Erfahrung und Urteil: Untersuchungen zur Genealogie der Logik 9783787325467, 3787325468

Husserl (1859-1938) hatte sich in seinem Werk "Formale und transzendentale Logik" das Ziel gesetzt, den innere

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German Pages 524 Year 1999

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Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung des Verlages
Vorwort des Herausgebers
Edmund Husserl: Erfahrung und Urteil
Einleitung. Sinn und Umgrenzung der Untersuchung
§ 1. Das prädikative Urteil als zentrales Thema in der Genealogie der Logik
§ 2. Die traditionelle Bestimmung und Vorzugsstellung
des prädikativen Urteils und ihre Probleme
§ 3. Die Doppelseitigkeit der logischen Thematik. Das Evidenzproblem als Ausgangspunkt der subjektiv gerichteten Fragestellungen und seine Überspringung in der Tradition
§ 4· Die Stufen des Evidenzproblems. Gegenständliche Evidenz als Vorbedingung möglichen evidenten Urteilens
§ 5. Der Rückgang von der Urteilsevidenz auf gegenständliche Evidenz.
a) Bloßes Urteilen als intentionale Modifikation evidenten Urteilens
b) Mittelbare und unmittelbare Evidenzen und die Notwendigkeit des Rückgangs auf die schlicht unmittelbaren Erkenntnisse
c) Die unmittelbaren, "letzten" Urteile bezogen auf Individuen als letzte Gegenstände-worüber (letzte Substrate)
§ 6. Erfahrung als Evidenz individueller Gegenstände.
Theorie der vorprädikativen Erfahrungals erstes Stück der genetischen Urteilstheorie
§ 7. Welt als universaler Glaubensboden für jede
Erfahrung einzelner Gegenstände vorgegeben
§ 8. Die Horizontstruktur der Erfahrung; typische Vorbekanntheit jedes einzelnen Gegenstandes
der Erfahrung
§ 9. Die Welt als Horizont aller möglichen Urteilssubstrate. Der dadurch bedingte Charakter der traditionellen Logik als Weltlogik
§ 10. Der Rückgang auf die Evidenz der Erfahrung als Rückgang auf die Lebenswelt. Abbau der die Lebenswelt verhüllenden Idealisierungen
§ 11. Die Ursprungsklärung des Urteils und Genealogie der Logik im Gesamthorizont der transzendentalen, phänomenologisch-konstitutiven Problematik
§ 12. Der Ansatz der Einzelanalysen. Die Unterscheidung schlichter und fundierter Erfahrungen und die Notwendigkeit des Rückgangs auf die schlichtesten Erfahrungen
§ 13. Der allgemeine Begriff des Urteils und des
Gegenstandes. Urteil als Feststellung
§ 14· Die Notwendigkeit des Ausgangs der Analysen von der äußeren Wahrnehmung und dem Wahrnehmungsurteil und die Begrenzung der Untersuchung
I. Abschnitt. Die vorprädikative (rezeptive) Erfahrung
I. Kapitel. Die allgemeinen Strukturen der Rezeptivität
§
15. Übergang zur Analyse der äußeren Wahrnehmung
§
16. Das Feld passiver Vorgegebenheiten und seine assoziative Struktur
§ 17. Affektion und Ichzuwendung. Rezeptivität als niederste Stufe ichlicher Aktivität
§ 18. Aufmerksamkeit als Ichtendenz
§ 19. Die erfahrende Ichtendenz als "Interesse" am Erfahrenen und ihre Auswirkung im "Tun" des Ich
§ 20. Engerer und weiterer Begriff von Interesse
§ 21. Die Hemmung der Tendenzen und der Ursprung
der Modalisierungen der Gewißheit
a) Der Ursprung der Negation
b) Das Zweifels- und Möglichkeitsbewußtsein
c) Problematische Möglichkeit und offene
Möglichkeit
d) Der Doppelsinn
der Rede von Modalisierung
II. Kapitel. Schlichte Erfassung und Explikation
§ 22. Die Stufen der betrachtenden Wahrnehmung
als Thema der weiteren Analysen
§ 23. Die schlichte Erfassung und Betrachtung
a) Die Wahrnehmung als immanent-zeitliche Einheit. Das Noch-im-Griff-behalten als
Passivität in der Aktivität des Erfassens
b) Verschiedene Weisen des lm-Griff-behaltens und dessen Unterschied gegenüber der Retention
§ 24. Das explizierende Betrachten und die explikative Synthesis
a) Die explikative Synthesis als Ursprungsort
der Kategorien "Substrat" und "Bestimmung"und die Aufgabe ihrer Analyse
b) Explikative Deckung als besondere Weise
von Synthesis der Ob~rschiebung
c) Das Im-Griff-behalten bei der Explikation gegenüber dem Im-Griff-behalten bei schlichter
Erfassung
d) Explikation und
Mehrheitserfassung
§ 25. Der habituelle Niederschlag der Explikation.
Das Sich-einprägen
§ 26. Die Explikation als Verdeutlichung des horizontmäßig Antizipierten und ihr Unterschied gegenüber der analytischen Verdeutlichung
§ 27. Ursprüngliche und nicht-ursprüngliche Vollzugsweisen der Explikation. Explikation mit der Antizipation und in der Erinnerung
§ 28. Die mehrschichtige Explikation und die Relativierung des Unterschiedes von Substrat und Bestimmung
§ 29. Absolute Substrate und absolute Bestimmungen und der dreifache Sinn dieser Unterscheidung
§ 30. Selbständige und unselbständige Bestimmungen.
Der Begriff des Ganzen
§ 31. Die Erfassung von Stücken und von unselbständigen
Momenten
§ 32. Die unselbständigen Momente als Verbindungen und als Eigenschaften.
a) Mittelbare und unmittelbare Eigenschaften
b) Der prägnante Begriff der Eigenschaft und
ihr Unterschied gegenüber der Verbindung
III. Kapitel. Die Beziehungserfassung und ihre Grundlagen in der Passivität
§ 33. Horizontbewußtsein und beziehendes Betrachten
§ 34. Allgemeine Charakteristik des beziehenden Betrachtens
a) Kollektives Zusammennehmen und beziehendes
Betrachten
b) Die Umkehrbarkeit des beziehenden Betrachtens
und das "fundamentum relationis"
c) Beziehen und Explizieren
§ 35. Frage nach dem Wesen der Beziehung begründenden Einheit
§ 36. Die passive (zeitliche) Einheit der Wahrnehmung
§ 37. Die Einheit der Erinnerung und ihre Trennung von der Wahrnehmung
§ 38. Notwendiger Zusammenhang der intentionalen Gegenstände aller Wahrnehmungen und positionalen Vergegenwärtigungen eines Ich und einer Ichgemeinschaft auf Grund der Zeit als der Form der Sinnlichkeit
§ 39. Übergang zur Quasi-positionalität. Die Zusammenhangslosigkeit der Phantasieanschauungen
§ 40. Zeiteinheit und Zusammenhang in der Phantasie durch Zusammenschluß der Phantasien zur Einheit einer Phantasiewelt. Individuation nur innerhalb der Welt wirklicher Erfahrung möglich
§ 41. Das Problem der Möglichkeit anschaulicher Einheit zwischen Wahrnehmungs- und Phantasiegegenständen eines Ich
§ 42. Die Möglichkeit der Herstellung eines anschaulichen Zusammenhanges zwischen allen in einem Bewußtseinsstrom konstituierten Gegenständlichkeiten durch Assoziation
a) Die zeitliche Einheit aller Erlebnisse eines Ich
b) Die doppelte Funktion der Assoziation für den Zusammenhang des positionalen Bewußtseins
c) Die anschauliche Einigung von Wahrnehmungs- und Phantasieanschauungen auf Grund der Assoziation und der weiteste Begriff von Einheit der Anschauung
§ 43. Verbindungs- und Vergleichungsbeziehungen
a) Die Vergleichungsbeziehungen als reine Wesensbeziehungen
("Ideenrelationen")
b) Die Konstitution der wichtigsten Verbindungsbeziehungen
(Wirklichkeitsbeziehungen)
c) Engere und weitere Begriffe von Einheit der Anschauung
d) Die formale Einheitsbildung als Grundlage der formalen Relationen
§ 44. Analyse der vergleichenden Betrachtung. Gleichheit und Ähnlichkeit
§ 45. Totale und partiale Ähnlichkeit (Ähnlichkeiten-in-bezug-auf)
§ 46. Beziehungsbestimmungen und Kontrastbestimmungen ("absolute Eindrücke")
II. Abschnitt. Das prädikative Denken und die Verstandesgegenständlichkeiten
I. Kapitel. Die allgemeine Struktur der Prädikation und die Genesis der wichtigsten kategorialen Formen
§ 47. Das Erkenntnisinteresse und seine Auswirkung in den prädikativen Leistungen
§ 48. Das erkennende Handeln parallelisiert mit dem praktischen Handeln
§ 49. Der Sinn der Stufenscheidung der objektivierenden Leistungen. Überleitung zu den konstitutiven Analysen
§ 50. Die Grundstruktur der Prädikation
a) Die Zweigliedrigkeit des prädikativen Prozesses
b) Die doppelte Formenbildung in der Prädikation
c) Das Urteil als Urzelle des thematischen Zusammenhangs prädikativer Bestimmung
und der Sinn seiner Selbständigkeit
§ 51. Die der einfach fortschreitenden Explikation entsprechenden Urteilsformen
a) Das fortlaufende Bestimmen
b) Die Bestimmung in der Form des "und so weiter"
c) Das identifizierend anknüpfende Bestimmen
§ 52. "lst"-Urteil und "Hat"-Urteil
a) Der Explikation nach selbständigen Teilen entspricht die Form des "Hat"-Urteils
b) Die Substantivierung unselbständiger Bestimmungen
und die Umwandlung des "lst"-Urteils in ein "Hat"-Urteil
§ 53. Das Urteilen auf Grund der beziehenden Betrachtung. Absolute und relative Adjektivität
§ 54. Der Sinn der Unterscheidung von bestimmendem und beziehendem Urteilen
§ 55. Der Ursprung der Attribution aus der ungleichmäßigen Verteilung des Interesses auf die Bestimmungen
a) Die Gliederung in Haupt- und Nebensatz
b) Die attributive Form als Modifikation der
Satzform
c) Die attributive Anknüpfung auf der Bestimmungseite
§ 56. Konstitution von logischem Sinn als Ergebnis der prädikativen Leistungen für den Substratgegenstand
§ 57. Der Ursprung des Identitätsurteils
II. Kapitel. Die Verstandesgegenständlichkeiten und ihr
Ursprung aus den prädikativen Leistungen
§ 58. Übergang zu einer neuen Stufe prädikativer Leistungen. Die Vorkonstitution des Sachverhaltes als kategorialer Gegenständlichkeit und sein "Entnehmen" durch Substantivierung
§ 59. Schlicht gebbare Gegenstände als "Quellen" von Sachlagen. Sachlage und Sachverhalt
§ 60. Unterscheidung von Sachverhalt und vollem Urteilssatz
§ 61. Die Menge als weiteres Beispiel einer Verstandesgegenständlichkeit; ihre Konstitution in erzeugender Spontaneität
§ 62. Verstandesgegenständlichkeiten als Quellen
von Sachlagen und Sachverhalten; Unterscheidung von syntaktischen und nicht-syntaktischen Verbindungen und Relationen
§ 63. Der Unterschied der Konstitution von Verstandesgegenständlichkeiten und Gegenständen der Rezeptivität
§ 64. Die Irrealität der Verstandesgegenständlichkeiten und ihre Zeitlichkeit
a) Die immanente Zeit als Gegebenheitsform aller Gegenständlichkeiten überhaupt
b) Die Zeitlichkeit der realen Gegenständlichkeiten. Gegebenheitszeit und objektive (Natur-)Zeit
c) Die Zeitform der irrealen Gegenständlichkeiten
als Allzeitlichkeit
d) Die Irrealität der Verstandesgegenständlichkeiten bedeutet nicht Gattungsallgemeinheit
§ 65. Die Unterscheidung von realen und irrealen Gegenständlichkeiten in ihrer umfassenden Bedeutung.
Die Verstandesgegenständlichkeiten der Region der Sinngegenständlichkeiten (Vermeintheiten) zugehörig
III. Kapitel. Der Ursprung der Modalitäten des Urteils
§ 66. Einleitung. Die Modalitäten des prädikativen Urteils als Modi der Ich-Entscheidung (aktiven Stellungnahme)
§ 67. Die Leermodifikationen des Urteils als Motive
für Modalisierung
a) Die in den Antizipationen der Erfahrung begründeten Leermodifikationen und Modalisierungen
b) Die aus der Sedimentierung ursprünglich gebildeter Urteile entspringenden Leermodifikationen
§ 68. Der Ursprung der Urteilsstellungnahmen aus der Kritik der leeren Vermeinungen. Kritik auf Bewährung (Adäquation) gerichtet
§ 69. Urteilsvermeintes als solches und wahrer Sachverhalt. Inwiefern der Sachverhalt eine Sinngegenständlichkeit
ist
§ 70. Die Evidenz der Gegebenheit der Sachverhalte analog der Evidenz der zugrundeliegenden
Substratgegenständlichkeiten
§ 71. Die Urteilsstellungnahmen als Anerkennung oder Verwerfung. Anerkennung als Aneignung und ihre Bedeutung für das Streben nach Selbsterhaltung
§ 72. Das Problem der "Qualität" des Urteils; das
negative Urteil keine Grundform
§ 73. Existenzialurteil und Wahrheitsurteil als Urteilsstellungnahmen höherer Stufe mit modifiziertem Urteilssubjekt
§ 74. Unterscheidung der Existenzialprädikationen von den Wirklichkeitsprädikationen.
a) Der Ursprung der Wirklichkeitsprädikation
b) Existenzialprädikationen auf Sinne, Wirklichkeitsprädikationen auf Sätze als Subjekte gerichtet
§ 75. Wirklichkeitsprädikationen und Existenzialprädikationen
keine bestimmenden Prädikationen
§ 76. Übergang zu den Modalitäten im engeren Sinne. Zweifel und Vermutung als aktive Stellungnahmen
§ 77. Die Modi der Gewißheit und der Begriff der Überzeugung. Reine und unreine, präsumptive und apodiktische Gewißheit
§ 78. Frage und Antwort. Fragen als Streben nach
Urteilsentscheidung
§ 79 Die Unterscheidung von schlichten Fragen und Rechtfertigungsfragen
III. Abschnitt. Die Konstitution der Allgemeingegenständlichkeiten und die Formen des überhaupt-Urteilens
§ 80. Der Gang der Betrachtungen
I. Kapitel. Die Konstitution der empirischen Allgemeinheiten
§ 81. Die ursprüngliche Konstitution des Allgemeinen
a) Die assoziative Synthesis des Gleichen mit dem Gleichen als Grund der Abhebung des Allgemeinen
b) Das Allgemeine konstituiert in erzeugender Spontaneität. Individualurteil und generelles
Urteil
c) Teilhabe an der Identität des Allgemeinen
und bloße Gleichheit
§ 82. Die empirischen Allgemeinheiten und ihr Umfang.
Die Idealität des Begriffs
§ 83. Die empirisch-typische Allgemeinheit und ihre passive Vorkonstitution
a) Die Gewinnung der empirischen Begriffe aus der Typik der natürlichen Erfahrungsapperzeption
b) Wesentliche und außerwesentliche Typen. Wissenschaftliche Erfahrung führt zur
Herausstellung der wesentlichen Typen
§ 84. Stufen der Allgemeinheit
a) Die konkrete Allgemeinheit als Allgemeines der Wiederholung völlig gleicher Individuen. Selbständige und abstrakte, substantivische und adjektivische Allgemeinheiten
b) Die höherstufigen Allgemeinheiten als Allgemeinheiten auf Grund bloßer
Ähnlichkeit
§ 85.
Sachhaltige und formale Allgemeinheiten
II. Kapitel. Die Gewinnung der reinen Allgemeinheiten durch die Methode der Wesenserschauung
§ 86. Zufälligkeit der empirischen Allgemeinheiten
und apriorische Notwendigkeit
§ 87. Die Methode der Wesenserschauung
a) Freie Variation als Grundlage der Wesenserschauung
b) Die Beliebigkeitsgestalt des Prozesses der
Variantenbildung
c) Das Im-Griff-behalten der ganzen Variationsmannigfaltigkeit
als Grundlage der Wesenserschauung
d) Das Verhältnis der Wesenserschauung zur Erfahrung von Individuellem. Der Irrtum der Abstraktionslehre
e) Kongruenz und Differenz in der überschiebenden Deckung der Variationsmannigfaltigkeiten
f) Variation und Veränderung
§ 88. Der Sinn der Rede von der "Erschauung" der
Allgemeinheiten
§ 89. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Ausschaltung aller Seinssetzungen zwecks Gewinnung
der reinen Allgemeinheit
§ 90. Reine Allgemeinheit und apriorische Notwendigkeit
§ 91. Der Umfang der reinen Allgemeinheiten
a) Die Allheit des reinen Begriffsumfangs bietet keine individuelle Differenzierung
b) Möglichkeitsdifferenzierung und Wirklichkeitsdifferenzierung
§ 92. Der Stufenbau der reinen Allgemeinheiten und
die Gewinnung der obersten konkreten Gattungen (Regionen) durch Variation von Ideen
§ 93. Die Schwierigkeiten der Gewinnung oberster Gattungen, gezeigt an der Gewinnung der Region "Ding"
a) Die Methode der Herstellung des zu variierenden
Exempels
b) Das Problem der Gewinnung der vollen Konkretion. Abstrakte und konkrete Wesensbetrachtung
III. Kapitel. Die Urteile im Modus des Überhaupt
§ 94. Übergang zur Betrachtung der Überhaupt-Modifikationen des Urteilens als der höchsten Stufe spontaner Leistungen
§ 95. Der Ursprung der Überhaupt-Modifikation aus dem Gleichgültigwerden der individuellen
Diesheiten
§ 96. Das partikuläre Urteil
a) Das partikuläre Urteil als Inexistenzialurteil.
Partikularität und Zahlbegriff
b) Das partikuläre Urteil als Modifikation des bestimmten Urteils
c) Partikuläre Phantasieurteile als apriorische
Existenzialurteile
§ 97. Das universelle Urteil
a) Der Ursprung des universellen Überhaupt aus der partikulären Modifikation
b) Das Allheitsurteil
c) Die Gewinnung apriorischer Möglichkeiten im universellen Phantasieurteil
§ 98. Zusammenfassung
Beilage I. Das Erfassen eines Inhaltes als "Tatsache" und der Ursprung der Individualität. Zeitmodi und Urteilsmodi
Beilage II. Die Evidenz der Wahrscheinlichkeitsbehauptung.
Kritik der Humeschen Auffassung
Namenregister
Sachregister
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Erfahrung und Urteil: Untersuchungen zur Genealogie der Logik
 9783787325467, 3787325468

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I.••

EDMUND HUSSERL

ERFAHRUNG UND URTEIL Untersuchungen zur Genealogie der Logik Redigiert und herausgegeben von LUDWIG LANDGREBE

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 280

Im Digitaldruck >>On demandrt erwachsen, wo bereits die schlichte Gewißheit des Glaubens aus irgendwekhen Motiven angefochten, eventuell in Zweifel übergegangen war, und wo es nun gilt, aus dem Zweifel heraus zur Gewißheit zu gelangen, den Zweifel durch E n t scheid u n g zu lösen, zu dem zweifelhaft Gewordenen Stellung zu nehmen. Auch diese wiederhergestellte Gewißheit, die sich in solcher Entscheidung ergibt, ist, wie schon gesagt, gegenüber der unmittelbaren, schlichten Glaubensgewißheit als Modalisierung zu bezeichnen. Und wenn wir im folgenden von Modalisierung sprechen, nach dem Ursprung und den Motiven der Modalitäten in der Oberstufe fragen, wollen wir zunächst jenen weiteren Begriff von Modalität (vgl. § 21, d) zugrunde legen, der jede Abwandlung des ursprünglichen Geltungsmodus schlichter Gewißheit in sich schließt. Erst später (§§ 76 ff.) wollen wir dann den Sinn darlegen, den die Unterscheidung zwischen

III. Modalitäten des Urteils· § 66

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Modalitäten in diesem weiten Sinne und den Modalitäten im engeren Sinne (demjenigen von Abwandlungen, durch welche die Gewißheit aufhört Gewißheit zu sein) auf der Stufe des prädikativen Denkens hat. Die Mo dali täten des prä di k a ti ve n Urteils sind zu begreifen als Modi der Entscheidung. Dabei ist freilich zu beachten, daß der Ausdruck Entscheidung doppelsinnig ist. Man kann nämlich auch im Bereich rezeptiver Erfahrung schon in gewissem Sinne von einer Entscheidung sprechen: im Durchgang durch das Schwanken von Auffassungen, in der Erfüllung von als offen möglich Vorgezeichnetem im weiteren Verlauf des Wahrnehmens tritt bereits eine Art von Entscheidung ein. Aber es handelt sich dabei um passive Synthesen (vgl. a. a. 0.). Es sind modale Abwandlungen der passiven Doxa, Erfüllungen der passiven Erwartungsintentionen, Auflösung der passiv ihnen zuwachsenden Hemmungen u. dgl. Etwas ganz anderes ist die Entscheidung im eigentlichen Sinne, d. h. die antwortende Stellungnahme des Ich im prädikativen Urteilen als eine Ichaktiv i t ä t. Es ist klar, daß sich damit der Begriff des Glaubens und der Glaubensmodalitäten selbst abwandelt. Denn wir haben nun die wesentlich verschiedenen Prozesse und Vorkommnisse der Passivität und Aktivität nach ihren konstitutiven Leistungen zu sondern: also r. die passiven Synthesen der Einstimmigkeit oder Unstimmigkeit, die ungehemmten und frei sich erfüllenden oder die gehemmten, Durchstreichung erfahrenden Intentionen usw. in der vorprädikativen Erfahrung; 2. die aktiven Stellungnahmen des Ich im prädikativen Urteilen, die aktiven Entscheidungen, Überzeugungen, das Sich-überzeugen-lassen und Parteiergreifen etc. und schließlich Aktivität der Oberzeugung im weitesten Sinne, wo von Zeugen und Gegenzeugen

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Das prädikative Denken

infolge der Bruchlosigkeit der zugrundeliegenden rezeptiven Erfahrung ernstlich nicht mehr die Rede ist. Auch diese Aktivitäten haben ihre noematischen Korrelate. Es handelt sich dabei nicht um ein bloßes Patentmachen der passiven Intentionalität, nicht einfach um ein gewahrendes Wahrnehmen, z. B. ein bloß in Form aufmerkender Zuwendung vonstatten gehendes Durchleben der Anmutung; sondern in eigenen Stellungnahmen gibt das Ich sein Urteil ab, es entscheidet sich für oder gegen u. dgl. Schon das Wort "Überzeugung" meint ja in der Regel: sich von der rezeptiven WahrnehmungsJage her zur urteilenden Stellungnahme bestimmen lassen und danach urteilend bestimmt sein wodurch sich auch versteht, warum praktisch Urteilen und Oberzeugtsein häufig zu gleichwertigen Ausdrücken werden. · Gehen wir im folgenden diesem Verhältnis von passiver und aktiver Modalisierung nach, so wird auch verständlich wt.rden, daß die Urteilsstellungnahmen, die hier hervortreten, in ten tion al völlig unsel bs tänd i g sind, nämlich sofern sie die Vorkommnisse der passiven Doxa voraussetzen. Mit dem entscheidenden Stellungnehmen ist erst der volle Wortsinn dessen getroffen, was normalerweise als Urteilen bezeichnet wird; hierbei erst handelt es sich um ein Feststellen in einem ganz prägnanten Sinne, das ja die grundwesentliche Leistung des prädikativen Urteilens ausmacht. So haben wir erst hier den Punkt erreicht, an dem sich das Wesen des Urteilens ganz konkret enthüllen wird, und von dem aus zugleich nicht nur die Lehre von den Urteilsmodalitäten, sondern auch von den sogenannten Qualitäten der Urteile - beides Kernstücke der traditionellen Logik - aus den Quellen konstitutiver Genesis her ursprünglich aufgebaut werden muß. Wir werden dabei insbesondere· dazu gelangen, zu verstehen, daß Modalisierung nicht ein Vorkommnis ist, das bloß ge-

III. Modalitäten des Urteils · § 67

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legen tl ich im Urteilszusammenhang auftritt, sondern daß der Durchgang durch die Modalisierung und das Streben, aus ihr heraus zur Gewißheit des Glaubens und der Feststellung zu gelangen, Phänomene sind, von denen her überhaupt erst der Sinn des Urteilsstrebens in seinen letzten Wurzeln verständlich werden wird. Dieses urteilende Stellungnehmen, dieses Geltungerteilen und seine Wandlung ist ferner, was noch im voraus gesagt sei, nicht zu verwechseln mit sonstigen Ichverhaltungsweisen, die zur Urteilssphäre gehören, insbesondere nicht mit dem tätigen Explizieren, Kolligieren, Vergleichen, Unterscheiden u. dgl.: all den Leistungen, denen wir die logische-n Formen, die der verschiedenen Sachverhalte, verdanken. Das Urteilen ist bei all diesen Aktionen immer nur das vom Ich her erfolgende Geltung-erteilen oder -versagen. Nicht immer nimmt das Ich in diesem prägnanten Sinne Stellung; wenn es schlicht wahrnimmt, gewahrend, bloß erfassend, was da ist und was sich von selbst in der Erfahrung herausstellt, dann ist - wo anderes nicht vorliegt- kein Motiv für eine Stellungnahme da. Es müssen Gegenmotive im Spiele sein, offene oder nicht zu Sonderbewußtsein sich auswirkende, es müssen disjunktive Möglichkeiten in Gegenspannung vorhanden sein. So ist zu scheiden das urteilende Stellungnehmen selbst von seinen Motiven.

§ 67. Die Leermodifikationen des Urteils als Motive für Modalisierung.

Gehen wir nun, bevor wir die möglichen Arten von Stellungnahmen und entsprechend die verschiedenen Urteilsmodalitäten betrachten, zur Frage nach diesen Motiven über, d. h. zur Frage danach, wie es genetisch zu Urteilsstellungnahmen in dem erörterten prägnanten Sinne kommt, zu modalisierten Urteilen, d. i.

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Das prädikative Denken

solchen, die nicht die Urform schlichter Gewißheit haben. Immer werden solche Modalisierungen dann auftreten, wenn, sei es in der rezeptiven Unterschichte, sei es hinsichtlich bereits gefällter prädikativer Urteile, die schlichte Glaubensgewißheit zweifelhaft geworden ist; und das wird überall dort der Fall sein, wo das prädikative Urteilen nicht in vollkommener Ursprünglichkeit, nicht auf Grund vollkommen ursprünglicher Selbstgebung der Urteilssubstrate vor sich geht. Denn wo solche vollkommen selbstgebende Anschauung vorliegt, ist ja gar keine Zweifel hinsichtlich des "so" oder "anders" möglich, und damit gar kein Anlaß für eine ausdrückliche Urteilsentscheidung gegeben. In der Beschränkung der bisherigen Betrachtungen lag es, daß wir das Urteilen uns gedacht hatten als in solcher vollkommenen Ursprünglichkeit der Erzeugung vor sich gehend. Aber dies ist, wie gesagt, ein Grenzfall, der fast nirgends faktisch verwirklicht wird. Das wurde für den Bereich der rezeptiven, der wahrnehmenden Erfassung und Explikation bereits gezeigt (§ 26). Nirgends wird in ihrem faktischen Zusammenhang jemals eine Explikation oder relative Betrachtung ganz ursprünglich im Sinne der Urstiftung vollzogen; immer wirken schon Antizipationen mit, die auf früher Erfahrenes und die dadurch gestifteten Bekanntheitscharaktere zurückgehen. In diesem Verhältnis von Vorgriff und Möglichkeit, bezw. Unmöglichkeit seiner erfahrenden Erfüllung, das für alle Erfahrung wesentlich ist, liegt also der Grund füc das Auftreten von Modalisierung e n und, speziell auf der höheren Stufe, für modalisierte prädikative Urteile und Urteilsstellungnahmen. Genauer gesprochen, handelt es sich, wenn wir nach dem Ursprung der Modalitäten in der höheren Sphäre fragen, um zwei voneinander unterschiedene Weisen, in denen sie motiviert sein können:

III. Modalitäten des Urteils · § 67

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einerseits können sie motiviert sein in der Art, wie sich das prädikative Urteilen unmittelbar auf ein rezeptives Erfahren aufbaut, ihm und seinen Antizipationen folgend; andererseits in den Modifikationen, die die einmal gebildeten prädikativen Urteile und die in ihnen erzeugten V ersundesgegenständlichkeiten durch ihre Sedimentierung annehmen, durch die ständige Abwandlung des ursprünglich Erworbenen in habituellen Besitz und damit in Nicht-Ursprünglichkeit- eine Wandlung, die ganz unabhängig von dem weiteren Verlauf der Erfahrung vor sich geht, und die br.im Versuch der Reaktivierung solcher einmal erworbenen Urteile und ihrer Einpassung in spätere Erfahrungserwerbe eine ständige Quelle für Modalisierung und kritische Stellungnahme abgibt. a) Die in den Antizipationen der Erfahrung begründeten Leermodifikationen und Modalisierungen. Bleiben wir zunächst bei dem ersteren Falle. Die in der rezeptiven Erfahrung ständig auftretenden Modalisierungen werden natürlich dort nicht zu Modalitäten in der Sphäre des sich darauf bauenden prädikativen Urteilens Anlaß geben, wo gar nicht sogleich im Verlauf der betrachtenden, explizierenden und in Beziehung setzenden Wahrnehmung zum prädikativen Urteilen übergegangen wird, sondern wo etwa erst das Endergebnis eines solchen rezeptiven Verlaufes in einem prädikativen Urteil zusammengefaßt wird. Denn das rezeptive Erfahren befindet sich in seinem Verlauf in ständiger Selbstkorrektur; auf dem Boden der durchgehenden Erfahrungsgewißheit finden ständig partielle Durchstreichungen statt. Im Herumwandern des Blickes, in seinem Haftenbleiben auf ungewiß Gesehenem zeigt sich dieses deutlicher und genauer, wobei dieses "genauer" häufig ein "anders" bedeutet. Der Gegenstand, das Substrat der betrachtenden Erfahrung

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Das prädikative Denken

steht so da für uns, in den Explikaten und Bestimmungen, die sich jeweils in der letzten Anschauung darbieten, und die das Ergebnis einer mehrfachen Betrachtung sein mögen. Ist es dabei zur Korrektur gekommen, zur Durchstreichung von "Bildern" (Darstellungen), die sich vordem dargeboten haben, auf Grund ihres Widerstreites mit anderen, "deutlicheren" Bildern, so kann das Durchstrichene zwar in einer Reflexion selbst zum Gegenstand gemacht werden, es kann auf Grund der Erinnerung oder Retention festgehalten werden, aber in der Regel besteht im normalen Verlauf der rezeptiven Erfahrung dazu gar kein Anlaß. Wir sind auf den Gegenstand selbst gerichtet; er steht so da, wie er sich eben auf Grund der klarsten Anschauung darstellt, und die durch sie verdrängten, durchstrichenen früheren Darstellungen, Anschauungen von "ihm sind für uns von keinerlei Belang mehr, sie sind mit ihrem retentionalen Abklingen und Versinken in immer fernere Vergangenheit auch dahin. Sie haben glatte Durchstreichnug erfahren, und von der Sache her hat sich (passiv) entschieden, "was da ist"; das Ich braucht nicht in seinem Sichentscheiden Partei zu ergreifen, es braucht sich nicht von sich aus auf den Boden einer der Möglichkeiten zu stellen. Jede der anderen Möglichkeiten, als möglicher Boden für eine Stellungnahme, ist ihm unter den Füßen weggezogen, und der einzige Boden als Boden einer sachlichen Gewißheit ist von selbst da; es sieht sich auf ihm stehend und stellt sich nur da subjektiv fest. Ein noch einfacherer Fall ist der, in dem von einem Sichentscheiden nicht mehr entfernt die Rede sein kann, weil von vornherein .Gegenanmutung e n f eh 1e n, an deren Stelle offene Möglichkeiten stehen können. So in der äußeren Erfahrung, in der jeder Vorgang und je·der Moment der Erfahrung eines ruhenden oder sich verändernden dinglichen Seins mit

III. Modalitäten des Urteils· § 67

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einem Horizont offener Möglichkeiten umgeben ist: es sind offene, für die im gegebenen Moment nichts spricht; die Erwartungen sind dementsprechend schlichte Gewißheiten, die keine Hemmung erfahren. Wird dann das Endergebnis eines solchen Zusammenhangs betrachtender Rezeptivität in einem prädikativen Urteil zusammengefaßt, so wird dieses den Modus der schlichten Gewißheit haben und keine Spur mehr der Durchstreichungen und Korrekturen an sich tragen, die eventuell in dem vorprädikativen Verlauf, der dem Urteil zugrunde lag, auftraten. Anders, wenn das prädikative Bestimmen - sei es zu kommunikativen Zwecken oder auch nur in der Absicht, das Ergebnis eines jeden Wahrnehmungsschrittes festzuhalten und sich einzuprägen - fortlaufend dem Gang der Wahrnehmung folgt. Dann finden alle die Schwankungen der Glaubensgewißheit mit ihren Ausdruck in prädikativen Sätzen in der Form des "vermutlich so", "möglicherweise so"; oder auch, was zunächst sich als gewiß gab und dementsprechend prädiziert wurde, muß nachher bei der Korrektur der Wahrnehmung zurückgenommen werden: "es ist doch nicht so, sondern anders", oder kann nach Durchgang durch Zweifel bestätigt werden: "es ist wirklich so" - alles Formen, die noch eingehender erörtert werden sollen. Ebenso werden dabei immer auch Urteile auftreten, und zwar in der Form der Gewißheit, die dem vorgreifen, was faktisch bereits wahrgenommen wurde, und geleitet sind von den Antizipationen, die von dem Gegenstand der Wahrnehmung auf Grund seiner typischen Vorbekanntheit geweckt werden. Wir werden von ihm anti z i p a t o r i s c h Bestimmungen prädizieren, von denen wir erwarten, daß sie ihm als Gegenstand dieses bekannten Typus wirklich zukommen. Wir werden urteilen, wie "man über Gegenstände dieser Art urteilt", in der unausgesprochenen Erwar-

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Das prädikative Denken

tung, daß "sie schon auch für diesen bestimmten richtig sein werden". Ein wirklich vollkommen ursprünglich vollzogenes Urteilen und Erzeugen von Sachverhalten wird also in der Tat im faktischen Fortschreiten der thematischen Bestimmung oft gar nicht aufzuweisen sein, sondern häufig wird nur in dieser Uneigentlichkeit, ohne vollkommene Veranschaulichung auf Grund von "Vorurteilen" geurteilt, und es werden Sätze, vermeinte Sachverhaltgegenständlichkeiten konstituiert werden. Kommt es nun zur selbstgebenden V eranschaulichung, so erweisen sich unter Umständen die bereits gebildeten Urteile als falsch, fordern Korrektur oder gänzliche Durchstreichung und dazugehörige Bildung von neuen Urteilen, die nun das Wahre treffen sollen. Die alten stehen dann als die bereits zuvor konstituierten Gegenständlichkeiten noch immer in ihrem gegen· ständlichen Charakter da, aber als bIo ß e Sätze, deren Anspruch auf Wahrheit nicht zur Erfüllung kommen konnte. So ergibt der Verlauf der Urteilstätigkeit, wie sie unmittelbar dem Fortgang der rezeptiven Erfahrung folgt und sich ihm Schritt für Schritt anpaßt, bereits Anlaß zur Bildung von leeren und vorgreifenden Urteilen und dementsprechend dann zu Durchstreichungen und sonstigen Modalisierungen. Das ursprüngliche Erzeugen von kategorialen Gegenständlichkeiten ist auch hier immer schon mit Nicht-Ursprünglichkeit, Antizipation durchsetzt. b) Die aus der Sedimentierung ursprünglich gebildeter Urteile entspringenden Leermodifikationen. 1 ) Aber der Bereich des leeren Urteils, des nicht unmittelbar in der Erfahrung sich erfüllenden und an ihr 1 ) Vgl. dazu auch die ausführlicheren Analysen der II. Beilage der Logik, S. 275 ff.

III. Modalitäten des Urteils · § 67

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zu bewährenden und vielleicht überhaupt nicht an ihr bewähr baren, des Urteilens, das sich beim Versuch der Bewährung als leere Vermeinung erweist, die zur Negation Anlaß gibt, ist noch größer. Solche leeren, unerfüllbaren Vermeinungen können sich nicht nur im unmittelbaren Zusammenhang eines dem Gang der Erfahrung folgenden Urteilsverlaufes bilden, sondern auch ihren Ursprung in Modifikationen haben, die aus dem Wesen der prädikativen Schichte, als einer von der unteren ablösbaren und eigenständigen, folgen und eine neue Quelle zur Bildung von Urteilsmodalitäten abgeben. Alle diese Modifikationen gehen aus von der Urform des ganz ursprünglichen, auf Grund der Anschauung gebildeten U rteilens. Dieses als spontanes Erzeugen ist zugleich die den Verstandesgegenständlichkeiten angemessene Art ihrer originären Gegebenheit. Aber wie sich gemäß der Wesensgesetzlichkeit des inneren Zeitbewußtseins bei jeder Gegenständlichkeit an das originale Gegebenwerden in einem Bewußtseins-Jetzt eine Kette von Modifikationen anschließt, so gilt das auch für das spontan urteilende Erzeugen. Alle diese Modifikationen sind in sich als in t e n t i o n a l e Modifikationen gekennzeichnet, d. h. sie weisen intentional zurück auf die ursprüngliche Gestalt, von der sie abgeleitet sind. Die erste Modifikation ist die der Retention : nach dem ursprünglich spontan vollzogenen Urteilen ist das soeben aktuell vollzogene Urteil noch bewußt im Modus des soeben vollzogenen; es kann nun, genau wie wir das für die rezeptiv konstituierten Gegenstände ausführten, in dieser retentionalen Abwandlung im Griff behalten werden; dann besteht die Möglichkeit, aus ihm in der beschriebenen Weise verschiedene syntaktische Gegenständlichkeiten zu entnehmen, oder auch noch einmal in aktuellem Vollzug darauf zu-

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Das prädikative Denken

rückzukommen, es noch einmal neu zu erzeugen und so wieder zu originärer Gegebenheit zu bringen, wobei sich das Wiedererzeugte mit dem vordem Erzeugten im Bewußtsein der Selbigkeit deckt. Das Urteil kann aber auch in seinem retentionalen Abklingen aus dem Griff g e I a s s e n werden. Es sinkt dann immer weiter zurück in den Hintergrund und wird in eins damit immer verschwommener; der Grad seiner Abgehebenheit wird stufenweise immer geringer, bis es schließlich ganz dem Bereich des aktuellen Bewußtseins entschwindet, "vergessen" wird. Es ist nun dem passiven Hintergrund, dem "Unbewußten" einverleibt, das kein totes Nichts, sondern ein Grenzmodus des Bewußtseins ist, und kann von daher wie eine andere Passivität wieder affizieren in Form von Einfällen, vorschwebenden Gedanken usw. Das Urteil ist in dieser Modifikation aber nicht eine ursprüngliche, sondern eine sekundäre Passivität, die wesensmäßig zurückweist auf ihren Ursprung aus einem aktuellen spontanen Erzeugen. Es stellt also in dieser passiven Modifikation wie jede andere Passivität, die durch Modifikation eines ursprünglich original Konstituierten entstanden ist, eine Hab itu a I i t ä t des Ich dar, einen bleibenden Besitz, bereit zu neuer assoziativer Weckung. Dem in der Form des Einfalls, der Vorschwebung Geweckten können wir uns wieder zuwenden, es uns näherbringen, verdeutlichen, und schließlich unter Umständen in erneutem artikuliertem Vollzog das Urteil wieder zur Selbstgegeben· heit bringen. Das passiv vorschwebende Urteil, der Einfall, darf nicht mit der Vergegenwärtigung eines vergangenen Urteils verwechselt werden. Vergegenwärtigung setzt ein Ich voraus, das vergegenwärtigt, und das das vergangene Urteilen mitmachen oder auch ihm seine Zustimmung verweigern kann. Davon ist in dem vorschwebenden Gedanken zunächst noch nichts zu fin-

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den. Es ist eine Affektion, eine bloße Zumutung, gerichtet auf das Ich hin, sozusagen es zu neuem Vollzug auffordernd. Erfolgt nun Reaktivierung in Gestalt des erneuten spontanen Vollzuges, so ist das in verschiedener Weise möglich: 1. Der Vollzug kann "durch und durch" ursprüngliche Aktivität sein. Nicht nur, daß jeder Urteilsschritt erneut explizit vollzogen wird, es werden auch die Urteilssubstrate erneut zur selbstgebenden oder vergegenwärtigenden Anschauung gebracht. 1 ) Es wird also erneut die ganze zweigliedrige Synthesis der Prädikation vollzogen, wobei natürlich dieser ganze Prozeß in sich als Wiederholung eines schon früher vollzogenen Bestimmens intentional charakterisiert ist und mit dem früher vollzogenen in synthetische Deckung tritt. 2. Es kann aber auch, und sehr häufig, der Fall eintreten, daß die Urteilstätigkeit an alte Urteilserwerbe wieder anknüpft, früher Geurteiltes zu erneutem artikuliertem, also eigentlichem Vollzug bringt, ohne daß die fundierenden, rezeptiv konstituierten Urteilssubstrate erneut in gleicher Anschaulichkeit und Klarheit gegeben sein müssen; oder die Anschauung kann mehr odec weniger lückenhaft sein in einer Gradualität, die von dem vollkommen leeren, bloß symbolisch indizierenden, bis zu dem vollkommen mit Anschauung erfüllten Urteilen führt. Selbstverständlich setzt die erstmalige ursprüngliche Konstitution einer kategorialen Gegenständlichkeit die originäre Gegebenheit auch der Substrate voraus, also eine Originarität auf beiden Stufen. Aber ist die Gegenständlichkeit einmal konstituiert, so können wir wieder darauf zurückkommen,

s.

1)

bez. der hier möglichen Modifikationen vgl. oben § 27,

143 ff.

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Das prädikative Denken

sie noch einmal erzeugen, ohne daß in der Unterschicht die Substrate wieder anschaulich gegeben sein müßten. Das heißt, es wird dann keine eigentlich zweigliedri ge Sy n th esis mehr vollzogen, nicht erneut anschaulich vom S zum p übergegangen, und dann in erneutem Zurückkommen auf das um p bereicherte S spontan die Obergangssynthesis vollzogen, sondern es wird nur der zweite Schritt wirklich und eigentlich wieder vollzogen. Daß S um die Bestimmung p bereichert sei, daß sie ihm zukomme, steht etwa in der Erinnerung mehr oder weniger anschaulich für uns da, wird aber nicht durch erneuten Rückgang auf originäre Anschauung bewährt, sondern einfach hingenommen. Ja, vielleicht ist es gar nicht mehr bewährbar, vielleicht würde sich bei erneuter Veranschaulichung das Gegenteil herausstellen; gleichwohl kann diese Sachverhaltsgegenständlichkeit "S ist p" auf Grund ihrer ursprünglichen Konstitution und auf Grund ihres habituellen Fortwirkens als dieselbe wieder zur Gegebenheit gebracht werden; das Urteil S ist p kann als ein Identisches erneut in Deutlichkeit vollzogen werden, freilich ohne Erfüllung mit Anschauung. 3· Noch eine andere Modifikation ist möglich. Es kann sein, daß in der Wiedererneuerung das ursprüngliche Urteil gar nicht vollkommen artikuliert neu vollzogen wird. Assoziativ sich darbietende Wortfolgen können Einheit eines Urteils ergeben, aber in verworrener Weise, so daß Widersinniges sich mit Sinnvollem mischt. In diesem Falle kann auch für das bloße Urteil (ohne Rücksicht auf mögliche Veranschaulichung) nicht mehr von einem eigentlichen spontanen Erzeugen gesprochen werden, oder zumindest für einzelne Partien nicht. Es werden bloß, den sprachlichen Indikationen folgend, Sätze gebildet. Solche verworrenen Urteile können nun ;,verdeutlicht" werden, wobei sich Sinnvolles und Widersinniges scheidet, ohne da·ß

III. Modalitäten des Uneils · § 68

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dabei schon Anschaulichkeit, evidente Gegebenheit der Urteilssubstrate hergestellt würde, die vielleicht gar nicht hergestellt werden kann. Es ist vielmehr das bloße Urteilen, die bloße Urteilsvermeintheit, bezw. der Zusammenhang von Urteilsvermeintheiten nun m der Evidenz der Deutlichkeit wiedergegeben.

§ 68. Der Ursprung der Urteilsstell ungnahm e n aus der Kritik der I e er e n Vermeinung e n. Kritik auf Bewährung (Adäquation) gerichtet. So verläuft auch außer h a I b der rezeptiven Erfahrung und neben ihr ein mannigfaltiges prädikatives Urteilsleben. Unabhängig von dem Fortgang ursprünglicher Erfahrung unterliegen ja alle bereits gefällten Urteile und alle bereits in ihnen konstituierten kategorialen Gegenständlichkeiten der beschriebenen Gesetzlichkeit der Sedimentierung mit ihrer Möglichkeit der Reaktivierung. Als solche sedimentierten Erwerbe können sie in das neu und ursprünglich vollzogene Urteilen hineinwirken. Erregte Vorerwartungen erfüllen sich, aber in der Leersph:ire, es paßt sich neuer Glaube dem bisherigen, habituell gewordenen an. Aber auch Zweifel erwachsen, Vermutungen werden erregt; eventuell lösen sich die Zweifel, Vermutung geht wieder in ungebrochene Gewißheit über, sich wohl einfügend dem Ganzen der Gewißheiten, ohne daß von seiten des habituell Gewordenen Proteste einliefen. Wir haben also auch innerhalb dieser Sphäre des leeren, reaktivierten, nicht wieder auf ursprüngliche Selbstgegebenheit der Substrate zurückgehenden Urteilens ein fortschreitendes Zur-Kenntnis-nehmen, Anpassen bereits früher erworbener Erkenntnis an neu hinzukommende, aber eia Kenntnisnehmen nicht im prägnanten Sinne erfahrender Kenntnisnahme. Dabei besteht in jedem Falle die Möglichkeit, daß die schon als gültig vollzogene und in

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Das prädikative Denken

den habituellen Besitz aufgenommene Kenntnis, statt mit der neuen einig zu werden, sie zu bereichern, zu ergänzen, näher zu bestimmen, vielmehr in Negation sich modalisiert (durchgestrichen wird), oder aber in anderer Weise sich modalisiert: disjunktiv in Zweifel bloße Vermutung etc., sich aufhebt. Daraus erwächst das Streben nach Entscheidung und die Notwendigkeit der Kritik der bereits gefällten Urteile, der bereits spontan erzeugten kategorialen Gegenständlichkeiten als Vermeintheiten auf ihre Wahrheit, daraufhin, ob sie zur erfüllenden Deckung mit ursprünglichen Erfahrungsgegebenheiten zu bringen sind. Und das auch dort, wo im Urteilszusammenhang selbst nicht wirklich ein Zweifel erwachsen ist, auf den jeweiligen Urteilsinhalt in der ursprünglichen Motivation bezogen, sondern wo im Gedanken an die Häufigkeit nachkommender Entwertung der gewonnenen Urteilsstellungnahmen das Bedürfnis erwächst, das Gewonnene vor solcher Entwertung zu bewahren. Während wir in direkter Betrachtung der betreffenden Sachlagen nicht zweifeln, werden wir doch häufig die Möglichkeit zulassen, daß das uns Gewisse nicht sei oder nicht so sei. Für sie spricht eben die allgemeine Urteilserfahrung der häufig vorkommenden Entwertung, aber im gegebenen Falle sonst nichts; für unsere Gewißheit dagegen spricht im aktuellen Zusammenhang selbst a 11 es, sie ist und bleibt Gewißheit, aber freilich eine solche, die eine Gegenmöglichkeit neben sich hat, die also ihre Reinheit verloren hat. Ober diese Modi der Gewißheit später mehr. Hier gilt es nur zu verstehen, wie die Mo da 1i täte i1 des Urteils aus der Kritik der bereits gefällten Ur t e i I e, sei es antizipatorisch gefällter oder früherer, nunmehr reaktivierter Urteilserwerbe und der in ihnen konstituierten kategorialen Gegenständlichkeiten, entspringen. Das Streben durch Kritik zur Entscheidung und

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III. Modalitäten des Urteils· § 68

Sicherheit der Glaubensstellungnahme zu gelangen, geht nicht auf eine bloße Entscheidung überhaupt (irgendeines Zweifels, irgendeiner Disjunktion im Glauben); es ist als Erkenntnisstreben gerichtet auf Wahrheit. Schon das Wort Er-kennen deutet an, daß es sich um ein Streben handelt, das, was noch nicht zur Kenntnis gekommen ist, sondern bloß vorgemeint war, zur Kenntnis, selbstverständlich zur erfahrenden Kenntnis zu bringen. In diesem weiten Sinne gefaßt, wäre jedes fortschreitende Erfahren schon ein Erkennen. Aber wie gesagt, der normale Wortsinn schließt in sich das Streben nach Wahrheit, nach Erkenntnis der Wahrheit, danach, sie als solche in die erfahrende Kenntnis zu bekommen. Die Erfahrung der Wahrheit, auf die Erkenntnis hinzielt, setzt eine niedere Erfahrung voraus und schließt sie ein. Erkenntnis ist das Bewußtsein der "Übereinstimmung" eines leer vorgreif enden G 1a u be ns, spezieil ein es pr ädi kat i v e n G 1a u b e n s (leeren oder uneigentlich anschauen~ den) mit der entsprechenden originär gebenden Erfahrung vom Ge g 1a u b t e n, prädikativ Geurteilten, seiner evidenten Gegebenheit 1 ) - eine Übereinstimmung, in der der vorgreifende Glaube mit dem erfahrenden zur synthetischen Deckung kommt und sich in ihm erfüllt. Anders gewendet: es ist Obereinstimmung des bloßen Urteils, des mit dem und dem Aussagesinn gesetzten, mit der Erfahrung von diesem Sinn im Modus "es selbst". Wir können auch sagen, die gegenständliche Meinung, die gesetzte Gegenständlichkeit als solche, der gesetzte Sachverhalt als solcher in seinem Vorgerichtetsein-auf . . . . bestätigt, bewährt sich in der synthetischen Einheit mit dem Sachverhalt, bezw. Gegenstand selbst, terminiert darin. Was also in dieser Übereinstimmung, 1)

Ober den Begriff der Evidenz vgl. oben § 4, S.

I I

f.

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Das prädikative Denken

die selbst erfahrende ist, erfahren wird, ist die Wahrheit.1} Solche Obereinstimmung kann sich in bruchloser Bewährung von Erfahrung durch Erfahrung herausstellen; Erkenntnis der Wahrheit kann dann den Charakter einer bruchlosen Bestätigung, Erfüllung der leeren Urteile, Vermeintheiten haben. Hat aber der Erkennende in seinem Streben mit in seiner Motivation das aktuelle oder habituelle, jedoch erregte Bewußtsein von der Möglichkeit, daß statt positiver Bewährung die Entwurzelung des schon gewissen Glaubens eintreten könnte, oder hat er in der Wahrheitssuche die Disjunktion von Wahrheit und Falschheit als Einheit zusammengehöriger Möglichkeiten vor sich, so gewinnt Erkenntnis den Charakter einer Entscheidung auf Grund des Durchgangs durch die Kritik der Urteilsvermein thei ten, vermeinten Sachverhalte als solcher; und das ist der NormalfalL In der Einstellung der Kritik, die motiviert ist durch das Erlebnis des leeren U rteilens, von Urteilsvermeintheiten, die nicht zu erfüllender Bewährung zu bringen sind in der Selbstgegebenheit der zugrundeliegenden Substratgegenständlichkeiten, scheidet sich der vermeinte Sachverhalt als solcher vom wirklichen Sachverhalt.2} Es scheidet sich in ihr der bloß vermeinte Sachverhalt, der ganz leer vermeint sein kann oder auch mehr oder minder mit Anschauung erfüllt, vom vollkommen erfüllten, vollkommen mit Anschauung gesättigten Sachverhalt, in dem das Sichverhalten seine.r Substrate zu vollkommener anschaulicher Gegebenheit kommt. "S achver h a 1t s e 1b s t" ist nichts anderes als die Idee des v o 11 kommen e rf ü 11 t e n S a c h ver1 ) Zu den verschiedenen Begriffen von Wahrheit vgl. Logik, § 46, S. IIJ f. 2 ) Vgl. auch a. a. 0., § 44• ß.

III. Modalitäten des Urteils · § 69

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h a 1t s sinne s, der vollkommen erfüllten Sachverhaltsmeinung, eines Sinnes, der natürlich Sinn zweiter Stufe ist, weil der Sachverhalt selbst eine Sinngegenständlichkeit ist.

§ 69. Urteilsvermeintes als solches und wahre r S a c h v e r h a I t. I n w i e f e r n d e r S a c h v e r h alt e i n e S i n n g e g e n s t ä n d 1i c h k e i t i s t. Von hier aus verliert auch die Feststellung ihre Befremdlichkeit, daß die Sachverhalte, wie sie durch "Substantivierung" aus den Urteilen entnommen werden können, Sinngegenständlichkeiten, Gegenständlichkeiten einer eigenen Region der Vermeintheiten sind. Dies besagt keineswegs, daß wir im Entnehmen des Sachverhaltes, in dem er als eigener Gegenstand einer eigenartigen Region im Urteilsverlauf verselbständigt und thematisch wird, nun statt auf eine Wirklichkeit, bloß auf Vermeintes als solches gerichtet wären. Gerichtet sind wir immer auf den wirklich bestehenden Sachverhalt. Das wirkliche "Sichverhalten" der zunächst rezeptiv konstituierten Gegenständlichkeiten, die in ihn eingegangen sind, ist es, das dabei ständig unser thematisches Endziel ist. Aber einmal gebildete prädikative Urteile haben eben, sobald sie erzeugt, sobald in ihnen neue Gegenständlichkeiten spontan konstituiert sind, eine Art Eigenständigkeit. Sie können erneut wieder vollzogen, eventuell im kommunikativen Verkehr nachvollzogen werden, und haben dabei ihre eigene Art, in der sie zur Evidenz, zur Evidenz der Deutlichkeit gebracht werden können als Vermeintheiten, ohne daß sie deshalb schon erfüllbare sein müssen. Darin erweisen sie sich als eine Region von eigenständigen Gegenständlichkeiten. Und diese Eigenständigkeit - die Tatsache, daß im Urteilen eine neue Art von Gegenständlichkeiten vorkonstituiert wird, d. h. daß einmal

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Das prädikative Denken

konstituierte Urteile und kategoriale Gegenständlichkeiten überhaupt, abgesehen von ihrer möglichen Erfüllung mit Anschauung, als bloße leere Sätze eine Art Eigenleben führen und ihre Unabhängigkeit von der Unterschicht haben, so daß sie als bloßer Sinn zur Evidenz der Deutlichkeit gebracht und selbst Substrate für mannigfaltige Urteile werden können - all dies erfordert immer wieder, von der ursprünglichen geraden Einstellung auf die wahrhaft seienden Substratgegenständlichkeiten und ihre Bestimmungen, ihr Sichverhalten, überzugehen in die kritische Einstellung, in der sich die leere Vermeinung, der bloße Satz, von dem Sachverhalt selbst scheidet. Sachverhalt selbst ist die Idee der vollkommen erfüllten Sachverhaltsvermeinung, und dieses V erm~inen vollzieht sich ursprünglich im Urteilssatz- so wird uns hier das oben (§ 6o, S. 290 f.) schon berührte Verhältnis von Sachverhalt und Urteilssatz verständlich. Die Frage, wiefern denn Sachverhalt als ein Sinn angesehen werden könne, und die, wiefern er ein Urteil (Urteilssatz) sei, fragen im Grunde dasselbe. Das heißt: die Sachverhaltsvermeinung als solche ist ein Urteilssatz, und dieser ist nichts anderes als der gegenständliche Sinn, in dem eben der Sachverhalt selbst vermeint ist. Nun ist aber dieses "Selbst" des Sachverhaltes im Urteilssatz nicht nur so vermeint, wie jedes gegenständliche Selbst in einem gegenständlichen Sinne vermeint und eventuell in ihm als es selbst gegeben ist; sondern, sofern es sich um eine vollkommen erfüllte Urteilsvermeinung handelt, wird das Selbst des Sachverhaltes in ihr nicht bloß gegeben (wie in dem erfüllten Vermeinen von Gegenständen rezeptiver Erfahrung eventuell das gegenständliche Selbst gegeben ist), sondern allererst erzeugt: der Sachverhalt selbst als Sinn in der Fülle des Selbst wird in dem vollkommen erfüllten Urteilssatz erzeugt, ist in ihm gegeben in der Weise spontaner Erzeugung.

III. Modalitäten des Urteils · § 70

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Wir bemerken dabei, daß hier der Begriff des gegenständlichen Sinnes zweideutig wird. Ursprünglich ist der Begriff des Sinnes, wie es in seiner Kontrastierung mit dem "Satz" 1 ) zum Ausdruck kommt, gewonnen durch die Verallgemeinerung der Unterscheidung von Qualität und Materie des Urteils in den Logischen Untersuchungen. Aus ihr ergab sich, speziell auf das Urteil angewendet, der Begriff des Sinnes als "Urteilsmaterie" oder "Urteilsinhalt" und davon unterschieden der volle U rteilssatz, das ist der Sinn mit seinem thetischen Charakter. Diese Einheit von Urteilsinhalt und thetischem Charakter macht einen weiteren Begriff von "Sinn" des Urteils aus: 2 ) das Urteilsvermeint:e als solches, zu dem auch der thetische Charakter gehört als eine Struktur des Urteilsnoemas. Da die Rede vom "Satz" zweideutig ist, weil darunter sowohl der bloß vermeinte als solcher als auch der wahre, erfüllte Satz, der Sachverhalt selbst verstanden werden kann, werden wir immer, wo wir den bloßen Satz meinen, hinzufügen "Satz, als bloßer Sinn genommen", um damit seine Zugehörigkeit zur Region derVermeintheiten als solcher, der Sinne im weiteren Sinne, anzudeuten. Was im normal fortschreitenden Urteilsverlauf substantiviert wird, ist dann nicht der Satz in Anführungszeichen, das Urteilsvermeinte als solches, sondern der in Geltung belassene Satz, eben der vermeinte Sachverhalt selbst. § 70. Die Evidenz der Gegebenheit der Sachverhalte analog der Evidenz der zugrunde liegenden Substrat ge ge nst än d l ich k e i t en. Zum Verhältnis von Sachverhalt und den ihn fundierenden Gegenständen sei noch folgendes bemerkt: Vgl. Ideen S. 274. Vgl. Logik, S. 192 f. und zum Begriff der Urteilsmaterie die schon öfter zitierte Stelle, S. 269 1) 2)

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Das prädikative Denken

Wo die zugrunde liegenden Substrate selbst wesensmäßig nie zu vollkommen adäquater Gegebenheit kommen können, wie das bei allen realen Gegenständlichkeiten der Fall ist, wo wesensmäßig Antizipation zur Weise ihrer Gegebenheit gehört, und vollkommen adäquate Gegebenheit eine im Unendlichen liegende Idee ist, da gilt das auch für die sich darauf bauenden Sachverhalte; auch sie sind dann wesensmäßig nur antizipatorisch gegeben. Die Wahrnehmung der zugrunde liegenden Substratgegenstände ist selbstverständlich ein originär konstituierendes Bewußtsein wesensmäßig können solche Gegenständlichkeiten ursprünglich nicht anders gegeben sein und können in ihrem Sein nicht anders evident werden als in der Weise eines unbestimmten und auf mögliche Weiterbestimmung .verweisenden Selbst. Das originär konstituierende Bewußtsein in all seinen Extensionen durch endlose Fortführung bestimmender Erfahrungen liefert hier nie das in sich voll bestimmte Selbst, das vielmehr nur ist als eine Idee der Vernunft, als Korrelat eines ideal geschlossenen, vielseitig unendlichen, möglichen Wahrnehmungssystems, als Einheit einer Unendlichkeit, die sich als Möglichkeit in Unendlichkeitsprozessen erschauen läßt. Es ist ein Selbst, das als Wirklichkeit immer nur vorbehaltlich durch Vernunftmotivation vorgezeichnet ist und als wahres An-sich-sein nur möglich ist unter transzendentalen kategorialen Bedingungen. Daran hat also jeder dingliche Sachverhalt seinen Anteil. Er hat seine Evidenz, seine Wahrheit; das sagt· aber, er ist eine originär gegebene Vorbehaltlichkeit, eine unbestimmte Wahrheit. Er ist original konstituiert in Form eines unbestimmten, aber nicht als ein Selbst in seiner wahren Bestimmtheit: der dingliche Urteilsverhalt ist auch eine Idee. Wie die zugrunde liegende Wahrnehmung nie adäquat werden kann, wie sie nie das Ding selbst enthält, sondern nur den Dingsinn in

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Fülle als ein sich stetig Wandelndes und Erweiterndes, so enthält auch das Wahrnehmungsurteil nie den S achverhalt selbst, wenn wir darunter das wahrhaft Seiende verstehen, das das Urteil "meint", das in ihm das Geurteilte ist. Kein wahrhaft bestehender, auf transzendent Reales bezüglicher Sachverhalt ist "adäquat" gegeben, oder: in keinem Erfahrungsurteil, und mag es noch so sehr Erfahrungssattheit haben, kann das Urteilen das Wahre, den Sachverhalt selbst, in sich tragen.

§ 71. Die Urteilsstellungnahmen als Anerkennung oder Verwerfung. Anerkennung als Aneignung und ihre Bedeutung für das Streben nach Sel bster hal tung. Die bisherigen Erörterungen haben den Zusammenhang gezeigt, in dem die Modalitäten des prädikativen Urteils mit Wesensstrukturen des Erkenntnislebens überhaupt stehen, die verschiedenen Motive, aus denen es zu leeren, über das in Erfahrung Bewährbare hinausgreifenden Urteilen kommt; sei es in der Weise der Antizipation, wie bei den Urteilen, die unmittelbar dem Laufe der Erfahrung folgen, sei es hinausgreifend in der Weise, daß die Urteile auf ursprüngliche Erfahrung zurückgehen, aber, als leere Vermeinungen habituell geworden, reaktiviert werden. Mo da 1i sie r t es Ur t e ilen tritt überall dort auf, wo das Urteilen nicht die Form schlichter, unmittelbar an der Erfahrung ausgewiesener Gewißbei t hat. Es tritt auf als Ungewißwerden oder als Wiederherstellung der Gewißheit im Durchgang durch die Kritik, die eine neue Bewährung an der Erfahrung, eventuell Korrektur an ihr herbeiführt. Wie immer nun ein leeres Urteilen entsprungen ist, ob aus Antizipation kommender Erfahrung, ihrem eigenen Verlaufe folgend,

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Das prädikative Denken

oder ob durch Reaktivierung früherer Urteilserwerbe: die Bewährung hat letztlich immer nur die eine M ö glichkeit, nämlich den Rückgang auf die selbstgebende Erfahrung der Urteilssubstrate. Auf die Urteilssubstrate führt alle Bewährung zurück. Immer steht das Entspringen modalisierter Urteile im Zusammenhang mit dem leeren, über das Selbstgegebene hinausgreifenden Urteilen und mit der Kritik dieser Antizipationen. So sind prinzipiell alle Urteilsmodalitäten zu begreifen als Modi der Stellungnahme, Modi der Entscheidung, die sich in der Kritik der leeren Vermeinungen ergeben und im Hinblick darauf verstanden werden müssen. Urteilen im prägnanten Sinne ist, sich so oder so entscheiden, und ist somit Entscheidung für oder Entscheidung gegen, Anerkennung oder Ablehnung, Verwerfung. Das darf nicht verwechselt werden mit den Seinsmodalitäten selbst: dem schlichten "seiend", dem am gegenständlichen Sinne schon im bloßen Patentwerden hervortretenden, dem "nichtig" und wieder dem "nicht nichtig", dem durch doppelte Durchstreichung hindurchgegangenen "doch so". Alle diese Modalitäten können schon in der Rezeptivität auftreten; das Ich braucht von sich aus keine Stellungnahme zu vollziehen, aber es kann auch durch jene passiven Modalisierungen zu einer solchen motiviert sein. I:n spezifischen urteilenden Stellungnehmen entspringt noetisch das "ja" und "nein", dessen noematisches Korrelat das am gegenständlichen Sinne auftretende "gültig" und "ungültig" ist, an ihm auftretend als Charakter der vom Ich her erteilten Gültigkeitserklärung oder Ungültigkeitserklärung. In diesem spezifischen Sinne ist also das Urteilen der Ichakt der p os i t i o, der Setz u n g in ihrer doppelten möglichen Gestalt: der Zustimmung oder der Ablehnung, der Verwerfung. Zunächst heißt das nur so viel, daß, wo es auf

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Grund motivierender Wahrnehmung zum Urteilen kommt, zwei entgegengesetzte Stellungnahmen möglich und je nachdem aktuell werden. Ob damit gesagt ist, daß die Setzung selbst eine doppelte "Qualität" im Sinne der traditionellen Logik hat, wird noch zu erwägen sein. Diese Stellungnahmen sind völlig unselbständig, insofern als sie ihre Motivationsgrundlage in dem haben, was in der Wahrnehmung selbst, in deren eigenem und eventuell rein passivem Verlauf vonstatten geht. Die Wahrnehmung hat ihre eigene Intentionalität, die noch nichts von dem spontanen Verhalten des Ich und von dessen konstitutiver Leistung in sich birgt, da sie vielmehr vorausgesetzt ist, damit das Ich etwas hat, wofür und wogegen es sich entscheiden kann. Die beiden entgegengesetzten Stellungnahmen sind vermöge der Einheit dieser Motivationslage, bezw. vermöge ihrer Einheit aus Zwiespältigkeit miteinander verschwistert; die Entscheidung für eine Möglichkeit hat, wo z. B. zwei Möglichkeiten miteinander in Streit waren, die Entscheidung gegen die korrelative Möglichkeit, wenn auch nicht aktuell, so doch potenziell, als Korrelat. neben sich. Sehen wir näher zu, wie die auf das Ich hmgehende Motivation fungiert, und wie das Ich daraufhin mit einer Bejahung oder Verneinung antwortend reagiert, so ist folgendes zu sagen: Die Motivationsgrundlage für die Entscheidung als feste In-Geltung-Setzung des Ich, bezw. für die negative Entscheidung ist die Wiederherstellung der Einstimmigkeit der Wahrnehmung. Die Spaltung im Widerstreit sich wechselseitig verdrängender W ahrnehmungsauffassungen ist zur bruchlosen Einheit zurückgekehrt. Das Ich ist von all dem affiziert; es selbst, als Ich, wird, und in seiner Weise, mit sich selbst uneinig, wird zwiespältig und schließlich einig. Es war

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geneigt, sich auf den Boden der einen Auffassung zu stellen, d. i. vor allem ihre Erwartungstendenzen zu vollziehen, sie vom Ichzentrum her zu aktiven Erwartungen werden zu lassen; aber es sieht sich darin doch wieder gehemmt, es wird in die gegenstehenden Erwartungstendenzen hineingezogen und für die Gegenauffassung geneigt. Ist die Einstimmigkeit der W ahrnehmung wiederhergestellt, wieder eine einzige Wahrnehmung in normaler Gestalt in Abfluß, so ist der innere Widerstreit des Ich mit sich selbst gelöst. Das Ich kann nicht mehr bald so, bald so geneigt sein; die aufgehobene Auffassung mit ihren aufgehobenen intentionalen Tendenzen, im besonderen ihren lebendig vorgerichteten, aber durchstrichenen Erwartungen, kann nicht in Vollzug gesetzt werden. Dabei hat das Ich- nun nicht bloß den freien Erwartungshorizont und die jetzt einstimmig hergestellte Intentionalität als Vollzugsfeld: es stellt sich auch aktiv auf diesen Boden, macht sich das einstimmig Gegebene als schlechthin seiend zu eigen. Die "Anerkennung" ist es, die eine eigentümliche Zueign ung, Fes tlegu ng vollzieht und dabei eine Festlegung als für mich hinfort und bleibend geltendes Sein. Das Ich eignet sich dadurch aktiv, strebend tätig einen Erwerb, also eine bleibende Kenntnis zu, und das bewußtseinsmäßig. Denn im Wesen des als gültig Erklärens, der sogenannten Anerkennung, die das Ich vollzieht, liegt, daß, was ihm dabei zuwächst als für es Geltendes, den Charakter des hinf o r t Geltenden, des weiter und bleibend Geltenden hat; das sagt, eines Geltenden in einen bewußtseinsmäßig offenen ichliehen Zeithorizont hinein. Was wir positiv urteilend in Geltung setzen, meinen wir damit als für uns von nun ab feststehend, als für die Zukunft festgestellt, und zwar .als seiend oder so seiend. Und das nicht als ein vereinzeltes Vorkommnis; sondern wie im allgemeinen praktischen Leben orga-

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nlSlert sich auch im tätigen Erkenntnisleben, wie sehr es immerzu in einzelnen aktuellen Strebungen verläuft, eine Einheit. Alle Gew i ßh ei te n organisieren sich zur Einheit einer Gewißheit, korrelativ ist alles für mich Seiende organisiert zu einer Welt, auf die sich dann jeweils besondere Linien eines umgestaltenden Strebens, eines handelnden im weitesten Sinne, der auch die Erkenntnispraxis unter sich befaßt, beziehen. Jede Modalisierung einer Gewißheit betrifft das Subjekt der Welt, es betrifft mit das ganze Sfstem der Gewißheit, bedeutet eine Hemmung in der fortgehenden Praxis, sofern das schon Erledigte wieder in Frage gestellt und so das Fortschreiten nicht frei ist. Infolge davon hängt an jedem Glauben, an jeder Stellungnahme ein praktisches Interesse. Jede Modalisierung im Sinne des Ungewißwerdens ist so etwas wie Wandlung einer Vollendung (eines einmal Erzielten, im vollendeten Streben Konstituierten) in die Form der Unvollendung, in die besondere Form des Zweifelhaften usw., im weitesten Sinne einer Aufhebung der Gewißheit. So nimmt jede Modalisierung notwendig die Form eines positiven Strebens auf entsprechende Gewißheit an. Durch das Urteilsleben zunächst schon jedes Einzel-Ich geht das Streben nach Urteilskonsequenz in einem weitesten Sinne, nach Erhaltung der Einstimmigkeit des Urteilens. Das heißt, Modalisierung ist nicht bloß ein Phänomen, das die Gegenstände und die gegenständliche und praktische Welt in ihrem Seinscharakter betrifft, sondern der Urteilende ist persönlich betroffen, wenn er genötigt ist, eine Urteilsgewißheit (und so überhaupt eine Glaubensgewißheit) preiszugeben. Das S t r eben nach Urteilskonsequenz und Gewißheit ist somit ein Zug im allgemeinen Streben des Ich nach Selbsterhaltung. Es erhält sich, wenn es bei seinen Stellungnahmen, bei seinen "Geltungen", bei seinem "es ist wirklich", "es ist wert und gut" bleiben

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kann. Auf jede Störung dieser Selbsterhaltung reagiert es in einem Streben, das letzten Endes Streben auf unmodalisierte Gewißheiten, darunter Urteilsgewißheiten, ist. So viel über die allgemeinere Bedeutung der Modalisierungen und des Strebens nach Gewißheit.

§ 72. Das Problem der "Qualität" des Urteils; das negative Urteil keine Grundform.

Was geschieht nun in der Entscheidung mit der zunichte gewordenen Gegenauffassung? Sie ist natürlich noch retentional erhalten; das Ich war vordem in sie hineingezogen und ihr vielleicht schon bevorzugend zugeneigt. Ja es kann sein, daß gerade diese Auffassung vordem ~n der Form normaler Wahrnehmung ein.stimmig gewesen und vom Ich her, als das vermeintlich seiende Ding betrachtendem, vollzogen war. Affektive Motive, den Blick auch in diese Richtung zu lenken oder wieder zu lenken, sind also da. Aber hier antwortet das Ich jetzt durch Ab 1eh nun g, durch U ng ül ti g k ei tser kl ä rung. Diese wendet sich offenbar entweder gegen eine vorangegangene Gültigkeitserklärung oder gegen eine bloße Neigung zu einer solchen, also schon gegen eine Stellungnahme oder die Tendenz zu einer Stellungnahme und gegen ihre Endleistung der Feststellung. Damit wird es klar, daß die bejahende und verneint:nde, an er kennende und verwerfende Stellungnahme nicht einfach zwei gleichstehende "Qualitäten" darstellen, wie etwa in der Farbensphäre rot und blau, daß somit die Rede von Qualität hier überhaupt nicht paßt. Das ichliehe Ne gieren ist Außergel tun gsetzen, und schon in diesem Ausdruck liegt der sekundäre intentionale Charakter angedeutet. Es ist ein G r u·n d f e h 1e r d e r t r a d i t i o n e 11 e n Logik, daß sie ohne Klärung des Sinnes, in dem von

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Grundformen des Urteils gesprochen werden kann. solche aufstellte und darunter vor allem die Negation (das negative kategorische Urteil) auftreten ließ. Demgegenüber ist zu betonen, daß nicht mehr von einer Reihe von Grundformen gesprochen werden darf. Es gibt nur eine Grundform, das ist das schlichte (positive, nicht etwa das "anerkennende") kategorische Urteil "S ist p". Dieses hat seine Wesensformen, die dann freilich in einem bestimmten Sinne, nämlich als W esensbesonderungen der Urform, auch als Grundformen bezeichnet werden können. Sie sind ausnahmslos Abwandlungen, und wie wir sahen, gilt das auch bereits für die Anerkennung; es sind Abwandlungen, und in diesem weitesten Sinne Modalisierungen der schlichten Urform. Hierbei tritt ein für jeden logischen Urteilsbegriff noch höchst wichtiger Gesichtspunkt hervor. Entscheidung-für . . . . haben wir charakterisiert durch das InBesitz-nehmen, die Zueignung als hinfort geltend und feststehend. Entscheidung-dagegen besagt, daß solche Geltung, als irgendwie uns zugemutete und eventuell früher uns eigene, verworfen wird - so wie wir Ahnliches finden bei sonstigen Akten, etwa wenn wir einen Entschluß bei geänderter Motivationslage verwerfen oder einer Willensneigung entgegentreten. Aber der Negation als Entscheidung-gegen .... entspricht das "ungültig", das wir in einer leichten Verschiebung der Einstellung selbst wieder zur Geltung bringen, nämlich positiv urteilend zu einer Feststellung machen können. Das Nein, bezw. das Nichtig tritt dann in den Gehalt der Feststellung. Danach kann man den Begriff des Urteils auch so fassen, daß er ausschließlich das seinsfeststellende Tun und das Nichtige darin als Inhaltsmoment befaßt, sozusagen als seiendes Nichtsein. In der Tat reduziert die Logik und die Wissenschaft alles auf feststellende Urteile, und mit gutem Recht. So

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viel auch geleugnet wird, in den theoretischen Aussagen steht nichts von Leugnung, sondern sie stellen fest, bald ein Sosein, bald ein Nicht-so-sein usw. Danach ist der bevorzugte Urteilsbegriff derjenige, der nur eine "Qualität" kennt, die Feststellung als gültig. Natürlich ändert das nichts daran, daß das Sichentscheiden selbst nicht von einer Modalität ist, sondern in Gegenmodalitäten verläuft, mag auch das Interesse, dem die Logik dient, ausschließlich auf Feststellungen, auf Behauptungen gerichtet sein.

§ 73· Existenzialurteil und Wahrheitsurteil als Urteilsstellungnahmen höherer Stufe mit m o d i f i z i e r t e m U r t e i l s s u b j e k t. Die einfachsten Fälle urteilender Stellungnahmen, der anerkennenden und verwerfenden, in Geltung setzenden und außer Geltung setzenden, sind diejenigen, in denen sich das Stellungnehmen unmittelbar auf die passiven Synthesen der Einstimmigkeit und Unstimmigkeit und auf ihre Kritik aufbaut, wie sie in der Rezeptivität der Wahrnehmung auftreten. Sind aber bereits prädikative Urteile gebildet worden, sind sie noch lebendig und werden sie reaktiviert und treten dann mit dem Anspruch der Bewährbarkeit an den in ihnen gemeinten Substraten und Sachverhalten selbst auf, so wird der Obergang in die kritische Einstellung, in der das Recht dieses Anspruchs geprüft wird, zu einer b~­ sonderen Form urteilender Stellungnahme Anlaß geben: zur Form des Existenzialurteils und des Wahrheitsurteils. Nicht jede prädikative Bejahung oder V erneinung schließt also bereits ein Existenzialurteil in sich. Vielmehr wird das erst dort der Fall sein, wo der gegenständliche Sinn, in dem das Seiende jeweils von uns vermeint ist, als solcher selbst vergegenständlicht wurde. Bei den Existenzialurteilen und dann ebenso bei

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den Urteilen über prädikative Wahrheit handelt es sich demnach um Urteilsstellungnahmen einer höheren Stufe, nicht bloß, wie bei den einfachen Anerkennungen und Verwerfungen, um die prädikative Fixierung des Ergebnisses der in der vorprädikativen Erfahrung ständig erfolgenden Selbstkorrektur. Das Urteilen in dieser höheren Stufe der spezifisch kritischen Einstellung wird daher weder ein schlicht bestimmendes und beziehendes (als Urteilen über schlichte Substrate) sein können, noch auch ein solches, das pure Vermeintheiten als solche zu Substraten hat, als Gegenstände einer eigenen Region, die nun etwa nach ihrem Gehalt bestimmt werden sollten; vielmehr wird in ihm beides in eigentümlicher Weise in Beziehung gesetzt werden, was Urteile einer eigenen Art ergibt. Im schlicht bestimmenden, identifizierenden Obergang von Urteilen zu Urteilen ist das in Identität sich Durchhaltende, sich ständig in seinen immer neuen Bestimmungen mit sich selbst Deckende, der Gegenstand schlechthin, der Gegenstand-worüber all dieser Urteile. Er "existiert" wirklich, wenn es gelingt, die Urteilsvermeinungen mit originär gebender Anschauung zu erfüllen. Andernfalls bleiben es leere Vermeinungen, "bloße Sätze", denen nichts "Wirkliches" entspricht. Der Gegenstand als das Selbst erscheint in originär gebenden Anschauungen; wenn er individueller ist, in Wahrnehmungen. Das fortgehend erfüllende Wahrnehmen, das Obergehen von Wahrnehmung in identifizierende Erfüllung ist ein Prozeß der Erzeugung des Selbst für den Wahrnehmungsgegenstand, des Selbst als des letzten Telos, auf das alle urteilende Tätigkeit hingerichtet ist. Durch alle Satzbildungen hindurch geht die Intention auf das Selbst, derart, daß jedes Gebilde ein Satz ist, der sein Telos in der evidenten Gegebenheit, in der des Gebildes im Modus des Selbst hat. Im fortschreitenden Prozeß vollzieht sich immerfort Syn-

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thesis der Deckung hinsichtlich der als identisch, als ein und dasselbe bewußt werdenden Sinne, und eine ausgezeichnete Deckungssynthesis ist die erfüllende und als solche im Selbst bewährende. So in der ursprünglichen, geradlinig verlaufenden prädikativen und vorprädikativen Bestimmung. Das Vermeinte als solches tritt mit dem wahren Selbst in identifizierende Deckung, ohne daß wir auf diese Synthesis der Identifizierung thematisch gerichtet wären. Gehen wir nun in die kritische Einstellung über,sostehen alle Sätze vor uns als bloße Vermeinungen, aber Vermeinungen mit dem Anspruch, das wahre Selbst in sich als erfüllenden Sinn zu tragen. Es sind für uns Sätze; wir unterscheiden an ihnen als Sätzen den bloßen Sinn, prädikativ gesprochen, den "Urteilsinhalt" (die Urteilsmaterie) und den thetischen Charakter1 ), und sind nun gerichtet auf die Synthesis der Identifizierung, die zwischen dem Sinn und dem wahren Se 1b s t eintritt - sofern der Sinn eben erfüllbarer Sinn ist. Ganz allgemein sagen wir dann: "diesem Sinn entspricht ein Gegenstand - der Sinn ist gültiger Sinn", oder "diesem Sinn entspricht nicht ein Gegenstand er ist ungültiger Sinn". Wir prädizieren also vom Sinn das "Sein". Das ist das ursprüngliche existenziale Urteilen. Die phänomenologische Evidenz, daß unser Urteilen den Satz als Sinn in sich birgt, und daß dieser Sinn im Modus "seiender" gesetzt ist, ist hier nicht in Frage. Das setzt vielmehr jene oben erwähnte Reflexion auf das Vermeinte als solches voraus, die nicht nach der möglichen Identifizierung mit seinem wahren Selbst fragt. Andererseits ist diese Einstellung auch von der noet is eh en Reflexion zu unterscheiden, in der die noematische Einheit -des Urteilssatzes mit seinem Sinn 1)

Zu den Begriffen von "Sinn" und "Satz" vgl. oben, S. 345·

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sich als Einheit von noetischen Mannigfaltigkeiten gibt. In dieser Einstellung sind wir hier, wenn wir transzendentale Logik treiben und all dies aufweisen. Wenn wir ex ist enzi al urteilen, setzen wir dagegen das existenziale Prädikat so, wie wir sonst ein Prädikat (das nicht Prädikat eines Satzes als Sinnes ist) setzen. Wir meinen das Existieren und sind in diesem Meinen, wie in einem sonstigen urteilenden Meinen auf "wahrhaftes Sein" gerichtet. Genauer: wir sind hier gerichtet auf die Synthesis der Identifizierung, in der eben das "wahrhaft seiend" hervortritt. Das Existenzialurteil "A ist", etwa dieser zuvor von uns als Haus bestimmte und als das als seiend vermeinte Gegenstand existiert, besagt daher: Der Sinn "A" hat entsprechende Wirklichkeit. Es wird im Existenzialurteil also vom Sinn prädiziert. Das war unannehmbar, so lange man Sinn als ein reelles Moment des Aktes ansah. Denn da erwuchs die unüberwindliche Schwierigkeit, daß offenbar zum Vollzug des Existenzialurteils keine solche Veränderung der Stellungnahme gegenüber dem kategorischen Urteil erforderlich ist, die wir als (noetische) Reflexion auf den Akt und auf Aktmomente bezeichnen. Wir behalten die gegenständliche Richtung insofern bei, als wir uns weiter um den Akt nach seiner noetischen Seite nicht kümmern. Dem Existenzialurteil "der Gegenstand (Sachverhalt) existiert", in dem über den bloßen Sinn, die Satz"materie" geurteilt wird, entspricht das "Wahrheitsurteil", "der Satz ist wahr". Wir haben dabei den "bloßen Satz", das Geurteilte als solches, also den Urteilssinn mit seinem thetischen Charakter als Subjekt (wobei dieser Satz derselbe ist, ob wir wirklich Urteilen oder uns in ein Urteil hineinversetzen; es ist ein m ö glicher Satz). Gehen wir dann zur entsprechenden Einsicht über, so deckt sich das wirkliche Urteil, die Sach-

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verhaltsmeinung, mit dem Sachverhalt selbst und erfährt seine "Bejahung". Der Sachverhalt "existiert", ist wirklich seiender Sachverhalt- korrelativ, der Satz (in dem er zur Setzung kommt) ist wahrer Satz. Natürlich können wir im Fortgang der Wahrnehmungen wiederholt auf das Selbst stoßen, ohne für existenziale Aussagen und für Wahrheitsaussagen interessiert und darauf gerichtet zu sein. Sind wir aber darauf gerichtet, so sagen wir aus; und zwar liegt vor dem betreffenden Identifizieren die Relation zwischen dem Gesetzten und dem Selbst, dem Gegenstandssatz und seinem Original. Aber das Gesetzte ist der pure gegenständliche Sinn, die Thesis machen wir nicht mit. Wir können ebensogut ein "hypothetisch" versuchsweise Angesetztes mit dem Selbst identifizieren und nun urteilen: das X ist wirklich, bezw. nicht wirklich. Dem noematischen "Gegenstand" entspricht der "Gegenstand selbst" des Originalbewußtseins. Das Existenzialurteil ist Urteil auf Grund der Identifizierung des vermeinten Gegenstandes als solchen (des gegenständlichen Sinnes) mit dem Original, und negativ: der Identifizierung unter Widerstreit. Das Wahrheits ur t e i I andererseits urteilt auf Subjektseite über den Gegenstandssatz als Idee einer möglichen Setzung, den Satz als Sinn genommen. Von ihm sagen wir aus, daß er "wahr" sei, daß er mit dem Gegenstand, mit dem Sachverhalt selbst stimme. Der Gegenstand selbst aber, das Original, ist seinerseits Identisches nicht nur wirklicher Originalakte, sondern eine Idee, da er identisch ist für alle möglichen Akte, die sich als Original mit irgendeinem solchen Akte decken würden. Gegebenenfalls blicken wir, über Wahrheit aussagend, hin auf eine soeben vollzogene Identifizierung im Selbst, d. i. auf den Gegenstandssatz, das Gesetzte als solches, und auf das Selbst, das wir im Original haben. Falls wir das Urteil aussprechen ohne wirkliche

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Gegebenheit, ist die Behauptung über das Verhältnis des Stimmens gemacht wie über irgendeine andere Relation, und wie eine andere Behauptung hat diese ihre objektive Wahrheit, das Verhältnis selbst hat sein wirkliches Sein. Wir können uns davon überzeugen. Das gehört a priori zu jedem Satz; jeder ist wahr oder falsch. 1 ) So haben die Wahr hei tsu r teile ihre besondere fun d am en t ale Funktion, sofern ja alle anderen Urteile Bestätigung voraussetzen und fordern. Also bei jedem Aussagen über die Wahrheit prädikativer Sätze haben wir die Beziehung des Satzes als der Idee einer möglichen Urteilssetzung zu dem Original des Satzes, das ist zu seiner Wahrheit, die gegeben ist in einem Orignalbewußtsein, welches evidentes Bewußtsein heißt. Dann ist auch die Obereinstimmung eine evidente als Unterlage des Urteils; der Satz ist wahr, er stimmt mit seiner Wahrheit, mit seinem originalen Selbst. Andernfalls ist er falsch, er widerstreitet dem originalen Satz.

§ 74· Unterscheidung der Existenzialprädikationen von den Wir kl ichkei ts prädi k a t ionen. a) Der Ursprung der Wirklichkeitsprädikation. Die Existenzialprädikationen, die ihr Gegenstück in den Negater. der Existenz haben, dürfen nicht verwechselt werden mit den Wirklichkeitsprädikationen, die ihr Gegenstück in den Prädikationen der Unwirklichkeit, der Fiktion haben. Dieser Unterscheidung wenden wir uns nunmehr zu. Wir gingen von der Erfahrung aus, deren Boden bisher als vorgegeben vorausgesetzt wurde. Jedes in normaler Erfahrung schlechthin Gegebene wird in den nor1) Bez. der Voraussetzungen und nötigen Einschränkungen dieser These von der E n t scheidbar k e i t eines jeden Satzes vgl. Logik, §§ 79 f., S. 174 ff.

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malen Prädikationen auf Grund der Erfahrung einfach als Wirklichkeit hingenommen; es wird nicht unter den Begriff "Wirklichkeit" gebracht. Es wird unter Begriffe gebracht, die innerhalb des unreflektierten Bewußtseins das Wirkliche bestimmen. In der n a t ü rlichen Einstellung gibt es zunächst (vor der Reflexion) kein Prädikat "wirklich", keine Gattung "Wirklichkeit". Erst wenn wir phantasieren und aus der Einstellung des Lebens in der Phantasie (also des Quasi-Erfahrens in all seinen Modis) übergehen zu den gegebenen Wirklichkeiten. und wenn wir dabei über die zufällige einzelne Phantasie und ihr Phantasiertes hinausgehen, diese als Exempel nehmend für mögliche Phantasie überhaupt und Fikta überhaupt, erwachsen uns die Begriffe Fiktum (bezw. Phantasie) und auf der anderen Seite die Begriffe "mögliche Erfahrung überhaupt" und "Wirklichkeit". Dabei ist Fiktum ein von der Erfahrung und ihrem Boden aus gesetzter Gegenstand eines erfahrenen Phantasierens, nämlich seine intentionale Gegenständlichkeit in dem Modus, in dem sie eben phantasierte ist. Von dem Phantasierenden, der in der Phantasiewelt lebt (vom "Träumenden"), können wir nicht sagen, daß er Fikta als Fikta setzt, sondern er hat modifizierte Wirklichkeiten, Wirklichkeiten-als-ob. Der Als-ob-Charakter hängt immerfort damit zusammen, daß das Ich erfahrendes ist, daß es Akte erster Stufe, unmodifizierte, vollzieht und in seinem inneren Bewußtsein unter solchen Akten Phantasien hat, deren Gegenstände dann den modifizierten Charakter haben. Erst wer in der Erfahrung lebt und von da aus in die Phantasie "hinein faßt", wobei das Phantasierte mit dem Erfahrenen kontrastiert, kann die Begriffe Fiktion und Wirklichkeit haben. Freilich müssen wir sagen: vor allem Begreifen ist doch der Kontrast da, die in erster Stufe erfahrenen Wirklichkeiten und die sich in

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ihnen konstituierenden Wirklichkeiten höherer Stufe bilden ihren notwendigen Wirklichkeitszusammenhang; aus ihm tritt heraus alles Phantasierte, das als solches eben außer Zusammenhang ist und als fiktives Stück \Velt mit der erfahrenen "kontrastiert" wird, was ein eigenes Verhältnis von Wirklichem und Modifiziertem begründet (denn von eigentlichem Kontrast wird man nicht sprechen können). In der Gegenüberstellung haben wir allgemeine Wesensgemeinschaft: "Gegenstand" hier und "Gegenstand" dort, ebenso auf beiden Seiten Individuelles, Zeiterstreckung - kurz alles Prädikable. Aber die Phantasie-"Gegenstände" sind "Schein" innerhalb der Welt der Gegenstände schlechthin. Sie sind, was sie sind, nur als auf das Ich, auf seine Gegenstände und Erlebnisse schlechthin bezogene Aktkorrelate. Also auch der Gegenstand in Anführungszeichen ist in der Phantasie modifiziert: er hat ein doppeltes Anführungszeichen. b) Existenzialprädikationen auf Sinne, Wirklichkeitsprädikationen auf Sätze als Subjekte gerichtet. Wie verstehen sich nun die Aussageformen "A ist eine Wirklichkeit" oder "ist wirklich" und "A ist ein Fiktum", ist unwirklich, im Gegensatz zu den Existenzialprädikationen "A existiert", "A existiert nicht"? Wir sagen z. B. im Hinweis auf die erfahrenen Dinge, Menschen, Landschaften, das seien wirkliche Dinge, und im Hinweis auf die Phantasiedinge oder auf die im fingierenden Bilde dargestellten, das seien fingierte, nicht wirkliche Menschen, Dinge usw. Es ist zu beachten, daß das nicht bloß gilt für Erfahrungen und Erfahrungsurteile im Modus der Gewißheit, korrelativ gesprochen, hinsichtlich eines Seins schlechthin, sondern auch hinsichtlich der Seinsmodalitäten "es ist möglich, fraglich usw." Stehen wir auf dem Boden der Erfah-

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rungswirklichkeit, das heißt, erfahren wir wirklich und haben also eine Wirklichkeit im Modus der Gewißheit, und ergeben sich von da aus Widerstreite, Zweifel, Vermutlichkeiten und Wahrscheinlichkeiten, so sind das alles Wirklichkeiten, wirkliche Möglichkeiten, wirkliche Vermutlichkeiten usw. Leben wir aber in der Theateraufführung eines neuen Stückes, so ergeben sich "im Bilde", "im Stücke", in der Fiktion, die zur Darstellung kommt, Vermutlichkeiten für das künftige Handeln des Helden, Wahrscheinlichkeiten, Zweifel, die alle somit den modifizierten Charakter der Fiktion haben. Jede normale Aussage ist im Modus der Wirklichkeit vollzogen, die anormale steht also in Anführungszeichen, oder bedarf der Beziehung auf die Umstände des Aussagens, aus denen die Modifikation des Sinnes verständlich wird. Diese Modifikation ist keine Sinnesänderung der Art, wie sie innerhalb des Wirklichkeitsbewußtseins statthat - denn da haben wir nur Sinn im Modus "wirklich" - sondern eine Modifikation, die dem Sinn selbst den Charakter des Piktums verleiht. Innerhalb des Wirklichkeitsbewußtseins steht der Sinn als gewiß seiend oder wahrscheinlich, vermutlich seiend für uns da, und es wird darüber prädiziert: "A existiert", "A ist vermutlich" usw. Ist der Sinn durchstrichen, nicht zur Erfüllung zu bringen, sondern stellt er sich im Widerstreit mit anderem Sinn als nicht seiend heraus, und wird demgemäß geurteilt "A ist nicht", so ist damit nicht gemeint, A ist ein Fiktum, ein Phantasiegegenstand; vielmehr ist und bleibt er Erfahrungsgegenstand, aber eben durchstrichener, der auf dem Boden der durchgehenden Erfahrungsgewißheit nicht zur erfüllenden Bewährung zu bringen ist. Daß die Unterscheidung von Existenz und Nichtexistenz auf einer ganz anderen Ebene liegt als die von Wirklichkeit und Phantasie, zeigt sich darin, daß auch auf dem Boden eines ein-

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heitlichen Phantasiezusammenhangs solche Durchstreichungen vorgenommen werden können. Wir können Phantasieansätze machen, die als nicht hineingehörig in unsere jetzt durchgehaltene Einheit der Phantasiewelt den Nichtigkeitsstrich erhalten. Wie alles, was in der wirklichen Erfahrung und wirklichen Welt auftritt, hier seine Parallele im Als-ob hat, so auch Existenz und Nicht-Existenz. Es gibt eine Quasi-Existenz auf dem einheitlichen Boden einer Phantasiewelt und ebenso eine Quasi-Nichtexistenz und darauf bezogene Existenzialurteile. Daraus ergibt sich: in der Prädikation über Wirklichkeit und Fiktum ist nicht Subjekt der bloße Sinn, die bloße Urteilsmaterie wie im Existenzialurteil, sondern der als gewiß, wahrscheinlich, vermutlich oder nicht seiend gesetzte Sinn, also der Satz. Er ist das Subjekt der Gegenprädikate "wirklich -fiktiv". Jeder schlechthin von uns aufgestellten (bezw. so von uns aufgenommenen) Aussage entspricht ein Aussage-"satz", und dieser, als Korrelat wirklichen Urteilens, in dem Charakter, in dem er da bewußt ist, ist eben wirklicher. Er heißt "wirklich" im Kontrast zu Aussagesätzen, die in "Fiktionen" in Form von QuasiUrteilen (Urteilen als ob) gegeben und aus ihnen zu entnehmen sind. § 75· Wirklichkeitsprädikationen und Existenzialprädikationen keine bestimmenden Prädikationen. Gegenstand schlechthin in der gewöhnlichen Rede ist gleichbedeutend mit wirklichem Gegenstand. Gegenstände bekommen keine Bestimmung durch das "wirklich". Gegenstände bekommen Bestimmungen, d. i. erfahrungsmäßig gegebene, in Erfahrungsakten; gesetzte Gegenstände bestimmen sich im Erfahren oder

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sind in Erfahrungsakten so bestimmt bewußt und werden in Erfahrungsexplikationen und -prädikationen als Subjekte gefaßt, ihre Bestimmung (die im Erfahren erfahrene ist) ihnen zugemessen usw. Das Prädikat "wirklich" bestimmt nicht den Gegenstand, sondern es sagt: ich phantasiere nicht, ich vollziehe kein Quasi-Erfahren, kein Quasi-Explizieren und -Prädizieren und spreche nicht über Fikta, sondern über Gegenstände, die erfahrungsmäßig gegeben sind. In dieser Kontrastierung liegt, daß über Gegenstände in Anführungszeichen, über Gegenstandssätze geurteilt wird, und zwar über die "Erfahrungsgegenstände" als Sinnesbestände der Erfahrung gegenüber solchen der innerhalb der Erfahrung auftretenden Phantasie also der Fiktion. Haben wir "denselben" Gegenstand in der Erfahrung und "denselben" in der Phantasie, oder als Fiktum, so haben wir beiderseits dasselbe Sinneswesen, aber das ist natürlich nicht das Subjekt der Prädikation; sondern auf der einen Seite ist das Subjekt der wirklich geltende Sinn, d. i. der aus der Erfahrung entnommene oder vielmehr in ihr lebendige und in noematischer Reflexion erfaßte Satz, auf der anderen Seite ist Subjekt der aus der Phantasie entnommene, in noematischer Reflexion als Phantasiekorrelat vorgefundene Fiktionssinn mit seiner QuasiGeltung, also der Phantasiesatz. Der eine wird, wenn wir sagen "X ist eine Wirklichkeit" dem Bereich der Wirklichkeit, der andere dem der Fiktion eingeordnet. Der Gegenstand, z. B. das Haus, bekommt keine "Bestimmung" im eigentlichen Sinne, keine explizierende Näherbestimmung, wenn er als Wirklichkeit bezeichnet wird. Z. B. der als Haus bestimmte Gegenstand (das im Erfahrungsbewußtsein Gesetzte) wird auf seinen Satz reduziert. In noematischer Reflexion wird die Hausvermeinung erfaßt und der Gattung "wirklicher Satz" eingeordnet. Die. Haus-Setzung wird weiter vollzogen oder kann weiter vollzogen bleiben; dann sagen

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wir: das Haus ist, was seinen Satz anbelangt, Wirklichkeit. Das heißt also nicht, das Haus gehört zu der Klasse von Gegenständen, die wirkliche sind, als ob es eine Klasse von Gegenständen gäbe, die nicht Wirklichkeiten sind - jede Gegenstandsklasse ist eine Klasse von Wirklichkeiten - sondern die Sätze der Erfahrung, die unmodifizierten Sätze, haben sich gegenüber Sätze der Phantasie, die Spiegelungen der wirklichen Sätze sind, Sätze, denen das Prädikat der Fiktion zukommt. Analoges ist natürlich auch für die Existenzialprädikationen auszuführen. Auch sie sind nicht im eigentlichen Sinne bestimmende Prädikationen; sie urteilen nicht über die Gegenstände, von denen sie zu sprechen scheinen, über die Gegenstände des Gebietes, von dem in sachlicher Beziehung die Rede ist, wobei der Anlaß zu Existenzialprädikationen entsteht. Vielmehr, da ihre Subjekte Gegenstandssinne sind und nicht die Gegenstände selbst, wächst mit dem "seiend" diesen und nicht den Gegenständen eine Bestimmung zu. In dieser Weise sind sie also nicht bestimmend wie die schlichten Prädikationen.

§ 76. Obergang zu den Modalitäten im enge-

ren Sinne. Zweifel und Vermutung als aktive Stellungnahmen. Wenden wir uns nun wieder zurück zu den Urteilsmodalitäten, zu denen ja die Wirklichkeitsprädikationen nicht zu zählen sind. Mit den bisher betrachteten Urteilsstellungnahmen der Anerkennung und Verwerfung ist der Bereich der Modalitäten noch keineswegs erschöpft. Vielmehr ist es klar, daß auch die Modalitäten im engeren Sinne, diejenigen in denen die Gewißheit aufhört Gewißheit zu sein, die wir bisher nur im Bereich der Rezeptivität ins Auge gefaßt haben (§ 2 r, b-d), in der höheren Stufe ihre Entsprechung haben müssen. Auch dem bereits in der Rezeptivität im Schwan-

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ken der Wahrnehmungsauffassungen auftretenden Zweifels- und Möglichkeitsbewußtsein entspricht ein aktives Verhalten des Ich, zunächst das, was wir im eigentlichen Sinne mit dem Worte "Zweifeln" ("ich zweifle, ob es so oder so ist") bezeichnen. Dabei handelt es sich nicht mehr um das bloße Phänomen der Spaltung der Wahrnehmung, sondern um ein Uneinswerden des Ich mit sich seI b s t, obschon selbstverständlich auf dem Motivationsgrunde jener passiven Vorkommnisse. Das Ich ist nun mit sich uneinig, ist in Zwiespalt mit sich, sofern es bald so, bald so geneigt ist zu glauben. Dieses Geneigtsein bedeutet dann nicht bIo ß den aff ek ti ven Zug der anm u tlichen Möglichkeiten, sondern sie muten sich mir als seiend an, und ich gehe bald mit der einen, bald mit der anderen in der Weise eines Mich-entscheidens mit, erteile bald' der einen, bald der anderen in einer aktiven Stellungnahme Geltung, freilich immer wieder gehemmt. Dieses Mitgehen des Ich ist motiviert durch das Gewicht der Möglichkeiten selbst. Von ihnen als Anmutlichkeiten geht eine Urteilstendenz aus, der ich aktiv ein Stück weit folge, worin liegt, daß ich so etwas wie ein momentanes Mich-entscheiden für sie vollziehe. Aber dann bleibe ich eben stecken infolge des affektiven Anspruchs der Gegenmöglichkeiten. Auch dieser will gleichsam gehört werden und macht mich geneigt, zu glauben. Dieses Geneigtsein als eine Aktregung, Aktneigung, als Sich-hingezog_en-Fühlen so und so zu urteilen, gehört zu den Phänomenen des Langens, des T endierens, Stre- . bens im weiteren Sinne und ist zu unterscheiden von der Stellungnahme des Ich, dem (wie im aktiven Zweifel) eventuell nur momentan vollzogenen Urteilsakt, in dem ich für die eine Seite Partei ergreife. Nach der anderen Seite ist die Urteilsneigung begrifflich und sachlich zu unterscheiden von der affektiven Anmutung, der anmutliehen

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Möglichkeit, durch die sie motiviert ist, obwohl vielfach beides eng ineinander verflochten ist. Die aktive Zweifelsstellungnahme, in der ich mich, wechselweise einer der entgegengesetzten Neigungen nachgebend, auf den Boden einer der sich darbietenden anmutliehen Möglichkeiten stelle, ist dadurch gekennzeichnet, daß sie gehemmt ist. Die Hemmung ist hier nicht eine bloße Privation, sondern ein Modus des Phänomens einer gehemmten Entscheidung, eben einer auf dem Wege steck~n gebliebenen. Ein Stück geht das Ich im Vollzug gleichsam mit und kommt nur nicht ans Ende der festen Glaubensentschiedenheit. Ebenso sind dann die ablehnenden Entscheidungen des Ich, die gegen die anderen Möglichkeiten in solchen Motivationslagen gerichtet sind, gehemmte negative Entscheidungen. Von der Zweifelsstellungnahme ist zu unterscheiden die des Vermutens oder Für-wahrscheinlich-haltens, die dann eintreten wird, wenn sich eine der anmutliehen Möglichkeiten das Obergewicht erhält, wenn mehr für sie spricht. Durchlaufen wir Möglichkeiten von verschiedenem Gewicht, so kann das stärkere Gewicht zu einer Entscheidung für die eine motivieren, zu einer Art bevorzugender Anerkennung, die darum doch nicht eine Feststellung, Behauptung als schlechthin seiend, in sich schließt. In der Vermutung als Ichstellungnahme, die von den passiven, affektiven Anmutungen unterschieden werden muß, stellen wir uns auf eine Seite, entscheiden uns in gewisser Weise für sie, aber so, daß wir die andere Seite auch gelten lassen, obzwar mit geringerem Gewichte. Diese Entscheidung in der Form der Vermutung kann neue und neue Bekräftigung erfahren, etwa dadurch, daß bei Klärung der Gegentendenzen, der Gegenmöglichkeiten immer deutlicher ihre relative Schwäche und ihre Uberwogenheit hervortritt, oder daß neue Motive pro auftreten, die das Obergewicht verstärken. Es kann aber auch umge-

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kehrt das Obergewicht sich verringern. So hat die Vermutung selbst ihre Dimension der Stärke, die wesentlich bedingt ist von der "Stärke" der zugrundeliegenden Anmutungen, und diese Stärke kann abnehmen oder zunehmen. Die Vermutungsentscheidung bleibt, solange das Obergewicht der einen Seite sich forterhält, als Entscheidung unabhängig von diesen Stärkeschwankungen; sie behält den Sinn "vermutlich (möglich, wahrscheinlich) ist A". Greift aber das Schwanken auf die andere Seite über und kommt das Obergewicht bald dieser, bald jener Seite zu, dann geht das Vermuten wieder in Zweifeln über. Das negative Korrelat der Vermutung ist natürlich das Für-unwahrscheinlich-halten, womit wieder eine Art Verwerfung gemeint ist, aber nicht eine schlechthinige Negation. Selbstverständlich gilt das für Existenzialprädikationen und Wirklichkeitsprädikationen Ausgeführte auch für die hier erwachsenden Prädikationen wie "A ist möglich, vermutlich" etc.: auch sie sind keine bestimmen den Prädikationen.

§ 77· Die Modi der Gewißheit und der Begriff der Überzeugung. Reine und unreine, präs um p t i v e und a p o d i k t i s c h e Gewißheit.

Eine andere Form der Stellungnahme gegenüber verschiedenen anmutliehen Möglichkeiten ist die des Parteiergreifens für eine von ihnen und das innerliche Sichverschließen gegen die anderen. Dabei kommt schon. eine Entscheidung im Sinne der Glaubensgewißheit zustande, eine Festlegung, Behauptung, aber eine unreine, sozusagen angekränkelte, eine Entscheidung mit schlechtem logischem Gewissen - ungleich den Fällen, wo diese feste Entschiedenheit des Glaubens von der Sache selbst her, von einer· einstimmig konstituierten Erfahrung oder von der Durchstreichung der Gegenmög-

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lichkeiten motiviert ist. Das zeigt, daß die Gewißheit der anerkennenden oder verwerfenden Stellungnahme selbst ihre Modi der Reinheit und Unreinheit hat, der Vollkommenheit oder Unvollkommenheit. Unreinheit besteht immer dort, wo noch andere anmutliehe Möglichkeiten affektiv wirken, aber wir uns doch in Gewißheit für eine entscheiden. Wir vollziehen in ungebrochener Setzung das "so ist es". Aber es kann dabei doch sein, daß, während wir so ganz gewiß, ganz "sicher" sind, manches gegen das Sosein spricht, ein anderes Sein als anmutliehe Möglichkeit vor uns steht. Solche Anmutungen können ein verschiedenes Gewicht haben, sie können einen stärkeren oder minder starken Zug ausüben, aber sie bestimmen uns nicht; uns bestimmt im Glauben eben nur die eine Möglichkeit, für die wir entschieden sind, uns eventuell früher in einem Prozeß, im Durchgang durch Zweifel und Vermutung entschieden haben. In diesem Sachverhalt hat ein Begriff von Oberzeugung und von Stärke der Oberzeugung seine Wurzel. Die Stärke der Oberzeugung entspricht dem Grade der Reinheit oder Vollkommenheit der Gewißheit. Diese Stärkegrade der Oberzeugung haben ihr Analogon in den erwähnten Stärkegraden der Vermutung. Dementsprechend kann auch die V ermutung in gewissem Sinne ihre Modi von reiner und unreiner Gewißheit haben. Die Stellungnahme der Vermutung ist eine gewisse, wenn das, wofür sie Stellung nimmt, bewußt ist als von gewiß überwiegender Möglichkeitsstärke, derart, daß keine Gegenanmutungen gegen dieses Oberwiegen tendieren. Auch hier gibt es also so etwas wie Vermutungsstellungnahmen mit besserem oder schlechterem logischem Gewissen: mit schlechtem Gewissen dann, wenn durch das Gewicht der anmutliehen Möglichkeiten eher ein Zweifeln als eine Vermutungsstellungnahme für eine von beiden

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Seiten gerechtfertigt wäre, d. h. wenn die Gegengewichte nicht gehörige Berücksichtigung gefunden haben. In anderer Hinsicht freilich - einen anderen Begriff von Gewißheit und dementsprechend eine andere Unterscheidung von reiner und unreiner Gewißheit zugrunde gelegt - kann die Vermutungsgewißheit a 1s so 1c h e als unreine Gewißheit bezeichnet werden. Streng zu unterscheiden von diesen Modis der Gewißheit ist der Modus der "empirischen", "präsumptiven Gewißheit, der neben sich den Gegenmodus der apodiktischen Gewißheit hat. Jene erste Gruppe von Modis der Gewißheit bezieht sich auf den Bereich der anmutlichen, der von uns so genannten problematischen Möglichkeiten, d. i. der Möglichkeiten, für die jeweils etwas spricht. Wo immer wir dagegen Gewißheiten haben, die sich auf Spielräume offener Möglichkeiten beziehen, sprechen wir von empirischen präsumptiven Gewißheiten. So führt alle äußere Wahrnehmung in jedem Moment innerhalb der Gewißheit der allgemeinen Vorzeichnung einen Spielraum von Besonderungen mit sich, für die in ihrer Besonderheit nichts spricht. Wir können auch sagen, für alle offenen Möglichkeiten eines Spielraumes spricht dasselbe, sie sind alle gleich möglich. Darin liegt, nichts spricht für die eine, was gegen die andere spricht. Hier ist das Nichtsein nicht ausgeschlossen, es ist möglich, aber nicht motiviert. Gewißheit äußerer Erfahrung ist daher immer eine Gewißheit sozusagen auf Kündigung, präsumptiv, obzwar eine solche, die sich im Fortgang der Erfahrung immer wieder bewährt. Man darf demnach diese b ewährte präsumptive Gewißheit nicht verw e c h s e 1n mit einer b 1o ß e n V e r m u tl ich k e i t, die Gegenanmutungen neben sich hat, für die ebenfalls etwas spricht; und ebenso darf man sie nicht verwechseln mit der Wahrscheinlichkeit, die den Vorzug eines überwiegenden und eines eventuell einsichtig ab-

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gewogenen und unter Umständen gewaltigen Obergewichtes ausdrückt. 1 ) (Die Einsicht, daß die Gewißheit der Welt äußerer Erfahrung nur eine präsumptive ist, besagt danach keineswegs, daß sie eine bloße V ermutlichkeit oder Wahrscheinlichkeit wäre.) Der Gegenmodus der präsumptiven Gewißheit ist der der apodiktischen, absoluten Gewißbei t. Sie schließt in sich, daß das Nichtsein ausgeschlossen, oder korrelativ wiederum absolut gewiß ist. Es gibt hier keine offenen Gegenmöglichkeiten, keine Spielräume; und so entspricht dem Begriff der absoluten Gewißheit der der Notwendigkeit - einer weiteren Modalität prädikativen Urteils. Da wir im jetzigen Zusammenhang aber die Genesis der Urteilsmodi aus der Erfahrung und vorzugsweise der äußeren Erfahrung verfolgen, ist es klar, daß wir hier nicht auf den Ursprung dieser Modalität stoßen können.

§ 78. Frage und Antwort. Fragen als Streben nach Ur t e i I s e n t scheid u n g. Im Bereich der modalisierten Gewißheit hat auch das Phänomen des Fragens seinen Ursprung und steht da in engem Zusammenhang mit dem Zweifel. Wie dieser ist es ursprünglich motiviert in Vorkommnissen der passiven Sphäre. In dieser entspricht den beiden im intentionalen Widerstreit gespaltenen Anschauungen das disjunktive Schwanken der Auffassungen; in der Einheit des Streites werden A, B, C im Widereinander bewußt und einig. Wir können das nicht anders ausdrücken als mit den Worten: es ist bewußt das "ob A oder ob B oder ob C ist"; und eben dies finden wir im Ausdruck der aktiven Frage und des aktiven Zweifels, und zwar als Frageinhalt, bezw. Zweifelsinhalt. Man sagt etwa, ich 1) Wesentliche Ergänzungen betreffend die Evidenz der Wahrscheinlichkeit siehe unten, Beilage II.

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frage, ich zweifle, ob A etc. ist. Was also dem Fragen wie dem Zweifeln in gleicher Weise in der passiven Sphäre voranliegt, ist ein Einheitsfeld problematischer Möglichkeiten. Mindestens sind es natürlich ihrer zwei. Dabei kann es aber sein, daß bloß eine dieser streitenden Möglichkeiten bewußtseinsmäßig hervortritt, während die anderen unbeachtet im Hintergrund bleiben in der Weise leerer und thematisch unvollzogenerVorstellungen. Jeder Ichakt hat sein Thema, und das Thema, wie eines Zweifels so einer Frage, ist entweder eine problematische Einzelheit, deren disjunktive Gegenglieder dann außerthematisch bleiben, wie wenn ich bloß frage "ist das eine Holzpuppe" (vgl. das Beispiel in § 21, b, S. 99 ff.), oder Thema ist die ganze problematische Disjunktion, so in der Frage "ist das eine Puppe oder ein Men~ch?" Was ist nun das Eigentümliche des Fragens als eines eigenartigen aktiven Verhaltens des Ich? Die passive disjunktive Spannung der problematischen Möglichkeiten (der Zweifel im passiven Sinne) motiviert zunächst ein aktives Zweifeln, ein das Ich in Aktspaltung versetzendes Verhalten. Diese Spaltung führt auf Grund des wesensmäßigen Strebens des Ich nach Einstimmigkeit seiner Stellungnahmen unmittelbar ein Unbehagen mit sich und einen ursprünglichen Trieb darüber hinauszukommen in den Normalzustand der Einigkeit. Es erwächst ein Streben nach einer festen, d. i. letztlich einer ungehemmten, reinen Entscheidung. Bleibt dieses Streben nicht bloß ein affektives, passives Getriebensein, sondern wird es vom Ich her aktiv vollzogen, so er~ gibt das ein Fragen. Fragen, ganz allgemein genommen, ist das Streben, aus der modalen Abwandlung, der Spaltung und Hemmung zu einer festen Urteilsentscheidung zu kommen. Das Fragen hat sein intentionale~ Korrelat in der Frage; sie ist der in der Aktivität des Fragens vorkonstituierte kategoriale Gegenstand, so wie das Urteilen sein Korrelat im Ur-

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teil hat, in dem sich der Sachverhalt als Gegenständlichkeit vorkonstituiert. Das Fragen ist nicht selbst eine Urteilsmodalität, obzwar es natürlich untrennbar zur Urteils- und Erkenntnissphäre und notwendig mit hinein in die Logik als Wissenschaft vom Erkennen und Erkannten, näher, von der erkennenden Vernunft und ihren Gebilden gehört. Und das darum, weil das urteilende, auch das vernünftig urteilende Leben ein Medium ist für ein eigentümliches Wünschen, Streben, Wollen, Handeln, dessen Ziel eben Urteile, und Urteile besonderer Form sind. Alle Vernunft ist zugleich praktische Vernunft, und so auch die logische Vernunft. Selbstverständlich ist dabei zu unterscheiden das Werten, Wünschen, Wollen, Handeln, das durch das Urteilen auf Urteile und Wahrheiten geht, von dem Urteilen selbst, das nicht selbst ein Werten, Wünschen, Wollen ist. Das Fragen ist danach ein praktisches, auf Urteile bezügliches Verhalten. Fragend vermisse ich eine Entscheidung, sofern ich mich in einer unliebsamen Hemmung befinde, die mich vielleicht auch in den sonstigen Entscheidungen meines praktischen Lebens hemmt. Danach wünsche ich Entscheidung. Aber das Fragen ist nicht ein blog zuständliches Wünschen, sondern ein strebendes Gerichtetsein auf Urteilsentscheidung, das schon zur Willenssphäre gehört und nachher erst zu einem entscheidenden Wollen und Handeln wird, wenn wir praktische Wege erschauen, die Urteilsentscheidung wirklich herbeizuführen. Freilich der normale Begriff der Frage ist der einer an andere und eventuell, in Rückwendung zu mir selbst, einer von mir an mich selbst gerichteten Anfrage. Die Kommunikation mit anderen bleibt hier außer Betracht; aber auch das Sich-an-sich-selbst-wenden, sich dabei, ähnlich wie andere zum kommunikativen Ziele machen (denn das Ich kann wirklich mit sich selbst

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Das prädikative Denken

verkehren), können wir außer Spiel lassen. Wir verstehen dann das primitive Fragen als praktisches Streben zur Urteilsentscheidung hin und des weiteren als eine habituelle praktische Einstellung, die eventuell für längere Zeit wirksam ist, immer auf dem Sprung, in entsprechende W ollungen, Bemühungen, Handlungen überzugehen, Wege der Lösung zu probieren usw. Der eigene Sinn des Fragens enthüllt sich durch die Antworten, bezw. in der Antwort. Denn mit ihr tritt entspannende Erfüllung des Strebens, tritt Befriedigung ein. Den verschiedenen Weisen und Stufen, in denen die Befriedigung eintreten kann, entsprechen die verschiedenen möglichen Antworten; z. B. "ist A?". Da lautet die Antwort "ja, A ist", oder "nein, A ist nicht". Diese Frage hat also die beiden festen Urteilsstellungnahmen als mögliche Antworten. Da das fragende Streben sich in entsprechenden Urteilen erfüllt, beantwortet, ist es selbstverständlich, daß die Erfahrung der dem Sinngehalt der Fragen parallel sich anpassenden Urteilsformen dahin führt, daß der Fragende diese möglichen Antwortformen schon bewußtseinsmäßig antizipiert, und daß sie schon im Ausdruck der Fragen selbst als Frageinhalte auftreten. Jeder mögliche Urteilsinhalt ist denkbar als Inhalt einer Frage. Es ist in ihr natürlich ein noch nicht wirkliches, sondern nur in Aussicht genommenes, bloß vorstelliges (neutralisiertes) Urteil, das als Frageinhalt auf Ja und Nein steht. Ist die Frage eine mehrspännige, auf vollständige Disjunktion gestellte, so lautet sie etwa "ist A oder ist B?"; sie führt also die entsprechenden in Betracht gezogenen Urteile disjunktiv auf. Je nachdem fallen die Antworten aus: sie richten sich nach den in den Disjunktionsgliedern in Aussicht genommenen möglichen Urteilen als Frageinhalten. Antwort im eigentlichen Sinne ist eine Urteilsentscheid un g, vor allem eine bejahende

III. Modalitäten des Uneils · § 79

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oder verneinende. In gewissem Sinne ist es freilich auch eine Antwort, auf eine Frage zu sagen "ich weiß es nicht". Das betrifft offenbar den kommunikativen Verkehr, in dem ich mit dieser Antwort dem Anderen mitteile, daß ich seinem Wunsche nicht entsprechen kann, daß ich auf seine Frage keine Antwort habe. Aber auch wo eine Antwort gegeben wird, muß sie als Urteilsentscheidung nicht immer den Modus fester Gewißheit haben. Auch das Fürwahrscheinlichhalten ist eine Stellungnahme, die entscheidet, obschon sie nicht endgültig befriedigen mag. Es löst sich dabei immer schon der Zwiespalt in einer Weise, sofern das Ich sich, für wahrscheinlich haltend, im Glauben auf den Boden der einen Möglichkeit gestellt hat. In der Tat werden wir auf die Frage "ist A?" oft antworten, "ja, es ist wahrscheinlich", "nein, es ist unwahrscheinlich". Ebenso sind noch weiter abgeschwächte Antworten möglich, sofern eben jeder Urteilsmodus, der noch etwas von E n t scheid u n g an sich hat, also auch jede Form gehemmter Entscheidung, zur Antwort dienen kann; z. B. auf die Frage "ist A oder B?": "ich bin geneigt zu glauben, daß A ist". Freilich wird hier häufig vorangehen; ich weiß nicht" oder "ich bin unentschieden", "ich zweifle". Damit bekundet sich, daß die praktische Intention des Fragens eigentlich auf ein "Wissen", auf ein Urteilen im prägnanten Sinne der gewissen Entscheidung geht. Aber jene abgeschwächten Formen der Antwort sind gleichfalls Antworten, wenn schon nicht vollkommen befriedigende, während es etwa keine Antwort wäre zu sagen "A ist reizend".

§ 79·

Die Unters c h e i dun g von s c h 1ich t e n Fragen und Rech tfe rtigungsf ragen. All dies sind Strukturen und Verhältnisse, die allen Arten von Fragen in gleicher Weise gemeinsam,

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Das prädikative Denken

bei allen gleichmäßig möglich sind. Aber innerhalb dieses allgemeinen Bereichs muß auf eine Stufenfolge von Fragen und damit auf zwei wesentlich verschiedene Arten von Fragen Rücksicht genommen werden. Einerseits haben wir die einfachen Fragen, die aus einer ursprünglichen Zweifelslage heraus auf eine Entscheidung hinzielen und sie in der Antwort erhalten. Doch die häufige Erfahrung davon, daß die hergestellte Einstimmigkeit und die durch sie erzielte innere Einigkeit des Ich mit sich selbst wieder verloren gehen kann, kann eine weitere Motivation mit sich führen; sie kann den Trieb erwecken, diese von neuem unbehagliche Unsicherheit zu überwinden. Es hat in diesem Falle nicht wie sonst sein Bewenden bei dem Streben nach einem urteilenden Entscheiden und einer Zueignung und Festlegung des gefällten Urteils; sondern das Streben geht auf ein end g ü I t i g gesichertes Urteil, d. i. auf ein Urteil, in dessen Besitz das Ich subjektiv sicher sein kann, nicht wieder von neuem in die Zwiespältigkeit der Modalisierung zu verfallen. M. a. W. Fragen können auf den ersten Anhieb ihre feste Beantwortung erfahren durch eine feste Behauptung, mit der eine endgültige Position für uns erreicht zu sein scheint, und trotzdem kann das Fragen sich erneuern. Z. B. "ist A?", worauf die Antwort lautet: "ja, A ist". Wir fragen aber noch einmal: "ist A wirklich?", vielleicht ohne daß für uns faktisch ein Zweifel besteht. In der Wahrnehmungssphäre mag ja die Sache so begründet sein: die zwiespältige Wahrnehmung ist übergegangen in eine die Entscheidung in sich bergende einstimmige W ahrnehmung im Sinne der einen der Auffassungen. Aber gleichwohl besteht beständig die offene Möglichkeit, daß der weitere Verlauf der Wahrnehmung die zu ihr gehörigen Antizipationen und damit die Geltung des Auffassungssinnes nicht bestätigt. Es kann also das Bedürfnis erwachsen, sich weiter zu versichern, das Wahrnehmungs-

III. Modalitäten des Urteils· § 79

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urteil zu rechtfertigen und zu bekräftigen, etwa durch Nähertreten, frei tätiges Verwirklichen des Wahrnehmens nach vorgezeichneten Möglichkeiten und Zusehen, ob es dann wirklich stimmt. Von den schlichten Fragen müssen wir daher unterscheiden die Rech d erti gung sf ragen, die auf ein endgültig gesichertes Urteil, ein solches, das das Ich rechtfertigend begründen kann, und korrelativ auf wirkliches, wahres Sein gerichtet sind. Denn in der Bestätigung ist das schon als seiend Geurteilte mit dem neuen Charakter ausgestattet: wahrhaft, wirklich so, so daß wir diese Frage auch als Wahrheitsfrage bezeichnen könnten. Die ihr entsprechende Antwort wird daher häufig ein Wahrheitsurteil, ein Urteil über prädikative Wahrheit sein (zu diesem vgl. oben, § 73). Natürlich kann sich diese Aufstufung wiederholen. Das "wirklich" und "wahr" muß nicht ein ernstlich endgültiges sein; es können etwa neue Horizonte sich eröffnen und das Bedürfnis nach neuerlicher Rechtfertigung entstehen lassen. Jede Gewißheit, die wir haben, jede Überzeugung, die wir wie immer gewonnen haben, können wir in dieser Art in Frage stellen. Wir sind zwar sicher, daß es so ist, und fragen doch "ist es wirklich so?" Das besagt, wir fragen: wie läßt es sich rechtfertigen, objektiv ausweisen? Ahnlieh wie man im gerichtlichen Prozeßverfahrcn gewiß werden kann, daß der Zeuge A Recht hat, und im folgenden die ganze Sache innerlich für entschieden hält, nicht mehr zweifelt; und doch kann man weiterfragen, die Sache noch in Frage halten, um durch objektive Klärung eine "bessere" Entscheidung, eine Entscheidung aus Gründen zu erreichen, welche die Gegenmöglichkeiten völlig zunichte machen. Diese Möglichkeiten gelten dann zwar nicht mehr, aber sie sollen sich objektiv als nichtig ausweisen. So ist die Rechtfertigungsfrage nicht auf bloße Urteilsgewißheit,

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Das prädikative Denken

sondern auf begründete Gewißheit gerichtet. Sie ist Frage nach dem Grunde erlangter Gewißheit, und sie kann demnach an jede schon erworbene Gewißheit gestellt werden, auch an die absolute Gewißheit. Das ist so zu verstehen, daß man jeder absoluten Evidenz entspechend nicht-evidente Urteile denken kann, die dasselbe urteilen. Jedes nicht-evidente Meinen desselben Inhaltes läßt sich in Frage stellen, selbst wenn es ursprünglich aus Evidenz erwachsen ist; wir können es ausweisend auf Evidenz zurückführen, bestätigen und damit zur Antwort kommen: es ist in Wahrheit so, ja wirklich. In der Rechtfertigungsfrage enthalten wir uns des Urteils, wir verwandeln es in einen bloßen "Gedanken"; aber nicht bloß das, sondern wir haben zugleich das entsprechende Erkenntnisziel, wir suchen einen Motivationsweg, durch den wir auf dieses soeben inliibierte Urteil von neuem als wirkliches kommen, und zwar als ein vollkommen motiviertes, bezw. als eine Erkenntnis, die ihren Grund mit sich führt, aus ihrem Grunde her geschöpft, "sachlich" motiviert ist. Es ist daher zu unterscheiden zwischen dem subjektiven Gewiß-sein, subjektiv Entschieden-, Oberzeugt-sein und dem sachlichen Gewiß-sein, nämlich dem Entschiedensein aus einsichtigen Gründen, aus Einsicht in die gemeinte Sache selbst. Es ist danach klar, daß insbesondere die Modi der unreinen Gewißheit, der Gewißheit mit schlechtem Gewissen, einen besonderen An I aß für das Aufwerfen von Rechtfertigungsfragen geben werden, indem sie eben Fragen nach den Gründen einer bereits bestehenden Glaubensgewißheit, einer Oberzeugung sind; aber ebenso Anlaß sind die ganzen Modi des habituell gewordenen leeren Urteilens, das ursprünglich zwar aus eigener oder fremder sachlicher Evidenz geschöpft ist, und das eine Frage nach rechtfertigendem Rückgang auf die Gründe entstehen lassen kann. Die Begründung liegt in dem Rückgang auf die

III. Modalitäten des Urteils · § 79

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Sache selbst, auf ihre Selbstgebung in ursprünglicher gegenständlicher Evidenz. Das theoretische Interesse tm spezifischen Sinne ist In te ress e an der Begründung, an der Normierung, an die sich die Feststellung, die Fixierung im haltbaren Ausdruck und die Einprägung der Begründung anschließt. Jedes Urteil, das durch die Begründung hindurchgegangen ist, hat den Charakter der Normgerechtigkeit, des l,pß6; I.O"('~;. Die Begründung kann selbstverständlich eine mehr oder minder vollkommene sein. Es braucht etwas nicht schlechthin fraglich zu werden, sondern es kann auch bloß fraglich werden hinsichtlich der Vollkommenheit seiner Begründung und in diesem Sinne zu Rechtfertigungsfragen Anlaß geben. Die theoretische Intention auf Begründung, in sich selbst genommen, ist freilich noch keine fragende Intention. Aber sofern wir, theoretisch eingestellt, wissen, daß Meinungen bald sich erfüllen lassen und bald in der Auswirkung einer theoretischen Erfüllungsintention sich enttäuschen, nehmen wir in der Regel die fragende Einstellung an. Hierbei ist zu bemerken: so wie wir überhaupt eine Oberzeugung nicht ohne weiteres schon aufgeben, wenn andere Oberzeugungen auftreten, die mit ihr streiten; wie der Zweifel, ob sie standhalten werde, zwar ihren Charakter modalisiert und doch noch nicht ihren Charakter des "ich glaube, daß .... " aufhebt (etwa bloße Anmutung daraus macht): so ist es auch mit Beweisen, die uns "momentan" bedenklich machen, und die wir daher nachprüfen in der Frage "stimmt denn das wirklich?". Es ist ein Unterschied, ob wir uns noch nicht wirklich entschieden haben (das heißt hier, eine Feststellung genommen haben), ob wir bloß sagen, "das scheint so", "das gibt sich so", und dagegen dann auch "das scheint zu sein, aber freilich, eines stimmt nicht mit dem anderen" und "ich zweifle, ob das ist oder ob je-

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Das prädikative Denken

nes" - oder ob wir Entscheidungen haben, etwa alte feste Oberzeugungen und dazu neu entschiedene Oberzeugungen, wobei wir etwa erst nachträglich merken, daß sie miteinander zusammenstoßen, und ob wir dann zweifelhaft werden. Im übrigen aber ist alles Nachprüfungsstreben, das sich noch einmal und immer wieder einmal Oberzeugen (die Zeugen aufrufen), in der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Einstellung durch den Gedanken motiviert, daß die Erinnerung täuschen könnte, daß die Erfüllung vielleicht keine ganz vollkommene ist etc. Und das ist keine leere, sondern eine reale Möglichkeit, die bewußt werdend es in einigem Maße zweifelhaft macht, wie es denn hier und jetzt stehe. So führt selbst einsichtige Gewißheit, in den habituellen Besitz übergegangen, wiederum zur Ungewißheit, zum Zweifel und zur Frage. Alles wird w~eder fraglich. Aber wir streben doch nach unfraglicher Erkenntnis, nach fraglosen Überzeugungen.

III. ABSCHNITT

DIE KONSTITUTION DER ALLGEMEINGEGENSTÄNDLICHKElTEN UND DIE FORMEN DES ÜBERHAUPT- URTEILENS

§ 8o. Der Gang der Betrachtungen. In den ganzen bisherigen Betrachtungen, in denen wir Einblick in den Ursprung, die Grundformen und Modalitäten des prädikativen kategorischen Urteils gewannen, haben wir als Beispiele ausschließlich Urteile mit individuellen Urteilssubstraten - Urteile über Individuelles - herangezogen. Das war insofern selbstverständlich, als es sich ja um den Ursprung des Urteils aus der Erfahrung handelte, und Erfahrung letztlich Selbstgegebenheit individueller Gegenstände besagt. Gleichwohl lag darin eine abstraktive Einschränkung. Denn schon das Urteilen auf Grund der Erfahrung wird sich zumeist nicht mit einem Feststellen individueller Diesheiten, ihres Seins und Soseins begnügen, sondern es wird danach streben, das Beurteilte unter allgemeine Begriffe zu bringen und dadurch in einem spezifischen Sinne zu begreifen. Mit den bisher betrachteten Formen ist also die Leistung der Objektivierung noch nicht erschöpft. Ober sie baut sich und in sie ist zumeist schon untrennbar verflochten eine weitere Stufe von Leistungen, in denen Gegenständlichkeiten und Urteilsformen einer neuen Art erwachsen: die des begreifenden Denkens. Eine Beziehung des einzelnen Gegenstandes zum typisch Allgemeinen ist freilich bereits in jeder Erfas-

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

sung von Einzelnem mit wirksam - schon durch jenen Horizont typischer Vertrautheit und Bekanntheit, in dem wesensmäßig jedes Seiende vorweg begegnet, ferner durch die Notwendigkeit, sich bei seiner prädikativen Beurteilung irgendwelcher Namen von allgemeiner Bedeutung zu bedienen. 1 ) Aber es ist ein g rund1e g e n d e r U n t e r s c h i e d, o b d i e s e B e z i e h u n g a u f das Allgemeine im Urteilen selbst thematisch wird, oder ob sie das nicht wird. Bisher hatten wir jene durch den Horizont typischer Bekanntheit vorgezeichneten Antizipationen nur im Hinblick auf die Bedeutung betrachtet, die sie für die Konstitution der Modi uneigentlicher rezeptiver Gegebenheiten und leerer, vorgreifender prädikativer Urteile haben. Noch nicht aber hatten wir berücksichtigt, daß solche ~ypi­ schen Bekanntheitscharaktere selbst zur Konstitution einer neuen Art von Gegenständlichkeiten führen können, eben diesem typisch Allgemeinen selbst, als dessen "Vertreter" jeder Gegenstand bei seinem erstmaligen Auftreten sofort erfaßt wird, ohne daß deshalb diese Beziehung auf den Typus schon thematisch werden müßte. Wird sie das, so ergeben sich Urteile einer neuen Form, Abwandlungen der ursprünglichen kategorischen Urteile, als deren Urtypus wir die Form "S ist p" kennen gelernt haben. Es sind die verschiedenen sogenannten allgemeinen Urteile oder überhaupt-Urteile, in denen der Gegenstand nicht mehr als dieser individuelle Gegenstand thematisch wird, sondern als ein beliebiger Gegenstand dieser Art, dieses Typus. Sollen solche Urteile möglich werden, so setzt das natürlich voraus, daß die Allgemeinheiten, unter denen die Gegenstände in ihnen begriffen werden, nicht nur passiv vor k o n s t itu i er t sind in der Weise, wie wir das bisher fanden, daß also bloß der Gegenstand mit einem Charakter der 1)

Vgl. Einleitung, S. 39ff und § 49• S. 240 f.

Der Gang der Betrachtungen · § 80

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Bekanntheit vor uns steht, wobei das Typisch-allgemeine, dem er diesen Charakter verdankt, als solches unthematisch bleibt; vielmehr muß die Allgemeinheit selbst als solche erfaßt sein; und dieses Erfassen, die aktive Konstitution der Allgemeingegenständlichkeiten selbst, ist eine neue Art spontan -erzeugender Leistungen. In ihnen werden aktiv neue Gegenständlichkeiten konstituiert, die dann als Kerne in Urteile eintreten können - Kerne, die nicht mehr, wie die bisher betrachteten, in d i v i du e ll e Kerne sind, sondern g e n er e 11 e Kerne irgendeiner Allgemeinheitsstufe. Die Abwandlung, die die Form des allgemeinen Urteilens gegenüber den bisherigen Formen bedeutet, ist also vor allem auf seiten der Ur t e i 1s kerne zu suchen, während die Form der prädikativen Synthesis ihrer Grundstruktur nach die gleiche bleibt, ob es sich bei den S und den p um individuelle oder um generelle Kerne handelt. Insofern ist die Geltung unserer bisherigen Analysen der prädikativen Synthesis und ihrer Modalisierungen von universaler A 11 gemeinh e i t - nur daß wir eben dort, wo konkrete Beispiele herangezogen werden mußten, uns auf Urteile mit individuellen Kernen beschränkten, weil bei Hereinziehung der allgemeinen Urteile die Grundstruktur gewisse, sie komplizierende Abwandlungen erfährt. Was nun die in den Leistungen des begreifenden Denkens sich konstituierenden Allgemeingegenständlichkeiten, die Allgemeinheiten, Typen, Arten, Gattungen selbst als Gegenstände, als mögliche Urteilssubstrate betrifft, so sind sie von verschiedener Stufe; und die zunächst sich aufdrängende Allgemeinheit des empirisch-präsumptiven Typus wird sich als nur eine, und zwar eine niedere Stufe erweisen. Allgemeinheiten können eben nicht nur konstituiert sein auf Grund dessen, was in der Erfahrung schon passiv als bekannter, aber

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

noch nicht erfaßter Typus vorkonstituiert ist, sondern sie können in der Spontaneität auch frei gebildet werden. Das führt zuhöchst zu den reinen oder Wesensallgemeinheiten und, darauf gegründet, zu Urteilen, die nicht mehr aus der Thematisierung der Beziehung der Gegenstände zu ihrem empirischen Bekanntheitstpyus entspringen, sondern aus der Thematisierung der Beziehung auf ihr reines Wesen. Erst mit diesen Leistungen des allgemeinen Urteilens erreicht die logische Aktivität ihr Telos. Die Gegenstände werden nicht nur auf Grund prädikativer Formung als Einheiten der Identität konstituiert, sondern in eins damit begriffen und dadurch in einem ganz spezifischen Sinne erkannt. Erst das allgemeine Denken führt zu Feststellungen, die einen über die Si~uation hinaus verfügbaren, auch intersubjektiv verfügbaren, Besitz an Erkenntnissen schaffen. Und das ist ja das Ziel der Erkenntnistätigkeit (vgl. Einleitung, S. 64 ff.). Das prädikative Bestimmen und Aufeinanderbeziehen einzelner in der Erfahrung selbstgegebener Substrate ist ja als Urteilen über individuelle Diesheiten immer mehr oder weniger an die Situation der Erfahrung gebunden - was sich sprachlich zumeist auch in dem Gebrauch der Demonstrativa oder sonstiger Ausdrücke mit "okkasioneller" Bedeutung ankündigt. Erst das Erfassen in der Form der Allgemeinheit ermöglicht diejenige Loslösung vom Jetzt und Hier der Erfahrungssituation, die in dem Begriff der 0 b je k t i v i t ä t d~s Denkens beschlossen liegt. So haben wir es hier tatsächlich mit der höchsten Stufe logischer Aktivität zu tun. Aus dem Gesagten ergibt sich die Ordnung unserer Betrachtungen. Von den niedersten, konstitutiv einfachsten Allgemeinheiten werden wir aufsteigen bis zu den höchsten, alle diese Formen in der Ursprünglichkeit ihrer Erzeugung aufsuchend. Das konstitutiv Ursprünglichste ist aber nicht das Nächstliegende und

I. Die empirischen Allgemeinheiten · § 81

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zunächst sich Darbietende, wie es jene empirisch-präsumptiven Typen sind. Genetisch gehen ihnen voran noch einfacher gebaute Allgemeinheiten (1. Kap.). Von ihnen müssen wir schrittweise vordringen bis zu den höchsten, den reinen Allgemeinheiten, deren Konstitution unabhängig ist von der Vorkonstitution solcher empirischen Typen und auf frei erzeugender Bildung beruht (II. Kap.). Sind wir so dem Stufenbau der Allgemeingegenständlichkeiten nachgegangen, dann kann erst als weitere, höchste spontane Leistung die Konstitution der Formen des Oberhaupt-Urteilens untersucht werden (III. Kap.), für die ja die Konstitution. der Allgemeingegenständlichkeiten die Voraussetzung bildet. I. Kapitel DIE KONSTITUTION DER EMPIRISCHEN ALLGEMEINHEITEN

§ 8x.

Die

ursprüngliche Konstitution des Allgemeinen. a) Die ~ssoziative Synthesis des Gleichen mit dem Gleichen als Grund der Abhebung des Allgemeinen.

Daß alle Gegenstände der Erfahrung von vornherein als typisch bekannte erfahren werden, hat seinen Grund in der Sedimentierung aller Apperzeptionen und ihrer habituellen Fortwirkung auf Grund assoziativer W eckung. Assoziation stellt ursprünglich passiv die Synthesis des Gleichen mit dem Gleichen her, und das nicht nur innerhalb eines Feldes der Präsenz, sondern auch durch den ganzen Erlebnisstrom und seine immanente Zeit und alles in ihr je Konstituierte hindurch. 1 ) Es konstituieren sich so Synthesen des Gleichen mit dem Gleichen, das assoziativ geweckt und dann in die Einheit einer vergegenwärtigenden Anschauung zusammen1)

V gl. dazu und zum folgenden §

I 6,

S. 74 ff.

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

gebracht werden kann. Wollen wir das Allgemeine in seiner ursprünglichsten Erzeugung aufsuchen, so dürfen wir zunächst nicht solche Synthesen der Gleichheit heranziehen, wie sie zu den empirischen Typen führen, weil hier das durch Assoziation Zusammengebrachte nicht Selbstgegebenes zu sein braucht. Assoziative Gleichheitsbeziehungen bestehen ja auch zwischen dem in einer gegenwärtigen Wahrnehmung Selbstgegebenen und mehr oder minder dunkel Erinnertem, und sie begründen die typischen Bekanntheitscharaktere, durch die die empirischen Typen vorkonstituiert sind. Davon müssen wir also zunächst absehen und uns auf das in der Einheit einer Präsenz in einer Wahrnehmung Selbstgegebene beschränken, um zu verfolgen, wie s~ch auf seinem Grunde ursprünglich in Selbstgegebenheit Allgemeinheiten konstituieren. Greifen wir zurück auf das Ergebnis unserer Analyse der assoziativen Einheitsbildung. Jeder Gegenstand affiziert aus einer Mehrheit von im Felde befindlichen Mitgegebenheiten, und es kann auch die Mehrheit als solche, als eine Vielheit von gesonderten Gegenständen, doch affektiv einheitlich wirken. Sie ist nicht ein bloßes Zusammen von Gesondertem, sondern schon in der Passi-rität ihrer Vorkonstitution umfaßt sie wesensmäßig ein Band innerer Affinität, sofern die einzelnen ihr zugehörigen Gegenstände gemeinsame Eigenheiten haben, auf Grund deren sie dann, in der Einheit eines thematischen Interesses auftretend, zusammengenommen werden können. Im kolligierenden Durchlaufen der Einzelglieder tritt nach ihrem Gemeinsamen Ahnlichkeitsdeckung, nach dem Differenten Unterscheidung ein. Die Gemeinsamkeiten haben je nach der "Größe" der Ahnlichkeit um so gr~ßere wechselseitige W eckungskraft, und es heben sich an einem dadurch besonders verbundenen Paar z. B. die gleichen oder relativ sehr ähnlichen Färbungen ab, an einem anderen die Gestalten usw.

I. Die empirischen Allgemeinheiten · § 81

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Jedes der Glieder deckt sich im Obergang mit seinem Partner darin, daß es identisches Substrat ist und Substrat der Ahnlichkeits- und Gleichheitsmomente. Im Moment der Deckung verschmilzt gleichsam das Ahnliehe mit dem Ahnlichen nach Maßgabe der Ahnlichkeit, während doch das Bewußtsein einer Zweiheit der sich in der Verschmelzung Einigenden fortbesteht. Diese Khnlichkeiten haben ihre Grade, die Ahnlichkeitsabstände heißen, oder "Unterschiede" in einem bestimmten Sinn. Im Falle der völligen Gleichheit ist die Verschmelzung bewußtseinsmäßig eine vollkommene, das heißt eine abstands- und unterschiedslose. All das sind Vorgänge rein innerhalb der Passivität. Die Verschmelzung und Gleichheitsdeckung erfolgt ganz abgesehen davon, ob die zur Deckung kommenden Einzelglieder wirklich spontan kollektiv durchlaufen werden, oder ob es bei der passiven Vorkonstitution der Mehrheit bleibt. Auf dem Grunde solcher Gleichheitssynthesen kann sich, wie schon früher gezeigt, die Sachverhaltsform des Relationsurteils konstituieren. Im Obergang von einem wahrgenommenen Tintenfleck zu einem anderen vollzieht sich eine Deckung in der Form der Gleichheitssynthesis, und in der gesonderten Festhaltung und synthetischen Zusammenfassung erwächst der Sachverhalt A ist gleich B. Aber auch noch in andere Richtung kann das Urteilen gehen; indem auf dem Grunde der assoziativen Weckung von Gleichem durch Gleiches ein Gegenstand nicht mehr bloß für sich affiziert, sondern in Gemein· schaft mit seinen Verwandten, kann jedes Urteil, das dem Gegenstand für sich gilt, in Verbindung treten mit Urteilen, die verwandten Gegenständen gelten. Anders ausgedrückt: es kann in der Einheit der durch Verwandtschaft gestifteten Mehrheit Einzelurteil mit Einzelurteil in Gemeinschaft treten, wodurch neue Urteils-

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

weisen, über die Einzelheiten hinausgreifend, erwachsen. Das wird verständlich im Hinblick auf die Eigenart der Synthesis des Gleichen mit dem Gleichen. Ihr Eigentümliches besteht darin, daß sie einer Identitätssynthesis zwar sehr ähnlich sieht, aber doch keine solche ist. Sie ist ihr so ähnlich, daß wir im Obergang von Gleichem zu Gleichem oft geradezu sagen: das ist ja dasselbe. Die Gleichen sind aber zwei gesonderte Gegenstände und nicht ein und derselbe. Und doch liegt in jeder solchen Zweiheit und in jeder beliebigen Mannigfaltigkeit Gleicher wirklich eine Einheit und Selbigkeit im strengsten Sinne. Sie tritt ursprünglich in der Synthesis der Gleichheitsdeckung hervor, bezw. sie ist durch diese ursprünglich als Gegenstand vorkonstituiert. Darauf gründet sich dann ,eine neuartige Weise des U rteilens. b) Das Allgemeine konstituiert in erzeugender Spontaneität. Individualurteil und generelles Urteil. Zunächst nehmen wir an, das thematisch bestimmende Interesse konzentriere und besondere sich auf S und tue das, ohne daß das allgemeine Interesse für das Mitverbundene verloren sei. Die Affektion, die ja Trieb zur Entzündung eines fortschreitenden und synthetisch umspannenden Interesses und durchgehender aktiver Vereinheitlichung ist, bleibt beständig wirksam. In der Einschränkung auf S wird also zunächst das abgehobene eigenschaftliehe Moment p erfaßt in der Form S ist p. Das Interesse wandere nun hinüber zu dem mitaffizierenden S' - mitaffizierend auf Grund eines völlig gleichen Momentes p als seines individuellen Momentes. Es werde dieses S' in gleicher Weise prädikativ bestimmt durch sein Moment p, wie zuvor das S. Die passive Synthesis der Deckung zwischen dem S und dem S', die der Grund der gemeinsamen Affektion war, kann

I. Die empirischen Allgemeinheiten · § 81

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nun aktiv erfaßt werden, wir sagen S und S' ist dasselbe - ist p: obwohl doch S sein Moment p hatte und S' wiederum sein Moment p. Wie die Substrate, so sind ihre Eigenheiten gesondert; aber im thematischen Übergang decken sie sich, und es wird aktiv identifiziert. Das heißt aber nicht, daß etwa die beiderseitigen eigenschaftliehen Momente oder gar das S und das S' als identische bewußt wären, obschon wir sagen, S und S' ist dasselbe. Von einer tot a 1e n Identifikation ist dabei selbstverständlich keine Rede; andererseits kommt aber auch nicht eine partiale Identifikation von der Art in Frage, die wir explikative Deckung nannten, und der wir das eigenschaftliehe Moment als Bestimmung verdankten. Klar ist jedenfalls, daß im Übergang von gleichem zu gleichem Moment mit der Deckung eine Einheit hervortritt, eine Einheit in der gesonderten und verknüpften Zweiheit, und daß sie wieder und wieder als total identisch dieselbe hervortritt, wenn wir zu einem neuen Glied S", dann wieder zu S"' übergehen, in denen wir ein gleiches und wieder gleiches Moment p haben. Die Einheit tritt zunächst hervor auf Grund passiver Gleichheitsdeckung der individuellen Momente, und sie kann dann für sich erfaßt werden in einem Zurückkommen. Wir müssen also unterscheiden die erste Reihe von Urteilen, in denen von jedem Substrat sein individuelles Moment prädiziert wird: S' ist p', S" ist p", und demgegenüber die Ur t e i 1e, in d enen das überall gleiche p prädiziert wird als das A 11 gemeine, identisch Eine in ihnen allen, das in p' und in p" usw. hervortritt. Das heißt, die Einheit konstituiert sich vor in der passiven Gleichheitsdeckung der p', p" usw. als die Einheit der Spezies p; daraufhin ist ein Urteilen neuer Richtung möglich, in dem wir, zurückkehrend zu S', im Neuvollzug der Identifikation dieses nicht mehr durch p' als sein individuelles

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

Moment bestimmen, sondern durch das p als identisch dasselbe inS, S' usw. Es ergeben sich die Urteile S' ist p, S" ist p usw., wobei p nicht mehr einen individuellen prädikativen Kern andeutet, sondern einen generellen, nämlich das Allgemeine zunächst als ein Gemeinsames zweier oder mehrerer nacheinander erfaßter S. Statt durch das flüchtige und wechselnde Moment wird dieses also bestimmt durch ein ideal ab so1u t Identisches, das durch alle vereinzelten Gegenstände und ihre in der Weise der Wiederholung oder Verähnlichung sich vervielfältigenden Momente als ideale Einheit hindurchgeht. Wie sich noch zeigen wird, ist es eine Einheit, die an der Wirklichkeit der Momente gar nicht interessiert ist, mit ihnen nicht entsteht und vergeht, in ihnen sich vereinzelt und doch nicht als Teil in ihnen ist. Zunächst achten wir darauf, daß sich hier verschiedene Urteilsformen voneinander scheiden, bezw. daß sich eine neue Urteilsform konstituiert hat, verschieden von den bisher betrachteten. Das Urteil S ist p', in dem p' das individuelle Moment an dem individuellen Gegenstand S andeutet, ist ein ganz anderes als das Urteil S ist p, in dem p das Allgemeine, das Eidos andeutet, und ebenso das Urteil p' ist p (das individuelle Moment p' ist der Art p). Das eine Mal findet eine Identifizierung statt zwischen dem Substrat und seinem individuellen Moment, das andere Mal wird von dem Substrat ein Allgemeines prädiziert, es wird bestimmt als von der Art p, oder es wird das p' auf Grund der Deckung mit anderen gleichen Momenten p" usw. bestimmt als von der Art p. Einmal haben wir also ein Urteil, das individuelle Kerne in sich enthält und von ihnen Individuelles prädiziert; wir nennen es ein IndividualurteiL Das andere Mal treten neuartige Kerne auf, nämlich Allgemeinheiten, zumindest auf einer Seite: das Urteil ist ein generelles Urteil.

I. Die empirischen Allgemeinheiten · § 81

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Es ist eine neue Form von Urteilen, weil die Verschiedenheit der Kerne eine modifizierte Form von Identitäts s y n t h es i s gegenüber der schlichten explikativen Synthesis zur Folge hat, wie wir sie ursprünglich unserer Grundform des kategorischen Urteils S ist p zugrunde liegend dachten; es ist eine Synthesis, die natürlich nur auf dem Grunde einer solchen schlicht explikativen Synthesis, bezw. einer Mehrheit solcher Synthesen eintreten kann. Prinzipiell genetisch gesprochen kann natürlich ein solcher genereller Kern, ein ev en{ noki.iiiv als die Einheit eines Allgemeinen a priori für das Ich erst bewußt und für mögliche thematische Erfassung bereit sein nach aktivem Vollzug der Sondererfassung gleicher Gegenstände in synthetischem Übergang. Es muß aber kein beziehendes Urteilen der Vergleichung vorangegangen sein, etwa der Form pS (das Moment p an dem S) ist gleich pS', vielmehr erfordert dies eine andere Einstellung. Die Interessenrichtung auf das Allgemeine, auf die Einheit gegenüber der Mannigfaltigkeit geht nicht darauf, das eine Gleiche in bezug auf das andere als ihm gleich zu bestimmen. Es wird also nicht die passiv sich einstellende Deckungssynthesis der Gleichen aktiviert in Form einer "lst"-Prädikation, sondern was das Interesse weckt, ist das in der Deckung der einzeln erfaßten Gleichen sich passiv vorkonstituierende, sich auf Grund der Deckung abhebende Eine, Identische, das eins ist und immer wieder dasselbe, in welcher Richtung wir auch fortgehen; dieses wird aktiv e rf aßt. Es vollzieht sich dabei offenbar auch nicht so etwas wie eine Ex p l i k a t i o n der gleichen Gegenstände. Das Eine, das hier zutage tritt, liegt nicht in ihnen als ihr Teil, als Partial-Identisches, sonst wäre es ja nur ein überall Gleiches, und die Gleichen stünden im Verhältnis der Oberkreuzung.

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

Das Eine wiederholt sich also nicht im Gleichen, es ist nur einmal, aber im Vielen gegeben. Es tritt uns entgegen als eine neuartige Gegenständlichkeit, eine Verstandesgegenständlichkeit, aus ur s p r ü n g1i c h e n Q u e 11 e n d e r A k t i v i t ä t e n t s p r i n g e n d, obschon selbstverständlich auf dem Untergrunde der Sinnlichkeit; denn es ist Aktivität des Durchlaufens, Einzelerfassens, Zur-Deckung-bringens notwendig, damit das Allgemeine überhaupt vorkonstituiert und dann weiter zum thematischen Gegenstand werden kann. Seine ursprüngliche Erfassung hat ein andersartiges Interessenfeld, das das Interesse durchlaufen muß, wie im Falle eines Gegenstandes schlichter Rezeptivität, eines individuellen: der Blickstrahl des Aufmerkens muß durch die schon konstituierten individuellen Geg_enstände hindurchgehen, und indem er am Bande der Gleichheit fortläuft und die Deckung vollzieht, wird das Eine, das sich konstituiert, thematisch als etwas an den individuellen Gegenständen, und doch nicht als ihr Teil; denn die Verglichenen können auch völlig getrennt sein. c) Teilhabe an der Identität des Allgemeinen und bloße Gleichheit. Diese Art des Sichgebens an den Einzelheiten deutet auf ein ganz eigenartiges Identitätsverhältn i s, verschieden von allen anderen solchen Verhältnissen. Wird das an A und B in gleicher Weise sich abhebende Allgemeine a gegenständlich erfaßt, so gibt es sich als an dem A, an dem B, und es können in entsprechenden Übergängen neuartige Sachverhalte erwachsen: A ist Einzelnes des Allgemeinen, es hat Methexis am Allgemeinen, ist begriffen durch a. Machen wir das a zum Subjekt, so heißt es: das a, das Prädikat kommt dem Einzelnen, dem A, dem B zu, der Begriff

I. Die empirischen Allgemeinheiten · § 81

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wohnt ihm bei (Jtowmvt'l). Drücken wir den ersteren Sachverhalt in der natürlichen Rede aus, so sagen wir etwa, dies ist rot, jenes ist auch rot. Dabei ist zu beachten, daß die adjektivische Form wesentlich zur Sachverhaltsform gehört und nicht zufällig-grammatisch ist.') Wie sich auf Grund dieser Verhältnisse die Formen des Oberhaupt-Urteilens ergeben, davon wird noch zu sprechen sein. Das Verhältnis der Teilhabe ist nicht mit dem bloßer Gleichheit zu verwechseln. Man darf nicht meinen, die Identität des Allgemeinen sei nur eine übertreibende Rede. Durch Oberschiebung hebe sich das da und dort Gleiche von ciem Differierenden ab. Aber so wie in der Mannigfaltigkeit, der Mehrheit, die konkreten einzelnen Gegenstände gesondert sind, woran die im aktiven Vollzug des Kolligierens sich einstellende überschiebende Deckung nichts ändert, so seien auch die dabei merklich werdenden Gleichheitsmomente und ebenso die differierenden gesondert; jeder Gegenstand habe sein ihm einwohnendes Moment, etwa der Röte, und die vielen Gegenstände, die alle rot sind, hätten jeder sein individuelles eigenes Moment, aber in Gleichheit. Demgegenüber ist zu betonen, daß Gleichheit n u r e i n K o r r e l a t d e r I d e n t i t ä t e i n e s A ll g em einen ist, das in Wahrheit als Eines und Selbiges und als "Gegenwurf" des Individuellen herausgeschaut werden kann. Dieses Identische "vereinzelt" sich zunächst an Zweien und dann, wie wir bald sehen werden, auch an beliebig Mehreren. Alle diese Vereinzelungen haben durch Beziehung auf das Identische eine Beziehung zueinander und heißen nun gleich. In übertragener Rede heißen dann die konkreten Gegenstände, die solche Vereinzelungen in sich haben, "hinsichtlich 1)

Zum Begriff der Adjektivität vgl. oben S. 248 f.

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

des Rot" gleich, und können im uneigentlichen Sinne selbst als Vereinzelungen des Allgemeinen angesehen werden.

§ 82. Die empirischen Allgemeinheiten und

ihr Umfang. Die Idealität des Begriffs. Das Allgemeine dachten wir uns zunächst gegeben durch das Aneinanderhalten zweier Substrate. Und in der Tat konstituiert sich hier schon ein Allgemeines, allerdings ein solches niederster Stufe, eben als das zwei Gegenständen Gemeinsame. Die Vergleichung kann aber weitergehen, zunächst von A zu B, dann von B zu C, zu D usw., und mit jedem neuen Schritt gewinnt das Allgemeine einen größeren Umfang. Wie schon gezeigt, können sich auf Grund dieser Gleit:hheitsdeckung nicht nur die Einzelurteile ergeben: A ist rot, B ist rot, C ist rot usw., sondern es ergeben sich auch neue Sachverhaltsformen als Plural: A und B sind rot, A und B und C sind rot, wobei "rot" die Spezies andeutet. In der Umkehrung lauten die Urteile: das Rot (jetzt als Hauptsubstrat, als Subjekt in neuer syntaktischer Form) kommt den A, B, C .... zu. Es ist dann in der ersteren Form ein vielfältiges Subjekt, ein Plural; von jedem Glied geht ein synthetischer Strahl aus auf das nur einmal gesetzte allgemeine Prädikat. Umgekehrt: das eine Allgemeine als Subjekt entläßt aus sich einen mehrfähigen Strahl der Prädikation. Jeder einzelne Strahl terminiert in einem Glied der Kollektion A und B usw. In diesen Fällen betrifft die V ergleichung, die zu einem Allgemeinen führt, individuell bestimmte Gegenstände, die in einer endlich abgeschlossenen Erfahrung in individueller Bestimmtheit auftreten. Das Allgemeine erscheint dann, obschon ihnen gegenüber als ein Irreales, doch an sie verhaftet, als an ihnen Abgehobenes,

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als ihnen einwohnender Begriff. Indessen sowie die Erfahrung sich erweitert und zu neuen gleichen Gegenständen führt, während die alten entweder noch im Griff sind oder durch Assoziation zur wiedererinnernden W eckung kommen, findet alsbald eine Fortsetzung der Gleicheitssynthesis statt; es werden die neuen Gleichen alsbald als Vereinzelungen desselben Allgemeinen erkannt. Das kann in infinitum fortgehen. Sowie ein offener Horizont gleicher Gegenstände als Horizont präsumptiv wirklicher oder real möglicher Gegenstände bewußt wird, und sowie er als offene U nendlichkeit anschaulich wird, gibt er sich sofort als U nendlichkei t von Vereinzel ungen desselben Allgemeinen. Die individuell gebunden erfaßten Allgemeinheiten bekommen nun einen unendlichen Umfang und verlieren ihre Bindung an gerade die Individuen, von denen sie zuerst abstrahiert waren. Zudem ist zu bemerken, daß es gar nicht der synthetischen Anknüpfung an eine ursprüngliche Allgemeinheitsbildung bedarf, um ein Einzelnes als Einzelnes eines Allgemeinen zu erfassen. War vorher in ursprünglicher Vergleichung der Begriff, z. B. Blume, hervorgetreten, so wird eine neu auftretende Blume auf Grund der assoziativen W eckung des einmal gestifteten Typus "Blume" als solche wiedererkannt, ohne daß anschauliche Wiedererinnerung an die früheren Fälle der Vergleichung notwendig wäre. Wirkliche Selbstgegebenheit des Allgemeinen fordert dann aber das Hinausgehen über das Einzelne in Gleichheiten, eventuell mit offenen Horizonten möglicher Fo.-tführung. Ob die früheren Fälle dabei individuell repräsentiert werden, darauf kommt es nicht an. So wird es evident, daß das Allgemeine an keine einzelne Wirklichkeit g e b u n den ist. Wir können nun auch über die Erfahrung und die Vergleichung der in der Erfahrung wirklich gegebenen Gegenstände hinaus und in die freie Phantasie über-

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

gehen. Wir fingieren uns gleiche Einzelheiten - gleich mit den zunächst wirklich erfahrenen Wirklichkeiten und zwar alsbald auch beliebig viele, nämlich immer neue, voneinander individuell verschiedene, als gleiche Einzelheiten und als solche, die wir, wenn die Erfahrung weiterliefe, möglicherweise in ihr wirklich gegeben haben könnten. Zu jedem Begriff gehört so ein u n endlicher Umfang von rein möglichen Einzelheiten, von rein möglichen Begriffsgegenständen. Fingiere ich mir Dinge, so erfasse ich an ihnen als reinen Möglichkeiten den Begriff des Dinges. Denselben Begriff kann ich finden an wirklichen Dingen, genauer gesprochen, an vermeinten Dingen, die ich auf Grund wirklicher Erfahrung als Wirklichkeiten setze. Diese geben sich im Obergang von Phantasie in wirkliche Erfahrung als verwirklichende Vereinzelungen desselben Allgemeinen, das in der Phantasie in den erschauten Möglichkeiten nicht aktuell, sondern nur quasi-verwirklicht ist. Die Möglichkeit der Bildung von Allgemeingegenständlichkeiten, von "Begriffen" reicht demnach soweit, als es assoziative Gleichheitssynthesen gibt. Darauf beruht die Universalität der Leistung der Begriffsbildung; alles was irgendwie gegenständlich konstituiert ist in Wirklichkeit oder Möglichkeit, als Gegenstand wirklicher Erfahrung ode:- als Phantasiegegenstand, kann als Terminus in Vergleichungsrelationen auftreten und durch die Aktivität des eidetischen Identifizierens und des Unter. stellens unter das Allgemeine begriffen werden. Der Begriff in seiner Idealität ist zu fassen als ein Gegenständliches, das ein rein i d e a I es Sein hat, ein Sein, das keine wirkliche Existenz entsprechender Einzelheiten voraussetzt; es ist, was es ist, auch wenn entsprechende Einzelheiten nur als reine Möglichkeiten wären, es kann aber andererseits im Rahmen der erfah-

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renen Wirklichkeit auch verwirklichter Begriff wirklicher Einzelheiten sein. Und gibt es wirkliche Einzelheiten, so können für die wirklichen ebensogut andere mit ihnen gleiche genommen werden. Korrelativ sind das reine Sein des Allgemeinen und das Sein von reinen Möglichkeiten, die an ihm Anteil haben, und die konstruierbar sein müssen als Unterlagen und als ein ideell unendlicher Umfang von Unterlagen der reinen Abstraktion für das Allgemeine. Natürlich können Begriffe als reine Begriffe von vornherein außer a 11 er Be z i eh u n g zu a k tu e 11 e r Wirklichkeit entspringen, nämlich durch Vergleichung von reinen Phantasiemöglichkeiten. Dabei ist es klar, daß jede so gewonnene wirkliche Gleichheit der als seiend gegebenen Möglichkeiten (seiend nicht im Sinne der Erfahrungswirklichkeit, sondern eben a I s Möglichkeit) intentional in sich schließt eine mögliche Gleichheit der möglichen Wirklichkeiten und ein mögliches Allgemeines, an dem sie möglichen Anteil haben. Andererseits lassen sich Begriffe, wenn sie ursprünglich auf Grund der Erfahrung als wirkliche Allgemeinheiten gebildet waren, jederzeit als reine Begriffe fassen. Die Idealität des Allgemeinen darf trotz aller platonisierenden Wendungen, mit denen wir ihr Verhältnis zum Einzelnen beschrieben haben, nicht so verstanden werden, als ob es sich dabei um ein zu allem Subjektiven bezugsloses An-sich-sein handelte. Vielmehr verweist es wie a II e Verstandesgegenständlichkeiten wesensmäßig auf ihm korrelativ zugehörige Prozesse erzeugend c r Spontaneität, in denen es zu ursprünglicher Gegebenheit kommt. Das Sein des Allgemeinen in seinen verschiedenen Stufen ist wesensmäßig K o ns t i tu i e rt -sein in jenen Prozessen. Gemäß unserem Ausgang von der Erfahrung und der auf ihrem Grunde statthabenden Vergleichung und Begriffsbildung konnten wir es bis jetzt noch nicht mit

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

reinen Allgemeinheiten zu tun haben. Was wir beschrieben haben, ist die Gewinnung e m p irischer Allgcmeinheiten. Alle Begriffe des natürlichen Lebens führen, unbeschadet ihrer Idealität, die Mitsetzung einer empirischen Sphäre mit sich, in der sie die Stätte ihrer möglichen Verwirklichung in Einzelheiten haben. Sprechen wir von Tieren, von Pflanzen, von Städten, Häusern usw., so meinen wir damit von vornherein Dinge der Welt, und zwar der Welt unserer wirklichen, faktischen Erfahrung (nicht einer bloß möglichen Welt); dementsprechend meinen wir jene Begriffe als wirkliche Allgemeinheiten, das heißt als an diese Welt gebundene. Der Umfang eines jeden solchen Begriffs ist zwar ein unendlicher, aber es ist ein wirklicher Umfang, ein Umfang von wirklichen und real möglichen Dingen in der gegebenen Welt. Diese realen Möglichkeiten, die zum Umfang der empirischen Begriffe gehören, sind nicht zu verwechseln mit den reinen Möglichkeiten, auf die sich die reinen Allgemeinheiten beziehen. Darüber später mehr.

§ 83. Die empirisch-typische Allgemeinheit und ihre passive Vor k o n s t i tut i o n.

a) Die Gewinnung der empirischen Begriffe aus der Typik der natürlichen Erfahrungsapperzeption. Zuvor sind noch wichtige Unterscheidungen im Bereich der empirischen Allgemeinheiten zu machen; vor allem ist der Weg noch genauer ins Auge zu fassen, der von den passiv vorkonstituierten Typisierungen zu den empirischen Begriffen führt, und zwar zu empirischen Begriffen nicht nur im Sinne von Begriffen des Alltags, sondern auf höherer Stufe zu den Begriffen der empirischen Wissenschaften. Greifen wir auf schon früher Gesagtes zurück. Die faktische Welt der Erfahrung ist typisiert erfahren. Die

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Dinge sind erfahren als Baum, Strauch, Tier, Schlange, Vogel; im besonderen als Tanne, als Linde, als Holunderstrauch, als Hund, als Natter, als Schwalbe, als Spatz usw. Der Tisch ist charakterisiert als Wiedererkanntes und doch Neues. Das als individuell Neues Erfahrene ist zunächst nach dem eigentlich Wahrgenommenen bekannt; es erinnert an Gleiches (bezw. Ahnliches). Das typisch Erfaßte hat aber auch einen Horizont möglicher Erfahrung mit entsprechenden Bekanntheitsvorzeichnungen, also eine Typik der noch unerfahrenen, aber erwarteten Merkmale: sehen wir einen Hund, so sehen wir sofort sein weiteres Gehaben voraus, seine typische Art zu fressen, zu spielen, zu laufen, zu springen usw. Wir sehen jetzt nicht sein Gebig, aber obschon wir diesen Hund noch nie gesehen hatten, wissen wir im voraus, wie sein Gebiß aussehen wird - nicht individuell bestimmt, sondern eben typisch, sofern wir an "dergleichen" Tieren, "Hunden", schon längst und oft erfahren haben, daß sie dergleichen wie ein "Gebig", und ein typisch derartiges haben. Zunächst wird, was von einem wahrgenommenen Gegenstand in weitergehender Erfahrung erfahren ist, ohne weiteres "apperzeptiv" auf jeden mit ähnlichen Beständen eigentlicher Wahrnehmung wahrgenommenen Gegenstand übertragen. Wir sehen es voraus, und wirkliche Erfahrung kann es bestätigen, oder auch nicht. In der Bestätigung erweitert sich der Gehalt eines Typus, es sondert sich aber auch der Typus in Sondertypen; andererseits hat doch jedes konkret Reale seine individuellen Merkmale, nur daß sie zugleich ihre Typenform haben. Jedes typisch aufgefaßte Ding kann uns auf den allgemeinen Begriff des Typus, in dem wir es auffassen, leiten. Andererseits müssen wir nicht in dieser Weise auf das Allgemeine gerichtet sein, wir müssen, ungeachtet der eventuellen Verwendung des Namens "Hund" mit seiner allgemeinen Bedeutung (vgl. oben,

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S. 382 f.), den typisch aufgefaßten Hund nicht als Einzelnes des Allgemeinen "Hund" thematisch erfassen, sondern können auch auf ihn als den individuellen gerichtet sein; dann bleibt die passiv vorkonstituierte Beziehung auf seinen Typus, in dem er von vornherein aufgefaßt ist, unthematisch. Aber jederzeit können wir auf ihrem Grunde einen Allgemeinbegriff "Hund" bilden, uns andere Hunde, bekannte unserer Erfahrung, vorstellen; wir können auch in einer willkürlichen Phantasiebildung uns andere Hunde in offener Vielheit vorstellen und daraus das Allgemeine "Hund" erschauen. Sind wir einmal auf Erfassung des Allgemeinen eingestellt, so liefert uns, gemäß der in § 8 1 erörterten Synthesis, jeder Teil, jedes einzelne Moment an einem Gegenstand ein begrifflich allgemein zu Fassendes; jede Analyse wird dann mit allgemeiner Prädikation Hand in Hand gehe'n. So wird auch der einheitlich allgemeine Typus, das auf Grund der assoziativ geweckten Gleichheitsbeziehung eines Gegenstandes mit anderen Gegenständen ersterfaßte Allgemeine, ein Allgemeines, ein Begriff sein, der viele Sonderbegriffe in sich schließt. Sind aber die Gegenstände reale Gegenstände, so erschöpft ein sich abhebender sinnlicher Typus nicht alles Gleiche, das wir bei fortgehender Erfahrung und somit Herausstellung des wahren Seins dieser Gegenstände als Gleiches finden können. Je mehr sich die Gegenstände zeigen, wie sie sind, je mehr von ihnen in die Anschauung tritt, um so mehr Möglichkeiten eröffnen sich, Gleichheiten zu finden. Es zeigt sich dann aber auch, daß regelmäßig mit schon erfaßten Bestimmungen weitere Bestimmungen verbunden zu sein pflegen, oder was dasselbe, daß sie erfahrungsmäßig als mitvorhanden zu erwarten sind. Zum Typus "Hund" z. B. gehört ein Bestand an typischen Merkmalen mit einem offenen Horizont der Antizipation weiterer solcher Merkmale. Das sagt: dem

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"Allgemeinen" nach ist ein Hund wie jeder andere, und zwar so, daß das Allgemeine, das durch die bisherigen, eventuell nur flüchtigen und ganz unvollständigen Erfahrungen von Hunden als charakteristisch vorgezeichnet und schon in seiner Typik bekannt ist, einen unbestimmten Horizont noch unbekannter typischer Merkmale mit sich führt. Würden wir in der Erfahrung weitergehen, zunächst zu diesem oder jenem individuellen Hund, so würden wir schließlich Neues und wieder Neues finden, das nicht bloß diesen Hunden zukommt, sondern Hunden überhaupt, bestimmt durch die bisher uns zugeeigneten Typenmerkmale. So erwächst, über den wirk 1ich e n und durch wirkliche Erfahr,mg gewonnenen jeweiligen Begriff hinausgehend, eine präsumptive Idee, die Idee eines Allgemeinen, zu welchem neben den schon gewonnenen Merkmalen noch ein unbestimmt offener Horizont unbekannter Merkmale (begrifflicher Bestimmungen) gehört; und zwar im Sinne der beständigen Präsumption, der beständigen empirischen Gewißheit, daß das, was sich durch die bekannten Merkmale als Hund legitimiert, auch die neuen, durch induktive Empirie an gegebenen und näher untersuchten Hunden regelmäßig vorgefundenen Merkmale haben werde, und so immerfort. So wandeln sich die empirischen Begriffe durch fortgesetzte Aufnahme neuer Merkmale, aber gemäß einer e m p ir i s c h e n I d e e, der I d e e e i n e s o ff e n e n u n d immerfort zu herich ti genden Begriffs, der zugleich die Regel des empirischen Glaubens in sich enthält und auf fortgehende wirkliche Erfahrung angelegt ist.

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b) Wesentliche und außerwesentliche Typen. Wissen~ schaftliehe Erfahrung führt zur Herausstellung der wesentlichen Typen. Freilich gibt es unter den bereits passiv vorkon~ stituierten und dann thematisch erfaßten typischen All~ gemeinheiten der Erfahrung solche, z. B. Gras, Strauch u. dgl., bei denen sich an die zunächst bestimmenden Merkmale kein solcher offen endloser typischer Hori~ zont anknüpft. Das heißt, gemäß der Erfahrung wird die eventuelle Voraussetzung, daß da immer neues Typisches kennen zu lernen sei, enttäuscht. Die unmit~ telbare Erfahrung sondert und unterscheidet die Dinge häufig rein nach irgendwelchen augenfälligen Unterschieden, die eine tatsächlich bestehende innere Zusammengehörigkeit verdecken können; wie z. B. die Zugehörigkeit des "Walfisch" genannten Tieres zur Klasse der Säugetiere durch die äußere Analogie, die es in seiner Lebensweise mit den Fischen hat, verdeckt wird, was sich schon in der sprachlichen Bezeichnung ankündigt. Wir sprechen in solchen Fällen von außerwesen tlichen Typen. In der umfassenden Erfah~ rung der konkreten Natur ordnen sich die Individuen immer mehr unter wesentliche Typen, in verschiedenen Stufen der Allgemeinheit. Darauf bezieht sich die wissenschaftliche, empirisch-naturhistorische Forschung. Notwendig liegt hier zugrunde die vorwissenschaftliche und vielfach außerwesentliche Typik der na türliehen Erf ahrungsapperzeption. Die wissenschaftlichen Speziesbegriffe suchen durch systematische und methodische Erfahrung die wesentlichen Typen zu bestimmen. Die wissenschaftlichen Begriffe können nur eine endliche Anzahl bestimmter Merkmale enthalten., aber sie führen auch mit einer wissenschaftlich außerordentlichen Wahrscheinlichkeit einen offen endlosen Horizont von durch diesen Be-

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griffsgehalt mitbestimmten, obschon zunächst unbekannten Typenmerkmalen mit sich, der in weiterer Forschung gesucht und umschrieben werden kann. Das Typische betrifft dabei auch die Kausalität: die Kausalität des "Lebens" der Tiere oder Pflanzen der betreffenden Typen (Spezies) unter Lebensumständen, die Art ihrer "Entwicklung", Fortpflanzung etc., worauf hier nicht näher eingegangen zu werden braucht.

§ 84. Stufen der Allgemeinheit. a) Die konkrete Allgemeinheit als Allgemeines der Wiederholung völlig gleicher Individuen. Selbständige und abstrakte, substantivische und adjektivische Allgemeinheiten. Die typischen Allgemeinheiten, unter die das Erfahrene geordnet wird, sind von verschiedener Stufe. Z. B. wenn wir die Typen "Tanne" und "Nadelbaum", zu denen wir im Verlauf der Erfahrung gelangen, nebeneinander stellen, hat der letztere einen größeren "Umfang", ist also eine höhere Allgemeinheit. Die Stufen der Allgemeinheit sind bedingt durch die Grade der Gleichheit der Glieder des Umfangs. Gehen wir von der Erfahrung individueller Gegenstände aus, so ist das unterste Allgemeine, auf das wir genetisch am ursprünglichsten und ersten stoßen, dasjenige, welches durch bloße "Wiederholung" von selbständig erfahrbaren völlig gleichen Individuen entspringt. Wir nennen es Konkretum. Jeder individuelle Gegenstand läßt sich wiederholt denken, ein zweiter, völlig gleicher, ist ihm gegenüber denkbar. Jedes Individuum ist individuell Einzelnes seines Konkretum, es ist konkretes Individuum. Dieses All g e m c i n e d e r W i e d e r h o l u n g g l e i c h e r s e l b-

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ständiger 1 ) Gegenstände (das ist von Individuen) ist die niederste Allgemeinheit, als Allgemeinheit die seI b ständig s t e; das heißt, es ist eine solche, die nicht in anderen Allgemeinheiten fundiert ist, sie also nicht voraussetzt. So ist z. B. das Allgemeine "Helligkeit" fundiert in dem AUgemeinen "Farbe", das die Helligkeit in sich schließt; die Farbe wiederum ist nur denkbar als gestaltete Farbe, und diese, bezw. die gefärbte Gestalt (Raumgestalt), genauer das gestaltete Raumding selbst ist das volle Konkretum, d. h. das Allgemeine, das als Allgemeines voll selbständig ist. Wir sehen daraus, daß die niedersten konkreten Allgemeinheiten andere Allgemeinheiten fundieren, diejenigen ihrer abstrakten Momente, die natürlich auch wieder ein Allgemeines der Wiederholung ergeben, aber ein unselbständiges: die niedersten unselbständigen, abs t r a k t e n Spezies. Als Allgemeinheiten, die einen Umfang ursprünglich unselbständiger Einzelheiten haben, solcher, die zur ursprünglich adjektivischen Erfassung prädestiniert sind, sind sie selbst ursprünglich a dj ek ti v i sehe All ge m ei nhei te n. Ihnen stellen wir gegenüber die ursprünglich selbständigen Allgemeinheitenals substantivische Allgemeinheiten. b) Die höherstufigen Allgemeinheiten als Allgemeinheiten auf Grund bloßer l\.hnlichkeit. Ist die Gleichheit der Einzelglieder des Umfangs einer Allgemeinheit nicht mehr völlige Gleichheit, so ergeben sich Allgemeinheiten höherer Stufen. Völlige Gleichheit haben wir als Limes der Ahnlichkeit begriffen. Bei Obergang von Ahnliehern zu Ahnliehern stellt sich eine Deckung ein, die doch keine volle Deckung ist. 1 ) Ober Selbständigkeit vgl. oben §§ 29 f., S. 151 ff.; zu den Begriffen Konkretum, Abstraktum auch Ideen, S. 28 ff.

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Die überschobenen Ahnlichkeitsglieder haben einen Abs t an d. Verschiedene Ahnlichkeiten können verschiedenen Abstand haben, und die Abstände sind selbst wieder vergleichbar, haben selbst ihre Ähnlichkeiten . .Ahnlichkeit hat also eine Gradualität, und ihr Limes, die völlige Gleichheit, besagt Abstandslosigkeit in der Deckung, d. i. Deckung von bloß sich Wiederholendem. Sie ist die Grundlage für die unterste Stufe der Allgemeinheit. Was die bloße .Ahnlichkeit betrifft, in der die höheren Stufen der Allgemeinheit begründet sind, haben wir als ihre Hauptunterschiede die von tot a 1er Ahn I ichk e i t (Ahnlichkeit in bezug auf sämtliche einzelnen Momente der .Ahnlichen) und partialer .Ahnlichkeit (.Ahnlichkeit in bezug auf einzelne Momente, jede mit ihrem Limes der Gleichheit, während die anderen unähnlich sind) gefunden. 1 ) Je nachdem ergeben sich Allgemeinheiten verschiedener Stufen. Stufen der Allgemeinheit sind also bedingt sowohl durch die Größe der .Ah nl i eh ke i ts a bs t än de aller ähnlichen Momente, die sich an den Einzelgliedern des Umfangs der Allgemeinheit finden - bei totaler .Ahnlichkeit sind es sämtliche Momente- wie auch durch die Zahl der ähnlichen Momente, d. h. durch das Maß der Annäherung an die totale .Ahnlichkeit. Genauer gesprochen, ist die v ö 11 i g e GI e i c h h e i t d e r L i m e s der totalen .Ahnlichkeit, während bei bloß partialer .Ahnlichkeit (selbst wenn diese in bezug auf die einzelnen Momente den Limes der völligen Gleichheit erreicht) niemals in bezug auf das Ganze dieser Limes zu erreichen ist. Es bleibt immer bloß .Ahnliches. Gleichwohl birgt auch dann das Allgemeine der .Ahnlichkeit vermöge seiner Limesbeziehung Allgemeines der Gleichheit in sich, aber nur einer partialen, mittelbaren 1) Zum Begriff der Gleichheit als Limes der Ähnlichkeit vgl. oben s. n; ZU den Begriffen "totale" und "partiale Ähnlichkeit", sowie "Ähnlichkeitsabstand" §§ 44, 45• S. .125 ff.

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Gleichheit, der Gleichheit "in bezug auf diese und diese Momente". Es tritt also auch in der Ahnlichkeitsdeckung ein Gemeinsames zutage, bezw. es scheint als Gemeinsames ursprünglich hindurch. Es kommt zu vollendeter Gegebenheit im Prozeß des Übergangs von dem Allgemeinen der Wiederholung völlig gleicher Glieder zur nächsthöheren Spezies, dem Allgemeinen bloßer Ahnlichkeit, zunächst totaler Ahnlichkeit, und dann weiter dem Allgemeinen partialer Ahnlichkeit (Gleichheit), das nicht lauter völlig Gleiche, bezw. total Ahnliehe unter sich befaßt, sondern Gleiche (Ahnliche) in bezug auf die und die Momente. Das Allgemeine bloßer Ahnlichkeit ist ein höherstufiges, da seine Umfangsglieder, selbst wenn es auch nur durch Deckung zwei er Ahnlieber gebildet ist, immer schon als Allgemeine möglicher Wiederholung Gleicher gedacht werden können. Es ist also ein ArtA 11 gemeines, das schon zwei oder mehrere konkrete Allgemeinheiten unter sich hat; des weiteren kommen wir dann zu höheren Arten, Gattungen usw. Es sind unsel b s t än di g e All gern ei nhei ten, und das deshalb, weil sie aus der Vergleichung von Allgemeinen (zu unterst solchen der Wiederholung) entspringen. Allgemeinheiten lassen sich somit wie andere Gegenstände vergleichen, z. B. rot und blau; und es konstituiert sich in dieser synthetischen Aktivität eine Allgemeinheit höherer Stufe. Sie kommt in ihr zu ursprünglicher Selbstgegebenheit als eine Allgemeinheit, die unter sich als Einzelheiten Allgemeinheiten hat. So erwächst auf Grund gleicher Konkreta eine "konkrete" Art, aus konkreten Arten eine "konkrete" Gattung. Das soll natürlich nicht heißen, daß die "konkrete" Art usw. selbst ein Konkretum wäre. Wir nennen sie bloß "konkrete Art", um auf.ihren Ursprung aus Konkretis hinzuweisen, da es auch Arten gibt, die unter sich unselbständige Allgemeinheiten haben, Allgemeine der Wieder-

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holung abstrakter Momente, z. B. Arten von Gestalten usw. Im Gegensatz zu den konkreten höherstufigen Allgemeinheiten nennen wir diese abstrakt : abstrakte Gattungen und Arten. Es braucht kaum betont zu werden, daß die empirischen Typen, diese zunächst sich aufdrängende Art der Allgemeinheit, beruhend auf der passiven Vorkonstitution typischer Bekanntheiten, meistens Allgemeine sind, die einer höheren Stufe, der Art- oder Gattungsallgemeinheit angehören; denn das niederste Allgemeine aus bloßer Wiederholung völlig Gleicher ist ja ein Grenzfall.

§ 85. Sachhaltige und formale Allgemeinhei ten. Ein anderer wichtiger Unterschied ist der zwischen sachhaltigen und formalen Allgemeinheiten. Um ihn zu verstehen, müssen wir uns an unsere Unterscheidung der Gegenständlichkeiten in logisch-syntaktisch formlose und in syntaktisch geformte, in Verstandesgegenständlichkeiten, erinnern. Je nachdem, welcher Art die zwecks Erfassung des Allgemeinen verglichenen Gegenstände sind, ergeben sich zwei grundverschiedene Arten der Allgemeinheit: 1. Die Synthesis der Deckung der Gleichen kann offenbar Gegenstände verknüpfen als Gegenstände schlichter Erfahrung, also Gegenstände, die noch keine syntaktische Formung erfahren haben. Sie gewinnen eine syntaktische Form nur aus dieser Synthesis der Deckung und der zugehörigen Abstraktion. So erwachsen rein s achh al ti ge und dabei konkrete Begriffe, die freilich keine Namen haben. Denn die sich sprachlich ausprägenden Begriffe wie Baum, Haus usw. bergen schon darüber hinaus mannigfaltige durch Urteilstätigkeit gewonnene Prädikate in sich. Es ist aber

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doch von Wichtigkeit, den primitiven Grenzfall an den Anfang zu stellen. Es handelt sich dabei um konkrete Begriffe vor aller Explikation und syntaktischen Verknüpfung von Prädikaten. 2. Vergleichen wir dann aber syntaktische Gebilde, so treten bei ihnen neue Gleichheiten auf, und zwar: a) solche, die zu den aus der passiven Erfahrung durch Explikation ausgelösten Gehalten gehören, die also auf sachlicher Gemeinsamkeit1 ) beruhen. Sie ergeben s achhaltige Allgemein begriffe; b) Gleichheiten, die zu den aus spontaner Erzeugung entsprungenen syntaktischen Formen gehören, das heißt, die sich auf bloß formale Gemeinsamkeiten beziehen. Z. B. "Rot ist verschieden von Blau"; in dieser Aussage drücken sich neben den sachhaltigen Begriffen Rot und Blau in der Rede von Verschiedenheit und in der ganzen Form des Satzes, Subjektform, Prädikatform, Objektform auch reine Formen aus. Begriffe wie Gleichheit, Verschiedenheit, Einheit, Vielheit, Menge, Ganzes, Teil, Gegenstand, Eigenschaft - kurz alle sogenannten rein logischen Begriffe, und alle Begriffe, die sich in der Mannigfaltigkeit der Sachverhaltsformen und, sprachlich, der Aussageformen ausdrücken können und ausdrücken müssen, sind reine Formbegriff e, formale Allgemeinheiten, wenn wir nur alles Sachhaltige in den Sätzen unbestimmt sein lassen. 1 ) Zum Unterschied von sachlichen und formalen Gemeinsamkeiten vgl. oben § 62, S. 296 ff.

Il. Die ·reinen Allgemeinheiten · § 86

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li. Kapitel

DIE GEWINNUNG DER REINEN ALLGEMEINHEITEN DURCH DIE METHODE DER WESENSERSCHAUUNG § 86. Zufälligkeit der empirischen Allgemeinhei ten und apriorische Notwendigkeit. Empirische Allgemeinheiten, so sagten wir, haben einen Umfang wirklicher und real möglicher Einzelheiten. Gewonnen zunächst auf Grund der Wiederholung gleicher und dann weiter bloß ähnlicher, in faktischer Erfahrung gegebener Gegenstände, beziehen sie sich nicht nur auf diesen begrenzten und sozusagen auszählbaren Umfang von wirklichen Einzelheiten, aus denen sie ursprünglich gewonnen wurden; sondern sie haben in der Regel einen Horizont, der präsumptiv vorweist auf weitere Erfahrung von Einzelheiten, die in freier Beliebigkeit bei Erschließung dieses präsumptiven Seinshorizontes gewonnen werden können. Wir können uns, wenn es sich um Realitäten der vorgegebenen unendlichen Welt handelt, eine b e 1i e b i g e Anzahl weiter gehbarer Einzelheiten denken, die diese empirische Allgemeinheit als r e a 1e M ö g 1ichk e i t mit um greift. Der Umfang ist dann ein unendlich offener, und doch ist die Einheit der empirisch gewonnenen Spezies und höheren Gattung eine "zufällige". Das heißt, ein zufällig gegebenes Einzelnes war der Ausgang der Begriffsbildung, und sie führte über die gleichfalls zufälligen Gleichheiten und ~hnlich­ keiten - zufällig, weil das Ausgangsglied der Vergleichung ein zufälliges, in der faktischen Erfahrung gegebenes, war. Der Gegenbegriff dieser Zufälligkeit ist die a p r i orische N otwendi gkei t. Es wird zu zeigen sein, wie gegenüber jenen empirischen Begriffen reine Begriffe zu bilden sind, deren Bildung also nicht von der Zufäl-

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ligkeit des faktisch gegebenen Ausgangsgliedes und seiner empirischen Horizonte abhängig ist, und die einen offenen Umfang nicht gleichsam bloß im Nachhinein umgreifen, sondern eben vorweg: a priori. Dieses Umgreifen im vorweg bedeutet, daß sie imstande sein müssen, allen empirischen Einzelheiten Regeln vor zuschreiben. Bei den empirischen Begriffen besagte die Unendlichkeit des Umfangs nur, daß ich mir eine beliebige Anzahl gleicher Einzelheiten denken kann, ohne daß aber wirklich evident war, ob nicht vielleicht im Fortschreiten wirklicher Erfahrung dieses präsumptiv angesetzte "immer wieder" Durchstreichung erfahren könnte, ob nicht das Fortlaufenkönnen faktisch einmal eine Grenze erreiche. Bei den reinen Begriffen dagegen ist diese Unendlichkeit des faktischen Fortlaufenkönnens evident gegeben, eben weil sie vor aller Erfahrung ihrem weiteren Verlauf Regeln vorzeichnen und damit ein Umschlagen, ein Durchstreichen ausschließen. Diese Idee der apriorischen Allgemeinheit und Notwendigkeit wird im Verlauf unserer Darstellung noch deutlicher werden.

§ 87. Die Methode der Wesenserschauung. a) Freie Variation als Grundlage der Wesenserschauung. Aus dem Gesagten ist bereits klar geworden, daß zur Gewinnung der reinen Begriffe oder Wesensbegriffe empirische Vergleichung nicht genügen kann, sondern daß durch besondere Vorkehrungen das im empirisch Gegebenen zunächst sich abhebende Allgemeine vor allem von seinem Charakter der Zufälligkeit befreit werden muß. Versuchen wir, von dieser Leistung einen ersten Begriff zu bekommen. Sie beruht auf der Abwandlung einer erfahrenen oder phantasierten Gegenständlichkeit zum beliebigen Exempel, das zugleich den Charakter des leitenden "Vorbildes" erhält, des Aus-

Il. Die reinen Allgemeinheiten · § 87

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gangsgliedes für die Erzeugung einer offen endlosen Mannigfaltigkeit von Varianten, also auf einer Variation. M. a. W. wir lassen uns vom Faktum als Vorbild für seine Umgestaltung in reiner Phantasie leiten. Es sollen dabei immer neue ähnliche Bilder als Nachbilder, als Phantasiebilder gewonnen werden, die sämtlich konkrete .Ahnlichkeiten des Urbildes sind. Wir erzeugen so frei willkürlich Varianten, deren jede ebenso wie der ganze Prozeß der Variation selbst im subjektiven Erlebnismodus des "beliebig" auftritt. Es zeigt sich dann, daß durch diese Mannigfaltigkeit von Nachgestaltungen eine Einheit hindurchgeht, daß bei solchen freien Variationen eines Urbildes, z. B. eines Dinges, in Notwendigkeit eine Invariante erhalten bleibt als die not wendige allgemeine Form, ohne die ein derartiges wie dieses Ding, als Exempel seiner Art, überhaupt undenkbar wäre. Sie hebt sich in der Übung willkürlicher Variation, und während uns das Differierende der Varianten gleichgültig ist, als ein absolut identischer Gehalt, ein invariables Was heraus, nach dem hin sich alle Varianten decken: ein allgemeines Wesen. Auf dieses können wir den Blick richten als auf das notwendig Invariable, das aller im Modus des "beliebig" geübten und wie immer fortzuführenden Variation, soll sie Variation von demselben Urbild sein, ihre Grenzen vorschreibt. Es stellt sich heraus als das, ohne was ein Gegenstand dieser Art nicht gedacht werden kann, d. h. ohne was er nicht anschaulich als ein solcher phantasiert werden kann. Dieses allgemeine Wesen ist das Eidos, die 1~3i!l im platonischen Sinne, aber rein gefaßt und frei von allen metaphysischen Interpretationen, also genau so genommen, wie es in der auf solchem Wege entspringenden Ideenschau uns unmittelbar intuitiv zur Gegebenheit kommt. Als Ausgang war dabei gedacht eine Erfahrungsgegebenheit. Offenbar kann dazu ebensogut eine bloße Phantasie dienen,

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bezw. das m ihr gegenständlich-anschaulich Vorschwebende. Z. B. verfahren wir so im Ausgang von einem Ton, mögen wir ihn nun wirklich hören oder als Ton "in der Phantasie" vorschweben haben, so gewinnen wir das im Wandel "beliebiger" Varianten erfaßte Eidos Ton als das hier notwendig Gemeinsame. Nehmen wir nun ein anderes Tonphänomen als Ausgang, als beliebig Variiertes, so erfassen wir an dem neuen "Exempel" nicht ein anderes Eidos Ton, sondern im Aneinanderhalten des neuen und des früheren sehen wir, daß es dasselbe ist, daß die beiderseitigen Varianten und Variationen sich zu einer einzigen Variation zusammenschließen, und daß die Varianten da und dort in gleicher Weise b e l i e b i g e V e r e i n z e l u n g e n d e s e i n e n Eidos sind. Und selbst das ist evident, daß wir, fortschreitend von einer Variation zu einer neuen, diesem Fortschreiten und Bilden neuer Variationsmannigfaltigkeiten selbst wieder den Charakter eines beliebigen geben können, und daß in solchem Fortschreiten in Form der Beliebigkeit sich "immer wieder" dasselbe Eidos ergeben muß: dasselbe allgemeine Wesen "Ton überhaupt". b) Die Beliebigkeitsgestalt des Prozesses der Variantenbildung. Daß das Eidos auf eine frei beliebig weiter erzeugbare Mannigfaltigkeit zur Deckung gelangender Varianten bezogen ist, auf eine offene Endlosigkeit, das besagt nicht, daß ein wirkliches Fortgehen in die Unendlichkeit erforderlich wäre, eine wirkliche Erzeugung als ob wir nur dann gewiß sein aller Varianten könnten, daß das nachher zur Erfassung kommende Eidos wirklich allen Möglichkeiten gemäß sei. Es kommt vielmehr darauf an, daß die Variation als Prozeß der Variantenbildung selbst eine Beliebigkeits-

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g es t alt habe, daß der Prozeß im Bewußtsein beliebiger Fortbildung von Varianten vollzogen sei. Dann haben wir, auch wenn wir abbrechen, doch nicht die faktische Mannigfaltigkeit von anschaulichen, einzelnen und ineinander übergeführten Varianten gemeint als diese faktische Reihe von irgendwie sich darbietenden und willkürlich herangezogenen, oder von vornherein fiktiv erzeugten Gegenständen; sondern wie alles Einzelne den Charakter des exemplarischen Beliebens hat, so gehört auch zur Variationsmannigfaltigkeit immerzu ein Belieben: es ist gleichgültig, was immer noch sich ihr beigesellen möge, gleichgültig, was ich im Bewußtsein de~ "ich könnte so weitergehen" noch in den Griff bekäme. Zu jeder Variationsmannigfaltigkeit gehört wesentlich dieses merkwürdige und so überaus wichtige Bewußtsein des "und so weiter nach Belieben". Dadurch allein ist gegeben, was wir eine "offen unendliche" Mannigfaltigkeit nennen; evidenterweise ist sie dieselbe, ob wir langehin erzeugend oder beliebig Passendes heranziehend fortschreiten, also die Reihe wirklicher Anschauungen erweitern, oder ob wir früher schon abbrechen. c) Das Im-Griff-behalten der ganzen Variationsmannigfaltigkeit als Grundlage der Wesenserschauung. Auf diese Mannigfaltigkeit (bezw. auf das Fundament des sich konstituierenden offenen Prozesses der Variation mit den wirklich in die Anschauung tretenden Varianten) gründet sich als eine höhere Stufe die eigentliche Erschauung des Allgemeinen als Eidos. Voran liegt der Obergang vom Ausgangsexempel, das die Leitung gibt und das wir Vorbild nannten, zu immer neuen Nachbildern, mögen wir sie der ziellosen Gunst der Assoziation und Einfällen passiver Phantasie verdanken und sie uns nur willkürlich als Exempel zueignen, oder mögen wir sie durch pure eigene Aktivität phantasiemäßigen Umfingierens aus

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unserem ursprünglichen Vorbild gewonnen haben. Bei diesem Obergang von Nachbild zu Nachbild, von .i\hnlichem zu Ahnliehern kommen alle die beliebigen Einzelheiten in der Folge ihres Auftretens zu überschiebender Deckung und treten rein passiv in eine synthetische Einheit, in der sie alle als Abwandlungen voneinander erscheinen, und dann weiter als beliebige Folgen von Einzelheiten, in denen sich dasselbe Allgemeine als Eidos vereinzelt. Erst in dieser fortlaufenden Deckung kongruiert ein Se l b i g es, das nun rein für sich herausgeschaut werden kann. Das heißt, es ist als solches p assiv vorkonstituiert, und die Erschauung des Eidos beruht in der aktiven schauenden Erfassung des so Vorkonstituierten - genau wie bei jeder Konstitution von Verstandesgegenständlichkeiten und spezieller von Allgemeingegenständlichkeiten. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß die Mannigfaltigkeit als solche, als Vielheit bewußt ist und nie ganz aus dem Griff gelassen wird. Sonst gewinnen wir nicht das Eidos als ideal Identisches, das nur ist als !v i'lt( 1to>.J.wv. Beschäftigen wir uns z. B. mit dem Umfingieren eines Dinges oder einer Figur in beliebige neue Figuren, so haben wir immer Neues und immer nur Eines: das Letztfingierte. Nur wenn wir die früheren Fikta im Griff behalten, als eine Mannigfaltigkeit im offenen Prozeß, und nur wenn wir auf das Kongruieren und das rein Identische hinschauen, gewinnen wir das Eidos. Die überschiebende Deckung brauchen wir freilich nicht eigens aktiv zu vollziehen, da sie bei dem Nacheinanderdurchlaufen und Im-Griff-behalten der Durchlaufenen von selbst rein passiv eintritt. d) Das Verhältnis der W esenserschauung zur Erfahrung von Individuellem. Der Irrtum der Abstraktionslehre. Das Eigentümliche der W esenserschauung auf Grund der Variation· wird noch deutlicher werden,

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wenn wir sie mit der schauenden Erfahrung individueller Gegenstände kontrastieren. Gegenüber der spezifischen Freiheit in der Variation besteht in jeder Erfahrung von Individuellem eine ganz bestimmte Bindung. Das heißt, wenn wir auf Grund passiver Vorgegebenheit ein Individuelles rezeptiv erfahren, ihm uns erfassend zuwenden, es als seiend hinnehmen, stellen wir uns damit sozusagen auf den Boden dieser Apperzeption. Durch sie sind Horizonte vorgezeichnet für weitere mögliche Erfahrungen auf diesem mit dem ersten Schritt vorgegebenen Boden. Alles, was wir weiter erfahren, muß in einen Zusammenhang der Einstimmigkeit zu bringen sein, wenn es als Gegenstand für uns gelten soll; andernfalls erhält es den Nichtigkeitsstrich, wird nicht als Wirklichkeit rezeptiv hingenommen: auf dem Boden einer Einheit der Erfahrung, wie er mit jedem einzelnen Gegenstand der Erfahrung bereits vorgezeichnet ist, muß Einstimmigkeit herrschen und ist jeder Widerstreit ausgeschlossen, bezw. er führt zur Durchstreichung. Alles Erfahren im prägnanten Sinne, welcher Aktivität, zumindest der untersten Stufe, in sich schließt, heißt also "sich auf den Boden der Erfahrung stellen". Das Gleiche gilt für P h an t a sie n, sofern wir in einem Zusammenhang phantasieren und sich die einzelnen Phantasien zur Einheit einer Phantasie zusammenschließen sollen. Hier wiederholt sich alles für wirkliche Erfahrung Gesagte im Modus des Quasi. Wir haben eine Quasi-Welt als einheitliche Phantasiewelt. Sie ist der "Boden", auf den wir uns im Zuge eines einheitlichen Phantasierens stellen können - nur mit dem Unterschied, daß es unserem freien Belieben anheimgestellt ist, wie weit wir solche Einheit reichen lassen wollen; wir können eine solche Welt beliebig erweitern, während der Einheit einer wirk-

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liehen Welt durch die Vorgegebenheiten feste Grenzen gesetzt sind. 1 ) Im Gegensatz zu dieser Gebundenheit der Erfahrung von Individuellem wird uns die spezifische Freiheit in der Er schau u n g der Wesen verständlich: wir sind im freien Erzeugen der Variationsmannigfaltigkeit, im Fortschreiten von Variante zu Variante nicht in gleicher Weise durch die Bedingungen der Einstimmigkeit gebunden, wie im Fortschreiten der Erfahrung von einem individuellen Gegenstand zum anderen auf dem Boden der Einheit der Erfahrung. Stellen wir uns etwa ein individuelles Haus vor, das jetzt gelb gefärbt ist, so können wir uns ebensogut denken, es könnte blau gefärbt sein, oder es könnte statt des Ziegeldaches ein Schieferdach haben, oder statt dieser Gestalt eine andere. Das Haus ist eines, das möglicherweise statt irgendwelcher ihm in einheitlicher Vorstellung zukommender Bestimmungen ebensogut andere, mit ihnen unverträgliche haben könnte. Es, dasselbe, ist denkbar als a und als non-a, aber natürlich, wenn als a, dann nicht zugleich als non-a. Es kann nicht beides in eins, beides zugleich sein, es kann nicht zugleich wirklich sein mit jedem von bei den, aber es kann statt a in jedem Moment non-a sein. Es ist also ein Identisches gedacht, an dem entgegengesetzte Bestimmungen getauscht werden können. "Anschaulich" im Vollzug dieser Evidenz ist zwar die Existenz des Gegenstandes gebunden an den Besitz des einen oder aber des anderen der gegensätzlichen Prädikate und an die Forderung des Ausschlusses ihres Zusammen; aber ein i den t i s c h es Subs trat der einstimmigen Merkmale liegt evidenterweise vor, nur daß seine schlichte Thesis nicht möglich ist, sondern nur die modifizierte Thesis: wenn §

1)

40,

s.

Zu all dem vgl. · die ausführlicheren Erörterungen oben 100

ff.

II. Die reinen Allgemeinheiten · § 87

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dieses Identische als a bestimmt existiert, so gehört ihm das a' in der durchstrichenen Form non-a zu, und umgekehrt. Das identische Substrat ist freilich nicht ein Individuum schlechthin. Das Umschlagen ist Umschlagen eines Individuums in ein mit ihm in der Koexistenz unverträgliches zweites Individuum. Ein Individuum schlechthin ist ein existierendes (oder möglicherweise existierendes). Was aber als Einheit im Widerstreit erschaut wird, ist kein In d i v i du um, sondern eine konkrete Zwittereinheit sich wechselseitig aufhebender, sich koexistenzial ausschließender Individuen: ein eigenes Bewußtsein mit einem eigenen konkreten Inhalt, dessen Korrelat konkrete Einheit im Widerstreit, in der Unverträglichkeit heißt. Diese merkwürdige Zwittereinheit liegt der W esenserschauung zugrunde. Die alte Abstraktionslehre, die besagt, daß das Allgemeine sich nur auf dem Grunde individuell einzelner Anschauungen durch Abstraktion konstituieren kann, ist also teils unklar, teils unrichtig. Z. B. wenn ich den Allgemeinbegriff Baum auf Grund von Anschauungen individuell einzelner Bäume bilde - und zwar gedacht als reinen Begriff - so ist der Baum, der mir da vorschwebt, gar nicht als individuell bestimmter Baum gesetzt; vielmehr stelle ich ihn so vor, daß er derselbe ist in Wahrnehmung und frei beweglicher Phantasie, daß er nicht als existierend gesetzt oder auch in Frage gestellt ist, und daß er gar nicht als ein Individuum festgehalten ist. Das Ein z e 1n e, das der W esenserschauung zugrunde liegt, ist nicht im eigen dich e n Sinn c ein geschautes Individuum als solches. Die merkwürdige Einheit, die hier zugrunde liegt, ist vielmehr ein "Individuum" im Wechsel der "außerwesentlichen" konstitutiven Momente (der außerhalb der identisch zu erfassenden Wesensmomente als Ergänzungsmomente auftretenden).

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e) Kongruenz und Differenz in der überschiebenden Deckung der Variationsmannigfaltigkeiten. In dem Gesagten liegt schon: mit der Kongruenz in der Deckung der Variationsmannigfaltigkeiten ist nach der anderen Seite verbunden mancherlei D i f f erenz. Wenn wir z. B. von einer gegebenen roten Farbe zu einer Folge beliebiger anderer roter Farben übergehen - mögen wir sie wirklich sehen oder als Farben "in der Phantasie" vorschweben haben - so gewinnen wir das im Wandel der "beliebigen" Varianten kongruierende Eidos Rot als das notwendig Gemeinsame, während die verschiedenen Ausdehnungen in der Dekkung, statt zu kongruieren, vielmehr sich streitend abheben. Die Idee der Differenz ist also nur zu verstehen in ihrer Verflechtung mit der des identisch Gemeinsamen als Eidos. Differenz ist dasjenige, was in der Oberschiebung der Mannigfaltigkeiten nicht zur Einheit der dabei hervortretenden Kongruenz zu bringen ist, was also dabei nicht ein Eidos sichtbar macht. Es kommt nicht zur Einigkeit der Kongruenz, besagt: es streitet als Differierendes in der Oberschiebung miteinander. Z. B. eine Farbe ist identisch, jedoch sie ist einmal Farbe dieser, das andere Mal jener Ausbreitung und Gestalt. In der Oberschiebung streitet eines mit dem anderen, und sie verdrängen sich gegenseitig. Andererseits aber ist es klar, daß nichts in Widerstreit treten kann, was nichts Gemeinsames hat. Nicht nur, daß hier schon die identische Farbe vorausgesetzt ist, vielmehr wenn das eine Farbige rund, das andere eckig ist, so könnten sie doch nicht in Widerstreit treten, wenn nicht beides ausgedehnte Figuren wären. Also weist jede Differenz in der Oberschiebung mit anderen als mit ihr streitenden Differen-

li. Die reinen Allgemeinheiten · § 87

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zen auf ein neues herauszuschauendes Allgemeines, hier Gestalt, hin, als Allgemeines der jeweils zur Einheit des Widerstreites gekommenen übereinanderliegenden Differenzen. Für die Lehre vom Stufenbau der Ideen bis hinauf zu den obersten Regionen wird das von großer Wichtigkeit sein. überblicken wtr zusammenfassend die drei Hauptschritte, die zum Prozeß der Ideation gehören: x. erzeugendes Durchlaufen der Mannigfaltigkeit der Variationen; 2. einheitliche Verknüpfung m fortwährender Deckung; 3· herausschauende aktive Identifizierung des Kongruierenden gegenüber den Differenzen. f) Variation und Veränderung. Noch eines bedarf der Klärung. Wir sprechen von Variation und von Varianten, nicht von Veränderung und Veränderungsphasen. In der Tat sind beiderlei Begriffe trotz einigen Zusammenhangs wesentlich unterschieden. Eine Veränderung ist immer Veränderung eines Realen, ganz allgemein gefaßt als eines zeitlich Seienden, eines Dauernden, durch eine Dauer hindurch Währenden. Jedes Reale ist veränderlich und ist nur in der Veränderung oder Unveränderung. Unveränderung ist nur ein Grenzfall der Veränderung. Veränderung besagt stetiges Anderssein, bezw. Anderswerden, und doch Dasselbe, individuell Dasselbe sein im stetigen Anderswerden: die Veränderung einer Farbe, ihr Verblassen usw., ist dafür ein Beispiel. Ein Reales verändert sich als dieses individuelle Reale, es wandelt seinen Zustand, behält aber seine individuelle Identität im Wandel dieses Zustandes. Unveränderung hingegen heißt: Dasselbe sein

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in der Dauer, aber dabei sich stetig gleich bleiben in jeder Phase der Dauer. Bei der Veränderung ist das Sein in der Dauer durch ihre Phasen hindurch ein Anderssein oder Anderswerden in jeder neuen Phase, d. h., zwar individuell Dasselbe bleiben, aber zugleich sich nicht gleich bleiben. In der Blickstellung auf die Phasen der Dauer des Realen und auf das, was diese Phasen besetzt, haben wir eine Mannigfaltigkeit der Darstellungen Desselben: Dasselbe jetzt, Dasselbe dann usw. und je nachdem von Phase zu Phase Dasselbe als Gleiches oder Ungleiches. Aber in der geänderten Blickstellung auf das eine Dauernde, das sich in den Phasen darstellt, zeitlich "abschattet" als Dasselbe, erfahren wir die Einheit, das Identische, das sich verändert oder nicht verändert,. das durch den Fluß der Darstellungsmannigfaltigkeiten hindurch währt, fortdauert. Diese Einheit ist nicht etwa das Allgemeine der einzelnen Zeitphasen, wie diese nicht Varianten sind. Sie ist ja gerade das eine Individuum, das dauert und dauernd sich verändert oder sich gleich bleibt. Bei aller Veränderung bleibt das Individuum identisch dasselbe. Hingegen beruht die Variation eben darauf, daß wir die Identität des Individuellen fallen lassen und es umfingieren in anderes mögliches Individuelles. Andererseits gehört es zur Veränderung eines Individuellen, daß ihre Phasen auch (obschon in geänderter Blickstellung) als Varianten behandelt werden können. Dann tritt hervor, daß keine Veränderung mög1ich ist, in der nicht alle Ver än de rung s ph asen gattungsmäßig zusammengehören. Eine Farbe kann sich nur wieder in eine Farbe ändern und nicht etwa in einen Ton. Jede mögliche Veränderung vollzieht sich, wie daraus zu ersehen ist, innerhalb einer obersten Gattung, die sie nie überschreiten kann.

II. Die reinen Allgemeinheiten · § 88

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§ 88. Der Sinn der Rede von der "Erschauung" der Allgemeinbei ten. Wir sprechen von einer Wesens- "er schau u n g" und überhaupt von der Erschauung der Allgemeinheiten. Diese Rede bedarf noch der Rechtfertigung. Wir gebrauchen den Ausdruck Erschauen hier in dem ganz weiten Sinn, der nichts anderes besagt als Se 1b s terfahren, selbst gesehene Sachen haben und auf Grund dieses Selbst-sehens die ~hnlichkeit vor Augen haben, daraufhin jene geistige Überschiebung vollziehen, in der das Gemeinsame, das Rot, die Figur etc. "selbst" hervortritt, und das heißt, zur schauenden Erfassung kommt. Es handelt sich dabei natürlich nicht um ein sinn1ich es Sehen. Das allgemeine Rot kann man nicht sehen, wie man ein individuelles, einzelnes Rot sieht; aber die Erweiterung der Rede vom Sehen, die nicht umsonst im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist, ist unvermeidlich. Es kommt darin zum Ausdruck, daß ein Gemeinsames und Allgemeines beliebig vieler einzeln gesehener Exemplare uns ganz analog direkt und als es selbst zu eigen wird wie ein individuell Einzelnes im sinnlichen Wahrnehmen, aber freilich in jenem komplizierteren Erschauen der aktiv vergleichenden Überschiebung der Kongruenz. Das gilt für jederlei schauendes Erfassen von Gemeinsamkeiten und Allgemeinheiten, nur daß da, wo ein reines Eidos als ein Apriori erschaut werden soll, diese Erschauung ihre besondere methodische Gestalt hat - eben die beschriebene, in der Variation hervorgerufene Gleichgültigkeit gegen die Wirklichkeit, wodurch das als Wirklichkeit Dastehende den Charakter des beliebigen Exempels, des gleichgültigen Ausgangsgliedes einer Variationsreihe erhält.

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

§ 89. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen

Ausschaltung aller Seinssetzungen zwecks Gewinnung der reinen Allgemeinheit.

Man könnte nun meinen, unsere Beschreibung der Wesenserschauung mache sich ihre Aufgabe zu schwer und operiere überflüssigerweise mit den als angeblich fundamental betonten Variationsmannigfaltigkeiten und den daran so eigentümlich beteiligten Funktionen der Phantasie. Es genüge doch zu sagen, ein beliebiges Rot hier und ein Rot dort, eine beliebige vorgegebene Vielheit von roten Gegenständen der Erfahrung oder sonstigen Vorstellung liefere die Möglichkeit zur Erschauung des Eidos Rot. Was nur zu beschreiben sei, das sei das Durchlaufen in überschiebender Deckung und das Herausschauen des Allgemeinen. Indessen hier ist wohl zu beachten, daß das "b e 1i e b i g" in solchen Reden nicht bloße Rede sein oder ein nebensächliches Verhalten unsererseits bedeuten darf, sondern daß es zum Grundcharakter des Aktus der Ideenschau s e I b s t g e h ö r t. Ist aber in solchen Reden gar die Meinung die, daß eine bestimmte Vielheit ähnlicher Gegenstände zureiche, durch vergleichende Deckung das Allgemeine zu gewinnen, so ist noch einmal zu betonen: wir gewinnen für dieses Rot hier und jenes Rot dort wohl ein beiderseits Identisches und Allgemeines, aber nur als Gemeinsames eben dieses und jenes Rot. Wir gewinnen nicht das reine Rot überhaupt als Eidos. Freilich können wir, ein drittes Rot oder mehrere, sich wann immer darbietende Rot heranziehend, erkennen, daß das Allgemeine der zwei identisch dasselbe ist wie das Allgemeine der vielen. Aber wir gewinnen so immer nur Gemeinsamkeiten und Allgemeinheiten in bezug auf empirische Umfänge; die Möglichkeit des Fortgangs in infinitum ist damit noch nicht einsichtig gegeben. Sowie wir jedoch sagen,

II. Die reinen Allgemeinheiten · § 89

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jedes beliebige und neu heranzuziehende Gleiche muß dasselbe ergeben, und abermals sagen: das Eidos Rot ist Eines gegenüber der Unendlichkeit möglicher Einzelheiten, die diesem und irgendeinem damit zu deckenden Rot zugehören, brauchen wir schon eine unendliche Variation in unserem Sinne als Untergrund. Sie liefert uns das, was zum Eidos als untrennbares Korrelat gehört, den sogenannten Umfang des Eidos, des "rein begrifflichen Wesens", als die Unendlichkeit von möglichen Einzelheiten, die darunter fallen, die seine "Vereinzelungen" sind und zu ihm, platonisch gesprochen, im Verhältnis der Teilhabe stehen: jedes erdenkliche Einzelne überhaupt ist bezogen auf das Wesen, hat an ihm und seinen Wesensmomenten Teil. Wie dem reinen Allgemeinen korrelativ als Umfang die A 11 h e i t der darunter fallenden Einzelheiten entspricht, werden wir sogleich erörtern. Zuvor ist noch darauf hinzuweisen, daß auch d i e g ä n z 1i c h f r e i e V a r i a t i o n n i c h t g e n ü g t, das Allgemeine wirklich als reines zu gewinnen. Selbst das durch Variation gewonnene Allgemeine muß noch nicht im eigentlichen Sinne rein, frei von aller Wirklichkeitssetzung sein. Wenngleich durch die Variation schon die Beziehung auf das zufällige, wirklich existierende Ausgangsexempel ausgeschaltet ist, so kann dem Allgemeinen doch noch eine Beziehung auf Wirklichkeit anhaften, und zwar in folgender Weise: Für ein reines Eidos ist die faktische Wirklichkeit der in Variation versetzten Einzelfälle völlig irrelevant. Und das muß wortwörtlich genommen werden. Die Wirklichkeiten müssen behandelt werden als Möglichkeiten unter anderen Möglichkeiten, und zwar als beliebigen Phantasiemöglichkeiten. Das geschieht nur dann, wenn jede Bindung an vorgegebene Wirklichkeit in der Tat aufs Sorgsamste ausgeschlossen ist. Variieren wir frei, aber im geheimen daran fcsthaltend, daß es z. B. beliebige

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

Töne in der WeIt sein sollen, von Menschen auf der Erde zu hörende oder gehörte Töne, dann haben wir zwar ein Wesensallgemeines als Eidos, aber auf u nsere tatsächliche Welt bezogen und an diese universale Tatsache gebunden. Das ist eine geheime, nämlich aus begreiflichen Gründen uns selbst unmerkliche Bindung. In der natürlichen Entwicklung der universalen, sich allzeit vereinheitlichenden Erfahrung ist uns die erfahrene Welt als universaler verharrender Seinsgrund zuteil geworden und als universales Feld aller unserer Tätigkeiten. In der festesten und universalsten aller unserer Gewohnheiten gilt uns die Welt und bleibt sie, welchen Interessen immer wir nachgehen, für uns in aktueller Geltung; wie alle Interessen sind auch die der eidetischen Erkenntnis auf sie bezogen. Bei jedem Phantasiespiel, wie wir es schon in Gang gesetzt dachten mit dem Ansatz beliebiger möglicher, unter einen empirisch gewonnenen Begriff fallender Einzelheiten, und so auch bei jeder Phantasievariation mit der Intention auf eine Ideenschau ist die Welt mitgesetzt; jedes Faktum und jedes Eidos bleibt auf die tatsächliche Welt bezogen, der Welt zugehörig. Begreiflicherweise merken wir in der natürlichen Einstellung nicht diese gerade vermöge ihrer Universalität verborgene Weltsetzung und Seinsbindung. Nur wenn wir uns dieser Bindung bewußt werden, sie bewußt außer Spiel setzen und somit auch den weitesten Umgebungshorizont der Varianten von aller Bindung, aller Erfahrungsgeltung befreien, schaffen wir vollkommene Reinheit. Wir stehen dann sozusagen in einer puren Phantasiewelt, einer WeIt ab so I u t r e iner Möglichkeit. Jede solche Möglichkeit kann nun Zentralglied für mögliche reine Variationen im Modus der Beliebigkeit sein. Von jeder aus ergibt sich ein absolut reines Eidos, von jeder anderen aus aber nur dann,

II. Die reinen Allgemeinheiten · § 89

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wenn die Variationsreihen der einen und der anderen sich zu einer in beschriebener Weise verknüpfen. So ergibt sich für Farben und Töne ein verschiedenes Eidos, sie sind andersartig, und zwar hinsichdich des in ihnen rein Angeschauten. Ein reines Eidos, eine Wesensallgemeinheit ist z. B. die Artung Rot oder die Gattung Farbe; aber nur wenn sie gefaßt sind als reine Allgemeinheiten, also frei von aller Voraussetzung irgendwelchen tatsächlichen Daseins, irgendeines faktischen Rot, bezw. irgend einer farbigen tatsächlichen Wirklichkeit. Das ist auch der Sinn der geometrischen Aussagen; z. B. wenn wir den Kreis als eine Art von Kegelschnitt bezeichnen, bezw. eidetisch einsichtig erfassen, so ist dabei nicht die Rede von einer wirklichen Fläche als einer solchen der faktischen Naturwirklichkeit. Demgemäß ist ein rein eidetisches Oberhaupt-urteilen, wie das geometrische oder das über ideal mögliche Farben, Töne u. dgl., in seiner Allgemeinheit an keine vorausgesetzte Wirklichkeit gebunden. In der Geometrie ist die Rede von erdenklichen Figuren, in der eidetischen Farbenlehre von erdenklichen Farben, die den Umfang rein erschauter Allgemeinheiten bilden. Mit derart ursprünglich geschöpften Begriffen operiert auch die ganze Mathematik, erzeugt sie ihre unmittelbaren Wesensgesetze (Axiome) als "notwendige und im strengen Sinn allgemeine" Wahrheiten, "von denen gar keine Ausnahme als möglich verstattet ist" (Kant). Sie erschaut sie ja als generelle W esensverhalte, die in absoluter Identität für alle erdenklichen Vereinzelungen ihrer reinen Begriffe - für jene fest abgeschlossenen Variationsmannigfaltigkeiten oder apriorischen Umfänge - erzeugbar und a 1s das evident erkennbar sind. Aus ihnen erzeugt sie weiter in deduktiver Intuition (apriorischer "Evidenz" notwendiger Folge) ihre Theorien und abgeleiteten "Lehrsätze", wieder als ideale

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Identitäten m beliebiger Wiederholung der Erzeugung einsehbar.

§ 90. Reine A II g e m e i n h e i t u n d a p r i o r i s c h e Notwendigkeit. 1 )

Wenden wir uns nun den oben schon berührten Problemen des Umfangs der reinen Allgemeinheit e n und den damit eng verknüpften Problemen des Verhältnisses von reiner Möglichkeit und empirischfaktischer Wirklichkeit zu. Gemäß ihrem methodischen Ursprung aus freier Variation und konsequenter Ausschaltung aller Setzungen wirklichen Seins kann die reine Allgemeinheit natürlich keinen Umfang von Tatsachen, von empirischen Wirklichkeiten haben, die sie binden, sondern nur einen Umfang von reinen Möglichkeiten. Andererseits ist die eidetische Allgemeinheit jederzeit zu vorkommenden Wirklichkeiten in Beziehung zu setzen. Jede wirklich vorkommende Farbe ist ja zugleich eine im reinen Sinne mögliche: jede läßt sich als Exempel ansehen und in eine Variante verwandeln. So können wir alle Wirklichkeit hinaufheben in reine Möglichkeit, in das Reich des freien Beliebens. Dann zeigt sich aber, daß auch das freie Belieben seine eigenartige Gebundenheit hat. Was in phantasiemäßigem Belieben (mag es auch zusammenhangslos sein und nicht zur Einsicht einer erdenklichen Realität phantasiemäßig zusammenstimmen) sich ineinander variieren läßt, trägt eine notwendige Struktur in sich, ein Eidos, und damit Gesetze der Notwendigkeit, die bestimmen, was einem Gegenstand notwendig zukommen muß, wenn er ein Gegenstand dieser Art soll sein können. Diese Notwendigkeit gilt dann mit für alles Faktische: 1)

V gl. dazu auch Ideen, S.

I

5 f.

Il. Die reinen Allgemeinheiten · § 90

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wir können sehen, daß alles, was zum reinen Eidos Farbe untrennbar gehört, z. B. das Moment der Helligkeit, auch zu jeder faktischen Farbe gehören muß. Die allgemeinen Wahrheiten, in denen wir bloß auseinanderlegen, was zu reinen Wesensallgemeinheiten gehört, gehen allen Fragen nach den Tatsachen und ihren tatsächlichen Wahrheiten vorher. Daher heißen die Wesenswahrheiten a p r i o r i s c h e, das heißt a II er Tat sä chIich k e i t, allen Feststellungen aus Erfahrung vorangehend in ihrer Gültigkeit. Jede durch Erfahrung gegebene und durch Erfahrungsdenken beurteilte Wirklichkeit steht, was die Rechtmäßigkeit solcher Urteile anbelangt, unter der unbedingten Norm, daß sie allem voran den apriorischen "Bedingungen möglicher Erfahrung" und möglichen Erfahrungsdenkens entsprechen muß: das ist, den Bedingungen ihrer reinen Möglichkeit, ihrer Vorsteilbarkeit und Setzbarkeit als Gegenständlichkeit eines einstimmig identischen Sinnes. Solche apriorischen Bedingungen spricht für die Natur (die Wirklichkeit physischer Erfahrung) die Mathematik der Natur mit allen ihren Sätzen aus. Sie spricht sie "a priori" aus, d. i. ohne je von "der" Natur als Faktum zu handeln. Die Beziehung auf Fakta ist Sache der a priori jederzeit möglichen und in dieser Möglichkeit evident verständlichen Anwendung. Und nun können wir allgemein sagen: Wirklichkeiten nach den Gesetzen ihrer reinen Möglichkeit beurteilen, oder sie nach "Wesensgesetzen", nach apriorischen Gesetzen beurteilen, ist eine univer s a I e, auf jederlei Wirk I ich k e i t zu b e z i ehe n d e und durchaus notwendige Aufgabe. Was am Beispiel des mathematischen Denkens und der mathematischen Naturwissenschaft leicht klarzumachen ist, gilt ganz allgemein für jederlei Gegenstandss p häre. Zu jeder gehört ein mögliches apriorisches

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

Denken, danach eine apriorische Wissenschaft und die gleiche Anwendungsfunktion dieser Wissenschaft - wofern wir eben überall dem Apriori denselben nüchternen und allein bedeutsamen Sinn geben. Es besteht nicht der leiseste Grund, die Methodik des apriorischen Denkens, wie wir sie in den allgemeinen Wesenszügen an dem mathematischen Denken aufgewiesen haben, etwa als eine ausschließliche Eigenschaft des mathematischen Gebietes anzusehen. 1 ) Ja die Annahme einer solchen Beschränkung wäre angesichts des allgemeinen Wesensverhältnisses von Wirklichkeit und Möglichkeit, von Erfahrung und reiner Phantasie geradezu widersinnig. Von jeder konkreten Wirklichkeit und jedem an ihr wirklich erfahrenen und erfahrbaren Einzelzuge steht der Weg in das Reich idealer oder reiner Möglichkeit und damit in das des apriorischen Denkens offen. Und dem Allgemeinsten nach ist die Methode der Gestaltung wie der einzelnen reinen Möglichkeiten, so der unendlichen "Umfänge" solcher, in variierender Umwandlung ineinander übergehender Möglichkeiten überall dieselbe, und dann natürlich auch die ursprünglich intuitive Bildung von zugehörigen reinen W esensallgemeinheiten, von "Ideen" (Wesen, reinen Begriffen) und W esensgesetzen. 1 ) Dabei ist freilich zu betonen, daß sich die Methode des mathematischen W esensdenkens, als M e t h o d e d er I d e a I i s i er u n g, von der auf andere Gebiete von fließender, nicht exakt erfaßbarer Typik bezüglichen Wesensanschauung in wichtigen Punkten unterscheidet, so daß diese Analogie nur dem Allerallgemeinsten nach gilt. Zu diesem Unterschied vgl. jetzt auch E. Husserl, Die Krisis usw., Philosophia, Bd. I, insbes. S. 98 ff. und 124 ff.

Il. Die reinen Allgemeinheiten · § 91

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§ 91. Der Umfang der reinen Allgemeinheiten. a) Die Allheit des reinen Begriffsumfangs bietet keine individuelle Differenzierung. Reine Allgemeinheiten haben einen Umfang von reinen Möglichkeiten; andererseits haben sie auch Beziehung auf empirische Wirklichkeit, sofern sie jedem Wirklichen "Regeln vorschreiben". Das ist aber nicht so zu verstehen, als ob sie neben ihrem Umfang von reinen Möglichkeiten einen solchen von Wirklichkeiten hätten. Dieses merkwürdige Verhältnis wird uns deutlich werden durch Kontrastierung eines reinen Begriff sumf angs und eines möglichen empirischen Umfangs. Zum Umfang des reinen Begriffs "Mensch" gehören alle Menschen, die ich irgend fingieren mag, ob sie in der Welt vorkommen oder nicht vorkommen, ob sie in der Einheit dieser Welt möglich sind oder nicht möglich sind, ob sie zu ihr in Beziehung gesetzt sind oder nicht. Sie stehen dann in eventuell ganz zusammenhangslosen Phantasien und sonstigen Anschauungen da als Vorstellbarkeiten an sich und explizieren "einen" Menschen. Ebenso ist es mit Zeitdauern. Der Umfang der Idee "zeitliche Dauer" umspannt alle zusammenhangslos phantasierbaren oder wirklich erfahrenen und erfahrbaren Zeitdauern als solche, ebenso wie alle Zeitdauern in der Zeit, nämlich der wirklichen. Diese Allheit des Umfangs Zeitdauer bietet keine Individuation der Spezies Zeitdauer, so wie die Allheit der Phantasiefarben, die zu einer eidetischen niedersten Differenz von Farbe gehören, keine individuellen Farben im wirklichen Sinne sind, keine Individuationen dieser niedersten Spezies. Die Art "Dauer" spezifiziert sich, sofern innerhalb verschiedener Anschauungen, setzender oder nicht setzender, zusammenhängender oder unzusammenhän-

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

gender, sich Größenvergleichung durchführen läßt. Aber dann finden wir das Merkwürdige, daß innerhalb einer Phantasie und innerhalb der beliebigen Erweiterungen, die die Einheit einer Phantasie und Phantasiewelt durchhalten, und demnach auch innerhalb der Einheit einer Erfahrung, eine weitere Differenzierung eintritt, die nicht spezifisch ist und sich nicht über diese Welt hinausheben läßt; wir können daher, wenn wir die entsprechenden Differenzen der einen und anderen Phantasiewelt vergleichen, über sie weder Identität noch Nicht-Identität aussagen. Das gilt nun freilich für alle gegenständlichen Bestimmungen, wie Farbe etc. Aber wir sehen, daß es für sie m i tt e I bar gilt vermöge ihrer zeitlichen (und dann weiter räumlichen) Differenzierungen, die nur in einer "Welt" möglich sind. Was eine niederste Differenz von Farbe innerhalb einer Welt zuletzt differenziert, nämlich individuiert, ist das hic et nunc, also die letzte Differenz des Zeit-Räumlichen, das seinerseits doch auch wieder seine spezifischen Differenzierungen hat. Individuelle Differenzierung gibt es nur, soweit eine "Welt" reicht, wirkliche individuelle Differenzierung in einer wirklichen Welt, mögliche individuelle Differenzierung in einer möglichen W el t. 1 ) b) Möglichkeitsdifferenzierung und Wirklichkeitsdifferenzierung. Es ergibt sich aus dem Gesagten, wie die Allheit des reinen Begriff sumf an g es zu verstehen ist. Sie erstreckt sich auf reine Möglichkeiten als seine Vereinzelung en. Diese logisch- begriffliche Vereinzelung ist nicht Vereinzelung zu einem objektiv Iden t i f i zierbaren ; anders gesprochen, die logische Forderung der Individualität als 1)

Dazu vgl. §§ 38-40 und Beilage I.

II. Die reinen Allgemeinheiten · § 91

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eines Gegenstandes, als eines identischen Substrates für Prädikate, bezw. für objektive Wahrheiten (die unter dem Satz vom Widerspruch stehen) ist nicht erfüllt durch die Vereinzelung eines Begriffsumfanges, sondern steht unter Bedingungen der Zeit. Das sagt, daß wir für die individuelle Vereinzelung unter der Forderung einer Möglichkeit einstimmiger Ausweisung in einem kontinuierlichen Zusammenhang wirklicher und möglicher (an die wirklichen anschließbarer) Anschauungen stehen. Die Allheit des reinen Begriffsumfangs ist nicht die Allheit von (realen) Gegenständen in der Welt, ist nicht eine empirische Allheit, eine Allheit in der Zeit. Für jedes Wesen haben wir also zweierlei Differenzierungen zu unterscheiden: 1. die Mö gl ichke i ts diff e re nzie rung, die Differenzierung in Form zusammenhangsloser Möglichkeiten, rückbezogen auf zusammenhangslos gebende Phantasien oder auch Erfahrungen; 2. die Differenzierung im Rahmen der Einheit einer zusammenhängenden Wirklichkeit oder Quasi-Wirklichkeit, oder besser die Differenzierung im Rahmen einer möglichen Wirklichkeit, deren Form eine Zeit ist. Alle solchen Differenzierungen eines Wesens konstituieren sich innerhalb einer Unendlichkeit möglicher Akte, die aber gebunden sind, sofern sie alle untereinander Zusammenhang haben. Das All der freien Möglichkeiten überhaupt ist ein Reich der Zusam menhangslosigkei t; ihm fehlt Einheit des Zusammenhangs. Jedoch bezeichnet in ihm jede herausgegriffene Möglichkeit zugleich die Idee eines Alls zusammenhängender Möglichkeiten, und diesem All entspricht notwendig eine Zeit. Jedes solche All definiert eine Welt. Zwei derartige Welten aber sind zusammenhangslos, ihre "Dinge", ihre Orte, ihre Zeiten haben miteinander nichts zu tun; es hat keinen Sinn zu

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fragen, ob ein Ding in dieser und ein Ding in jener möglichen Welt dasselbe sei oder nicht dasselbe sei: nur die privative Nicht-Identität hat hier ihre Anwendung und zudem alle Relationen der Vergleichung - um damit kurz an die Feststellungen des I. Abschnittes zu ermnern.

§ 92. Der Stufenbau der reinen Allgemeinheiten und die Gewinnung der obersten konkreten Gattungen (Regionen) durch Variation von Ideen. In unseren Betrachtungen haben sich schon reine Allgemeinheiten, Wesen ganz verschiedener Stufe abgehoben. Denn offenbar sind die Wesen, von denen wir sagten, daß sie in sich Notwendigkeitsgesetze für eine ganze Gegenstandssphäre beschließen, unterschieden von solchen untersten Arten, wie etwa dem Eidos Rot. M. a. W. wie wir schon bei der empirischen Allgemeir..heit einen Stufenbau feststellen konnten, von niederen Allgemeinheiten aufsteigend zu immer höheren, so gilt das natürlich auch für die reinen Allgemeinheiten. Welches sind nun die höchsten, in deren Erfassung die Tätigkeit der Wesenserschauung kulminiert? Gehen wir von der Tatsache aus, daß man von ein und demselben Exempel als Leitbild in freier Variation zu sehr verschiedenen reinen Wesen kommen kann. Das gilt, obgleich alle Variationsmannigfaltigkeiten, in denen ein Eidos zu ursprünglicher Erschauung kommt, sich zu einer einzigen Variationsmannigfaltigkeit verknüpfen und gewissermaßen nur Aspekte einer an sich einzigen sind. Denn das Verknüpfen von Variationsreihen zu einer einzigen kann einen verschiedenen Sinn haben. Von einem beliebigen Rot aus in einer V ariationsrcihe fortgehend, gewinnen wir das Eidos Rot. Würden wir ein anderes Rot als exemplarischen Ausgang haben, so

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würden wir zwar anschaulich eine andere Variationsmannigfaltigkeit gewinnen, aber es zeigt sich sofort, daß diese neue in den offenen Horizont des Und-so-weiter der ersteren gehört, wie jene in den Horizont dieser; das Eidos ist das eine und selbe. Ebenso natürlich, wenn wir statt eines beliebigen Rot ein beliebiges Grün variiert hätten und zum Eidos Grün gekommen wären. Andererseits ist zu sehen, daß in einer gewissen Weise trotzdem die unterschiedlichen Variationsreihen, nämlich diejenigen, die Rot ergeben, und diejenigen, die Grün ergeben, wieder in einer umfassenden Variationsmannigfaltigkeit zu verknüpfen sind - in einer einzigen, die dann nicht mehr das Eidos Rot, bezw. Grün ergibt, sondern das Eidos Farbe überhaupt. Das eine Mal sind wir darauf gerichtet, variierend zur Erschauung des Rot zu kommen; wir müssen dabei die Direktion auf Rot innehalten, bezw. uns bei aller sonstigen Willkür des Variierens in einer Richtung binden: leuchtet uns im Anheben der Variation ein gemeinsames Rot entgegen, so können wir es sogleich festhalten und nichts anderes meinen, als Rot überhaupt, also das, was bei beliebiger weiterer Variation dieses gemeinsam Identische ergeben würde. Tritt uns Grün entgegen, so weisen wir es ab als nicht hereingehörig, als gegen das erschaute und fortintendierte Rot streitend. Wenn wir andererseits unser Interesse darauf richten, daß die soeben abgewiesene Grünvariante mit jeder Rotvariante im Streit ist und doch ein Gemeinsames hat, also auch einen Punkt der Deckung, so kann dieses neue Gemeinsame, als reines Eidos gefaßt, die Variation bestimmen: nun gehören die Variationsmannigfaltigkeiten für Rot und für Grün, wie auch für Gelb etc. in eins zusammen; das Allgemeine ist jetzt Farbe. So könnten wir von vornherein darauf eingestellt sein, in v ö 11 i g u n gebundene r W e i s e, also ohne Bindung an irgendein schon aufleuchtendes Ailgemeines

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zu variieren und das Allgemeine zu suchen, das über allen herauszuschauenden und dann beschränkenden Allgemeinheiten liegt, in unserem Beispiel das Allgemeine, das über den Allgemeinheiten Rot, Blau, Gelb etc. liegt als die oberste Allgemeinheit. Dabei ist bloß verlangt, daß die Variation, gleichgültig wie sie vonstatten geht, nur überhaupt Variation ist, also überhaupt zu einer Synthesis durchgängig einheitlicher Deckung zusammengeschlossen ist mit einem durchgängig Allgemeinen. Das ist der Weg zur K o n s t i tut i o n oberster Wesensallgemeinheiten als oberster Gattungen. Es sind Allgemeinheiten, die keine höheren mehr über sich haben können. Andererseits haben sie zugleich die Eigenschaft, daß sie in allen besonderen Allgerneinheit e n, die in dieser Gesamtvariation zu schöpfen waren - weil zugehörig zu beschränkten Variationsgebieten derselben - als ideal Gemeinsames enth a 1t e n sind. Die Ideen Rot, Grün usw. haben ideal Anteil an der Idee Farbe. Wir können auch sagen: Ideen, reine Allgemeinheiten, können selbst wieder als Varianten fungieren; dann ist aus ihnen in höherer Stufe ein Allgemeines herauszuschauen, eine Idee aus Ideen oder von Ideen; ihren Umfang bilden Ideen und erst mittelbar deren ideale Einzelheiten. In unserem Beispiel führte die Variation zu einer obersten abstrakten Gattung, zu einem abstrakten Wesen. Denn ein solches ist Farbe; sie ist kein selbständiger Gegenstand, kein selbständig für sich seiendes Reales. Sie ist ausgedehnt, über eine Ausdehnung verteilt, und Ausdehnung gehört wesensmäßig zu einem Ausgedehnten, zunächst zu einer Fläche; aber auch diese ist nichts für sich, sondern weist auf einen Körper als ihn begrenzende hin. So werden wir letztlich zu einem konkreten Gegenstand geführt, hier einem Raumding, an dem Farbe abstraktes Moment ist. Freilich führt kein

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Weg der Variation von einer gegebenen Farbe dahin. Variation von Abstraktem führt immer wieder nur zu Abstraktem. Wir können aber bei der Variation von vornherein ausgehen von einem konkreten, selbständigen Gegenstand. So kommen wir etwa durch Variation dieses Federstieles hier zur Gattung Gebrauchsgegenstand. Aber auch diese Begrenzung können wir fallen lassen und finden noch immer Möglichkeiten der Variation; wir können uns etwa den Federstiel in einen Stein umgewandelt denken, und es geht auch dann noch ein Gemeinsames hindurch: beides sind räumlich ausgedehnte, materielle Dinge. Wir sind so zur obersten Gattung "Ding" gekommen, die wir als oberste Gattung von Konkretis Region nennen. Eine andere Region ist etwa die Region "Mensch" als leiblich-seelisches Wesen. Die regionalen Wesen haben keine höheren Allgemeinheiten mehr über sich und setzen aller Variation eine feste, unübersteigliche Grenze. Ein Grundbegriff einer Region kann nicht durch Variation in einen anderen übergeführt werden. Es ist hier höchstens noch als weitere Leistung die F o r m a 1i sie r u n g möglich, durch die sie beide unter der formalen Kategorie des "Etwas überhaupt" gefaßt werden. Aber das ist etwas wesentlich anderes als Variation. Es ist nicht ein Umfingieren von Bestimmtheiten der zu Variierenden in andere, sondern ein Absehen, ein Entleeren von allen gegenständlichen, inhaltlichen Bestimmtheiten. 1 ) Die höheren Allgemeinheiten sind gewonnen durch Variation von Ideen. Darin liegt: Ideenschau ist selbst ein Analogon der schlichten Erfahrung, insofern als sie ein freilich höheres und aktiv 1 ) Zu diesem Unterschied von Generalisierung und Formalisierung vgl. auch "Ideen ... ", S. 26 f.

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erzeugendes Bewußtsein ist, in dem eine neuartige Gegenständlichkeit, das Allgemeine, zur Selbstgegebenheit kommt. Dasselbe, was wir vom Erfahren aus unter dem Titel Ideation vollziehen können, das können wir von jedem andersartigen Bewußtsein aus tun, sofern es nur Ähnliches leistet, nämlich uns eine Art Gegenständlichkeit in ursprünglicher Selbstheit zum Bewußtsein bringt. Das tut jede Ideation selbst, die geschaute Idee heißt hier geschaut, weil sie nicht vage, indirekt, mitteist leerer Symbole oder Worte gemeint oder beredet ist, sondern eben direkt und selbst erfaßt (vgl. auch § 8 8). Also von der Basis, die uns irgendeine Art von schauendem Erfassen und Haben liefert, können wir immer wieder Ideation üben, im wesentlichen in derselben Methode. So können wir nicht nur Erfahrungsdinge variieren und dadurch Dingbegriffe gewinnen als W esensallgemeinheiten; sondern wir "erfahren" auch Mengen, die wir selbständig kolligiert haben, reale Sachverhalte, innere und äußere Relationen, deren Erschauung beziehender Tätigkeit bedarf usw. Somit gewinnen wir auch reine und allgemeine Ideen von Kollektionen, von Relationen und von jederlei Sachverhalten, indem wir eben für alle solchen Gegenständlichkeiten im Ausgang von den schauenden Tätigkeiten, in denen sie zur Gegebenheit kommen, Variationsmannigfaltigkeiten bilden und das Wesensallgemeine und Notwendige herausschauen. Für derartig gewonnene Ideen können wir dann ebenso verfahren und so fort. Wir gewinnen damit die Ideen der "formalen Region" Gegenstand-überhaupt. Sie befaßt die Ideen der Formen möglicher Gegenständlichkeiten unter sich.

II. Die reinen Allgemeinheiten · § 93

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§ 93· Die Schwierigkeiten der Gewinnung oberster Gattungen, gezeigt an der Gewinnung der Region "Ding". Die Gewinnung einer obersten konkreten Gattung ist indessen nicht so einfach, wie das vielleicht nach unseren bisherigen Beschreibungen scheinen möchte. Einfache Variation tut es da nicht, wenn wir nicht auch methodisch Vorsorge getroffen haben, daß sie wirklich universal ist und alles das wirklich berücksichtigt, was zum vollen Begriff einer konkreten Region gehört. a) Die Methode der Herstellung des zu variierenden Exempels. Wenn wir, um die Region Naturding zu gewinnen, ein exemplarisches Ding der faktischen Wirklichkeit oder ein schon rein mögliches freier Phantasie zum Ausgang nehmen, um an ihm die freie Variation zu betätigen, so ist nicht zu übersehen, daß schon die Herstellung des zu variierenden Exempels ihre schwierige Methode fordert. Gehen wir von einem Wahrnehmungsobjekt aus, so ist es uns zwar in der Wahrnehmung "original gegeben", aber prinzipiell nur unvollkommen; es bedarf erst der systematischen Enthüllung des gegenständlichen Sinnes in fortschreitender Anschauung, wir müssen uns erst eine volle Anschauung von diesem Ding verschaffen. Aber ins Unendliche und nach allem, was dieses Ding in Wahrheit ist (wenn es ist), können wir nicht aktuelle Erfahrung frei ins Spiel setzen, prinzipiell ist, was wir in der Einheit einer aktuellen Erfahrung gewinnen, ein "einseitig" und unvollkommen Selbstgegebenes; was da als Ding zur Selbsthabe kommt, ist umgeben von einem präsumptiven Horizont, einem Innen- und Außenhorizont. Wir können bestenfalls nur dazu übergehen, diesen Horizont, der ein Horizont des

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im voraus Möglichen ist, mit seinen Systemen disjunktiver Möglichkeiten zu entfalten, uns vorstellig zu machen, wie weitere Erfahrung laufen könnte (was sie in vielen miteinander unverträglichen Weisen könnte), wie das Ding danach erscheinen könnte und wie es in diesem Fortgang als dasselbe, als Einheit all solcher, im Verlauf einer einstimmigen Erfahrung zusammenpassender Erscheinungen anschaulich sich verwirklichen würde. Wir stehen also schon in einem System möglicher Variation, wir verfolgen eine Linie der möglichen einstimmigen Erfahrungen und ihrer Erscheinungsgehalte und lassen uns dabei beständig leiten von der Ausgangswahrnehmung mit dem in ihr festgelegten gegenständlichen Sinn - festgelegt aber nur so, daß er mit seinem wirklich und eigentlich anschaulichen Gehalt horizontmäßig den Stil weiterer anschaulicher Erfahrungsgehalte vorzeichnet, in der Weise einer allgemeinen Bestimmbarkeit, die nicht beliebige, sondern g eregel te Bestimmbarkeit ist. Daß dem aber so ist, das wissen wir selbst erst aus Variation und W escnsbetrachtung. Fehlt sie uns, so folgen wir naiv dem Zug von der wirklichen Erfahrung zu einer möglichen; wir vollziehen naiv das, was uns verständlich ist in der ungeklärten Rede von einem Anschaulichmachen, wie dieses Ding in seiner Voraussichtlichkeit sein könnte und so oder so sein müßte im Fortgang irgendeiner zu betätigenden Erfahrung. Diese mögliche Erfahrung ist hier gedacht als kenntnisnehmende, als in absichtlichen Einzelerfassungen, Explikationen verlaufende, mit entsprechenden Einzelbestimmungen (vorbegrifflichen Bestimmungen). Wir können nun frei variieren, zunächst so, daß wir die Ausgangsgehalte der Wahrnehmung festhalten und im Bewußtsein freier Beliebigkeit und des reinen überhaupt das Allgemeine des Stiles herausheben. Wir können dann aber auch die Bindung an den Ausgangsgehalt fallen

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lassen, sofern wir die Ausgangswahrnehmung in reine Möglichkeit verwandeln und diese selbst frei variiert denken, und zwar als beliebige und nach allen Sinneshorizonten fortzuführende, mitsamt den von ihr aus sich ergebenden Systemen möglicher Ausgestaltung der Erfahrung im Stile einstimmiger Erfahrung von Demselben. In der Blickrichtung nicht auf die subjektiven Akte, sondern auf das als Ding Erfahrene, auf das immerfort als identisch verbleibend erfahrene Ding und seine sich je explizierenden Eigenschaften, erwächst in der Variation und der kontinuierlichen Selbstdeckung im Allgemeinen, das Selbige überhaupt in seinen ihm überhaupt zukommenden allgemeinen Bestimmungen; und zwar ist die Allgemeinheit reine, auf reine Möglichkeiten bezogene Allgemeinheit, die dem Faktum und jedem möglichen Faktum (Einzelfall) zukommt nicht als Faktum, sondern sofern es überhaupt als dasselbe und als Abwandlung des exemplarischen Faktums soll vorgestellt werden können. Nun liegt aber die Schwierigkeit darin, daß das in der exemplarischen Ausgangsanschauung - der ersten, vorläufigen, endlich abgeschlossenen, mit der wir beginnen müssen zwar als "es selbst", aber doch mit einer offenen Unendlichkeit vermeinte Ding in seiner Meinung diese "Unendlichkeiten" nur implizite in sich schließt, und zwar so, daß jede dabei in eine Mannigfaltigkeit von Re 1a t i v i täten verflochten ist. Es ist nicht so, daß die einstimmige Erfahrung vom Ding eine gerade, einlinige Unendlichkeit (offene Endlosigkeit) besagt, mit einer Kontinuität von Selbsterscheinungen des Dinges, in denen sich in der Einheit eines übersehbaren Stiles synthetisch Einheit einer Selbsterscheinung konstituiert; so daß sich ein verharrendes Wesen herausstellen ließe, sowohl für diese Erscheinungskontinuität als Ganzes, als für die Art jedes in dieser Kontinuität je auftretenden "Dinges". Vielmehr was

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das Ding ist und was sich im Erfahren enthüllt, das ist es in bezug auf Umstände, die unter Stilformen der Normalität und Anormalität stehen; es sind Stilformen, die zugleich Enthüllungswege möglicher Veranschaulichung (Herstellung von kontinuierlich möglicher Erfahrung) bestimmen. So sind schon Ruhe und Ver ä n der u n g Titel für Normalien, die den Sinn möglicher Bewegung und Veränderung bestimmen, bezw. den Gang möglicher veranschaulichender Erfahrung. Ferner hat jedes Ding sozusagen sein solipsistisches, sein Eigenwesen - unangesehen aller Dingumgebung und der zugehörigen interrealen Kausalitäten. Wir haben als Normales hier das sinnlich Anschauliche (im primären Sinne Anschauliche) des Dinges in seiner Unveränderung und Veränderung, das alle Kausalität, die es schon voraussetzt, außer Spiel läßt. Als das dem Ding für sich Eigene gibt sich zunächst das, was bei normaler Sinnlichkeit (wozu normale Leiblichkeit gehört) primär anschaulich ist, und wieder, was für mich, den Erfahrenden, so anschaulich ist. Aber diese Sinnlichkeit kann anormal werden, die Wahrnehmungsfunktionen können anormal mitspielen, und zudem kann sich das Ding und sein Anschauungsgehalt in der Anschauung der für mich daseienden Anderen anders darbieten. Wenn ich ihn zunächst einfach als dem Ding selbst zugehörig nehme, geschieht es, weil er, was mir unvermerkt blieb, gewohnheitsmäßig gemeint war, als der mir und allen Anderen mit identisch Erscheinende unangesehen einer intersubjektiven Anormalität. Die Relation auf eine normale Erfahrungsgemeinschaft, in der nicht Individuen und Gemeinschaften mit anormalen Funktionen vorkommen, tritt also erst nachträglich hervor.

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b) Das Problem der Gewinnung der vollen Konkretion. Abstrakte und konkrete W esensbetrachtung. Das alles ist nicht zufälliges Faktum. Vielmehr, wenn ich mir ein Ding anschaulich mache, gehören solche Relativitäten und Beziehungen von Erfahrungssystemen auf Normalität und Anormalität mit in die den Sinn nach allen seinen Bestimmungen auslegenden Möglichkeiten. Das alles hat seine geordneten Zusammenhänge, denen eine systematische und vollkommene Veranschaulichung genugtun muß, wenn sie den vollen Wesensstil eines möglichen seienden Dinges enthüllen soll. Fangen wir an, etwa unwillkürlich ruhende und veränderliche Dinge betrachtend und der Ideation unterziehend, so nehmen wir ohne weiters zunächst nur Rücksicht auf normale Leiblichkeit und eine Gemeinschaft mit ausschließlich solchen Leiblichkeiten. Aber dann ist das Ergebnis mit einer Re l a t i v i t ä t behaftet, die nicht enthüllt und in Mitrechnung gezogen ist. Erst wenn alle Relativitäten auseinandergelegt und in die Wesensbetrachtung einbezogen sind, erwächst die Idee des regionalen Wesens eines Dinges überhaupt: nunmehr im Zusammenhang einer offen endlosen Natur überhaupt, weiter einer möglichen konkreten Welt überhaupt in bezug auf eine Subjektgemeinschaft überhaupt, deren offene Umwelt sie ist. Erst dann erhalten wir eine Wesenseinsicht in voller Konkretion. Alle darunter liegende, in einer unexpliziten Relativität stecken bleibende Wesensbetrachtung ist darum nicht ergebnislos, aber sie ist abstrakt und als das, was den Sinn ihres Ergebnisses anlangt, von einer Unvollkommenheit, die ihre großen Gefahren hat. Ein abstraktes, obschon reines Wesen ist uns e l b ständig, es läßt unbekannte Wesen korrelativ offen; es ist ein Titel für unselbständige Möglichkeiten, deren thematische Variation eine Sphäre unthematischer Mitvariation an sich hän-

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gen hat, die mit sinnbestimmend ist, und doch nicht den thematischen Sinn bestimmt. Zum Seinssinn eines Dinges (als wirklich seienden) gehört die Sinnendinglichkeit, mit sinnlichen Qualitäten in sinnlicher Gestalt etc., aber in Relation zu Subjekten einer Sinnlichkeit. Ferner gehört zum wirklich seienden Ding, daß es als dasselbe für "jedermann" erfahrbar ist, mit jedermanns Sinnlichkeit, die eine "normale" oder "anormale" sein kann. Damit verflochten ist, daß jedes Sinnendingliche in einer inter realen Ka usali tä t steht, die in der Intersubjektivität mit der Relativität auf die leibbezogenen Sinnlichkeiten verflochten ist. Alles, was hier für das Wesen eines Dinges als objektiv wirklichen in Frage kommt, ist anschaulich, obschon nicht in der niederen Stufe der primären sinnlichen Anschaulichkeit, faßbar; es ergibt in der Ideation W esensallgemeinheiten, die aber zunächst nur Stufen sind, bis eine geschlossene Konkretion gewonnen ist, die alle zusammengehörigen Relativitäten mit in die W esenserschauung einbezieht. Eben darum hat die alte Ontologie ihr Ziel verfehlt, weil sie die ungeheure Aufgabe einer systematischen Erschöpfung der ontologischen Konkretion nicht gesehen und sich die Methode der konkreten Wesensanschauung und einer Wesensanschauung überhaupt nicht klargemacht hat. Jeder in echter Methode gewonnene, obschon einseitige Wesensbegriff ist zugleich hinein gehörig in die uni ver s ale 0 n tolo gie. Alle ontologische Relativität ist wesensmäßig. Jede eidetische, relativ oder wirklich konkrete Möglichkeit bietet auch Gelegenheiten zu abstrakten Einschränkungen und freien Variationen, zur Bildung abstrakter Wesen, wie z. B. Farbe, Figur, Dreieck etc. Es ergeben sich besondere Probleme für die Differenzierung oberster Allgemeinheit als der universalsten und freiesten. Wir können uns in der Einstellung auf ausschließlich reine Möglichkeiten und ohne sie zu ver-

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lassen, also in der Betätigung reiner Phantasie und Objektivierung ihrer Gebilde, unter dem Titel reiner Möglichkeiten willkürlich binden an Voraussetzungen, aber Voraussetzungen innerhalb reiner Möglichkeit. Z. B. wir binden "Figur überhaupt" in anschaulich zu vollziehender Weise, indem wir sie als von drei Seiten begrenzt ansetzen, und fragen in der Bildung dieser "Differenz" n"ch den Wesenseigenheiten eines solchen freien Gebildes. Natürlich sind solche Besonderungen der Wesensallg..:meinheiten nicht zu verwechseln mit konkreten Begriffen, wie Hund, Baum etc. Empirische Begriffe sind, wie wir gesehen haben, nicht wirkliche Besonderungen reiner Allgemeinheiten; sie meinen typische Allgemeinheiten, Spielräume der Erfahrung, die von wirklicher Erfahrung immer neue Vorzeichnung erwarten.

lll. K a p i t e 1 DIE UR TEILE IM MODUS DES OBERHAUPT

§ 94· Obergang zur Betrachtung der Oberhaupt-Modifikationen des Urteilens als der höchsten Stufe spontaner Leis tun g e n. Gehen wir im Studium der verschiedenen Gestalten von syntaktischen Gegenständlichkeiten und Formen einen wichtigen Schritt weiter. Die Begriffsbildung schafft nicht nur neue Gegenständlichkeiten in gleicher Art mit anderen syntaktischen Gegenständlichkeiten, und sie begründet mit den neu geformten Gegenständen nicht bloß neue Formen von Sachverhalten analoger Art, wie das andere syntaktische Gegenständlichkeiten auch tun. Also nicht nur, daß mit dem Auftreten des Allgemeinen ein eigenartiges Urteilsverhältnis zwischen Einzelnem und Allgemeinem entspringt, z. B. zwischen dem Begriff Rot und einzelnen roten Gegenständen und so die Urteilsform "dies ist rot". Das wäre analog dem Ursprung des neu-

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Die Allgemeingegenständlichkeiten

artigen Verhältnisses zwischen einzelnem Mengenglied und Menge, das mit der syntaktischen Form Menge eo ipso erwächst. Vielmehr: in eins mit dem Allgern e i n e n e n t s p r i n g t a u c h d a s s p e z i f i s c h e so g enann te allgemeine Urteilen, die überhauptmo dif i k a tio n des Ur teil ens. Damit zeigen sich syntaktische Gebilde eines völlig neuen Stiles an, die Begriffsbildung, Konstitution von Allgemeingegenständlichkeiten voraussetzen und sich mit ihr auf alle erdenklichen Formen von Gegenständen und Sachverhalten erstrecken. Es handelt sich also um eine höchste Stufe von spontanen Leistungen, die auch vom axiologischen Standpunkt die höchsten, die dem Erkenntniswert nach höchsten darstellen. In ihnen liegt alles im prägnanten Sinne Wissenschaftliche aller Wissenschaft, das ist das, was der Idee Wissenschaft semen wesentlichen Gehalt gibt.

§ 95· Der Ursprung der Überhaupt-Modifikation aus dem Gleichgültigwerden der individuellen Diesbei ten. Wie sind diese neuen Formen von Urteilen im Kontrast zu den bisher betrachteten zu verstehen? Sie sind nicht notwendig schon damit gegeben, daß in spontaner Erzeugung Allgemeingegenständlichkeiten konstituiert sind. Allgern ~ingegenstände können wie alle anderen Gegenstände als Kerne in Urteilen auftreten, ohne daß deswegen das Urteil selbst die Modifikation ~n ein überhaupt-Urteil erfahren müßte. Z. B. im Urteil A und B sind rot, tritt an der Prädikatseite der generelle Kern "rot" auf; nichtsdestoweniger ist dieses Urteil ein unmodifiziertes kategorisches Urteil. Ebenso können sich unmodifizierte Urteile ergeben, wenn Gattungen, Spezies usw. an der Subjektstelle stehen, z. B. "diese Farbe ist leuchtend". Sobald aber in einem Urteil gene-

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relle T errnini auftreten, ist in ihnen eine Beziehung zwischen Einzelheit und Allgerneinheit vork o n s t i tu i er t, ohne daß sie deswegen selbst schon thematisch zu werden brauchte. Ist dies aber der Fall, so ergeben sich Oberhaupt-Modifikationen. Machen wir uns das an einem Beispiel klar. Wir sehen in einem Garten eine Rose; wir können sie nun als individuelles Dies-da betrachten. Das sagt, sie lenkt, uns affizierend, unser Interesse auf sich; wir wenden uns ihr erfassend zu, sie kennen zu lernen. Die Intention geht auf Explikation des individuellen Objektes, und wir dringen, prädikativ es weiter bestimmend, allseitig in das Objekt ein; wir finden etwa zunächst, daß die Rose gelb ist, und urteilen nun prädikativ "diese Rose ist gelb". Von vornherein ist sie konstituiert als ihrem allgerneinen Typus nach bekannte auf Grund der früheren Erfahrungen von Rosen. Demgemäß ist auch noch eine andere Richtung des Interesses möglich und eine anders geformte Intention. Der Blick kann diese Ketten der Gleichheit durchlaufen, und das Gleiche kann, wie das die Rede von der Gleichgeltung ausdrückt, für das Interesse in der Tat völlig gleich gelten, die individuellen Unterschiede können "gleichgültig" werden. Es konstituiert sich so eine Form des Meinens des Einzelnen, worin es nur nach dem die Gleichgeltung Begründenden (und eben darum nicht Gleichgültigen) betrachtet wird: jedes nur als irgendein A, als "eine" Rose, und gar nicht als diese sich des näheren so und so bestimmende Rose, wobei jede andere sich individuell anders bestimmte. Eben das ist hier gleichgültig und überschreitet die in der Form "ein A" ausgedrückte Meinung. Dieses Gleichgültige ist, wenn wir ursprüngliche Anschauung voraussetzen, mit da, durch Explikation herauszuholen, aber es bleibt in der Einstellung, welche die jetzige Sinngebung, die jetzige Urteilsrichtung innehat, außer Be-

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tracht. In unserem obigen Beispiel sehen wir dann jene gelbe Rose nur als "eine Rose" unter anderen an und sind für ihre individuelle Diesheit uninteressiert; das Interesse ist darauf gerichtet, daß unter den hier gegebenen Rosen eine ist, die gelb ist. Wir urteilen nicht mehr "diese Rose ist gelb", sondern "eine Rose (in diesem Bereich, z. B. hier in dem Garten) ist gelb". Vielleicht finden wir noch eine solche, dann urteilen wir in derselben Einstellung: "noch eine andere", oder auch "zwei Rosen sind gelb", oder in unbestimmtem Plural: "einige Rosen sind gelb" - einige, das heißt eine und eine usw. Es gehört hier zum offenen Undsoweiter nicht das unbedingte "immer wieder", sondern in der Regel nur dies, daß wir "wiederholt", "mehrmals" ein A finden können.

§ 96. Das partikuläre Urteil. a) Das partikuläre Urteil als lnexistenzialurteil. Partikularität und Zahlbegriff. Auf Grund dieser Wandlung des Interesses hat sich in zweierlei Hinsicht Neues gebildet: einerseits entstanden im Obergang von Gleichem zu Gleichem in dieser neuen Einstellung die Formen "ein A", "ein A und ein A", oder auch "ein A und ein anderes", "ein A und ein anderes A und wieder ein anderes A usw.", ebenso die unbestimmte Vielheit. Wir stehen damit beim Ursprung der primitiven Zahlformen, die hier als Gebilde in der Funktion des "irgendein" erwachsen, und zwar in aktiY erzeugender Einstellung, welche die Urteilstätigkeit bestimmt und in eigentümlicher Weise durchtränkt. Andererseits haben sich neue Ur teil smo dif ika ti on en gebildet, die p arti k ul är e n Ur t e i I e, z. B. "eine Rose ist gelb". Sie sind durchaus unterschieden von den singulären Urteilen, die

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sich auf individuell bestimmte Termini beziehen, z. B. "diese Rose ist gelb". Der Bereich der partikulären Urteile kann auch ein offen unendlicher sein, sich etwa auf Rosen in Deutschland beziehen. Offenbar liegt im Sinne solcher Urteile mit beschlossen eine Inexistenz, ein Sein in einem Zusammenhang, einem Bereich. Es sind I nexistenzi al urteile: in diesem Garten, in Europa, auf der Erde gibt es, sind vorhanden, gelbe Rosen. Bisher haben wir nur einfachste partikuläre Urteile kennen gelernt, die nur ein "irgendein A überhaupt" enthalten. Allgemein können wir aber sagen: partikuläre Urteile sind dadurch eh arak te ris i ert, daß sie entweder einen oder auch mehrere "Termini der Partikularität" haben. Darunter verstehen wir eben solche Stellen "irgendein A überhaupt", "irgendein B überhaupt" usw., an deren jeder jene eigentümliche Setzung einer unbestimmten Einzelheit eines begrifflich Allgemeinen vollzogen ist. Jeder plurale Terminus der Partikularität birgt dabei - explizite oder implizite - intentional in sich eine Vielheit, und beim unbestimmten Plural eine unbestimmte Vielheit von Terminis der Partikularität. Bestimmte Vielheiten von partikulären Terminis sind die Anzahlen. Doch gehört zum Sinn einer Anzahl, daß der bestimmte partikuläre Plural auf dem Wege der Vergleichung und Begriffsbildung unter einen entsprechenden Formbegriff gebracht ist; irgendein Apfel und irgendein Apfel, irgendeine Birne und irgendeine Birne usw. Das begrifflich Gemeinsame drückt sich aus als irgendein A und irgendein anderes A, wo A "irgendein Begriff" ist. Das ist der Anzahlbegriff Zwei; ebenso für Drei usw. Das sind die ursprünglich und direkt geschöpften Anzahlen. Die Arithmetik führt mit gutem Grunde indirekte Begriffe, Begriffe der Erzeugung der Anzahlen und ihrer Be-

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stimmung durch die summatorisehe Erzeugung em 2=I +I, 3=2 +I USW.

Eine Mehrheit partikulärer Termini braucht nicht in pluralen Komplexen vereint, z. B. als Anzahl aufzutreten; die Partikularitäten können sehr verschieden verteilt sein (z. B. "Rosen wachsen teils an Spalieren, teils an freien Stöcken"). Sie treten auch nicht nur in primitiven Sachverhaltsformen auf, sondern jede Abwandlung dieser Formen und jede aus den abgewandelten herzustellende Gesamtbildung kann in mannigfacher und systematisch zu verfolgender Weise die Partikularität an sich nehmen, und eben dadurch können in den sehr komplexen Sachverhaltsgebilden, an den syntaktischen Teilgebilden sehr mannigfach verteilte Termini der Partikularität auftreten. b) Das partikuläre Urteil als Modifikation des bestimmten Urteils. Dabei ist auch zu beachten, daß schon die primitivste Form "irgendein A ist B" unter dem Titel "irgendein A" nicht eigentlich eine neue Gegenständlichkeit schafft, von der B des Prädikat ausdrückt. "lrgendeine Rose" ist nicht ein neuer Gegenstand, von dem das Gelbsein so ausgesagt würde, wie es von irgendeinem bestimmten Ding, z. B. einer bestimmten Rose oder einem bestimmten Apfel ausgesagt wird. Vielmehr entspricht der bestimmten Prädikation, bezw. dem bestimmten Sachverhalt "dies ist gelb" die partikuläre S a c h v e r h a I t s a b w a n d I u n g als G e b i I d e e i n e r eigentümlich unbestimmten Weise der Präcl i k a t i o n, die nicht ein neues Subjekt schafft, sondern in unbestimmter Weise setzend ein Subjekt überhaupt denkt und als ein A denkt. Das "irgendein" affiziert das Ist und das Gelb mit, also den Gesamtsinn des Geurteilten; wir haben ein gedankliches Gebilde, das

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unbestimmt auf einen Sachverhalt bezogen ist, aber eigentlich nicht selbst ein Sachverhalt ist. Die partikuläre Bildung bezeichnet sozusagen eine gedankliche Operation, die ursprünglich an individuell bestimmten Sachverhalten zu üben ist, nämlich an ihren bestimmten T erminis, und dann an allen Verknüpfungen von Sachverhalten und allen ihren Abwandlungen, die aus den bestimmten wieder bestimmte erzeugen. So treten in konjunktiven, disjunktiven, hypothetischen Bildungen von Sachverhalten an passen~en Stellen Partikularitäten ein und ergeben für diese ganzen Gebilde, für die noch so komplizierten Sätze, partikuläre Satzformen. Wir haben dann partikuläre hypothetische und kausale Vordersätze und, ihnen zugehörig, partikuläre Nachsätze. Ebenso ist es gleich, ob die Sätze schlichte Gewißheit aussprechen oder problematische Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit usw. Auch die Denkmöglichkeit der Phantasie führt auf Partikularitäten; z. B. ich kann mir denken, daß in diesem Garten blaue Rosen sind, es ist denkmöglich. c) Partikuläre Phantasieurteile als apriorische Existenzial urteile. V ersetzen wir das Urteilen und die geurteilten Sachverhalte und dann auch die partikulären Sachverhaltsgedanken in die reine Phantasie, dann gewinnen wir neue Partikularitäten; wir gewinnen sie mit Rücksicht darauf, daß alle Abwandlung im Modus des Als-ob eigene Formen ergibt in der früher beschriebenen Art, in der uns reine Möglichkeiten aus eingebildeten Wirklichkeiten zuwachsen. Denken wir uns in reiner Phantasie, daß irgendein Dreieck überhaupt rechtwinkelig sei, und gewinnen wir diesen partikulären Sachverhalt in einstimmiger anschaulicher Einheit im Als-ob - als ob wir das so Seiende und in den zugehörigen Opera-

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tionen wirklich sich Gestaltende gewännen - so können wir in Xnderung der Einstellung als wirklich vorfinden die reine Möglichkeit, daß irgendein Dreieck rechtwinkelig sei. Darin beschlossen ist übrigens die einfachere reine Möglichkeit partikulärer Form: ein Dreieck ist eine Möglichkeit, ein Dreieck kann sein, es ist denkbar, daß es sei. Deutlicher gebrauchen wir für dieses Denkbarsein im Sinne reiner Phantasie die Rede von apriorischer Möglichkeit: es ist a priori .möglich, a priori denkbar, daß .... Es erwachsen hier Existenzialurteile, bezw. lnexistenzialurteile des "es gibt" in der eigentümlichen Mo dif ika tion des Apriori. Sprachlich werden sie äquivok durch das "es gibt", "es existiert" ausgedrückt und durch die verschiedenen sonstigen Redeformen der Partikularität. Aber es sind, wie gesagt, nicht Partikularitäten schlechthin, wirkliche Partikularitäten, sondern apriorische Möglichkeiten von so 1c h e n. Alle mathematischen Existenzialsätze haben diesen modifizierten Sinn: "es gibt" Dreiecke, Vierecke, Polygone aller weiter aufsteigenden Zahlen; "es gibt" regelmäßige Polyeder von 56, aber nicht von allen Zahlen von Seitenflächen. Der wahre Sinn ist nicht schlechthin ein "es gibt", sondern: es ist apriori möglich, daß es gibt. Allerdings sind das selbst auch wirkliche Existenzialsätze, überhaupt wirkliche partikuläre Urteile; sie sprechen nämlich über die Existenz von Möglichkeiten, von der Möglichkeit, daß es Dreiecke gibt, aber nicht schlechthin davon, daß es Dreiecke gibt. So überall. Alle Existenzialurteile der Mathematik als apriorische Existenzialurteile sind in Wahrheit Existenzialurteile von Möglichkeiten; alle mathematischen partikulären Urteile sind unmittelbar partikuläre Urteile von Möglichkeiten, aber von Möglichkeiten partikulärer Urteile über Mathematisches. Wir können dann auch korrekt sagen: unter den

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apriorischen Möglichkeiten gibt es Möglichkeiten von solchen partikulären Vorkommnissen. Doch das bedarf der Erläuterung. Jede apriorische Möglichkeit ist aprioris