires Autrichiennes du 18. et 20. Juin 1757" (Sieg bei Kolin) - zählen zu den raren, bislang aufgefundenen Quellen. Daß der Kontretanz gleichwohl äußerst beliebt war, daß man „en compagnie" tanzte und solche Tänze auch gemeinsam im privaten Rahmen für Ballveranstaltungen vorbereitete, geht aus zahlreichen Quellen der Zeit in Wort und Bild hervor. Zu ganz besonderer Beliebtheit gelangte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schließlich der „Deutsche Tanz", der - laut Tanzmeister Mädel - „von einer sehr munteren, etwas hüpfenden Bewegung, die den Rarakter der Fröhlichkeit ausdrückt", bestimmt wurde. In den deutschen Ländern zeigte sich dieser Tanz mit jeweils mehr oder weniger ins Gewicht fallenden Abweichungen weit verbreitet, und dank seiner leichten Erlernbarkeit - zumeist ohne tanzmeisterliche Hilfe - drängte er bald die anderen Tanzformen vom Tanzparkett. Der Siegeszug des Walzers, der unmittelbar aus dem „Teutschen" hervorging, bahnte sich also - trotz zahlreicher Vorbehalte prüder Moralisten - bereits im 18. Jahrhundert an. Charakteristisch für diese Tanzform waren einerseits die kunstvollen Armverschlingungen, die die Tänzer einander sehr nahe brachten, andrerseits aber auch die engen Umschlingungen der Tänzer selbst, die sich auf einer Kreislinie im Saal umeinander drehten, was seitens der Obrigkeit als sittenwidrig gebrandmarkt wurde. So schrieb etwa der Kanonikus Johann Georg Jacobi, Herausgeber eines der damals populären Taschenbücher (Königsberg, Leipzig 1796): „Ferner sah ich nun auf den meisten Bällen, daß der walzende Tänzer seine Tänzerin ganz umfaßt, umschlungen hält; beide oftmals Knie an Knie, Brust an Brust, eine Gruppe miteinander machen, worin man auf einem Gemähide ein wollüstiges Umarmen zweyer Liebenden erkennen würde."
4
Vgl. hierzu die Bibliographie zeitgenössischer Drucke, in: Jean-Michel GUILCHER: La Contredanse et les Renouvellements de la Danse Française, Paris 1969, sowie das Kontretanzverzeichnis in: Tanzkultur der Mozartzeit. Katalog der Sonderausstellung der Derra de Moroda Dance Archives, Salzburg 1991.
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Traditionsgemäß! werden die drei Tanzformen Menuett, Kontretanz, Deutscher den drei gesellschaftlichen Ständen Adel, Bürgertum, Bauernstand zugeordnet - wie dies ja auch im ersten Finale von Mozarts „Don Giovanni" nachvollzogen werden könnte. In der Realität bestanden allerdings zumindest im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts jene Standesschranken - was den Tanz betrifft - nicht mehr. Die ländlerischen Figurentänze, die man in Wien gerne vornehm mit dem französischen Terminus „Allemande" umschrieb, wurden auch in allerhöchsten Kreisen getanzt - „Der Prinz von Württemberg tanzte die Allemande mit meiner Nichte", berichtet Graf Zinzendorf 1784 in seinem Tagebuch, und der zeitweise in Wien und später in Neapel wirkende Tanzmeister Gennaro Magri empfiehlt seiner adeligen und bürgerlichen Klientel in seinem 1779 in Neapel erschienenen „Trattato teorico-prattico di Ballo" nebst „Menuetto" und „Contradanza" auch den „Taice" zu lernen, der unverzichtbar zu jedem vornehmen Ball gehörte. Auch war der Kontretanz keineswegs nur auf die bürgerliche Gesellschaft beschränkt: Der Adel amüsierte sich bei diesem vergnüglichen Gesellschaftsspiel mindestens ebenso wie auch die bäuerliche Gesellschaft, die sich gelegentlich auch mit diesem Tanz produzierte. So findet sich in den Tagebüchern des Fürsten Khevenhüller-Metsch ein Bericht über eine derartige Vorführung bei Nicolsburg am 14. Juni 1756 vor allerhöchster Zuschauerschaft: „Nach eingenommenen Mittagsmahl wollte er [der Kaiser] noch die von meiner Gemahlin angestellten Bauernfeste mit ansehen und bewunderte gleich allen übrigen Zuschauern die Hurtigkeit und Accuratesse, mit welcher die guten Leuth eine in sehr kurzer Zeit erlernte Contredanse exequiret." Was mm die öffentlichen Ballveranstaltungen betrifft, so bleibt festzuhalten, daß in Wien besonders lange die ständische Trennimg aufrechterhalten blieb. Schon 1717 berichtet Gottfried Taubert in seinem berühmten, in Leipzig erschienenen Tanztraktat „Rechtschaffener Tantzmeister, oder gründliche Erlernung der Frantzösischen Tantz-Kunst", daß für maskierte Ballbesucher zur Karnevalszeit für die Dauer der Ballveranstaltung, etwa einer Redoute, die Standesgrenzen aufgehoben waren - „hat auf solche Weise, wol ehe eine geringe Person die Ehre gehabt, mit einer Königlichen oder Fürstlichen Dame zu tantzen". In Wien hingegen wurde erst mit der von Joseph II. genehmigten Ballordnung vom 23. Dezember 1772 die Erlaubnis erteilt, an den Redouten in der Wiener Hofburg „jede Person ohne Unterschied des Standes" teilnehmen zu lassen. Sicher war es der sittenstrengen Maria Theresia und ihrer Keuschheitskommission zuzuschreiben, daß solche Vergnügungen zunächst nur dem Adel und hohen Beamtenstand vorbehalten blieben, während ihr preußischer Kontrahent Friedrich II. bereits im Oktober 1743 erstmals eine für Adel und Bürgertum gleichermaßen zugängliche Redoute im königlichen Opernhaus zu Berlin veranstalten ließ; dabei hatte sich „der Adel beiderlei Geschlechts in rosafarbenen Dominos einzustellen, denen von bürgerlichem Stande steht es aber frei, sich nach Gutdünken, jedoch sauber zu masquiren". 5 Auf dem Gebiet des Bühnentanzes, und zwar ganz speziell im Bereich des dramatischen Handlungsballetts, ging es zu Mozarts Zeiten wie in allen szenischen Künsten um eine radikale Neuorientierung im Sinne der Aufklärungsästhetik. Die Debatten zum sogenannten „Ballet en action", zur „Danza parlante" bzw. zum 5
Louis
SCHNEIDER,
Geschichte der Oper in Berlin von 1740-1786, Berlin o. J.
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„pantomimischen Ballett", an denen sich Persönlichkeiten vom Range eines Diderot und Lessing beteiligten, wurden insgesamt auf beachtlichem Niveau geführt. Dabei ging es vor allem um die Erschließung neuer gestischer und mimischer Ausdrucksmittel, die sich mehr denn je zuvor an der empirischen Wirklichkeit orientieren sollten. Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte man in tanzpraktischen Experimenten versucht, neue Wege einzuschlagen. Der eigenwillige englische Choreograph, Tänzer und Tanzhistoriker John Weaver (1673-1760) hatte in seinem theoretischen wie praktischen Wirken neue Weichen gestellt, indem er auf die Problematik der Semantisierung einer rein gestisch-mimischen Sprache hinwies und andrerseits die physisch-anatomischen Gegebenheiten für eine Instrumentalisierung des tanzenden menschlichen Körpers erstmals systematisch darzulegen suchte.6 Es ist zu vermuten, daß die in England wie auch in Frankreich erfolgten aufsehenerregenden pantomimischen Experimente der Tänzer Marie Sallé und François Riccoboni mit Weavers Wirken in Zusammenhang standen. Erstaunlicherweise nahm Wien, das bislang auf dem Gebiet der szenischen Tanzkunst eine eher periphere Rolle gespielt hatte, im Verlauf dieser Entwicklungen zunehmend eine zentrale Position ein. Hier wirkte als einer der ersten großen Tanzreformatoren des 18. Jahrhunderts der Wiener Franz Anton Hilverdlng (1710-1768), der vermutlich in jungen Jahren dank eines kaiserlichen Stipendiums die Neuerungsbestrebungen Marie Sallés und François Riccobonis in Paris erlebt haben dürfte und diese mit dem auf italienische Pantomimenkunst zurückgehenden Wiener Tanzstil zu einer Einheit verband. Gewiß hat der für die ästhetischen Tendenzen der Zeit sensible Kreis um den Grafen Durazzo an der insgesamt auf breiter Basis geführten Diskussion um neue Ausdrucksformen auch auf dem Gebiet der Tanzkunst lebhaften Anteil genommen. In diesem geistigen Klima hatte Hilverding seine entscheidenden Schritte in Richtung eines autonomen Bühnentanzes eingeschlagen. Bis zu seinem Weggang an den russischen Zarenhof (1758-1764) waren für dessen Meisterschüler und Nachfolger in Wien, den Italiener Gasparo Angiolini (1731-1803), der seinen Lehrmeister stets als den eigentlichen Erfinder dieser neuartigen dramatischen Tanzdramen bezeichnet hatte, wesentliche Voraussetzungen für die endgültige Durchführung der Ballettreform geschaffen worden. Etwa zur gleichen Zeit, da Angiolini sich in Wien anschickte, das erste bahnbrechende dramatische Handlungsballett auf die Bühne des Wiener Hoftheaters zu bringen, das 1761 mit Christoph Willibald Gluck und Ranieri de'Calzabigi geschaffene „Don Juana-Ballett, begann auch der andere große Ballettneuerer jener Zeit, Jean-Georges Noverre am Hof des theaterbegeisterten Herzogs Karl Eugen von Württemberg in Stuttgart bzw. Ludwigsburg seine erste höchst erfolgreiche experimentelle Phase (1760-1767) auf diesem Gebiet, wobei er sich vor allem auf die theoretischen Werke der französischen Enzyklopädisten (Diderot, Cahusac) sowie auf die neuartige dramatische Schauspielkunst des englischen Shakespeare-Darstellers und Regisseurs David G cirri ck (1716-1779) stützte. Daß die Realisierimg der neuen Ballettkonzeption in Theorie und Praxis nahezu gleichzeitig in zwei räumlich geographisch entfernten Kultur6
Richard RALPH: The Life and Works of John Weaver. An Account of his life, writings and theatrical productions, with an annotated reprint of his complete publications, New York 1985.
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Zentren - Stuttgart und Wien - in die Entscheidungsphase trat, ist aufgrund des hier skizzierten geistigen Klimas leicht erklärbar. Der Prioritätenstreit, der Angiolini und Noverre, die beide in den 1760er und 70er Jahre abwechselnd in Wien bzw. in der damaligen Wiener Dépendance Mailand wirkten, aufs heftigste entzweite, ist somit irrelevant; waren ihre zu Beginn der 1760er Jahre einsetzenden Reformversuche, ihre schriftlichen Äußerungen im Kern einander doch sehr verwandt. Einen großen Vorteil konnte Angiolini allerdings für sich verbuchen: Seine ersten bedeutenden Reformballette, das bereits erwähnte „Don Juan"-Ballett „Le Festin de Pierre" sowie das wohl extremste Werk dieser Kunstgattung überhaupt, das tragische, an Voltaires Drama anknüpfende Ballett „Semiramis" (1765), führten ihn mit dem großen Musikdramatiker Christoph Willibald Gluck zusammen, der ebenfalls in die Entscheidungsphase bei der Realisierung seiner Reformideen für die Oper eingetreten war. Daß dramatische Musik aus der Symbiose mit dramatischem Tanz erstaunliches Ausdruckspotential gewinnen konnte, hat Gluck mit genialer Intuition als einer der wenigen großen Musiker - nicht nur seiner Zeit - erfaßt. Tanz und Musik hatten im Verlauf des 18. Jahrhunderts zur Gewinnung ihrer vollständigen Autonomie ein und dasselbe Problem zu bewältigen: die Emanzipation vom Wort. In der Instrumentalmusik der Wiener Klassik hat die Musik dieses Ziel erreicht. Der Tanz konnte die erstrebte Eigenständigkeit nur in der engen Verbindung mit der Musik erlangen. Noverre und Angiolini waren sich hierin merkwürdig einig.7 „Die Musik ist ein wesentliches Stück bey den Pantomimen: Sie ist es, die redet, wir machen nur die Geberden [...] Es wäre fast unmöglich, uns ohne Musik verstehen zu machen, und iemehr dieselbe auf das gerichtet ist, was wir ausdrucken, ie mehr machen wir uns verständlich."8 „Die Musik ist beym Tanz, was Worte bey der Musik sind; diese Vergleichung will nichts weiter sagen, als daß die Tanzkunst das geschriebene Gedicht ist [...] und mithin die Bewegungen und Handlung des Tänzers festsetzen und bestimmen sollte."9 Ob, und in welchem Umfang das Ziel, das sich die Tanzreformer gesteckt hatten, tatsächlich erreicht wurde, bedarf noch gründlicher Untersuchimg. Für den Wiener Bereich wird hier die erfreulicherweise reichlich überlieferte Musik ein entscheidender Schlüssel zum Verständnis jener avantgardistischen Form musikalischen Theaters im 18. Jahrhundert darstellen.10 Bedauerlicherweise hat Mozart, dessen Tanzfreudigkeit durch zahlreiche, ungemein tänzerisch geschriebene Kompositionen zum Gesellschaftstanz seiner Zeit sowie anhand von Briefstellen zu belegen ist, sich
Sibylle DAHMS: Gluck und das „Ballet en action", in Wien, in: Gluck in Wien. Kongreßbericht Wien 1987, Gluck-Studien 1, Rassel, Basel 1989, p. 100-105. 8 Gasparo ANGIOLINI: Das steinerne Gastmahl, ein Pantomim-Ballet, Wien 1761, p. 11. 9 Jean-Georges NOVERRE: Briefe über die Tanzkunst und über die Ballette, Hamburg 1 7 6 9 , p . 7
109.
10 Eine systematische Untersuchung der zumeist von den österreichischen Komponisten Florian DELLER, Franz ASPLEMAYR und Joseph STARZER stammenden rund 200 bislang erfaßten Ballettkompositionen dieser Zeit ist Gegenstand eines Forschungsprojektes der „Abteilung Tanz und Musiktheater Derra de Moroda" am Institut für Musikwissenschaft der Universität Salzburg.
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nur sehr am Rande mit dem neuartigen Tanzdrama eingelassen.11 Auf musikdramatischem Gebiet war es wohl schließlich doch die Verbindung der Musik mit dem Wort, die seinen schöpferischen Genius zu Höchstleistungen beflügelte.
11 Sibylle DAHMS: Mozart und Noverres „Ballet en action", in: Kongreßbericht des Internationalen Mozartkongresses, Salzburg 1991, Mozart-Jahrbuch 1991/92, p. 451-457.
Pierluigi Petrobelli
Mozart und die italienische Sprache
Über Mozarts Verhältnis zu seinem europäischen Umfeld und zur europäischen Kultur sind wir wohlunterrichtet; seine Rontakte zu den verschiedenen Pflegestätten der Musik in Europa, seine Reisen und Aufenthalte sind umfassend untersucht worden, und wir verfugen somit über ein ausreichend detailliertes Gesamtbild. Unzureichend herausgearbeitet wurde jedoch, meiner Meinung nach, die Einzigartigkeit dieses Verhältnisses, das ein sehr vielschichtiges und facettenreiches ist. Betrachtet man nämlich die Lebensläufe anderer Komponisten und Musiker der Mozart-Zeit und richtet man sein Augenmerk vor allem auf die Ausbildung derselben, so kann man nicht umhin, sich darüber zu wundern, wie vollkommen ungewöhnlich die musikalische und außermusikalische Erziehung Wolfgangs war. Allgemein gesprochen vollzog sich die Ausbildung eines Musikers im 18. Jahrhundert vor allem und in den meisten Fällen im Bereich der Familie. Eine weitere Möglichkeit ist, daß sie in einer Institution stattfindet - der Kapelle einer Kathedrale, einer Basilika oder einer Stiftskirche; einer Hofkapelle, einem Konservatorium oder sonstigen wohltätigen Einrichtung -, in deren Dienst die Familie steht oder bei der der Schüler untergebracht worden war. Sehr selten sind die Fälle, wo der junge Musiker diesen Bereich verläßt, um woanders sein Handwerk zu lernen. Die „Scuola delle Nazioni" Tartinis in Padua und die Schule Padre Martinis in Bologna stellen, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, die große Ausnahme dar: die Schüler kommen aus allen Teilen Europas dorthin. Es handelt sich für diese Schüler um eine einzigartige Erfahrung; sie erleben eine umfassende Ausbildung, auch wenn - wie im Falle Tartinis das Kompositionsstudium zusätzlich zu der instrumentalen Ausbildung erfolgen kann.1 Diese einseitige Ausbildung findet ihre Begründimg in der wirtschaftlichen und sozialen Stellung des Musikers jener Zeit, der im wahrsten Sinne des Wortes ein Handwerker der Töne ist. Er ist als solcher korporativ an die Kollegen und Institutionsgenossen - welche häufig identisch mit den Mitgliedern seiner Familie sind - und somit auch an einen bestimmten Ort gebunden. Wenn ein Musiker des 18. Jahrhunderts reist, so tut er das vor allem aus Not, weil er nicht anders kann, weil er an seinem Geburtsort nicht genügend Arbeit findet, oder weil dort die Konkurrenz zu groß ist. Weiterhin ist es möglich, daß der Ortswechsel dadurch bedingt ist, daß er und seine Fähigkeiten, aufgrund seiner Ausbildung an musikalisch bedeutsamem Ort woanders gefragt sind. Diese soziale und wirtschaftliche Lage hat auch tiefgehende musikalische Implika1
Zu Padre MARTINI vgl. A. PAMPILLO: Padre Martini. Musica e cultura nell Settecento europeo, in: Quaderni della Rivista Italiana di Musicologia 12 (Firenze 1987), darin speziell der Beitrag von H. BROFSKY: Martini's music school, S. 305-313. - Zu TARTINI vgl. A. BASSO: Enciclopedia storica 4, S. 573-584 (S. 581: La scuola tartiniana). - Vgl. auch den Brief eines Geigers an Padre Martini vom 18. September 1737 (Bologna, Civico museo bibliografico musicale, carteggio martiniano 117).
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tionen: diese Isolierung, diese besondere Art der stilistischen Prägung und ferner die „Zugehörigkeit" zu einem bestimmten Ort bringen ein Fortdauern, die Kontinuität einer musikalischen Tradition mit sich - nicht nur in der Art der Ausbildung, sondern auch in der Aufluhrungspraxis und besonders im musikalischen Stil. Man darf dabei nicht vergessen, daß der Musikunterricht - soweit wir wissen - in den allermeisten Fällen, wie bei jeder handwerklichen Ausbildung, direkt und mündlich erfolgte, praktisch ohne jegliche didaktische Hilfe wie Handbücher oder dergleichen. Mozarts Ausbildung hingegen findet auf exakt entgegengesetzte Weise statt Die langen Reisen und die langen Aufenthalte in den verschiedenen musikalischen Hauptstädten Europas, die intensiven Rontakte mit unterschiedlichen musikalischen Stilen sind, zumindest nicht direkt, durch wirtschaftliche Not bedingt und finden in seiner kurzen Lebenszeit recht früh statt. Tatsache ist, daß diese Reisen, diese Aufenthalte und Erfahrungen Teil eines wohlüberlegten pädagogischen Plans Leopolds sind. Dieser möchte dem außergewöhnlichen Talent des Sohnes, das er als erster und mehr als jeder andere erkennt, die Möglichkeit geben, sich an so vielen verschiedenen Stilen wie möglich und allen nationalen Traditionen seiner Zeit zu üben und zu bilden. Er sollte mit möglichst vielseitigen Fähigkeiten gerüstet sein, um gegebenenfalls den disparatesten Anforderungen gerecht werden zu können. Es ist höchst bedeutsam, ich möchte fast sagen emblematisch, daß Mozart schon im Alter von zehn Jahren den ersten wirklich wichtigen Kontakt zur italienischen Musik, ihrem Stil und ihrer Tradition bekommt Dieser kommt jedoch zustande durch das Zusammentreffen - in London! - mit dem Deutschen Johann Christian Bach, der damals erst seit kurzem die Stelle des Domorganisten in Mailand verlassen hatte. Es kommen also bei Mozart mehrere Dinge zusammen: die Einmaligkeit seiner Ausbildung, seiner Lehrjahre, aber auch die von anderen unerreichte Vielzahl der Erlebnisse, die auf ihn wirken konnten: London und die Niederlande, dann drei Reisen nach Italien mit längeren Aufenthalten, und schließlich Frankreich, ganz zu schweigen von dem sicher nicht unwesentlichen Einfluß, den seine Kontakte zu und Aufenthalte an den deutschen Höfen auf ihn ausgeübt haben, siehe München und Mannheim.2 Ich bin überzeugt, daß diese Vielzahl von aus verschiedenen musikalischen und kulturellen Traditionen Europas gewonnenen Eindrücken zu einem guten Teil ohne Nachwirkung geblieben wäre, wenn ihr nicht Leopolds besondere Geisteshaltung und intellektuelle Offenheit gegenübergestanden hätten. Vater Mozart ist ein wahrer Aufklärer in der Musik und überzeugter Verfechter der Notwendigkeit dieser Erfahrungen und somit der Hauptverantwortliche dafür. Leopold hat nicht nur das frühreife Talent des Sohnes den Einflüssen der europäischen Musikwelt ausgesetzt, sondern hat auch verstanden, diesem jene rationale Disziplin nahezubringen, die Wolfgang bei seiner außergewöhnlichen Intelligenz die Möglichkeit gab, diese so verschiedenen Traditionen, diese verschiedenen Arten zu denken und Musik zu machen, geordnet zu assimilieren. Vergleicht man die Violinschule Leopold Mozarts mit anderen Instrumentalschulen der Zeit, so fallt ihre logische Struktur auf. Die Vio2
P. L. PETROBELLI: Mozart in Italy, in: Mozart-Jahrbuch 1978-1979 (Kassel etc. 1979) S. 153156.
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linschule ist, wie ich meine, ein getreuer Spiegel von Leopolds Art zu denken. Sieht man, wie genau er zu argumentieren versteht, mit welcher Kohärenz, systematischer Konsequenz und daher Überzeugungskraft er jede Etappe in der Ausbildung an der Violine darzulegen weiß, so hat man ein unfehlbares Indiz für die intellektuelle Struktur des Autors. Diese vermittelt er noch vor allem anderen dem Genie Wolfgangs, der damit das konzeptionelle Werkzeug in die Hand bekommt, das ihm erlaubt, die Erfahrungen seiner Ausbildungszeit koordiniert zu verarbeiten.5 Aber Mozarts Haltung zur Kultur ist grundverschieden von der des Vaters. Bei einer genauen Lektüre der Mozartschen Korrespondenz - die wichtigste und reichste Quelle, um den Menschen unter seinen verschiedensten Aspekten kennenzulernen und um die Dinge zu identifizieren, denen jeweils wechselnd seine Aufmerksamkeit galt4 - erkennen wir ohne jeden Zweifel, daß der Komponist nie jene Art von Interessen gepflegt hat, die gemeinhin einen Mann von Bildung auszeichnen: Interesse für die Literatur, die bildenden Künste, die Philosophie, die Naturwissenschaften oder auch für die historische Vergangenheit des eigenen Berufsstandes. Das sind hingegen Interessen, die deutlich in der Violinschule Leopolds oder in den Reiseberichten von Dr. Charles Burney durchscheinen. Mozarts Aufmerksamkeit gilt einzig der Gegenwart, der Realität, in der er lebt und von der er jeden Augenblick, jede Minute genießt. Seine Interessen sind vor allem mit dem Beruf verbunden, das heißt seine Aufmerksamkeit gilt jenen Äußerungen der Gegenwart, die sich auf die eine oder die andere Weise mit der Welt der Musik, mit dem Schöpfen von Musik in Verbindung bringen lassen. Das Leben wird auf diese Weise zum Maßstab für die Bildimg einer musikalischen Sprache, und das Musiktheater, das diese Realität in Regeln faßt und sublimiert, wird zum Hauptmittel der Interpretation des Lebens und der Welt. Wie steht dazu nun in diesen komplexen Zusammenhängen das Verhältnis zur italienischen Kultur und Musik? Dazu erst einmal eine einfache Feststellung: Mozart hat mehr Musik auf italienische als auf Texte in einer anderen Sprache geschrieben. Diese Tatsache sagt schon viel über sein Verhältnis zur italienischen Kultur aus. Denn durch die Sprache, durch die perfekte Beherrschung ihrer Besonderheiten und Möglichkeiten des Ausdrucks, der semantischen und klanglichen Schattierungen, die ihr zu eigen sind, war es Mozart möglich, sein Musiktheater zu artikulieren und zu einem effektiven Mittel zur Analyse des Menschen und der Gesamtheit des Lebens zu machen. Mozart lernt die italienische Realität, noch bevor er sie selbst durch seine Reisen erlebt, durch das Studium und Erlernen ihrer Sprache kennen, des Mediums, das diese Realität in erster Linie vermittelt. In geduldiger philologischer Arbeit der Rekonstruktion des musikalischen Textes und der Textvorlagen des Mozartschen Musiktheaters hat die „Neue Mozart-Aus3
4
Zur Violinschule von Leopold Mozart, ihre verschiedenen Editionen und ihre Stellung im Vergleich zu den zeitgenössischen Lehrbüchern und deren Methoden s. P. L. PETROBELLI: La cultura di Leopold Mozart e la sua Violinschule, in: Mozart-Jahrbuch 1989-1990 (Kassel etc. 1990) S. 9-16. Mozart-Briefe und Aufzeichnungen, hg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, gesammelt und erläutert von W. A. BAUER und O. E. DEUTSCH, 7 Bde., Kassel etc. 19621975. Zum Gebrauch der italienischen Sprache und zum Briefstil Mozarts s. G. FOLENA, L'italiano di Mozart nel concerto europeo del suo epistolario, in: „L'italiano in Europa Esperienze linguistiche del Settecento", Turin 1983, S. 432-469.
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gäbe" nicht nur die Texte untersucht, die der Komponist vertont hat, sondern hat auch die berücksichtigt, die er direkt oder indirekt zum Vorbild für seine Arbeit als Dramaturg verwendet hat. Aus diesen Studien geht immer deutlicher hervor, daß die Eingriffe, die Mozart bei den Texten, die er zu vertonen im Begriff war, vorgenommen hat, viel größer waren, als man bisher hätte annehmen können. Genau durch die beständige Arbeit mit den Lesarten des vertonten Textes wird augenfällig, wie weit, wie tief und mit welcher Sicherheit diese Eingriffe ausgeführt wurden. Mit diesen holt der Meister noch die für die theatralische Realisierung notwendigen subtilsten Nuancen aus dem Text heraus und sorgt dafür, daß dieser einer Vertonung gerecht wird. Ein recht bemerkenswertes Beispiel ist der Text der Arie für Sopran und Orchester „Vorrei spiegarvi, oh Dio" KV 418. Diese Arie ist nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, da sie in dem NMA-Band „Konzertarien" enthalten ist5, eine Konzertarie, sondern ein Stück, das Mozart im Juni 1783 für den ersten Akt von Π curioso indiscreto von Pasquale Anfossi als Ersatz für eine Arie des Autors schrieb. Das Stück sollte für die Aufführungen dieser Oper am Burgtheater dienen, während der von Joseph des Zweiten eingerichteten Stagione. Die Handlung läßt sich kurz durch die Worte des italienischen Librettos wiedergeben: „Clorinda dama Milanese essendo stata destinata per Isposa al marchese Calandrano di Genova, Uomo di carattere Curioso, si portò in detta Città [= Genova] per effettuare gli Sponsali; Ma giunta appena, venne in testa al Marchese, secondando il suo carattere curioso, di sperimentare la fedeltà, e la costanza della futura Sposa, ed indusse per tal effetto il Contino di Ripaverde suo strettissimo amico a fingersi della medesima innamorato, come sequë [.. .]."6 (Clorinda, eine Mailänder Dame, ist dem Marchese Calandrano aus Genua, einem recht launigen Mann, zur Frau versprochen. Als sie nach Genua kommt, um ihn zu heiraten, fallt dem Marchese ein, die Braut auf ihre Treue zu prüfen, und verleitet seinen Busenfreund Graf Ripaverde dazu, sich in sie verhebt zu geben, was dieser auch tut [...]) Wie man sieht, eine Geschichte, die tiefe Spuren in Mozarts Theaterschaffen hinterlassen wird, am deutlichsten in Cosi fan tutte. Zunächst vertont Mozart den Originaltext des Librettos, denjenigen, den schon Anfossi vertont hatte - wir haben davon eine Fassung für Gesang mit Klavier -, aber der Wortlaut dieses Textes, harmlos und „abstrakt", ganz im Stile der Dramaturgie des komischen italienischen Musiktheaters Ende des 18. Jahrhunderts, kann ihn nicht zufriedenstellen, vor allem wenn man bedenkt, daß diese Arie von Aloysia Lange Weber, der Schwester Constanzes, gesungen werden sollte, einer intelligenten und flexiblen Sängerin, der Mozart noch 1778 in Mannheim die Feinheiten des italienischen Vokalstils beigebracht hatte. Mozart will also eine neue Fassimg der Arie vertonen. Dafür benötigt er aber einen Text, der besser den inneren Konflikt, das Drama, das sich in der Seele der Hauptfigur Clorinda abspielt, zum Ausdruck bringt. Sie ist unwiderstehlich vom Grafen Ripaverde angezogen, will diesem aber nicht erliegen. Der Vergleich der beiden Textfassungen ist sehr aufschlußreich für die Art der Eingriffe Mozarts in den Originaltext: 5 WA. MOZART: Neue Ausgabe sämtlicher Werke Serie 2,7,3 (Kassel etc. 1971) S. 25-56. 6 Aus: Il curioso indiscreto, Roma 1778 (Roma, Biblioteca di Santa Cecilia, Libretti XVIII, 64).
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Ah, spiegarti, Oh Dio, vorrei quel desio, che il cor m'affanna; ma la sorte mi condanna a tacer, e sospirar. Noi consente il crudo amore, ch'io mi strugga ad altra face, del suo barbaro rigore, conte mio, non ti lagnar. Deh! presto partite andate, fuggite lontano da me; la vostra diletta Emilia v'aspetta, languir non la fate ch'è degna d'amor. (Ah stelle spietate nemiche voi siete: Andate, correte, sol quella ha l'impero del vostro bel cor.
Vorrei spiegarvi, oh Dio!, qual'è l'affanno mio; ma mi condanna il fato a piangere e tacer. Arder non può il mio cuore per chi vor ebbe Amore è fa che cruda io sembri un barbaro dover. Ah, conte partite, correte, fuggite, lontano da me; la vostra diletta Emilia v'aspetta, languir non la fate, è degna d'amor. Ah stele spietate! nemiche voi siete: (Mi perdo, s'ei resta, oh Dio! mi perdo.) Ah, conte, partite, correte, fuggite, la vostra diletta Emilia v'aspetta, d'amor non parlate, è vostro il suo cor.7 Ach Gott, ich würde Dir gern die Begierde erklären, die mein Herz bedrängt, das Schicksal jedoch verurteilt mich zu Schweigen und Seufzen. Die grausame Liebe erlaubt mir nicht, für einen anderen zu erglühen, und deshalb, Graf, beklage Dich nicht über ihre barbarische Härte. Los, hurtig, geht, verlaßt mich, flieht weit weg von mir. Eure geliebte Emilia wartet auf Euch. Laßt sie nicht leiden, denn sie ist es wert, geliebt zu werden. (Ach ihr grausamen Sterne, ihr seid mir Feind!) Geht, lauft, nur sie herrscht über euer schönes Herz. Ich würde Euch gerne, oh Gott!, erklären, was mein Leiden ausmacht; das Schicksal verurteilt mich jedoch zu Weinen und Schweigen. Mein Herz kann nicht für den brennen, für den es Amor will, und eine schwere Pflicht macht, daß ich grausam erscheine. Ach Graf, eilt von dannen, flieht fern von mir; Eure geliebte Emilia wartet auf Euch, laßt sie nicht leiden, sie ist der Liebe würdig. Ach grausame Sterne, Ihr seid mir Feind: (Ich werde schwach, wenn er bleibt, oh Gott, ich werde schwach.) Ach Graf, geht, eilt von dannen, Eure geliebte Emilia wartet auf Euch. Sprecht nicht von Liebe, ihr Herz gehört Euch.
7
Zur speziellen sprachwissenschaftlichen und semantischen Bewertung dieser beiden Texte vgl. P. L . PETROBELLI: Mozart e la cultura italiana, Referat gehalten vor dem Kongreß „Italien und Österreich", Wien 1Θ&6, Kongreflbericht in Vorbereitung.
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Diese Art von Eingriff wird Mozart auch bei den uns besonders gut bekannten Opern ständig wiederholen. Auch ohne einschlägige Dokumente läßt sich die Zusammenarbeit mit Da Ponte, oder besser, Mozarts Einfluß auf und seine Eingriffe in die Arbeit seines italienischen Librettisten mit ausreichender Klarheit aus dem Vergleich der Varianten des Textes zwischen gedrucktem Libretto und Partitur rekonstruieren. Im ersten Akt von Cosi fan tutte nähert sich Don Alfonso heimlich Despina, um sich ihrer Mitarbeit bei dem Versuch, den beiden Damen aus Ferrara eine Falle zu stellen, zu versichern. Der Dialog lautet im gedruckten Libretto der Uraufführung wie folgt: D. Α.: Despinetta! Desp.: Chi batte? D.A.: Oh! Desp.: Ih! D. Α.: Despina mia, di te bisogno avrei. Desp.: Ed io niente di lei. D. Α.: Ti vo' fare del ben. Desp.: Non n'ho bisogno. Un nomo come lei non può far nulla.8 In der Partitur lauten die letzten beiden Verse jedoch, von Mozart verändert, anders und machen den Satz wesentlich hintergründiger: D. Α.: Ti vo' fare del ben. Desp.: A una fanciulla un vecchio come lei non può far nulla. Das Italienische ist für Mozart die Sprache des Scherzhaften, das sich auch in einem gar nicht so verdeckten Zwiegespräch mit dem Publikum ausdrückt: Das, was auf der Bühne stattfindet, wird ohne Zögern mit dem in Verbindung gebracht, was sich im Leben abspielt Wir wissen, daß die Schlußszene des Don Giovanni in Prag komponiert wurde, als Da Ponte in Wien war, und daß deshalb die textlichen Unterschiede zwischen Libretto und Partitur sowie Ergänzungen mit Sicherheit auf den Komponisten selbst zurückgehen. Während auf der Bühne die kleinen Instrumentalensembles nacheinander die Zitate aus den Opern Sartis und Martin y Solers spielen, beeilt sich Leporello diese wiederzuerkennen und damit dem Publikum zu verstehen zu geben, es ihm nachzutun: „Bravi! Cosa rara"; „Evivano i litiganti!"; und als mit dem Einsatz des dritten Ensembles ein Zitat aus den Nozze di Figaro erklingt, also aus der Oper, die sechs Monate vorher in eben jenem Theater, dem Nostiz Theater zu Prag, furore gemacht hatte, ist es überflüssig, daß Leporello angibt, woher das Zitat stammt. Es reicht, daß er ausruft: „Questa poi la conosco purtroppo!" („Das kenne ich leider genug!") - ein Satz, der so, fast von Mozart gesagt werden könnte und den Beigeschmack der Selbstironie hat. Aber die ganze Statuenszene scheint, wie schon lange von Tomislav Volek nachgewiesen wurde, mit recht deutlichen Anspielungen auf die Ausführenden der Uraufführung gespickt zu sein: „Ah che piatto saporito!" („Ach was für ein leckerer Teller!") spielt ohne Zweifel auf Teresa Saporiti Ein, die erste Donna 8
Libretto der Uraufführung 1790, Wien, österreichische Nationalbibliothek.
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Anna, oder auf ihre Schwester, Caterina Bondinì Saporiti, die die Zerlina sang; und „Si eccellente è il vostro cuoco, che lo volli anch'io provar" („Euer Koch ist so ausgezeichnet, daß auch ich ihn auf die Probe stellen möchte") bezieht sich auf den zweiten Cembalisten des Nostiz Theaters, der Cukac hieß, was auf tschechisch „Koch" bedeutet.9 Es ist eben der Geist, der die Sätze über der Solostimme in der autographen Skizze des Rondos in D-Dur KV 412 für Horn und Orchester bestimmt, die sich an den Hornisten Leutgeb richten: „A Lei signor Asino" - „Für Sie, Herr Esel" wird von Mozart über die ersten Takte der Solostimme gesetzt, weitere Ermutigungen folgen: „Animo" - „Nur Mut", „presto" - „hurtig", „su via" - „na, los!", „da bravo" - „brav sein!", „corraggio" „Mut". Dann kommt es zu etwas kräftigeren Ausdrücken: „Bestia" - „Dummkopf", „Oh, oh, che stonatura" - „oh oh wie unsauber"; bei der Wiederholung des RondoThemas: „Oh che seccatura di coglioni" - „Oh, das geht aber auf den Sack"; bei Stellen, wo es schwer ist, die Töne zu treffen: „Aiuto!"; „e non finisci nemmeno? ah porco infame!" - „Hilfe", „und du spielst nicht einmal zu Ende? du elendes Schwein!"; und weiter im Verlauf des Stücks: „oh come sei grazioso!" - „wie herzig du bist!", „carino" - „lieb!", „asinino!" - „Eselchen!", um dann wieder zu dem üblen Ton zurückzukommen: „ma intoni almeno una, Cazzo!" - „Aber triff doch wenigstens einen, zum Teufel!"; auf die letzte Wiederholung des Themas fallt eine Bemerkung über die Struktur des Stücks: „e vieni a seccarmi per la quarta, e Dio sia benedetto, ultima volta" - „und jetzt gehst du mir schon zum vierten und Gott sei Dank letzten Male auf die Nerven", um dann mit „basta, basta" auf die beiden Schlußakkorde zu enden. 10 Aber seine Beziehungen zur italienischen Sprache beschränken sich nicht nur auf den Bereich der Vokalmusik und auf das Verhältnis von Gesang und Text Der beständige Austausch, der während seiner gesamten, so fruchtbaren Komponistenlaufbahn zwischen seiner Vokalmusik und Instrumentalmusik stattgefunden hat, die Tatsache, daß Mozart immer beide Bereiche als Mittel zum Ausdruck seiner Persönlichkeit angesehen hat, daß er in beiden immer gleichwertige Mittel der Komunikation gesehen hat, führte notwendigerweise dazu, daß diese sich beständig gegenseitig beeinflußten, daß die beiden Bereiche sich hinsichtlich linguistischer und stilistischer Fragen in einem Zustand ständiger Osmose befanden. Das erklärt, wieso auf der einen Seite Mozarts Vokal- und Theaterproduktion häufig auf Konstruktionspiinzipien zurückgreift, die im Instrumentalbereich geboren und entwickelt wurden, und auf der anderen, warum die Instrumentalmusik deutliche Spuren seiner Erfahrungen als Komponist von Vokalmusik aulweist. Man kann nicht oft genug hervorheben, wie einmalig dieses Phänomen ist, daß Mozart wie kein anderer seiner Zeitgenossen und vielleicht wie kein anderer Komponist der gesamten Musikgeschichte in der Lage war, in beiden Bereichen zur vollkommenen Beherrschung der sprachlich-musikalischen Ausdrucksmittel zu gelangen und die Besonderheiten des jeweiligen Bereichs mit Erfahrungen des anderen in Einklang zu bringen, zu assimilieren und zu bereichern. Doch kehren wir zurück zur italienischen Sprache und deren Einfluß auf die Instrumentalmusik. Es ist sicherlich nicht das erste Mal, daß darauf hingewiesen wird; es genügt, die Untersuchungen zweier illustrer deutscher Kollegen zu nennen: 9 10
T. VOLEK: Prag operatic tradition and Mozart's Don Giovanni, in: Mozarts „Don Giovanni" in Prag, Prag 1987, S. 2 1 - 9 1 , die zitierte Textpassage S. 7 4 - 7 8 . W. A. MOZART: Neue Ausgabe sämtlicher Werke Serie 5 , 1 4 , 5 , (Kassel etc. 1 9 8 7 ) S. 1 2 7 - 1 3 4 .
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Friedrich Lippmann hat als erster festgestellt, wie genau Mozarts Vokalkompositionen den Bauprinzipien entsprechen, die das Verhältnis von Wort und Musik in der italienischen Musiktradition bestimmen. 11 Reinhard Strohm hat dann, auf Lippmanns Ergebnisse zurückgreifend, nachgewiesen, daß in den Themen der Klavierkonzerte Mozarts ein deutlicher Einfluß, wenn nicht sogar eine semanüsche Charakterisierung der rhythmischen und metrischen Prinzipien der italienischen Dichtung zu verzeichnen ist.12 Diesen wichtigen und eindrucksvollen Beobachtungen meiner deutschen Freunde möchte ich noch weitere hinzufügen. Zunächst einmal gilt es zu wiederholen, daß in den von Strohm zitierten Beispielen die Verse, die er den Themen Mozarts gegenüberstellt, alle aus italienischen Libretti stammen; für Strohm ist also die Aussage, daß Dichtung für Musik, Dichtimg für italienische Musik ist, eine nicht weiter zu bestätigende Prämisse für alle Beispiele, die er anführt. Seine Überlegungen lassen sich aber noch weiter vertiefen und können bis an die Substanz der Gattung, der seine Aufmerksamkeit gilt, selbst herangehen. Vor Mozart weist die Gattung Klavierkonzert nicht die Beispiele auf, die eine so bedeutende und so beeindrukkende Entwicklung in der Folgezeit hätten vorausahnen lassen: Es ist die Art der verwendeten musikalischen Sprache, diese so prägnanten und klar definierten Themen und vor allem deren Anbindung, im Rahmen der Durchführung des thematischen Materials, an die sprachlichen Möglichkeiten des Soloinstruments, die zu diesem Triumphzug der Gattung führen. Mit ein bißchen Übertreibung, aber wahrscheinlich dadurch näher an der tieferen historischen Wahrheit, könnte man behaupten, daß das Klavierkonzert mit Mozart geboren wird, eben weil er in den Instrumentalbereich jene Art von musikalischer Sprache, von thematischem Material hineinträgt, das soviel der Erfahrung mit Vokalmusik verdankt, und damit seinem beständigen und tiefen Umgang mit der italienischen Sprache. Diese Bemerkungen gelten aber nicht nur für das Klavierkonzert; sie gelten genauso für alle anderen Gattungen der Instrumentalmusik, in denen thematisches Material verwendet wird, das große Affinität mit dem der Klavierkonzerte aufweist; und nochmals sei darauf hingewiesen, daß es dabei nicht um das Wiederauftreten von ähnlichen Themen geht, sondern um den eindeutigen Einfluß der italienischen Sprache, ihres Tonfalls, ihrer Abfolge von Akzenten und Klängen innerhalb eines Satzes auf dieses Tonmaterial. Die genaue Entsprechung dazu finden wir auf der Ebene der instrumentalen Melodie; und die Analogie geht weiter bis zur Verteilung der Motive innerhalb einer weiter gefaßten Phrase, die dann das eigentliche Thema darstellt. Ich denke dabei als paradigmatisches Beispiel an das erste Thema des ersten Satzes, Allegro moderato, der Violinsonate in B-Dur KV 378:
11 F. LIPPMANN: Mozart und der Vers, in: Analecta musicologica 18 (Köln 1978) S. 107-137. 12 R. STROHM: Merkmale italienischer Versvertonung in Mozarts Klavierkonzerten, ebenda: S. 219-236.
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Dieses Thema, das in seiner Art vor Mozart undenkbar gewesen wäre, ist gleichermaßen nicht vorstellbar ohne die Erfahrungen, die der Meister in den vorausgehenden Jahrzehnten auf dem Gebiet der Vokalmusik sammeln konnte; und diese Erfahrungen sind ihrerseits eng an den beständigen Umgang mit der Sprache und der Dichtung Metastasios und der anderen Librettisten des 18. Jahrhunderts gebunden. Der zweihundertste Todestag Mozarts, der mit einer großen Anzahl von musikalischen und kulturellen Veranstaltungen begangen worden ist, hat zum wiederholten Male - und da kann man sich fragen, ob das noch nötig war - deutlich gemacht, von welch zentraler Bedeutimg Mozarts Schaffen innerhalb der europäischen Kultur ist. Dieses Jubiläum fallt ferner in eine Zeit, in der sich auf dem alten Kontinent grundlegende Veränderungen vollziehen: Es macht sich die Überzeugung breit, daß der Moment gekommen ist, alte Rivalitäten zu überwinden und sich auf die Gemeinsamkeiten zu besinnen. Wenn wir in der Lage sind, die Botschaft, die von Mozarts Kunst ausgeht, zu verinnerlichen, wenn wir es verstehen, dieses erstrangige Beispiel von Ausgewogenheit in der Assimilation verschiedener musikalischer Traditionen zum Vorbild zu nehmen, dann werden die Feierlichkeiten dieses zweihundertsten Todestages eine nicht unwesentliche Spur in der Geschichte unserer Zivilisation hinterlassen.
Stanley Sadie
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When, in the autumn of 1790, Mozart returned to Vienna after his journey to Frankfurt and other cities in the west of Germany, he found—or should have found—a letter waiting for him from England. It was written by Robert Bray O'Reilly, manager and chief director of the opera house then being built in the Pantheon, in London, inviting him to compose two operas. It said, additionally: "You would have the advantage of being able to write for the Professional Concert or any other concert hall, excluding only the other theatres." (For an account of the Pantheon and O'Reilly, see C. Price 1989; the French original of O'Reilly's letter is printed on pp. 68-69.) The letter was sent on 26 October 1790, with a request for a response by return of post, and if favourable a visit beginning at the end of December. Mozart was not back in Vienna until about 10 November; we do not know whether he received the letter, or if he did whether he replied, whether he thought it was too late to accept, or whether with his obligations and family complications he would have been free to do so. Had he gone to London he would have found himself placed in direct rivalry with his friend Joseph Haydn, whom he saw depart for that city the following month. I am not intending to speculate on such matters as what might have happened had Mozart visited London, inviting though such speculation might be, but rather to draw attention to the possibilities that would have been open to him there and might have been open to him in certain other centres in Europe. In short, I wish to look briefly at the conditions of concert life in certain major European cities; and that may lead on to a consideration of the ways in which Mozart's career and his output might have been affected by his choice to live in Vienna as opposed to anywhere else, and, more widely, the ways in which such factors may in general affect the musical output of composers in particular cities or countries. The Professional Concert in London to which O'Reilly referred was only one of a number of concert organizations functioning in the city. It was the continuation of the series originally founded in 1764 by Johann Christian Bach and Carl Friedrich Abel, and it had moved several times, settling in the newly built Hanover Square Rooms in 1775. Bach had died and Abel withdrawn in the early 1780s, but it was kept alive by its subscribers and the performers; Salomon's group with which Haydn appeared had been a breakaway from this organization, in 1786. But these were by no means the only regular concert series, and some we know of only through passing references— such as the one, referred to in a publisher's catalogue, to a subscription series organized in 1782 by the Bohemian musician Antonin Kammell, otherwise not apparently documented (issued by Th. Skillern: British Library H. 1651, e. [13]). The Public Advertiser (7 January 1791. Accounts of London concert life in the 18th century are to be found in R. Elkin 1935; S. Sadie 1958; S. McVeigh 1979 and W. Weber 1989) summarized the main concert and other musical activities in London, during the season in the year Mozart would have been there, early 1791. Tuesday and Saturday, in London as in many other cities, were the normal opera nights, and there would be no audience for concerts, nor, in all likelihood, many good musicians free
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to play in them. On Monday the Professional Concert was held, at Hanover Square. Wednesday saw the Concert of Ancient Music, a prestigious series patronized by royalty whose taste was conservative, and partly run by the Earl of Sandwich (the notoriously inefficient and corrupt head of the Admiralty, and the man who gave that particular delicacy his name); no music was normally permitted to be performed unless 20 years old. The same night the Anacreontic Society, one of several dedicated to the performance of glees, held its occasional meetings. On alternate Thursdays another series was held, dedicated to Ancient Music—essentially a repertory based on Corelli, Geminiani and Handel, with occasional Purcell, Pergolesi (or so attributed) and others; Thursday was also planned as the Pantheon concert night if there was no opera. Haydn's concerts were on Fridays at Hanover Square. On Sundays there was a series called the Noblemen's Subscription Concert, held at different houses each week and presumably open only to a limited circle of subscribers. These were the principal professional events of the 1780s and early 90s, but there were concert series for amateurs—usually, it seems, with professional section principals—for example one held by the publisher Smart and the so-called Amateurs' Concert, at a room in Newman Street. Besides these there were regular meetings of several further glee clubs and catch clubs, for the convivial performance (often at coffee houses) of vocal music with instrumental interludes provided (probably by mixed groups of amateurs and professionals), and also the numerous weekly or fortnightly meetings of musical societies, again partly amateur, mostly in tavern rooms—we know of them mainly from references in, for example, subscription lists or advertisements, for by their nature there is unlikely to be further documentation. There were also innumerable benefit concerts, put on by individual musicians, visiting or local, at their own expense to make money, mostly held in assembly rooms at taverns. All these activities were confined to the London social season, between the autumn and the late spring; but in the summer there were regular concerts in the several pleasure gardens, of which Vauxhall was the most famous, though Ranelagh was scarcely less active nor, up to 1776, was Marylebone. They held regular and reputable concerts, with such men as Thomas Arne or Samuel Arnold in charge, and J. C. Bach was only one of many to write music specially for them. London was, of course, by far the largest city in Europe, and it had a substantial population not only of noblemen and landed aristocracy, the traditional patrons of music, but also of the bourgeois classes: people working in commerce, trade or industry, pursuing and developing the tastes of their social superiors—the kinds of people who might have been neighbours of Handel, living in middle-class accommodation in Brook Street, or of Burney, in Poland Street, both of them conveniently situated for most of the concert rooms. They could be humbler: John Marsh, a lawyer and skilled amateur composer and writer, talks of a scrivener, a tallow-chandler and a hairdresser as among the members of his local musical society, in rural Hampshire, though it is unlikely that the same pattern of social mixing would have prevailed in metropolitan contexts. (See his manuscript memoirs, now in the Huntington Library, San Marino, California; a contemporary copy is in Cambridge, Pendlebury Library, University Music School [this reference is to 1772].) Such a degree of social mixing may not have been accepted in all countries, and that must have had some effect on the character of audiences and indeed their size—
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which in turn affect the financial viability of concert-giving on a commercial basis without aristocratic patronage. In Paris, for example, about two-thirds the size of London, where there must have been a large musical public—for otherwise the music publishing business, which flourished there as strongly as in London, could hardly have been sustained—there is no comparable evidence of public musical activity. The Concert Spirituel occupied a commanding position in Parisian concert life although in the 1780s it gave only some 25 concerts each year, these predominantly in Lent and the Easter period and otherwise thinly scattered and dictated by the ecclesiastical calendar. There was also the Concert des Amateurs, which like its London counterparts included professional "stiffening", and its successor after 1781, the Concert de la Loge Olympique (for which Haydn wrote his symphonies nos. 82 to 87), which had masonic links. But, at least as far as we know in the present state of research, there were few if any regular Paris concert organizations offering entertainment to a broad public or employment to musicians. There were however private salons, of a number and on a level superior to those in London, which seem mainly to have been organized on a very occasional basis by individual patrons, to feature particular performers—we know, for example, of one that displayed the art of the Italian violinist Felice Giardini soon after his arrival in the early 1750s—or by musicians themselves, notable among them the Wesley family. Paris had long nourished a tradition of private concerts; back in the 1720s, before public concert life had begun there, the German visitor Johann Christoph Nemeitz had been able to report on at least five such series, organized either by noble patrons or a musician to which a visitor could gain entry, especially if he could sing or play (see J. C. Nemeitz 1727). This is, surely, a commentary on the different social circumstances prevailing in the two cities. In Berlin, with about one-third of the population of Paris, there was a powerful tradition of semi-amateur music-making, fostered by the court musicians in Frederick the Great's time. A Musikübende Gesellschaft had met since 1749 (it gave the premiere of Graun's Der Tod Jesu in 1755), there was a Musikalische Assemblée directed by C. F. Schade, a group that met at the house of J. F. Agricola, the court Kapellmeister (this became the Liebhaberkonzerte), while a Concert Spirituel modelled on the Parisian one was founded in 1783 by Reichardt and four years later Rellstab established the Konzerte für Kenner und Liebhaber. There was a well-known series of concerts organized in his own hall by an innkeeper, Corsica, and in 1792 C. F. C. Fasch founded the Singakademie. Here, as in the Concert Spirituel and the Reichardt series, earlier music was favoured (see Th. Bauman 1989, and Chr. H. Mahling 1990). The revival of earlier music, and its significance, are perhaps worth a digression at this point. The normal concert pattern, everywhere, favoured new music: old music was, to most audiences of the eighteenth century or earlier, old-fashioned music. But in England, as we have seen, music by Corelli, Handel and others was kept alive. In the provinces—Edinburgh, Manchester or Salisbury, for example—Corelli's concertos and Handel's overtures appeared regularly on concert programmes alongside the music of J. C. Bach, C. F. Abel and Haydn. In London, with a much larger potential audience, there was a clearer dichotomy of taste because there was a large enough audience to support it, economically speaking. Some concert series favoured the "ancient style", some the "modern style", and it was not simply a matter of an older,
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more conservative taste opposed to a progressive one (though that was certainly a factor, as too was the monarch's preference for Handel and older music). (An informative contemporary discussion of the Ancient/Modern issue is J. Marsh 1796, 981; it is reprinted, with a valuable commentary, by Ch. Cudworth 1955,155.) Until this time, the only kind of older music remaining in general currency had been church music (as much in England as anywhere, for the music of Elizabethan and Jacobean composers remained central to the cathedral repertories, as such eighteenth-century composers and Maurice Greene and William Boyce recognized in their own anthologies—though they were not above "improving" its counterpoint). There is perhaps a parallel in France, where Lully was a revered classic well into the eighteenth century and where the grand motets of Michel Richard de Lalande held their place in the repertory of the Concert Spirituel long after the composer's death. Similar trends are to be found in other centres, notably Berlin, where an important patron of music with an interest in earlier styles was the Princess Anna Amalie. Among the guests at her concerts, during his time in the Viennese diplomatic service there, was Baron Gottfried van Swieten. As far as I am aware, he was the only major patron of earlier music in Vienna during Mozart's times. It is because of him that Mozart made his arrangements of Handel oratorios and other choral works and composed his own fugai pieces of the early 1780s (and Haydn composed his late oratorios). Let us, however, turn now to concert life in Vienna, a city at the time about onethird larger than Berlin and half the size of Paris. (The fullest and most up to date account of Viennese concert life in this period is M. S. Morrow 1989; in what follows I have drawn on material in this volume, and also in a review of it, as yet unpublished, by Dexter Edge [generously shown to me by the author].) Here there was, of course, a strong tradition of private aristocratic patronage, supported by the city's special position as the centre of a great empire and consequently a magnet to musicians from a large range of provincial areas in search of employment. There is no need for me to comment on the substantial Italian presence, or the Bohemian, in Vienna. The pattern of social structure of the city was however very different from those of the other great capital cities I have mentioned. Wealth was more sharply concentrated in the hands of the older nobility and to some degree the lesser nobility and rich commoners, and these groups were the principal providers of patronage; they also dominated the Viennese middle class which, largely made up of civil servants, enjoyed little of real independence. Few, by Mozart's time, still employed their own musicians on a regular basis, though Baron Riesbeck, writing in Cramer's Magazin der Musik in 1784 (pp. 112 ff.) notes that "many houses have their own band of musicians"—by which he meant, one may suppose, less a resident Kapelle than a regular group that played on particular occasions. Such patrons are familiar to the Mozart student through their numerous appearances in his correspondence, and in particular the letter he sent his father during the Lenten season of that same year, 1784, when his concert diary was so full. (See his letters of 3 March [and for further names, 20 March] 1784, no. 869 [and no. 870] in 0. E. Deutsch, W. A. Bauer and J. H. Eibl 1962-1975; no. 505 [and no. 506] in E. Anderson 51985). The names that occur the most frequently in the records of patrons sponsoring concerts are those of Esterházy and Golitzin, but there are many others, among them Zichy, Ployer, Buquoy and Van Swieten. 1784, however, does
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seem to have been an exceptional year; some 30 private concerts can be documented, although in the years both preceding and following the number is only about a dozen. This may be a reflection more of the chance survival of documentation—and by their nature private concerts are likely to be recorded in at best a haphazard way—than of actual events, but one suspects that is not the whole of the story and that the decline in patronage that Mozart experienced is part of a broader picture. The documentation of public concert life shows a generally similar pattern: about fifteen concerts each of the first four years of the decade, rising to 33 in 1784 and almost 50 in 1785, then about 25 for each of the next three years and falling sharply at the end of the decade (no concerts are reported at all in 1790 except for those of the Tonkünstler-Societät). A very large proportion of these public events were promoted by musicians themselves, some of them resident in the city, many of them visitors. Mozart gave several himself, up to 1786; whether he broke off because he could no longer attract audiences and make sufficient profits, or for other reasons, we can only conjecture. But the fact is that, from 1787 onwards, Mozart made little money from concert-giving in Vienna although, as we know from other sources, he was widely reckoned the leading musician there (along with Joseph Haydn). Viennese concert life, it seems, was much more sensitive—because of the city's social structure and its situation as centre of an often embattled empire—to the winds of economic and political change than were the more commercial and incipiently industrial capitals further north, and of this Mozart was an unfortunate victim. Whether he would have prospered in one of them can only be a matter for conjecture.
BIBLIOGRAPHY E. (ed.): The Letters of Mozart and his family, London 31985. BAUMAN, Thomas: "Courts and Municipalities in North Germany", Man and Music: The Classical Era, ed. Ν. Zaslaw, London 1989, 240-267. CUDWORTH, Charles: "An Essay by John Marsh", Music & Letters 36 (1955). DEUTSCH, O . E./BAUER, W . A./EIBL, J. H . (eds.): Mozart: Briefe und Aufzeichnungen, Kassel etc. 1962-1975. ELKIN, R-: The Old Concert Rooms of London, London 1935. MAHLING, Christoph Hellmut: "Berlin: Music in the Air", Man and Music: The Early Romantic Era, ed. A. Ringer, London 1990,109-140. MARSH, John: "A Comparison between the Ancient and Modern Styles of Music", Monthly Magazine 2 (1796). MORROW, Mary Sue: Concert Life in Haydn's Vienna: Aspects of a Developing Musical and Social Institution, Stuyvesant, NY 1989. NEMEITZ, J. C.: Séjour de Paris, Leide 1727. PRICE, Curtis: "Italian Opera and Arson in Eighteenth-Century London", Journal of the American Musicological Society 42 (1989), 55-107. SADIE, Stanley: British Chamber Music, 1720-1790, (diss.) Cambridge 1958. MCVEIGH, S.: The Violinist in London's Concert Life, (diss.) Oxford 1979. WEBER, W . : "London: a City of Unvivalled Riches", Man and Music: The Classiceli Era, ed. Ν. Zaslaw, London 1989, 293-326. ANDERSON,
Manfred Schuler
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Der Begriff des „geistigen Eigentums" war im 18. Jahrhundert zumindest im juristischen Bereich noch wenig entwickelt. Zwar stößt man seit der Renaissance kontinuierlich auf Zeugnisse ideell-persönlichkeitsrechtlicher Urhebervorstellungen, doch fehlt bis ins 19. Jahrhundert ein gesetzlicher Autorenschutz. Dies erklärt sich aus dem Faktum, daß die Rechtswissenschaft des 15. bis 18. Jahrhunderts dem sachgebundenen römischen Rechtsdenken verpflichtet und erst unter dem Einfluß naturrechtlichen Denkens im 18. Jahrhundert zu einer rechtstheoretischen Erfassung von Geisteserzeugnissen in der Lage war. Gleichwohl räumte das 18. Jahrhundert dem kompositorischen Produkt eines Musikers keinen urheberrechtlichen Schutz ein; nur die gedruckte Romposition, also das zur Sache gewordene geistige Produkt konnte unter Umständen, das heißt wenn landesherrliche Rechtstitel vorlagen, urheberrechtlich geschützt werden. Juristisch gesprochen handelte es sich hier um wirtschaftlich „urheberverwertungsrechtlichen" Schutz, der dem Drucker oder Verleger, nicht aber der Person des Komponisten gegeben wurde (Pohlmann 1962, S. 6 ff.). In der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Rompositionen waren die Komponisten im reichsdeutschen und österreichischen Raum bis weit in das 18. Jahrhundert häufig behindert durch ihre höfische oder kirchliche Sozialbindung. Beispielsweise mußte sich noch Joseph Haydn laut Anstellungsvertrag beim Fürsten Esterházy von 1761 dazu verstehen, „solche Musicalien zu Componiren, was vor eine Hochdieselbe [Durchlaucht] verlangen werden, sothanne Neüe Composition mit niemand zu Communiciren, viel weniger abschreiben zulassen, sondern für Ihro Durchlaucht eintzig, und allein vorzubehalten, vorzüglich ohne vorwissen, und gnädiger erlaubnus für Niemand andern nichts zu Componiren" (Somfai 1966, S. 29). Verpflichtungen dieser Art wurden zu jener Zeit freilich nicht mehr streng eingehalten und waren rechtlich auch kaum mehr durchsetzbar (Schuster 1891, S. 29 f.). Festzuhalten ist jedenfalls, daß die freie wirtschaftliche Verwertung von Kompositionen im Zusammenhang mit der Lösung des Komponisten aus der höfischen oder kirchlichen Sozialbindung sowie im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbürgerlichung des Musiklebens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gesehen werden muß. Die billigste und zeitweilig wahrscheinlich auch häufigste Art, in den Besitz von Kompositionen zu gelangen, war, Noten unter Umgehung von Komponisten und Notenhändlern auszuleihen und abzuschreiben. Auf diesem Weg ergänzten und erweiterten benachbarte und befreundete Höfe sowie Adlige gerne ihren Notenbestand. Wollte man neue bzw. noch wenig bekannte Kompositionen haben, so mußte man sich direkt oder indirekt an Komponisten, Musiker oder Notenhändler wenden. Um in aller Kürze ein relativ gut dokumentiertes Beispiel aus der Zeit Mozarts anzuführen: Im Auftrag des musikliebenden Fürsten zu Fürstenberg in Donaueschingen schrieb dessen Kammerdiener bedeutende und weniger bedeutende Komponisten und Musiker an mit der Aufforderung, dem fürstenbergischen Hof Abschriften neuer Kompositionen anzubieten. Zu den Adressaten gehörten unter anderen Leopold Mozart und Michael Haydn in Salzburg, Wolfgang Amadeus Mozart in Wien, Joseph
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Aloys Schmittbaur in Karlsruhe und der Münsterchordirektor Kaspar Müller in Freiburg im Breisgau. Schmittbaur stellte die sich ihm eröffnende zusätzliche Erwerbsquelle auf eine etwas breitere Basis, indem er nicht nur Kopien eigener Werke, sondern auch Abschriften von Werken anderer Komponisten lieferte. Für geschäftstüchtige Musiker bot der Verkauf von Musikhandschriften, die sie entweder selbst kopierten oder kopieren ließen, eine willkommene zusätzliche Einkommensquelle. Als Beispiel genannt sei hier der in Prag beheimatete Violonist Anton Grams. Einer zeitgenössischen Quelle zufolge legte er, um seine wirtschaftliche Lage zu verbessern, „einen zahlreichen Vorrath von den besten Musikalien an, und verkaufte dieselben an die meisten Opernorchester Deutschlands mit einem so großen Vortheil, daß er bald sein häusliches Vermögen vermehret hatte" (Dlabacz 1815, Sp. 491). Da der größere Teil des damals verwendeten Notenmaterials - besonders die umfangreichen Opernpartituren - noch handschriftlicher Art war, lag die Errichtung von gewerblichen Kopieranstalten nahe. Der Inhaber eines solchen Kopierbetriebs beschäftigte mehrere Kopisten und entlohnte sie entsprechend ihrer Schreibleistung. In Zeitungsanzeigen - also mit den Mitteln moderner Werbung - bot er Interessenten die Notenhandschriften zu einem festen Preis an. In Wien bestanden zur Zeit Mozarts zwei solcher Kopieranstalten, nämlich die von Johann Traeg sowie die von Laurenz Lausch. Daneben gab es auch Kleinkopierbetriebe wie der von Wenzel Sukowaty (Weimann 1976, S. 41 und 56). Sukowaty war Kopist am k. k. Nationaltheater, was ihm ermöglichte, an Opernpartituren heranzukommen; er vertrieb folglich hauptsächlich Opernpartituren. Dem Verkauf von Notenhandschriften im großen, überregionalen Stil oblag seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts der Notendrucker, Verleger und Musikalienhändler Johann Gottlieb Immanuel Breitkopf in Leipzig, wobei er nicht nur Musikwerke deutscher, sondern auch namhafter französischer, italienischer und englischer Komponisten auf Lager hatte. Von 1762 an gab er gedruckte Lagerkataloge heraus, zum Teil mit thematischen Verzeichnissen (Hase 41917, S. 91 f.). In den achtziger Jahren knüpfte er Geschäftsverbindungen, die eine gegenseitige Belieferung von Musikalien zu Vorzugspreisen vorsah, mit mehreren auswärtigen Musikverlagen, so unter anderen auch mit Artaria in Wien an (Schuster 1891, S. 26). Gegenüber gedruckten Noten hatten handschriftliche den Vorteil, billiger zu sein; außerdem konnte man auf handschriftlichem Weg Novitäten und Erfolgsstücke schneller auf den Markt bringen. Andererseits versprachen gedruckte Noten - vorausgesetzt, es bestand eine entsprechende Nachfrage - höheren finanziellen Gewinn bei allerdings höherem finanziellem Einsatz. Sowohl der Typendruck, der in Wien bis etwa 1780 vorherrschte, als auch der Kupfer- und Zinnstich erforderten Investitionen und Bisikobereitschaft. Sich auf dieses Geschäft einzulassen, empfahl sich lange Zeit nur, wenn bereits gesicherte Erwerbsquellen und ein fundiertes Vertriebssystem vorhanden waren. In Wien schätzten Buchdrucker und Verleger wie Johann Thomas Trattner, Joseph von Kurzböck, Hermann Joseph Krüchten und Jakob van Ghelen die wirtschaftlichen Perspektiven für lukrativ genug ein, um ihren Unternehmen die Erwerbszweige Musikdruck und Musikverlag anzugliedern. So gab Trattner 1769 und 1777 Glucks „Alceste" heraus, und bei von Kurzböck erschienen frühe Kompositionen Haydns. Ihr Musikalienangebot pflegten die Wiener Buchdrucker und Verleger meist
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noch zu erweitern durch den Sortimentshandel, das heißt, sie verkauften Musikdrucke in- und ausländischer Notendrucker und Musikverleger. Gegen 1780, als sich der Rupfer- und Zinnstich immer mehr durchsetzte, verloren die Wiener Buchverleger und Buchhändler zusehends das Interesse am Musikalienhandel und überließen ihn dem Kunsthandel (Weinmann 1976, S. 29). Sehr deutlich wird diese Entwicklung am Beispiel der Firma „Artaria & Compagnie", die 1776 noch als „Kupferstichhändler", im darauffolgenden Jahr jedoch als „Kunst-, Kupferstich-, Landkarten- und Musikalienhändler" firmierte. Seit 1776 vertrieb die Firma nämlich handschriftliche und gedruckte Musikalien, die sie größtenteils aus dem Ausland bezog. 1778 brachte die Firma ihren ersten Notenstich auf den Markt. Um sich vor Nachdruck zu schützen, suchte Artaria bei Kaiser Joseph II. um ein Druckprivileg nach, das den Nachdruck verlagseigener Werke innerhalb des Heiligen Römischen Reiches bei Strafandrohimg untersagen sollte und das 1782 für zehn Jahre bewilligt wurde (Hilmar 1977, S. 24). Bekanntlich war der Nachdruck eines Buches oder eines Notendrucks damals rechtlich nicht grundsätzlich verboten, schon gar nicht in Österreich, vertrat doch Joseph II. die Auffassung, der Nachdruck „unschädlicher Bücher" sei als „ein bloßes Negotium" keinem Drucker zu verwehren (Wurzbach 1882, S. 291). Ein wichtiger Umschlagplatz für Bücher wie auch für Noten waren nach wie vor die jährlichen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig. Besonders für das Auslandsgeschäft und den überregionalen Handel hatten diese Messen, auf denen sich zumindest die umsatzstarken Verleger einfanden, große Bedeutung. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam dem Musikverlagswesen auch in Wien wie anderswo ein so starkes wirtschaftliches Eigengewicht zu, daß es sich zunehmend verselbständigte. Um sich das notwendige Kapital für die vergleichsweise hohen Stich- und Druckkosten zu beschaffen, beschritten die Musikverleger gerne den Weg der Pränumeration und Subskription, wobei die Pränumeration bzw. Subskription in Zeitungen und überregionalen Zeitschriften angekündigt und mögliche Käufer wie Adlige, auswärtige Musikverlage und Musikalienhändler direkt angeschrieben wurden. In den beiden letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts bestand daneben noch eine andere Art des Notenvertriebs, nämlich die des Leihsystems. In Berlin beispielsweise unterhielt Johann Carl Friedrich Rellstab seit 1783 neben seiner Musikdruckerei, seiner Verlagsbuchhandlung und seiner Musikhandlung eine Musikalienleihanstalt. Einige Jahre später eröffnete der Musikverleger Johann Julius Hummel in Berlin eine weitere Musikalienleihanstalt (Heussner 1963, Sp. 215). Und um noch ein Beispiel zu nennen: 1784 gründete in Erfurt der Organist Johann Wilhelm Häßler eine musikalische Leihbibliothek (Hoffmann-Erbrecht 1956, Sp. 1300). Bei allen diesen Verwertungs- und Vertriebssystemen hatten die Komponisten, von Ausnahmen abgesehen, relativ wenig Gewinn oder gingen leer aus. Daher verwundert nicht, wenn einige von ihnen auf den Gedanken kamen, ihre Werke selbst zu drucken oder drucken zu lassen und zu vertreiben. So richtete Leopold Mozart 1778 eine Notenstecherei ein, um ein Werk seines Sohnes, die sechs Variationen für Klavier über ein Thema von Salieri, KV 180 (173c), im Selbstverlag herausgeben zu können (Mozart 1962, Nr. 509, S. 520). Daß sich Vater Mozart auf den Kupferstich verstand, hatte er übrigens schon 1740 bewiesen, als er die Notenplatten zu seiner „Sonate sei per Chiesa e da Camera" selbst stach (Seiffert 1908, S. XI f.). Ignaz Pleyel
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begründete in einer 1786 in der „Preßburger Zeitung" erschienenen Anzeige sehr überzeugend, warum er seine Werke in Zukunft im Selbstverlag auf den Musikalienmarkt zu bringen gedachte: „Der leidige Nachdruck, vielfach verstümmelte Ausgaben meiner Werke, die auch mich bishero die Früchte meiner Arbeiten gänzlich beraubten, Zusammenraffung einiger Manuscripte, woraus ein sogenanntes 3tes und 4tes Werk von Quartetten unter meinem Neunen, doch ohne mein Vorwissen zum Druck befördert, und die ich beyde so wie erschienen ohnmöglich ganz für meine Arbeit anerkennen kann; alle diese Ursachen bewegen mich künftig hin, zu meiner und des Publikums Sicherheit der Selbstverleger und Besorger meiner künftigen Werke zu werden" (Pandi und Schmid 1971, S. 187; Benton 1977, S. 125). In Wien betätigten sich zur Zeit Mozarts die Komponisten Franz Anton Hoflmeister (seit 1783) und Leopold Rozeluch (seit 1784) als Musikverleger zunächst ihrer eigenen Werke, in der Folgezeit auch von Werken anderer Komponisten. Um seinem Verlag eine breitere Basis zu geben, kooperierte Hoffmeister mit auswärtigen Musikverlegern, und zwar mit Heinrich Philipp Bossler in Speyer (Schneider 1985, S. 146 und 172) und für kurze Zeit mit Johann Amon in Heilbronn. Auch ließ er zeitweilig seine Musikdrucke über eine Wiener Buchhandlung verkaufen und errichtete schließlich zusammen mit einem Partner einen Musikverlag in Leipzig. In diesem Zusammenhang sei zum Schluß noch erwähnt, daß auch Wolfgang Amadeus Mozart bescheidene Versuche unternahm, seine Werke selbst zu vermarkten. In einer Anzeige in der „Wiener Zeitung" vom 15. Januar 1783 ließ er wissen: „Herr Kapellmeister Mozart macht hiemit dem hochansehnlichen Publikum die Herausgabe drey neuer erst verfertigter Klavierconzerten bekannt Diese 3 Concerten ... werden erst Anfangs Aprils d. J. zum Vorschein kommen, und nämlich nur denjenigen (schön copirter, und von ihm selbst übersehen) zu Theile werden, die sich darauf subscribirt haben. Es dienet hiemit zur ferneren Nachricht, daß bey ihm vom 20. dieß Monats angerechnet, bis letzten März, Subscriptionsbillets gegen 4 Ducaten zu haben sind" (Mozart 1961, S. 187 f.). Ob Mozarts Rechnung damals aufging, sei dahingestellt. Fünf Jahre später jedenfalls war die Situation ziemlich eindeutig. Unter „Musikalische Nachricht" inserierte Mozart in der „Wiener Zeitung" vom 2., 5. und 9. April 1788: „Drey neue Quintetten a 2 Violini, 2 Viole, e Violoncello, welche ich, schön und korrekt geschrieben, auf Subskripzion anbiete. Der Preis der Subskripzion ist 4 Dukaten, zu 18 fl. Wienerkurent. - Die Subskriptionsbillets sind täglich bey Herrn Puchberg, in der Sallinzischen Niederlagshandlung am hohen Markte zu haben, alwo vom 1. Julius an auch das Werk selbst zu haben seyn wird. Ausländische Liebhaber ersuche ich, ihre Bestellungen zu frankiren. Wien den 1. April 1788" (Mozart 1961, S. 274f.). Knapp drei Monate später, einige Tage vor Ablauf der Subskriptionsfrist mußte Mozart in der „Wiener Zeitung" vom 25. Juni mitteilen: „Da die Anzahl der Herren Subscribenten noch sehr geringe ist, so sehe ich mich gezwungen, die Herausgabe meiner 3 Quintetten bis auf den 1. Jäner 1789 zu verschieben. Die Subscriptionsbillets sind noch immer gegen Bezahlimg 4 Dukaten, oder 18 fl. Wien Korrent bey Hrn. Puchberg in der Salietzischen Niederlagshandlung am hohen Markt zu haben. Wien den 23. Juni 1788. Kapellmeister Mozart." (Mozart 1961, S. 280 f.). Offensichtlich hoffte Mozart, außerhalb Österreichs noch Subskribenten zu finden, ließ er die Subskriptionsanzeige doch in das Juniheft der Weimarer Zeitschrift „Journal des Luxus und der Moden" einrücken (Mozart 1961, S. 275). Übrigens: Den
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erhofften Betrag dieser Subskription hatte Mozart bereits schon verplant; mit dem Geld sollten Schulden bei Puchberg abgetragen werden. Doch damit wären wir bei einem anderen Thema!
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DLABACZ,
1882.
Reinhard Strohm
Wien und die mitteleuropäische Opernpflege der Aufldärungszeit
Der Verlauf einiger Diskussionen dieser Tagung hat mich daran erinnert, daß die Koppelung der Begriffe „Oper" und „Aufklärung" vielleicht nicht selbstverständlich ist, sondern einer rechtfertigenden Erläuterung bedarf. Der Versuch einer solchen sei hier kurz vorausgeschickt. Aufklärungstendenzen beginnen in der Oper bereits um 1690 mit der römischen Accademia dell'Arcadia, deren scharfe Kritik an der Unvernunft und Inkohärenz der Oper die Gattung zur Reform zwang - ein Vorgang, wie er sich ähnlich noch öfters wiederholen sollte. Die aufklärerische Bewegung in der Opernkritik ist, in ihrer europäischen Breite, bereits durch Namen des früheren 18. Jahrhunderts bezeichnet: Ludovico Antonio Muratori, Joseph Addison, Johann Mattheson, Giuseppe Riva, Christian Gottfried Krause, Francesco Algarotti. Hinzuzufügen sind aber die Namen der Operndichter Pietro Pariati, Apostolo Zeno und Pietro Metastasio, die alle drei nacheinander arkadische und aufklärerische Meinungen und Methoden von Italien nach Wien brachten und hier praktizierten - alle drei übrigens vom selben Kaiser berufen, Karl VI. (Seifert 1990, 54). Die althergebrachte Aufgabe des Theaters, die Sittenkritik (mit der aristotelischen Aufgabe der Katharsis), und damit auch das vernunftgemäße Urteil über Institutionen einschließlich der Monarchen und Höfe, stellte sich in der Oper zunächst bei historisch-politischen Stoffen, wie sie unter dem Einfluß der französischen Sprechtragödie seit etwa 1700 stark zunahmen (Weiss 1982). In einem solchen Zusammenhang deutet Metastasio in La clemenza di Tito (1734) die traditionell rationalisierende Aufgabe zur aufklärerischen um, indem er den Weg zur Besserung als einen rational und praktisch auffindbaren beschreibt. Nicht daß ein unbeirrbar weiser Herrscher dem Guten zum Siege verhilft, sondern daß Tito, verwirrt und gekränkt, durch Selbstreflektion herausfindet, wie dem irregeleiteten Freund Sesto zu helfen sei, ist der Hauptvorgang dieses Dramas. Sein Vorbild, Pierre Corneilles Tragödie Cinna, hatte das Verhältnis zwischen Macht und Vernunft noch nicht problematisiert. Die italienische Oper hatte ferner zum barocken Welttheater gerne das pastorale Thema beigesteuert: eine Spielebene, auf der sich menschliche Fehler und Konflikte ohne Schweiß zurechtrücken ließen. Metastasio aber stellt in seinem Pastoraldrama U Olimpiade (1733) dem Sieg der Vernunft und lieto fine nicht nur das traditionelle Hindernis der Leidenschaft entgegen (Licidas Untreue), sondern mehr noch das soziale und politische des Standesdünkels (nämlich der Eltern von Aristea und Megacle), das von der jungen Generation auch praktisch überwunden werden muß (Strohm 1979, 215). Der Ruf nach Überwindung des Standesdünkels - nicht nur in der Pastorale, sondern auch in der Geschichte - ist ja ein Hauptanliegen der Opera buffa geworden, schon von den allerersten Stücken Carlo Goldonis an. Die Contessina von 1743 wurde über verschiedene Fassungen hinweg für spätere Generationen maßgebend mit ihren Engagement für soziale Emanzipation; freilich richtet die habsburgische
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Fassung von Coltellini und Gassmann, 1770, das Feuer der Kritik nur auf den erschwindelten Adel, also geradezu auf die Bürgerlichen (Strohm 1979, 281 f.). Solche vorübergehenden Ermüdungserscheinungen der Auiklärungstendenz in der Oper lassen sich durchaus auch bei Da Ponte bemerken, etwa in der Misogynie von Così fan tutte, die zumindest von Goldoni ungünstig absticht. Bei der komischen Oper, der Theatergattung par excellence des Aufklärungsjahrhunderts, ist das Mittel der Emanzipation nicht so sehr die Prinzipientreue oder Moral als vielmehr der Intellekt. Den barocken Begriff des disinganno bzw. der Erleuchtung säkularisierend, sind bereits die frühen Autoren des komischen Musiktheaters eifrig dabei, ihre Protagonisten von Wahn und Schwärmerei zu heilen, so etwa der Mitbegründer des intermezzo comico per musica, Pietro Pariati. Während sein Pimpinone, im gleichnamigen Intermezzo von 1708, noch halb willens zur Erkenntnis der Realitäten der bürgerlichen Ehe gelangt, so wird Pampalugo, 1714, grausam bestraft. Seinen Wahn, er müsse sich in einen Papagei verkleiden, um der schönen Galantina zu gefallen (wozu er auch noch eine Papageien-Arie einstudiert), dreht sie ihm zu einem Strick: als er sich endlich als Mensch zu erkennen geben will, besteht sie auf seiner Papageienidentität, läßt seinen Fuß anketten und ihn in den Käfig stecken (Strohm 1990, 97-99). Dieses Wiener Intermezzo war auf der thematischen Ebene wohl auch eine Reflektion Stranitzkys; als Sittenkritik gelesen, läßt sich das Papageienkostüm aber unschwer als höfische Livree und der Käfig als reaktionärer Standesdünkel dechiffrieren, was auch Pariatis und Zenos Don Chisciotte in Sierra Morena, Wien 1719, deutlich nahelegt. Hier wird der standesbesessene Aristokrat am Schluß von allen adligen und bürgerlichen Personen, denen er zur Last gefallen ist, in den Käfig gesperrt wie in ein Irrenhaus - eine Szene, die in mehr als einer Hinsicht an das Don Giovanni-Finale erinnert. Die Aufklärung band die Oper zunehmend an dramaturgische Regeln und an das Gebot der Wahrscheinlichkeit; die Bekämpfung des Hanswurstes und der Commedia dell'arte waren gerade im Musiktheater erfolgreich, so etwa - dank des Zusammenwirkens von Theaterreform und Musikliebe - im theresianischen Wien. Im Vorwort zu seiner Sammlung von in Wien aufgeführten Theaterstücken unter dem Titel „Die deutsche Schaubühne zu Wienn, nach alten und neuen Mustern" bezieht sich der Verleger Johann Paul Krauß 1749 zwar zuallererst auf Johann Christoph Gottsched, rechtfertigt dann aber seine Entscheidung, gleich als zweites Stück den Demetrius des Herrn Abtes Metastasio abzudrucken, trotz eingestandener Kritik an den Singspielen, mit der Bemerkung, in Wien denke man über diese Dinge eben anders (Krauß 1749, fol. 4v). Das sollte nicht nur als Verbeugung vor Maria Theresias Schützlingen Metastasio und Hasse gelesen werden, sondern auch als Eingeständnis, daß deren Art von Oper ihre aufklärerische Visitenkarte auch dem Wiener Publikum vorgelegt hatte. Hiermit bin ich also bei der Institutionsgeschichte angelangt, und speziell bei der Frage der Stellung Wiens in der mitteleuropäischen Opernpflege. Im mittleren und späten 18. Jahrhundert wurde die Oper zu einer europäischen Kunstform, während sie zuvor eine spezifisch italienische gewesen war. Der Vorgang spielte sich aber so ab, daß sich in den meisten Gebieten Europas die Gattung zuerst als italienische Opera seria etablierte und dann zunehmend von institutionellen und ästhetischen Alternativen zerfasert wurde. Die wichtigste und das Ende des Prozesses
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entscheidende Alternative war die nationalsprachliche Oper, die natürlich selbst in verschiedenste Varianten aufgeteilt war. Von den gewaltigen Unterschieden zwischen der Ausgangssituation (um 1720) und dem Endstadium (um 1790) erwähne ich nur den Prestigeverlust der Hoftheater, deren monopolistische Pflege der Oper anfangs noch als eine kulturüberbrückende, gleichsam imperiale Leistung zur Schau gestellt worden war, während sie am Ende dieser Epoche sogar innerhalb der Operngattung mit Volkstheater, Wandertruppe und städtischem Theaterwesen zu konkurrieren hatten. Dieser jedenfalls für Mitteleuropa charakteristische Vorgang - er entsprach quasi einem Übergang vom Merkantilismus zum Freihandel - brachte große Schwierigkeiten für die Opernträger mit sich, besonders um 1720 bis 1750, als Kriege, Verschuldung und dynastische Verschiebungen fast alle mitteleuropäischen Opernhäuser für Jahre oder Jahrzehnte zum Schweigen brachten. Manche wurden nie wieder geöffnet. Es handelte sich nicht nur um eine Finanzkrise (obwohl sie dies auch war), sondern um eine echte Epochenkrise, aus der geradlinig nicht herauszufinden war (Strohm 1988). Befand sich zum Beispiel eine der mittleren und kleineren Hofopern einmal in der Finanzkrise, so konnte das Zusammenwirken von theoretischer Kritik und von praktischen Alternativen zur Opernpraxis des alten Regimes die erzwungene „Besinnungspause" erheblich vertiefen und verlängern. Dort, wo man trotz allem mit der Oper wieder anfing, war zumindest eine Entscheidimg zwischen verschiedenen praktischen Alternativen erforderlich. In Wien, dem größten Opernzentrum, dauerte die Krise im engeren Sinn nur von etwa 1740 bis 1747, jedoch mußte gerade damals Maria Theresia von der monopolistischen Hofopernpflege auf das Modell der höfisch privilegierten, aber durch Impresarios ausgeführten Hof- und Stadtoper umsteigen, das dem Pluralismus für immer die Tür öffnen sollte. Die Herrscherin wollte aber auch die alten Formen nicht missen und ließ sie in den privaten Räumen der Hofburg und der Lustschlösser weiterbetreiben, oft im Traditionsgewand der festa teatrale zu Geburts- und Namenstagen. Somit gab es bereits um die Jahrhundertmitte ein zweistufiges System von öffentlich-staatlicher Oper und höfischer Privatoper (Kunz 1958). Das Kärntnertortheater, 1708 von der Stadt Wien gegründet, konnte außerdem jetzt die nötigen Privilegien zur Opernpflege wenigstens vorübergehend erwerben, womit als dritte Stufe die städtisch-privilegierte Oper entstand. Die weitere Wiener Operngeschichte ist bis um 1790 eine beständige Scharade zwischen dem Hof, den Intendanten bzw. Impresarios und dem adligen und bürgerlichen Publikum: die beiden öffentlichen Theater (Burg und Kämtnertor) liefen manchmal unter einem Impresariat, manchmal getrennt; manchmal durften beide Häuser Opern spielen, manchmal nur eines; und die verschiedenen Gattungen wie Opera seria, Opera buffa, regelmäßiges deutsches Schauspiel (öfters in der Form übersetzter Opera-seria-Libretti), Singspiel, Hanswurstkomödie, Opera comique und sogar französisches Sprechtheater wurden entweder geboten oder waren gerade verboten, nach oft unergründlichem Ratschluß des Herrschers und des Zufalls. Dieser scheinbar liberale Pluralismus, so könnte man urteilen, ergab sich nur sekundär aus dem Widerstreit der vielfaltigen Alternativtendenzen mit dem Kontrollbedürfnis der Monarchie, dessen seinerseits schwankender Charakter die Kurswechsel der josephinischen Theaterpolitik noch verstärkt haben dürfte. Immerhin hat diese Zickzack-Entwicklung zu so wichtigen Leistungen ermutigt wie den Wiener Opéras comiques unter Durazzo, den Reformopern von Traetta, Gluck, Calzabigi und
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Angiolini, dann den Wiener Opere buffe von Gassmann, Salieri, Martin y Soler und Mozart, und mehr oder weniger gleichzeitig dem deutschen „Nationaltheater". Joseph II. entschloß sich in den 1780er Jahren zur Abschaffung der italienischsprachigen Oper: Hätte er länger gelebt und hätte Mozart die Stadt etwas später betreten, dann wäre es zu seinen opere buffe vielleicht nicht mehr gekommen. Zwar lebte die italienische Oper während der kurzen Regierungszeit von Josephs Nachfolger Leopold II. noch einmal auf, doch ist im Endeffekt Mozart der letzte Deutsche geblieben, der je eine berühmte italienische Oper komponiert hat. Wenig bekannt ist, daß Mozarts Idomeneo auch in München 1781 bereits die drittoder viertletzte italienische Oper war, daß somit Mozart auch das Ende der wittelsbachischen Hofoper markiert. In Stuttgart, Berlin und Dresden setzten sich gerade in den 1780er Jahren deutschsprachige und französisch beeinflußte Alternativen durch (Strohm 1992). Damit sind bereits die wesentlichen Residenzen genannt, wo sich der Hof noch als verantwortlicher Opernträger verstand und Tradition mit Fortschritt zu verbinden suchte. Gewöhnlich entstanden dabei Verkürzungen des „Wiener Modells" - italienische Hofoper neben pluralistischem Stadttheater -, oder die Prioritäten wurden wie unter Joseph II. drastisch abgewechselt, in schrittweisem Zurückweichen vor Krise, Kritik und Alternativen. Eine der wichtigsten Alternativen war von 1725 bis um 1755 der Erfolg italienischer Opernwandertruppen; ihnen folgten gemischte und deutsche Schauspieltruppen, die auch Opern spielten. Braunschweig und Kopenhagen begegneten solcher „Konkurrenz", indem sie die Wandertruppenprinzipale - Nicolini bzw. Pietro Mingotti - einfach zu Hofopernimpresarios ernannten! In Prag regierten die Impresarios das ständische und städtische Operntheater über Generationen hinweg so erfolgreich, wie es Rocco Lo Presti und andere gern am Kärntnertor gemacht hätten. Impresariale Kontinuität, wie sie in dem weniger komplexen Kulturleben Prags möglich war, wurde in Wien von vielen Faktoren verhindert. Auch den restaurativen Rückzug des Hofes gab es natürlich außerhalb Wiens. Zu den Bollwerken der konventionellen Opera seria gehörten die wahnwitzig teuren Hofopernhäuser in Berlin, Bayreuth, München lind Ludwigsburg, die alle um 17401750 erst erbaut wurden (Strohm 1992). In Berlin bestimmte Friedrich II. bis 1756 eine reformistische Opernpolitik im Sinne etwa Francesco Algarottis; nach dem Krieg aber ließ er sich einfach alle in jener Phase entstandenen Opern von Karl Heinrich Graun eine nach der anderen noch einmal vorführen, und selbst Johann Friedrich Reichardt mußte noch italienische Libretti komponieren. Die sogenannte Reform der Opera seria mit Niccolò Jommelli und Mattia Verazi in Mannheim und Stuttgart (McClymonds 1982; Henze 1984) ähnelt zwar nicht stilistisch, aber institutionell dem Wiener Rückhalt für Calzabigi und Gluck. Ein wenig am Rad der italienischen Operngeschichte mitzudrehen war in der Tat das Beste, was aufgeklärte Herrscher solcher Mittelstaaten noch für die Kunst tun konnten. An den vielen kleinen Residenzen und in den Städten ergibt sich ein vielfältiges Panorama (Strohm 1992): von extremer Beharrung wie an den bischöflichen Höfen Bonn, Trier, Eichstätt und Passau (hier war man gleichsam entschlossen, bis zum Ende des Reiches bei Metastasio zu bleiben) über aufgeklärte Kompromisse wie unter Hieronymus Colloredo in Salzburg, der ein wenig die Komödiantentruppen förderte wie diejenige Schikaneders, aber auch seine Italiener hielt wie Domenico
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Fischietti und Luigi Gatti - bis hin zur puren Dominanz des bürgerlichen Singspiels wie in Leipzig und Weimar. Die Opera buffa herrschte am längsten auf der ostmitteleuropäischen Achse Dresden, Prag, zeitweise Wien und Eszterháza, was übrigens belegt, dafl Operngattung und Institutionstyp nicht völlig voneinander abhängen. Zwischen diesen Zentren wurden Teile des Repertoires ausgetauscht, ja oft von den Impresari selbst hin- und hergetragen wie zwischen Prag und Dresden (Haas 1916). Was die Vorliebe für die italienische Buffa betrifft, so war in Böhmen und Ungarn das Italienische natürlich auch eine Kompromißsprache - zumindest im Theater. Der Aufstieg des sogenannten deutschen Singspiels ist ein Vorgang, der leicht mißverstanden wird. Zunächst ist zu erinnern, daß man im 18. Jahrhundert allgemein unter „Singspiel" etwas weniger Spezifisches als heute verstand, nämlich meist nur eine Verdeutschimg des Wortes „Oper". Individuelle Konzepte, wie etwa dasjenige Christoph Martin Wielands, waren der heutigen Definition sogar fast entgegengesetzt (Lühning 1984,167). Was in den 1770er Jahren geschah, war wohl weniger eine Initiativleistung Josephs II. und Karl Theodors als ein Zurückweichen der italienischen Hofoper vor der allerorten sich aufdrängenden nationalsprachlichen Alternative, die längst nicht mehr nur auf Übersetzungen angewiesen war, die in Städten erfolgreich von Operntruppen angeboten wurde und die vor allem billig war. Trotzdem hat auch hier wieder Wien, indem es die Anregung aufnahm, sie zu allgemeinerer Sichtbarkeit und höherer künstlerischer Bedeutung erhoben. In der Tat ist das Verhältnis zwischen der Metropole einerseits und den Territorien andererseits auch in künstlerischer Hinsicht dialektisch. Im mitteleuropäischen Gesamtfeld führte das unbehagliche Zusammenwirken von Restauration (wie an den höfischen Privatbühnen), gelenkter Veränderung (wie etwa in Mannheim) und simplem Zurückweichen vor den Alternativen zu einem oft ungewollten Pluralismus und zu einer Streuung der Opernpflege, wie es sie in Europa sonst nirgends gab oder seitdem gegeben hat. In der Metropole wurden ebendieselben Alternativen, Konflikte und Anregungen gebündelt und gleichsam stellvertretend für das Ganze ausgetragen. Dabei war die künstlerisch fruchtbarste Haltung die Bereitschaft zur Veränderung, wie sie in Wien am reichlichsten vorhanden war. Die Operngattung hat ja die Krise überwinden und ihre Kritiker aus dem Felde schlagen können, weil sie sich zu enormen Veränderungen bequemte - und in Wien sind die Möglichkeiten der Veränderung eine um die andere durchgespielt worden, manchmal wohl zum Leidwesen der Wiener. Die größte Stadt hatte die größten Opernsorgen; aber sie hat auch, jedenfalls in den Augen der Nachwelt, am meisten hervorgebracht.
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Eva Badura-Skoda
Zu Carl Ditters von Dittersdorf und seinem Beitrag zum Musikleben Wiens (Diskussionsbeitrag)
Es mag einige Rollegen überrascht haben, daß 1766 in einem hochinteressanten Zeitungsartikel über den Wienerischen Geschmack in der Musik vom damals 27jährigen Carl Ditters gesagt wird, er habe „der Nation am meisten Ehre gemacht". Sicherlich hatte das auch mit Dittersdorfs großen Erfolg als Violinvirtuose zu tun - man hatte schon den Dreizehnjährigen als „Ferraris kleinen Affen" bewundert; ab 1764 aber sonnte sich Ditters in dem Ruf, sogar den in Wien sehr verehrten Virtuosen Lolli mit seinen Konzertvorträgen übertrumpft zu haben. Man feierte ihn also gerade in diesen Jahren als den besten Geiger Wiens. Was ihn aber schon seit 1759 in Wien besonders berühmt gemacht hatte, waren seine Sinfonien gewesen. Tatsächlich sind diese frühen Sinfonien, die in der Zeit vor 1765 entstanden, bezaubernd hübsche Werke und vielleicht das Beste, was er überhaupt komponiert hat, wenn man von seinen späten Quartetten und einigen Singspielen absieht. In der ersten Hälfte der 1760iger Jahre waren in Wien sicherlich Ditters, Joseph Haydn und Vanhal die fruchtbarsten und bekanntesten Komponisten von Sinfonien im modernen, italienisch-beeinflußten und doch schon idiomatisch-wienerisch klingendem Stil, und Ditters war unter diesen dreien der beliebteste. Denn Haydns Sinfonieschaffen erreichte seine ersten Höhepunkte bekanntlich erst nach 1766, zu einer Zeit also, zu der Ditters sich bereits in Großwardein befand, wo er hauptsächlich Messen, Kantaten und Singspiele schrieb. Der junge Vanhal brauchte auch noch einige Zeit zur vollen Entfaltung seines kompositorischen Könnens, ihm fehlte zudem das Selbstbewußtsein, das weltmännische Auftreten und vielleicht auch etwas der Charme des jungen Carl Ditters. Wenn wir heute Ditters nicht so hoch einschätzen wie der Schreiber des Artikels von 1766, so hat das seinen guten Grund. Nach seiner Erhebung in den Adelsstand und seiner Ernennung zum Amtshauptmann in Schlesien wurde Baron Dittersdorf nämlich etwas bequem und beschäftigte sich offensichtlich weit lieber mit der Jagd oder mit seinen Amtsgeschäften als mit Komponieren. (Hier läßt sich eine Parallele zu Rossinis Lebenslauf ziehen). Erst in den achtziger Jahren, als widrige Umstände und Kriegsereignisse Dittersdorf in materielle Not brachten, besann er sich auf seinen ursprünglichen Beruf, reiste mehrfach nach Wien und schrieb dort seine eingängigen und deshalb auch erfolgreichen Oratorien und Singspiele. Wie sehr ihm Haydn und Mozart zu dieser Zeit kompositorisch überlegen waren, dürfte er im Quartettspiel mit beiden Meistern vermutlich schnell erkannt haben. Bemerkungen aus seiner Feder über die Mühe, die er sich danach gab, selbst gehaltvolle und konkurrenzfähige Quartette zu schreiben, lassen dies stark vermuten.
Béatrice Didier
Raison, sentiment, religion dans quelques articles de l'Encyclopédie
Quoiqu'on ne puisse pas définir une idéolodie unique dans l'Encyclopédie - la polyphonie étant un des intérêts d'un dictionnaire, et de celui qui est le plus grand de tous, au premier chef - s'y expriment fréquemment les aspirations d'un déisme «raisonnable» et sensible: l'idéal étant ime religion libérale, qui n'entraîne pas d'égarements de la raison, sans exclure pour autant tout élan de la sensibilité. C'est dire que les notions de «raison», en premier lieu, et, à un moindre degré, de «sensibilité» sont étroitement, et plus que ne le supposerait un homme du XXème siècle, liées au débat religieux. Après avoir rapidement évoqué le contenu des articles «raison et sensibilité», nous voudrions nous attarder plus longuement aux articles «croyance», «Révélation», «fanatisme» pour y voir la place que tiennent dans ces articles les notions de «raison» et de «sensibilité».
I. Définir «raison» et «sensibilité» L'article «raison» n'est pas signé, peut-être parce que le sujet était particulièrement dangereux, peut-être aussi tout simplement parce que les signatures sont moins fréequentes pour les dernières lettres de l'alphabet. L'article frappe par deux postulations: d'ime part, le désir de définir, de distinguer raison et foi; d'autre part, le désir d'établir aussi un lien entre ces deux notions. Plusieurs définitions successives de la raison sont proposées; ce peut être «cette faculté naturelle dont Dieu a pourvu les hommes, pour connaître la vérité»; on peut aussi entendre par ce mot «l'enchaînement des vérités auxquelles l'esprit humain peut atteindre naturellement, sans être aidé des lumières de la foi». Il n'y a d'ailleurs pas d'opposition entre ces deux définitions, mais on voit que le rapport raison/foi y est essentiel, et tout le reste de l'article va se trouver axé sur cette question. Après avoir renvoyé à l'article «Mystères» («où l'on prouve contre Bayle la conformité de la foi avec la raison»), l'encyclopédiste se montre particulièrement soucieux de marquer les frontières. Nulle proposition divine ne peut être considérée comme faisant partie de la révélation si elle est visiblement contraire aux lois de la raison. On saisit toute l'audace du propos: «partout où nous avons une décision claire et évidente de la raison, nous ne pouvons être obligés d'y renoncer pour embrasser l'opinion contraire sous prétexte que c'est une matière de foi. La raison de cela, c'est que nous sommes hommes avant que d'être chrétiens». Cependant le paragraphe suivant limite cette audace: il y a, en effet, tout un domaine où la raison n'a pas de lumières certaines, ne peut avancer que des probablibités; là alors, les lumières de la révélation sont nécessaires: «La raison ne pouvant s'élever au dessus de la probablité, la foi a déterminé l'esprit où la raison est venue à manquer». Toute la question serait de savoir où commence le domaine de la révélation et où finit celui de la raison. L'encyclopédiste n'a garde d'entrer dans le détail des dogmes, et conclut avec une certaine satisfaction: «si l'on n'a pas soin de distinguer les différentes juridictions de la foi et de la raison (...)
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la raison n'aura pas de lieu en matière de religion et l'on n'aura aucun droit de se moquer des opinions et des cérémonies extravagantes qu'on remarque dans la plu part des religons du monde. Qui ne voit que c'est là ouvrir un vaste champ au fanatisme le plus outrés. Pour ce qui est de la sensibilité, l'Encyclopédie a prévu deux artiles, l'un de «médecine», l'autre de «morale»; comme l'on s'en doute, c'est le premier qui contient le plus d'audaces. La sensibilité est chez l'animal «la sensation intime et radicale de son existence». II y aurait en l'homme une «âme raisonnable» et une «âme sensitive» comme le prouve l'exemple du médecin antique Galien qui, très malade, demeurait capable de faire son propre diagnostic. De cette âme sensitive peuvent provenir les plus grandes joies, et un «surcroît d'existence»; «vivre, c'est proprement sentir». «L'homme peut passer pour le chef-d'œuvre des âmes sensitives ou animales, par l'arrangement merveilleux de ses parties et la prodigieuse quantité de nerfs qui entrent dans leur construction». Suivent des considérations sur les variations de la sensibilité selon les âges, les sexes, les climats. Tandis que ce premier article de «M. Fouquet docteur en médecine de la faculté de Montpellier» se voulait purement scientifique, le second, fort court, est de l'inépuisable chevalier de Jaucourt. L'article est enthousiaste, la dichotomie raison/sensibilité apporte un supplément d'être et de vertu: «La sensibilité (...) donne une sorte de sagacité sur les choses honnêtes, et va plus loin que la pénétration de l'esprit seul». «La réflexion peut faire l'homme de probité; mais la sensibilité, fait l'homme vertueux. La sensibilité est la mère de la générosité; elle sert le mérite, secourt l'esprit, et entraîne la persuasion à sa suite». De l'examen de ces deux articles, on tirera ime premièree série de conclusions. Alors que la question de la foi est capitale dans l'article «raison», il n'en est pas question dans l'article «sensibilité», où pointant elle aurait pu apparaître au moins sur deux points: la question - dangereuse - de 1 «âme matérielle» à laquelle peut aboutir le sensualisme radical d'un Helvétius; d'autre part, la question de la dévotion, de «Dieu sensible au cœur». On remarque une répartition des facultés qui est exactement aux antipodes de celle que l'on trouve dans des textes des Lumières piétistes, ainsi dans les textes de Stanislas Leszczinski où la dévotion est réglée par les élans du cœur, alors que la morale est dictée par la raison.1 Ici, c'est la religion qui sera raisonable, et la morale qui, sans pour autant s'écarter de la raison, trouve dans la sensibilité un surcroît de sagacité et d'élan.
IL Raison et sensibilité dans les articles: «Croyance, Foi». L'articulation entre raison et Foi est bien le thème dominant des articles de l'Encyclopédie qui touchent à la religion. J'en donnerai quelques exemples. Ainsi cet article «Mystère» auquel renvoie l'article «Raison», et qui est également du chevalier de Jaucourt: «mystère signifie une chose secrète et l'on n'aurait pas dû en changer l'idée pour lui faire signifier une chose incompréhensible, que la raison doit croire sans l'entendre». L'article «Foi» - sin gé «h» abbé Morellet - est extrêmement touffu, et d'une longueur dont l'encyclopédiste s'excuse lui-même. On y sent l'auteur au fait 1
Cf. R. Taverneaux, préface à St. Leszczinski, Inédits, p. 47.
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de l'argumentation des théologiens protestants (La Placette est cité plusieur fois), et des discussions jansénistes (Pascal est critiqué) qui constituent les deux pôles de la lutte des théologiens catholiques au XVIIIème siècle. Après avoir distingué dans la foi une «persuasion», une «grâce» et une «vertu», l'auteur développe longuement la notion de «persuasion raisonnée» et l'idée que «l'obéissance à la foi» peut être «raisonnable»; il entreprend un parallèle entre la certitude de la foi et la certitude de la raison. Ce qui l'amène à poser des questions: pourquoi meurt-on pour des certitudes de foi et non pour des certitudes mathématiques? Ce qui aboutit à une défense de l'apostat chez qui la foi, en fait, demeure, et qui ne fait que se prêter à une palinodie. La «persuasion» «devait rester la même» chez le martyr et chez l'apostat. En tout cas «la certitude morale égale la certitude mathématique», deux et deux font quatre n'est ni plus ni moins certain que l'existence de César. Mais, inversement, écrit l'encyclopédiste, «j'avoue que je ne conçois pas comment on a pu soutenir sérieusement que la foi est plus certaine que la raison». L'article «croyance»-signé abbé Mallet - est plus bref, mais on y voit déjà un certain nombre de thèmes de l'article «Foi»: «il n'est pas nécessaire que toutes les vérités qui font l'objet de la foi, soient absolument et indispensablement quelque chose d'obscur». Trois types de croyance sont distinguées: la «croyance fondée sur les sens sur l'évidence, sur l'autorité». Mais, conclut de façon optimiste l'encyclopédiste, «rien n'empêche qu'on ne soit persuadé d'un fait par son évidence, et qu'on ne croie en même temps par un motif d'autorité». Ce désir de concilier raison et foi, trait fondamental de la Religion des Lumières, a été souvent mis en relief; je voudrais cependant attirer l'attention sur deux conséquences de ce désir de conciliation: l'importance des preuves historiques et celle de l'interprétation symbolique. Il faut remonter aux origines: Jésus demandait à ses disciples «de se servir de leurs lumières pour juger de ses œvres, afin d'appuyer leur croyance sur la raison». Par conséquent la foi des premiers chrétiens n'était pas fondée sur le principe d'autorité «elle l'était en partie sur des principes de raison et en partie sur le témoignage des sens». L'effort de rationalisation de la foi s'accopagne donc d'ime valorisation des preuves historiques, comme étant des preuve qui reposent sur le témoignage des sens. On notera que les preuves historiques étaient aussi la base de l'argumentation pascalienne - signe supplémentaire de ces convergences qui existent entre pensée des Lumières et pensée janséniste, même si, par ailleurs, l'austérité, le «fanatisme» des jansénistes sont l'objet d'une critique constante chez les Philosophes. D'autre part, le désir de faire perdre au mystère son caractère irrationnel entraîne les Lumières sur la voie des interprétations symboliques, voie féconde de l'histoire des religions au XVIIIème et au XIXème siècles et qui peut donner dans d'autres articles des développements moins orthodoxes. On sent, évidemment, que les articles «Foi», «Révélation», «croyance» étant des cibles faciles pour la censure, la prudence s'imposait «Mystère désigne dans l'Ecriture une sentence parabolique, qui contient un sens caché, une action mystique qui en figure, en représente une autre» (art. «Mystère»). Le risque c'est, comme le dénonce l'article «culte», de prendre les symboles pour la chose même, c'est à dire de ne plus voir vraiment le sens des symboles. Est-ce à dire que pour autant l'Encyclopédie préconise un culte purement intérieur d'ime divinité rationnelle? Outre que cette opinion était dangereuse à soutenir, elle
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ne correspondait pas exactement à la conviction d'une bonne partie de l'équipe. Ainsi le chevalier de Jaucourt qui y tient une place si importante, développe dans l'article «Culte» l'idee qu'un culte extérieur est nécessaire pour le peuple: «De simples discours seraint insuffisants pour les ignorants et pour le peuple, c'est à dire pour la plus grande partie du genre humain; il faut des objets qui frappent les sens». Une philosophie sensualité, une philosophie de la sensibilité au sens large, c'est à dire qui met l'accent sur le rôle des sens dans le comportement humain ne pouvait aboutir à un refus des cultes, au nom d'ime raison pure. On conciliera donc les exigences de la raison et des sens, c'est à dire de la totalité de l'être humain dans un culte suffisamment épuré; mais qui n'en perde pas pour autant toute consistance: le culte «le plus raisonnable, le plus digne de l'homme, est celui en général est le plus éloigné de l'enthousiasme et de la superstition» (art. «culte»)
ΠΙ. Le fanatisme ennemi de la Raison et de la sensibilité Inversement, raison et sensibilité se trouvent également fourvoyés dans cette monstruosité qu'est le fanatisme religieux. L'article «Fanatisme» est bien intéressant pour le sujet qui nous occupe. Comme on sait, il est l'œuvre d'Alexandre Deleyre (17261797), et il est signé. Deleyre a écrit dans l'Encyclopédie également l'article «Epingle», a publié ime Analyse de la Philosophie du Chancelier Bacon. La note éditoriale qui accompagne l'article «Epingle» en profite pour tirer la leçon: «un esprit peut quelque fois avec le même succès s'élever aux contemplations les plus hautes de la Philosophie, et descendre aux détails de la méchanique la plus minutieuse». Né en Gironde, Deleyre avait été élève des Jésuites, hé avec Diderot et Rousseau, il deviendra plus tard collaborateur du Journal encyclopédique, sera bibliothécaire du prince de Parme, député à la Convention, membre du Conseil des Cinq cents2: itinéraire bien caractéristique d'un homme des Lumières. Son article «fanatisme» est fort réussi. Il présente une histoire du fanatisme saisissante, avec ces temps forts: sacrifices humains dans l'Antiquité persécution chez les Juifs et les chrétiens, naissance de l'Islam qui tient «l'alcoran d'une main et le glaive de l'autre». La découverte du Nouveau Monde a donné encore lieu à des massacres; le fanatisme continue ses ravages en Europe. On trouve, en quelque sorte concentré dans cet article toute la thématique du fanatisme propre aux Philosophes: l'opposition élémentaire; lumières/ténèbres, certes, les images (qui sont en même temps hélas des réalités) du feu et du sang. Certains événements prenant valeur de symbole: le calife brûlant les livres, par exemple: Une représentation plus originale est celle par où commence l'article et qui se retrouvera un peu plus loin: celle d'un «panthéon» avec «une immense rotonde»: «placé au milieu du dôme, figurez-vous un dévot de chaque secte éteinte ou subsistante, aux pieds de la divinité qu'il honore á sa façon, sous toutes les formes bizarres que l'imagination a pu créer». Panthéon qui ne peut pas encore être inspiré par celui de Soufilot (com2
Cf. R. N. Schwab, Inventory of Diderot's Encyclopédie, The Voltaire foundation, 1972 et sq., t. VII, Inventory of plates with a study of the contributors to the Encyclopédie, by John Lough, p. 535.
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meneé en 1764, tandis que le tome 6 de l'Encyclopédie date de 1756), mais qui l'est probablement par le Panthéon d'Hadrien à Rome: et qui aboutit à ime description pittoresque de toutes sortes de cultes: le caractère hétéroclite du fanatisme étant ici, comme chez Voltaire, utilisé pour créer un effet de comique et de dérision. Les aspects politiques du fanatisme y sont analysés longuement, et l'auteur s'insurge énergiquement contre les prétentions du spirituel à avoir un pouvoir temporel; des trois solutions qui régleraient ce conflit: mettre l'Inquisition au pouvoir, mettre un prince absolu, mettre un philosophe, il pencherait vers la troisième: «l'esprit philosophique est le grand pacificateur des Etats, c'est peut-être dommage qu'on ne lui donne pas de temps en temps un plein pouvoir». Mais, sans vouloir étudier davantage ce vaste problème, voyons comment les mécanismes de la raison et de la sensibilité sont perturbés dans cette «maladie» du fanatisme, car c'est souvent avec le langage de la médecine que Deleyre en traite (il compare le fanatisme à la maladie des ardents). Ce phénomène du fanatisme, il veut le traiter dans toute sa complexité historique, politique, mais aussi psychologique et même physiologique. Le fanatisme est certes et avant tout un égarement de la raison; un fanatique peu avoir «le cœur droit et l'esprit faux». Le fanatique ne suit plus «le fil de la raison, le plus céleste de tous les dons»; mais le sommeil de la raison n'est pas la seule cause: «Qu'est-ce donc que le fanatisme? C'est l'effet d'une fausse conscience qui abuse des choses sacrées et qui asservit la religion aux caprices de l'imagination et aux dérèglements des passions», c'est dire que les sens, et la sensibilité sont engagés. Il y a aussi dans le fanatisme un phénomène collectif, l'ambition est «le vice des chefs», le fanatisme «la maladie du peuple». Deleyre étudie le fanatisme en fonction des différents tempéraments: une physiologie du fanatisme, et ses variations. «Cette maladie de religion»: «dans un tempérament flegmatique (. . .) produit l'obstination qui fait les zélateurs; dans un naturel bilieux, elle devient irne frénésie». Elle possède aussi ses symptômes. «Le premier et le plus ordinaire est ime sombre maladie causée par de profondes méditations». Viennent aussi les visions: les sens laissés dans «une espèce de langueur et d'inaction», donnent libre champ aux créations de l'imagination. Troisième «symptôme», le mot est de Deleyre, la «pseudoprophétie», et quatrième degré du fanatisme, l'impassibilité qui permet d'être insensible aux souffrances «c'est une frénésie dont l'accès finit par la léthargie». Cette maladie de la religion engage donc tout l'être: la raison est troublée, mais aussi les sens. Le fanatique qui rêve de détruire les autres se détruit lui même: les flagellants sont des exemples caractéristiques des folies de ces «maniaques destructeurs de leur être». On voit donc, aussi bien dans l'analyse de la croyance, de la foi, que de ses aberrations, les encyclopédistes soucieux d'analyser le phénomène dans sa totalité où se trouvent engagés I*esprit et la sensibilité, pour le meilleur et pour le pire.
TV. Conclusions
provisoires
De l'examen de ces quelques articles, je voudrais tirer maintenant des conclusions, avec toute la prudence nécessaire, étant donnés à la fois la complexité du sujet et la caractère ici très limité de mon exploration. Cerner le discours sur la religion chez les Lumières est une entreprise difficile, non seulement en raison de cette polypho-
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nie que nous signalions au départ, mais aussi de la présence constante de la censure, particulièrement vigilante dans le domaine de la Foi. On aura toujours tendance, quand on lit un article de l'Encyclopédie, à se demander s'il n'y a pas superposition de deux discours: un discours apparent destiné aux censeurs, un discours plus secret qui correspondrait davantage à la pensée réelle des collaborateurs. La critique a beaucoup attiré l'attention sur les ruses de guerre de l'Encyclopédie; cependant il ne faudrait pas pour autant mettre sur le compte de la peur de la censure, l'expression souvent sincère de convictions religieuses de la part d'un Jaucourt, de l'abbé Mallet ou de l'abbé Morellet. Mais comment savoir où commence et ou finit la sincérité en ce domaine; les auteurs le savaient-ils exactement? Pétris de culture chrétienne, et même théologique, ils conservaient, dans leurs audaces, ancrées très profondément en eux, ces structures de pensée traditionnelle. Le lieu du combat anti-religieux a eu, d'autre part, au cours du XVIIIème siècle, à se limiter, dans la mesure où le pouvoir politique et l'Eglise ont été largement gagnés aux Lumières. Après 1750, on assiste à un certain repli des liex où peut combattre la Philosophie, dans la mesure où elle a déjà gagné beaucoup de terrain. Cette conception non dogmatique et rationalisante de la religion qui se trouvait si fortement exprimée dans Le Christianisme raisonnable de Locke (1695), Le Christianisme sans mystère de Toland (1697), ou encore chez Collins et chez Tindal, tout cet ensemble de textes, manifestations diverses du déisme anglais3, faisaient certainement beaucoup moins scandale au temps de l'Encyclopédie qu'à celui des Lettres philosophiques. Une religion qui ne soit pas en conflit avec la raison semble de plus en plus possible et souhaitable. D'autre part, s'impose aussi l'idée d'une religion qui ne serait pas contraire non plus aux élans de la sensibilité et á une certaine volupté d'être: idée, déjà avancée par Le Maître de Claville dans son Traité du vrai mérite (1734), de l'«intimité consubstantielle entre la volupté, la vertu et la religion»4. Finalement, il reste essentiellement comme lieu de combat pour les Philosophes l'affreux «fanatisme» et la superstition dont l'existance n'est hélas pas chimérique en plein XVIIIème siècle, mais qui est un terrain de combat d'autant plus favorable que les rois et les prélats éclairés eux-mêmes ont entrepris de partir en guerre contre eux. D'où la force de la représentation du fanatisme dans les textes des Philosophes: sang et feu, délire individuel et collectif, représentation finalement de l'absurde, dans un sens déjà presque moderne, et qui est bien caractéristique dans Candide comme dans l'article «fanatisme». Pour se constituer avec force un mode de pensée à besoin de se constituer un anti-monde, auquel s'opposer; celui de fanatisme joue un peu ce rôle, lui qui est chargé de tous les péchés, de tout ce que les Lumières refusent: raison bafouée, insensibilité à la souffrance des autres, et même désir d'auto-destruction. Au «Dieu cruel» du fanatique s'oppose le Dieu humain des Philosophes; on se définit non seulement en s'opposant, mais en se sublimant si l'homme des Lumières se définit en s'opposant au fanatique, il se définit aussi à l'image de son Dieu. Dans ce rêve d'harmonie et d'équilibre qui est celui de l'humanisme des Lumières, on ne rencontre guère cette opposition entre raison et sensibilité où les manuels scolaires du 5 4
Cf. J. Delumeau, Le catholicisme entre Luther et Voltaire, P.U.F. 1971, rééd. 1985, p. 304. Cf. R. Mauzi, L'idée de bonheur au XVIIIème siècle, Collin, 1960 en particulier p. 180-216.
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XIXème et du XXème siècles ont voulu enfermer le XVIIIème siècle; on la rencontre d'autant moins d'ailleurs que le mot «sensibilité» reste longtemps chargé d'un contenu très proche de l'étymologie, et se définit comme faculté de sentir. L'homme des Lumières est être de Raison et de sensibilité, dans cette acception assez éloignée de la sensiblerie, ou de la «sentimanie»: les sens sont moyens de connaissance comme la Raison, ces deux modes de savoir doivent collaborer dans l'exploration du monde où réflexion théorique et expérimentation s'épaulent. De même dans la conduite humaine et dans la pratique d'ime religion épurée. Si le concept d'un Dieu universel risque de devenir un fruit trop abstrait de la pure rationalité, l'encyclopédiste qui est aussi homme de chair, est là pour rappeler que, chez les premiers disciples du Christ, sa présence, sa réalité avaient été perçues par les sens, que les preuves historiques ont leur intérêt tout autant que les preuves rationnelles de l'existence de Dieu. D'autre part il sait bien qu'un culte purement intérieur qui n'est pas sans le séduire, n'est pas suffisant, qu'il faut des marques extérieures du culte qui parlent aux sens, et que cela est particulièrement nécessaire pour le peuple, plus encore que le Philosophe soumis à l'empire des sens, à condition d'éliminer de la cérémonie le ridicule des superstitions. Mozart, là encore, se montre vrai fils des Lumières dont décidément la Flûte enchantée demeure la suprême expression. Les trois garçons chantent à la scène 7 de l'acte II que la superstition va disparaître. Sarastro lutte contre la mère de Pamina qui dit-il «espère par la déception et la superstition pouvoir tromper le peuple et détruire le Temple» (acte II, scène 2). Lui, Sarastro, le «divin sage» n'entend pas détruire le Temple mais le conserver comme lieu d'un culte purifié, d'un culte de la Lumière. Les cérémonies, les épreuves ont pour véritable utilité, en rendant hommage à l'Etre suprême, de permettre au fidèle de devenir véritablement, pleinement homme: c'est bien là le thème fondamental de La Flûte, comme le soulignait encore récemment H. Massin 5 . Homme de raison et de sensibilité: les personnages de Mozart sont d'autant plus des êtres de chair que les lois mêmes de l'Opéra les oblige à s'incarner dans des chanteurs, dans leur voix, ce qui est à la fois le plus spirituel et le plus charnel de l'être humain.
5 B. Massin, Mozart, le bonheur de l'Europe, Pion, 1991, p. 176.
Namensregister (W. Α. Mozart wurde nicht berücksichtigt)
Abel, Carl Friedrich 381,383 Abert, Hermann 167 Adam, Robert 74 Addison, Joseph 391 Adler, Guido 355 Adorno, Theodor W. 22,181,182 Aeschbacher, Gerhard 205 Agricola, Johann Friedrich 383 Akenside, Mark 143,144 Albani, Alessandro Kardinal 110 Albert von Sachsen 323 Alexander der Große 296 Alfieri, Vittorio 168 Algarotti, Francesco 391, 394 Althan, Graf 60 Amon, Johann 389 Andrä (Andreae), Christoph 69 André, Christian Karl 117 André, Johann 168 Andreae, Clemens August 36, 37 Anfossi, Pasquale 375 Angiolini, Domenico Maria Gasparo 321, 322, 362, 366, 369, 370, 394 Anguissola, Sofonisba 90 Anna Amalie, Prinzessin 384 Anna Ivanovna, Zarin 191 Antoine (Ballettmeister) 362 Araja, Francesco 191 Arco, Karl Graf 50 Arenberg, Auguste-Marie-Raymond duc d' 243 Aretaga, Stefano 191 Aretin, Karl Otmar von 302 Aristarchos von Samos 18 Aristoteles 94,105,107 Arne, Thomas 382 Arneth, Alfred von 253, 302 Arnold, Samuel 382 Arnstein, (Nathan Adam von) 70 Artaria, Carlo 387, 388 Aspelmayr, Franz 362, 370 Attwood, Thomas 209,312 Auernhammer, Josephine (Josepha) von 91, 311 Auersperg, Fürst 359 August der Starke, König 61, 63 Autexier, Philippe A. 315 Bach, Carl Philipp Emanuel 162,163,171, 173,200,202, 357 Bach, Johann Christian 210, 373, 381, 382
Bach, Johann Sebastian 15,16,171,202, 351, 353, 356, 383 Bach, Wilhelm Friedemann 356 Bacon, Francis 402 Baculard d'Arnaud, François Thomas Marie 124 Badenthal, Alexander Julien von 69 Baillou, Jean de 326 Balogh, Péter 239 Barnard, Lord Earl of Darlington 209 Barthélémy, Jean-Jacques 109 Batthyány, Graf 239 Baumann, Friedrich 307, 360 Baumgarten, Alexander Gottlieb 340 Bayle, Pierre 399 Beales, Derek 247,262 Beauchamp, Pierre 365 Beaumarchais, Pierre Augustin Caron de 50, 185,186,295 Beccaria, Cesare Marchese 234 Beethoven, Ludwig van 21,24,27,29, 56,105, 106,108,111,112,177,198,202,203,293, 312, 314, 350 Beidtel, Ignaz 253 Belle van Zuylen s. Charrière, Isabelle de Bellegarde s. Dupac Benda, Georg 360, 361 Benedikt XIV., Papst 75 Benini, Anna 210 Bentham, Jeremy 69, 82 Benucci, Francesco 210,211 Benucci, Pietro 323 Berchtold, Johann Baptist von 50 Bérenger, Jean 304 Berka, Franz Anton Graf 61 Bemal, Martin 106,108 Bernardon s. Kurz Bernis, François Joachim de Pierre 143 Berton, Henri Montan 176 Berzeviczy, Gregor von 240,285 Bianchi, Francesco 212 Bioni, Antonio 222 Blackwell, Thomas 109 Blanchard, Jean-Pierre 325 Blaukopf, Kurt 23,154 Blumauer, Alois von 250 Boccherini, Luigi 199 Bód, Péter 276 Bode, Johann Joachim Chr. 124 Bodmer, Johann Jakob 204,206 Boileau, Nicolas 122
408 Bolgar, R. R. 109 Bondeli, Julie 99 Bondini - Saporiti, Caterina 378 Bonno, Giuseppe 321 Born, Ignaz von 250, 251, 265, 268, 318 Boroni, Antonio 224 Bossler, Heinrich Philipp 389 Bossuet, Jacques Bénigne 137,142 Boucherie, Jean-Joseph 217 Boulanger, Nicolas-Antoine 122 Boulez, Pierre 180 Bouterwek, Friedrich 168 Boyce, William 384 Boyer, John 17 Braunbehrens, Volkmar 209, 301 Brauneis, Walter 339 Bräunlich, Carl Friedrich 114 Brecht, Bert 296 Breicha, Anton Daniel 288 Breitkopf und Härtel (Verleger) 105 Breitkopf, Johann Gottlieb Immanuel 387 Bretzner, Christoph 238 Brevillier, Carl Wilhelm von 69 Brüning, Heinrich 17 Buffon, Georges Louis de 123 Bullinger, Franz Johann Nepomuk 157 Buquoy, von 385 Burney, Charles 148, 215,287,293, 374, 382 Caesar, Gaius Julius 401 Cagliostro, Alessandro 123 Cahusac, Louis de 140,141, 369 Calandrano di Genova, marchese 375 Caldera, Antonio 36 Caligula, Kaiser 223 Calvin, Jean 134,135 Calzabigi, Ranieri de 322, 369, 393, 394 Cambini, Giuseppe 199 Cannabich, Christian 271 Caploviö, s. Csaplovics Caroso da Sermoneta, Fabritio 365 Casanova, Giocomo Girolamo 123 Cassini, César François 325 Cassirer, Ernst 79 Casti, Gianbattista 293 Catel, Charles Simon 176 Caussade, Jean-Pierre de 142 Chamford, Sébastien Roche (Nicolas) 143,144 Charlemagne s. Karl der Große Charles s. Karl Charrière, Charles-Emmanuel de 90 Charrière, Isabelle de 90 Chateaubriand, François-René de 144 Chénier, André-Marie 143 Chenu (Arzt) 325 Cherubini, Luigi 176,177,178, 210 Chippendale, Thomas 74
Namensregister Chomsky, Noam 157 Chrysander, Karl Franz Friedrich 350 Cicero 105 Cimarosa, Domenico 191,210,211,212 Claudius, Matthias 92 Clemens, D. Α. 274 Clermont-Tonnerre, Stanislas de 328 Cobenzl, Philipp Graf 243,244 Coburg, Friedrich Prinz 308 Coith, Christoph Heinrich 69 Colbert, Charles Joachim de Croissy 230 Colbert, Jean-Baptiste Marquis de Seignelay 230 Collin, Heinrich Joseph (I.) 325 Collins, Anthony 122, 404 Colloredo, Franz Fürst 302 Colloredo, Hieronymus Fürsterzbischof 346, 394 Colloredo, Rudolf Fürst 302 Coltellini, Marco 392 Comte, Auguste 87 Condorcet, Antoine Nicolat Caritat de 122,123 Conrad, Joseph 16 Constant, Benjamin 93 Copernicus s. Kopernikus Corelli, Arcangelo 191, 382, 383 Cornazano, Antonio 365 Corneilles, Pierre 391 Cornides, Thomas von 69 Corsica 383 Costa, Vittorio Gaetano (?) abate 148 Cotta, Johann Friedrich 117 Cowper, Lord 210 Cramer, Karl Friedrich 384 Csáky, Stephan Graf 239 Csaplovics (Öaploviö), János (Jan, Johann) 282
Cukaé (Cembalist) 378 Cumberland, Richard 75,135 Czwittinger, David 276 D'Alembert, Jean Le Ronde 102,121,123,139, 141,154,155 Da Ponte, Lorenzo 142,192, 212, 273,295, 323, 353, 357, 377, 392, Dacier, Mme 106 Dahlhaus, Carl 174,179,197,198, 344 Dalberg, Wolfgang Herbert von 360 Dali, Salvador 16 Dalton, John 18 Dante Alighieri 16 Darnton, Robert 116 Davydow, Stefan Juranowitsch 192 De Croes, Henri-Jacques 215, 216 Debiel, Ludwig 231 Debussy, Claude 357 Deleyre, Anlexandre 402,403
Namensregister Delille, Jacques 143 Deller, Florian 370 Delumeau, Jean 128 Delvaux, Laurent 242 Denzio, Anton 223 Derzavin, Gawrila Romanowitsch 192 Descartes, René 16,140 Deutsch, Otto Erich 315, 354, 356 Dewez, Laurentius Benedictas 242 Dezède (Desaides) 185,186,188 Dickson, P. G. M. 254,262 Diderot, Denis 88,122,123,124,125,154,155, 192, 344, 369,402 Dientzenhofer, Christoph 61 Ditters von Dittersdorf, Carl 280, 343, 397 Dlabaö (Dlabacz), Gottfried Johann 287 Dodsley, Robert 74 Dohm, Christian Wilhelm 328 Domenico da Piacenza 365 Dorat, Jean 143 Doudelet, Philippe 218 Du Rozoy s. Rosoi Dubos, Jean-Baptiste 140 Duchamp, Marcel 16 Duelos, Charles Pineau 141 Duguet, Jacques-Joseph 239 Dumarsais, César Chesneau 122 Dumpling (Schauspieler) 363 Dupac de Bellegarde, Comte 230 Durazzo, Giacomo Conte 321, 369, 393 Durkheim, Emile 16 Eberl, Anton 312, 361 Ebreo, Guglielmo 365 Eibl-Eibesfeld, Irenäus 34 Einstein, Alfred 91,167,183 El Greco s. Greco Eleonore (von Pfalz-Neuburg), Kaiserin 286 Eleonore I. (Gonzaga), Kaiserin 366 Eleonore II. (Gonzaga), Kaiserin 366 Elias, Norbert 54,60,128 Elisabeta Petrovna, Zarin 191 Elisabeth von Württemberg 323 Eitz, Johann Baptist von 69 Engel, Johann Jakob 123 Eskeles, Bernhard von 70, 330 Eskeles, Cäcilie von 330 Eskeles, Eleonore 91 Esterházy, Franz Graf 239 Esterházy, Nikolaus Joseph Fürst 384, 386 Eugen von Savoyen, Prinz 130 Euripides 105, 111 Eybler, Joseph 312 Fabrizi, Vincenzo 211 Fasch, Carl Friedrich Christian 383 Fechner, Gustav 154
409 Federici, Vincenzo 212 Feijóo y Montenego, Fray Benito Jerónimo 122
Fekete, Johann Graf 239,275 Felbiger, Johann Ignaz 235,236 Feller, Franz Xavier de 122 Feilerer, Karl Gustav 22 Fénelon, François de Salignac de la Mothe 106,109 Ferdinand I., Kaiser 305 Ferdinand II., Kaiser 230, 366 Ferdinand III., Kaiser 366 Ferrarese del Bene, Adriana 210 Ferrari, Domenico 397 Festetics (Festetìch), Graf 239 Fetti, Domenico 323 Finscher, Ludwig 344 Firmian 231 Fischer von Erlach, Johann Bernhard 34, 60, 61,62 Fischietti, Domenico 224, 395 Fisher, John Abraham 209 Flachsland, Caroline 125 Flaubert, Gustave 123 Fomin, Jewstjignej Ipatowitsch 192 Fontenelle, Bernhard Le Bovier de 121,123, 139 Fonvisin, Denis Iwanowitsch 192 Forgách, Graf 239 Forkel, Johann Nikolaus 172,173, 316 Forster, Georg 192 Fosbury, Dick 17 Foscolo, Ugo 143 Foucault, Michel 154 Fouquet, Henri 400 François-Etienne s. Franz I. Stephan Frank, Joseph 312 Fransworth, Paul R. 22 Franz I. Stephan von Lothringen, Kaiser 70, 214, 229, 240,241,242, 243,244,277, 302, 303, 321, 323 Franz II., Kaiser 323 Franz, Joseph 231, 326 Freud, Sigmund 16 Freystädter, Franz Jakob 312 Friberth, Karl 323 Friederike, Prinzessin von Preußen 349 Friedrich Christian, Herzog von Augustenburg 147 Friedrich II., König von Preußen 48, 52, 54, 233, 235,237, 254, 302, 307, 368, 383, 394 Friedrich III., Kaiser 313 Friedrich V., Landgraf von Hessen-Homburg 115,116 Friedrich Wilhelm I., König 55,253 Fries, Johann Graf 69,70,301
410 Frölich, Erasmus 326 Fux, Johann Joseph 34, 35, 38, 342 Gabriel, Jacques Ange 73 Gainsborough, Thomas 74 Galenos aus Pergamon 400 Galien s. Galenos Gall, Ludwig 312 Gallini, Giovanni Andrea 210,211, 212 Galuppi, Baidassare (Π Buranello) 191, 224 Garick, David 369 Garve, Christian 47 Gassendi, Pierre 18 Gaßmann (Gassmann), Florian Leopold 343, 392, 394 Gatti, Luigi 395 Gauchat, Gabriel 121 Gazzaniga, Giuseppe 211 Gebler, Tobias Philipp von 237, 359, 361 Geliert, Christian Fürchtegott 343 Geminiani, Francesco 382 Gemmingen, Otto Heinrich von 266, 267, 316, 360 Georg (George) ΙΠ., König 76 Gerber, Ernst Ludwig 356 Geymüller, Johann Heinrich von 69, 70 Ghelen, Jakob von 387 Giardini, Felice 383 Giuliani, Antonio de 327 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 171,307 Gluck, Christoph Willibald 176,185,186,187, 188, 199,201,202,222, 278, 322, 343, 354, 366, 369, 370, 387, 393, 394 Goethe, Johann Wolfgang von 30, 59, 105, 108, 110,111,112, 125, 143,148, 156,167, 172, 236, 238, 295 Goldoni, Carlo 168, 391, 392 Goldschmidt, Hugo 153 Goldsmith, Oliver 125 Golitzin (Galitzin), Dimitri Fürst 385 Gonzaga, s. Eleonore Göpfert, Karl Andreas 312 Gorbatchev (Gorbatschov), Michail 97 Gordon, George Lord 74 Gotter, Friedrich W. 168 Gottfried, Athanasius 115 Gottsched, Johann Christoph 148 Gouges, Olympe de 91 Goya, Francisco 125 Gozzi, Carlo 167,168,170 Grams, Anton 387 Grassi (Schauspieler) 363 Graun, Karl Heinrich 383, 394 Greco, El 15 Greene, Maurice 384 Greiner, Franz von 251 Grétry, André-Modeste 185,187,188, 323
Namensregister Greuze, Jean-Baptiste 124 Griesinger, Georg August 173 Grillparzer, Franz 284 Grimm, Friedrich Melchior von 192 Groddeck, Georg 173 Guglielmi, Pietro 112 Günderrode, Karoline von 92 Gurlitt, Wilibald 153 Gustav III., König 44
141,153,156,
Habermas, Jürgen 16, 79, 89, 98,148 Habrich, Alexis 115 Hadrian, Kaiser 403 Haiher, Philipp 363 Hagenauer, Johann Lorenz 214, 293, 351 Halévy, Jacques Fomentai 177 Haller, Albrecht von 137, 204 Hallweil 231 Hamann, Johann Georg 45,148 Händel, Georg Friedrich 191,198, 202, 267, 353, 382, 384, 393 Hanslick, Eduard 35,149 Harnoncourt, Nikolaus 313 Hasse, Johann Adolph 321, 392 Hassenstein, Bernhard 34 Häßler, Johann Wilhelm 388 Hatzfeld, August Graf 312 Haugwitz, Friedrich Wilhelm Graf 249, 254 Haydn, Joseph 24, 28, 36,149,197,198,200, 201,202, 203,210,212,279, 293, 313, 314, 342, 343, 381, 382, 383, 384, 385, 386, 397 Haydn, Michael 280, 333, 357, 386 Héderváry 239 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 81 Hegrad, Friedrich 267 Heine, Heinrich 330 Heinichen, Johann David 191 Heinzmann, Johann Georg 205 Hell, Maximilian 325 Helvétius, Claude-Adrien 124,400 Herder, Johann Gottfried 36, 79,125,148,192, 317 Hèrissart, Claude 74 Herodot 107,108 Hersche, Peter 239 Herz, Schauspieler 361 Hesiod 105 Hickel, Joseph 312 Hickel, Theresia 312 Highet, Gilbert 108 Hildebrandt, Johann Lucas von 34, 61 Hiller, Johann Adam 191,204 Hilverding, Franz Anton Christoph 321, 362, 369 Hintze, Otto 253 Hitler, Adolf 17
Namensregister Hobbes, Thomas 16, 68 Hofdehmel, Maria M. 312 Hoffinann, E(rnst) T(heodor) A(madeus) 30 Hofimeister, Franz Anton 201, 389 Hofmann, Leopold 341, 342 Hogarth, William 74 Hohenberg, Johann Ferdinand von Hetzendorf 73 Holbach, Paul Henry Thiry d' 122,142,154 Holz, Hans Heinz 37 Homberg, Herz 330 Home, Henry 266 Homer 105,106,109,112,182 Hontheim, Johann Nikolaus von 232 Hooker, Richard 135 Hopf, Heinrich Friedrich 113,115,116,117 Horaz 16 Horkheimer, Max 181 Hörling, Johann David 238 Hornbostl, Christian Georg 69 Hörnigk, Philipp Wilhelm von 68 Horwood, Richard 75 Howard, John 74 Huber, Ferdinand Fürchtegott 207 Huber, Kurt 154 Huisman 73 Humboldt, Wilhelm von 81 Hume, David 79, 82, 96, 97 Hummel, Johann Julius 388 Hummel, Johann Nepomuk 312 Husserl, Edmund 34 Hyam 325 Ickstatt, Johann Adam von 130 Iken, Karl 105 Im Hof, Ulrich 98 Ingres, Jean Auguste Dominique 16 Irmen, Hans-Josef 308, 315, 318 Itzig, Daniel 330 Jacobi, Johann Georg 367 Jacquin, Franziska von 312 Jacquin, Gottfried von 312, 363 Jacquin, Nikolaus von 234 Jahn, Otto 21,112,350 Janik, Allan 225,251 Jansenius, Cornelius 230 Jaucourt, Louis de 400,402,404 Jirovec (Komponist) 288 Joffroy, Mlle 321 Jòkai, Mòr (Maurus) 284 Jommelli (Jomelli), Niccol' 224, 394 Jones, Colin 89 Joseph II., Kaiser 33, 34, 35, 38,44,46, 48, 50, 52, 54, 68, 69, 70, 74, 76,209,229,231,232, 233,237, 238, 239,240,242,247, 248, 252, 255, 256, 257, 258,259,26,262,265, 272,274,
411 276, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 322, 323, 324, 325, 328, 331, 333, 335, 342, 345, 350, 352, 353, 354, 368, 375, 388, 394, 395 Joubert, Joseph 144 Jouve, Pierre Jean 35 Joyce, James 16 Justi, Johann Heinrich Gottlob von 130 Kaden, Christian 154 Kames, Henry Home Lord 266,267 Kammell, Antonin 381 Kant, Immanuel 35,49, 79, 82, 86,121,122, 143,153 Karl der Große 324 Karl Eugen, Fürst von Württemberg 369 Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz 54,110, 395 Karl V., König 73 Karl VI., Kaiser 34, 38,230, 302, 328, 391 Karl von Lothringen 214,216,217, 323 Käsermann, Nikolaus 206 Katharina Π., Zarin 48,191,192, 302, 305, 306 Kauer, Ferdinand 192 Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton Fürst 48,51, 110,130, 131,234,237,244,256,257,259, 302, 305, 306, 324 Keiser, Reinhard 191 Kelly, Michael 312,362 Kempelen, Wolfgang von 71 Khevenhüller-Metsch, Johann Joseph Fürst 368 Kindermann, Heinz 295 Kirnberger, Johann Philipp 357 Kleiber, Carlos 293 Klimt, Gustav 18 Klingenstein, Grete 231 Klopstock, Friedrich Gottlieb 148 Knapen (Verleger) 74 Knepler, Georg 346 Knjznin, Jakow Borissowitsch 192 Kochel, Leopold von 355 Koestler, Arthur 17 Köffiller, Johann Leopold von 114 Koháry, Graf 282 Kohlmarm, Johann Melchior 113 Kollar, Adam 326 Kopernikus, Nikolaus 18 Koppe, Franz 37 Körner, Christian Gottfried 173 Koselleck, Reinhart 33,65, 71, 79 Kotzebue, August von 284 Kozeluch, Leopold Anton 201, 349, 355, 362, 389 Kramerius, Václav Matej 239 Krause, Christian Gottfried 391 Krauß, Johann Paul 392
412 Kress(e)l, Franz Karl von 234 Kreutzer, Rodolphe 177 Krivanec, Ernest 315 Krubsacius, Friedrich August 63 Krüchten, Hermann Joseph 387 Krylov, Iwan Andrej ewitsch 192 Kuhn, Thomas 106 Kunze, Stefan 224 Kurz (Bernardon), Joseph Felix von 364 Kurzböck, Joseph von 387 Küttner, Karl August 204 L'Augier, Alexander Ludwig 292,293 La Bruyère, Jean de 177 La Font 148 La Placette, Jean de 401 La Rochefoucauld, François de 47 Lacoutre, Jean 35 Lalande, Michel Richard de 384 Lamberg, Maximilian Graf 115 Landau, Ezechiel 329 Landon, H. C. Robbins 315 Lerne (Unternehmer) 74 Lange, Aloysia s. Weber Lange, Joseph 359, 363 Langer, E. Th. 110 Laroche (La Roche), Johann 363 Lassberg, Freiherr von 56 Lausch, Lorenz 387 Lavater, Johann Kaspar 116,137,205, 206 Lawrence, David Herbert 16 Le Grand, Guillaume (?) 322 Le Maître, Charles-François de Claville 404 Le Menu (Verleger) 217 Le Sueur, Jean François 176 Ledoux, Claude-Nicolas 73 Leher, Ferdinand 234 Leibniz, Gottfried Wilhelm von 137 Leo, Leonardo 197 Leonore s. Eleonore Leopardi, Giacomo Graf 142,144 Leopold I., Kaiser 60 Leopold II., Kaiser 36, 70, 75,229, 234, 252, 293, 302, 303, 304, 305, 345, 354, 394 Leopold, Silke 91 Lepenies, Wolf 34 Leppert, Richard 199 Lessing, Gotthold Ephraim 111,122,124,136, 148,167, 172, 192, 236, 328, 369 Leszczinski, Stanislas 400 Leutgeb (Hornist) 378 Lichnowsky, Karl Fürst 312,316 Lichtenberg, Georg Christoph 90 Liechtenstein, Fürst 36, 60, 313 Liechtenstein, Karl Fürst 306 Ligne, Charles-Joseph Prince de 243 Lillo, George 124
Namensregister Lippmann, Friedrich 379 Liste, Anton 312 Liszt, Franz von 16 Lo Presti, Rocco 394 Locher (Arzt) 325 Locke, John 121,135, 404 Lolli, Antonio 397 Lomonosov, Michail Wassiljewitsch 192 Lorenz, Konrad 34 Lortzing, Gustav Albert 167 Losy, comte de 321 Loudon, Gideon Ernst von 309 Louis s. Ludwig Ludwig XIV., König 365 Ludwig XV., König 73, Lueger, Karl 17 Lully, Jean Baptiste 176,177,178 Lvov, Nikolai Alexandrowitsch 192 Mackenzie, Henry 124 Macpherson, James 109 Mädel (Tanzmeister) 366, 367 Magri, Gennaro 368 Malebranche, Nicolas 123 Malesherbes, Chrétien-Guillaume de 125 Mallet, Edme 401,404 Malraux, André 35 Malthus, Thomas Robert 81 Mandeville, Bernard de 81 Mandini, Stefano 323 Mandyczewski, Eusebius 307, 308 Manfredini, Vincenzo 191 Manger, Heinrich Ludwig 63 Mansfeld, Johann Ernst 324 Mara, Gertrud Elisabeth 212 Maria Theresia, Kaiserin 34,46, 62, 68, 70, 110,122,130, 131, 229,230,231, 234,235, 236, 237, 240, 241, 243, 244,252,253,254, 255, 256, 258, 259, 260, 262, 265,272, 302, 313, 321, 324, 328, 332, 359, 368, 392, 393 Marianne, Erzherzogin 302 Marie Antoinette, Erzherzogin Königin 322 Marie-Christine, Erzherzogin 302, 321 Marie-Elisabeth, Erzherzogin 216 Marinelli, Karl von 360 Marivaux, Pierre Carlet de 322 Marmontel, Jean-François 186 Marschner, Heinrich August 167 Marsh, John 382 Martin y Soler, Vincente 192, 210, 212, 225, 357, 377, 394 Martini, Giambattista 351, 372 Martini, Jean Paul Egide 186 Martini, Karl von 234 Marx, Gradan 235 Marx, Karl 16 Massan 325
Namensregister Massin, Brigitte 405 Mattheson, Johann 146, 591 Maulbertsch, Anton Franz 74,148 Max Franz, Erzherzog 302, 303, 304 Mayer, Günter 157 Mazzinghi, Joseph 211 Mechtler, Paul 217 Mecourt, Louis 321 Méhul, Etienne Nicolas 176 Meiners, Christoph 205 Mendelssohn, Moses 330 Mercier, Louis Sébastien 124 Merk (Tanzmeister) 363 Merriam, Alan 34 Mersmann, Hans 22 Mesmer, Franz Anton 49 Messiaen, Olivier 349 Messner, Joseph 324 Metastasio, Pietro 143, 292, 296, 321, 323, 326, 380, 391, 392 Meusel, Johann Georg 113 Meyer (Meyeren), Friedrich von 306 Meyerbeer, Giocomo 176,177,178 Michelangelo Buonaroti 111 Migazzi, Christoph Anton Graf 231,233,234 Miliar, John 100,101 Millet, Jean-François 16 Mingotti, Pietro 394 Mirabeau, Honoré Gabriel de Riqueti 81 Molinari, Gaetano 223 Monse, Josef Wratislav 115 Monsigny, Pierre-Alexandre 185,191 Montecuccoli, Ludwig Fürst 312 Montesquieu, Charles de Secondât Baron 19, 239 Montgolfier, Etienne und Joseph 325 Morellet, André 400, 404 Morelli, Giovanni 211 Mortier, Roland 262 Moser, Justus 114 Mosheim, Lorenz 135 Mozart (Weber), Ronstanze 156, 349, 354, 375 Mozart, Anna Maria 50 Mozart, Leopold 92,145,153, 214, 215,217, 225,250,271,293, 544, 345, 351, 360, 361, 373, 374, 386, 388 Mülinen, Nikolaus von 207 Müller, Ignaz 232,240 Müller, Johann Heinrich Friedrich 359, 363 Müller, Kaspar 387 Müller, Wenzel 360, 363 Müller-Blattau, Josef Maria 153 Muralt, Beat Ludwig von 101 Muratori, Ludovico Antonio 230, 231, 391 Muti, Ricardo 177 Muzzarelli, Antonio 366
413 Nagel, Ivan 30 Naigeon, Jacques André 122 Napoleon Bonaparte 52 Naumann, Johann Gottlieb 323 Neefe, Christian Gottlieb 191 Negri, Cesare 365 Nëmeôek, Franz Xaver 288 Nemeitz, Johann Christoph 383 Nero, Kaiser 111 Nestroy, Johann 16, 278 Netti, Paul 315 Nicolai, Friedrich 148, 237, 278, 344 Nicole, Pierre 239 Nicolini, Fausto 394 Niemtschek, Franz Xaver 346 Nissen, Georg Nikolaus von 362 Nord, comte et comtesse du 322, 326 Nostitz, Franz Anton Graf 239 Novalis, Friedrich Freiherr von Hardenberg 123 Noverre, Jean Georges 210, 321, 322, 362, 369, 370 O'Reilly, Robert Bray 381 Orczy, von 239 Ordonez, Carlos d' 343 Ordonitz s. Ordonez Ostervald, Jean Frédéric 135 Ovid 105 Pacassi, Nicolo 62, 63 Pacchierotti, Gasparo 210,212 Pachte, Graf 61 Padre Martini s. Martini, Giambattista Paine, Thomas 121 Paisiello (Paesiello), Giovanni 191,210,211, 212, 322 Pálfly, Graf 282 Pálfly, Gräfin 512 Palmer, Robert R. 44 Papanek, Juraj 283 Paradies, Nicolas Hiacint 115 Paradis, Maria Theresia 91, 361 Pariati, Pietro 391, 392 Pascal, Blaise 16, 401 Pater, Walter 106 Paul I. Petrowitsch, Zar 191 Paulus, Apostel 18 Pauwels, Jean-Englebert 220 Pavel Petrowitsch (Petrovic) s. Paul I. Pelzel, Franz Martin 289 Pergen, Johann B. Anton Graf 52 Pergolesi, Giovanni Battista 197, 582 Perinet, Joachim 560, 563 Perronet, Jean-Rodolphe 73 Peruzzi, Antonio 222 Peter I., Zar 190,191,192
414
Namensregister
Peter III., Zar 191 Petran, Franz 267 Pezzi, Johann 122,250,277, 506, 316 Philldor, François-André 185,191 Philippe II. Augustus, König 73 Piccini (Piccinni), Nicola 185,210 Pichler, Caroline (Karoline) 306, 312, 366 Pilati von Tassulo, Carlantonio 130 Pius VI., Papst 326, 232 Piaton 16,37,94,105 Pleyel, Ignaz 201,388 Plinius 105 Plongeron, Bernard 87 Ployer, Barbara von 91, 312 Ployer, Gottfried Ignaz von 385 Plümicke, Karl Martin 361 Plutarch 105 Poe, Edgar Allan 16 Poglietti, Alessandro 286 Pollini, Francesco 312 Pombai, Sebastiao José de 48 Poniatowski, Stanislaus August, König 178 Pontoppidan, Erik 135 Pope, Alexander 109 Pöppelmann, Matthäus Daniel 61 Popper, Karl 17 Porpora, Nicola Antonio Giacinto 191 Pouget 230 Prand(t)auer, Jakob 34 Prehauser, Gottfried 322, 364 Presley, Elvis 16 Pressel, Johann Gottfried 113,116,117 Prete Genovese s. Strozzi, Bernardo Prévost d'Exilés, Antoine François Abbé de 124 Price 325 Priestley, Joseph 17 Pris, Salomon 217 Puchberg, Johann Michael 348, 349, 389 Purcell, Henry 382 Puschkin, Alexandr Sergej ewitsch 190 Puthon, Johann Baptist 69
Reimarus, Hermann Samuel 122, 328 Reinalter, Helmut 315 Reinsperger, Johann Christoph von 323 Rellstab, Johann Cari Friedrich 383, 388 Renan, Ernest 123 Restif de la Bretonne, Nicolas 75 Rétif de la Bretonne s. Restif Reutter, Georg 341 Revett, Nicholas 109 Reynolds, Sir Joshua 74 Riccaboni, François 369 Richardson, Samuel 125 Richter, Joseph 307 Riecke, Viktor Heinrich 114,116,117 Riedel, Friedrich W. 38 Rieger, Gottfried 289 Riemann, Karl Wilhelm Julius Hugo 153 Riesbeck, Kaspar von 75,272, 277, 384 Righini, Vincenzo 224 Riva, Giuseppe 391 Robert, Hubert 111 Robespierre, Maximilen de 121 Roche, Daniel 98 Rochefoucauld s. La Rochefoucauld Rocque, John 75 Roentgen, D. 243 Roosevelt, Franklin 17 Rosen, Charles 167 Rosenstrauch-Königsberg, Edith 315 Roser, Franz de Paula 312 Rosoi, Barnabe Farmian de 186 Rosthorn, Matthäus (Matthew) 69 Rothschild, Cäcilie 330 Rothschild, Salomon R. 70, 330 Rousseau, Jean Jacques 45, 81, 82, 87, 88,101, 102,103,109, 122, 123,124,125,138,139, 140, 141, 142, 144,147, 154,155, 172, 191, 192,206, 402 Rudolf, Erzherzog Fürsterzbischof 350 Rumbeck, Marie Gräfin 311 Rushton, Julian 188 Rutini, Marco 224
Quanz, Johann Joachim 201
Sacchi, Antonio 168 Sacchini, Antonio Maria Gasparo 185,210 Sachsen-Koburg, s. Coburg Sade, Donatien Alphonse François de 125 Saint-Germain, Comte de 123 Saint-Martin, Louis Claude de 49 Salieri, Antonio 111, 238, 315, 323, 346, 357, 361, 388, 394 Sallé, Marie 369 Salomon, Johann Peter 381 Sammartini, Giuseppe 197, 202 Sandwich, Earl of 382 Saporiti, Caterina s. Bondini Saporiti, Teresa 377
Raaf, Anton 22 Racine, Jean 16 RadiSéev, Alexandr Nikolaj ewitsch 192 Raimund, Ferdinand 278 Rameau, Jean Philippe 138,139,176,178 Ranson, Jean 87 Rát, Matthias (Máté) 239 Ratschky, Joseph Franz von 250 Rautenstrauch, Franz Stephan 234 Read, Herbert 145 Reichardt, Johann Friedrich 205,286, 383, 394 Reichenbach, Horst 280
Namensregister Sarti, Giuseppe 191,210, 211, 212,225, 322, 377 Scarlatti, Domenico 321 Schack, Benedict 360 Schade, C. F. 383 Schaffgotsch 231 Scheib, Wilfried 339 Scheidl, Célarius 323 Scheler, Max 34 Schenk, Erich 154 Schiedenhofen, Joachim Ferdinand von 91 Schiedermair, Ludwig 346 Schikaneder, Emanuel 92,116,123,167,168, 169,170,238,297, 306, 360, 361, 394 Schiller, Friedrich von 16,112,167,147,156, 236, 350 Schlegel, August Wilhelm 167,168, Schlegel, Friedrich 167,168 Schlüter, Andreas 61 Schmidt, Anton 329 Schmittbaur, Joseph Aloys 387 Schmutzer, Jacob Matthias 324 Schönberg, Arnold 357 Schostakowitsch, Dimitirij 16 Schubart, Christian Friedrich David 193,287 Schumpeter, Joseph A. 67 Schwarzenberg, Fürst 313 Schweigl, Andreas 115 Schwindel, Friedrich (?) 214 Sedarne, Michel Jean 124,185, 323 Seile, Gert 157 Senancour, Etienne Pivert de 144 Sethos, Pharao 107 Shaffer, Peter 111 Shaftesbury, Anthony 122,148,266 Shakespeare 16,237, 359 Sheridan, Richard Brinsley 210 Silva-Tarouca, Amadeus Graf 34 Simen, Johann Peter von 234 Smart, Christopher 382 Smith, Adam 66, 67 Sokrates 123 Solschenizyn (Solzenizyn), Alexandr 16,19 Sonnenfels, Joseph von 114,130,237,238, 247,251,276, 363 Sonnleithner, Josef 238, 359 Soufflot, Germain 402 Spengler, Oswald 16 Spinoza, Baruch de 123 Spontini, Gasparo 177,178 Sporck, Franz Anton Graf 222,223 Sporck, Johann Wenzel Graf 237 Stadler, Anton 312 Staël, Germaine de 92 Staes, Ferdinand 218 Stählin, Karl von 190
415 Starhemberg, Georg Adam Fürst 243 Starobinski, Jean 30,82 Starzer, Joseph 343, 370 Steckhoven, Adrian van 73 Steffen, Joseph 342 Steiner, Melchior 69,70 Stephanie d. J., Gottlieb 359, 361, 362 Sterne, Lawrence 124,125 Stewart, James 109 Stock, Ambros Simon von 234 Stockhausen, Karlheinz 349 Storace, Ann Seiina Nancy 209, 210, 211, 212, 323 Storace, Stephen John Seymour 209, 211, 212 Störck, Anton von 325 Stranitzky, Joseph Anton 392 Strauß, Johann (Sohn) 16 Strauß, Johann (Vater) 314 Strauss, Leo 93, 94 Strawinsky, Igor 16 Strinasacchi, Regina 91, 92 Strindberg, August 16 Strohm, Reinhard 379 Strozzi, Bernardo 323 Stürler, Vinzenz 98 Stutterheim, Heinrich 274 Stuver s. Stuwer, Johann Georg Stuwer, Johann Georg 325 Sukowaty, Wenzel 387 Suleiman Effendi 322, 326 Sulzer, Johann Georg 148,159,172,173,267 Sumarokov, Alexandr Petrowitsch 192 Süßmayr, Franz Xaver 312 Swedenborg, Emanuel von 49 Swieten, Gerhard van 231,234, 324 Swieten, Gottfried van 202,238, 251, 267, 274, 304, 316, 326, 353, 355, 384, 385 Swift, Jonathan 136 Szabolcsi, Bence 280 Szacsvay, Alexander (Sándor) 239 Sztáray, Michael Graf 239 Tacitus 105 Talion von Hellenegg, Marguerite de 98 Tartini, Giuseppe 191, 372 Taubert, Gottfried 368 Teleki, Samuel Graf 239 Telemann, Georg Philipp 191,200,201,286 Terrasson, Jean 106,107,123 Teyber, Anton 323 Thun, Graf 231 Thun, Wilhelmine Gräfin 238,311,316 Tieck, Ludwig 167 Tillotson, John 135 Tindal, Matthew 404 Tischler, Anton 323 Tocqueville, Charles de 84
Namensregister
416 Todesco, (Hermann, Eduard und Moritz) 70 Toland, John 122, 404 Tomââek (Tomaschek), Johann Wenzel 288 Traeg, Johann 387 Traëta, Tommaso 191, 521, 393 Tranoscius, Jiri 333 Trattner, Johann Thomas von 74,259, 266, 325, 327, 567, 587 Trattner, Therese von 511 Trautson, Johann Graf 251 Tucek, Vincenz (Franz) Ferrarius 284 Turgot, Jacques de 48 Turner, Frank 109 Turner, Frederick Jackson 16 Turrettini, François 135 Turrettini, Jean-Alphonse 135 Uffenheimer 70 Umlauf, Ignaz 258 Ürményi, Joseph von 255 Valière, duc de 526 Van den Boom, J.-B. 216 Van Den Bosch, Pierre-Joseph 217 Van Helmont, Ch. J. 218 Van Maldere, Pierre 214, 215,216, 217, 245 Van Maltere s. Van Maldere Van Poucke, Charles François 524 Van Ypen, Philippe-Henri 217 Van Ypen, Pierre-Joseph 217 Vanhal, Johann (Jan) Baptist 597 Vauvenargues, Luc de Ciapiers de 124 Vay 259 Ventura, Santo 366 Verazi, Mattia 394 Verdi, Giuseppe 16 Vergil 16 Verniquet 75 Vestris, Gaetano 362 Vicedom (Musiker) 214 Viotti, Giovanni Battista 199 Vitzthum(b) 216 Vivaldi, Antonio 197, 222, 224 Vives, Juan Luis 91 Volek, Tomislav 377 Voltaire, François-Marie Arouet de 121,122, 125, 125,159, 142,147,155,192, 259, 522, 528, 570,403 Voss, Heinrich 106 Wagenseil, Georg Christoph 321, 342 Wagner, Hans 515
Wagner, Richard 16 Wagner, Sigmund von 98, 99,105 Wagner-Rieger, Renate 61 Waldenfels, Bernhard 55 Waldstein, Graf 251 Walter, Friedrich 253,254 Warhol, Andy 15 Weaver, John 369 Weber (Lange), Aloysia 22, 91,238, 565, 575 Weber, Konstanze s. Mozart Weber, Max 16, 96, 97, 126, 128,129,151, 248, 254, 262,272 Weckherlin, Wilhelm L. 278 Weidmann, Paul 258 Weiskern, Friedrich Wilhelm 565 Wentzely, Nikolaus Franz 286 Wenzel, von (Arzt) 525 Werenfels, Samuel 155 Wernick, Ferdinand 258 Wertheimer, Samson 530 Werthes, Friedrich August Clemens 167,169 Wesley 583 Wessely, Hartwig (Naphtali Herz Weisel) 529 Whitman, Walt 16 Widmann, Karl von 528 Wieland, Christoph Martin 116,167,192, 595 Willmann, Marianne 512 Winckelmann, Johann Joachim 105,107,108, 109,110, 111,112 Wiora, Walter 222 Wolff, Christian von 121 Wölfl, Joseph 512 Wollstonecraft, Mary 92 Wood, Robert 109 Wraxall, Nathaniel 74 Yeats, William Butler 16 Young, Edward 148 Zannovi(t)ch, Stephan und Przemyslaus 125 Zechner, Johann Georg 543 Zeno, Apostolo 391, 392 Zichy, Anna Maria Gräfin 311 Zichy, Graf 585 Ziegenhagen, Franz Heinrich 154 Zintler, Joseph 523 Zinzendorf, Karl Graf 130,259, 568 Zippe, Augustin 265 Zoppi, Francesco 224 Zuckerkandl, Viktor 180 Zunz, Leopold 529
Autorenverzeichnis
Zuckerkandlgasse 14, A-1190 Wien Via A. Mesedagha 42,1-00191 Roma Sidney Sussex College, Cambridge CB2 3HU, GB Institut de recherches sur les Civilisations de l'Occident moderne, 1, rue Victor Cousin, F-75230 Paris Gottfried-Koller-Straße 1, D-06118 Halle/Saale BIMBERG, Guido, Doz. Dr. NIAS, Meijboomlaan, NL-2242 Wassenaar BÖDEKER, Hans Erich, Prof. Dr. Department of German, School of Modem Languages, BRANSCOMBE, Peter, Prof. Dr. University of St Andrews, St Andrews, Fife KY16 9ΡΗ, Scotland Fritz Geiges-Strafle 3, D-79117 Freiburg/Br. BRAUNBEHRENS, Volkmar, Prof. Dr. Schweizerisches Landesmuseum, Museumstraße 2, CAPITANI, François de, Dr. CH-8023 Zürich Historisches Seminar, Universität Tübingen, WilhelmCARL, Horst, PDoz. Dr. straße 26, D-72074 Tübingen CHARLTON, David, Prof. Dr. 23 Eckstein Road, London SW11 1QE, England CORNAZ, Marie, Dr. Av. des Hêtres 9, B-1640 Rhode St. Genèse Institut für Geschichte, Universität Graz, Heinrichstraße 26, CSÁKY, Moritz, Prof. Dr. A-8010 Graz DAHMS, Sibylle, Univ.Doz. Dr. Institut für Musikwissenschaft, Universität Salzburg, Bergstraße 10, A-5020 Salzburg DIDIER, Béatrice, Prof. Dr. 21, Boulevard Jourdan, F-75014 Paris ELSCHEK, Oskár, Prof. Dr. Katedra hudobnej vedy, Univerzita Komenskehö, Gondova 2, SK-81801 Bratislava PINSCHER, Ludwig, Prof. Dr. Musikwissenschaftliches Seminar, Universität Heidelberg, Augustinerstraße 7, D-69117 Heidelberg FIORIOLI-LEIDENFROST, Elisabeth, Mag. Lackierergasse 1/5, A-1090 Wien FLOTHUIS, Marius, Prof. Dr. Quinten Massysstraat 9, NL-1077 MC Amsterdam FRIED, István, Prof. Dr. Akácfa u. 30, H-1072 Budapest FUKAC, Jiri Hakenová 15, CR-63800 Brno GALAND, Michèle, Dr. 106, rue de Rosnières, B-1332 Genval HAARSCHER, Guy, Prof. Dr. Université Libre de Bruxelles, Faculté de droit, 50 av. F. D. Roosevelt, B-1050 Bruxelles HASLMAYR, Harald, Mag. Dr. Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Leonhardstraße 15, A-8010 Graz HEINDL, Waltraud, Univ. Doz. Dr. Österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut, Josefsplatz 5, A-1010 Wien HERSCHE, Peter, Prof. Dr. CH-3510 Ursellen IM HOF, Ulrich, Prof. Dr. Feldeggstraße 33, CH-3098 Köniz Brenner-Archiv, Universität Innsbruck, Innrain 52, JANIK, Allan, Prof. Dr. A-6020 Innsbruck KADEN, Christian, Prof. Dr. Institut für Musikwissenschaft, Humboldt-Universität, Am Kupfergraben 5 / Unter den Linden 6, D-10089 Berlin KlNTZLER, Cathérine, Prof. Dr. UFR de Philosophie, Univerité Charles De Gaulle Lille ΠΙ, B.P. 149, F-59653 Villeneuve d'Ascq CEDEX KNEPLER, Georg, Prof. Dr. Straße 901, Nr. 8, D-12527 Berlin BADURA-SKODA, E v a D r .
BALLOLA, Giovanni Carli, Prof. Dr. BEALES, Derek, Prof. Dr. BÉRENGER, Jean, Prof. Dr.
418
Autorenverzeichnis
KOSELLECK,
Reinhart, Prof. Dr.
Prof. Dr. Hans de, Prof. Dr. Hellmut, Prof. Dr.
KROUPA, JIFI, LEEUWE, LORENZ,
Herbert, Prof. Dr.
MATIS,
MONGRÉDIEN, MORTIER, MULDER, PASS,
Jean, Prof. Dr.
Roland, Prof. Dr. Etty, Prof. Dr.
Walter, Prof. Dr. Pierluigi, Prof. Dr. Zdeñká, Prof. Dr. Curtís, Prof. AM. PhD.
PETROBELLI, PILKOVÁ, PRICE,
James, Prof. Dr. Daniel, Prof. Dr. SADIE, Stanley, Prof. Dr. RAVEN,
ROCHE,
Brigitte, Dr. Kurt, Prof. Dr. Manfred, Prof. Dr.
SCHNEGG VON RÜTTE, SCHUBERT, SCHULER, SCOTT, SOZZI,
Hamish Marshall, Prof. Dr. Lionello, Prof. Dr. Reinhard, Dr. Wolfgang, Prof. Dr.
STROHM, SUPPAN,
VANHULST,
Henri, Prof. Dr.
VIERHAUS,
Rudolf, Prof. Dr.
VOLEK,
Tomislav, Prof. Dr. Manfred, Prof. Dr.
WAGNER,
WANGERMANN,
Ernst, Prof. Dr.
WES, Marinus Α., Prof. Dr.
Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie, Universität Bielefeld, D-53501 Bielefeld Antina Macka 7, CR-61200 Brno Noltheniusstraat 35, NL-5533 SG Utrecht Kunsthistorisches Institut, FU Berlin, Morgensternstraße 2-3, D-12207 Berlin 45 Institut für Wirtschaftsgeschichte, Wirtschaftsuniversität Wien, Augasse 2-6, A-1090 Wien Université de Paris-IV-Sorbonne, 1, rue Victor Cousin, F-75230 Paris Av. du Général de Longuevüle, 10, B-1150 Bruxelles University of Nijmegen, Erasmusplein 1, NL-6500 HD Nijmegen Institut für Musikwissenschaften, Universität Wien, Universitätsstraße 7, A-1010 Wien Via di S. Anselmo 34,1-00153 Roma Nám. J. Machka 9, CR-15800 Praha 5 School of Humanities, Department of Music, Kings College, London WC2R 2LS, England Magdalene College, Cambridge CB3 OAG, GB 8, rue du puits de l'Eremitage, F-75005 Paris The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 4 Little Essex Street, London WC2R 3LF, England Altenbergstraße 120, CH-3031 Bern Walfischgasse 10, A-1010 Wien Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Bingerstraße 26, D-55122 Mainz Department of Modern History, University of St Andrews, St Andrews, Fife KY16 9AL, Scotland Università degli Studi di Torino, Dip. di scienze letterarie e filologiche, Via S. Ottavio 20,1-10124 Torino Kings College, Strand, London WC2R 2LS Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Leonhardstraße 15, A-8010 Graz Université Libre de Bruxelles, Faculté de philosophie et lettres, Section d'histoire de l'art et d'archéologie, 50 av. Roosevelt, B-1050 Bruxelles Max-Planck-Institut für Geschichte, Zur Akelei 35, D-37077 Göttingen Jilovská 65, CR-14200 Praha 4 Lehrkanzel für Kultur- und Geistesgeschichte, Hochschule für angewandte Kunst, Oskar-Kokoschka-Platz 2, A-1010 Wien Institut für Geschichte, Universität Salzburg, Rudolfskai 42, A-5020 Salzburg Dep. of History, University of Groningen, Oude Kijk in't Jatstraat 26, NL-9700 AS Groningen
Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts Herausgegeben von MORITZ CSÁKY Bandi Andrea Seidler/Wolfram Seidler
Das Zeitschriftenwesen im Donauraum zwischen 1740 und 1809 Kommentierte Bibliographie der deutsch· und ungarischsprachigen Zeitschriften in Wien, PreßburgundPest-Buda. 1988. 296 S. Br. ISBN 3-205-05095-9 Band 2 Georg Cavallar
Pax Kantiana Systematisch-historische Untersuchungdes Entwurfs,Zum ewigen Frieden"(1795) von Immanuel Kant. 1992. XVIII, 493 S. Br. ISBN 3-205-05504-7 Band 3 Renate Zedinger
Hochzeit im Brennpunkt der Mächte Franz Stephan von Lothringen und Erzherzogin Maria Theresia. 1994.169 S., 14 SWAbb. Geb. ISBN 3-205-98175-8 Band 4 György M. Vajda
Wien und die Literaturen in der Donaumonarchie Zur Kulturgeschichte Mitteleuropas. 1994. 248 S. Geb. ISBN 3-205-98082-4 Band 5 Moritz Csáky/Walter Pass (Hg.)
Europa im Zeitalter Mozarts Bearbeitet von Harald Haslmayr Umayr un und Alexander Rausch. 1995.418 S. Geb. ISBN 3-205-98339-4 Band 6 Leslie Bodi
Tauwetter in Wien Zur Prosa der österreichischeniufklärung Aufklärung1781 1781-1795.1995. Ca. 512 S. Geb. ISBN 3-205-98360-2
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