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German Pages 132 [133] Year 2015
Wilhelm Kaltenstadler
Das Buch mit dem Titel „Ernährung im medizinischen System des Moses Maimonides“ ist nicht nur von historischer Relevanz. Höchst aktuell ist nicht nur sein nach wie vor zeitgemäßes Ernährungssystem. Der Haupttitel wird durch den kurz gehaltenen Exkurs „Medikamente im Asthmawerk von Maimondes“ ergänzt. Die Ernährungslehre ist eingebettet in das theologisch-philosophisch-medizinische System eines der größten jüdischen Universalgelehrten aller Zeiten. Maimonides repräsentiert wie kaum ein anderer Wissenschaftler sowohl das Judentum als auch den Islam. Er hat seine meisten Abhandlungen in arabischer Sprache verfasst. Seine Ernährungswissenschaft, welche auch eine philosophische und religiöse Dimension hat, wie überhaupt seine gesamte Lehre sind ohne Islam nicht vorstellbar. In seine Ernährungslehre haben sowohl die arabisch-ägyptische Küche als auch die Ideen, Regeln und Vorstellungen des jüdischen Talmuds Eingang gefunden. Islamisches und Jüdisches schließen sich auch hier nicht aus. Im Grunde stand der sephardische Jude Maimonides dem Islam näher als dem Christentum. Dennoch strahlte vor allem die Theologie und Philosophie des Maimonides in nicht unerheblichem Maße auf die Lehre der christlichen Scholastik und nicht zuletzt auf den Oberscholastiker Thomas von Aquin aus. Ein zentraler Gedanke der antiken, jüdischen und islamischen Philosophie ist die Idee, dass sich die materielle Sphäre, nicht zuletzt die Ernährung, einerseits, die seelischgeistige Sphäre des Menschen andererseits im Gleichgewicht befinden sollten. Dieses Buch setzt sich mit einem jüdischen Universalgelehrten auseinander, der fest in der islamisch-arabischen Kultur verankert war und viele Jahre in islamisch-arabischen Diensten stand.
ISBN 978-3-88309-960-6
W. Kaltenstadler - Ernährung im medizinischen Werk des Moses Maimonides
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ERNÄHRUNG IM MEDIZINISCHEN WERK DES MOSES MAIMONIDES
Verlag Traugott Bautz GmbH
Moses Maimonides
Jerusalemer Texte Schriften aus der Arbeit der Jerusalem-Akademie
herausgegeben von Hans-Christoph Goßmann
Band 14
Verlag Traugott Bautz
Wilhelm Kaltenstadler
Ernährung im medizinischen Werk des Moses Maimonides
Medikamente im Asthmawerk von Maimonides
Verlag Traugott Bautz
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Verlag Traugott Bautz GmbH 99734 Nordhausen 2015 ISBN 978-3-88309-960-6
Inhaltsverzeichnis Geleitwort
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Von Cordova nach Kairo – Leben und Werk
9
Quellen und Methoden
15
Einführung in das medizinische Konzept von Moses Maimonides
24
Essen und Trinken – eine der sieben fundamentalen GesundheitsKategorien von Maimonides
32
Nützliche, schädliche und verbotene Nahrungsmittel
34
Ernährung – eine Frage der Konstitution
34
Maimonides und die jüdischen Kashruts
36
Gutes Gemüse und Obst auch für Gelehrte
37
Fleischkonsum – mit Vorbehalten
38
Fische – eine problematische Nahrung?
43
Milch, Käse und Milchprodukte
44
Bier und Biersubstitute – auch für kranke Muslime?
45
Wein – sowohl Getränk als auch Medikament
47
Lepra – die Folge einer falschen Ernährung
48
5
Trinken – genauso wichtig wie Essen
51
Der Julep – ein Alkoholsurrogat
51
Das Wasser – Trinkwasser, Umwelt und Hygiene
53
Wein und Hydromel – besonders gesund
59
Bier – Nahrungsmittel und Getränk
64
Milch – Getränk für Kinder und Erwachsene
65
Suppen– die Kombination von Essen und Trinken
69
Essen und Trinken – eine Frage der Tageszeit
71
Ernährung – eine Frage des Gleichgewichts, der gesunden Mitte, der Mäßigung und der ´richtigen´ Menge
75
Gibt es spezielle Ernährungsregeln?
79
Die philosophische und religiöse Dimension der Ernährung
85
Schlussbetrachtung – in wieweit hat Maimonides recht?
90
Quellen und Bibliographie
95
Bildteil
6
103
Geleitwort Rabbeinu Moshe ben Maimon, besser bekannt als Moses Maimonides (1138-1204) ist bis heute eine der herausragenden halakhischen („religionsgesetzlichen“) Autoritäten des Judentums. Sein das rabbinische Recht kodifizierendes Hauptwerk Mishne Thora wird bis heute als maßgeblich rezipiert und angewandt. Es fehlt in nahezu keiner rabbinischen Bibliothek. Der Philosoph des „Führers der Unschlüssigen“ (Dalalat al-chairin bzw. More nevukhim) wurde durch die Zeiten hindurch sowohl im Judentum als auch im Christentum und im Islam gelesen. Seit der jüdischen Aufklärung (Haskala) ist er seitdem fortdauernd Gegenstand philosophischer und wissenschaftlicher Diskussionen bis hin dazu, dass mitunter – analog zum katholischen Neuthomismus – von einem „Neumaimonidianismus“ gesprochen wird. Auch die meisten Veranstaltungen anlässlich des Gedenkens seines 800. Todestages waren nicht von ungefähr seiner Philosophie gewidmet. Dass Maimonides auch Arzt war und als solcher eine Vielzahl medizinischer Abhandlungen verfasste, die ihrerseits eine sehr große Zahl mittelalterlicher jüdischer, muslimischer und auch christlicher Ärzte über die arabischen Originaltexte, ihre verschiedenen hebräischen und lateinischen Übertragungen bis zur paracelsischen Wende der Medizin (und teilweise auch noch darüber hinaus) beeinflusste, ist dagegen vergleichsweise in Vergessenheit geraten. Durch die ebenso bahnbrechenden wie herausragenden Arbeiten von David Winternitz, Moritz (Moshe) Steinschneider und Hermann Kroner wurde im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert die Aufmerksamkeit wieder auf den Arzt Maimonides gelenkt. Den Arbeiten schlossen sich neben anderen die bedeutenden Werke von Max Meyerhof, Süssmann Muntner, Fred Rosner, Samuel S. Kottek, Heinrich Schipperges sowie jüngst von Gerrit Bos und seinem Schüler Carsten Schliwski an. Der vorliegende Band des Polyhistors Wilhelm Kaltenstadler liefert eine willkommene Ergänzung der reichen Maimonidesliteratur, indem er einen bislang weniger beleuchteten Aspekt, nämlich die Ernährungslehre des Maimonides einer näheren Untersuchung und zugleich Aktualisierung unterzieht. Im Vergleich mit der einem gänzlich anderen Sprachund Kulturkreis entstammenden Hildegard von Bingen zeigt der Verfasser die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Medizinern 7
des 12. Jahrhunderts auf. Dadurch wird deutlich, dass die Ernährungslehre seit Hippokrates im Fluss war und es keine endgültigen Antworten geben konnte und kann. Zugleich zeigt sich hierdurch, dass sich auch in einem Werk der letzten Jahre des 12. Jahrhunderts durchaus bis heute aktuelle Elemente der Diätetik finden lassen und es sich lohnt, den Arzt Maimonides nicht allein vor dem historischen Hintergrund zu studieren, sondern der Ratio seiner dietätischen Ratschläge nachzudenken. Görge K. Hasselhoff Lintorf und Dortmund, im September 2014
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Von Cordova nach Kairo – Leben und Werk Moses Maimonides1 – so lautet sein latinisierter Name – ist in Cordoba geboren. Heinrich Schipperges gelang es, aus dem Schlusskommentar des Mishneh-Thora (14 Bände) nachzuweisen, dass er erst im Jahre 1138 in Cordoba auf die Welt kam.2 Dieses Geburtsjahr wurde durch G. Stemberger3 und andere bestätigt. Sein hebräischer Name lautete Mosheh Ben Maimon, sein arabisher Name Abu Imran Musa Ibn Maimun4 or Mūsā ibn Maymūn (Arabic: موس ى )ميم ون ب ن. Er ist auch unter dem Akronym RaMBaM (Hebrew: – )רמב"ם es steht für "Rabbeinu Mosheh Ben Maimon" – bekannt. Das bedeutet auf Deutsch: Unser Rabbi/Lehrer Moses Sohn des Maimon.5 Einige Gelehrte vertreten die Auffassung, dass Arabisch sogar seine Muttersprache gewesen sei. Seine Familie gehörte zur Elite von Cordova. Sein Vater R. Maimon ben Jossef (+ 1165) hatte an der renommierten rabbinischen Akademie von Lucena studiert und dann das Amt eines Richters ausgeübt. Auch sein Sohn Moses erwarb in einer umfassenden Ausbildung noch in Iberien „fundierte Kenntnisse in Logik, Mathematik, Physik, Astronomie und Medizin.“6 Maimonides war ein sephardisch-andalusischer Universalgelehrter, Theologe, Philosoph, Astronom, aber auch “einer der profiliertesten und 1
Artikel „Moshe ben Maimon. In: Metzler Lexikon jüdischer Philosophen, hrsg. von Andreas B. Kilcher / Otfried Fraisse. Stuttgart 2003, S. 42-46. 2 Heinrich Schipperges: Krankheit und Gesundheit bei Maimonides (1138-1204). Berlin-Heidelberg 1996, S. 7. 3 G. Stemberger: Maimonides als Mischna-Ausleger. In: Kairos 28, S. 196-208, hier S. 196. 4 Fred Rosner: Moses Maimonides the Physician. In: Fred Rosner-Samuel S. Kottek (Ed.): Moses Maimonides Physician, Scientist, und Philosopher, Northvale-New Jersey. London 1993, S. 3. 5 http://en.wikipedia.org/wiki/Maimonides (6. August 2014). 6 Frederek Musall und Yoseff Schwartz: Einleitung. In: Moses Maimonides. Wegweiser für die Verwirrten. Eine Textauswahl zur Schöpfungsfrage Arabisch/Hebräisch – Deutsch, Freiburg im Breisgau 2009, S. 9-45, hier S. 11f.
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einflussreichsten Thora-Gelehrten und Ärzte des Mittelalters”7 Er starb am 12. Dezember 1204 in Ägypten und fand vermutlich seine letzte Ruhestätte in Tiberias am See Genezareth in Israel. Das Maimonides zugeschriebene Grabdenkmal stammt aus neuerer Zeit. „There are several indications to the originality of the location, and traditions about the occasion of his death in Tiberias.”8 Maimonides verließ sein Geburtsland Andalusien und Spanien im Jahre 1148. Um diese Zeit wurden die andalusischen Juden durch die fundamentalistischen Almohaden verfolgt.9 „Um der drohenden Zwangskonversion [zum Islam] zu entgehen, flohen viele Juden aus Córdoba, darunter auch Maimon ben Josef und seine Familie.“10 Eine wichtige Station auf seinem Weg über Nordafrika in sein späteres Heimatland Ägypten war die Stadt Fez in Marokko. Obwohl auch hier die Almohaden an die Macht gelangt waren, „herrschten hier – im Gegensatz zu al-Andalus – zunächst noch vergleichsweise liberale Bedingungen für die Angehörigen der religiösen Minderheiten.“11 In Fez konnte Moses „seine in Andalus begonnene Ausbildung fortsetzen.“ Dort besuchte er die Talmudakademie von R. Jehuda ha-Kohen ibn Susan (+ 1165). Dieser war einer „der größten Rechtsgelehrten seiner Zeit.“ An der weit über Marokko hinaus bekannten Ğāma´at alQarawīyin, „der wohl ältesten Universität der Welt“, studierte er „bei muslimischen Lehrern Medizin“12. In Marokko erwarb er höchstwahrscheinlich auch von kundigen und erfahrenen einheimischen jüdischen und muslimischen Ärzten profunde medizinische Kenntnisse bzw. ver7
Ebd. Wikipedia in deutscher Übersetzung. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Maimonides (6. August 2014). 9 Emilio Gonzales Ferrín: Historia General de Al Andalus. Europa entre Oriente y Occidente, 2. Auflage. Cordoba 2007, Kap. 7, S. 431-473 und Wilhelm Kaltenstadler: Jüdisch-islamische Kultur im alten Andalusien. In: Nicolas Benzin (Hrsg.): Beiträge zur Kulturgeschichte des Judentums und der Geschichte der Medizin, Vol. I. Frankfurt 2009, S. 82-127. 10 Frederek Musall und Yoseff Schwartz: Einleitung, a.a.O., S. 13. 11 Frederek Musall und Yoseff Schwartz: Einleitung, ebd. S. 13. 12 Frederek Musall und Yoseff Schwartz: Einleitung, ebd. S. 14. 8
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vollständigte sein medizinisches Wissen, das er bereits von Andalusien mitgebracht hatte. Sein Studium in Marokko galt auch den Heiligen Schriften der Juden (Thora, Talmud, Halacha etc.), der antiken Philosophen wie Aristoteles und Plato und der altgriechischen Ärzte Hippokrates und Galen. Vermutlich ist Maimonides dann später in Ägypten auch mit der Medizin des antiken pharaonischen Ägyptens vertraut geworden. Es fällt allerdings auf, dass Maimonides in seinen Werken keine pharaonischen Ärzte nennt. Er zitiert auch keine antiken medizinischen Papyri, die man damals wohl auch noch nicht zu würdigen wusste. Auf seiner langen Wanderung durch den Maghreb erwarb er sich eine Menge an empirischem medizinischen Wissen und Erfahrung. Im Jahre 1165 verließ er mit seiner Familie, als auch dort die Almohaden immer fundamentalistischer agierten, Fez und gelangte auf dem Schiffswege nach Akko. Von hier setzte er seine Reise fort und gelangte schließlich in die ägyptische Hafenstadt Alexandria, in welcher schon seit der Antike viele Griechen und Juden in einer griechisch-jüdisch-ägyptischen Mischkultur lebten. Im 12. Jahrhundert, also im Jahrhundert von Maimonides, hatte sich seit rund 500 Jahren auch hier wie im heimatlichen Andalus die arabisch-muslimische Kultur entfaltet. Die altägyptische Kultur wurde immer mehr in den Hintergrund gedrängt, aber nicht völlig aufgehoben. Sie wirkte unterschwellig weiter. Nach dem Tod seines Vaters und Bruders ließ sich Maimonides endgültig in Fustat, das heute ein Vorort von Kairo ist, nieder. Der Ort ist viel älter als die heutige Großstadt Kairo. Hier in Fustat heiratete Maimonides eine Schwester von Abū-l´Malī. Dieser war ein Geheimschreiber der Gemahlin von Sultan Saladin. Maimonides behielt seinen jüdischen Glauben bei, seine Frau blieb aber wohl Muslimin. Durch seine Heirat in Fustat, wo er seit 1168 mit seiner andalusischen Familie gelebt hatte, kam er immer mehr in Kontakt mit dem muslimischen Hof des Wesirs von Kairo. Seit 1168 praktizierte er in Fustat und Kairo und übte den Beruf des Arztes dort aus. Das Wartezimmer
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im Palast von Kairo war stets voll von muslimischen und jüdischen Patienten.13 Seit 1176/77 nahm er auch die schwere Bürde des geistigen / geistlichen Oberhauptes der Juden in Ägypten auf sich. Schließlich wurde er gegen 1183/85 einer der Leibärzte von al-Qadi al-Fadil (1131-1199), dem Großwesir von Sultan Saladin (er regierte von 1171-1193). Al-Qadi war auch Statthalter von Ägypten.14 Seine verschiedenartigen und vielfältigen Aktivitäten, die sich nicht nur auf seinen medizinischen Beruf bezogen, waren so belastend, dass er oft nicht einmal genug Zeit fand, ein Mahl einzunehmen. Trotz seiner knapp bemessenen Freizeit gelang es ihm, eine Menge von theologischen, philosophischen und medizinischen Abhandlungen15 zu schreiben, die meisten davon sogar in arabischer Sprache. Arabisch war damals auch die Kultursprache an den christlichen Höfen von Iberien und im Königreich Sizilien mit Süditalien. Bis 1250, dem Todesjahr von Kaiser Friedrich II. v. Hohenstaufen (gest. 13. Dezember 1250 im Castel Fiorentino), der die islam- und judenfreundliche Politik seiner normannischen Vorgänger fortsetzte, lebten die drei abrahamitischen Religionen in seinem Reiche gegen den Widerstand der Päpste relativ friedlich zusammen. Den drei Religionen und Kulturen – islamisch-arabisch, jüdisch, katholisch – entsprach auch die „dreisprachige Kanzlei von Palermo“.16 Es gab damals nicht nur kulturelle, sondern auch politische „Grenzüberschreitungen“17 mit Ansätzen einer allerdings straff organisierten interkulturellen Gesell13 Vorwort von Fred Rosner: Medical Writings of Moses Maimonides, Vol. 5, Herausgeber: Maimonides Research Institute. Haifa 1992, S. 3. 14 Frederek Musall und Yoseff Schwartz: Einleitung, a.a.O., S. 15. 15 Wilhelm Kaltenstadler: Gesundheit, Hygiene und Krankheit bei Maimonides. In: Beiträge zur Kulturgeschichte des Judentums und der Geschichte der Medizin, Vol. II (Ed. Nicolas Benzin). Frankfurt 2010, Kap. „Leben und medizinische Werke von Maimonides“, S. 86-94. 16 Eberhard Horst: Der Sultan von Lucera. Friedrich II und der Islam. München 2009, Kap. 2 „Die dreisprachige Kanzlei von Palermo“, S. 19-29. 17 Eberhard Horst: Der Sultan von Lucera, ebd., Kap. 7 „Grenzüberschreitungen“, S. 7180.
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schaft18, von der wir in der Europäischen Union nach wie vor weit entfernt sind. Einige dieser Abhandlungen waren Auftragspublikationen für die Höfe von Alexandria und Kairo. Sein System der Medizin zielte nicht nur darauf ab, Kranke wieder gesund zu machen, sondern auch dahin, Wege und Methoden zu entwickeln, wie man Krankheiten vermeiden und die physische und geistig-seelische Gesundheit19 aufrechterhalten kann. Da Maimonides Gesundheit und Krankheit vor allem von der menschlichen Seele aus betrachtet, war für ihn Gesundheit in erster Linie die Harmonie der menschlichen Seele mit Gott. Er ließ nie Zweifel daran, dass die Krankheit der Unwissenheit – die mittelalterliche ignorantia von Thomas von Aquin – die meisten Menschen immer wieder von Gott trenne. Darum war er auch als Arzt darum bemüht, die Schranken der Unwissenheit zwischen Gott und Menschen abzuschaffen bzw. zumindest zu reduzieren. Die von ihm angestrebte enge Verbindung mit Gott tangierte auch den Ernährungssektor, der im Zusammenwirken mit zahlreichen anderen Faktoren das Gesundheits-Gleichgewicht, das primär psychisch20 ausgerichtet war, stabilisieren sollte. In diesem Gleichgewicht spielt die Ernährung für Maimonides, wie sogar aus seinen theologischen und philosophischen Werken deutlich wird, bei nicht wenigen Krankheiten sogar eine leitende Rolle, z.B. bei Krankheiten des Darmund Verdauungstraktes. Diese Perspektive von Maimonides ist absolut ´modern´, denn in der modernen Industriekultur leiden, wie man in jeder Tageszeitung nachlesen kann, immer mehr Menschen an Verdauungsstörungen. Immer mehr Menschen nehmen sich immer weniger Zeit zum 18
Vgl. Horst Stern: Mann aus Apulien, 5. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2013. Die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Pfaffenhofen“ veranstaltet am 2. Oktober 2014 einen „Tag der seelischen Gesundheit“ ziemlich feierlich „mit einem Stehempfang im Rathaussaal Pfaffenhofen.“ Auch die politische Landkreis-Prominenz lässt grüßen. 20 Von den 8 Kapiteln in seiner Schrift „Acht Kapitel. Eine Abhandlung zur jüdischen Ethik und Gotteserkenntnis“, Deutsch und Arabisch (in hebräischer Schrift) von Maurice Wolff, 2. Auflage. Hamburg 1992“ beziehen sich zwei auf die Krankheiten der Seele. Kap. 3 betitelt sich „Von den Krankheiten der Seele“, Kap. 4 „Von der Heilung der Seelenkrankheiten“. 19
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Essen. Schlechte und mangelhafte Ernährung ist auf jeden Fall ein Weg, der von Gott wegführt. Denn dieser Weg schwächt nicht nur den Körper, sondern auch die Seele und die Pneumata des Menschen. Maimonides beeinflusste auch den großen Gelehrten der mittelalterlichen Scholastik, Thomas von Aquin, der die meisten Zeit seines Lebens in Paris lehrte, in seiner Gottes- und Schöpfungslehre und bis in die neueste Zeit herein noch weitere christliche Theologen und Philosophen21, wohl auch Baruch Spinoza.22 Seine theologisch-philosophische Lehre hatte überhaupt beträchtliche Auswirkungen auf die Theologie und Philosophie des gesamten lateinischen Westens.23 Noch größer wurde die Belastung und Verantwortung für Maimonides, als Al Afdal Nur ad Din Ali, der ältere Sohn von Sultan Saladin, der 1193 bis 1196 Emir von Damaskus war, ihn am 3. März 1193 nach dem Tod seines berühmten Vaters zu seinem Leibarzt ernannte.24 Das war eine Steigerung seines bisherigen Ranges, bedeutete aber auch viel mehr Arbeit als bisher. In dieser Position war Maimonides verantwortlich nicht nur für die Gesundheit von al Afdal, der zum Sultan avancierte, dessen Großfamilie und seine zahlreichen Kinder, die gesamte Verwandtschaft des Sultans, sondern auch für den großen Harem und die
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Vgl. Jacob Guttmann: Der Einfluß der maimonidischen Philosophie auf das christliche Abendland. In: Moses Ben Maimon. Sein Leben, seine Werke und sein Einfluß, hrsg. von der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums, Bd. I, Leipzig 1908, S. 224-250 und Yossef Schwartz: Dein ist die Stille. Meister Eckhart bei der Lektüre des Maimonides (Hebr.). Tel Aviv 2002. 22 Jacob Guttmann: Der Einfluß der maimonidischen Philosophie auf das christliche Abendland, ebd. und Nahum Sokolov: Der Jude Spinoza. In: Spinoza-Festschrift, hrsg. von Siegfried Hessing. Heidelberg 1932. 23 G.K. Hasselhoff: Dicit Rabbi Moyses: Studien zum Bild von Moses Maimonides im lateinischen Westen vom 13. bis 15. Jahrhundert. Würzburg 2004, 2. Auflage 2005 (mit einem Epilog) und G.K. Hassselhoff: The Reception of Maimonides in the Latin World: The Evidence of the Latin translations in the 13th-15th Century”. In: Materia Giudaica. Rivista dell´associazione italiana per lo studio del giudaismo VI/2 (2001), S. 258-280. 24 http://en.wikipedia.org/wiki/Al-Aziz_Uthman (Time of downloading 13rd August 2014).
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zahlreichen Konkubinen.25 Der Tod von Maimonides im Jahre 1204 war nicht nur ein großer Verlust für die Juden, sondern auch für die Muslime. Auch die armen Leute hatten einen guten Freund verloren, der Arzt geworden war nicht primär des Geldes, sondern der Menschen und Gottes wegen. Quellen und Methoden Moses Maimonides ist der Verfasser vieler medizinischer Werke. Er publizierte aber nicht nur medizinische, sondern auch viele theologische und philosophische Abhandlungen von höchster Kompetenz. Ernährungsfragen behandelt er sowohl in den rein medizinischen Traktaten als auch – eher peripher - in seinen theologischen und philosophischen Werken, doch hier meist aus der seelisch-geistigen Perspektive. Selbst in seinem philosophisch-theologischen Hauptwerk Guide of the Perplexed (arabisch Dalālat al Chā´irīn, hebräisch More ha-Nevukhim, deutsch Führer der Unschlüssigen)26 kommt Maimonides mehrfach auf Ernährungsfragen zu sprechen. Doch auch hier ist Ernährung weitaus mehr als eine rein physisch-materielle Bedürfnisbefriedigung. Der Schwerpunkt der Ernährung liegt für Maimonides allerdings bei den medizinischen Abhandlungen. In dem Werk More ha-Nevukhim, das in arabischer Sprache und in hebräischen Lettern geschrieben ist27, will er unschlüssige, unsichere Personen informieren und ihnen in religiöser Hinsicht helfen. Um diese Hilfe 25
Maurice-Ruben Hayoun: Maimonides Arzt und Philosoph im Mittelalter. Eine Biographie, aus dem Französischen übertragen von A. Wildermann. München 1999, S. 7882. Dieses Buch ist heftig kritisiert worden durch die meisten Gelehrten, nicht nur in Frankreich. Nach Prof. Hasselhoff ist es das “most deficient book about Maimonides of the last years.” 26 Sie finden einen guten Überblick über das Werk The Guide of the Perplexed und seine Bedeutung in der Maimonides-Forschung im Buch von G. K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen. Nordhausen 2009, S. 21-27, S. 41-46 und S. 56f. 27 Artikel Moshe ben Maimon. In: J.F. Oppenheimer etc. (Hrsg.): Lexikon des Judentums, Gütersloh/Berlin/München/Wien 1971, S. 524. Vgl. auch Hans Christoph Goßmann: Altes Testament und christliche Gemeinde. Nordhausen 2012 (Jerusalemer Texte, Vol. 10), S. 66.
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zu ermöglichen und umzusetzen, ist es nicht ausreichend, nur die Gesundheit des Körpers wiederherzustellen, sondern man muss auch die Seele heilen bzw. heil machen. Vor allem in seinen theologischen und philosophischen Abhandlungen macht er deutlich, dass die Seele einen höheren Rang habe als der Leib. In diesem Sinne ist es also nur logisch für Maimonides, Essen und Trinken nicht nur auf den Körper, sondern auch und vor allem auf die Seele zu beziehen. Das Gleichgewicht von Seele und Körper - eine Idee, welche er von Aristoteles und den antiken Ärzten Hippokrates und Galen übernahm – ist für ihn nicht nur eine physische, sondern auch philosophische und theologische Kategorie.28 Für Maimonides ist Gott auch präsent, wenn er isst und trinkt, also in allen Lebenslagen. Essen und Trinken sind für ihn viel mehr als ein physisch– materieller Prozess. In einigen theologischen Werken nimmt Maimonides immer wieder Bezug auf Thora und Talmud. Und diese Bezugnahme ist wichtig, denn diese beiden heiligen Schriften äußern sich in besonderem Maße zur Frage, welche Nahrungsmittel und Getränke für Juden erlaubt sind oder welche nicht. Solche Kommentare finden sich – neben dem Führer der Unschlüssigen (Guide of the Perplexed) - besonders im Mishna-Kommentar zu den Proverbs of Fathers (Avot), im Kommentar zur Halakha, im Book of Commandments (Sefer ha-Mitsvot, Buch der Gebote) und sogar in einigen Briefen. Ich verweise dabei vor allem auf den berühmten Sendbrief in den Jemen von 1199, in welchem Maimonides seinen Tagesablauf schildert29 und sich negativ über die antijüdische Einstellung der „Leute des Ismael“, die muslimischen Araber, äußert.30
28
Vgl. Wilhelm Kaltenstadler: „Seelenkräfte“ und „Bewegungen der Seele“ im medizinischen Werk des Moses Maimonides - Moderne Betrachtungen zum 875. Geburtstag von Maimonides, auch als englische Version erhältlich: „Spirits“ und „Movements of the Soul“ in the medical work of Moses Maimonides, Weihnachtsausgabe der Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW), Jahrg. 138, Heft 51/52, 2013, S. 2658-2662. 29 Görge K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, a.a.O., S. 27 inkl. Fußnote 40. 30 Quelle: http://guapotg.wordpress.com/2011/04/03/excerpt-from-maimonides-letter-toyemen-concerning-mohammed-and-islam/.
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Genauere Aussagen, Erklärungen und Informationen über Nahrungsmittel und Getränke enthalten jedoch die medizinischen Abhandlungen von Maimonides. Eine Fülle von Material findet sich in den folgenden medizinisch ausgerichteten Abhandlungen: Laws of Human Temperaments, Maimonides Medical Writings, Vol. 4, Haifa 1990. In dieser Abhandlung beschreibt Maimonides die vier Temperamentstypen, die bereits den antiken Ärzten bekannt waren, nämlich Melancholiker, Sanguiniker, Melancholiker und Choleriker und deren Anfälligkeit bzw. Disposition für bestimmte Krankheiten. Maimonides kombiniert dann diese Temperamentstypen mit den vier BasisElementen, nämlich Erde, Luft, Wasser und Feuer und den vier Grundeigenschaften (Qualitäten) trocken, kalt, feucht und heiß.31 Diese Abhandlung wurde wohl erst nach 1190, also in den letzten Lebensjahren von Maimonides publiziert. Abhandlung zu den Ursachen der Symptome (Treatise on the Causes of Symptoms), Vol. 4, Haifa 1990, wahrscheinlich in den späten 90er Jahren des 12. Jahrhunderts (siehe unten) veröffentlicht. Maimonides´ Medical Aphorisms, Treatises 1-5 (Kitāb al-fusūl fī al altibb), Medical Works, hrsg. druch Gerrit Bos, Provo/Utah 2007, Vol. 3 von Maimonides´ Medical Writings (Herausgeber Fred Rosner), Haifa 1989. “Nach Harry Friedenwald handelt es sich bei dieser Schrift gewissermaßen um das (medizinische) Lebenswerk des Maimonides.“32 Diese Abhandlung wurde in den Jahren zwischen 1187 und 1190 verfasst. 33
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Wilhelm Kaltenstadler: Gesundheit, Hygiene und Krankheit bei Maimonides, ebd., S. 91-94 und mein unpublizierter Vortrag „Gesundheit und Krankheit bei Moses Maimonides“ in der Synagoge von Ermreuth (Oberfranken) im Juli 2013. 32 Görge K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, a.a.O. S. 31f. 33 Harry Friedenwald: The Jews, S. 201-208, zit. nach G.K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, ebd. S. 32.
17
Two Regimina Sanitatis, Treatises on the Regimen of Health, Maimonides´ Medical Writings, Vol. 4, Haifa 199034. Das große Regimen Sanitatis wird in zwei Übersetzungen35 überliefert, eine davon in zwei Versionen.36 Diese „Diätetik für die Seele und den Körper“ enthält „die wichtigsten Anschauungen des Maimonides über Medizin und die Aufgaben eines guten Arztes.“37 Viele medizinischen Werke von Maimonides wurden durch den jüdischen Konvertiten Johannes von Capua (geb. ca. 1250, gest. ca. 1310)38 und Armengaud Blaise (gest. 1312) im Laufe des 13. Jahrhunderts ins Lateinische39 übersetzt. Das kleine Regimen, in zwei Versionen überliefert, ist identisch mit der Schrift De causis accidentium (On the causes of symptoms).40 Diese Schrift ist ursprünglich überliefert als Anhang zum Regimen Sanitatis und bildet Kap. 5 davon.41 Im großen Regimen gibt Maimonides dem Kalifen von Kairo gute Ratschläge für eine gesunde Lebensführung und zeigt, wie man melancholische Anfälle vermeiden kann. Im 1. Kapitel äußert er sich zu den Diät-Ratschlägen von Hippokrates und Galen. Im 2. Kapitel stabilisiert er diese durch philosophische Ratschläge für eine Hygiene der Seele. Das letzte Kapitel bietet eine Liste von 17 Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der See34
G. K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, ebd., S. 32f. In dieser Abhandlung gibt Maimonides vor allem gute Ratschläge für einen gesunden Lebensstil. 35 Regimen Sanitatis oder Diätetik für die Seele und den Körper, ins Deutsche übersetzt durch Süssmann Muntner, Basel und New York 1966. 36 Sie finden eine Menge von Bemerkungen zu den medizinischen Übersetzungen von Maimonides in der Abhandlung von G.K. Hasselhoff: The Translations und the Reception of the Medical Doctor Maimonides in the Christian Medicine of the Fourteenth und Fifteenth Centuries. In: Georges Tamer (Hrsg.), The Trias of Maimonides / Die Trias des Maimonides: Jewish, Arabic, und Ancient Culture of Knowledge / Jüdische, arabische und antike Wissenskultur (Studia Judaica: Forschungen zur Wissenschaft des Judentums, 30). Berlin-New York 2005, S. 395-410. 37 Süssmann Muntner: Regimen Sanitatis oder Diätetik für die Seele und den Körper, Basel und New York 1966, S. 25. 38 G.K. Hasselhoff: Johannes von Capua und Armengaud Blaise als Übersetzer medizinischer Werke des Maimonides. In: Wissen über Grenzen. Arabisches Wissen und lateinisches Mittelalter, hrsg. von A. Speer und L. Wegener. Berlin – New York 2006, S. 347-352. 39 G.K. Hasselhoff: Johannes von Capua und Armengaud Blaise, ebd., S. 343-347. 40 G.K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, a.a.O., S. 52. 41 G.K. Hasselhoff: Johannes von Capua und Armengaud Blaise, ebd., S. 348.
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lenhygiene.42 „Beide Regimina sanitatis des Maimonides stammen wahrscheinlich aus der Regierungszeit des Sultan Al-Afdal (1198-1200).“43 In seiner „Übersicht über Entstehungszeiten und –orte der wichtigsten Schriften von Maimonides“ datiert Hasselhoff den Regimen Sanitatis auf das Jahr 1198.44 Abhandlungen zu Poisons Hemorrhoids Cohabitation, Maimonides´ Medical Writings, von Fred Rosner übersetzt und mit Anmerkungen versehen, publiziert durch das Maimonides Research Institute, Vol. 1, 2. Auflage, Haifa 1988. Dieses Werk veranschaulicht die medizinische Philosophie von Maimonides. Diese besteht darin, sanftere Methoden der Medizin zu bevorzugen und medizinische Eingriffe und Operationen nach Möglichkeit zu vermeiden.45 Bei diesen Krankheitsarten ist es typisch, dass verschiedene Methoden der Medizin (möglichst sanfte) und oft auch mehrere Medikamente kombiniert werden, um Patienten wieder gesund zu machen. Diese Abhandlung wurde wahrscheinlich in den Jahren von 1190 bis 1198 verfasst. The Art of Cure. Extracts from Galen, Maimonides´ Medical Writings, übersetzt nach arabischen Manuskripten und mit Anmerkungen versehen durch Uriel S. Barzel mit einem Vorwort von Fred Rosner und einer Bibliographie von Jacob I. Dienstag, publiziert durch das Maimonides Research Institute, Vol. 5, Haifa 1992 (mit einem Vorwort von Fred Rosner). Maimonides´ Kommentar zu den Aphorismen von Hippocrates, Maimonides´ Medical Writings, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Fred Rosner, publiziert durch das Maimonides Research Institute, Vol. 2, Haifa 1987. Diese Schrift entstand in den Jahren von 1190-1198.46 Maimonides: Responsen auf medizinische Fragen. Über die Ursachen der Anfälle (für den Sultan Al-Afdal Nur Al-Din-´Ali), deutsche Überset42
G.K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, ebd., S. 33. G.K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, ebd., S. 32. 44 G.K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, ebd., S. 36f. 45 G.K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, ebd., S. 34f. 46 G.K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, ebd. S. 31. 43
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zung durch Süssmann-Muntner (Anhang zu Regimen Sanitatis), S. Karger, Basel – New York 1966. Al Afdal regierte nur zwei Jahre als Sultan. „Al-Adil, ein Bruder Saladins, besiegte seine Armeen und wurde demzufolge zum Sultan von Ägypten ernannt.“47 Diese für Al-Afdal bestimmte Schrift ist wohl um 1200 herum in enger Verbindung mit dem Regimen Sanitatis entstanden. Denn das den Regimen betreffende Sendschreiben von Maimonides an den Sultan El-Afdal (al-Afdal) wurde auf die Jahre 1198-1200 datiert.48 „Die befassen sich mit dem Essen und Trinken, Schlaf und Unterhaltung, Reiten und Leibesübungen und Musik als Beihilfe zu gutem Schlaf“.49 In den Responsen gibt Maimonides seinem Patienten Sultan Al-Afdal Anweisungen, die sich vor allem auf seine namentlich nicht näher bezeichneten Anfälle beziehen. Fest steht dass der Sultan zu Depressionen neigte und dass Maimonides ihm sogar Bier und Wein, gewissermaßen als Medikamente, und alkoholhaltige Präparate wie den Hydromel empfahl.50 Das Werk des Maimonides, das die meisten Informationen zum Nahrungswesen enthält und mit einer gut strukturierten systematischen Methode verbunden ist, die sich nicht nur auf die Krankheiten des AsthmaKomplexes erstrecken, ist sein Buch über das Asthma, Maimonides´ On Asthma. A parallel Arabic-English text edited, translated, annotated by Gerrit Bos, Volume I of the complete medical works of Moses Maimonides, Brigham Young University Press, Provo, Utah 2002. Gerrit Bos bietet die erste wirklich kritische Edition der Abhandlung über das Asthma zusammen mit einer sehr brauchbaren Übersetzung vom Arabischen ins Englische. Es gibt aber auch eine sehr empfehlenswerte,
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Einleitung zur Geschichte der Abfassung dieser Schrift zu Süssmann Muntner: Regimen Sanitatis, a.a.O., S. 21-23, hier S. 22. 48 Untertitel zum Vorwort zur „Diätetik für die Seele und den Körper“ zu Süssmann Muntner, ebd., S. 59. 49 Süssmann Muntner: Inhaltsübersicht über die als Anhang zu Regimen Sanitatis, 1966, S. 119-124, hier S. 120. 50 Maimonides: Responsen, a.a.O., Absatz 20 und 21.
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manchmal allerdings etwas freie kritische Übersetzung durch Fred Rosner: Moses Maimonides´ Treatise on Asthma, Maimonides´ Medical Writings, translated and annotated by Fred Rosner with bibliography by Jacob I. Dienstag, Maimonides Research Institute, Vol. 6, Haifa 1994. Das Buch über das Asthma verdankt seine Entstehung dem Auftrag eines unbekannten wohl in Alexandria lebenden Sponsors von hohem sozialem Rang51. Es wurde etwa um 1190 herum in arabischer Sprache, aber mit hebräischen Lettern veröffentlicht. In fast allen Kapiteln dieses Buches nimmt Maimonides mehr oder weniger intensiv Stellung zu Fragen der Ernährung. Allein sechs Kapitel haben jedoch ausschließlich mit Ernährung zu tun. Ich verweise im Folgenden ganz kurz auf die Inhalte dieser Kapitel: Kapitel 2: “On the provision of rules concerning the foods to be eaten or avoided in relation to this disease” (Gerrit Bos)52 Kapitel 3: “On the different kinds of food which should be avoided or consumed, [selected] from those foods that are [readily available and] common [among us]” (Gerrit Bos)53 Kapitel 4: “On the composition of [different] dishes which are beneficial in this disease” (Gerrit Bos)54 Kapitel 5: “On the quantity of food” (Gerrit Bos)55 51
Vgl. Wilhelm Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma. Nordhausen 2013 (= Jerusalemer Texte, Vol. 12), Kap. „Das Asthmawerk im Rahmen des medizinischen Gesamtwerkes von Maimonides“ S. 9-15 und „Maimonides´ Einführung in sein Asthmawerk“, S. 15-17. 52 Übersetzung: Zur Festlegung von Regeln, welche Nahrungsmittel betreffen, welche gegessen oder mit Bezugnahme auf diese Krankheit [Asthma] vermieden werden sollen. 53 Übersetzung: Über die verschiedenen Arten von Nahrung, welche vermieden oder konsumiert werden sollten, ausgewählt aus den Nahrungsmitteln, die ohne weiteres beschaffbar und bei uns üblich sind. 54 Übersetzung: Über die Zusammensetzung verschiedener Gerichte, die bei dieser Krankheit förderlich sind.
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Kapitel 6: “On the times [of day] for the consumption of food” (Gerrit Bos)56 Kapitel 7: “On beverages” (Gerrit Boos)57 In einem weiteren Sinne haben auch die folgenden Kapitel etwas mit Ernährung zu tun: Kapitel 9 “On the [proper] regimen for retention and evacuation”58 zeigt die Auswirkungen einer schlechten oder mangelhaften Ernährung vor allem im Bereich der Retention und Entleerung. Kapitel 10 “On the [proper] regimen regarding sleep and waking, bathing, massage, and sexual intercourse”59 demonstriert die positive Auswirkung der Ernährung an der Qualität des Schlafens, Wachens, Badens, der Massage und des sexuellen Verkehrs. Eine gute Ernährung ist für Maimonides – nicht nur in seinen medizinischen Werken – die Vorbedingung für eine Anwendung therapeutischer Regeln auf die Behandlung des Asthmas und vergleichbarer Krankheiten, wie das sehr gut im Kapitel 11 des Asthmawerkes nachgewiesen ist. Das antike Prinzip des gesunden Mittelweges gilt nicht nur für seelische und geistige Aktivitäten, sondern lässt sich auch auf die Nahrungsaufnahme anwenden. Die beiden folgenden Beispiele finden sich interessanter Weise nicht in einem medizinischen Werk, sondern in der philosophisch-theologischen Abhandlung mit dem bescheidenen, unscheinbaren Titel „Acht Kapitel“ (Schemona Perakim). Diese Schrift, ursprünglich in Arabisch verfasst, ist in dem im Jahre 1167/68 abgeschlossenen Perusch all Mischna (Kommentar zur Mischna) enthalten. Bei Schemona Perakim handelt es sich um einen Kommentar zum Mischna-Traktat Awot, „in dem Maimonides in seinen Erörterungen über die Vervollkommnung der 55
Übersetzung: Über die Nahrungsmenge. Übersetzung: Über die Zeiten (Tageszeiten) der Nahrungsaufnahme. 57 Übersetzung: Über Getränke. 58 Übersetzung: Über die geeignete Kur zur Retention und Entleerung [des Darmes]. 59 Übersetzung: Über das geeignete Verhalten Im Bereich des Schlafes, Wachens, Baden, Massage und sexuellem Verkehr. 56
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Seele einen ersten Syntheseversuch zwischen griechisch-arabischer und rabbinischer Weltanschauung unternimmt.“60 So ist die Enthaltsamkeit eine Handlungsweise, „welche die Mitte hält zwischen der Genusssucht und der Fühllosigkeit für das Vergnügen“, sie ist damit auch „eine moralische Tugend“.61 Die Genügsamkeit bzw. Mäßigkeit, welche in der europäischen Kultur bis zum Aufkommen des Industrialismus als die Beachtung des gesunden Maßes - eine der vier antiken Kardinaltugenden - gedeutet und vor allem auch für das Konsumverhalten als wichtig erachtet wurde, stellt die Mitte „zwischen der Begehrlichkeit und der Trägheit“62 dar. Wie wenig diese beiden Prinzipien in der modernen Industriegesellschaft von heute beachtet werden, wird allein schon dadurch deutlich, dass im ´reichen´ Deutschland mehr als die Hälfte aller Nahrungsmittel im Müll landen. Die Drogen von Kapitel 12 “On the composition of drugs necessary for every different kind of this disease, according to the scope of this treatise” (Gerrit Bos)63 sind in einigen Fällen identisch mit normalen Nahrungsmitteln, Suppen64, Früchten und Getränken. Sowohl in den medizinischen als auch in den theologisch-philosophischen Werken des Maimonides schließen Drogen, Medikamente und Nahrungsmittel einander nicht aus. Es gibt bei ihm zahlreiche Beispiele, z.B. bestimmte Suppen, welche sowohl Nahrungsmittel darstellen, aber in besonderen Fällen auch als Medikamente empfohlen werden. Oft werden solche NahrungsMedikamente auch mit anderen Heilungsmethoden kombiniert. Einige medizinische Regeln im Asthma-Schlusskapitel 13 “On the provision of rules, few in number but of great help for people in general, concerning the regimen of health and the healing of diseases; in hortatory 60
Frederek Musall und Yoseff Schwartz: Einleitung, a.a.O., S. 17. Maimonides: Acht Kapitel, a.a.O., S. 16. 62 Maimonides: Acht Kapitel, ebd., S. 17 (Viertes Kapitel). 63 Übersetzung: Über die Zusammensetzung von Drogen, notwendig für jede unterschiedliche Art dieser Krankheit gemäß dem Zweck dieser Abhandlung. 64 Vgl. dazu die 2. kürzere Abhandlung dieses Buches mit dem Titel „Medikamente im Asthmawerk von Maimonides“. 61
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form”65 dienen der Erhaltung der Gesundheit und der Heilung von Körper und Seele. Es handelt sich zum Teil auch um Regeln, welche das Nahrungswesen (wie oben an zwei Beispielen angedeutet) mit dem Goldenen Mittelweg in Verbindung bringen. Die allgemeine Regel des Goldenen Mittelweges ist von enormer ethischer Relevanz und – neben dem leitenden Prinzip des physischen und psychischen Gleichgewichts – ein ganz wichtiges Element des medizinischen Konzeptes von Moses Maimonides. Einführung in das medizinische Konzept von Moses Maimonides Im Allgemeinen stellt aber für das Gesundheitskonzept von Maimonides nicht die Wiederherstellung, sondern die Erhaltung der Gesundheit die wünschenswerte Idealform dar. Wie in der alten chinesischen Medizin ist für Maimonides der gute Arzt derjenige, der alles nur Erdenkliche tut, dass seine Patienten nach Möglichkeit gar nicht krank werden. Görge K. Hasselhoff hat unter Bezugnahme auf H. Ackermann, H. Schipperges und S. Sh. Kottek66 die wichtigsten Grundzüge der medizinischen Lehre des Maimonides stichpunktartig festgehalten. Grundlegend zur Medizin und medizinischen Ethik im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spanien ist die Monographie von Samuel Kottek67 aus dem Jahre 1996 in englischer Sprache. Für Maimonides ist die Medizin, mehr Kunst als Wissenschaft, „1. Nicht allein für Kranke zuständig, sondern als Präventivmedizin hat sie auch für Gesunde Bedeutung. Entsprechend werden keine absoluten Sätze aufgestellt. 2. beginnt die Heilung bei der rechten Ernährung. 65
Übersetzung: Festlegung von Regeln, wenig an der Zahl, aber im Allgemeinen von großer Hilfe für die Leute bezüglich der Gesundheitskur und der Heilung von Krankheiten, in anspornender Form. 66 Johannes von Capua und Armengaud Blaise, a.a.O., S. 342f, Anm. 9. 67 Samuel S. Kottek: Medicine and Medical Ethics in medieval and early modern Spain: an intercultural approach, Jerusalem 1996.
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3. führt gründliche Anamnese zu 4. sachgemäßer und zurückhaltender Medikation; dabei werden 5. das Allheilmittel Theriak und Phlebotomie nur zurückhaltend angewendet. Das führt dazu, daß 6. die Sex res non naturales eine andere Definition erhalten.“68 Die rechte Ernährung, bei Maimonides vor allem vom Temperament-Typ (Choleriker, Phlegmatiker, Sanguiniker, Melancholiker) und von den jeweiligen Körpersäften (Schwarze Galle, Gallenschleim bzw. Phlegma, gelbe bzw. hepatobiliäre Galle und rote Galle bzw. Blut) abhängig, ist nicht nur der Einstieg in das Medizinsystem von Maimonides, sondern auch die unbedingte Basis und Voraussetzung dafür, dass der Patient seine Gesundheit erhalten und evtl. auch mit Hilfe des Arztes wiederherstellen kann. Wegen der starken Differenzierung der Ernährung nach der Art des Temperaments und der Verteilung der Körpersäfte des Patienten hütet sich Maimonides davor, absolute generelle medizinische Regeln und Gesetze aufzustellen. Er gehört zu den - heutzutage seltenen - Ärzten, die nicht sofort den Rezeptblock zücken und dem Patienten nicht gleich eine Operation aufschwätzen. Die Sex res non naturales von Hippokrates und Galen, nämlich Licht und Luft, Speise und Trank, Arbeit und Ruhe, Schlaf und Wachsen, Absonderungen und Ausscheidungen, Anregungen des Gemüts69 bekommen bei Maimonides eine umweltbezogene und psychosomatische Perspektive.70 Seiner Zeit weit voraus, ist Maimonides auch mit der Anamnese vertraut. Bei dieser Methode, die über die reine Individual-Medizin hinausreicht, verwendet der Arzt die Krankheits- und Leidensgeschichte des Patienten, und zwar auch aus der Sicht der Seele, im Falle bestimmter Krankheiten als Grundlage der The-
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Johannes von Capua und Armengaud Blaise, ebd., S. 343. Wilhelm Kaltenstadler: „Seelenkräfte“ und „Bewegungen der Seele“ im medizinischen Werk des Moses Maimonides, a.a.O., S. 2658. 70 Wilhelm Kaltenstadler: „Seelenkräfte“ und „Bewegungen der Seele“, ebd., S. 2659f. 69
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rapie. Im Grunde hat Sigmund Freud dieses Verfahren optimiert und perfektioniert. Trotz seiner eindeutigen Vorliebe für die Präventivmedizin sind gesunde Nahrungsmittel und Medikamente, vielfach aufeinander abgestimmt, für zahlreiche Krankheiten die wichtigsten Instrumente nicht nur zur Aufrechterhaltung der Gesundheit, sondern auch für die Heilung von Krankheiten. Maimonides empfiehlt seinen Lesern und Patienten aber nicht nur Medikationen und Nahrungsmittel, sondern gibt ihnen auch eine Menge weiterer Empfehlungen, z.B. gesunden Schlaf, Baden71, Massage, regelmäßige Gymnastik und körperliche Übung [heute würde man das als sportliche Betätigung bezeichnen]72. Die 18. Abhandlung der Medizinischen Aphorismen des Maimonides widmet sich ausschließlich der „körperlichen Übung“ (Physical Exercise).73 Bei vielen Krankheiten, vor allem wenn die seelischen Pneumata betroffen sind, müssen für eine Heilung auch Geist und Seele trainiert werden: Positives Denken, die Erkenntnis der „Bewegungen der Seele“74 und eine profunde „ethische Philosophie“ sind unverzichtbar.75. Man sieht hier: Es gibt Fälle, für welche die Beachtung der Zehn Gebote nicht ausreichen. 71 Die 9. Abhandlung der „Medizinischen Aphorismen“ von Maimonides (Hrsg. Rosner – Muntner), Vol. 2, 1971, S. 54-62 nimmt Bezug auf das Badewesen. 72 Maimonides behandelt eine Reihe von Regeln, die sich auf Übung und physisches Training bezieht, in The Medical Aphorisms. Medical Writings, Vol. 4 (Hrsg. F. Rosner). Haifa: 1990, 17. Abhandlung, z.B. die Regel 1, Regel 4, Regel 7, Regel 10, Regel 14, Regel 27 etc. Die 18. Abhandlung dieses Bandes “behandelt Aphorismen, die sich auf körperliche Übung beziehen” und auch auf das Training des Geistes. 73 F. Rosner und S. Muntner (Hrsg.): The Medical Aphorismus of Moses Maimonides, Vol. 2, New York 1971, 18. Abhandlung, S. 51-53. 74 Wilhelm Kaltenstadler: „Seelenkräfte“ und „Bewegungen der Seele“ im medizinischen Werk des Moses Maimonides, a.a.O., S. 2658-2662. 75 Moshé Feldenkrais (1904-1984) entdeckte viele Jahrhunderte nach Moses Maimonides das wichtige Phänomen von kombinierter körperlicher und geistiger Übung. Die Feldenkrais-Methode wird angewandt in zwei Arten. Die eine ist die Erwerbung von Bewusstheit (Bewusstmachung) in einer Gruppe, die andere ist das Lernen von neuen Arbeitsbewegungen durch funktionale Integration in der Form von Einzelarbeit und nicht in einer Gruppe. Vgl. A. Laurenti: Körper und Geist in Bewegung. In: Donaukurier, Nr. 168, 2. Juli 2013, S. 3.
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Für manche Temperaments- (Melancholiker etc.) und Dispositionstypen (z.B. Anfälligkeit für Depressionen) ist sogar maßvolle sexuelle Betätigung, in welcher der sexuelle Partner aber nicht zum Objekt der Lust degradiert wird, durchaus förderlich. Eine „animalische Wollust“76 des Mannes bzw. Ehemannes lehnt Maimonides ab. Für ihn sind sexuelle Beziehungen Ausdruck und Modell für die Liebe zwischen Mensch und Gott.77 Ganz wichtig für das medizinische Konzept von Maimonides ist: Fast immer neigt dieser dazu, bei allen die Gesundheit betreffenden Maßnahmen mehrere Methoden miteinander zu kombinieren. Er ist überzeugt, dass der beste Weg, die Gesundheit zu erhalten und diese wiederzugewinnen, die Kombination verschiedener Methoden ist. Welche Methoden er z.B. bei wem zum Einsatz bringt, das hängt z.B. u.a. auch davon ab, welchen der vier Temperamentstypen ein Patient angehört und welche Symptome bei welchen Krankheiten auftreten. Natürlich hängt die Auswahl der Methoden nicht unerheblich von den Erfahrungen ab, die ein Arzt im Laufe seines Lebens und im Rahmen bestimmter Krankheitstherapien gesammelt hat. Im modernen europäischen Medizin-System wird nicht nur die Methode der Prophylaxe immer mehr vernachlässigt – es lässt sich damit wohl nicht genug Geld verdienen – sondern auch die meisten Praxis-Ärzte sind vom medizinischen System her zunehmend gezwungen, Patienten möglichst schnell durch die Praxis zu schleusen und kranken und gesunden Patienten (es gibt heutzutage so viele Halbkranke und Halbgesunde) Rezepte schnell zu verschreiben. Ein solcher Trend wird sogar von führenden Protagonisten des deutschen Gesundheitssystems beklagt. Vor allem älteren Leuten, so liest man sogar in den Tageszeitungen, verschreiben viele deutsche Ärzte zu viele Medikamente, vor allem in Tablettenform, gleichzeitig– der Allgemeinarzt, der Zahnarzt, der Augenarzt, der Ortho76
H. Schipperges: Krankheit und Gesundheit bei Maimonides, a.a.O., S. 83. W. Zev Harvey: Sex and Health in Maimonides, herausgeg. durch Fred Rosner und Samuel S. Kottek: Moses Maimonides – Physician, Scientist, and Philosopher, Northvale, New Jersey London 1993, S. 33-39. 77
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päde, der Urologe bzw. Gynäkologe, ebenso wie die anderen medizinischen Spezialisten. Keiner dieser verschreibenden Ärzte weiß, was der jeweils andere verordnet hat. Es gibt wohl auch keine Instanz, welche daran interessiert ist, diese Verschreibungspraxis zu koordinieren. Die Allgemeinärzte hätten keinen Vorteil, wenn sie das täten. Man beachte, dass die meisten Ärzte, die einen Patienten behandeln und ihm Medikamente verschreiben, sich oft gegenseitig gar nicht kennen und wohl auch nicht daran interessiert sind, sich kennenzulernen. Koordinationsmöglichkeiten verschiedener Arzttypen gibt es eigentlich eher in Krankenhäusern, wo die Ärzte unter einem Dach auch durch eine feste Organisation verbunden und aufeinander angewiesen sind. Wir sind heute weit von der Forderung von Maimonides entfernt, dass behandelnde Ärzte bei der Therapie und Heilung von Patienten enger zusammenarbeiten sollten.78 Diese mangelhafte, ungenügende und häufig sogar fehlerhafte Kooperation diverser Experten hat in den letzten Jahren ein so eklatantes Ausmaß angenommen, dass jede zehnte ältere Person hospitalisiert ist, weil diese zu viele verschiedene Medikationen von zu vielen Ärzten bekommen hat.79 Darüber hinaus hat die Zahl der geistigseelischen Erkrankungen in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Nach Auffassung von Marion Dorsch-Baer vom Sozialpsychiatrischem Dienst der Caritas Pfaffenhofen werden in Deutschland (und wohl überhaupt in den Industriestaaten) „vor allem Angsterkrankungen, Depressionen sowie Alkohol- und andere Suchterkrankungen weiter zunehmen“.80 Diese Krankheiten korrespondieren allzu oft mit schlechter Ernährung und Angstsymptomen. Die meisten dieser Erkrankungen werden durch eine negative Rückkopplung – systembedingt - noch verstärkt. 78
Maimonides: On Asthma. A parallel Arabic-English text edited, translated, annotated by Gerrit Bos, Vol I der gesamten medizinischen Werke des Moses Maimonides. Brigham: University Press 2002, Kap. 13, S. 109, no. 49. 79 Text von Gerd Glaeske, Gelehrter der Universität Bremen und Autor des Medikamente-Reports 2013 der Barmer GEK (Barmer Gesundheits-Versicherung). In: Zu viele Medikamente gleichzeitig. Krankenkasse beklagt gefährliche Überversorgung älterer Menschen. In: Donaukurier. 2013 Juni 12, S. 4. 80 www.donaukurier.de/lokales/pfaffenhofen/Pfaffenhofen-Vielfalt-Andersseinmiteinander-leben;art600,2967477 (Stand: 2. Oktober2014).
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Sie können durch bloße Einnahme von Medikamenten nur kuriert, aber nicht geheilt werden. Ich möchte das oben Gesagte, dass Nahrungsmittel auch Medikamente sein können und dass bei manchen der Übergang zwischen Nahrungsmitteln und Medikamenten fließend ist, noch einmal aufgreifen. In vielen Fällen ist es oft schwierig festzustellen, ob eine Pflanze, eine Salbe, eine Kreme (z.B. Rinds- und Schweinefett) etc. mehr als Medikation oder als Nahrungsmittel verwendet wird. Das mag regional auch unterschiedlich gehandhabt werden. Das gleiche Produkt kann für die eine Person eher ein Medikament, für eine andere jedoch eher ein Nahrungsmittel sein. Solche schwankenden Klassifikationen zeigen übrigens, dass es dazu keine allgemeingültigen medizinischen Regeln gibt, welche für alle Leute zu den gleichen Resultaten führen und universell für alle Patienten anwendbar sind. Darum ist für Maimonides und seine antiken Vorgänger die Medizin weitaus mehr Kunst und weniger eine Wissenschaft.81 Ein Beispiel: Für einige Krankheitstypen ist Zucker strikt verboten, für andere Typen jedoch wird die Einnahme von Zucker von den Ärzten empfohlen, wenn auch nicht im Übermaß.82 Zucker wurde seit dem arabischen Mittelalter bis in die neueste Zeit vor allem auch äußerlich angewendet bei der Behandlung von Wunden und zur Behandlung von Infektionen. Moderne Ernährungsforscher lehnen den Zucker nicht generell ab, raten aber zu einem mäßigen Konsum. Die meisten Verbraucher beachten aber noch viel zu wenig, dass eine Menge Zucker häufig versteckt ist in verschiedenen Nahrungsmitteln wie z.B. Fruchtsäften, Dosenfisch, Parfaits etc.83 Seltsam ist: Obwohl es den Zucker schon spätestens seit dem 11. Jahrhundert im arabisch-muslimischen Raum gab, wird er bei Maimonides nicht erwähnt. 81
W. Kaltenstadler: „Kurz ist das Leben, lang die (ärztliche) Kunst…“. Das medizinische Werk des Moses Maimonides. DMW 2010; 135: 2563-2566. 82 W. Kaltenstadler: Zucker als Lebens- und Heilmittel im arabischen Mittelalter. Aus dem medizinischen Werk des Moses Maimonides. DMW 2010; 135: 2567-73. 83 P. Schauer – G. Ollenschläger (Hrsg.): Ernährungsmedizin. Prävention und Therapie, 2. Auflage. München – Jena 2003, S. 900.
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Wirklich effektive Ernährung im 21. Jahrhundert sollte sich im ausgewogenen Gleichgewicht befinden. Die Idee des Gleichgewichts, welche nach wie vor sogar in den Wirtschaftswissenschaften weltweit eine tragende Idee ist, wurde nicht von modernen Gelehrten erfunden, sondern war eine praktische Erfahrungsregel bereits in der Antike und im Mittelalter. Sie wurde auch zu einem Bestandteil der gesamten Lehre von Maimonides. So stehen sowohl bei Maimonides als auch in der modernen Ernährungslehre nicht die einzelnen Nahrungsmittel, Getränke und Medikamente im Vordergrund, sondern deren optimale wirksame und nachhaltige Kombination in Verbindung mit anderen Methoden der Erhaltung und Sicherung der Gesundheit. Nahrungsmittel und Getränke dürfen nicht absolut gesetzt werden, sondern müssen dem Typ, dem Alter, der Jahreszeit und anderen relevanten Kategorien angepasst werden. Was dem einen hilft, schadet oft dem anderen, was übrigens auch bei Medikamenten oft der Fall ist. Es gibt aber eine Form des Konsums, die fast allen Menschen, für welche die gleichen Voraussetzungen zutreffen, schadet: Sehr viele Menschen der modernen Industriegesellschaft haben zu wenig Bewegung und können somit ein Übermaß an Fett und Fleisch nicht verkraften. Das gilt ganz besonders für bewegungsarme Kinder, welche zu wenig Fisch, zu wenig pflanzliches Protein und zu viele Süßigkeiten konsumieren. Immer mehr Kinder und Erwachsene leiden in Industriegesellschaften an Übergewicht, was zahlreiche Krankheiten mit sich bringt und zu Kettenreaktionen führen kann. „Laut Statistischem Bundesamt ist [in Deutschland] jeder zweite Deutsche zu dick.“ Der genaue Wert beträgt 52 %. Bei den Männern ist der Wert noch viel höher als bei der Gesamtbevölkerung: „62 % von ihnen sind zu schwer, von den Frauen bringen nur 43 % zu viel auf die Waage.“ 84 Wenn man den Übergewichts-Trend der letzten Jahren in die Zukunft interpoliert, dann nehmen diese extremen Werte eher noch zu. Wenn man diesen Trend stoppen will, dann müssen nicht nur die Nahrungs-, sondern überhaupt die Lebensgewohnheiten geändert werden. Ernährungswissenschaftler warnen vor Kalorienfallen, „kalorienhaltigen Snacks“, zu viel fettem 84
Wenn die Kilos am Körper kleben. In: Donaukurier Nr. 255, 6.11.2014, S. 6.
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Fleisch und Zucker in Verbindung mit Bewegungsmangel. Es gibt immer weniger Berufstätige, welche sich die Mühe machen, daheim weniger kalorienhaltige Speisen für Eltern und Kinder zuzubereiten. In dieser Hinsicht ist die Ernährungslehre von Maimonides für den modernen Menschen von heute aktueller denn je. Sie beruht – was man heutzutage gar nicht oft genug sagen kann - auf den Prinzipien des Mittelweges, des Gleichgewichtes und der Mäßigkeit und ist nicht nur auf rein materielle Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet. Schauer und Ollenschläger, zwei deutsche Ärzte, die sich auf Präventivmedizin und Ernährungslehre spezialisierten, empfehlen Getränke, welche nicht zu viel Zucker enthalten, z.B. Milch, ungesüßten Tee, Mineralwasser und unter Umständen auch mal ein Tasse magenverträglichen Kaffee für Kinder85. Moderne Forscher sind zur Erkenntnis gelangt, dass Kaffee und Kakao, maßvoll konsumiert, nicht gesundheitsschädlich sind, sondern oft sogar – meist begleitend eingesetzt – bei verschiedenen Krankheiten den Heilungsprozess fördern und bei manchen Patienten sogar gegen Depressionen hilfreich sind.86 Auch bei Kreislaufbeschwerden (Hypertonie, Hypotonie) haben sie sich schon bewährt. Noch heute gibt es in Deutschland die große Diskussion, ob die Medizin eine „Heilkunst“ oder eine „Heilkunde“, also eine Wissenschaft, ist.87 Beide Perspektiven der Medizin schließen sich meines Erachtens auch bei Maimonides nicht aus: Medizin ist für Maimonides sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Mit Bezugnahme auf Razis, "father of the Jews“88, macht sich Maimonides keine Illusionen zum zur Einschät85
P. Schauer – G. Ollenschläger (Eds):. Ernährungsmedizin, ebd. S. 901. W. Kaltenstadler: Kaffee – ein Geschenk der Araber an Europa. DMW 2011; 136: 2652-56. Dieser Artikel kann in einer englischen Übersetzung heruntergeladen werden unter dem Titel „Coffee - Arab's present to Europe”, Website des Thieme-Verlags http://www.thieme.de/dmw. In der gleichen Ausgabe findet sich der Artikel von G.G. Belz - D. Mohr-Kahaly: Kakao und dunkle Schokolade zur kardiovaskulären Prävention? (Cacoa and dark chocolate in cardiovascular prevention?), S. 2657-2663. 87 R. Jütte: Heilkunst versus Heilkunde aus medizinhistorischer Perspektive. In: DMW 2012; 137: 2683-2688. 88 Altes Testament 2 Macc 14:37 ff. 86
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zung des Arztberufes: „Die ungebildete Menge sieht in der Medizin ein mechanisch erlernbares Handwerk (das durch Übung erlernt wird).“89 Bei den alten Griechen und wohl auch im mittelalterlichen Ägypten genoss der Handwerker, der griechische Bánausos (Banause) keine hohe Achtung. Das Wort βάναυσoς (bánausos), ursprünglich ein Adjektiv, hat bereits in der Antike die Bedeutung „handwerksmäßig, mechanisch“ wie auch „niedrig, gemein, philisterhaft“. Maimonides schätzt jedoch seinen Beruf völlig anders ein. Er ist sowohl Kunst (téchni) als auch Wissenschaft. Es kommt allerdings bei der Frage „Kunst oder bzw. und Wissenschaft?“ darauf an, welche der sieben medizinischen Kategorien von Maimonides, die dieser aus der muslimisch-arabischen Medizin des Mittelalters übernommen hat, im Vordergrund stehen. Diese Perspektive der Medizin gilt auch für die Ernährungslehre von Maimonides. Hier gibt es so viele physische, psychische, geographische, kulturelle etc. Variable, die von Person zu Person schwanken können, so dass man aus der Perspektive der Ernährung den ärztlichen Beruf mehr als eine Kunst als eine Wissenschaft bezeichnen sollte. Es sind nämlich in der Ernährungslehre mehr Variable als Konstanten. Was für den einen Patienten gut ist, schadet dem anderen. Das macht den Beruf des Arztes aus der Sicht der Ernährungslehre so schwer. Essen und Trinken – eine der sieben fundamentalen GesundheitsKategorien von Maimonides Die muslimisch-arabisch-jüdischen Ärzte des Mittelalters hatten im Allgemeinen sieben Kategorien für die Behandlung kranker und gesunder Patienten. Allein sechs von ihnen beziehen sich z.B. im Asthmabuch des Maimonides auf die Behandlung von Personen, die an Asthma leiden. Alle diese Kategorien dienen in erster Linie dem primären Zweck, die Gesundheit der Patienten zu erhalten und Erkrankungen vorzubeugen. 89
Süssmann Muntner: Regimen Sanitatis oder Diätetik für die Seele und den Körper, a.a.O., Viertes Kapitel, Absatz 8, S. 103 oben.
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Maimonides empfiehlt eine solche Prophylaxe auch bei sog. leichteren oft vernachlässigten Krankheiten wie z.B. Katarrh im 4. Kapitel seines Regimen Sanitatis. Diese Prophylaxe bedarf keiner radikalen Umstellung der Ernährung, wenn man von einigen Vorsichtsmaßnahmen90 beim Essen und Trinken absieht. Manchen Krankenkassenpatienten mag es seltsam vorkommen, dass auch „Essen und Trinken“ – um einen zeitgemäßen Ausdruck zu verwenden eine dieser Wellness-Kategorien ist. Es ist erstaunlich, dass unter diesen sieben Kategorien keine ist, die sich auf eine Therapie der Pflanzenheilkunde im Sinne der Hl. Hildegard von Bingen bezieht. Im Folgenden werden die sieben Kategorien von Maimonides in deutscher Übersetzung einzeln aufgelistet: Umgebende Luft Essen und Trinken (Ernährung) Körperliche Übung (Training und körperliche Bewegung) und abwechselnd Ruhe und Erholung “Bewegungen der Seele” – gegenseitige Abhängigkeit von Leib und Seele Schafen und wach sein Ausscheidung und Retention „Gelegentliche Kategorie“: vor allem sexuelle Betätigung.91 Diese sieben medizinisch relevanten Kategorien zeigen, dass das medizinische System von Maimonides multifunktional ist und dass der Gebrauch von Medikamenten für das Gesundheitssystem und die Gesundheit der meisten Patienten für ihn zweitrangig ist. Damit wird deutlich, dass die Konzeption seiner medizinischen Therapie äußerst modern ist. Denn in diesen Kategorien findet man genau die Punkte, welche seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts wieder äußerst wichtig geworden sind. Die 90 Süssmann Muntner: Regimen Sanitatis oder Diätetik für die Seele und den Körper, ebd., Viertes Kapitel, Absatz 13-14. 91 Maimonides. On Asthma (G. Bos), Kap. 1 und W. Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, Vol. 12 der Jerusalemer Texte. Nordhausen 2013, S. 35f.
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Zunahme der meist seelisch bedingten Depressionsfälle der letzten Jahre zum Beispiel zeigt, dass die Betonung der „Bewegungen der Seele“ auf keinen Fall eine fixe Idee von Seiten des Maimonides war. Selbst moderne Asthmaforscher müssen zugeben, dass schlechte Verdauung und mangelhafter Stuhlgang zu einer Verschlimmerung des Asthmas führen können.92 Ganz wichtig aus der Perspektive unserer Zeit scheint die nicht zu leugnende Tatsache zu sein, dass der Faktor “Essen und Trinken” eine therapeutische Kategorie ist. Diese ist ein wichtiges Instrument, sowohl der Asthma-Erkrankung vorzubeugen als auch die Wirkungen von asthmatischen und anderen Erkrankungen zu reduzieren. Es ist aber dabei zu bedenken, dass es viele Nahrungsmittel gibt, die dem Menschen schaden, wenn man sie in größeren Mengen konsumiert. Maimonides stützt sich dabei vor allem auf die Ge- und Verbote der heiligen Schriften der Juden, weicht allerdings gelegentlich auch davon ab. Nützliche, schädliche und verbotene Nahrungsmittel Ernährung – eine Frage der Konstitution Maimonides ist gewohnt, Nahrungsmittel und Getränke mit einem oder manchmal auch mehreren der bereits in der Antike bekannten vier Grundtemperamte (Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker, Sanguiniker) und den vier Körpersäften (gelbe Galle, schwarze Galle, Schleim, roter Schleim, mit Blut identisch) in Verbindung zu bringen. Es ergeben sich somit für Maimonides, seine antiken Vorgänger (Hippokrates, Galen) und die arabisch-muslimischen Ärzte seiner Zeit bestimmte Krankheiten, welche für die vier Temperamente typisch sind bzw. bei bestimmten Temperament-Typen besonders häufig vorkommen. So kann der eine Typ z.B. Bohnen auch in größeren Mengen vertragen, welche bei einem anderen Typ zu Durchfall führen. Der eine ist z.B. auf Orangensaft allergisch, der andere dagegen nicht. Es gibt Leute, die von einem Viertel Wein gleich einen ´Schwips´ haben, es gibt andere, welche größere Mengen Wein oder Bier auf nüchternen Magen unbeschadet überstehen. Man 92
Ich stellte mit Erstaunen fest, dass die Autoren Schauder-Ollenschläger des grandiosen Werkes zur Ernährungsmedizin nicht auf die Korrelation zwischen schlechter Verdauung und Depression hinwiesen.
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muss sich, wenn man in der Medizin zu vernünftigen Ergebnissen kommen will, aber vor Augen halten, dass es schematische und mechanistische Problemlösungen nicht gibt. Das ist unter anderem auch die Folge der medizinischen Konstitution und der genetischen Disposition. So gibt es Leute, welche z.B. familiär die Disposition zur Gicht haben, z.B. die ältere Linie der Medici in Florenz. Der davon Betroffene muss aber diese Disposition nicht sklavisch hinnehmen. Er hat es zwar schwerer als einer, der nicht dazu disponiert ist. Doch auch er kann etwas gegen die Disposition zur Gicht unternehmen und Maßnahmen ergreifen oder durch den Arzt ergreifen lassen, welche zu einer Linderung der Krankheit oder gar zur Heilung derselben führen. Es gibt aber auf der anderen Seite Patienten, die keinerlei Disposition zu einer bestimmten Krankheit haben, aber trotzdem ein unsolides Leben führen, keinen Sport treiben und sich auch noch falsch ernähren. Die meisten dieser Leute wissen, dass ihnen ein solcher Lebensstil gesundheitlich schadet. Sie opfern lieber ein paar Jahre ihres Lebens, weil sie nicht auf ihre falschen Lebens- und Ernährungsgewohnheiten verzichten wollen. Es gibt auch Juden, die sich nicht an die jüdischen Speisegesetze, die Kashruts, halten, obwohl sie wissen, dass sie dem Menschen, der sich daran hält, zum Wohle gereichen. Der fromme Jude und Christ findet in der sog. Ur- oder Erbsünde eine Erklärung für ein solches Verhalten. Noch viel zu wenig bekannt ist, dass die Schlange (hebr. nachesch bzw. nachasch) ein Symbol für die menschliche Gier ist. Diese Gier zeigt noch heute ihre Wirkungen. Darum haben Menschen unter Mitwirkung des Hl. Geistes, der auch im Judentum seine Wirkung entfaltet, zahlreiche Ge- und Verbote aufgestellt, nicht zuletzt solche, die das Nahrungswesen betreffen. Denn den Menschen, die solche Vorschriften aufstellten, war - gestärkt durch die göttliche Weisheit - bewusst, dass die allermeisten Menschen nicht willens und nicht fähig sind, ohne Druck und Zwang die göttlichen Gebote einzuhalten. Die Freiheit geht bei den allermeisten Menschen nicht so weit, dass ihr individueller Wille stärker ist als seine negativen Emotionen und Leidenschaften, welche nach wie vor die meisten Menschen beherrschen und nicht umgekehrt. Ohne Geund Verbote wäre wohl wirklich der Mensch dem Menschen ein Wolf, um mit Thomas Hommes zu sprechen. 35
Maimonides und die jüdischen Kashruts Es gibt im Judentum Nahrungsmittel, welche, wie z.B. das Schweinefleisch, durch die jüdischen Religionsgesetze verboten bzw. eingeschränkt sind. Die meisten dieser Bestimmungen finden sich in der Thora und im Talmud. Diese Gesetze sind in der jüdischen Tradition durch den Terminus Kashrut93 charakterisiert. Ich zitiere aus Wikipedia: “Among the numerous laws that form part of kashrut are the prohibitions on the consumption of unclean animals such as pork, shellfish (both Mollusca and Crustacea) and most insects, with the exception of certain species of kosher locusts, mixtures of meat and milk, and the commandment to slaughter mammals and birds according to a process known as shechita. There are also laws regarding agricultural produce that might impact on the suitability of food for consumption.”94 Nichtsdestotrotz hinderten die von ihm grundsätzlich akzeptierten jüdischen Speisegesetze den großen Doktor Maimonides nicht daran, z.B. das Kaninchenfleisch, nach jüdischer Auffassung ein unreines Tier, einigen Personen, welche an verschiedenen Arten von Asthma litten, zu empfehlen. Er rechtfertigte diese Abweichung vom Talmud mit dem Argument, dass das Kaninchen ein verträgliches Fleisch für kranke Leute besitze. In den jüdischen Speisegesetzen gibt es eine Menge Früchte und Gemüse, z.B. Fenchel95, Sellerie96,,Pfefferminz, Oregano, Gartenkresse und 93 Sie finden einen Teil der Cahsrut-Vorschriften in der Apostelgeschichte, Kap. 15. Die Heiden bzw. Nichtjuden, die Christen werden wollen, werden dort aufgefordert, sich – wie die Juden – von falschen Göttern, Hurerei, von Gewürgtem und Blut fernzuhalten. 94 http://en.wikipedia.org/wiki/Kashrut. Übersetzung: Unter den zahlreichen Gesetzen, die einen Teil des Kashrut bilden, sind die Konsumverbote für unreine Tiere, z.B. Schweinefleisch, Schellfisch (sowohl Mollusca als auch Crustacea) und die meisten Insekten, mit Ausnahme bestimmter Arten von bestimmten koscheren Heuschrecken, Vermischungen von Fleisch und Milch, und das Gebot, Säugetiere und Vögel nach einem Prozess, den man als Shechita bezeichnet, zu schlachten. Es gibt auch Vorschriften, die sich auf landwirtschaftliche Produkte beziehen, welche sich auf die Eignung von Nahrung für den Konsum auswirken könnten. 95 In seinem Buch über das Asthma, vor allem in Kap. 12, gibt es bestimmte Stellen, in welchen Maimonides Fenchel als Teil seiner kombinierten Medikationen empfiehlt. Für Hildegard von Bingen jedoch ist der Fenchel ihr Lieblingsgemüse. Er wurde bereits in
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Radieschen, die nicht verboten sind, aber von Maimonides trotzdem als „schlechte Nahrungsmittel“ eingestuft werden. Trotzdem empfiehlt er deren Konsum bei verschiedenen Asthmaarten als Medikation. Maimonides äußert Skepsis bei allen feuchten Arten von Gemüse wie z.B. Kopfsalat bzw. Lattich, Bergspinat, Malve, Kürbis etc. Er rät dazu, alle Gemüsearten von dicker Substanz zu vermeiden, z.B. Colocasia (wohl Wasserbrotwurzel), rohe Karotten, bestimmte Kohlarten, Auberginen und Weißrüben97. Hildegard von Bingen, die berühmte Universalgelehrte des 12. Jahrhunderts, Zeitgenossin von Maimonides, war überzeugt, dass Kohl nur für gesunde, schlanke Personen verkraftbar ist und nicht zu intensiv gekocht werden sollte.98 Gutes Gemüse99 und Obst auch für Gelehrte Diese restriktive Behandlung bestimmter Gemüsetypen sollte aber nicht zu dem Schluss verleiten, dass Maimonides etwas gegen Gemüse hatte. In der Tat ist das Gegenteil richtig. Er rät vielmehr Gelehrten, nicht in solchen Städten zu leben, wo man kein Gemüse kaufen könne. Vermutlich gab es im mittelalterlichen Ägypten Leute, welche Gemüse im eigenen Garten ernteten. Er hat eine hohe Achtung für Knoblauch100, der auch im Talmud einen hohen Stellenwert hat.
den antiken Kulturen rund um das Mittelmeer kultiviert und konsumiert. Dieser findet sich auch in der karolingischen Verordnung Capitulare de villis (Hildegard von Bingen: Ernährungslehre, a.a.O. S. 32). 96 Hildegard rät davon ab, ungekochten Sellerie zu essen. Diesen sollten Personen, die an Depression leiden, nicht zu sich nehmen (H. Kluge: Hildegard von Bingen. Ernährungslehre. Rastatt 1999, S. 39). 97 Kohl ist nicht bei Schauder-Ollenschläger erwähnt. Auberginen, Rüben und viele Früchte, die bei Hildegard und Maimonides genannt sind, finden sich nicht im umfangreichen Register von Schauder-Ollenschläger. 98 Hildegard von Bingen: Ernährungslehre, S. 34. 99 Zahlreiche Informationen zu Gemüse und Früchten finden sich auch in der 20. Abhandlung von Vol. 2 der Medizinischen Aphorismen von Maimonides (1971), Nr. 4657, S. 71-74. Deren vollständige Einbeziehung in diese Abhandlung würde den Rahmen sprengen. 100 In ihren Veröffentlichungen empfiehlt Sankt Hildegard sowohl Kranken als auch Gesunden die Einnahme von Knoblauch. Vgl. H. Kluge: H. Hildegard von Bingen – Küche aus der Natur. Rastatt 1999, S. 106f und H. Kluge: Hildegard von Bingen – Er-
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Der Konsum von Früchten ist nicht frei von Risiken. Einige Früchte, vor allem frische, können, vor allem, wenn man sie im Übermaß konsumiert, zu Blähungen führen, z.. Melonen, Pfirsiche, Aprikosen, Maulbeeren und Gurken. Vorsicht ist auch bei gewissen Arten von Nüssen geboten, vor allem für Personen, die an Nuss-Allergien leiden. Pinienkerne oder Piniennüsse gelten in der Zeit von Maimonides als wertvoll für die Gesundheit. Man glaubte, dass sie die Lungen reinigen würden. Man sollte sie aber einige Stunden in heißes Wasser legen, und sie sollten erst gegessen werden, wenn sich das Wasser abgekühlt hat. Fleischkonsum – mit Vorbehalten Dieser enge Zusammenhang von Ernährung, Krankheiten und Temperamenten auf der einen und von Krankheiten und Körpersäften auf der anderen Seite findet sich auch für die diversen asthmatischen Erkrankungen im Asthmabuch und anderen medizinischen Werken von Maimonides. So ist es Personen, die an allergischem Asthma leiden, ganz besonders verboten, Fleisch – dessen Genuss auch frommen Juden grundsätzlich gestattet ist - zu essen.101 Welche Mengen von Fleisch für den einzelnen angemessen sind, das hängt unter anderem auch davon ab, welchem Temperament er angehört und wie die Körpersäfte in welcher Menge in seinem Körper verteilt sind. Für die Ausübung schwerer, kräfteraubender Tätigkeiten sind natürlich größere Mengen von Fleisch und vergleichbaren Produkten notwendig, falls solche Arbeitskräfte nicht auf bestimmte Nahrungsmittel wie Fleisch oder Milch allergisch reagieren. Viele medizinische Gelehrte sind sich darin einig, dass Fleisch-Allergien heutzutage vorwiegend in zwei Formen erscheinen, nämlich als Nesselsucht und als Allergie nach einer Allergisierung per ingestion(em), also per Nahrungsaufnahme. In dem Fall, dass Symptome nach dem Konsum nährungslehre, S. 79. Es überrascht, dass auch der Knoblauch im Buch von SchauerOllenschläger und manchen Ernährungspublikationen fehlt. 101 Vgl. H. Kluge: Hildegard von Bingen – Ernährungslehre (Hildegard von Bingen – Nutrition-Science). Rastatt 1999, S. 58-69.
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von verarbeiteten Fleischprodukten oder in einem beruflichen Zusammenhang auftreten, kann es bei einer Serie von Lebensmitteln bzw. deren Bestandteilen, z.B. bei Milchproteinen, Sellerie, Gewürzen, Hühnereiern und auch bei Antibiotika, zu Überreaktionen kommen.102 Viele der bei Maimonides genannten Nahrungsmittel, welche er kranken Personen nicht empfiehlt, korrespondieren im Allgemeinen mit solchen, welche einem religiösen Juden durch das Alte Testament und den Talmud verboten sind. Zu diesen nicht empfohlenen bzw. verbotenen Speisen gehört nicht nur Schweinefleisch, sondern auch Fleisch von anderen Tieren. Umso erstaunlicher ist darum, dass Maimonides in seinen Medizinischen Aphorismen das Schweinefleisch an die erste Stelle seiner Fleischliste setzt. Diese Stelle erscheint mir so wichtig, dass ich diese hier wörtlich wiedergebe: „Das am meisten förderliche Fleisch von lebenden Geschöpfen, die auf allen Vieren gehen, ist das Schweinefleisch. Ihm am nächsten kommt das Ziegenfleisch, danach kommt das Kalbfleisch von einem fetten jungen Kalb. Fleisch von Lämmern jedoch wässert [eine Auswirkung]. Was die anderen lebenden Wesen, die auf allen Vieren gehen, betrifft, so mache ich jeden, der seine Keime verbessern will, darauf aufmerksam, davon Abstand zu nehmen, diese zu essen.“103 Auch die Übersetzungen der Aphorismen des Maimonides, so z.B. die Basler Übersetzung von 1579, ins Lateinische haben die von Maimonides empfohlene Reihenfolge Schweinefleisch, Ziegenfleisch, Kalbfleisch beibehalten. Hier der lateinische Text der Übersetzung von 1579, die in der Formulierung von der von Maimonides abweicht, aber inhaltlich weitgehend übereinstimmt: 102
P. Schauer – G. Ollenschläger (Hrsg.): Ernährungsmedzin, a.a.O., S. 623. Maimonides´ Medical Aphorisms, Vol. 2, 1971, 20. Abhandlung, Absatz 19, S. 66f. Dazu die englische Übersetzung nach Rosner und Muntner: „The most beneficial meat of living creatures that walk on all fours is pork meat. Next to this is kid meat, and after that calf meat from a fat suckling [calf]. However, meat of lambs moistens [as its effect]. Regarding the other living beings that walk on all fours, I instruct anyone who wishes to improve his chymes to abstain from eating them” (De Chymis Bonis VI).
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Ex animantibus quorum natura ad gignendos bonos humores aptissima est, sues mediocris iam aetatis habentur. Ex pedestribus enim animalibus suilla caro, cibus probatissimus, est, deinde haedina, mox uitulina. Porcelli uero excrementis scatent, & agni muosiores sunt. A caeteris igitur pedestris generis, meo iudicio, abstine(n)t [ii], qui sanitati ac boni succi generationi consultum uolet.104 Gal[en]. De Euchy & cacoch. Auch in den lateinischen Übersetzungen der Aphorismen wird das Schweinfleisch als cibus probatissimus, also als eine höchst probate Nahrung bezeichnet. Hat sich hier Maimonides einen Spaß erlaubt? Dieser Text von 1579 geht offensichtlich auf eine Abhandlung von Galen zurück und gibt also wohl nicht uneingeschränkt die wirkliche Auffassung von Maimonides, der sich meist an die jüdischen Speisegesetze gehalten hat, wider. Dem, der mit den jüdischen Speisegesetzen und – gewohnheiten vertraut ist, fällt hier sofort auf, dass in der obigen FleischPrioritätenliste das Rindfleisch nicht genannt ist. Vielleicht lässt sich die Nicht-Nennung des Rindfleisches in der oben zitierten Liste damit erklären, dass das Rindfleisch ebenso wie Tauben und Knoblauch auch noch im mittelalterlichen Ägypten, in welchem Maimonides lebte, eine für Ägypter verbotene bzw. tabuisierte Nahrung war.105 Das Töten eines Rindes wird noch heute in Indien als „Göttermord“ und Todsünde be-
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Rabbi Moysis Aphorismi ex Galeno medicorum principe collecti, Basel 1579, Kap. 16. Quelle: ÖNB, http://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_% 2BZ16 7753601. Hier die deutsche Übersetzung des lateinischen Textes: „Von den Lebewesen, deren Natur zum Erzeugen guter Körpersäfte am meisten geeignet ist, werden Schweine schon mittleren Alters gehalten. Von den auf Füßen gehenden Tieren ist das Schweinefleisch eine sehr probate Nahrung, dann kommt das Ziegenböckchen, schließlich das Kalbfleisch. Die Frischlinge (junge Schweine) strömen über vor Exkrementen, und die Lämmer sind ziemlich verschleimt. Von den übrigen Vierfüßlern jedoch hält sich nach meinem Urteil derjenige zurück, der für seine Gesundheit und die Erzeugung eines guten Körpersaftes Sorge tragen will.“ Hoedina bzw. hoedinus leiten sich nach dem Lexikon von Georges wohl ab von dem Wort haedus (Ziegenböckchen). Hoedina ist die weibliche Form von hoedinus. 105 Peter W.F. Heller: Ärzte, Magier, Pharaonen. Mythos und Realität der altägyptischen Medizin (Physicians, Magicians, Pharaos. Myth and Reality of ancient Egyptian medicine), Leipzig 2008, S. 68.
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trachtet, „eine Todsünde, auf die im frommen Nepal auch heute [1968] noch die Todesstrafe steht.“106 Ich hätte eigentlich, ausgehend von den heute praktizierten Essgewohnheiten, erwartet, dass das Rindfleisch in dieser Liste unangefochten an der ersten Stelle steht und dass Maimonides das Schaf- bzw. Lammfleisch viel positiver bewertet, als Maimonides das hier in der 20. Abhandlung von Vol. 2 (1971) getan hat. Allerdings schränkt er auch im Regimen Sanitatis den Konsum von Schaffleisch stark ein, wie die folgenden Aussagen zeigen. Auch hier betet er die jüdischen KashrutGebote nicht einfach nach. Nach Maimonides sollte z.B. Schaffleisch, das Maimonides wohl weitgehend mit dem eben genannten Lammfleisch gleichsetzt, nur dann gegessen werden, wenn das Tier wenigstens ein Jahr alt ist. Er rät auch dazu, auf Fleisch, das von einem weiblichen Schaf stammt, zu verzichten. Denn dieses sei sehr schwer zu verdauen. Auch fettes Fleisch sollte vermieden werden, denn auch dieses sei nur schwer verdaulich.107 Gute Nahrungsmittel sind z.B. das „säugende Böcklein“ und das Geflügelfleisch. „Die beste Fleischsorte von den Vierfüßlern ist das Fleisch von den Schafen, die auf den abschüssigen Wiesen weiden und noch jung sind und mittelmäßig fett sind. Der nahrhafteste Teil ist der Vorderteil [Brust] und der am Knochen anhaftet, alle Eingeweide sind nicht nahrhaft. Schlecht ist alles Fett. Zwar sättigt es, aber es schafft eine schlechte Verdauung und verschlägt den Appetit und erzeugt schlechte Säfte. Dasselbe gilt von den Kopfteilen der Rinder, sie haben mehr Schlacken als
106 Einführung in Entwicklungsländerstudien, 8. Grundgegebenheiten: Tierische Produktion, 1. Rinder, verfasst von Sabine Madel, Fassung vom 2.7.2001, HBI Stuttgart, 1998/99, URL http://www.payer.de/entwick-lung/entw081.htm. 107 J. Levinger: Maimonides´ Guide of the Perplexed on Forbidden Food in the light of his own Medical Opinion. In: J.J. Kraemer (Hrsg.): Perspectives on Maimonides. Philosophical and Historical Studies. Tel Aviv 1991, S. 204. Diese kritische Bewertung von Fleisch findet sich vor allem in Maimonides´ Regimen of Health Erstes Kapitel, Absatz 7 (Fleischsorten), S. 67 (Ausgabe Süssmann Muntner).
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die übrigen Organe.“108 Auch die Schenkel dieser Tiere sind schlackenfrei, nahrhaft und schmecken gut. Diese Erkenntnisse von Maimonides scheinen durch neuere medizinische Forschungen bestätigt zu werden. Aus diesen geht mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit hervor, dass in bestimmten Fällen und Situationen regelmäßig in größeren Mengen konsumiertes fettes Fleisch die Leber belasten und schädigen kann. Maimonides war in der Tat seiner Zeit auch in Ernährungsfragen weit voraus. Er hatte erkannt, dass weißes Fleisch gesünder sei als rotes. Rotes Fleischt stammt von Kühen und Rindern, von Schafen und Schweinen und bezieht sich auch auf Produkte, die aus ihnen erstellt werden. Moderne Ärzte, die sich auf Ernährungsmedizin spezialisiert haben, raten dazu, dass Verbraucher nicht mehr als 80 Gramm rotes Fleisch täglich konsumieren sollten. Vor allem ältere Menschen sollten dem weißen Fleisch den Vorzug geben, nämlich Fisch, Geflügel, Wild (Rehe, Hirsche) bzw. Fleisch von Tieren, die nicht domestiziert sind.109 Auf fettes und rotes Fleisch zu verzichten, ist nach Auffassung von Maimonides besonders für Senioren und für Patienten notwendig, welche an Asthma und Lungenkrankheiten leiden. Solche Leute wie auch Patienten, die an Bronchitis leiden, sollten keine Eier und schon gar keine gebratenen Eier konsumieren und den Konsum von fettem Fleisch massiv einschränken oder nach Möglichkeit ganz darauf verzichten. Kranke Menschen benötigen nach Maimonides sowieso eher Proteine als Fett. Letzteres belastet zudem die Leber und evtl. auch andere Organe wie z.B. die Lunge, wenn es im Übermaß regelmäßig konsumiert wird. Maimonides ist seiner Zeit weit voraus, wenn er feststellt, dass Fleisch von Schafen, die auf der Weide leben, eine höherwertige Nahrung dar108
Maimonides´ Regimen of Health Erstes Kapitel, Absatz 7 (Süssmann Muntner S. 67). 109 P. Schauer – G. Ollenschläger (Hrsg.): Ernährungsmedizin, a.a.O., S. 199.
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stellen als Fleisch von Tieren, die im Stall gehalten und gefüttert werden und dort viel weniger Bewegung als auf der Weide haben. Bewegung ist nämlich nicht nur für Menschen ein wichtiges Erfordernis der Gesundheit, sondern auch für Tiere. Trotzdem halten immer mehr Bauern und Farmer in Industrieländern aus reinem Profitdenken ihre Tiere in Ställen und nicht auf offenen Weiden und schaden damit übrigens auch ihrer eigenen Gesundheit. Maimonides war sich auch der Tatsache bewusst, dass nicht alle Teile eines Tieres in gleicher Weise konsumierbar seien. Im Allgemeinen lehnte er Innereien und Bauchfleisch ab. Besonders empfahl er die folgenden Teile eines jungen männlichen Schafes, nämlich Knochenfleisch, Schulter, Brust und Rippen um das Herz herum.110 Maimonides empfiehlt auch nicht den Konsum des Fleisches von Wasservögeln. Vor allem Gänse und Enten seien zu dick und fett und würden viel verdorbene Körpersäfte enthalten. Er lehnt zwar deren Konsum nicht gänzlich ab, doch sollten diese – nicht zuletzt bei bestimmten Typen von Temperamenten – nicht zu exzessiv genossen werden. Fische – eine problematische Nahrung? Erstaunlich ist, dass Maimonides die meisten Fische als „schlechte Nahrung“ für Menschen, die ein feuchtes Temperament haben, betrachtete. Dieser Gruppe ordnete er vor allem die Phlegmatiker, welche er mit dem Element ´Wasser´ verbindet, zu. Auch älteren Menschen rät er grundsätzlich vom Konsum von Fischen ab. Er empfiehlt jedoch allen Asthmatikern kleine Salzwasserfische, die wenig Fett enthalten, und, wie schon erwähnt, eher weißes als rotes Fleisch zu essen.111 Als sehr schädlich stufte er Fische ein, die groß, salzreich und fett waren, und natürlich alle Fische aus kontaminierten Gewässern. Kleine Fische aus reinen Seen, fließenden Gewässern und vor allem Fische aus dem Meer erschienen ihm als bessere Nahrung, zum Beispiel Sardinen. Fisch enthält große Mengen von Protein von hoher Qualität, Jod, Selenium und 110
Maimonides: On Asthma, a.a.O., Kap. 3f. Maimonides: Treatise on the regimen of health. In: Medical Writings. Haifa 1990, Vol. 4, S. 37, Anmerkung 123.
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die Vitamine A und D. Auch moderne Ernährungswissenschaftler stellten fest, dass Seefisch so ziemlich das einzige Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt von Jod ist.112 Doch ist auch heute beim Konsum von Fisch Maßhalten angemessen. Alles Gesunde, im Übermaß genossen, kann schädlich sein. Im Übermaß genossener Fisch kann schon deswegen der Gesundheit schaden, da Fische den auch in der Zeit von Maimonides gefährlichen Fischbandwurm und bestimmte Allergene enthielten. C. Szliska und H. Schwanitz haben festgestellt, dass heutzutage Allergene weitaus häufiger bei Seefischen und seltener bei Süßwasserfischen vorkommen.113 Doch Maimonides wusste, dass Süßwasser in der Regel damals mehr verschmutzt war als Meerwasser. Das gilt im Grunde in Entwicklungsregionen vielfach noch heute. Milch, Käse und Milchprodukte Maimonides beurteilt in der Regel Milch positiver als Käse. In der 20. Abhandlung von Vol. 2 seiner Medizinischen Aphorismen weist er darauf hin, dass die Milch einen unterernährten Körper nährt und ihn wieder belebt. Sie „zerstört die Übelkeit der schlechten Körperflüssigkeiten dadurch dass sie diese schwächt und den Stuhl weicher macht. Käse sinkt in die Leberkanäle und zerstört dort wohl die Gallensteine und er wird deshalb Patienten mit Hydrops (Flüssigkeitsanhäufungen) schaden.“114 Es scheint aber, dass Maimonides die positive Beurteilung der Milch, dass diese sogar besser nähre als Weizen und die besten Keime von allen Nahrungsmitteln schaffe, aus Galens De Alimentorum Virtutibus nicht übernommen hat.115 Es gibt allerdings einige Erkrankungen, bei welchen für Maimonides die Milch unverzichtbar ist. „Alle Arten von Milch sind gut und geeignet für Erkrankungen in den Seiten von Brust und Lunge, nicht aber geeignet bei Kopfweh, auch wenn dieses sehr streng ist. Milch 112
P. Schauer – G. Ollenschläger (Hrsg.): Ernährungsmedizin, a.a.O. S. 68. P. Schauer – G. Ollenschläger (Hrsg.): Ernährungsmedizin, a.a.O. S. 606f. 114 Maimonides Medizinische Aphorismen, Vol. 2 (1971), 20. Abhandlung, Absatz 39, S. 70. Comment. Epidemiarum II 6. 115 Maimonides Medizinische Aphorismen, Vol. 2 (1971), 20. Abhandlung, Absatz 40, S. 70. 113
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sollte man nicht für Krankheiten der Seite, wohl Colitis, bei welchen der Meteorismus schnell auftritt, einnehmen.“116 Es gibt eine Menge von Leuten, welchen Maimonides davon abriet, Käse zu essen. Dieser galt ihm allgemein als „dicke Nahrung“ und als besonders ungesund, wenn er schon alt war. Einigen Leuten gab er auch den Rat, keine Kuhmilch zu trinken. Allerdings hat er nichts gegen den Konsum von frischem Käse, wenn er nicht zu fett ist. Ein solcher Käse würde den Magen nicht schädigen, die Verdauung nicht beeinträchtigen und auch nicht zur Fäulnis im Blut führen.117 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Maimonides, der den größten Teil seines Lebens in Ägypten verbrachte, bereits erkannte hatte, dass es dort bereits viele Leute gab, die an Laktose-Intoleranz bei Milch litten – eine Krankheit, welche Maimonides wohl kannte, ihm aber natürlich nicht unter diesem modernen lateinischen Namen bekannt war. Heutzutage wissen wir (zumindest in den modernen Industrieregionen), dass nicht nur Milch, sondern auch andere Nahrungsmittel wie Brot, Kuchen, Joghurt, Käse, bestimmte Schokoladesorten, Pralinen, Eiskreme, einige Wurstarten, industriell erzeugter Pudding und Suppen ebenso wie tiefgefrorene Produkte Laktose enthalten können.118 Bier und Biersubstitute – auch für kranke Muslime? Am mittelalterlichen Hof des Sultans von Kairo in Ägypten, wo Maimonides lebte, wurde trotz Alkoholverbot dunkles Bier nicht nur von koptischen Christen, sondern wohl auch von Muslimen im Geheimen und wohl auch legal im Krankheitsfall getrunken.119 Sicher nachgewiesen ist, dass Maimonides seinem Patienten, seiner Hoheit Sultan al-Afdal, einem Sohn von Sultan Saladin, für dessen zahlreichen Anfälle in seinen 116
De Alimentourm Virtutibus VI, Maimonides Medizinische Aphorismen, Vol. 2 (1971), 20. Abhandlung, Absatz 44, S. 71. 117 Maimonides Medizinische Aphorismen, Vol. 2 (1971), 20. Abhandlung, Absatz 45, S. 71. 118 P. Schauer– G. Ollenschläger (Hrsg.): Ernährungsmedizin, a.a.O., S. 641. 119 W. Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Moses Maimonides über das Asthma. Nordhausen 2013, Kap. „Allgemein zugängliche Nahrungsmittel, die man vermeiden oder konsumieren sollte“, S. 37-46.
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Responsen empfahl, nach dem Verlassen des Bades ein Biergetränk, „das von Granatapfelkernen, Zucker, vielen Gewürzarten und den wärmenden Haupt-Gewürzarten, wie die Gewürznelke und Macis hergestellt ist“120, zu sich zu nehmen. Vermutlich galt für den muslimischen al-Afdal im Krankheitsfall (und er war oft krank) nicht das strenge muslimische Alkoholverbot. Alternativ empfahl ihm Maimonides, statt des alkoholhaltigen Bieres, „das Rosengetränk und den Sauerampfertrank mit dem Saft der ´Stierzunge´, bzw. auch den Trank, den wir im dritten Kapitel dieser Abhandlung121 zusammengestellt haben“.122 Bier galt schon immer mehr als Nahrungsmittel denn als Getränk und wurde im Mittelalter in bestimmten Regionen noch lange aus gärendem Brot (in Russland Kwass-Brot) erzeugt.123 In der Zeit von Maimonides wurde Bier wohl mehr von Christen als von Muslimen getrunken. Der Koran verbietet bis heute jede Form von Alkohol, vor allem in der Öffentlichkeit. Im mittelalterlichen Ägypten waren die Muslime gegenüber den Christen in der Mehrheit. Wahrscheinlich war aber damals der Anteil der koptischen Christen noch größer als heute. Man schätzt, dass heute immerhin noch 5 bis 11 Millionen Christen in Ägypten leben, welche der Koptisch-Ägyptischen Kirche angehören.124 Im antiken und mittelalterlichen Ägypten wurde das Bier in der ´richtigen´ Menge, in hoher Qualität und bei bestimmten Ereignissen getrunken. Gutes Bier galt sogar als Heilmittel gegen Lähmung und Lepra.125
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Maimonides: Responsen auf medizinische Fragen. Über die Ursachen der Anfälle, übersetzt durch Süssmann-Muntner, Basel – New York 1966, S. 129-160, Nr. 21f, S. 155. 121 Gemeint sind wohl die Säfte bzw. Sirupe in Regimen Sanitatis, Kap. 3 (Süssmann Muntner S. 81-95). Hier wird der Rhabarber als Mittel zur Regulierung des Stuhlgangs mehrfach empfohlen. 122 Maimonides: Responsen auf medizinische Fragen, ebd., Nr. 21f. 123 H.F. Lutz: Viticulture and Brewing in the Ancient Orient. Leipzig 1922, vor allem Kap. 3 “The Beer in the Ancient Orient”, S. 72-96. Zur neueren Bierentwicklung vgl. Wilhelm Kaltenstadler: Bier in bayerischen Wörterbüchern. In: Schönere Heimat 2014, Heft 3, S. 109-118. 124 http://de.wikipedia.org/wiki/Koptische..Kirche (24th August, 2013). 125 Johann Andreas Schmeller: Bayerisches Wörterbuch, Bd. I, 2. Neudruck der Ausgabe München 1872, Aalen 1966, Sp. 265: Homines habitantes in locis ubi est cerevisia
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Wein – sowohl Getränk als auch Medikament Nach Absatz 20 c der Responsen sieht Maimonides sogar den Konsum von Weißwein vor, der auch herb (also trocken) sein darf, aber unbedingt älter als ein Jahr sein sollte. In der 20. Abhandlung von Vol. 2 seiner Medizinischen Aphorismen betont Maimonides die positiven Auswirkungen von Weißwein: „Weiße dünne Weine lösen die dicken Keime auf und reinigen das Blut, indem sie diese (Keime) im Urin eliminieren.“126 An zahlreichen anderen Stellen seiner Werke empfiehlt er allerdings den Rotwein. „Man hüte sich [aber] vor dem Wein, der allzu rot ist oder dessen Geschmack abstoßend wirkt oder der zu alt und zu bitter ist.“127 Da die süßen, dunklen, schwarzen Weine, wohl ganz dunkle Rotweine, die Blutgefäße mit dickem, dunklem Blut füllen, sind diese nur für Konstitutionstypen geeignet, welche an Blutarmut oder Blutverdünnung leiden.128 Gelbe Weine, die man heute wohl als Rosé-Weine bezeichnen würde, führen zur Bildung von Keimen, welche eine mittlere Wirkung in ihrer Essenz aufweisen. Sie kombinieren teilweise die Wirkungen des hellen und des dunklen Weines. Schwacher, wohl alkoholärmerer Wein, trägt zur Produktion von (positiven) Keimen bei und fördert die Verdauung. Gelber Wein und die leichten farbigen Weine stimulieren den Urin.129 Wenn die Stimulation des gesamten Organismus im Vordergrund steht, dann sollte dünner, alkoholärmerer Wein mit Wasser vermischt werden, vorausgesetzt, dass der Konsument kein Fieber hat.130 Wein, ohne Unterschied in seiner Färbung (ob schwarz, rot, rosé oder weiß), ist eines der allerbesten Mittel für jemand, „der Leberbeschwerden ohne Entzündung oder eine schlechte warme Konstitution hat“. Maimonides begründet hier die positive Wirkung des Weines damit, dass dieser reinigt, aufkocht, raro incurrunt paralysim vel lepram. Übersetzung: „Menschen, die an Orten wohnen, wo es Bier gibt, bekommen selten eine Lähmung oder die Lepra.“ 126 Maimonides´ Medizinische Aphorismen, Vol. 2, 20. Abhandlung, Abs. 28, S. 68. Siehe auch Regimen Sanitatis VI. 127 Maimonides: Responsen auf medizinische Fragen, a.a.O., Nr. 20c, S. 148. 128 Maimonides´ Medizinische Aphorismen, Vol. 2, 20. Abhandlung, Abs. 28, a.a.O., S. 68. 129 Maimonides´ Medizinische Aphorismen, Vol. 2, 20. Abhandlung, Abs. 29, S. 68. 130 Maimonides´ Medizinische Aphorismen, Vol. 2, 20. Abhandlung, Abs. 30, S. 68.
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stärkt, Fäulnis abwehrt und dieser entgegenwirkt.“131 Ein solcher Wein heilt aber auch, wenn ein Patient eine Entzündung in der Leber hat oder erkältet ist und eine feuchte Konstitution besitzt.132 Selbst der Hydromel, den bereits der antike Arzt Galen und seine Vorgänge kannten, wird aus Bienenhonig und feinem Weißwein, in der Zeit von Maimonides auch aus Zucker und Wein bereitet. „Dieser Trank ist vorzüglich, stärkt den Magen und das Herz, belebt die Verdauung und hebt die Stimmung. Er wirkt auch auf die Entleerung der Exkremente erheblich fördernd.“133 Das ausführliche Rezept zu diesem Hydromel findet sich in den Responsen.134 Man kann sich falsch ernähren, wenn man zu viel isst oder Alkoholisches zu viel trinkt. Man kann aber sogar krank werden, wenn man sich permanent ungleichgewichtig ernährt, z.B. indem man einseitig viel Fleisch und Fisch isst, aber permanent auf Obst und Gemüse verzichtet. Wer so lebt, bei dem zeigen sich mehr oder weniger bald auch äußerlich Mangelerscheinungen wie z.B. bei Skorbut und bei Lepra. Das hartnäckige Auftreten der Lepra auch in Europa ist ein Zeichen dafür, dass diese Krankheit weitaus mehr ist als ein medizinisches Phänomen. Die Lepra ist auch ein Symbol dafür, dass nach wie vor weltweit Krankheiten auch sozial und wirtschaftlich bedingt sind. Das kann sogar so weit gehen, dass Menschen, die weniger verdienen und darum mehr arbeiten müssen, sogar eine geringere Lebenserwartung haben. Doch darüber spricht man hierzulande nicht gern. Lepra – die Folge einer falschen Ernährung Das vorausgehende Kapitel hat gezeigt, dass es verschiedene Arten von schädlichen und verbotenen Nahrungsmitteln gibt, welche unter bestimmten Umständen und ungünstigen ökonomischen, sozialen und psychischen Konditionen einige Leute krank und kranke Leute noch kränker machen. Da gibt es dann auch noch das andere bereits Maimonides be131
Maimonides´ Medizinische Aphorismen, Vol. 2, 20. Abhandlung, Abs. 31, S. 68f. Maimonides´ Medizinische Aphorismen, Vol. 2, 20. Abhandlung, Abs. 31, a.a.O. 133 Maimonides: Responsen auf medizinische Fragen, a.a.O., Nr. 20 e, S. 150. 134 Maimonides: Responsen auf medizinische Fragen, a.a.O., Nr. 20 f, S. 150f. 132
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kannte Extrem, dass schlechte, verdorbene und unhygienische Nahrung zu einer Serie von Mangel-Erkrankungen, z.B. Lepra und Gicht, führen bzw. solche bereits vorhandene Erkrankungen verstärken kann. Im Umkehrschluss kann man daraus den Schluss ziehen, dass gute und hygienisch einwandfreie Nahrung, kombiniert mit reinen und schadstofffreien Getränken, nicht nur zur Heilung von asthmatischen und sonstigen chronischen Krankheiten beiträgt, sondern vorbeugend auch gegen eine Krankheit wirkt, die lange Zeit als unheilbar gegolten hatte, nämlich Lepra. Gesunde Ernährung verstärkt den Kampf gegen Lepra, wenn diese mit regelmäßiger Bewegung in frischer Luft kombiniert wird. Seit spätestens 1872 ist allgemein bekannt, dass Lepra durch bestimmte Bakterien aktiviert bzw. ausgelöst wird. Auch eine scheinbar gesunde Person kann durch diese angegriffen und angesteckt werden. Aber inzwischen sind immer mehr Ärzte davon überzeugt, dass die eigentliche tiefere Ursache für die Lepra nicht ein Bakterium oder Bazillus ist. Das ist eine vordergründige Betrachtung. Denn die moderne Medizin kommt immer mehr zur Erkenntnis, dass bei der Lepra, der Gicht und vergleichbaren Krankheiten eine falsche, mangelhafte und einseitige Ernährung die Primärursache ist. Im Fall einer gesunden Ernährung und bei einer intakten sich im Gleichgewicht befindlichen Umwelt, in welcher das Wasser keine gefährliche Keime enthält und ein funktionierendes Kanalsystem besteht, ist das Immunsystem von gesund lebenden Personen so stark, dass trotz der bakteriellen Infektion die Lepra gar nicht auftreten bzw. keinen großen Schaden anrichten kann. Selbst in dem Fall, dass die Lepra eine Person angreift und die betroffene Person die typischen Symptome der Lepra zeigt, kann diese Krankheit, wenn sie sich noch in den Anfängen befindet, durch eine ausgewählte und spezifische Diät und Kombinationstherapie behandelt bzw. geheilt werden. Maimonides denkt auch bei der Lepra mit Bezugnahme auf Hippokrates und Galen ganzheitlich. Seine Vorstellung der Diaita (Diät) geht über die reine Nahrungsperspektive weit hinaus und bezieht auch psychische und soziale Faktoren mit ein. Maimonides weist darauf hin, dass es bereits aus klimatischen Gründen weder in Deutschland noch bei den Skythen Leprakran49
ke gegeben haben soll. Im Fall der Skythen stellt er eine signifikante Korrelation zwischen dem skythischen Weg der Ernährung, die vor allem in Milch und Milchprodukten (Butter. Käse etc.) besteht, und dem Nichtvorhandensein von Lepra fest.135 Maimonides rät also Patienten, die an Lepra oder an einem Karzinom leiden, zu einer Ernährung, welche aus kalziumreichem Gerstenbrei und Milchsuppe, d. h. in der Regel aus Buttermilch, besteht. Zusätzlich zur kalziumreichen Ernährung empfiehlt Maimonides bei Mangelerkrankungen beim Gemüse vor allem Eibisch, die afrikanische Weinraute, den weißen Gänsefuß (chenopodium) und den Kürbis. Das heute immer mehr nachgefragte Kürbiskernöl kommt bei Maimonides noch nicht vor. Bei den Fischen rät er zum Konsum von solchen, die unter Felsen sich vermehren, bei den Vögeln vor allem Wasservögel – gegen welche er in einigen anderen Werken Vorbehalte äußert. Es gibt auch bestimmte Vipernarten, welche, in reichlich Wasser, etwas Olivenöl, Dill und Feldknoblauch (allium porrum) gekocht, zur Ergänzung des Speisezettels beitragen.136 In seiner speziellen Lepra-Diät-Therapie kommt er zu dem gleichen Schluss wie die heutige Lepra-Medizin – auch wenn er wohl noch nicht wusste, dass eine bakterielle Infektion der Auslöser dieser Krankheit war – dass die wahre Ursache dieser Krankheit in einer falschen und mangelhaften Ernährung und Diät liegt. Er war davon überzeugt, dass die Lepra, welche den Körper verstümmelte, „in der Regel durch schwarzes Blut verursacht ist“137. Dieses stört und bringt das SäfteGleichgewicht des Körpers durcheinander und mag sogar zur Entstehung von Abszessen und Geschwüren (die für Lepra typisch sind) vor allem im Gesicht beitragen. Wie bei vielen anderen Krankheiten hat die Verstümmelung des Körpers im Fall einer schweren Lepra auch negative Auswir-
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Maimonides: Medical Aphorisms, Vol. 3, a.a.O., 9. Abhandlung (enthält Aphorismen, die sich auf spezifische Krankheitsphänomene beziehen), S. 169, no. 7. 136 Maimonides´ Medical Aphorisms, Vol. 3, ebd., 9. Abhandlung, S. 169f, no. 108. 137 Maimonides´ Medical Aphorisms, Vol. 3, ebd., 9. Abhandlung, S. 166f, no. 98.
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kungen auf die Seele, die Pneumata einer Person und das soziale Umfeld.138 Maimonides bestärkt uns also auch bei der Beschreibung der Lepra, dass die richtige krankheitsbezogene Ernährung kein dekoratives Beiwerk, sondern die absolute Basis eines gesunden Lebens ist. Trinken – genauso wichtig wie Essen Der Julep – ein Alkoholsurrogat Im mittelalterlichen Ägypten mussten die Menschen viel trinken. Denn es war ein heißes Land in einer subtropischen Region, in welcher schwitzende Körper mehr Feuchtigkeit über die Haut an die Umwelt abgaben als in einem gemäßigten Klima. An den vielen heißen Tagen mussten die Menschen sogar mehr trinken als essen, vor allem während des Tages. Es gab aber keine wirklich große Auswahl an gesunden einwandfreien Getränken, wie das heute in den Industriestaaten der Fall ist. Die meisten Leute, vor allem die ärmeren, tranken Wasser, gelegentlich mit Sirup oder anderen vergleichbaren Stoffen, z.B. Lakritze, gesüßt. Das Wasser kam aber meist nicht aus sauberen Wasserleitungen, sondern aus oft kontaminierten Flüssen, Bächen oder Seen. Ein beliebtes Getränk, das noch heute zumindest dem Namen nach existiert, war der Julep (auch Julap), ein süßes Mischgetränk, “zubereitet aus verschiedenen medizinischen Stoffen, in der Regel in Form von Teig.“139. Da der moderne Julep auch mit Zucker konsumiert wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass dieses Getränk bereits in der Epoche von Maimonides mit Zucker gesüßt war, denn der Zucker war damals bereits bekannt.140 Auch eine Verfeinerung mit dem wohlschmeckenden arabischen Pfefferminz wäre denkbar. In seinem Asthmabuch empfiehlt aller138
Wilhelm Kaltenstadler: „Seelenkräfte“ und „Bewegungen der Seele“, a.a.O. SK. Hamarneh, G. A Sonnedecker: Pharmaceutical View of Abulcasis al Zahrāwī in Moorish Spain. With Special Reference to the Adhān, Janus (Suppl 5). Leiden 1963, S. 135. Englischer Text: made from various medical compounds, as a rule in the form of dough. 140 Vgl. dazu Wilhelm Kaltenstadler: Zucker als Lebens- und Heilmittel im arabischen Mittelalter. Aus dem medizinischen Werk des Moses Maimonides. In: Weihnachtsheft der DMW, 135. Jahrg., 2010, S. 2567-2573. 139
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dings Maimonides die Einnahme des Julep mit Wasser, obwohl ihm die häufige Kontamination des Wassers in Ägypten bekannt war. Der Julep war allerdings damals nicht nur ein durststillendes Getränk, sondern manchmal auch ein Medikament. Diese doppelte Funktion sowohl als Nahrungsmittel und Arznei zugleich ist ein Phänomen, das ja bei Maimonides immer wieder in Erscheinung tritt. Der Julep sollte wie auch andere Getränke bei Maimonides nicht in einem einzigen kräftigen Zug auf einmal und sofort nach Zubereitung getrunken werden. Die Person, die ihn trinken wollte, sollte zumindest eine Stunde warten. Maimonides rät dem unbekannten muslimischen Sponsor seines Asthmabuches – dieser Rat scheint aber nur für Asthmakranke zu gelten – Julep nicht mit Pfefferminz, sondern mit Wasserminze zu kombinieren. Vermutlich haben die meisten ägyptischen Zeitgenossen von ihm den Julep mit Wasserminze kombiniert. So ein Julep, den Maimonides als Medikation zur Reinigung der Lungen, zur Erleichterung der Atmung und zur Bekämpfung von Husten empfahl, findet sich ausführlich in seinem Asthmabuch beschrieben141: „Wir legen Weizenkleie eine Nacht lang in heißes Wasser ein, weichen es ein und seihen es, fügen Zucker und Mandelöl zur abgeseihten Substanz, kochen es, bis diese die Konsistenz des Juleps annimmt, und trinken diese, wenn sie lauwarm ist. Wenn man noch die Herzen von bitteren und süßen Mandeln hinzufügt, nachdem sie gestampft sind, ist das Getränk sehr nützlich. Man kann auch noch Lakritzenwurzeln mit Kleie einweichen. All diese Bestandteile sind heilsam und für diese Krankheit weithin verwendet.“142 Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Rezept nicht als tägliches Getränk, sondern in vielen Fällen als Heilmittel vorgesehen war. Es gibt noch wei141
Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 12, S. 67. Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (Gerrit Bos), ebd., Kap. 12, S. 67. Englisch nach Bos: We soak wheat bran in hot water for one night, macerate and strain [abseihen] it, add sugar and almond oil to the strained substance, cook it until it assumes the consistency of the julep, and drink it when it is lukewarm. If one adds to it the hearts of bitter and sweet almonds after they are well pounded, it is very beneficial. One may also soak licorice root with the bran. All these compounds are beneficial and widely used for this disease. 142
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tere vergleichbare Rezepte, die in Form von Getränken eingenommen wurden. Sie finden sich in meinem Asthmabuch.143 Diese Beschreibung des Juleps und ähnlicher Getränke sollte uns nicht zu dem Glauben verleiten, dass der Julep und ähnliche Arten von Getränken bei den Muslimen in Ägypten und Nordafrika weit verbreitet waren. Man muss eher annehmen, dass das Hauptgetränk der ägyptischen Muslime (und wohl auch der koptischen Christen) das oft verunreinigte billigere Wasser war. Vermutlich haben einige Muslime im Geheimen auch den verbotenen Wein bzw. das verbotene Bier konsumiert. Beide waren übrigens teurer als Wasser. Der Konsum von Bier kam wohl für die koptischen Christen, für welche kein Alkoholverbot bestand, eher in Frage als für die Muslime. Sie konnten damit die altägyptische Biertradition eher übernehmen als die Muslime. Das Wasser – Trinkwasser, Umwelt und Hygiene Ausgehend von diesen Betrachtungen zu den Trinkwassergewohnheiten kann man folgern, dass das Wasser im mittelalterlichen Ägypten sowohl für die meisten Muslime und Christen das beliebteste und am meisten konsumierte Getränk war, vor allem für arme und ärmere Leute. Doch anders als heute führte damals – und bei uns noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein – der Konsum von Wasser zu vielen gesundheitlichen Problemen. Vor allem die Binnengewässer wie auch die öffentlichen Zisternen waren nicht selten mit schädlichen Keimen belastet. Die hohe Sterblichkeitsrate – die es bis in die neueste Zeit herein gab144 - und die relativ geringe Lebenserwartung im mittelalterlichen Ägypten waren damals in der Zeit von Maimonides ohne Zweifel in einem großen Ausmaß das Ergebnis einer verseuchten Umwelt, einer mangelhaften Hygiene und 143
W. Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, z.B. S. 88f. 144 L. Sandri: Erziehung, soziale Rolle und Sterblichkeit von Kindern. In: Wieczorek A. –Rosendahl G. - Lippi D. (Hrsg.). Die Medici – Menschen, Macht und Leidenschaft, Begleitband zur Sonderausstellung Die Medici - Menschen, Macht und Leidenschaft. Mannheim 2013, S. 293-297. Vgl. Wilhelm Kaltenstadler: THE GREAT 2013 MANNHEIM EXHIBITION FROM A MEDICAL PERSPECTIVE. In: Acta Medico-Historica Adriatica (AMHA); 12(1); 195-202.
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in vielen Fällen – die Oberschicht nicht ausgenommen – das Ergebnis einer falschen bzw. mangelhaften Ernährung. Nicht nur das Trinkwasser war mit gefährlichen Keimen belastet. Auch die Kanalisation war vom heutigen Standard noch weit entfernt. Selbst noch heute gibt es viele Regionen, in denen die Qualität des Trinkwassers eher schlechter statt besser wird und die Kanalisation entweder mangelhaft ist oder ganz fehlt. Ein großer Teil des Trinkwassers wurde auch in der Epoche des Maimonides weder aus Aquädukten noch aus natürlichen Quellen entnommen, sondern aus Bächen, Flüssen und Seen, vor allem aus dem Nil. Sehr viele von ihnen waren verschmutzt, aber nicht von Natur aus. Die mangelnde Hygiene äußerte sich auch in der Verschmutzung der Gewässer. Die Bevölkerungsdichte war bereits im antiken Ägypten ziemlich hoch, was natürlich auch zur Wasser- und Luftverschmutzung beitrug. Hygiene war zwar ein wichtiges Thema für Maimonides, aber im Alltag der Menschen noch sehr unterentwickelt bzw. vielfach so gut wie nicht vorhanden. Es war also durchaus die Regel, dass sehr viele (ärmere) Menschen gezwungen waren, unreines, verseuchtes Wasser zum Trinken und Kochen zu verwenden. Vermutlich war es damals auch noch nicht üblich, Wasser regelmäßig vor der Verwendung im Haushalt abzukochen. Die Unreinheit und Verschmutzung des Wassers und der Luft, die es ja bereits in der Antike gab, mögen sicher auch zum Rückgang der Lebenserwartung beigetragen haben. Der Fortschritt des hochentwickelten ägyptischen Medizin-Systems seit der Antike145 scheint durch einen ziemlich niedrigen Standard der Hygiene und durch eine geschädigte Umwelt – nicht zuletzt bedingt durch eine hohe Bevölkerungsdichte – überkompensiert worden zu sein. Untersuchungen an Mumien ergaben eine - trotz der Höhe der altägyptischen Medizin – relativ niedrige Lebenserwartung.146 Nach Heller lag diese im pharaonischen Ägypten bei nur 27 Jahren.147 Oder anders 145
P.W.F. Heller: Ärzte, Magier, Pharaonen, a.a.O., vor allem Kap. III, V und VI. Dieter Vogl und Nicolas Benzin: Die Entdeckung der Urmatrix, Bd. 2, Greiz 2003, Kap. VII: Die Medizin der alten Ägypter, S. 216-272. 147 P.W.F. Heller: Ärzte, Magier, Pharaonen, a.a.O., S. 74. Die Lebenserwartung der Juden im alten Israel soll mit 40 Jahren erstaunlich hoch gewesen sein. Die höhere jüdi146
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ausgedrückt: Man würde eigentlich angesichts des hohen Entwicklungsstandes der altägyptischen Medizin eine höhere Lebenserwartung der ägyptischen Bevölkerung in der Antike erwarten.148 Diese relativ geringe Erlebenserwartung ist wohl nicht nur die Folge einer mangelhaften Hygiene und eines verseuchten Wasser, sondern auch einer falschen Ernährung. Aus den Forschungsaktivitäten von Max von Pettenkofer, Professor für medizinische Chemie an der Universität München im 19. Jahrhundert, wissen wir, dass die Sterblichkeitsrate selbst in städtischen Regionen von Bayern auf Grund der Typhus- und Cholera-Epidemien ziemlich hoch war und dass Tausende von Menschen vor allem dank der CholeraEpidemien noch im 19. Jahrhundert allzu früh ihr Leben lassen mussten. Es ist Max v. Pettenkofer, dem “Hygienepapst”, zu verdanken, dass die wahren Wurzeln dieser hohen Sterblichkeitsrate ansatzweise bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannt wurden. Es dauerte aber bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, dass die erste Wasserleitung, die diesen Namen verdient, nach den höheren Standards einer entwickelten wissenschaftlichen Hygiene in München gebaut wurde. Um diese Zeit bekam die Stadt auch eine moderne Kanalisation. Die hohe Sterblichkeitsrate dieser Periode, verursacht durch Epidemien, welche primär auf eine verschmutzte Umwelt und mangelhafte Ernährung zurückzuführen waren, war Ende des 19. Jahrhunderts als Ergebnis einer Verbesserung des sozialen und wirtschaftlichen Milieus und dank einer besseren Hygiene abrupt zurückgegangen.149 Wenn man die Aussagen von Maimonides zu Ägypten mit der Umweltsituation Bayerns im 19. Jahrhundert vergleicht, dann kommt man zu dem Schluss, dass auch im mittelalterlichen Ägypten die Sterblichkeitsrate zurückgegangen wäre, wenn es gelungen wäre, die Hygienestandards in dem Maße wie im Laufe des 19. Jahrhunderts in sche Lebenserwartung mag vielleicht auch damit zusammenhängen, dass „die hebräische Geburtenrate erheblich über der ägyptischen lag“ (S. 292). 148 Ich verweise hier vor allem auf das Unterkapitel „Die meisten Ägypter starben früh“ in Kap. VII, a.a.O., S. 267-269. 149 G. Pettenkofer: Von Wahrheit und Wirklichkeit. Das Hygienesystem des „Hygienepapstes“ Max von Pettenkofer. In: DMW 2012; 137: 2732-37.
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Bayern zu verbessern. Moderne Hygiene ist immer vom Wasser abhängig, sowohl was den Bau von Wasserleitungen als auch die Schaffung einer funktionierenden Kanalisation betrifft. Aus der Perspektive der sozial-ökonomischen Entwicklung war das Wasser ein limitationaler Faktor, um es in der Sprache der modernen Wirtschaftswissenschaft auszudrücken. Es scheint, dass Maimonides einer der ersten war, der diesen Zusammenhang zwischen schlechter Hygiene und geringer Lebenserwartung durchschaut hatte. So findet man bei ihm die Aufforderung, “das Wasser einige Male zu kochen, es abkühlen zu lassen und erst dann erst zu trinken, denn das nimmt viel von seiner Schädlichkeit weg und korrigiert viel von den schädlichen Elementen, die sich im Wasser finden.“150 Allerdings muss man davon ausgehen, dass die meisten Verbraucher im mittelalterlichen Ägypten weder die Bücher von Maimonides lasen noch seine Ratschläge befolgten und sich des Problems der Belastung des Wassers mit schädlichen Keimen gar nicht bewusst waren. Es gab wohl auch damals Analphabeten, welche nicht in der Lage waren, die Bücher von Maimonides zu lesen. Da Maimonides wusste, dass das meiste Wasser in seiner Zeit verschmutzt war und schädliche Keime enthielt (was ja leider vor allem in unterentwickelten Regionen auch noch heute vorkommt), empfahl er, geschälte Lakritze (Süßholz) ins Wasser zu legen, um es zumindest teilweise zu desinfizieren. Durch den Zusatz von Mastixharz (das noch heute in Griechenland in den Weißwein getan wird) werden der Geruch und der Geschmack des Wassers intensiviert. Es neutralisiert wohl auch bis zu einem gewissen Grad die darin enthaltenen Keime.
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Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (Ed. G. Bos), Kap. 7, S. 35, no. 3. In seinem Opus Treatise on the Regimen of Health, Vol. 4. Haifa 1990, befasst sich Maimonides mit den Problemen des Wasserverbrauchs in zahlreichen Stellen, z.B. S. 21, 25, 28, 46, 54, 57, 73f, 78f. Englischer Text: to boil the water several times, let it cool off, and then drink it, for this dispels much of its harm and corrects much of the harmful elements present in the water.
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Mastixharz ist bereits im Buch Genesis im Alten Testament (37, 25)151 erwähnt. Maimonides verweist auch auf wichtige Kochregeln, so z.B. dass Wasser möglichst in einem neuen sauberen (gereinigten) Topf gekocht werden sollte. Dann sollte man auch nicht Getränke während eines Mahles zu sich nehmen. Denn „die meisten Leute wissen, dass, wenn einer es bei einem Mahl trinkt, es die Nahrung unverdaut lässt, weil das Wasser eine Barriere bildet zwischen dieser und dem Magen, so dass die Nahrung schwimmt und nur schlecht verdaut wird.152 Wenn sich aber eine Person weigert, eine solche Gewohnheit aufzugeben, dann sollte er oder sie “so wenig Wasser als möglich nehmen und das Trinken des Wassers so lange als möglich hinauszögern. Die beste Zeit, Wasser zu trinken, ist etwa zwei Stunden nach einem Mahl.”153 Das beste Wasser sollte nach Maimonides folgende Eigenschaften aufweisen: Süß, rein (unverschmutzt), leicht (bekömmlich), geruchlos und frisch154, und es sollte möglichst von fließenden Gewässern genommen werden. Kaltes Wasser muss man mit Vorsicht genießen. Es schadet ganz besonders, ganz egal bei welchem Konstitutionstyp, wenn man es vor der Mahlzeit trinkt, nach Maimonides nicht zuletzt der Leber.155 Das allerschlechteste Wasser ist dasjenige, das man von geschmolzenem Schnee und Eis herleitet.156 Die Frage, ob man kaltes Wasser trinken darf, hängt 151
http://de.wikipedia.org/wiki/Mastix. LF. Trueb and U. Wyss: Mastix von Chios - ein begehrtes Baumharz. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 2006; 59/6: 297–302. 152 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (Hrsg. G. Bos), Kap. 7, Nr. 3, S. 34. Der englische Text nach Bos: Regarding water, most people know, that, if one drinks it with a meal, it keeps the food crude because it forms a barrier between it and the stomach so that the food floats and is poorly digested. 153 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 7, S. 34, Absatz 3. Englischer Text nach Bos: should take as little water as possible and delay the drinking of water as long as possible. The best time to drink water is about two hours after a meal. 154 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 7, S. 34f (Abs. 3). Englischer Text: sweet, pure, light, free from any change in odor, drawn on the same day from running water. 155 Maimonides: Medizinische Aphorismen, Vol. 2 (1971), 20. Abhandlung, Absatz 32, S. 69. 156 Maimonides: Medizinische Aphorismen, Vol. 2 (1971), 20. Abhandlung, Absatz 33, S. 69.
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auch vom Konstitutionstyp ab. So ist kaltes Wasser nicht geeignet für Patienten, die ein warmes bzw. heißes Temperament haben (Sanguiniker) und an Fieber leiden. Denn es stört das Gleichgewicht der vier Körpersäfte (Blut, Schleim etc.) und lässt sogar das Fieber noch ansteigen. Für die anderen drei Temperament-Typen mag das Trinken von kaltem Wasser sogar gesund sein, zum Beispiel kann es bei Melancholikern die Verdauung und die Darmbewegungen (Stuhlgang) erleichtern.157 Gutes Trinkwaser erkennt man daran, dass es keinen wahrnehmbaren Geschmack oder Geruch aufweise.158 Maimonides warnt aber nicht nur vor einem Konsum von kaltem Wasser, sondern er hält auch den Genuss von lauwarmem Wasser für problematisch. Er ist davon überzeugt, dass beide die Verdauung älterer Leute evtl. beeinträchtigen können. Beide würden den Magen schädigen und nicht einmal den Durst befriedigen. Wasser sollte „in einer maßvollen Menge und nicht exzessiv“ getrunken werden. Das beste Wasser ist für Maimonides dasjenige, „dass es nicht so kalt ist, dass eine Person sich scheut, es zu trinken, und nicht so kalt wie Eis ist.“159 Dieses wird vor allem Personen empfohlen, die ein warmes Temperament haben, also für Sanguiniker. Kaltes Wasser wirkt nicht generell bei allen Menschen bzw. Konstitutionstypen gleich. Nach Galen kann ein an Fieber Erkrankter sogar sterben, wenn er zu viel kaltes Wasser trinkt. „Andere wieder gibt es, denen der Trunk kalten Wassers Heilung bringt, ihren Stuhlgang fördert, das Fieber herunterdrückt und die dadurch gesunden.“160 Bei solchen Fieberkranken vom Typ 2 kann ein Reinigungsbad sogar „zur Beschleunigung ihres Gesundheitsprozesses“ beitragen, bei anderen wiederum (Typ 1) kann dieses das Fieber steigen lassen und sogar ihren Tod verursachen.161 157
Treatise on the Regimen of Health. 1990, S. 84. Maimonides: Medizinische Aphorismen, Vol. 2 (1971), 20. Abhandlung, Absatz 38, S. 70. Siehe auch Regimen Sanitatis I (V). 159 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 7, S. 35, no. 3. 160 Regimen Sanitatis, Viertes Kapitel Absatz 8, S. 102 (Übersetzung Süssmann Muntner). 161 Regimen Sanitatis, Viertes Kapitel Absatz 8, ebd., S. 102. 158
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Solche – mit Vorsicht zu handhabenden Trink- und Badegewohnheiten sollen dazu beitragen, vielen Gebrechen und Krankheiten vorzubeugen, und helfen, die Gesundheit im Sinne einer präventiven Medizin zu erhalten und nach Möglichkeit eine ärztliche Behandlung, die ja wohl auch damals nicht kostenlos erfolgte, zu vermeiden. In seinen Medical Aphorisms beschreibt Maimonides das beste Wasser folgendermaßen: “Das gesündeste Wasser ist dasjenige, das keinen merklichen Geschmack oder Geruch hat. Dieses stellt am meisten zufrieden und ist angenehm zu trinken. Alle diese Gewässer, welche in einer östlichen Richtung über sauberen Sand fließen und schnell erwärmt werden, sind am meisten geeignet als Getränk für alle Leute.”162 Wein und Hydromel – besonders gesund Wasser war also – trotz der häufigen Keimbefalls - das allgemeine Volksgetränk. Für Maimonides hatte der Wein, sowohl der schwarz, rote, Rosé und gelbe Wein einen sehr hohen Stellenwert sowohl als Getränk als auch als Heilmittel. An zahlreichen Stellen bedauert er, dass es den Muslimen verboten war, zur Erhaltung und Restitution der Gesundheit regelmäßig Wein zu trinken. Da Maimonides selbst bei gesunden Nahrungsmitteln einen maßlosen Konsum ablehnte, war er sich auch der schädlichen Wirkung eines übertriebenen Weingenusses bewusst. Sehr kritisch stand er dem Weinkonsum von jungen Leuten gegenüber. Denn bis heute neigen jüngere Leute viel eher als ältere zu alkoholischen Exzessen. Als gebildeter Mensch wusste er wohl, dass im alten Griechenland das Komasaufen – keine Erfindung des 20. Jahrhunderts – bei den jungen Griechen und Griechinnen nicht zuletzt bei den Mysterienfesten gewissermaßen als religiöses Fest praktiziert wurde. Dem Weinkonsum bei älteren Leuten stand er sehr positiv gegenüber. Hier betrachtete er 162
The Medical Aphorisms of Moses Maimonides, Vol. 4, 20. Abhandlung, S. 299, no. 38 and Regimen Sanitatis I, hrsg. durch. H. Grossberger. Heidelberg 1931. Englischer Text: The most salutary of waters are those which have no perceptible taste or odor. These waters are most satisfying and pleasurable to drink. All those that flow in an easterly direction, over clean sand, and rapidly become warmed, are the waters most suitable for all people (to drink).
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einen maßvollen Weinkonsum als „extremely beneficial“. Alten Leuten empfahl er vor allem Weine mit roter oder gelblicher Färbung163. Dem depressiven Sultan Al-Afdal riet er bei seinem schlechten Stuhlgang allerdings Weißwein.164 In den letzten Jahren haben auch die Ärzte die gesundheitsförderliche Wirkung vor allem des Rotweins wiederentdeckt, ohne wohl allerdings zu wissen, dass Maimonides diese Erkenntnis schon vor 800 Jahren hatte. Der teurere Wein dagegen, frommen Muslimen verboten, war wohl eher wohlhabenden Leuten vorbehalten. Die alten Griechen, Römer und Juden tranken kein Bier, sondern Wein, mit Wasser vermischt. So ist es z.B. auch auf der „Hochzeit zu Kana“ im Neuen Testament überliefert. In der Antike, also auch im alten Israel, trank man Wein regelmäßig, aber mäßig, meist mit Wasser – halb Wein, halb Wasser – vermischt. Es war nicht nur ein Getränk und Konsumgut, sondern unter Umständen auch eine Medizin für kranke Leute.165 In der Römischen Republik war der Weinkonsum Frauen lt. Gesetz untersagt, als Heilmittel im Krankheitsfall aber erlaubt.166 Ältere Leute durften bei Verdauungsbeschwerden alten Apfelmost gewissermaßen als Medikament zu sich nehmen. Muslimen, welche keinen Wein (und überhaupt keine alkoholischen Getränke) konsumieren durften bzw. wollten, empfahl Maimonides ein alkoholfreies Weinsurrogat, den mit Honig verfeinerten Hydromel.167 Auch eine an Asthma leidende Person darf Wein oder Nabīdh, eine Art ägyptisches Bier, in kleinen Mengen, nach Maimonides 3 – 4 Gläser, zu sich nehmen. Gerade bei alkoholischen Getränken ist es für Maimonides eine ganz wichtige Prämisse, dass die Nahrung gut verdaut ist und den Magen relativ schnell passiert hat. In diesem Fall ist ein mäßiger Verbrauch von
163 Regimen Sanitatis Kap. 5. Vgl. auch W. Kaltenstadler: Beiträge zur Kulturgeschichte des Judentums und der Geschichte der Medizin, Vol. II. Frankfurt 2010, S. 105f. 164 Responsen auf medizinische Fragen (Süssmann Muntner), 1966, Absatz 20c, S. 148. 165 Talmud Abodah zarah 40b. 166 Plinius naturalis historia XIV 89 und Sueton August. 65,3. 167 Treatise on the Regimen of Health, S. 37, no. 126. Mehr Details zum Hydromel findet man in meinem Buch Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma. Nordhausen 2013, S. 57, 65, 72, 135.
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Wein nicht schädlich und kann als Medizin gegen viele Krankheiten zur Anwendung kommen. Aus der Sicht von Maimonides bietet der Wein vor allem folgende medizinisch relevante Eigenschaften: Verbesserung der Verdauung (Improvement of digestion) Stärkung der angeborenen Körperhitze (Increasing of the inborn body heat) Ausscheidung der überschüssigen Substanzen mittels Ausdünstung und Urin (Expulsion of the superfluous substances by means of perspiration and urine).168 Wein, moderat genossen, ist für die meisten Leute bekömmlich und gesund, doch sollte er vor allem in heißen Ländern mit Wasser vermischt werden. In diesem Sinne äußert sich auch Maimonides. Diese Aussage trifft auch für Apfelmost und Apfelwein zu. Im Talmud ist Wein ausdrücklich als Medikation für zahlreiche Krankheiten akzeptiert. Wie Maimonides an zahlreichen Passagen seiner medizinischen Werke darlegt, ist maßvoll genossener Wein absolut gesund und hilfreich gegen eine Fülle von Krankheiten, zum Beispiel gegen Asthma und bei Verdauungsbeschwerden. Wenn man ihn aber in größeren Mengen konsumiert, ist er wie alle anderen alkoholischen Getränke169 schädlich, vor allem für ältere Personen. Deshalb ist das Alkoholverbot im muslimischen Koran wohl begründet. Darum plädieren auch einige Mediziner dafür, den Alkohol zumindest in der Öffentlichkeit (z.B. bei Volksfesten) zu verbieten bzw. radikal einzuschränken. Regulärer und maßloser Alkoholkonsum belastet und schädigt nicht nur verschiedene Organe des Körpers, z.B. die Leber170, sondern bringt auch den Verdauungsprozess und den Blutkreislauf der Patienten ziemlich durcheinander. Alarmierend ist – vor allem in den Fällen von schwerem Alkoholkonsum – die Tatsache, dass Alkoholmissbrauch oft zu einem großen Mangel an Vitaminen, an Thiamin und Folsäure171 führt. 168
Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 7 (On beverages), Absatz 1 und 2. Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 7, S. 32f, Absatz 1. 170 Schauder-Ollenschläger: Ernährungsmedizin, Kap. „Alkohol“, S. 328-342. 171 Schauder-Ollenschläger: Ernährungsmedizin, ebd. S. 335-337. 169
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Es gibt zusätzlich viele aphoristische Regeln in der 20. Abhandlung der Medizinischen Aphorismen von Moses Maimonides. Ich beschränke mich darauf, sie ohne weiteren Kommentar zu zitieren: Absatz 24: „Wein, zu welchem eine gleiche Menge Wasser hinzugefügt worden ist, wärmt den ganzen Körper und stimuliert alle Glieder zu schnellerer Bewegung. Wenn einer diesen Wein trinkt, dann verbessert oder befeuchtet er die Körpersäfte und beseitigt die schlechten Säfte.“172 Absatz 25: “Wein, welcher verdünnt und wässerig [mehr Wasser als Wein] ist, macht den Magen feucht, schwächt ihn und produziert Gase in den Eingeweiden auf Grund der Kälte und des flüssigen Zustandes des Wasser (im Wein). Unvermischter Wein verursacht ein Zittern der temporalen Arterien, ein Schweregefühl im Kopf und Durst wegen seiner Wärme.“173 Absatz 26: “Bei Schwindelgefühl wird der Kopf mit Gasen gefüllt. Unvermischter Wein bringt diese Gase zum Kochen [reift sie, wandelt sie um und vertreibt sie] und löst sie auf.“174 Absatz 27: „Wir besitzen nichts, das mehr geeignet ist als der Wein, um einen, der schwach und entkräftet ist, zu stärken. Das gleiche lässt sich auf einen anwenden, dessen Körper völlig kalt ist oder dessen Aussehen nicht normal ist.“175 Absatz 28: “Alle süßen, dunklen Weine füllen die Blutgefäße mit dickem dunklem Blut. Weiße schwache verdünnte Weine lösen die dicken Keime 172
Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. Englischer Text: Wine to which an equal quantity of water has been added warms the entire body and stimulates all the limbs to more rapid movement. If one drinks this (wine), it also improves or moistens the humors of the body and eliminates the bad ones. 173 Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. Englischer Text: Wine that is diluted and watery [more water than wine] moistens the stomach and weakens it and produces gases in the intestines due to the coldness and fluidity of the water (in the wine). Undiluted wine causes quivering of the temporal arteries and heaviness in the head and thirst because of its warmth. 174 Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. Englischer Text: At a time of dizziness, the head becomes filled with gases. Undiluted wine cooks [ripens, metabolizes and expels] these gases and dissolves them. 175 Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. Englischer Text: We possess nothing more appropriate than wine for strengthening one which is weak and enfeebled. The same applies to one whose body is completely cold or whose appearance is (abnormal).
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auf und reinigen das Blut, indem sie diese im Urin aussondern. Gelber Wein ist dazwischenliegend und führt zur Entstehung von Keimen, welche in ihrer Essenz intermediär sind.“176 Absatz 29: „Dünner Wein trägt dazu bei, ausgezeichnete Keime zu produzieren, und fördert die Verdauung.“ Gelber Wein und hellfarbige Weine [die sich den Weißweinen nähern] „stimulieren den Urin“.177 Absatz 30: „Jeder, der eine Stimulation braucht, sollte nur dünnen Wein trinken, welcher nur leicht dünn ist und mit Wasser vermischt ist und der eine leichte Härte enthält. Das ist in der Tat eines der nützlichsten Dinge für diese, wenn sie kein Fieber haben.“178 Absatz 31: “Wein ist eines der geeignetsten Güter für denjenigen mit einem Leberleiden, aber ohne ein Abszess oder ohne eine schlechte warme Konstitution. Denn er reinigt, kocht, stärkt und wehrt die Fäulnis ab und wirkt dagegen.“179 Der Wein war im mittelalterlichen Ägypten und überall dort, wo es christliche Kirchen gab, nicht nur ein Getränk und Nahrungsmittel, sondern hatte auch eine sakrale Funktion. Nicht nur die koptischen, sondern alle christlichen Priester tranken in der Hl. Messe einen guten Messwein, allerdings meist mit Wasser vermischt. Nach christlicher Auffassung wird bei der Wandlung das Brot in den Leib und der Wein in das Blut 176
Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. Englischer Text: All sweet, dark [black] wines fill the (blood) vessels with thick dark blood. White weak [dilute] (wines) dissolve [cut] the thick chymes and purify the blood by eliminating them in the urine. Yellow wine is intermediate and gives rise to chymes that are intermediate in their essence. 177 Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. This statement is also found in Regimen Sanitatis IV. Englischer Text: Weak wine aids in producing excellent chymes and helps digestion. Yellow (wine) and light colored (wines) [leaning toward white] “stimulate the urine”. 178 Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. Englischer Text: Anyone who needs to be stimulated should not drink anything except thin white wine which is slightly weak and mixed with water and which contains a little astringency. Indeed, this is one of the most beneficial things for them if they do not have fever. 179 Maimonides: Medical Aphorisms, Kap. 20. Englischer Text: Wine is one of the most appropriate things for someone with a liver affliction, but without an abscess or a bad warm constitution, because it purifies, cooks, strengthens, wards off putrefaction, and counteracts it. If an abscess is present (in the liver) or (if the patient) has a bad cold and moist constitution, this (type of wine) heals him.
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Christi verwandelt und von den gläubigen Christen in der Hl. Kommunion wie beim letzten Abendmahl andächtig empfangen. Der Heilige Wein war also schon in der Antike weitaus mehr als ein Getränk und ein Nahrungsmittel und ist somit ein Produkt, mit dem sich kein anderes Produkt, auch Bier nicht, vergleichen kann. Bier - Nahrungsmittel und Getränk Im alten Ägypten wurde Bier mehr getrunken als Wein, wie uns der Grieche Herodot, der „Vater der europäischen Geschichtsschreibung“ überliefert. Herodot bezeichnet das ägyptische Bier als oinos tou krithou, wörtlich übersetzt als Gerstenwein. Das ägyptische Bier war wie auch bis in die neueste Zeit in Deutschland dunkles stark gemalztes Bier und ein Grundnahrungsmittel. Es scheint aber auch im mittelalterlichen Ägypten eine Art von Bier gegeben zu haben. Fred Rosner, der die medizinischen Schriften von Maimonides ins Englische übersetzte, gibt das arabische Wort Nabīdh mit Bier wieder.180 Man darf also annehmen, dass man auch im mittelalterlichen Ägypten eine Art Bier gebraut hat. Wein oder Bier hat eine indirekte positive Auswirkung bei Asthma und bei Erbrechen. Beide sind alkoholische Getränke, welche Muslime – zumindest in der Öffentlichkeit - nicht konsumieren dürfen. In größeren Mengen genossen, sind beide schädlich für Leute, die an Asthma leiden.181 Heine definiert Nabīdh als “eine extensive Bezeichnung für berauschende Getränke”.182 Im Mittelalter war in der Epoche, in welcher Maimonides lebte, Gerste das Basismaterial für das Bier. Auch die deutschen Brauereien verwenden noch heute in erster Linie Gerste, was auch dem Bayerischen Reinheitsgebot vom 23. April 1516 entspricht. Im mittelalterlichen Ägypten verbot der Koran alkoholische Getränke, womit vor allem Bier und Wein betroffen waren. Fromme Muslime, die sich daran hielten, hatten aber ein Problem: Bier und Wein 180 Maimonides: Treatise on Asthma. Medical Writings, Vol. 6. Haifa 1994, Kap. 9, S. 82, no 13. 181 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 7, Absatz 1, S. 32. 182 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Anm. 1, S. 129, zum Wort nabīdh in Kap. 7, Absatz 1 (S. 32).
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waren verboten und Wasser war auch im arabisch-muslimischen Hochmittelalter noch stark mit schädlichen Keimen belastet. Milch – Getränk für Kinder und Erwachsene Es blieb solchen Menschen somit eigentlich nur die Milch in Form von Kuh-, Ziegen- oder Schafmilch etc. als echte Alternative. Milch jedoch ist nicht für jeden Menschen ein gesundes Getränk. Es gibt nämlich Typen von Patienten, welche an Laktose-Intoleranz leiden, was seit einigen Jahrzehnten auch bei uns als Krankheit gilt. Wenn solche Personen normale Milch (vor allem Kuhmilch) trinken, besteht nach Maimonides die Gefahr, dass diese Milch den Kopf zu sehr belastet und sogar das Gehirn schädigt. Seine Reserviertheit gegenüber Milch wurde durch die LaktoseForschungen der letzten Jahre bestätigt. Laktose-Intoleranz wird heute allgemein als eine Art von asthmatischer Allergie anerkannt. Maimonides kennt Zubereitungsformeln mit Milch, welcher er für verschiedene Krankheiten empfiehlt, zum Beispiel im Fall von Lepra sogar als Grundnahrungsmittel. Solche Patienten dürfen und sollen frische Milch mit Honig und ein wenig Salz zu sich nehmen, vorausgesetzt dass der Magen kein saures Aufstoßen (Schluckauf) nach dem Trinken zeigt. Es handelt sich hier um einen Rat, den bereits der antike Arzt Galen gegeben hatte.183 Galen und Maimonides empfehlen allerdings saure Milch nicht ihren Allergiepatienten.184 In seiner Abhandlung The Causes of Symptoms kritisiert Maimonides einen Arzt, der im Fall einer anderen Krankheit dem Patienten irriger Weise das Trinken von Milch verordnet hatte.185 Bei Maimonides ist aber Milch nicht gleich Milch. In der Regel gibt er der Ziegenmilch den Vorzug vor der Kuhmilch. Die Ziegenmilch hat den Vorteil, dass sie Laktose-Patienten in der Regel eher verkraften als die Kuhmilch. Die Ziegenmilch ist die beste und leicht verdaulich, „auch die der Kamelstuten ist ziemlich nahrhaft. Aber alles, was aus der Milch bereitet und mit ihr vermischt wird, ist sehr ungesund, wie z.B. die 183
Maimonides: Treatise on the Regimen of Health. Medical Writings. Vol. 4, S. 27. Maimonides: Treatise on the Regimen of Health. Medical Writings. Vol. 4, S. 85, no. 14. 185 Maimonides: The Causes of Symptoms. Medical Writings. Vol. 4, S. 133, no. 6. 184
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dicke verkäste Milch, die Sauermilch [Läben bzw. Lab] und die Milchsahne [Molke]. Ebenso ist das, was in ihr gekocht wird, sehr ungesund. Die Käsesorten sind sehr ungesund und schwer verdaulich, ausgenommen der frische, weiße Quark, der angenehm im Geschmack ist und wenig Fett enthält.“186 Es gibt einige von Maimonides empfohlene Getränke, welche mit Milch zubereitet sind, zum Beispiel Milchsuppe, hergestellt aus Buttermilch. Die heutige Ernährungslehre betrachtet den Konsum von Sauermilch, Molke und Käse angesichts der modernen Konservierungstechnik (Kühlschränke, Gefriertruhen etc.) weitaus differenzierter als Maimonides in seiner Zeit. In seinen Medical Aphorisms187 finden sich einige auf Milch beziehende Punkte, die manchmal dem zu widersprechen scheinen, was er in seinem Asthmabuch und in seiner Abhandlung Regimen of Health feststellte. Es folgen nun einige Aphorismen, welche sich positiv zum Milchgenuss äußern: Punkt 39: „Milch nährt einen mangelhaft ernährten Körper, belebt ihn, vernichtet die schädlichen Körpersäfte damit, dass sie diese verdünnt (schwächt) und den Stuhlgang weich werden lässt.“188 Punkt 40: “Im Buch De Alimentorum Virtutibus189 kommt Galen zur Erkenntnis, dass Milch – wohl wegen des hohen Fett- und Kalziumanteils – nahrhafter sei als Weizen. In seiner Abhandlung De Chymis Bonis190 bezeichnet er die Milch sogar als „den besten aller Keime.” Darum empfiehlt er auch die Kombination von Milch und Brot, das in Bayern lange Zeit zum Frühstück als „Milchbrot“ eingenommen wurde. Brot aus Vollkornmehl, welches die Randschichten des Getreides enthält, “ist gut für Gesunde und Kranke und verbessert deren Fleisch und Blut. Wird aber 186 Maimonides: Regimen of Health, Erstes Kapitel, Absatz 8, S. 67 (Übersetzung Süssmann Muntner). 187 Maimonides: Medical Aphorisms. Medical Writings. Vol. 3, 20. Abhandlung. 188 Comment. Epidemiarum II, 6. Englischer Text: Milk nourishes a malnourished [defective] body and revives it and destroys the badness of the detrimental humors by weakening them and softening the stool. 189 Übersetzung: Über die [medizinische] Wirkungskräfte der Nahrungsmittel. 190 Übersetzung: Über die guten Keime.
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die Kleie ausgesiebt, so ist das daraus hergestellte Brot kraftloser und schwächer, als wenn es aus dem vollen Korn hergestellt wird.”191 In diesem Sinne hat sich auch Maimonides zum Brot geäußert. Schlechtes Brot nimmt übrigens der noch so guten Milch die gesunde Wirkung. Punkt 41: “In der Kamels- und Eselsmilch ist der flüssige wässerige Anteil dominant. In der Schafmilch dominiert der käsige Teil, in der Kuhmilch ist der Butteranteil überwiegend. Ziegenmilch nimmt in etwa eine Mittelstellung zwischen diesen Konditionen ein, verglichen mit der Milch anderer Tierarten, und sie ist im menschlichen Körper im mittleren Bereich wirksam. Die Milch, die am meisten auf Grund ihrer gesunden Keime der Gesundheit dient, ist die von einem gesunden und gut genährten Tier. Wenn man eine solche Milch unmittelbar nach dem Melken trinkt, dann sollte man etwas Honig und Salz dazu geben, um einer [allzu schnellen] Verkäsung der Milch entgegenzuwirken.“192 Punkt 42: “Wenn man dicke oder saure Milch betrachtet, dann scheint es, als ob sie aus einer anderen Milch und aus Käse geronnen sei, und das kommt von den gerinnenden Substanzen, welche zu einem extremen Grad verdicken. Diese Art von geronnener Milch, wenn konsumiert, verursacht Trockenheit und Schwere des Körpers. Wenn der käsige Anteil davon vorherrscht wie bei der Kuh- und Schafmilch, dann wird diese noch dicker als andere Milcharten. Die dünnste von diesen ist die Milch, in welcher der wässerige Anteil wie bei der Eselsmilch überwiegt. Wenn man sie aber mit Honig und Salz konsumiert, dann schadet sie einer Person, welche eine befristete Leicht-Diät braucht, nicht.“193 191
H. Kluge: Hildegard von Bingen – Ernährungslehre. Rastatt 1999, S. 28. Zitat aus dem Werk Physica. 192 Englischer Text: The liquid watery portion in camel´s milk and donkey´s milk is dominant, in sheep´s milk the cheesy part dominates, and in cow´s milk the buttery part is dominant. Goat´s milk is proportionately intermediate between these conditions when compared to the milk of other types of animals, and is intermediate in its action in the human body. The milk which is most beneficial in (terms of producing) good chymes is that from a healthy and well-nourished [fat] animal. If one drinks it immediately after milking, it is proper to add honey and some salt thereto to counteract its becoming cheese. Quelle: De chymis bonis V. 193 Englischer Text: Regarding (thick or sour) milk, it seems as if it was curdled [thickened] from other milk and cheese, and this comes about from curdling substances which
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Punkt 43: “Kuhmilch ist die dickste und fetteste aller Milcharten. Kamelmilch die am meisten wässerige und die am wenigsten fette von allen. Nach der Kamelmilch folgt die Milch einer Stute, und danach kommt die Eselsmilch. Ziegenmilch nimmt eine Mittelstellung ein zwischen dicker und dünner Milch, und Schafmilch ist dicker als die letztere.“194 Punkt 44: “Alle Milcharten sind gut und geeignet für physische Krankheiten wie z.B. der Brust und der Lunge, aber eignen sich nicht zur Behandlung des Kopfwehs, auch wenn dieses sehr massiv ist. Milch ist ebenfalls nicht passend für Krankheiten der Seite [Dickdarmentzündung?], bei welchen recht schnell ein anschwellender Meteorismus entsteht.”195 Es gibt also nach Maimonides unterschiedliche Milcharten, die bei bestimmten Krankheiten, dem jeweiligen Konstitutionstyp entsprechend Anwendung finden. Schon damals wusste er jedoch, dass es für Neugeborene und Säuglinge nichts Besseres und Gesünderes gibt als die Muttermilch. Er begründet das damit, dass „ihre Zusammensetzung die selbe ist wie das Blut, aus welchem diese erzeugt wurde.“196 Nur wenn eine Fütterung mit Muttermilch nicht möglich ist, sollte man eine andere geeignete Milch für den Säugling in Erwägung ziehen. Es kommt bei Maimonides wohl auch eine Amme für die Spende von Muttermilch in Frage. thicken to an extreme (degree). This type of (curdled) milk, if eaten, causes dryness and heaviness (of the body). If the cheesy part thereof predominates such as cow´s milk and sheep´s milk, it congeals [thickens] even more than other types of milk. The thinnest of these is the milk in which watery part predominates such as donkey´s milk. Because it is eaten with honey or salt, it does not harm a person who needs a restricted [light] diet. However, a person should be very careful of other types of milk. 194 “Cow´s milk is the thickest and fattest of all milks. Camel´s milk is the most watery [moist] of all milks and the least fat of all. After camel´s milk is horsemare´s milk, and after that is donkey´s milk. Goat´s milk is intermediate between thick and thin and sheep´s milk is thicker than the latter.” Quelle: De Alimentorum Virtutibus VI. 195 Englischer Text: All milks are good and suitable for (illnesses in) body parts such as the chest or the lungs but are not appropriate for a head(ache) even if it is very severe. Milks are (also) not appropriate for illnesses of the sides [colitis?] in which meteorism [swelling] rapidly occurs. 196 Maimonides: The Medical Aphorisms of Moses Maimonides, Vol. 2, New York 1971, 16. Abhandlung, Nr. 37, S. 40.
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Suppen– die Kombination von Essen und Trinken In seinem medizinischen Therapie-System beschränkt sich Maimonides in seiner Medizin der Vorbeugung und Wiederherstellung der Gesundheit nicht auf Nahrungsmittel und Getränke, er empfiehlt auch Suppen nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als Medikamente, welche allerdings meist nicht primären Arzneicharakter besitzen, sondern als zusätzliche Mittel zur normalen Ernährung zum Einsatz kommen. Bei verschiedenen Krankheiten stellen Suppen sowohl eine gesunde Form von Ernährung als auch Medikationen dar. Dabei schließt das eine das andere nicht aus. So empfiehlt er z.B. Leuten, die an einem hartnäckigen Husten leiden, vor allem eine Suppe, die aus alten Hähnen zubereitet ist. Suppen und Soßen von gebratenem Fleisch, zum Beispiel Hammel und Geflügel197, können den Genesungsprozess selbst bei Asthma und vergleichbaren wie auch bei einer Menge von anderen Krankheiten beschleunigen.198 Es gibt für Maimonides vor allem zwei Arten der Selbsttherapie, welche gegen die Entstehung böser Säfte absichern, nämlich körperliche Übungen (Sport) und, wie unten noch weiter ausgeführt, eine passende und geeignete Ernährung, welche in einem hohen Grade abhängt von einem der vier medizinischen Temperamente, nämlich Melancholiker, Phlegmatiker, Choleriker und Sanguiniker.199 In vielen Werken des Maimonides stellen Suppen nicht nur gute Nahrungsmittel dar und beugen der Entstehung von Krankheiten vor, sondern helfen manchmal sogar bei Krankheiten, welche schon weit fortgeschritten sind. Seine GesundheitsSuppen sind entweder Getreide- oder Fleischsuppen. Auch die Kombination von beiden kommt bei ihm vor. Ein Beispiel: Im spezifischen Fall von Magenbeschwerden und Verdauungsschwierigkeiten war für Mai197
Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), a.a.O., Kap. 4, S. 19f. Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd. Kap. 11, no. 4, S. 62f. 199 Maimonides: Medical Aphorisms (Hrsg. G. Bos), Vol. 3. Provo/Utah: Brigham University Press, 2008, 18. Abhandlung (Aphorisms, referring to physical exercises), S. 281-284 und 20. Abhandlung (Aphorisms, referring to foods, drinks, and their consumption), Vol. 3, ebd. S. 293-312, especially S. 307f. 198
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monides eine Gersten-Schleim-Suppe nicht nur eine (relativ) wohlschmeckende Nahrung, sondern auch ein effektives zusätzliches Medikament.200 Selbst bei Lepra und einigen Karzinomen – wie oben im Lepra-Kapitel dargelegt – hat sich die Kombination von Haferschleim und Milchsuppe bzw. Buttermilch bewährt. Sogar Mohammed, der ´Prophet´, empfahl eine Suppe, die Talbina, welche aus Milch, Mehl oder Kleie und Honig zubereitet wird, als Nahrungsmittel und Medikament für die Stabilisierung des Herzens und des Kreislaufs und für die Vertreibung von Kummer und Sorgen.201 Das Rezept dazu findet sich bei Klein-Franke202, aber nicht bei Maimonides, der Mohammed skeptisch gegenüberstand. Es gibt im islamischen Alltag des Mittelalters203 noch andere gesunde Suppen, z.B. die Harisa, „eine Art dicker Suppe, gekocht aus Weizen und gekochtem Fleisch“, und die Harira, „eine Suppe aus Mehl und Fett oder Bratensaft.204 Beide Suppen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und das Immunsystem stärken.205 Suppen oder Soßen „aus gebratenem Fleisch“ fördern den Heilungsprozess bei zahlreichen Krankheiten.206 Suppe von jungen Hähnen empfiehlt Maimonides als leichte Kost vor dem Schlafengehen auch für Personen, die nicht krank sind, aber gesund leben wollen.207 Er ist über200
Maimonides´ Treatise on the Regimen of Health, a.a.O., Vol. 4, S. 51, Fußnote 51 und Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, a.a.O., S. 90. 201 Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd. S. 30f. 202 Felix Klein-Franke: Vorlesungen über die Medizin im Islam. In: Sudhoffs Archiv, Beiheft 23, Wiesbaden 1982, S. 24-26. 203 Zur arabischen Medizin des Mittelalters vgl. Manfred Ullmann: Islamic Medicine, Edinburgh 1978. 204 Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, a.a.O. S. 38. 205 Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 42. 206 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), a.a.O., Kap. 4, S. 19f und Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 90. 207 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 6, a.a.O., S. 31, no. 4. W. Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 57.
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zeugt, dass es besser ist, leichte Kost zu wählen, als hungrig zu Bett zu gehen. Essen und Trinken – eine Frage der Tageszeit208 Maimonides ging nicht nur der Frage nach, was ein bestimmter Temperamentstyp essen oder trinken sollte, sondern er machte sich auch Gedanken darüber, wann und zu welcher Tageszeit jemand essen und trinken sollte. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Frage des richtigen Esszeitpunktes bzw. der richtigen Esszeitpunkte während des Tages in vielen Regionen und Kulturen nicht ausschließlich eine Angelegenheit der wissenschaftlichen Medizin, sondern auch der bestehenden sozialen Gewohnheiten. Noch heute gibt es allerdings Ärzte, die ihren Patienten raten, am Abend so wenig als möglich zu essen und während der Nacht nichts zu essen und zu trinken. Der jüdische Arzt Maimonides jedoch stellte solche allgemeinen Esszeit-Regeln in Frage, ohne allerdings auf die diesbezüglichen Empfehlungen der Hl. Hildegard von Bingen Bezug zu nehmen. Diese war eine Benediktiner-Nonne und lebte im 12. Jahrhundert den größten Teil ihres Lebens in einem Kloster in Bingen am Rhein.209 Wie Maimonides war sie auch in der Theologie und Philosophie höchst kompetent, allerdings mehr im Neuen als im Alten Testament. Maimonides war sehr klug, die täglichen Essens- und Trinkzeiten nicht zu generalisieren und zu standardisieren. Auch hier neigt er wie überhaupt in seinen Werken zur Differenzierung nach allen möglichen Gesichtspunkten. Sein erstes wissenschaftliches Kriterium für die Wahl der optimalen Essenszeit war die physische Konstitution des Patienten. Er beschreibt Fälle, bei welchen es ihm ratsam erschien, dass der Patient 208
Ich verweise ganz besonders auf die 20. Abhandlung von Vol. 2 (S. 63-82) der „Medical Aphorisms of Moses Maimonides“ von F. Rosner und S. Muntner. Der Untertitel dieser Abhandlung lautet auf Englisch: „Contains Aphorisms Pertaining to Food and Drink“ (S. 63). Viele Aussagen dieser 20. Abhandlung von Vol. 2 stimmen überein mit den vergleichbaren Aussagen im Asthmawerk von Maimonides. Dieses wurde hier schon mehrfach ausgewertet und zitiert. 209 H. Kluge: Hildegard von Bingen – Ernährungslehre. Rastatt 1999, S. 91-93.
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zweimal oder dreimal am Tag ein Mahl zu sich nehmen sollte, doch auch hier galt es ihm als wichtig, Exzesse im Essen und im Trinken zu vermeiden. Wie oft und wie intensiv ein Patient essen solle, hing bereits damals vom Funktionieren seiner Verdauung und von der Art seines Stuhlganges ab. Leuten mit schwerem Stuhlgang riet er dazu, öfter am Tag zu essen und dabei leichtere Kost zu wählen.210 Maimonides war sich bewusst, dass Menschen je nach Erziehung und kultureller Zugehörigkeit unterschiedliche Essensgewohnheiten und unterschiedliche Vorstellungen zum optimalen Essenszeitpunkt hatten. Solche Zeitpunkte sind von zahlreichen Faktoren abhängig: Temperamentstyp, physische und psychische Konstitution, Verteilung der Körpersäfte, Alter des Patienten, Jahreszeit, evtl. eine bestimmte Krankheit etc. So nahmen die bayerischen Bauern noch im 19. Jahrhundert ihr Mittagessen in der Regel vor 12 Uhr ein. Die großbürgerlichen Familien der Hansestädte aßen sehr spät zu Mittag, meist erst gegen 14 Uhr. Beide Essenszeiten können ´richtig´ sein, die ´Richtigkeit´ hängt aber von zahlreichen Faktoren ab. Man hüte sich hier vor Verallgemeinerungen! Ganz anders stellt sich die Frage der Essenszeiten im mittelalterlichen Ägypten. Die meisten Leute in der Zeit des Maimonides nahmen im mittelalterlichen Ägypten und in Nahen Osten ihre Hauptmahlzeiten früh am Morgen und spät am Abend ein, wenn die Hitze des Tages nachgelassen hatte. Reiche Leute haben wohl damals dreimal am Tag gegessen, auch zu Mittag. Ärmere Leute hatten sich wohl mit einem einzigen Mahl am Tag zu begnügen. Im Grunde legte sich Maimonides nicht fest. Ein Patient, der eine gute Natur und Konstitution aufwies, konnte auch ein sehr reiches Mahl vor dem zu-Bett-Gehen verkraften. Ein Magenkranker hätte sich mit solchen Gewohnheiten Schaden zugezogen. Er riet also Personen mit 210
Allgemeine Gesundheitsregeln sind beschrieben in der Schrift The Medical Aphorisms of Moses Maimonides. Medical writings, Vol. 4, 17. Abhandlung, S. 271-280, hier Regel 19. Mehr Details zu diesen Regeln finden sich bei W. Kaltenstadler: Gesundheit, Hygiene und Krankheit bei Maimonides. Beiträge zur Kulturgeschichte des Judentums. Frankfurt 2010, Vol. II: S. 86-141.
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einer schwachen Konstitution, meist älteren oder genesenden Personen, welche ernste Krankheiten hatten bzw. hinter sich gebracht hatten, davon ab, nur ein einziges opulentes Mahl und das noch spät am Abend zu sich zu nehmen. Solchen Personen riet er dringend, drei Mal am Tag, jedoch ohne Völlerei, zu speisen. Er riet solchen Leuten, ihre Nahrungsrationen an ihre physische Konstitution anzupassen und die Hitze ihres Körpers nicht durch Einnahme von zu viel Nahrung zu löschen. In dieser Angelegenheit steht Maimonides in der langen Tradition des altgriechischen Arztes Galen. Dieser betont die Wichtigkeit angemessener zeitlicher Abstände zwischen den täglichen Mahlzeiten.211 Galen weigert sich auch, feste Termine für Mahl- und Esszeiten festzulegen. Er vertrat die Auffassung, dass sich niemand zum Essen zwingen solle, wenn er keinen Appetit habe. Maimonides, der sich hier stark an Galen orientiert, rät zu variablen Essenszeiten je nach Konstitutionstyp. Diese hängen von verschiedenen endogenen und exogenen Faktoren ab, zum Beispiel von der Verteilung der Körpersäfte und von der Zugehörigkeit zu einem der vier Temperamente der speisenden Person(en).212 Für Maimonides gab es keine ewig gültigen unveränderbaren Essenszeiten. Er bemühte sich allerdings, ungefähre Zeiten für Essen und Trinken nach den vorliegenden Umständen und den Variablen der Speisenden festzulegen. Er bewies wie auch sonst eine außergewöhnliche Flexibilität des Denkens. Leuten, welche gewohnt waren, am Abend eine größere Mahlzeit einzunehmen, riet er, im Winter in der zweiten oder dritten Stunde des Tages zu speisen. Dafür sollte man die (saisonabhängige) Länge der Nacht und die Fähigkeit des Körpers, seine normale Verdauung zu bewerkstelligen, in Erwägung ziehen. Im Sommer dagegen sollten solche Leute in der fünften Stunde speisen, „weil dann der Magen leer ist.“213 Am Ende von Kap. 6 seines Asthmabuches nimmt Maimonides auf seine eigenen Ess-Erfahrungen Bezug. Ich zitiere: 211
Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (Ed. G. Bos), Kap. 6, S. 29, no. 1 und 2. Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 6, S. 29f. Der Ausdruck “Temperament” bezieht sich auf die antike Doktrin der vier Temperamente. 213 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 6, S. 30. 212
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“Denn, wenn ich etwas Brot nehme – wenn auch nur ein wenig – zu einer ungewöhnlichen Zeit, dann schade ich mir und meine Verdauung ist verdorben. Aber wenn ich die Nacht mit einem leeren Magen verbringe, dann sind meine Körperflüssigkeiten verbrannt und mein Magen ist durch die schlechten Säfte, welche in ihn hineinfließen, erhitzt. Ich habe herausgefunden, dass das Beste, das man machen kann, um den Magen arbeiten zu lassen, ist, ihm leichte schmackhafte Nahrungsmittel, die er leicht verdauen kann, zukommen zu lassen. Manchmal trinke ich Suppe von jungen Hähnen, soweit verfügbar, und dann lege ich mich schlafen, manchmal koche ich mir fünf oder sechs Eier und esse ihren Dotter mit etwas Zimt und Salz, welche ich drüberstreue. Manchmal esse ich einige Pistaziennüsse und Rosinen ohne ihre Samen und Mandeln mit Fānīd214 und trinke ein Zucker- oder Honiggetränk, wenn es verfügbar ist. Während des Winters nehme ich ein Glas Wein, wenn es kalt ist. Im Allgemeinen sollte man die Nacht nicht in einem hungrigen Zustand verbringen, ausgenommen wenn der Magen unverarbeitete, rohe und dicke Säfte, deren Abkochung noch erwünscht wäre, enthält.“215 Bei Maimonides konnte ich keine praktischen Essens-Faust-Regeln entdecken, wie sie in Bayern noch lange üblich waren, zum Beispiel: „Esse wie ein König am Morgen und wie ein Bettelmann am Abend!“
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Fānīd ist noch heute eine Süßspeise in muslimischen Ländern. Ein Rezept dazu findet sich bei W. Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, a.a.O., S. 17f. 215 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 6, S. 31, no. 4. Englischer Text: For, when I take some bread – even a small amount – at an unusual time, I am harmed by it and my digestion is spoiled. And if I spend the night with an empty stomach, my humors are burned and my stomach is heated by bad humors flowing toward it, as happens to everyone who is fasting. I have found that the best thing to do is to have the stomach occupied with light tasty foods which are easy to digest. Sometimes I drink soup [made] from young roosters, when it is available, and then go to sleep; and sometimes I boil five or six eggs and eat their yolks with some cinnamon and salt sprinkled on them. Sometimes I eat some pistachio nuts and raisins without their seeds, or raisins and almonds with fānīd, and drink a beverage of sugar or honey – whichever is available. During the winter I take a glass of wine when it is cold. In general, one should not spend the night in a hungry state except when the stomach contains crude, raw, and thick humors whose coction is desired.
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Maimonides war, wie schon erwähnt, sehr flexibel bei Ess- und Trinkgewohnheiten. Er war kein Anhänger des opulenten englischen und amerikanischen Frühstücks. In seinen Medizinischen Aphorismen zum Beispiel riet er Personen, die an Asthma litten, frischen Grapefruit-Saft auf leeren Magen zu trinken und dann ein adstringierendes Gericht, mit etwas Pfefferminz gewürzt, am Morgen zu konsumieren. Leuten, welche an anderen Krankheiten als Asthma litten, empfahl er adäquate Nahrungsmittel und Getränke zu unterschiedlichen Stunden des Tages. Er war ein ungewöhnlich flexibler Arzt und wusste, dass die Frage der ´richtigen´ Ernährung nicht nur vom Typ der Krankheit, sondern auch von einer langen Reihe weiterer Faktoren abhängt und nicht bloß eine Frage der ´richtigen´ konsumierten Menge ist. Hier gilt wieder das oben behandelte Prinzip des goldenen Mittelweges, ein Weg, der auch bei der Ernährung zum wahren Gleichgewicht führen soll. Zuviel ist genauso schlecht wie zu wenig. Doch dafür, was zu viel und was zu wenig ist, gibt es keine absoluten Regeln. Ernährung – eine Frage des Gleichgewichts, der gesunden Mitte, der Mäßigung und der ´richtigen´ Menge Zu den idealen Kriterien des menschlichen Lebens, nämlich zum Goldenen Mittelweg und zum physisch-psychischen Gleichgewicht, kommt noch das Erkennen des richtigen Maßes, die mittelalterliche Tugend der Masze, des Maßhaltens, hinzu. Man kann sie im Grunde aus dem Goldenen Mittelweg herleiten. Diese drei großen Ideal-Kriterien – Mittelweg, Gleichgewicht, Maßhalten - sind in der Regel für die Masse unerreichbar. Sie sind eine Domäne der Elite, der Weisen. En weiser Mann sollte in all seinen Aktivitäten, sowohl im Geschäftsleben als auch in seiner Lebensweise (Diaita) und Ernährung nicht unmäßig sein. Maimonides positioniert die Tugend des richtigen Maßes in der altgriechischen Tradition des medén agán (nie zu viel) und auf dem lateinischen Ovid´schen Ideal des media tutissimus ibis (den Mittelweg zu gehen, ist am sichersten). Diese Idee des Goldenen Mittelweges lässt sich auch anwenden auf das Gebiet der Ernährung. In allen Formen der Ernährung sollte beim Essen und 75
Trinken auch die Vernunft – der griechische Logos – zur Anwendung kommen. Auf diesen hellenistischen Logos hat auch Papst Benedikt XVI. in diversen Schriften, Enzykliken und Vorlesungen immer wieder Bezug genommen. Maßvoller Konsum sollte auch für den Fleischkonsum gelten. Es sollte jeder Mensch bei einem einzelnen Mahl nicht nur nicht zu viel Fleisch essen, sondern sollte Fleisch nicht regelmäßig, in großen Mengen oder gar täglich zu sich nehmen. Eine Umfrage durch den Donaukurier vom 31.10./01.11.2014 ergab, dass z.B. nur wenige junge Menschen sich bereit erklärten, auf den Konsum von Fleisch zu verzichten. Viele dieser Fleischfreunde zeigten sich eher dazu bereit, ihren Konsum von Süßigkeiten einzuschränken bzw. notfalls sogar ganz aufzugeben. In Kapitel 5 der Laws for Human Temperaments empfahl Maimonides Fleisch nur einmal pro Woche. Es gibt Stellen in anderen Werken von ihm, wo er in bestimmten Fällen bei bestimmten Konstitutionstypen und Krankheiten den Fleischkonsum mehr als einmal in der Woche zugestand. Es scheint aber, dass die meisten Menschen im muslimischarabischen Mittelalter keine Probleme mit dem im Vergleich zu heute mäßigen Fleischkonsum hatten. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass im mittelalterlichen Ägypten und anderen mediterranen Ländern Fleisch teurer war als Fische und Tiere, die in Binnengewässern und im Meer lebten. Regelmäßiges Essen und Trinken – ohne Exzess – sind für jedermann wichtig, wobei der Nachdruck auf „regelmäßig“ gelegt werden soll. Regelmäßige Ernährung ist weit besser als große Mengen in kurzer Zeit zu essen (man könnte auch sagen: fressen) und zu trinken. Manchmal sind das Essen von Speisen und das Trinken von Getränken schlechterer Qualität besser für die Erhaltung der Gesundheit und die Verhinderung von Krankheiten als permanente Unregelmäßigkeit und häufiger Wechsel der Ess- und Trinkgewohnheiten selbst bei guter Qualität der Nahrungsmittel. Einige Leute im mittelalterlichen Ägypten, die an schlechten Nahrungsmitteln litten und schlechte Essgewohnheiten hatten, versuchten nach Möglichkeit ihre Gesundheit durch den Konsum von Zwiebeln und
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Zwiebelsaft wieder herzustellen.216 Diese waren wohl billiger als andere Nahrungsmittel. Auch Hildegard von Bingen hält fest, dass Zwiebeln sehr nahrhaft und wirksam sind für die Aufrechterhaltung der Gesundheit. Sie beugen nicht zuletzt Erkältungen vor. Sie enthalten nicht nur Kohlehydrate, Proteine, Vitamine und Mineralien, sondern auch andere nützliche wichtige Substanzen. Aber wenn Patienten zu viel davon essen, leiden sie oft an Verdauungsproblemen. Magenkranke sollten also nach Maimonides und Hildegard von Bingen keine Zwiebeln essen. Selbst gesunde Personen sollten Zwiebeln nur essen, wenn sie gekocht sind.217 Maimonides war kein Ernährungsfanatiker. Er war in der Lage, zu differenzieren zwischen dem, was zum Essen geeignet, und dem, was ungeeignet war. Er wusste, dass das, was dem einen Konstitutionstyp schädlich, einem anderen oft nützlich war. Menschliche Wesen müssen lernen, abzuschätzen – evtl. mit Hilfe des Arztes oder Ernährungsexperten – was und wie viel sie in bestimmten Situationen unter Berücksichtigung der Jahreszeiten, der Tageszeit, ihrer früheren und jetzigen Krankheiten etc. essen dürfen und was nicht. Maimonides war sich wie jeder ehrliche Arzt von heute darüber im Klaren, dass bis zu einem bestimmten hohen Grad jeder Patient selbst für die Aufrechterhaltung seines persönlichen Ernährungsgleichgewichts – sowohl der Menge als auch der Qualität nach – verantwortlich ist. Es gibt immer noch zu viele Patienten, welche diese Verantwortung auf die behandelnden Ärzte abzuwälzen versuchen. Der Arzt mag durchaus in der Lage sein, die optimalen Mengen von Essen und Trinken in Kooperation mit seinem Patienten festzulegen. Er kann und soll aber nicht das Denken für seine Patienten übernehmen. Das würde auch eine zeitliche Überforderung des Arztes mit sich bringen. Jeder Mensch muss wissen, wie viel er oder sie im Alltag und in besonderen Lebenslagen essen und trinken darf. Der Erwachsene sollte zumindest in der Lage sein, nicht so viel zu essen und zu trinken, so dass man damit seine Gesundheit schädigt. Basierend auf diesen Beobachtungen 216 217
Maimonides: Medical Aphorisms. Medical writings, Vol. 3. Haifa 1989, S. 342-345. H. Kluge: Hildegard von Bingen – Ernährungslehre. Rastatt 1999, S. 40.
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und Erwägungen, entwickelte Maimonides die Regel, dass ein Patient mit dem Essen aufhören sollte, bevor er oder sie das Essen verabscheut. Der Essende und Trinkende bleibt also, ausgedrückt durch das erste Gossen´sche Gesetz, mehr oder weniger knapp unterhalb des Kulminationsgipfels der Verbrauchskurve. Ein maßvoller Verbraucher sollte also nicht so lange essen, bis er voll gesättigt ist, sondern sollte mit dem Essen bereits vor der kompletten Sättigung aufhören. Für Maimonides ist die Übersättigung eine häufige Wurzel vieler Krankheiten. In der Tat führt permanente Übersättigung häufig zu Magenverstimmungen, Verdauungsstörungen und möglicherweise sogar zu Magenkrämpfen. Im 1. Kapitel seines Werkes Regimen Sanitatis verweist Maimonides ausdrücklich auf die beiden fundamentalen Gesundheitsregeln von Hippokrates, nämlich „1. Dass der Mensch sich nicht übersättige 2. Dass er sich nicht übermüde, wodurch er die Wohltat der Körperbewegung und der Gymnastik in ihr Gegenteil umwandelt.“218 Die Forderung, eine Übersättigung zu vermeiden, geht sowohl auf Hippokrates als auch auf Galen zurück. Im sechsten Buch seiner Epidemiae stellt Hippokrates fest, dass „die Aufrechterhaltung der Gesundheit von der Vermeidung der [totalen] Sättigung“ abhänge. Noch deutlicher bringt das Galen zum Ausdruck: „Die Vermeidung der Überfüllung [overfilling] mit Nahrung ist nützlich für alle Altersstufen und Bedingung für jeden Körper.“219 Maimonides will also mit Berufung auf die beiden antiken griechischen Ärzte zum Ausdruck bringen, dass die Kombination mehrerer Methoden der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit nur wirksam ist, wenn diese beiden Grundregeln, vor allem die Grundregel 1, eingehalten werden. In Kap. 12 seines Asthmabuches bietet Maimonides ein wirksames Rezept (Vorschrift) gegen Magenkrämpfe als Folge von Übersättigung. Solche Rezepte und Formeln bilden in seinen zahlreichen medizi218
Zit. nach Süssmann Muntner: Regimen Sanitatis oder Diätetik für die Seele und den Körper, Basel und New York 1966, 1. Kap., S. 60. 219 Maimonides: The Medical Aphorisms of Moses Maimonides, Vol. 2, a.a.O., 17. Abhandlung, Nr. 2, S. 41. Englische Übersetzung nach F.Rosner und S. Muntner: „The avoidance of overfilling oneself with food is of benefit for all ages, and for anybody condition” (Rosner-Muntner, Vol. 2, S. 41).
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nischen Abhandlungen die Basis und Quelle spezieller Regeln zur ´richtigen´ Ernährung. Viele davon sind bis heute noch nicht überholt. Gibt es spezielle Ernährungsregeln? Die allgemeinste Regel, welche aber seit der Antike nicht nur auf die Medizin angewendet wird, übernahm Maimonides von dem griechischen Philosophen Aristoteles. Es handelt sich um den Goldenen Mittelweg, der ursprünglich auf die Ethik ausgerichtet war und das zentrale Motiv der Nikomachischen Ethik von Aristoteles darstellt. Dieser ist der Weg zwischen zwei Extremen. So ist z.B. die Sparsamkeit der mittlere Weg zwischen Geiz und Verschwendung bzw. Vergeudung. Dieser Mittelweg zwischen zwei Extremen ist aber nicht immer und überall für alle Personen gleich. Er ist auf keinen Fall statisch, sondern dynamisch. Die Einhaltung dieses Mittelweges ist die wichtige Vorbedingung für die Verwirklichung des physischen und mental-psychischen Gleichgewichtes. Ein länger anhaltender Verlust dieses Gleichgewichtes wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit einer Person, sondern auch auf seine Stellung in der Familie und anderen sozialen Gruppen aus. Aristoteles bezeichnet darum mit Recht den Menschen als zóon politikón, ins Lateinische als animal sociale übersetzt. Auf längere Sicht bleibt der Verlust der Mitte auch nicht ohne Auswirkung des Individuums zu Gott. Es ist sehr schwer, Gott zu lieben, wenn das individuelle physische und mentale Wohlergehen gestört ist. Denn solche Störungen wirken sich auch auf die Beziehungen zu den sozialen Gruppen, denen dieses Individuum angehört, aus. Diese Aussagen und Schlussfolgerungen lassen sich nicht nur auf die höheren Bedürfnisse, z.B. auf die sozialen und Ego-Bedürfnisse nach Maslow, sondern auch auf die physischen Bedürfnisse, zu denen auch die Ernährung gehört, anwenden. Die Ernährungsregeln, welche in enger Verbindung mit dem physischen und psychischen Gleichgewicht stehen, finden sich nicht in einem einzigen Buch von Maimonides, sondern sind in mehreren Büchern und Abhandlungen mit medizinischen und Gesundheitsregeln eng verbunden. Sie sind ebenso wie die Gebote des Alten Testamentes und des Tal-
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muds220 eine wichtige Stütze, um ein harmonisches, Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Während die alten Römer dem Wahlspruch Mens sana in corpore sano folgten, so ergibt sich aus der Gesundheitslehre des Maimonides: die Regel Corpus sanum pro mente sana! „Der Körper muß gesund sein, damit die Seele es auch sei!“221 In dem weniger bekannten Werk „Acht Kapitel“, im Regimen Sanitatis und im Abschnitt Hilchot Deoth (Gesetze der persönlichen Entwicklung)222 seines großen theologisch-philosophischen Werkes Mishneh Thora finden sich zahlreiche Methoden zur „Gesunderhaltung des körperlich seelischen Gleichgewichtes“223 und zur Stabilisierung und Verbesserung der Gesundheit. Die beste Ernährung ist also nicht wirklich hilfreich, wenn sie nicht mit anderen Arten von nützlichen Gesundheitsmaßnahmen kombiniert wird. Essen und Trinken224 hängen also von weiteren Methoden der Gesundheitserhaltung ab, nämlich körperliche Bewegung, sportliche Betätigung und Gymnastik, vor allem in frischer Luft, regelmäßiges, aber nicht übertriebenes Baden, Massage und eine regelmäßige nachhaltige physische und geistige Hygiene. Die Hygiene ist in der christlichen Kultur Europas lange Zeit extrem vernachlässigt worden und hat bis heute immer noch nicht den Stellenwert, der ihr zusteht. Immer wieder entdeckt man in deutschen Krankenhäusern Hygienemängel. Dabei kann man davon ausgehen, dass nicht alle Mängel in allen Krankenhäusern der Öffentlichkeit bekannt werden. Die mangelnde Hygiene trägt selbst noch heute weltweit dazu bei, dass immer wieder Epidemien wie z.B. Ebola im Jahre 2014 auftreten und zu einem Massensterben führen. Fehlende und mangelhafte Hygiene ist stets 220
Fred Rosner: Modern Medicine and Jewish Law, New York 1990 (1. Ausgabe 1972). Muntner Süssmann: Die Medizin des Maimonides im Lichte neuerer Erkenntnisse in der Biologie zu Süssmann Muntner, Regimen Sanitatis, a.a.O., S. 38. 222 http://www.chabad.org/library/article_cdo/aid/910314/jewish/Deot.htm. Auf Englisch: „The Laws of Personal Development“. 223 Die Medizin des Maimonides im Lichte neuerer Erkenntnisse in der Biologie, a.a.O., S. 38. 224 Es gibt ein bayerisches Sprichwort: Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Man bedenke: Auch das sog. einfache Volk hat erkannt, dass die Nahrungsaufnahme eine psychische Dimension hat. 221
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mit dem Verlust des individuellen und kollektiven Gleichgewichtes verbunden und ist auch die Folge von Sünde und Unwissenheit (peccatum et ignorantia) im Sinne des Hl. Thomas von Aquin, dem Führer und Kopf der christlichen Scholastik im Mittelalter. Natürlich sind bei solchen Epidemien mehr als bei sog. normalen Krankheiten die Körpersäfte, nicht zuletzt das Blut, betroffen und nicht mehr im Gleichgewicht. Wenn das Gleichgewicht der Säfte gestört ist, dann kann auch aus der Perspektive von Maimonides bei einer Menge von Fällen – das gilt auch für Epidemien wie Ebola - nicht darauf verzichtet werden, Medikamente einzunehmen und in Zusammenarbeit mit guten Ärzten eine strenge Diät, die auch die Aufnahme der Nahrung und von Getränken umfasst, zu praktizieren. So eine Methode der (nachträglichen) Gesundheits´Reparatur´ muss vor allem auch in dem Falle gewählt werden, dass Verdauung und Stuhlgang tangiert sind. Sowohl bei der Erhaltung als auch bei der ´Reparatur´ der Gesundheit, ist eine strenge geistige Haltung, auch im Bereich der Ernährung, sehr wichtig. Maimonides betont dabei immer wieder, dass jeder Mensch eine Seele hat und dass diese sogar noch einen höheren Wert und Rang – auch aus der Sicht Gottes – hat als der Leib. Wenn man diesen geistigpsychischen Aspekt gebührend berücksichtigt, dann ist Essen nicht gleich Essen. Man muss allerdings nach Maimonides strengen Regeln der Ernährung und der Diaita folgen, von denen ich hier einige ziemlich wörtlich wiedergeben möchte: Keine (weitere) Nahrungsaufnahme, wenn der Magen voll ist! (No eating when stomach is replete!) Mit dem Essen aufhören, bevor der Kulminationspunkt (der Nahrungsaufnahme) erreicht ist! (Stop eating before you have reached the point of culmination!) Während des Mahles nicht trinken, vor allem kein kaltes Wasser und keinen Wein! Es ist besser zu trinken, wenn die Nahrung verdaut ist und sich im Darmtrakt befindet (Avoid drinking especially cold water and wine during the meal! It is better to drink when nutrition is digested in the intestines).
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Auch unmittelbar nach dem Essen keine großen Wassermengen trinken! (Do not drink great quantities of water after meal!) Vor dem Mahl wird ein Spaziergang oder körperliche Arbeit bzw. (sonstige) Bewegung empfohlen. Dabei findet die Seele ihre Ruhe, und als Folge davon ist der Körper aufnahmebereit für das Essen. (Before meal a walk or physical work resp. movement is recommended. By that the soul finds her rest, and as a consequence of that the body is receptive for eating.) Unmittelbar nach dem Essen kein Spaziergang, kein Reiten, keine schwere körperliche Bewegung! Permanente Nichtbeachtung dieser Regel kann zu schweren Krankheiten führen. (After meal no walking, no riding, no heavy physical movement! Permanent disregard of this rule may lead to heavy diseases.) Nur mäßige Massage nach physischer Bewegung bzw. nach Gymnastik! (Only moderate massage after physical movement resp. gymnastics!)225. Wähle immer den gleichen Platz am Tisch! (Choose always the same place at the table!) Kein langer Schlaf nach einem Mahl! Kein Schlaf während des Tages! (No long sleeping after a meal! No sleeping during day!)226. Es gibt einige Nahrungsmittel, sogenannte Magenreiniger, welche Leue mit Verdauungsproblemen regelmäßig einnehmen sollten, aber immer vor dem offiziellen Mahl, das sind Weintrauben, Feigen, Maulbeeren, Erbsen, Melonen, einige Arten von Gurken227 und Kürbissen228. Anschließend sollte man warten, bis diese Reiniger verdaut sind. Es gibt auch Lebensmittel, welche Maimonides als eine Art Dessert unmittelbar nach dem Mahl zur Einnahme empfiehlt, allerdings nicht im Übermaß, nämlich Granatäpfel, Quitten, Äpfel und kleine Birnen. 225 Maimonides: Medical Aphorisms. Medical Writings, Vol. 3, 18. Abhandlung, no. 14f, S. 283. 226 Diese Aussage überrascht, wenn man bedenkt, dass Maimonides in Ländern (Andalusien, Ägypten) lebte, in welchen die Siesta üblich war. 227 Hildegard von Bingen rät Gesunden und vor allem Kranken vom Konsum von Gurken ab. (H. Kluge: Ernährungslehre, S. 33.). 228 „Hildegard empfiehlt den Kürbis ohne Einschränkungen für gesunde und kranke Menschen“. (H. Kluge: Ernährungslehre, S. 35).
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Halte eine bestimmte Ordnung in der Speisenfolge ein! (Keep a special order in the sequence of eating!) Man sollte z.B. Geflügel und Rindfleisch nicht zusammen essen. Es ist besser, zuerst Geflügel und dann erst Rindfleisch zu essen. Auch Eier sollten noch vor dem Gemüse konsumiert werden. Fleisch von kleinen Säugetieren (Schafe, Ziegen, Kälber etc.) sollten vor einem Mahl mit Fleisch von größeren Rindern eingenommen werden. Es gibt ein wichtiges Essprinzip: Zuerst die leichte, dann die schwere Nahrung. (It is an important principle of eating: First the light, then the heavy food.) Im Sommer und in heißen Monaten sollte man kühlen bzw. kühlenden Nahrungsmitteln mit Essig und nur wenig Aroma den Vorzug geben. Für die Regenmonate empfiehlt Maimonides wärmende Speisen mit viel Aroma. Außerdem sollte man den übermäßigen Gebrauch von Senf und Asant, volkstümlich Teufelsdreck genannt, vermeiden. Letzterer wird noch heute gegen Gastritis, Blähungen und Magenbelastung verschrieben. (In summer and hot months cooling foods with vinegar and only little flavor are preferable. For the raining months Maimonides recommends warming foods with much flavor. Besides that, one should avoid over usage of mustard and asa foetida, which is still today prescribed against gastritis, flatulence and aggravation of stomach.) Immer wieder warnt Maimonides davor, zu oft frische Früchte zu konsumieren. Einige Arten davon sollten nur in kleinen Mengen gegessen werden. Natürlich sollte man es auf jeden Fall vermeiden, unreife Früchte zu essen! (Again and again Maimonides warns against eating too frequently fresh fruits. Some types of fruit should only be eaten in small quantities. Of course, one should by all means avoid the eating of immature fruits). Es gibt Nahrungsmittel wie Honig und Wein, die für Erwachsene, aber auf gar keinen Fall für Kinder229 gesund sind. Ältere Leute sollten sie vor allem während der Regenmonate des Jahres konsumieren. (There are 229
Noch heute raten die Ärzte dringend davor, Säuglingen Honig zu verabreichen. Natürlich herrscht heute striktes Alkoholverbot für Säuglinge, Kinder und Jugendliche. Leider wird es allzu oft nicht eingehalten.
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foods like honey and wine which are healthy for grown-up persons, but absolutely not for children. Elderly people should consume them especially during the rainy months of the year). Manchmal differenziert Maimonides nach Geschlechtern und Altersstufen. Ein Beispiel: Wenn die Mägen der Knaben verstopft sind, empfiehlt er gesalzene Früchte, „gekocht und gewürzt mit Olivenöl“, Fischlake und Salz ohne Brot immer am Morgen. Der junge (jugendliche) Patient sollte möglicherweise die Flüssigkeit von gekochtem Spinat trinken oder Kohl (Weißkohl) in Olivenöl, Fischlake und Salz einnehmen. Ältere Leute aber bekommen den Rat, wenn sie Probleme mit Verdauung und Stuhlgang haben, warmes Wasser, vermischt mit Honig, früh am Morgen einzunehmen. Aber dann muss ein Patient einige Stunden warten, bevor er ein Mahl zu sich nimmt. Diese Vorschrift sollte mindestens drei oder vier Tage lang praktiziert werden.230 Viele wichtige Regeln, welche mit Ernährung im weiteren Sinn zu tun haben, sind im Kapitel 5 der Laws of Human Temperaments genannt. In diesem Kapitel findet man auch das Gebot, dass ein weiser Mann auch in seinem alltäglichen Verhalten ein Vorbild sein sollte. Der Begriff „alltägliches Verhalten“ wird dabei sehr weit gefasst. Er bezieht sich auf das Reden, die Kleidung, das Geschäftsgebaren, das Zusammenleben in und außerhalb der Ehe, und nicht zuletzt auf Essen und Trinken. Der weise Mann sollte im Essen Maß halten und sich mit zwei Mahlzeiten am Tag 230
Maimonides: Laws of Human Temperaments. Medical Writings, Vol. 4, Kap. 4. Eine Menge von Ernährungsregeln nach Maimonides finden sich bei W. Kaltenstadler: Gesundheit, Hygiene und Krankheit bei Maimonides. Beiträge zur Kulturgeschichte des Judentums. Frankfurt 2010, Vol. II, S. 114-120. Der englische Text: Sometimes Maimonides differentiates between genders and ages. An example: If the stomachs of boys are congested, he recommends salted fruits, “cooked and spiced with olive oil”, fishbrine and salt without bread always in the morning. The young patient should potentially drink the liquor of cooked spinach or should take in cabbage in olive-oil, fish-brine and salt. Elder people, however, are advised, if they have problems with digestion and stool, to take warm water mixed with honey early in the morning. But then a patient must wait four hours, before he has a meal. This regimen should be practiced at least three or four days.
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begnügen. Ein ehrbarer Mann, der in der Regel auch weise ist, sollte überhaupt zuerst die Bedürfnisse seiner Seele befriedigen. Ein kluger Mann sollte, soweit es möglich ist, seine Mahlzeiten daheim einnehmen und nicht in einem Gasthaus oder gar auf dem Marktplatz. Er sollte die Gemeinschaft mit unwissenden und ungebildeten Leuten meiden und darauf verzichten, an öffentlichen Festen teilzunehmen. Maimonides warnt ausdrücklich davor, mit Ausnahme von religiösen Zeremonien und Ereignissen wie z.B. einer Hochzeit, Essen und Trinken von fremden Personen anzunehmen. Bei einer Hochzeit dabei zu sein, ist in höchstem Maße empfehlenswert, wenn ein weiser Mann die Tochter eines anderen weisen Mannes heiratet. Eine solche Hochzeit aber ist kein Grund, zu viel Wein zu trinken. Exzessives Trinken würde nicht nur seiner Gesundheit schaden, sondern auch seinen Ruf als Weiser in Mitleidenschaft ziehen.231 Die Idee der Weisheit bei Maimonides hat sowohl eine philosophische als such eine religiöse Dimension. Die philosophische und religiöse Dimension der Ernährung Es kommt in unserer Zeit nicht oft vor, dass ein moderner Wissenschaftler in einer wissenschaftlichen Publikation die religiöse Dimension der Ernährung beschreibt. Maimonides war allerdings mehr als ein erfolgreicher Arzt und Schreiber von medizinischen Traktaten. Er war auch Theologe und Philosoph. Als frommer, aber aufgeklärter Jude und leitender Rabbi der jüdischen Gemeinschaft in Ägypten folgte er nach Möglichkeit dem jüdischen Gesetz232, das vor allem auf den Vorschriften der Thora und des Talmuds beruht. Doch ist er manchmal von den Vorschriften und Geboten des Gesetzes abgewichen, wenn er das aus medizinischen Gründen für notwendig hielt. Als ein Anhänger des antiken Ideals des Golde-
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Maimonides: Laws of Human Temperaments. Medical Writings, Vol. 4, Kap. 5. Man findet solche Regeln auch bei W. Kaltenstadler: Gesundheit, Hygiene und Krankheit bei Maimonides, a.a.O., S. 126f. 232 Fred Rosner (Hrsg.): Modern Medicine and Jewish Law, New York 1972.
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nen Mittelweges vermied er Übertreibungen im Essen, Trinken und Fasten. Das Fasten hilft dabei, die bösen Säfte zu eliminieren.233 Er lehnte aber die Freuden des Lebens nicht kategorisch ab, doch wies er immer wieder in seinen Werken auf eine maßvolle Lebensweise im Sinne des Goldenen Mittelweges hin und betonte die Notwendigkeit des physischen und mentalen Gleichgewichtes. Weder durch ein Übermaß an Freuden noch durch hemmungsloses Leid sollte sich der Mensch aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Der Fromme darf also im rechten Maß auch die materiellen Freuden, zu denen auch Essen und Trinken gehören, genießen. Er muss nicht einmal auf Wein und Fleisch verzichten, falls seine humorale Konstitution es erlaubt. Es ist ein Zeichen von Klugheit, wenn man weiß, wann man mit Essen und Trinken aufhören muss. Die Freude schlägt sonst irgendwann in Leid und Ekel um, wenn Menschen ihre Seele im materiellen Gestrüpp des Lebens ersticken. Somit hat selbst die Aufnahme von Nahrung und Getränken bei Maimonides eine religiöse Dimension. Denn alle Handlungen und Taten, selbst in der Sphäre der materiellen Bedürfnisbefriedigung, sind bei Maimonides auf den Herrn (ha adón), ein häufig gebrauchtes jüdisches und christliches Wort für Gott, ausgerichtet. Die Orientierung des religiös orientierten Menschen an Gott und seinen Vorschriften transzendiert die pure ausschließlich materielle Dimension des Konsums, wie sie in der modernen Industriegesellschaft zur Regel geworden ist. Ernährung umfasst bei Maimonides die gesamte Lebensführung des Menschen. Sogar „sein Sitzen, sein Aufstehen und seine Konversation sollten ganz auf die Erreichung dieses Zieles“234 ausgerichtet werden. Der Verbrauch, der auch – wie die Produktion – eine wichtige Säule des ökonomischen Systems bildet235, war nicht das primäre Lebensziel des 233
Maimonides: Medical Aphorisms, Vol. 2 (Hrsg. Rosner – Muntner), 1971, 20. Abhandlung, Absatz 3, S. 63. 234 Maimonides: Laws of Human Temperaments. Medical Writings, Vol. 4, Kap. 3, S. 190. Englischer Text: his sitting down and his getting up and his conversation should all be directed to the attainment of this goal. 235 Es ist eigentlich ein Unfug, dass hierzulande der Begriff “Wirtschaft” engstirnig nur auf die Angebotsseite des Wirtschaftens bezogen wird, auch bei den Medien. Verbrauch und Verbraucher bleiben außen vor.
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Maimonides. Der Konsum sollte nicht das absolute Ziel, sondern nur ein Werkzeug sein, um die wahren Ziele des Lebens zu verwirklichen. Essen, Trinken, Sexualität etc. waren für einen weisen Mann wie Maimonides kein Selbstzweck, sondern sollten ausschließlich dem Ziel dienen, „nur die Gesundheit seines Körpers und seiner Glieder“ [und zu ergänzen: auch seiner Seele] aufrechtzuerhalten. Maimonides warnt immer wieder davor, dass Exzesse in der Ernährung, Sexualität und anderen Aktivitäten den sündigen Menschen aus dem Gleichgewicht werfen, sogar zu Krankheiten führen und das Leben verkürzen können. Er betont immer wieder, dass sich die menschliche von der tierischen Bedürfnisbefriedigung deutlich unterscheide. Es ist für den religiösen Menschen sogar ein „religiöses Gebot“, eine Pflicht, sich um sein physisches und psychisches Wohlbefinden, zu welchen auch die Ernährung erheblich beiträgt, zu kümmern. Der Mensch mit seinem freien Willen236, den ihm der Schöpfer geschenkt hat, trägt auch für seinen Körper Verantwortung Gott gegenüber. Der babylonische Talmud betont immer wieder die religiöse Dimension des menschlichen Verhaltens. Dieses umfasst auch die nur scheinbaren physischen Lebensbereiche wie z.B. Ernährung und Sexualität. In einem ähnlichen Sinne äußert sich auch der Hl. Paulus. Mit Bezugnahme auf das Neue Testament und den ersten Korintherbrief (1 Corinth. 10, 31-33) beschränkt der Apostel die religiöse Praxis nicht auf Meditation und Gebet, sondern er bezieht auch die physisch-materiellen Bedürfnisse in seine Betrachtung ein: „Wenn ihr esst oder trinkt oder andere Dinge tut, dann solltet Ihr alles zur Verherrlichung Gottes tun.“ Gott ist auch bei Maimonides in allen menschlichen Aktivitäten unmittelbar gegenwärtig.237 Maimonides und St. Paul kommen allerdings von verschiedenen Seiten, Maimonides vom Alten Testament und Paulus vom Neuen
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Wichtige Aussagen zum freien Willen des Menschen finden sich vor allem in der Schrift Acht Kapitel, im Regimen Sanitatis und im „Buch des Wissens“, Auszüge aus Maimonides´ Ethik, übersetzt von S. Muntner, 1966, Anhang S. 161-197. 237 Maimonides: Laws of Human Temperaments, ebd., Vol. 4, Kap. 3, S. 190ff.
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Testament, zu ähnlichen Erkenntnissen.238 Ihre Lehre über den Messias hat Gemeinsamkeiten, auch wenn Maimonides das Neue als dem Alten Testament nicht gleichwertig ablehnt. Maimonides kennt also “den Messiasanspruch Jesu” und die sich daraus ergebende Passion. Er scheut sich allerdings nicht, in dezenter Form Kritik sowohl am Christentum als auch am Islam zu üben: „Zugleich sind für Maimonides Jesus und Mohammed in ihrer je eigenen Art Wegbereiter des jüdischen Messias; allerdings haben die Nachfolger die Lehre verfälscht und die nächsten Generationen in die Irre geleitet.“239 Weitaus negativer als dem (nach Maimonides) verfälschten Christentum steht Maimonides dem Islam der muslimischen Araber – seine Aversion gilt aber wohl nicht Ägypten - gegenüber. Das wird besonders deutlich in seinem Sendschreiben in den Jemen. Da erfahren wir von Maimonides, dass Religion und Streben nach Glück, welche substantielle Elemente der amerikanischen Verfassung von 1776 und des American Way of Life sind, sich auch heute einander nicht ausschließen. Glück bzw. Glücklich-Sein umfasst nach Maimonides und auch in der modernen demokratischen Politik von heute nicht nur die geistige und religiöse, sondern auch die materielle und physische Wohlfahrt. Die Sorge für die physische und mentale Konstitution bezieht sich bei ihm nicht nur auf einzelne Personen, sondern auch auf die Familie, nach Maimonides das Fundament von Gesellschaft und Staat. Es ist notwendig, aber nicht (immer) ausreichend, wenn eine Person sich an die Regeln der physischen Gesundheit hält. Es ist nicht genug, dass einer „sein Herz nur darauf richtet, dass sein ganzer Leib und seine Glieder gesund sein sollen und dass er Kinder habe, welche sein Werk ausführen und sich für sein Wohl plagen – das ist kein guter Pfad, dem man folgen sollte.“240 238
Vgl. Hans-Christoph Goßmann: Die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens. In: Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.): Geschichte des Christentums, Nordhausen 2011 (= Jerusalemer Texte, Vol. 7). 239 Görge K. Hasselhoff: Moses Maimonides interkulturell gelesen, a.a.O., S. 101. 240 Maimonides: Laws of Human Temperaments, a.a.O., Vol. 4, Kap. 3, S. 191. Englischer Text: It´s not enough that he “sets his heart solely that his entire body and
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Maimonides lehnt also kategorisch eine Haltung ab, welche sich darin erschöpft, nur nach rein physischen und sozialen Bedürfnissen zu streben und das Leben nur am Diesseits auszurichten. Alle menschlichen Bemühungen und Sorgen sollten dem Ziel untergeordnet werden, „dass seine Seele sich aufrichte, um den Herrn zu kennen.“241 Nach Fred Rosner können der Glaube und die geistig-religiöse Einstellung selbst bei Krebserkrankungen wahre Wunder vollbringen. Es bedarf aber auch eines Arztes, der bereit ist, mit unkonventionellen Therapien abseits der klassischen Medizin zu arbeiten. Sowohl der behandelnde Arzt als auch der behandelte Patient suchen in solchen Fällen die psychische und mentale Harmonie mit Gott. „So steht der wahre Arzt im Schnittpunkt zwischen Theologie, Geistes- und Naturwissenschaften“.242 Darum ist die Ernährung für alle drei hier von Süssmann Muntner genannten Bereiche von großer Bedeutung. Für solche Menschen, die nicht nur ihr physisch-psychisches Gleichgewicht auf Erden verwirklichen, sondern auch in Harmonie mit Gott leben wollen, steht nicht die Verwirklichung der materiellen Bedürfnisse (nach welchen die Masse der Menschen strebt), sondern das Streben nach Weisheit243 im Vordergrund. Wer wirklich die Weisheit sucht, sollte nicht nur an sein Ego denken, sondern sein Herz darauf richten, „einen Sohn zu haben (bzw. zu bekommen), der ein Weiser und ein großer Mann in Israel werden könnte.“244 Ein Mensch, der auf diese Art handelt, wird Gott immer in Worten und noch mehr in seinem Herzen anbeten, limbs should be healthy and that he have children who perform his work and toil for his benefit – that is not a good path to follow. 241 Vgl. Fred Rosner: Unconventional Therapies and Judaism. In: Journal of Halacha and contemporary society, Vol. 19, 1990, S. 81-99. Englischer Text: that his soul be upright to know the Lord. 242 Süssmann Muntner: Die Medizin des Maimonides im Lichte neuerer Erkenntnisse in der Biologie, eine weitere Einleitung zur deutschen Übersetzung von Regimen Sanitatis. Basel-New York 1966, S. 33. 243 J.O. Leibowitz: Verschiedene Arten der Weisheit, II. Maimonides in der Geschichte der Medizin. Ariel 1976, no. 41, S. 37-52. 244 Maimonides: Treatise on the Regimen of Health, Vol. 4, Maimonides´ Medical Aphorisms. Haifa 1990. Der Treatise on the Regimen of Health entspricht dem lateinischen Regimen Sanitatis.
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„sogar in der Zeit, in welcher er sein Geschäft leitet und sogar, wenn er sexuell aktiv ist“ und – im Sinne von Maimonides zu ergänzen – beim Essen, Trinken und auch beim Fasten. Das Gesundheitsstreben des weisen Mannes ist also konsequenter Weise auch ein Dienst für Gott und „um des Himmels willen“.245 Schlussbetrachtung – in wieweit hat Maimonides recht? Es ist in der Geschichte der Medizin, auch auf dem Gebiet der Ernährung, immer wieder vorgekommen, dass man Errungenschaften und Erkenntnisse vergessen oder verdrängt hat, und das oft für einen sehr langen Zeitraum. Beim langjährigen Studium der menschlichen Ernährungsgewohnheiten im Allgemeinen und bei Maimonides im Besonderen kam ich zu dem Schluss, dass viele seiner Gedanken, welche Diät und Ernährung betreffen, einen hohen Grad an Zeitlosigkeit besitzen und selbst im 21. Jahrhundert nach wie vor aktuell sind. Viele seiner Erkenntnisse, auch solche zum Nahrungswesen, haben sich erst in allerneuester Zeit als höchst aktuell herausgestellt.246 Erst in den letzten Jahrzehnten hat die moderne medizinische Forschung die große Bedeutung der Ernährung, wohl auch unter dem Einfluss der Hl. Hildegard von Bingen wiederentdeckt. Hildegard von Bingen ist seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert in aller Munde. Maimonides, obwohl er der Hl. Hildegard weder medizinisch noch theologisch nachsteht, ist jedoch den meisten Leuten und auch zahlreichen Ärzten kein Begriff. Erst die letzten Dekaden haben eine eigentliche Ernährungswissenschaft, die einen solchen Namen verdient, entstehen lassen. In den medizinischen Praxen kommt aber die große Bedeutung der Ernährung für die Aufrechthaltung der Gesundheit und die Heilung von Krankheiten immer noch viel zu kurz. Die meisten Ärzte sind dafür auch nicht ausreichend ausgebildet. Die Geräte- und Pharmamedizin steht immer noch viel zu
245
Maimonides: Laws of Human Temperaments, a.a.O., Vol. 4, Kap. 3, S. 191ff. In diesem Sinne auch Süssmann Muntner: Die Medizin des Maimonides im Lichte neuerer Erkenntnisse in der Biologie, a.a.O., 1966, S. 29-40.
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massiv im Vordergrund. Mit der eifrigen Verschreibung von PharmaErzeugnissen lässt sich wohl viel mehr Geld verdienen. Führende medizinische Forscher haben allerdings in der Ernährungswissenschaft die Regeln bestätigt – wobei Maimonides jedoch meist nicht ausdrücklich genannt ist – welche Maimonides seinen Patienten nahe gelegt und in seinen zahlreichen medizinischen Werken im Laufe des 12. Jahrhunderts niedergelegt hat. Viele seiner Regeln hat er von den antiken griechischen Ärzten Hippokrates und Galen übernommen. Er ist allerdings weit davon entfernt, deren Epigone zu sein. Er gilt vielmehr nicht nur Süssmann Muntner „als wissenschaftlicher Erneuerer der Medizin“247 im Mittelalter. Viele Rezepte gehen wohl auf die hoch entwickelte altägyptische Medizin zurück, ohne dass dies Maimonides ausdrücklich in seinen Werken zugibt. Nicht geleugnet werden die Einflüsse der mittelalterlichen muslimisch-arabischen Ärzte wie z.B. Avicenna und Avenzoar. Seit Maimonides wissen wir, dass das das Kriterium des Gleichgewichts nicht nur für Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit und der seelischen Harmonie wichtig ist. Mag auch die Lehre von den vier Temperamenten und Körpersäften in der modernen klassischen Medizin nicht mehr gefragt sein, so gibt es selbst heute noch viele Heilpraktiker, welche damit erfolgreich arbeiten, vor allem wenn Krankheiten seelische Ursachen haben. Maimonides erkannte: Selbst wenn die Leute, was relativ selten vorkommt, bemüht sind, sich an die Ernährungsratschläge der Ärzte halten, so ist ihr Konsum nicht effektiv an ihren Temperamentstyp und ihre humorale Konstitution angepasst. Es gibt heute wie wohl auch in der Zeit des Maimonides Leute, die sich ihrem Temperamentstyp entsprechend richtig ernähren, aber sich aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit nicht genug körperlich bewegen, nicht ausreichend schlafen bzw. falsche Schlafgewohnheiten haben und für ihren Typ und ihren Beruf, vor allem 247
Süssmann Muntner: Maimonides als wissenschaftlicher Erneuerer der Medizin, Beilage zur Übersetzung von Regimen Sanitatis, 1966, S. 41-55.
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wenn dieser an die Substanz geht, sexuell zu aktiv sind. Maimonides gebraucht hier den Begriff „unmäßiger Sex“ (immoderate sex). Er setzt aber diesen Begriff nicht absolut, sondern relativ. Selbst wenn Leute sich körperlich fit halten und gesund ernähren, so schaden doch manche ihrer Gesundheit, wenn sie ihre Seele nicht üben und ihre Pneumata (siehe oben) nicht ausreichend trainieren (animal, natural and vital spirit)248. Körperliche bedeutet noch lange nicht geistig-seelische Fitness. Gesundheitliche Regeln dürfen also auf gar keinen Fall rein mechanisch ohne die „Bewegungen der Seele“ angewendet werden. Die wohl wichtigste Disziplin, welche Maimonides entdeckte, ist die „ethische Philosophie“ (ethical philosophy). Ohne diese neue Perspektive der Philosophie sind nach Maimonides auf lange Sicht alle Bemühungen, die Gesundheit und das soziale Leben aufrechtzuerhalten, vereitelt. Maimonides erkennt die Notwendigkeit, dass die Menschen Vorschriften und Gebote brauchen, damit ein sinnvolles Zusammenleben ohne Gewalt möglich ist. Wenn das nicht beachtet wird, gibt es zunehmende Konflikte zwischen Menschen, Gruppen, Religionsgemeinschaften und Staaten in einem Ausmaß, das weit über das noch tragbare Konfliktpotential hinausgeht. Die ethische Philosophie, die auf das Zusammenleben von Individuen in Gruppen ausgerichtet ist, passt mit ihrer globalen Ausrichtung, die seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert immer mehr zunimmt, sehr gut zur universellen Methodik der Gesundheitslehre von Maimonides. Die Universalität der medizinischen Methodik besteht in der schon oben beschriebenen Kombination verschiedener Therapiemethoden (Ernährung, Retention, Schlaf, Wach-Sein, Bad, Massage, Bewegung, Sex), welche er vor allem systematisch in seinem Asthmabuch und im Regimen Sanitatis beschreibt. Mit Hilfe dieser verschiedenen Methoden kann man in erster Linie das physische Gleichgewicht realisieren und stabil halten. Damit man aber das Gesamtgleichgewicht, welches auch das seelische Gleichgewicht umfasst, stabilisieren, realisieren und notfalls auch wiederher248
W. Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Moses Maimonides über das Asthma, S. 105f.
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stellen kann, bedarf es einer Orientierung, die über das im Kapitalismus so verbreitete pure Ich-Denken hinausgeht. Dieses Bindeglied zwischen Egoismus und Gemeinschaft stellt die von Gott ausgehende ethische Philosophie dar, welche die – nach Maimonides höherwertige – Seele ins Spiel bringt und den Menschen als psychosomatische Einheit betrachtet. Viele Irrtümer, Sünden und Fehlentwicklungen sind allerdings nicht individueller, sondern kollektiver Natur. Das gilt vor allem für die Leidenschaften und „bösen Emotionen“. Die radikale Bewegung des Islamischen Staates, die nicht von ungefähr kommt, verdeutlicht, wohin man gerät, wenn man die seelischen Phänomene der Individuen und Kollektive jahrelang außer Acht gelassen hat. Zur Bekämpfung, Reduzierung und evtl. Eliminierung solcher Phänomene braucht man die ethische Philosophie und wohl auch die Psychologie, eine Disziplin mit einwandfrei jüdischen Wurzeln. Gewaltanwendung von ´christlicher´ Seite führt nur noch zu mehr Gewalt auf der islamistischen (nicht zu verwechseln mit ´islamisch´) Seite. Negative Emotionen, vor allem wenn sie kollektiver Natur sind, können nicht ohne weiteres, z.B. nur durch eine optimale Diät oder intensive Gymnastik, und wenn sie kollektiver Natur sind durch politische und wirtschaftliche Maßnahmen, in positive verwandelt werden. Es muss auch eine geistige Bereitschaft, die sich bemüht, die Seele zu heilen und Körper und Seele ins psychosomatische Gleichgewicht zu bringen, hinzukommen. Diese Aussage gilt auch für kollektive, überindividuelle Phänomene. Wie kaum ein anderer vor ihm hat Maimonides die Grundzüge einer psychosomatischen Medizin entwickelt und war vor allem auf diesem Gebiet seiner Zeit um Jahrhunderte voraus. Es ist noch nicht lange her, dass psychosomatische Phänomene durch die moderne Medizin und Psychologie entdeckt und als modern propagiert wurden, doch leider kommen psychosomatische Phänomene249 in der medizinischen Praxis immer noch viel zu wenig zur Anwendung. Selbst
249
Karlheinz Engelhardt: Die „Heidelberger Schule“ – Über Anfänge der deutschen Psychosomatik. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift, 136. Jahrg., Heft 51/52, 23.12.2011 (Weihnachtsheft), S. 2692-2695.
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die religiösen Gemeinschaften hätten hier noch ein weites Betätigungsfeld und einen enormen Nachholbedarf.
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102
Bildteil Abb. 1: Statue des Maimonides in Cordoba
Quelle: Aufnahme durch Dr. Michael Ritter, Bayerischer Landesverein für Heimatpflege
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Abb. 2: Plaza Maimonides in Cordoba
Quelle : Aufnahme durch Herrn Dr. Michael Ritter, Bayer. Landesverein für Heimatpflege
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Abb. 3: Panorama von Cordoba mit Brücke über den Guadalquivir
Quelle : Aufnahme durch Herrn Dr. Michael Ritter, Bayer. Landesverein für Heimatpflege
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Inhaltsverzeichnis
Beispiele für Abkochungen
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Berufung auf medizinische Autoritäten
108
Fallstudie Electuarium
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Manchmal wird man auch durch eine Suppe wieder gesund
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Öle, Salben und Puder – schon bei Maimonides
113
Pflanzliche Medikamente – eine Auswahl
115
Klistiere – ein antikes Instrument der Gesunderhaltung und Heilung 119 Manchmal helfen nur noch Abführmittel
120
Die Wahrheit liegt in der Kombination – auch beim Theriak
122
Gesundheit, Pneumata (spirits) und Gehirn – eine Schlussbetrachtung der besonderen Art
124
Maße und Gewichte im mittelalterlichen Ägypten
126
Quellen- und Literaturverzeichnis
128
106
Medikamente im Asthmawerk von Maimonides Medikamente, Nahrungsmittel und Getränke sind Instrumente für die Aufrechterhaltung und Bewahrung der Gesundheit einerseits und für die Heilung von Krankheiten andererseits. In vielen Fällen ist der Unterschied zwischen Nahrungsmittel bzw. Getränken und Medikamenten im medizinischen Werk des Moses Maimonides nicht erkennbar. Nahrungsmittel bzw. Getränke sind bei ihm oft auch Medikamente. Medikamente wie Pflanzen, Wurzeln von Pflanzen, Puder, Relikte von Tieren etc. sind also oft auch Nahrungsmittel bzw. Getränke.250 Abkochungen spielen vor allem im Kampf gegen das Asthma eine besondere Rolle. Beispiele für Abkochungen Eine wichtige Stelle in der Medikamentenlehre bei Maimonides nehmen die Absude (Abkochungen) ein, vor allem in Kap. 12 des Asthmawerkes.251 Gegen Husten und zur Reinigung der Lungen rät er, gleich zu Beginn des Anfalls, im Wert von zwei Dirhams252 geschälte und gequetschte Lakritze, Eibisch und Ochsenzunge, dann drei Dirhams Venushaar (Frauenhaarfarn)253, und 5 bis 6 Herzen von frischem Fenchel einzunehmen. Sie sollten gekocht und in ein süßliches Getränk mit Pfefferminzgeschmack gegossen werden. Vier vergleichbare weitere Abkochungen mit weitgehend gleichen oder ähnlichen Bestandteilen, z.B. mit frischen Feigen und mit Zucker254 oder Honig zubereitet, schließen sich 250
Zum Leben und zum medizinischen System von Moses Maimonides vgl. Wilhelm Kaltenstadler: Gesundheit, Hygiene und Krankheit bei Maimonides, in: Beiträge zur Kulturgeschichte des Judentums, Frankfurt, Vol. II, 2010, S. 86-141. 251 Den neuesten Stand der Asthmaforschung bei Maimonides bietet Wilhelm Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Moses Maimonides über das Asthma, Bd. 12 der Reihe „Jerusalemer Texte“ (Jerusalem-Akademie Hamburg). Nordhausen Dezember 2013. 252 Vgl. zu den arabischen Maßen im Anhang „Maße und Gewichte im mittelalterlichen Ägypten“, Quelle: Wilhelm Kaltenstadler: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Moses Maimonides über das Asthma, ebd., S. 159. 253 Diese Pflanze findet man noch in den Bergen von Serannes in Südfrankreich. 254 Vgl. Wilhelm Kaltenstadler: Zucker als Lebens- und Heilmittel im arabischen Mittelalter. Aus dem medizinischen Werk des Moses Maimonides, Weihnachtsheft der DMW (Deutsche Medizinische Wochenschrift), 135. Jahrg., 2010, S. 2567-2573.
107
an.255 Getrocknete oder frische Veilchen lassen sich in Absprache mit dem Arzt je nach Kondition des Patienten auch bei Fieber anwenden. Wenn das Fieber mild ist, dann kann man dieser Abkochung auch kernlose Weintrauben oder Feigen dazutun. Bei der Bekämpfung eines groben, stinkenden Schleims empfiehlt Maimonides – mit Berufung auf AlRāzī256 – einen Dirham Scolopendrium vulgare, „heart´s tongue“, im Arabischen als al-´uqrubān bezeichnet, mit Feigensaft. Es handelt sich hier um die noch heute in der Naturheilkunde verwendete gewöhnliche Hirschzunge, eine Farnart.257 Auch das biblische Manna, das die durch die Wüste Sinai ziehenden Hebräer genossen, kommt ein einziges Mal im Asthmabuch von Maimonides als Absud aus Alhagi maurorum vor und wird mit der Viola odorata, dem duftenden Veilchen, kombiniert.258 Nach Muntner ist das Manna ein Extrakt aus Trabrutina mannipara, die auf dem Tamariskenbaum Tamarix Nilotica gedeiht.259 Für die Herkunft des Manna gibt es natürlich noch andere Erklärungen. Berufung auf medizinische Autoritäten Auch beim folgenden Rezept beruft sich Maimonides auf den muslimischen Arzt Al-Rāzī. Es gehört zu den Hausmitteln im „Maghreb“ und wird angewendet zur Reinigung der Lungen, zur Beseitigung bzw. Modifikation der überfließenden bzw. überflüssigen Körpersäfte, zur Erleichterung des Atmens und zur Beseitigung des Hustens. Die hier genannten Symptome sind Begleiterscheinungen des Asthmas und werden im Maghreb mit folgendem Rezept bekämpft:
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Maimonides: On Asthma. A parallel Arabic-English text edited, translated, annotated by Gerrit Bos, Volume I of the complete medical works of Moses Maimonides, Brigham University Press, Provo-Utah 2002, Kap. 12, S. 65-79, hier S. 65-67. 256 Der arabische Arzt Al-Rāzi, mit vollem Namen Fakhr al-Din al-Razi Amoli, lebte von 1149-1209. 257 Quelle Internet: http://www.farndatenbank.de/ (Stand 20.01.2010). 258 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), a.a.O., Kap. 12, S. 67. 259 Maimonides: Treatise on the Regimen of Health (Vol. 4), Three Treatises on Health, Maimonides´ Medical Writings, translated and annotated by Fred Rosner with bibliography by Jacob I. Dienstag, published by The Maimonides Research Institute. Vol. 4, Haifa 1990, S. 50, Anm. 39.
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“Wir weichen Weizenkorn eine Nacht lang in heißes Wasser ein, lassen es aufquellen und seihen es ab, fügen Zucker und Mandelöl zur durchgeseihten Substanz, kochen diese, bis sie die Konsistenz des Julep [Getränk mit Pfefferminzgeschmack] annimmt, und trinken es, solange diese lauwarm ist. Wenn man noch die Herzen von bitteren und süßen Mandeln, nachdem sie gut geklopft sind, hinzufügt, dann ist das sehr zuträglich. Man kann auch noch Lakritzenwurzel mit Kleie einweichen. All diese Komposita (Bestandteile) sind heilsam und für diese Krankheit [Asthmakomplex] weit verbreitet.“260 Lecksaft, sirupartige Flüssigkeit, reinigt die Lungen, kocht die überflüssigen Säfte („humors“) in ihnen, mildert den Husten. Das Rezept dazu, welches man bei Tag oder bei Nacht einnehmen kann: „Koche zwei gleiche Teile von samenlosen Rosinen und Bockshornklee in reinem Wasser, seihe das Wasser durch, lass es [eine Zeit lang] stehen und teile es nach dem Aufwärmen fortwährend aus.“261 Diese Arznei geht auf Galen zurück. Spätere Ärzte empfehlen folgende Mixtur: Bockshorn und Feigen kochen, Wasser durchseihen, Bienenhonig hinzutun, und verdicken, bis es ein (sirupartiger) Lecksaft (linctus) wird.262 Weitere gleichartige bzw. ähnliche Asthma-Rezepte, welche Maimonides in Kap. 12 des Asthmawerkes empfiehlt, gehen auf Galen und andere Ärzte zurück. Seinem in Alexandria lebenden Asthma-Patienten und Auftraggeber des Asthmawerkes empfiehlt Maimonides harzhaltige Pini260
Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), a.a.O., Kap. 12, S. 67. Text in Englisch: „We soak wheat bran in hot water for one night, macerate and strain [abseihen] it, add sugar and almond oil to the strained substance, cook it until it assumes the consistency of the julep, and drink it when it is lukewarm. If one adds to it the hearts of bitter and sweet almonds after they are well pounded, it is very beneficial. One may also soak licorice root [Lakritzenwurzel] with the bran [Kleie]. All these compounds are beneficial and widely used for this disease.” 261 In Englisch: „Cook two equal parts of seedless raisins and fenugreek [Bockshornklee] in pure water, strain the water, allow it to stand, and administer it continuously after rewarming it.” 262 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 68.
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ennüsse. Diese sollte der Patient abkochen mit frischem Andorn, der halben Menge Nüsse, das Ganze abseihen, die Flüssigkeit mit einer etwa gleichen Menge von Honig mischen, dann so lange kochen, bis die Mixtur die Konsistenz des Honigs annimmt. Dieses Rezept wirkt höchst wohltuend auf die Brust.263 Maimonides rät seinem „Meister“ aus Alexandria, immer Opium-Sirup, zubereitet aus Schlafmohn, bei sich zu haben. Dieser Sirup war bereits Galen bekannt. Diese Arznei verhindert Ausfluss, fördert den Schlaf, verdünnt bestimmte Säfte und erleichtert den Husten. Die Bestandteile dieses Rezeptes beschreibt Maimonides ausführlich. Anschließend sollte der Patient evtl. auch noch Tragantgummi (Harz von verschiedenen Arten von Astralagus) und arabischen Gummi (Harz der arabischen Akazie) kombinieren, sie pulverisieren und in dem oben erwähnten Sirup über einem niedrigen Feuer auflösen und schluckweise zu sich nehmen. Ein vergleichbares Präparat, hergestellt vor allem aus irakischem Mohn, Zucker und Stärke, hat einen ähnlichen Effekt.264 Fallstudie Electuarium In Absatz 5 von Kap. 12 des Asthmawerkes schildert Maimonides eine höchst interessante Fallstudie. Er stellte für eine an Asthma leidende Frau ein sog. Electuarium, das man heute vor allem in der Tiermedizin verwendet, her. Mit dem Präparat wollte er die Lungen und das Gehirn reinigen, Abflüsse verhindern und sicherstellen, dass das Gehirn nicht allzu heiß sei. Sie litt bereits als junge Frau an dieser Krankheit. Das Gehirn der mageren Frau war weder heiß noch ungewöhnlich kalt. Das von Maimonides eingesetzte Mittel wirkte bereits während der Asthmaanfälle. Durch die Einnahme des Medikaments nach ihrer Heilung nahmen die Anfälle ab, bis sie schließlich nur einmal im Jahr und später sogar nur einmal in zwei Jahren einen Anfall erleiden musste. Die Anfälle wurden zudem immer milder. Die folgende bereits Galen bekannte Mixtur richtet sich nach Galens Empfehlung, „dass sehr heilsame Medikamente dieje263 264
Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., S. 68. Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 69f.
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nigen sind, welche aus Medikamenten zusammengesetzt sind, die sich nicht nur in ihrer Beschaffenheit, sondern auch in ihrer Stärke“ unterscheiden265: Venushaar, in heißem Wasser aufgeweicht, aufs Geratewohl gekocht, Gewicht spielt keine Rolle. Nach dem Kochen des Venushaars wird Süßholzwurzel genauso bearbeitet. Anschließend wird eine Mischung erstellt aus 2 Gläsern Venushaarabkochung, einem Glas aus dem Sud der Süßholzwurzel, einem Glas frischem Fenchelsaft, 2 Gläsern verdicktem Traubensaft. Die Mischung kommt auf ein niedriges Feuer, wird dort (noch einmal) gekocht. Daraus entsteht ein honigfarbener Sirup, dieser schmeckt köstlich und ist auch heilsam. Für seinen „Meister“ verfeinerte er diese Rezeptur noch weiter mit anderen Bestandteilen, u.a. mit Lilienwurzeln, runde Osterluzei, Syrischem Ingwer, Narde, Karottensaat, Andorn und Färberröte (Krapp). Insgesamt hat das speziell für den „Meister“ verfeinerte Präparat 18 Bestandteile und wiegt insgesamt etwa 16 Unzen. Maimonides betont, dass er dieses neue verfeinerte Rezept bisher nicht bei einem früheren Arzt entdeckte, und er stellt ausdrücklich fest, dass er dieses nach den „Regeln des analogen Denkens“266 herstellte. Er empfiehlt seinem Meister, dieses neue von ihm hergestellte Originalrezept sowohl in Zeiten der Gesundheit als auch in Zeiten von Asthmaanfällen einzunehmen, ausgenommen jedoch bei hohem Fieber des Patienten.267 Manchmal wird man auch durch eine Suppe wieder gesund Maimonides beschränkt seine Asthma-Therapie nicht auf Absude und Sirups, sondern betrachtet Suppen nicht nur als Nahrungs-, sondern auch als Heilmittel. Bei Heiserkeit und Husten empfiehlt er besonders Suppe von alten Hähnen. Auch Suppen bzw. Soßen von gebratenem Fleisch, z.B. Hammel und Geflügel268, können den Prozess der Gesundung im 265
In Englisch: „that very beneficial drugs are those compounded from medications which differ not only in their nature but also in their strength”. 266 In Englisch: „rules of analogical reasoning“. 267 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 70f. 268 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 4, S. 19f.
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Falle von Asthma, asthmaähnlichen und auch bei zahlreichen anderen Krankheiten beschleunigen. Suppe von Junghühnern gilt ihm als eine spezielle Asthmadiät.269 Nach Maimonides sind es vor allem zwei Säulen der Eigentherapie, welche der Entstehung böser Säfte vorbeugen, nämlich körperliche Übungen und, wie unten breit dargestellt, die passende Ernährung270. Suppen beugen nicht nur Krankheiten vor, sondern kamen auch gegen schon wirksame Krankheiten zum Einsatz. Suppen werden bei ihm auf Getreide-, Fleischbasis oder als Kombination von beiden zubereitet. Bei diversen Krankheiten, so z.B. bei Magenbeschwerden, ist Gerstenschleimsuppe nicht nur ein Nahrungs-, sondern auch ein Heilmittel.271 Bei Lepra und bei einem Karzinom – Lepra ist inzwischen als die Folge einer falschen Ernährung erkannt – hat sich nach Maimonides eine Kombination aus Gerstenbrei und Milchsuppe bzw. Buttermilch bewährt. Der Prophet Mohammed empfahl die talbina, eine aus Milch, Mehl (oder Kleie) und Honig zubereitete Suppe als Nahrung und Medikament zur Stärkung von Herz und Kreislauf und zur Vertreibung des Kummers.272 Der Stabilisierung des allgemeinen Gesundheitszustandes und des Immunsystems sind bei Maimonides die harisa, „eine Art dicker Suppe aus gekochtem Weizen und gekochtem Fleisch“, und die harira, „eine Suppe aus Mehl und Fett oder Bratensoße“.273 Selbst bei Asthma, Heiserkeit und Husten wirkt die Suppe von alten Hähnen „wie ein nützliches Medi269
Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 11, Nr. 4, S. 62f. Maimonides: Medical Aphorisms (Hrsg. Bos G), Vol. 3. Provo/Utah 2008, 18. Treatise (Aphorismen, die sich auf körperliche Übung beziehen), S. 281-284 und 20. Treatise (Aphorismen, die sich auf Nahrungsmittel, Getränke und deren Konsum beziehen), Vol. 3, ebd. S. 293-312, vor allem S. 307f. 271 Maimonides´ Treatise on the Regimen of Health, a.a.O., Vol. 4, S. 51, Anm. 51 und W. Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, a.a.O., S. 90. 272 Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 30f und Felix Klein-Franke: Vorlesungen über die Medizin im Islam. In: Sudhoffs Archiv, Beiheft 23, Wiesbaden 1982, S. 24-26. 273 Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 38. 270
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kament“.274 Auch Suppen oder Soßen „von gebratenem Fleisch, z.B. Hammel und Geflügel, können den Gesundungsprozess im Falle von Asthma, bei asthmaähnlichen und bei zahlreichen anderen Krankheiten beschleunigen.“275 Suppe von jungen Hähnen empfiehlt Maimonides dagegen als leichte Kost vor dem Einschlafen.276 Es ist besser, leichte Kost zu wählen, als hungrig ins Bett zu gehen. Öle, Salben und Puder – schon bei Maimonides In Kap. 12 seines Asthmawerkes erörtert Maimonides auch die noch heute in Medizin und Kosmetik höchst aktuelle Frage, ob Medikamente gegen Asthma besser in Form von Ölen bzw. Salben oder Pulver verabreicht werden sollten. Salben wurden nicht nur aus Heilpflanzen, sondern auch aus dem Fett verschiedener Tiere zubereitet. Sie „wurden entweder einmassiert oder mit Verbänden aufgelegt“.277 Unter Bezugnahme auf den in Sevilla um 1090 herum geborenen und 1161 verstorbenen Mediziner Abu Marwan Ibn Zuhr (Averroes) neigt Maimonides eher zur Pulverisierung und empfiehlt folgendes Rezept von Ibn Zuhr, wobei er den verabreichenden Arzt direkt anspricht: „Nimm drei Dirhams Muskatblüte [rd. 9,5 Gramm], zwei Dirhams Narde und Sandelholz, einen Mithqāl Myrrhe [im mittelalterlichen Ägypten etwa 4,7 Gramm] und ein Viertel Dirham von altem Kampfer. Pulverisiere diese Mischung gründlich, seie die Bestandteile durch, knete sie mit Rosenwasser, und mache aus dieser Paste Pastillen. Nimm davon eine Pastille nach der anderen, pulverisiere sie und bringe den Puder (das Pulver) an eine Stelle, wo das Kopfhaar sich scheidet [also an den Schreitel]. 274
Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 42. 275 Maimonides: On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), a.a.O., Kap.4, S. 19f und Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 90. 276 Maimonides : On Asthma, Vol. 1 (G. Bos), Kap. 6, a.a.O., S.31, Nr. 4. W. Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, ebd., S. 57. 277 Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin. Zürich 1963, S. 311.
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Im Sommer sollte man das mit Rosenwasser durchführen, im Winter dagegen sollte sollte die Mitte des Kopfes mit Quittenöl gerieben werden und dann sollte dieses Pulver darauf gestreut werden.“278 Maimonides beschreibt auch – wohl in Anlehnung an Averroes – die Zubereitung des Quittenöls, welches eher als ein Zusatz zum obigen Asthmarezept verstanden werden muss: “Nimm eine Unze [37,5 Gramm] wohlriechendes Rosenöl, presse eine Quitte hinein, füge ein halbes Dirham Mastix (Mastixharz) und ein Viertel Dirham Narde dazu, und leg es auf heiße Asche. Nimm es dort weg, bis die Flüssigkeit verdampft ist, dann sammle das Öl und bewahre es auf.“279 Zur Vorbeugung gegen Katarrhe kommen aber neben Essen und Trinken noch andere Substanzen zum Einsatz, allerdings nicht über den Verdauungstrakt, sondern auf dem Weg der Aromatherapie und äußeren Anwendung, bei welchen in der Regel Gewürzsubstanzen in einer Art flüssiger Form durch Einatmen, Inhalieren und durch Einreiben über die Haut aufgenommen werden. Dazu Maimonides wörtlich: „Wenn möglich, stärke man die Gehirnsubstanz durch Einatmen wohlriechenden Pflanzenduftes von Gewürzen aller Art, entsprechend der Konstitution und der Jahreszeit. Eine ganz besondere Eigenschaft, das Gehirn zu kräftigen, hat die Nelke, die so stark zerrieben wird, daß sie wie ein Pulverstaub aussieht, man pudere damit das Vorderhaupt ein, während 278
Maimonides: On Asthma (G. Bos), a.a.O., Kap. 12, S. 72. In Englisch: „[Take] three dirhams of mace; two dirhams each of nard and maqāsīrī sandalwood [Sandelholz]; one mithqāl of myrrh, and one-quarter of a dirham of old camphor [cinnamomum camphora]. Pulverize this [mixture] thoroughly, strain them, knead them with rose water, and make pastilles of [the paste]. From it, take one pastille after another, pulverize [them], and apply the powder to a spot where the hair of the head parts. In the summer this should be done with rose water, while in the winter the middle of the head should be rubbed with quince oil and then that powder should be sprinkled on it.” 279 Maimonides: On Asthma, Vol. I On Asthma (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 72. In Englisch: „Take one ounce of fragrant rose oil, squeeze a quince into it, add half a dirham of mastic and a quarter of a dirham of nard, and put it on hot ashes. Leave it there until the liquid has evaporated, [then] collect the oil and store [it].”
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der ganzen Winterzeit. Ferner reibe man während der Winterzeit die Kopfhaut mit gewürztem Guilanda-Öl ein, was die Kopfhaut kräftigt. Wenn es aber sehr heiß ist, so bestreiche man seinen Kopf mit persischem Rosenparfum oder dem Parfum der Weißrose und pudere ihn mit einer geringen Menge Macis (Muskatblüte) ein, der außerordentlich fein pulverisiert ist.“280 Vergleichbare Rezepte finden sich im Hauptwerk Kitab al-Taisir fi alMudawat wa al-Tadbir (Book of Simplification concerning Therapeutics and Diet) von Abū-Marwān ʻAbd al-Malik ibn Zuhr, besser bekannt unter dem latinisierten Namen Avenzoar (1094-1162)281. Dieses Werk hatte Averroes (1126-1198) angeregt. Pflanzliche Medikamente – eine Auswahl Es ist unmöglich, alle in seinen zahlreichen Abhandlungen vorkommenden pflanzlichen Präparate, ihre Wirkungsweise und Anwendung hier in diesem relativ kurzen Artikel zu beschreiben. Wichtig erscheint mir aus der Sicht der medizinischen Praxis nicht, pflanzliche Medikamente komplett aufzuzählen, sondern das methodische Vorgehen, nicht zuletzt beim Asthma, darzulegen. Es gilt auch beim Einsatz von Medikamenten, bei der Behandlung eines Patienten „ganz klare Regeln“ zu beachten, „die wohl auch für chronische Krankheiten wie das Asthma gelten.“282 Maimonides gehört nicht zur Spezies von Ärzten, welche sofort den Rezeptblock zücken und meinen, dem Patient sofort ein Medikament verschreiben zu müssen. Es ist Zeichen eines guten Arztes, die Krankheit (soweit sich noch nicht zu weit fortgeschritten ist) zunächst einmal durch eine spezielle Diät in den Griff zu bekommen und auf die Anwendung von Medikamenten, auch pflanzlichen, zu verzichten. Sollte eine solche spezielle Diät nicht zum Erfolg führen, „nehme man zunächst Heilmittel, die als medikamentöse Nahrungsmittel bekannt sind, ehe man zu wirklichen 280
Regimen Sanitatis oder Diätetik für die Seele und den Körper, a.a.O, Viertes Kapitel, Absatz 13, S. 109f. 281 http://en.wikipedia.org/wiki/Ibn_Zuhr (18. August 2014). 282 Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, a.a.O., S. 25.
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Medikamenten greift.“283 Es gilt bei Maimonides also auch beim Einsatz von Medikamenten, und zwar nicht nur beim Asthma, die allgemeine Regel: „Beim Medikamentieren nehme man zuerst ganz leichte und einfache Heilmittel, dann erst stärkere und gemischte, womöglich nie zu starke oder zu viele Heilmittel.“284 Maimonides geht hier nach Heinrich Schipperges von Kap. 13, Nr. 45 seines Asthmabuches aus.285 Auch bei der Behandlung von Asthma erschöpft sich die Heilkunst von Maimonides nicht in einer medizinischen ´Monokultur´. Gerade beim Asthma erscheint es ihm unverzichtbar, nur mit Medikamenten, nur mit der ´richtigen´ Ernährung oder nur mit physischer Bewegung zu arbeiten. Es sei mir gestattet, hier einmal ein längeres Zitat aus meinem Asthmabuch zu verwenden:286 „Die richtige Ernährung, die in erster Linie auf den Körper und die Verdauung wirkt, reicht bei Maimonides bei der Asthmatherapie nicht immer aus, es kommt mit einem guten Geruch (und zu ergänzen, einer ästhetisch ansprechenden Präsentation der Nahrung) eine ästhetische auch auf die drei „spirits“ (pneumata) wirkende Komponente dazu. Mit dieser Kombination von Nahrung, Aromatherapie287 und dem (oben geschilderten) oft nicht mehr vermeidbaren Einsatz von Medikamenten stabilisiert sich nicht nur der Körper, sondern Körper und Seele kommen auch bei der Asthmatherapie durch die Stärkung der natürlichen Wärme wieder ins Gleichgewicht.“288 283
Heinrich Schipperges: Krankheit und Gesundheit bei Maimonides (1138-1204), Berlin-Heidelberg 1996, S. 66. 284 Heinrich Schipperges. Krankheit und Gesundheit bei Maimonides (1138-1204), ebd., S. 66. 285 Gerrit Bos: On Asthma, S. 107 und Maimonides´ Medical Writings (Hrsg. Rosner F), Vol. 6, S. 130. 286 Wilhelm Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw – Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, a.a.O., S. 25. 287 Zur Bedeutung der modernen Aromatherapie vgl. Michael Kraus: Einführung in die Aromatherapie, Pfalzpaint 1989. Die Schnittstelle zwischen Ernährung und Aromata stellt die Aromatisierung von Speisen und Getränken (S. 26-32) dar. 288 Maimonides: Medical Aphorisms.Vol. 3 (Rosner), a.a.O., 3. Treatise (contains aphorisms pertaining to basic methods and general principles in medicine), S. 34-60, hier Nr.
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Maimonides bezieht sich auch in seiner Medikamententherapie immer wieder auf die antiken und arabisch-muslimischen medizinischen Koryphäen. Er übernimmt deren Erkenntnisse aber nicht unkritisch und ist auf keinen Fall ein Epigone. So begnügt er sich bei der Asthmabehandlung seines Auftraggebers auch nicht mit den von Averroes stammenden Rezepten, sondern empfiehlt ihm auch die Einnahme von rohem Amber (fossiles Baumharz, vor allem als Schmuck verwendet), der ein heißes oder kaltes Gehirn stärken soll, und von Endivie (Cichorium endivia), die auch ein Nahrungsmittel ist, zur Stärkung der Leber. Diese beiden Arzneien lösen Niesreiz aus und wirken desinfizierend. Für diese Effekte kommt nach Maimonides kein vergleichbares Medikament für den Auftraggeber des Asthmawerkes in Frage.289 In diesem Zusammenhang verweist Maimonides noch auf andere Arzneimittel, welche vergleichbare desinfizierende Effekte haben und das Gehirn stärken. Dazu gehört auch Aloe vera, welche man ins Feuer wirft und von der man den Dampf bzw. Rauch durch die Nasenlöcher und den Mund einatmet. Es kommt bei Maimonides also auch die Räucherung als Heilverfahren in Frage. Man bezeichnet diese Methode als Inhalation. Im altägyptischen Papyrus Ebers 54 wird bereits ein Inhalationsapparat beschrieben. Auch die assyrischen Ärzte besaßen solche Inhalationsgeräte.290 Man darf also annehmen, dass es sie auch noch in der Zeit von Maimonides gab. Bei seelischen Krankheiten werden Aloe, Scammonium und Koloquinten nicht geräuchert verabreicht, sondern erfahrene Ärzte lassen „Todkranke[n] das Fleisch von Koloquinten, Scammonium, Aloe und dergleichen einnehmen“, wobei sie ihnen aber „die (gewöhnli-
75, S. 49 und Medical Aphorisms (G. Bos), 3. Treatise, Nr. 75, S. 52. Maimonides nimmt hier ausdrücklich Bezug auf Hippokrates´ De alimento commentarius. 289 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), a.a.O., Kap. 12, S. 72. 290 Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin, a.a.O., S. 448.
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che) Nahrung“ entziehen.291 Steht evtl. das Asthma in Verbindung mit einem Gehirndefekt? Als Inhalationen zur Milderung des Asthmas empfiehlt Maimonides auch eine Mischung aus der Wurzel von Aucklandia costus, flüssiges Storax (Styrax officinalis), rotes Arsen, Harz vom Terpentinbaum, Galbanum (Gummiharz der Ferula galbaniflua) und Mastix.292 Mit Verwunderung habe ich allerdings festgestellt, dass - anders als Hildegard von Bingen293 - Maimonides sowohl die Kastanie als auch den Wermut nur am Rande erwähnt. In den Medical Aphorisms verweist Maimonides auf die verflüssigende Wirkung des Wermuts auf die im Magen befindlichen schlechten Körpersäfte.294 Hildegard von Bingen hat „den mit Wein und Honig zubereiteten Wermutsaft unter anderem auch gegen Magenfunktions-, Verdauungsstörungen und vorbeugend gegen Lungenkrankheiten (auch Tbc) empfohlen“.295 Spezielle Diät, Bewegung, Medikamente finden auch im Asthmawerk von Maimonides gezielte Anwendung. Es gibt allerdings Fälle, bei denen der Patient auf die medikamentöse Behandlung nicht mehr anspricht oder bei denen die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten ist. In solchen Fällen muss auch Maimonides schärfere Kaliber wie z.B. Klistiere oder gar Abführmittel einsetzen. Maimonides hatte schon Jahrhunderte vorher gewusst, dass sich das Asthma verschlimmern kann, wenn die Verdauung und der Stuhlgang nicht richtig funktionieren.
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Maimonides (Mose ben Maimon): Acht Kapitel. Eine Abhandlung zur jüdischen Ethik und Gotteserkenntnis, Deutsch und Arabisch (in hebräischer Schrift) von Maurice Wolff, 2. Auflage, Hamburg 1992, S. 23. 292 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), a.a.O., Kap. 12, S. 73. 293 Reinhard Schiller: Hildegard Pflanzenapotheke. Düsseldorf und Wien: 1992, S. 195202 und Heidelore Kluge: Hildegard von Bingen – Ernährungslehre. Rastatt o.J., S. 109f. 294 Maimonides: Medical Aphorisms (Hrsg. Bos G), Vol. 3, a.a.O., 21. Treatise, S. 321, Nr. 44. 295 Reinhard Schiller: Hildegard Pflanzenapotheke, a.a.O., S. 166-169 und W. Kaltenstadler: Maqala fi al-rabw, a.a.O., S. 86f.
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Klistiere – ein antikes Instrument der Gesunderhaltung und Heilung Klistiere sind Medikamente, welche Maimonides und seine muslimischen Kollegen von den antiken Ärzten übernommen und rektal verabreicht haben. Man darf annehmen, dass es in Ägypten, wo er als Arzt am Hofe von Saladin wirkte, eine ungebrochene Therapietradition – nicht nur bei der Anwendung von Klistieren – von der Antike bis ins Mittelalter hinein gegeben hat. Die Klistierpraxis ist aber auch bei einigen Indianerstämmen und afrikanischen Stämmen verbreitet. Die alten Ägypter verwendeten aber zusätzlich zu den Klistieren regelmäßig Brechmittel, mit denen sie mindestens einmal im Monat die Eingeweide entleerten.296 In der Antike waren die Klistiere ziemlich gewichtig, sie betrugen „gewöhnlich einen halben bis eineinhalb Liter“.297 Eingriffe erfolgten nicht nur über den After mittels Klistieren bzw. Suppositorien, sondern bei Erkrankungen der Harnwege auch als Injektionen „durch Kupfer- oder Bronzeröhrchen in die Harnröhre“.298 Suppositorien kommen in der Antike vor allem „bei der Behandlung des Mastdarms und der Scheide“ vor.299 Bei Maimonides finden sich am meisten von diesen eben behandelten Methoden die Klistiere behandelt. Je nach Konstitutionstyp, Art und Schwere der Asthmaerkrankung kannte Maimonides verschiedene Versionen von Klistieren von milder bis kräftiger Zubereitung. Das mildeste Klistier weist folgende Bestandteile auf: Ein halbes ratl Rübensaft, vier Unzen Sesamöl, beide sind zu kochen, dann ein Dirham Borax (hydriertes Natriumborat). Stärker ist folgendes Klistier: Olivenöl, in welchem Weinraute gekocht wurde, ein wenig Borax-Natron. Noch stärker ist das folgende Klistier, welches Maimonides auch als Abführmittel (purgative) bezeichnet: eine Handvoll Minze und Aneth. Nach der Aufzählung einiger Abführmittel beschreibt Maimonides ein Rezept, das seiner Meinung nach das kräftigste ist:
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Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin, a.a.O., S. 227f. Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin, ebd., S. 311. 298 Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin, ebd., S. 448. 299 Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin, ebd., S. 311. 297
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„Nimm jeweils einen Dirham römische Nesselsaat und Engelsüß, einen halben Dirham des Saftes von Spritzgurke, ein Viertel Dirham von Kürbispaste und drei Habbas [1 Habba = 0,048 Gramm] entkernter Pistaziennüsse, knete diese Bestandteile mit Selleriesaft und mache unter Verwendung von Mandelöl Pillen daraus. Dieses Abführmittel vertreibt die vielen dicken, zähflüssigen und schlechten Säfte.“300 Manchmal helfen nur noch Abführmittel Maimonides beherrscht Geist und Methode der medizinischen Dosierung und Differenzierung auch in der heiklen Frage der Anwendung von Abführmitteln. Als erfahrener Arzt zeigt er die Bedingungen auf, unter denen sie zum Heilerfolg führen: Korrekte Anwendung durch den Arzt, keine Anwendung verschiedener Arten von Myrobalanen, der Terminalia chebula zur Reinigung des Körpers bei Asthma. Nicht immer muss die kräftigste Abführungskur gewählt werden. Manchmal reicht schon im Falle einer der Entspannung dienenden Therapie „eine milde und leichte Reinigung mit indischem Goldregen [laburnum] und Rhabarber.“ Der Arzt sollte sich dabei jedoch vor Augen halten, dass beide Medikamente überhaupt nichts zur Reinigung des Kopfes und der Lungen beitragen.301 Im Folgenden beschreibt Maimonides Abführmittel „welche die geschicktesten Ärzte im Maghreb in meiner Gegenwart getestet haben.”302 Maimonides will mit diesem Satz zeigen, dass er neue Medikamente gründlich testen lässt und selber testet. Zwei Seiten weiter hält er mit einer noch deutlicheren Aussage die differenzierende Methode und Ziel seiner maghrebinischen Forschungen fest:
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Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), a.a.O., Kap. 12, S. 76. In Englisch: „[Take] one dirham each of Roman nettle seed and common polypody [Polydium vulgare], half a dirham of the juice of squirting cucumber [Echalium elaterium], one quarter of a dirham of pulp of colocynth, and three habbas of shelled pistachio nuts; knead [these ingredients] with celery juice and make pills from them, using almond oil. This [purgative] expels the many thick, viscous, and bad humours.” 301 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 76. 302 Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 76-78. In English: which the most skilful physicians in the Maghreb have tested repeatedly in my presence.
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„All diese Formeln bekamen wir als persönliche Anleitung von den Älteren im Maghreb. Nur weniges davon ist in Büchern erfasst, und diese sind unter den Leuten unbekannt. Ich habe mir das alles aufgeschrieben, um damit allen Leuten so viel Wohlergehen als möglich zukommen zu lassen. Aber, um die Wirkung jeder Abführmedizin und ihrer Einstellung zu beschreiben – oder ihres Abbruchs, wenn ihre Wirkung zu stark ist – oder zu beschreiben, wie man bösen Begleitsymptomen [Nebenwirkungen] entgegenwirken kann, ist ein Hauptthema in der Kunst der Medizin, geht aber über den Zweck dieser Abhandlung hinaus. Denn all diese Dinge schwanken bzw. variieren gemäß den verschiedenen eingenommenen Medikamenten, der unterschiedlichen Lebensalter, Temperamente [Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker, Melancholiker], Aufenthaltsorte und Jahreszeiten.“303 Das Zitat bedarf einer gewissen Interpretation: Diese Rezepte aus dem Maghreb bezeichnet er ausdrücklich als formulas, also als Formeln. Es handelt sich nicht um sog. Volksmedizin, denn er bekommt seine Formeln von den Älteren (elders) und auch nicht aus Büchern. Die „accompanying bad symptoms” deute ich als Nebenwirkungen, welche der praktizierende Arzt zu berücksichtigen hat. Zu beachten hat er auch die Einnahme unterschiedlicher Arzneimittel, das unterschiedliche Alter, die unterschiedlichen Temperamente, Orte und Jahreszeiten. Zum Abschluss von Kapitel 12 kommt Maimonides noch einmal auf die Brechmittel (emetics), einer Art Abführmittel durch den Mund, zurück und beschreibt die Bestandteile solcher Brechrezepte mit den dazugehö-
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Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 78. In Englisch: „All [these] formulas we received as [personal] instruction from the elders in Maghreb. Only a little of it is written in books, [and these are] unknown among the people. I have written all of this in order to provide as much benefit as possible to all people. However, [to describe] the effect of [every purgative] medicine and its cessation – or its discontinuation when [its effect] is too strong – or [to describe] how to counteract accompanying bad symptoms is a major subject in the art of medicine, but [one] beyond the scope of this treatise. For all these things vary according to the different medicines ingested and the different ages, temperaments, places, and seasons of the year.”
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rigen Gewichtsangaben.304 Am Ende des Kapitels weist Maimonides, um Missverständnissen vorzubeugen, darauf hin, dass die in dieser Abhandlung (Kapitel 12) präsentierten Heilmethoden nicht Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Dabei ist er stets bestrebt, “jene Medikamente auszuwählen, die leicht zuzubereiten sind und die leicht von den meisten Leuten einzunehmen und den meisten Ärzten anzuwenden sind.“305 Die Wahrheit liegt in der Kombination – auch beim Theriak Was allgemein für die Therapie bei Maimonides gilt, das trifft auch für die Behandlung von Asthma – und zwar nicht nur bezogen auf Kapitel 12 - zu: Sehr häufig werden verschiedene Heilmethoden, z.B. Einnahme von pflanzlichen Arzneien, tierische Bestandteile, spezielle Diät, Klistiere in den After und Einatmen von Räucherung über den Mund etc. miteinander kombiniert. Es liegt also der oft langfristig geplante Heilerfolg in der sinnvollen Kombination mehrerer Methoden miteinander.306 Eine massive Kombination von zahlreichen - angeblich bis zu über 300 verschiedenartigen Bestandteilen (nicht nur Heilpflanzen, sondern auch tierische Relikte und Mineralstoffe etc.) – findet sich wie bei kaum einem anderen antiken und mittelalterlichen Rezept beim sog. Theriak. Das Electuarium von Theodoretus (etwa um 110 u.Z.) umfasst vor allem folgende Ingredienzien: Aloe, Rhabarber, Safran, Orris-Wurzel, Kürbis (Colocynthis), Zimt, Pfeffer, Scammony und Enzian. Der Theriak des Mithridates (König von Pontus von 12ß – 63 v.u.Z.), der berühmteste von allen, soll 71 Bestandteile aufgewiesen haben. Davon waren 58 tonisch oder stimulierend, einer narkotisch, fünf abführend oder diuretisch. Der Rest diente dazu, diese Ingredienzien in Form eines Electuariums zusammenzuhalten.307 Dieser große Theriak von Theodoretus kommt nicht nur gegen 304
Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 78. Maimonides: On Asthma, Vol. I (G. Bos), ebd., Kap. 12, S. 78f. In Englisch: „to select those medicines which are easily prepared and which are easily taken by most people and applied by most physicians.” 306 Ein Beispiel einer solchen Kombinationstherapie bei Erkrankung der Brust und der Lungen findet sich bei Henry E. Sigerist: Anfänge der Medizin, a.a.O., S. 445f. 307 Treatise on the Regimen of Health, in: Moses Maimonides´ Three Treatises on Health, Vol. 4, a.a.O., S. 49f, Nr. 32. Zum Theriak und Electuarium von Mithridates 305
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Asthma, sondern gegen vielfältige Krankheiten zum Einsatz. Bei Bisswunden zieht er das Gift aus dem Körper und wirkt antiseptisch.308 Bei einem Schlangenbiss eignet sich als Alternative für den Theriak auch in Wein abgekochtes Mädchenhaar.309 Natürlich bietet Maimonides in seiner „Abhandlung über Gifte“ noch weitere Möglichkeiten, um Bisswunden zu heilen.310 Theriak – aus dem griechischen Wort therion (Wildes Tier) abgeleitet galt seit der Antike als wertvolles Allheilmittel bei allen möglichen Gebrechen. Selbst als Viagra des Mittelalters wurde es eingenommen und bereits lange zuvor galt es bei dem römischen Kaiser Marc Aurel, bekanntlich dem Gründer von Regensburg, vor allem bei vorgerücktem Alter als täglich einzunehmendes Präparat. Es diente wohl auch der Stärkung des Immunsystems. Zur Zeit der Pest blühte der Handel dieses obskuren Mittels, das aus bis zu dreihundert Einzelzutaten bestehen konnte. Der Effekt dürfte ein ähnlicher wie beim Tamiflu (Firma Roche) unserer Tage gewesen sein, aber der Glaube versetzt Berge und in diesem Falle Berge von Geld aus den Taschen der Einen in die Taschen der Anderen. Partizipieren wollte jeder und wenn’s ums Geld geht, dann war man schnell bei der Hand und die Konkurrenz verschrien und der Hexerei bezichtigt. In Regensburg braute man den Theriak im Regensburger Kloster St. Emmeram.311 Der Theriak findet sich namentlich genannt im zweiten Kapitel des Treatise on the Regimen of Health. Maimonides empfiehlt die Einnahme des
vgl. auch Maimonides: Treatise on Poisons and their Antidotes, in: Maimonides´ Medical Writings. Haifa 1988, Vol.1, S. 35f. 308 Treatise on Poisons and their Antidotes, in: Maimonides´ Medical Writings, ebd., S. 40f. 309 Treatise on Poisons and their Antidotes, ebd., S. 66. 310 Treatise on Poisons and their Antidotes, ebd., S. 67ff. 311 Text aus dem Theaterstück „Pesthauch über der Stadt“ von Prof. Manfred Dinnes, Quelle: Website http://www.theatercompanie.eu unter „Pesthauch“ oder http://manfreddinnes-tv.com mit Link zur Website von Dinnes.
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Theriak jeden zehnten Tag.312 Er findet sich auch namentlich genannt im zweiten Kapitel des Treatise on the Regimen of Health und im 13. Asthmakapitel (siehe unten). Es hat mich verwundert, dass Maimonides den Theriak nicht in Kap. 12, das sich ja speziell mit den Medikamenten und Heilmethoden zum Asthma auseinandersetzt, sondern erst im abschließenden Kapitel 13 würdigt. Dieses Schlusskapitel beschäftigt sich nicht speziell mit dem Asthma, sondern mit den „allgemeinen Regeln zur Gesundheitskur und Heilung von Krankheiten“. Das Fehlen des Theriak in Kapitel 12 des Asthmawerkes muss man wohl so deuten, dass der Theriak nicht als spezielles Medikament bei der Asthmatherapie zum Einsatz kam. Gesundheit, Pneumata (spirits) und Gehirn – eine Schlussbetrachtung der besonderen Art An verschiedenen Stellen seines umfassenden Werkes weist Maimonides immer wieder darauf hin, dass Asthma und andere Krankheiten – über die Körpersäfte – in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gehirn stehen und damit in den geistigen Bereich hineinwirken. Damit wird vor allem der Psychic Spirit, auch als psychisches Pneuma bezeichnet, den Maimonides in den Gehirnkammern lokalisiert, in Mitleidenschaft gezogen. Das Gleichgewicht zwischen dem Natural Spirit (im Blut der Leber und in den Gefäßen), dem Vital Spirit (im Blut des Herzens und in den Arterien) und dem bereits genannten Psychic Spirit ist gestört, und zwar noch empfindlicher, wenn negative Umweltfaktoren dazukommen.313 Für Maimonides ist erwiesen, dass es viele Leute gibt, “deren psychische Aktivitäten mit der Luftverschmutzung abnehmen, das heißt sie entwickeln Verwirrung der Gedanken, Verständnisschwäche und Gedächtnis-
312
Moses Maimonides´ three Treatises on Health. In: Medical Writings, a.a.O., S. 45, 50 und 51. 313 Wilhelm Kaltenstadler: „Seelenkräfte“ und „Bewegungen der Seele“ im medizinischen Werk des Moses Maimonides, a.a.O., S. 2658-2662.
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verlust, auch wenn ihre vitalen und natürlichen Aktivitäten nicht irgend einer spürbaren Änderung unterliegen.“314 Die Wechselwirkung zwischen Körper und Geist, zwischen den verschiedenen Pneumata (spirits) und dem Gehirn wie auch mit der Umwelt (zu der auch die umgebenden Menschen gehören) machen deutlich, dass erstens Medikamente, gesunde Ernährung und körperliche Betätigung für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit allein nicht ausreichen und dass zweitens auch Seele und Geist geübt und in Schwung gehalten werden müssen. Ohne diese Übung des Geistes laufen die noch so engagiert betriebenen körperlichen Übungen ins Leere. Die alten Römer haben erkannt, dass sich ein gesunder Geist nicht automatisch im gesunden Körper einstellt. Sie erkannten, dass man für seine Gesundheit mehr tun muss, als nur Sport zu betreiben, sich in den zahlreichen römischen Bädern aufzuhalten und die vom Arzt verordneten Medikamente zu schlucken. Der Schlusssatz möge dazu anregen, dass in der Form des Gebetes und vergleichbarer Aktivitäten auch die religiöse Komponente dazu beiträgt, dass die Medikamente und andere Instrumente der Gesundheit ihre volle Wirkung entfalten: Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano (Man muss darum beten, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper ist). Der gesunde Geist stellt sich also nicht automatisch ein. Man muss etwas tun dafür.
314
Maimonides´ Treatise on the Regimen of Health (Regimen Sanitatis), Kap. 4. In: “Moses Maimonides´ Medical Writings” (Fred Rosner), Vol. 4. Haifa 1990, S. 73-97, hier S. 74. In Englisch: „whose psychic activities decline with contamination of the air, that is to say they develop confusion of thought, weakness of understanding and loss of memory, even though their vital and natural activities do not undergo any noticeable change.“
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Maße und Gewichte im mittelalterlichen Ägypten Dirham: 1 ägyptischer Standarddirham entspricht nach Walther Hinz: Islamische Masse und Gewichte, a.a.O., S. 3 genau 3,125 Gramm. Habba: 1 ägyptischer Habba = 0,048 Gramm, in etwa 1/100 mitqāl (W. Hinz, S. 12f). Das habba existierte in Ägypten auch als Flächenmaß, heute 1 habba = 58,345 qm. Himl: Himl bezeichnet wörtlich die „Kamellast“. In Ägypten entspricht nach W. Hinz, S. 13 bei Mehl 1 himl = 300 ratl = 135 kg, bei Lack und Pfeffer = 500 ratl = 225 kg. Bei gekrempelter Baumwolle ist 1 himl = 553 1/3 ratl = 249 kg, bei Leinen und Brasilholz 600 ratl = 270 kg. „Bei Fehlen näherer Anhaltspunkte dürfte sich für 1 himl ein Näherungswert von rund 250 kg empfehlen.“ (Hinz S. 14). Mitqāl: 1 Mitqāl entspricht im mittelalterlichen Ägypten 4,68 Gramm, 24 Karat zu 0,195 g, das entspricht dem 72. Teil des alten ägyptischrömischen Pfundes (W. Hinz, S. 4). Mudd: Nach Walther Hinz: Islamische Masse und Gewichte, a.a.O., S. 45 f entspricht ein Mudd im 12. Jahrhundert 1,053 Liter. 1 syrischer Mudd ist nach W. Hinz, S. 46 mit 3,673 Liter wesentlich größer. Ratl: 1 ratl wog im abbasidischen Ägypten 300 Gramm, in der Zeit der Fatimiden, also im 11. und 12. Jahrhundert = 140 dirham = 437,5 Gramm (W. Hinz, S. 28f). In der Zeit von Maimonides scheint jedoch schon ein ratl 144 dirham = 450 Gramm betragen zu haben. Unze: Die Gewichtsunze entsprach nach Walther Hinz: Islamische Masse und Gewichte, a.a.O., S. 35 in Ägypten stets 12 Dirham = 37,5 Gramm, heute amtlich 37,44 Gramm. Die Unzengewichte anderer Länder und Regionen konnten erheblich vom Gewicht der ägyptischen Unze abweichen. Zuz (Zus): Bei Fred Rosner, Treatise on Asthma, Vol. 6. Haifa 1994, Kap. 15, S. 83 steht statt „ratl“ das Wort “litre” und statt dirham(s) steht 126
“zuz” bzw. „zuzim“. In der Edition von Bos (Vol. I) kommen „litre(s)“ und „zuz(im)“ nicht vor. Die Gleichsetzung von dirham und zus (zuz) ist nach Gerrit Bos: On Asthma, Vol. 2, Introduction to the Latin Texts, S. XLIII korrekt. Das ratl wird hier bei Bos-McVaugh mit lb. (Pfund) und nicht mit Liter gleichgesetzt.
127
Quellen- und Literaturverzeichnis Guttmann Jacob: Der Einfluß der maimonidischen Philosophie auf das christliche Abendland. In: Moses Ben Maimon. Sein Leben, seine Werke und sein Einfluß, hrsg. v. der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums, Bd. 1, Leipzig 1908. Hasselhoff Görge K: Dicit Rabbi Moyses: Studien zum Bild von Moses Maimonides im lateinischen Westen vom 13. bis 15. Jahrhundert, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2004, dass.: 2., um ein Nachwort erweiterte Auflage 2005. Kaltenstadler Wilhelm: „Seelenkräfte“ und „Bewegungen der Seele“ im medizinischen Werk des Moses Maimonides. Weihnachtsheft (Heft 51/52) der DMW 2013, S. 2658-2662 Kaltenstadler Wilhelm: Gesundheit und Krankheit bei Moses Maimonides, Unpublished lecture, Ermreuth July 2013. Kaltenstadler Wilhelm: Gesundheit, Hygiene und Krankheit bei Maimonides, in: Beiträge zur Kulturgeschichte des Judentums. Vol. II. Frankfurt 2010, S. 86-141 Kaltenstadler Wilhelm: Maqāla fī al-rabw – Die Abhandlung des Moses Maimonides über das Asthma, Bd. 12 der Reihe „Jerusalemer Texte“ (Jerusalem-Akademie Hamburg), Bautz-Verlag. Nordhausen Dezember 2013 Kaltenstadler Wilhelm: Zucker als Lebens- und Heilmittel im arabischen Mittelalter. Aus dem medizinischen Werk des Moses Maimonides, Weihnachtsheft der DMW (Deutsche Medizinische Wochenschrift), 135. Jahrg., 2010, S. 2567-2573 Klein-Franke Felix: Vorlesungen über die Medizin im Islam. In: Sudhoffs Archiv, Beiheft 23, Wiesbaden 1982. Kluge Heidelore: Hildegard von Bingen – Ernährungslehre. Rastatt o.J. Kraus Michael: Einführung in die Aromatherapie. Pfalzpaint 1989. Maimonides (Mose ben Maimon): Acht Kapitel. Eine Abhandlung zur jüdischen Ethik und Gotteserkenntnis, Deutsch und Arabisch (in heb128
räischer Schrift) von Maurice Wolff, Felix-Meiner-Verlag, 2. Auflage, Hamburg 1992. Maimonides: On Asthma (Hrsg. Bos G): Medical works of Moses Maimonides, Vol. 1, Brigham University Press. Provo/Utah 2002, Kap. 12, S. 65-79, hier S. 65-67. Maimonides: Medical Aphorisms (Hrsg. Bos G), Vol. 3, Brigham University Press. Provo/Utah 2008, 18. Treatise (Aphorismen, die sich auf körperliche Übung beziehen), S. 281-284 und 20. Treatise (Aphorismen, die sich auf Nahrungsmittel, Getränke und deren Konsum beziehen), ebd. S. 293-312, vor allem S. 307f Maimonides: Three Treatises on Health, Maimonides´ Medical Writings (Hrsg. Rosner F.), Vol. 4. Maimonides Research Institute. Haifa 1990. Maimonides: Treatise on Poisons and their Antidotes. Maimonides´ Medical Writings (Hrsg. Rosner F.), Vol 1, Maimonides Research Institute. Haifa 1988. Maimonides: Treatise on the Regimen of Health. In: Maimonides´ Medical writings (Hrsg. Rosner F.), Vol. 4, Maimonides Research Institute. Haifa 1990, vor allem 4. Kapitel, S. 73-97. Schiller Reinhard: Hildegard Pflanzenapotheke. Düsseldorf und Wien 1992. Schipperges Heinrich: Krankheit und Gesundheit bei Maimonides (11381204), Berlin-Heidelberg 1996 Sigerist Henry E.: Anfänge der Medizin. Zürich1963. Internet-Quellen: http://en.wikipedia.org/wiki/Ibn_Zuhr http://en.wikipedia.org/wiki/Maimonides http://manfreddinnes-tv.com http://www.farndatenbank.de/ (Stand 20.01.2010) http://www.theatercompanie.eu http://manfreddinnes-tv.com
unter
„Pesthauch“
oder
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Jerusalemer Texte Schriften aus der Arbeit der Jerusalem-Akademie herausgegeben von Hans-Christoph Goßmann
Band 1:
Peter Maser, Facetten des Judentums. Aufsätze zur Begegnung von Christen und Juden sowie zur jüdischen Geschichte und Kunst, 2009, 667 S.
Band 2:
Hans-Christoph Goßmann; Reinhold Liebers (Hrsg.), Hebräische Sprache und Altes Testament. Festschrift für Georg Warmuth zum 65. Geburtstag, 2010, 233 S.
Band 3:
Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), Reformatio viva. Festschrift für Bischof em. Dr. Hans Christian Knuth zum 70. Geburtstag, 2010, 300 S.
Band 4:
Ephraim Meir, Identity Dialogically Constructed, 2011, 157 S.
Band 5:
Wilhelm Kaltenstadler, Antijudaismus, Antisemitismus, Antizionismus, Philosemitismus – wie steht es um die Toleranz der Religionen und Kulturen?, 2011, 109 S.
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Band 6:
Hans-Christoph Goßmann; Joachim Liß-Walther (Hrsg.), Gestalten und Geschichten der Hebräischen Bibel in der Literatur des 20. Jahrhunderts, 2011, 294 S.
Band 7:
Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), Geschichte des Christentums, 2011, 123 S.
Band 8:
Jonathan Magonet, Schabbat Schalom. Jüdische Theologie – in Predigten entfaltet, 2011, 185 S.
Band 9:
Clemens Groth; Sophie Höffer; Laura Sophie Plath (Hrsg.), „... das habe ich nie vergessen, bis heute ...“. Jugendliche befragen Menschen, die die Zeit des Nationalsozialismus erlebt haben, 2011, 200 S.
Band 10:
Hans-Christoph Goßmann, Altes Testament und christliche Gemeinde. Christliche Zugänge zum ersten Testament der Bibel, 2012, 198 S.
Band 11:
Bernd Gaertner; Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), Der Glaube an den Gott Israels. Festschrift für Joachim LißWalther, 2012, 254 S.
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Band 12:
Wilhelm Kaltenstadler, Maqāla fī al-rabw. Die Abhandlung des Maimonides über das Asthma, 2013, 171 S.
Band 13:
Hans-Christoph Goßmann; Joachim Liß-Walther (Hrsg.), Gestalten und Geschichten der Hebräischen Bibel im Spiegel der Literatur des 20. Jahrhunderts, 2015, 434 S.
Band 14:
Wilhelm Kaltenstadler, Ernährung im medizinischen Werk des Moses Maimonides, 2015, 131 S.
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