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German Pages 280 [282] Year 2019
Epigraphische Notizen Zur Erinnerung an Peter Herrmann
Herausgegeben von Kaja Harter-Uibopuu Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Band 6 Alte Geschichte Franz Steiner Verlag
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Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Herausgegeben von Alessandro Bausi (Äthiopistik), Christian Brockmann (Klassische Philologie, Gräzistik), Christine Büchner (Katholische Theologie), Christoph Dartmann (Mittelalterliche Geschichte), Philippe Depreux (Mittelalterliche Geschichte), Stephan Faust (Klassische Archäologie), Helmut Halfmann (Alte Geschichte), Kaja Harter-Uibopuu (Alte Geschichte), Stefan Heidemann (Islamwissenschaft), Ulrich Moennig (Byzantinistik und Neugriechische Philologie), Barbara Müller (Kirchengeschichte), Sabine Panzram (Alte Geschichte), Werner Riess (Alte Geschichte), Jürgen Sarnowsky (Mittelalterliche Geschichte), Claudia Schindler (Klassische Philologie, Latinistik), Martina Seifert (Klassische Archäologie), Giuseppe Veltri ( Jüdische Philosophie und Religion)
Band 6 Verantwortliche Herausgeberin für diesen Band: Kaja Harter-Uibopuu
Epigraphische Notizen Zur Erinnerung an Peter Herrmann
Herausgegeben von Kaja Harter-Uibopuu
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: P. Herrmann, Schede zu IG XII 6, 1, 234 (Samos) © Archiv der Inscriptiones Graecae, BBAW Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Druck: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12456-0 (Print) ISBN 978-3-515-12459-1 (E-Book)
EDITORIAL In der Reihe Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne haben sich geisteswissenschaftliche Fächer, die u. a. die vormodernen Gesellschaften erforschen (Äthiopistik, Alte Geschichte, Byzantinistik, Islamwissenschaft, Judaistik, Theologie- und Kirchengeschichte, Klassische Archäologie, Klassische und Neulateinische Philologie, Mittelalterliche Geschichte) in ihrer gesamten Breite zu einer gemeinsamen Publikationsplattform zusammengeschlossen. Chronologisch wird die Zeit von der griechisch-römischen Antike bis unmittelbar vor der Reformation abgedeckt. Thematisch hebt die Reihe zwei Postulate hervor: Zum einen betonen wir die Kontinuitäten zwischen Antike und Mittelalter bzw. beginnender Früher Neuzeit, und zwar vom Atlantik bis zum Hindukusch, die wir gemeinsam als „Vormoderne“ verstehen, zum anderen verfolgen wir einen dezidiert kulturgeschichtlichen Ansatz mit dem Rahmenthema „Sinnstiftende Elemente der Vormoderne“, das als Klammer zwischen den Disziplinen dienen soll. Es geht im weitesten Sinne um die Eruierung sinnstiftender Konstituenten in den von unseren Fächern behandelten Kulturen. Während Kontinuitäten für die Übergangszeit von der Spätantike ins Frühmittelalter und dann wieder vom ausgehenden Mittelalter in die Frühe Neuzeit als zumindest für das lateinische Europa relativ gut erforscht gelten können, soll eingehender der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Kulturen des Mittelalters im Allgemeinen auf die antiken Kulturen rekurrierten, sie fortgesetzt und weiterentwickelt haben. Diesen großen Bogen zu schließen, soll die neue Hamburger Reihe helfen. Es ist lohnenswert, diese längeren Linien nachzuzeichnen, gerade auch in größeren Räumen. Vielfältige Kohärenzen werden in einer geographisch weit verstandenen mediterranen Koine sichtbar werden, wobei sich die Perspektive vom Mittelmeerraum bis nach Zentralasien erstreckt, ein Raum, der für die prägende hellenistische Kultur durch Alexander den Großen erschlossen wurde; auch der Norden Europas steht wirtschaftlich und kulturell in Verbindung mit dem Mittelmeerraum und Zentralasien – sowohl aufgrund der Expansion der lateinischen Christenheit als auch über die Handelswege entlang des Dnepr und der Wolga. Der gemeinsame Impetus der zur Reihe beitragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besteht darin aufzuzeigen, dass soziale Praktiken, Texte aller Art und Artefakte/Bauwerke der Vormoderne im jeweiligen zeithistorischen und kulturellen Kontext ganz spezifische sinn- und identitätsstiftende Funktionen erfüllten. Die Gemeinsamkeiten und Alteritäten von Phänomenen – die unten Erwähnten stehen lediglich exempli gratia – zwischen Vormoderne und Moderne unter dieser Fragestellung herauszuarbeiten, stellt das Profil der Hamburger Reihe dar. Sinnstiftende Elemente von Strategien der Rechtsfindung und Rechtsprechung als Bestandteil der Verwaltung von Großreichen und des Entstehens von Staatlichkeit, gerade auch in Parallelität mit Strukturen in weiterhin kleinräumigen
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Editorial
Gemeinschaften, werden genauso untersucht wie Gewaltausübung, die Perzeption und Repräsentation von Gewalt, Krieg und Konfliktlösungsmechanismen. Bei der Genese von Staatlichkeit spielen die Strukturierung und Archivierung von Wissen eine besondere Rolle, bedingt durch ganz bestimmte Weltvorstellungen, die sich z. T. auch in der Kartographie konkret niederschlugen. Das Entstehen von Staatlichkeit ist selbstverständlich nicht nur als politischer Prozess zu verstehen, sondern als Gliederung des geistigen Kosmos zu bestimmten Epochen durch spezifische philosophische Ansätze, religiöse Bewegungen sowie Staats- und Gesellschaftstheorien. Diese Prozesse der longue durée beruhen auf einer Vielzahl symbolischer Kommunikation, die sich in unterschiedlichen Kulturen der Schriftlichkeit, der Kommunikation und des Verkehrs niedergeschlagen hat. Zentrum der Schriftlichkeit sind natürlich Texte verschiedenster Provenienz und Gattungen, deren Gehalt sich nicht nur auf der Inhaltsebene erschließen lässt, sondern deren Interpretation unter Berücksichtigung der spezifischen kulturellen und epochalen Prägung auch die rhetorische Diktion, die Topik, Motive und auktoriale Intentionen, wie die aemulatio, in Anschlag bringen muss. Damit wird die semantische Tiefendimension zeitlich weit entfernter Texte in ihrem auch symbolischen Gehalt erschlossen. Auch die für uns teilweise noch fremdartigen Wirtschaftssysteme der Vormoderne harren einer umfassenden Analyse. Sinnstiftende Elemente finden sich auch und v. a. in Bauwerken, Artefakten, Grabmonumenten und Strukturen der jeweiligen Urbanistik, die jeweils einen ganz bestimmten Sitz im Leben erfüllten. Techniken der Selbstdarstellung dienten dem Wettbewerb mit Nachbarn und anderen Städten. Glaubenssysteme und Kultpraktiken inklusive der „Magie“ sind gerade in ihrem Verhältnis zur Entstehung und Ausbreitung des Christentums, der islamischen Kultur und der Theologie dieser jeweiligen Religionen in ihrem Bedeutungsgehalt weiter zu erschließen. Eng verbunden mit der Religiosität sind Kulturen der Ritualisierung, der Performanz und des Theaters, Phänomenen, die viele soziale Praktiken auch jenseits der Kultausübung erklären helfen können. Und im intimsten Bereich der Menschen, der Sexualität, den Gender-Strukturen und dem Familienleben gilt es ebenfalls, sinn- und identitätsstiftenden Elementen nachzuspüren. Medizinische Methoden im Wandel der Zeiten sowie die Geschichte der Kindheit und Jugend sind weitere Themengebiete, deren Bedeutungsgehalt weiter erschlossen werden muss. Gemeinsamer Nenner bleibt das Herausarbeiten von symbolträchtigen Elementen und Strukturen der Sinnhaftigkeit in den zu untersuchenden Kulturen gerade im kulturhistorischen Vergleich zu heute. Die Herausgeber
INHALTSVERZEICHNIS Kaja Harter-Uibopuu Vorwort ...........................................................................................................
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Georg Petzl Zum Inschriftencorpus von Sardeis – einem Vorhaben Peter Herrmanns ......
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Norbert Ehrhardt Peter Herrmann als Epigraphiker Milets ........................................................
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Hasan Malay & Marijana Ricl Two new Hellenistic Inscriptions from Lydia and Aiolis ...............................
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Michael Wörrle Der Brief des Septimius Severus an Aizanoi ..................................................
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Angelos Chaniotis Inscriptions from Bucakköy (Syneta?) in Karia .............................................
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Christof Schuler Straßenbau und Infrastruktur im flavischen Lykien. Zwei neue Meilensteine aus Patara ................................................................. 107 Klaus Zimmermann Opramoas in Patara ......................................................................................... 129 Christian Wallner Ramsays Fragmente. Ein Lokalaugenschein im Depot von Antiocheia ad Pisidiam ............................................................ 143 Mustafa Adak Der Pneumatiker Aretaios und ein Verehrer Platons aus Kappadokien ......... 157 Linda-Marie Günther Adoptionen in Milet – späthellenistische Familienstrategien? ....................... 175 Werner Eck Ehre wem Ehre gebührt. Große oder außergewöhnliche statuarische Monumente als herausragende Ehrung in den kleinasiatischen Provinzen während der Kaiserzeit ............................. 195
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Inhaltsverzeichnis
Marietta Horster Stiftungssicherung im römischen Osten: „Römische“ Sanktionen und ökonomische Interessen ................................... 215 Helmut Halfmann Hadrians Reisen: Alte und neue Erkenntnisse ................................................ 235 Rudolf Haensch Übergriffe römischer Soldaten in den östlichen Provinzen des Imperium Romanum ................................................................................. 249 Abkürzungen ................................................................................................... 277
VORWORT Kurz nach meiner Ankunft in Hamburg erhielt ich zwölf Kisten mit Büchern, die bislang bei meinem Vorgänger Helmut Halfmann gestanden hatten. Ich packte mit Freude und Staunen eine kleine und feine Bibliothek aus, viele Standardwerke, viele Besonderheiten, viele Reiseführer und vor allem eine Menge von Texten. Nun ist eine derartige Überraschung natürlich immer hochwillkommen, noch größer war die Freude aber, als ich die Geschichte hinter den Büchern erfuhr: Es handelt sich um den Teil von Peter Herrmanns Bibliothek, den er dem Institut vermacht hatte. Dies geschah unter der Auflage, dass sie auch Studierenden dienen solle, die sie etwa bei Referaten oder Hausarbeiten benötigten. Diese Großzügigkeit, nicht nur dem Arbeitsbereich, sondern vor allem den Studierenden gegenüber, war Peter Herrmann selbstverständlich und zeichnete ihn, der selbst aus einer Zeit stammte, in der es an vielem mangelte, besonders aus. Nach der Vertreibung aus dem Sudetenland besuchte Herrmann das Gymnasium im achten Wiener Bezirk und studierte im Anschluss daran in Wien unter anderem bei Josef Keil und Artur Betz. Der berühmte bacillus epigraphicus hatte ihn bereits fest im Griff, bevor er 1950 nach Hamburg übersiedelte, hier bei Bruno Snell promovierte und nach dem Reisestipendium und einem Jahr in Göttingen schließlich als Assistent seine Karriere an dieser Universität begann. Ihr blieb er in weiterer Folge treu, von 1968 bis 1989 als Professor für Alte Geschichte ebenso wie auch nach seiner Emeritierung. Von 1994 bis 2001 schließlich leitete er die Inscriptiones Graecae in Berlin, die seine zweite akademische Heimat wurden, mit viel Engagement und Durchsetzungskraft gegenüber der Akademieverwaltung. Mir persönlich war es nicht vergönnt, Peter Herrmann kennengelernt zu haben. Mein Bild von ihm als Wissenschaftler beruht daher ebenso auf seinen Schriften, wie auf den Erzählungen seiner Freunde und Schüler. Übereinstimmend werden dabei nicht nur seine Genauigkeit und seine differenzierte Analyse der epigraphischen Zeugnisse gelobt. Seine zahlreichen Schriften bilden auch heute vielfach die Basis für neue Untersuchungen und werden in der Forschungsliteratur gerne herangezogen. Erst 2016 hat Wolfgang Blümel einige davon in einem Sammelband „Kleinasien im Spiegel epigraphischer Zeugnisse“ herausgegeben (De Gruyter). Auf der anderen Seite erreichten mich auf die Einladung zur Tagung hin viele Nachrichten, die neben dem Wissenschaftler auch den Menschen würdigten. Bescheidenheit und Höflichkeit, aber auch Begeisterungsfähigkeit, Großzügigkeit und allen voran Integrität stehen dabei an erster Stelle der Erinnerungen. „An diesen hochgelehrten und doch so bescheidenen Gelehrten zu erinnern, ist höchst erfreulich und angemessen“, „He was arguably the greatest German epigraphist of the 20th century, and he was certainly the nicest of all“ und „Professor Herrmann was a hero of mine, for obvious reasons“ sind nur einige der Reaktionen. Das so entstandene Bild ließ sich an seinen eigenen Aussagen mes-
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sen, denn Eva Herrmann und Norbert Ehrhardt erlaubten mit der Edition der „Briefe von der archäologisch-epigraphischen Stipendiatenreise 1955/56 in den Ländern des Mittelmeers“ (München 2008) einen sehr persönlichen Blick auf den jungen Forscher. Die Briefe an seine Familie und Freunde von der Fahrt als Reisestipendiat ziehen nicht nur in Bann, weil sie selbst historische Dokumente sind. Sie tun es vor allem, weil hier die endlose Neugier spürbar wird, die das Werk von Peter Herrmann auch in späteren Jahren kennzeichnen wird. Wertschätzung der Möglichkeiten, die sich ihm auf dieser Reise boten, Wissensdurst und eine Beobachtungsgabe, die sich auch auf scheinbar Kleines und Unbedeutendes konzentriert, werden deutlich. Auch Höflichkeit und Bescheidenheit, sowie freundlicher Umgang mit allen Menschen, die ihm begegneten, waren ihm selbstverständlich. Am 22. Mai 2017 wäre Peter Herrmann 90 Jahre alt geworden. Dies bot den Anlass, seine Frau, Dr. Eva Herrmann, sowie Freunde und Wegbegleiter, Schüler und interessierte Zuhörer zu einer Tagung in das Gästehaus der Universität einzuladen, deren Motto „Epigraphische Notizen“ dem Titel seiner regelmäßigen Kommentare in den Epigraphica Anatolica zu bekannten und neuen Inschriften entnommen ist. 18 Referentinnen und Referenten folgten der Einladung gerne und präsentierten Ergebnisse ihrer Forschungen zur kleinasiatischen Epigraphik. Mein Dank gilt an dieser Stelle nicht nur ihnen, sondern auch der Fakultät für Geisteswissenschaften und dem SFB 950 „Manuskriptkulturen in Asien, Afrika und Europa“, die die Veranstaltung durch ihre Unterstützung erst ermöglichten. Ebenso möchte ich noch einmal meinen Kolleginnen und Kollegen Dank aussprechen. Sie alle, professoral oder als Mitarbeiter und Doktoranden hatten mich in den Vorbereitungen unterstützt, mit mir die Freude über die Zusagen geteilt und versucht, mir die Unruhe vor meiner ersten Hamburger Tagung zu nehmen. Ich weiß, dass wir in dieser kollegialen und jederzeit Unterstützung gewährenden Atmosphäre den Weg, den Peter Herrmann am Institut für Alte Geschichte vorgezeichnet hat, weitergehen. Auch bei der Drucklegung dieses Bandes wurde ich von vielen Seiten unterstützt. An erster Stelle gebührt dabei größter Dank meinem Mitarbeiter Philip Egetenmeier, der die Last aller formalen Vereinheitlichungen, Formatierungen und weiteren technischen Umsetzungen geduldig trug. Frau Katharina Stüdemann und Frau Andrea Hoffmann vom Franz Steiner Verlag begleiteten die Druckvorbereitung in freundlicher Weise und die Herausgeber der Hamburger Reihe zögerten nicht, den Band darin aufzunehmen. Der vorliegende Band enthält eine Auswahl der Vorträge, die an der Tagung gehalten wurden, in schriftlicher Form. Diese lassen sich in drei Themengruppen zusammenfassen. Am Anfang stehen zwei Beiträge, die dem Leser Peter Herrmann als Epigraphiker näher bringen. Georg Petzl (Köln) führt nicht nur in die Geschichte des Inschriftencorpus von Sardeis ein, sondern zeigt anhand der Korrespondenz des Grabungsleiters Crawford H. Greenewalt mit Louis Robert und Peter Herrmann, wie letzterer die Möglichkeit erhielt, die Inschriften aus Sardeis zu publizieren. Das Corpus wurde zwar vorbereitet, ein Abschluss war
Vorwort
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Herrmann selber nicht vergönnt. Dieser Aufgabe widmete sich Georg Petzl in den letzten Jahren: Der Band Sardis II (Harvard 2019) legt nun die Funde von 1958 bis 2017 vor. Einige Beispiele daraus finden sich auch in dem in diesem Band aufgenommenen Beitrag. Auch Norbert Ehrhardt (Münster) breitet ein Stück Wissenschaftsgeschichte aus und zeichnet ein kenntnisreiches Bild von Herrmanns Wirken in Milet. Auf der Basis der Korrespondenz zahlreicher Gelehrter und Herrmanns eigener Publikationen führt er nicht nur in die Anfänge seiner Arbeiten ein, sondern beleuchtet auch die Konzeptionen bei der Bewältigung der umfangreichen epigraphischen Altlasten der Grabung. Beide Beiträge lassen erkennen, mit welcher Hingabe sich Peter Herrmann dem kleinasiatischen Inschriftenmaterial gewidmet hatte. Der zweite Teil des vorliegenden Bandes ist entsprechend der Publikation von Neufunden und Kommentaren zu bereits edierten Inschriften gewidmet und führt den Leser beinahe auf eine Rundreise durch Kleinasien. Aus Lydien und der Aiolis präsentieren Hasan Malay (Izmir) und Marijana Ricl (Belgrad) zwei neue hellenistische Zeugnisse. Aus den Jahren 153/2 oder 152/1 v. Chr. stammt eine Ehrung für Sokrates, S.d. Artemidoros, die erstmals ein Koinon der Maionier in der Katakekaumene belegt, einen Zusammenschluss verschiedener Gemeinden außerhalb ihres eigentlichen Zentrums Maionia. Der zweite Text, eine Ehreninschrift für zwei dikaskopoi aus Aigai wird in frühhellenistische Zeit datiert und belegt erstmals ein Fest Boulapsia für die Stadt in der Aiolis. Michael Wörrle (München) legt eine kritische Neuaufnahme des Briefes des Septimius Severus an Aizanoi vor und vermag dabei einige Unsicherheiten zu klären. Nach Karien führt der Beitrag von Angelos Chaniotis (Princeton), der eine Stele aus Bucakköy hier erstmals vorstellt. Die umfangreiche Weihung an Zeus Synetenos aus dem Anfang des 2. Jh. v. Chr. ermöglicht es ihm nicht nur, die Siedlung auf dem Tolaş Tepe als das antike Syneta zu identifizieren, sondern auch durch die Nennung von 122 Dedikanten wesentlich zu dessen Prosopographie beizutragen. Den aktuellen Forschungen in Patara entstammt der Beitrag von Christof Schuler (München): anhand zweier neuer Meilensteine, die Inschriften aus der Zeit Vespasians und der ersten Tetrarchie tragen, vermag er Hypothesen zur Geschichte Lykiens in den Jahren 68 und 69 n. Chr. und zum energischen Eingreifen des Statthalter Sex. Marcius Priscus nach einer doppelten Naturkatastrophe zu untermauern. Zudem wird zu Beginn seiner Ausführungen Peter Herrmanns Tätigkeit für das DAI und im Besonderen die Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik in München betont. Auch Klaus Zimmermann (Münster) legt einen Neufund aus der Provinzhauptstadt von Lycia et Pamphylia vor. Eine Ehrenbasis weist den aus Rhodiapolis gut bekannten Euergeten Opramoas als Agonotheten der Stadt aus, der unter anderem den Bau der Doppelstoa und der Exedra finanziell unterstützte. Im Depot von Antiocheia ad Pisidiam wurden 2015 einige Fragmente gefunden, die nach den Skizzen W. Ramsays publiziert worden waren. Christian Wallner (Klagenfurt) vergleicht fünf Originale mit den Editionen und kann dem bisherigen Befund wertvolle Neulesungen und -interpretationen hinzufügen. Den Abschluss des zweiten Teiles bildet der Aufsatz von Mustafa Adak (Antalya), der zunächst für die Identifizierung des Stifters einer Statue aus dem Territorium der Metropole
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Kaisareia in Kappadokien, Flavius Aretaios, mit einem aus der Literatur bekannten Mediziner gleichen Namens argumentiert. Auch ein Grabstein des 2./3. Jh. n.Chr. aus der gleichen Stadt lässt einen gebildeten Stifter und Verehrer Platons erkennen und vermag zu belegen, wie die Oberschicht Kappadokiens nach griechischer paideia strebte. Im dritten Teil des Tagungsbandes finden sich weitere Aufsätze, die in unterschiedlicher Weise an Forschungsschwerpunkte Peter Herrmanns anknüpfen. Zunächst schöpft Linda-Marie Günther (Bochum) aus dem reichen epigraphischen Material Milets und erläutert die Strategien, die hinter den zahlreich belegten späthellenistischen Adoptionen stehen. Neben der Substitution eines fehlenden eigenen Erben durch die Aufnahme eines Verwandten lässt sich ab dem 1. Jh. v.Chr. auch erhoffter Prestige-Gewinn nachweisen, wenn neben dem weiteren Erben noch eigene lebende Söhne des Adoptierenden belegt sind. Werner Eck (Köln) stellt die materiellen Aspekte der Inschriftenträger in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zu statuarischen Monumenten in den kleinasiatischen Provinzen. Kaiser, Statthalter und auch lokale Honoratioren waren – so zeigt er – zu keiner Zeit abgeneigt, sich durch Monumente, die in ihrer Größe oder Gestaltung von anderen deutlich abgesetzt waren, ehren zu lassen. Von einem Beitrag Peter Herrmanns zur kaiserlichen Garantie privater Stiftungen (1980) geht Marietta Horster (Mainz) in ihrer Analyse der „römischen“ Sanktionen und ökonomischen Interessen bei der Stiftungssicherung aus, kommt allerdings überzeugend zu dem Schluss, dass diese kein kaiserlich-fiskalisches Interesse ausgelöst hätten. Helmut Halfmann, der Nachfolger Peter Herrmanns in Hamburg, widmet sich den Reisen, die den Kaiser Hadrian wiederholt auch nach Lydien und in das westliche Kleinasien geführt hatten. Die umfangreichen Diskussionen um Peter Herrmanns einflussreichen Aufsatz „Hilferufe aus den Provinzen“ (1990) greift Rudolf Haensch (München) in seinem Beitrag zu Übergriffen römischer Soldaten in den östlichen Provinzen des Imperium Romanum auf und erweitert sie um wichtige Aspekte. Dabei steht im zweiten Teil eine Inschrift aus Pella im Mittelpunkt, die ein Edikt eines unbekannten Urhebers sowie drei Briefe enthält und mit einem umfangreichen Kommentar und textkritischen Apparat dem Leser neu erschlossen wird. In allen Beiträgen spiegeln sich die intensive Arbeit und fruchtbaren Diskussionen der beiden Tage in Hamburg wider. Christian Habicht, der Peter Herrmann stets auf enge Weise weit über die Wissenschaft hinaus verbunden gewesen war, musste die Einladung nach Hamburg aus gesundheitlichen Gründen ablehnen. Er schrieb aber, dass er in Gedanken gerne und engagiert dabei sei und uns den Erfolg wünsche, den Peter Herrmann verdient habe. Der vorliegende Band zeigt hoffentlich, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Hamburg, Mai 2019
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ZUM INSCHRIFTENCORPUS VON SARDEIS – EINEM VORHABEN PETER HERRMANNS Georg Petzl Die Karte Abb. 1 zeigt das Gebiet des antiken Lydien, wie es von Josef Keil für die Corpuspublikation der „Tituli Asiae Minoris“ (TAM), Band V, definiert worden ist. Die klare Linie der Außengrenze täuscht dabei eine Gewissheit vor, die so schon in der Antike nicht bestand; zum Beispiel war im Norden der Grenzverlauf zwischen Lydien und Mysien umstritten,1 auch wissen wir von Veränderungen im Laufe der Zeit. In diese Karte sind als dunklere Flächen die Gebiete eingezeichnet, für welche Corpora der dort jeweils gefundenen griechischen und lateinischen Inschriften vorliegen, und zwar solche Corpora, die A. Boeckhs Corpus Inscriptionum Graecarum, Band II von 1843, ersetzen; elektronische Datenbanken, die ja von gedruckten Publikationen abhängen, sind bei der Darstellung nicht berücksichtigt. Das älteste von diesen Corpora ist das von W.H. Buckler und David M. Robinson 1932 in der Reihe „Sardis“ als Band VII, Teil 1, herausgegebene „Greek and Latin Inscriptions“, also das Inschriftencorpus der Hauptstadt Lydiens, auf das ich gleich näher zu sprechen kommen werde. 1981 legte Peter Herrmann vom fünften Band der Tituli Asiae Minoris den ersten Faszikel vor, der Nordostlydien umfasst. Im selben Jahr wurden von R. Meriç, R. Merkelbach, J. Nollé und S. Şahin in der Reihe „Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien“ (IK), Band 17,2, die Funde aus dem Kaystros-Tal publiziert.2 1989 folgte, wiederum von Peter Herrmann vorgelegt, der zweite Faszikel von TAM V mit der epigraphischen Ernte aus Nordwestlydien. 2006 erschien, von Axel Filges herausgegeben, als Band 48 der Istanbuler Forschungen die Monographie über den östlichen ‚Außenposten‘ Blaundos; Falko von Saldern hat dort die in Blaundos und benachbarten Orten gefundenen Inschriften vorgelegt, übersetzt und kommentiert. 2007 erschien dann der von mir besorgte dritte Faszikel von TAM V („Philadelpheia et ager Philadelphenus“), der sich von denen Peter Herrmanns darin unterscheidet, daß er Übersetzungen gibt, die ebenso wie die Beschreibungen und Kommentare, deutsch abgefasst sind; auch ist dieser Faszikel vom Folianten zu handlicherem Format geschrumpft. Dem gesamten TAM V-Komplex lagen frühere Vorarbeiten, vor allem von Josef Keil, zugrunde.
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Strab. 12, 8, 12 (p. 576) ... τῆς Κατακεκαυμένης, ἣν οἱ μὲν Μυσίαν, οἱ δὲ Μαιονίαν φασίν; vgl. 13, 4, 11 (p. 628); TAM V 1, S. 79. Nr. 3501–3868.
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Nach diesem Überblick komme ich auf die Stadt zurück, die hier im Mittelpunkt steht, auf Sardeis. Die Ruinen der Stadt lockten schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Cyriacus von Ancona an, und ab dem 17. Jahrhundert wurden sie häufig aufgesucht und die zutage liegenden Inschriften abgeschrieben. Ausgrabungen fanden erst von 1910 bis 1914 unter der Leitung von H.C. Butler statt, und es folgte 1922 noch eine kurze Kampagne, die bereits in die Zeit des griechisch-türkischen Krieges fiel. Mit ihm kamen die archäologischen Aktivitäten dort zum Erliegen. Da nicht abzusehen war, ob und gegebenenfalls wann sie wieder aufgenommen werden könnten, entschlossen sich W.H. Buckler und D.M. Robinson 1932, alle bis 1922 bekannten griechischen und lateinischen Inschriften in dem erwähnten Corpus vorzulegen. Dieses wird „Sardis VII, Part I“ genannt, da die Herausgeber planten, in einem zweiten Teil die „Diaries of Robert Wood and his friends: notes taken at Sardis in 1750“3, zusammen mit den „testimonia relative to Sardis“4 zu veröffentlichen. Während Woods Tagebücher unveröffentlicht blieben, sind die antiken Testimonien zur Geschichte von Sardeis seit 1972 in der nützlichen Sammlung „Ancient Literary Sources on Sardis“ von John Griffiths Pedley zusammengestellt. Mit „Sardis VII 1“ legten Buckler und Robinson ein vorzügliches Werk vor, das in vielerlei Hinsicht Maßstäbe setzte: Zu jeder der 228 (s. Anm. 43) Inschriften sind, soweit dies möglich war, umfassende materielle Beschreibungen gegeben, dazu noch Photos der Steine oder von Abklatschen, Faksimilia aus den Handschriften der Reisenden oder solche von früheren Editionen. Die Texte sind, soweit dies tunlich war, übersetzt, und zu den inhaltlichen Erläuterungen bemerken die Herausgeber: ‚ausführliche Kommentierung ist vermieden worden außer in Fällen von speziellem Interesse‘5– hier zeigt sich eine gewisse Flexibilität gegenüber den gleichzeitigen durchweg knapp kommentierten Corpora. – Detaillierte Indices erschließen das Material. Unter der Ägide der Universitäten Harvard und Cornell wurden 1958 die Ausgrabungen als „Archaeological Exploration of Sardis“ in jährlich stattfindenden Kampagnen wieder aufgenommen, womit neue Inschriftenfunde einsetzten. Jedes Inschriftencorpus wird bekanntlich sofort nach seinem Erscheinen ergänzungsbedürftig; dieser Prozess beschleunigte sich aber für das Werk von Buckler und Robinson besonders durch den beginnenden Zustrom neuen Materials. Für die Notwendigkeit, dieses zu bearbeiten und zu veröffentlichen, fanden die damaligen Direktoren George M.A. Hanfmann und Henry Detweiler eine höchst vielversprechende Lösung. 1964 schrieben sie: ‚Die Archaeological Exploration of Sardis hat sich glücklicherweise für die Publikation des neuen epigraphischen Materials die Mitarbeit von Professor Louis Robert und Madame Jean-
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Sardis VII 1, S. 1. Sardis VII 1, S. II. „elaborate annotation has been avoided except in cases of special interest“ (Sardis VII 1, S. II).
Zum Inschriftencorpus von Sardeis
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ne Robert sichern können. Einem Vorschlag von Professor Robert folgend wurde entschieden, die wichtigsten epigraphischen Funde in einer Reihe von Monographien vorzulegen ...‘6
Diese Sätze stehen im Vorwort zu Louis Roberts „Nouvelles inscriptions de Sardes, Ier Fascicule“, das heißt zur ersten dieser Monographien. Das Bändchen behandelt 19 Inschriften. Die Abbildungen 2–3 stammen aus dem Archiv der Sardis Exploration und zeigen das Ehepaar Robert bei der epigraphischen Arbeit in Sardis: Abb. 2 (1961) beobachten G. Hanfmann (l.) und L. Robert (r.) Jeanne Robert, die einen Abklatsch einer bisher unveröffentlichten byzantinischen Grabinschrift vorbereitet.7 Abb. 3 (1964) zeigt die nämlichen drei Personen bei einem Fragment der Architrav-Inschrift SEG 36, 1094 (= I. Sard. II, Nr. 419). Drei weitere religionsgeschichtlich bemerkenswerte Inschriften aus Sardeis bzw. dessen Umgebung behandelte L. Robert später in anderen Publikationen.8 1983 veröffentlichte George Hanfmann den Band „Sardis from Prehistoric to Roman Times“; dort legt eine Reihe von Autoren die Grabungsergebnisse von 1958 bis 1975 vor. In der Bibliographie (S. xxv) wird das geplante Corpus aufgeführt als „Sardis (M[onograph] 15): L. Robert and J. Robert, Greek and Latin Inscriptions (forthcoming)“. Am 31. Mai 1985 verstarb Louis Robert. In den knapp 17 Jahren, die Jeanne Robert ihn überlebte (sie starb im 92. Lebensjahr am 31. Januar 2002), konzentrierte sie ihre Kraft auf die Bearbeitung der Inschriften von Klaros, für die Publikation der Inschriften aus Sardeis war nach einer neuen Lösung zu suchen. 1989, ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Faszikel, erschien Philippe Gauthiers Monographie „Nouvelles inscriptions de Sardes II“. In ihr werden aus der Zeit von Antiochos III. sieben ‚königliche Dokumente‘ und ein Ehrenbeschluss von Sardeis einer gründlich kommentierten Edition gewürdigt und in Anhängen weitere Beobachtungen angeschlossen. Aus der Einleitung dieser vorzüglichen Publikation wird deutlich, welche Aufgabenteilung für das künftige Corpus von Sardeis inzwischen vorgesehen war. Gauthier schreibt dort, daß noch im Oktober von Roberts Todesjahr 1985 George Hanfmann und Jeanne Robert ihm bei einem Treffen in Paris vorschlugen, das besagte hellenistische Material – Robert hatte
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Nouv. inscr. Sard. I, S. 5: „The Archaeological Exploration of Sardis has been fortunate in securing for the publication of the new epigraphic material the cooperation of Professor Louis Robert and Mme Jeanne Robert. Upon Professor Robert’s suggestion, it has been decided to present the most important epigraphic finds in a series of monographs ...“ Die Inschrift trägt die Inventarnummer IN61.030 und wird im Corpus I. Sard. II als Nr. 708 erscheinen. „Règlement de l’autorité perse relatif à un culte de Zeus“ (CRAI 1975, 306–30 = id., Op. Min. V 485–509); „La Mère des Dieux Lydienne“ (BCH 106, 1982, 359–61 = id., Doc. As. Min. 321–23, Nr. 2); „Apollon Pleurénos et le lac“ (BCH 106, 1982, 361–67 = id., Doc. As. Min. 323–29, Nr. 3); es handelt sich um die Inschriften I. Sard. II, Nr. 434, 448 und 323. Eine weitere seinerzeit unveröffentlichte Inschrift, in der das schwere Erdbeben von 17 n. Chr. erwähnt wird, bespricht er BCH 102 (1978), 405 = id., Doc. As. Min. 101; vgl. SEG 28, 928, Herrmann 1995, 30 = id., Ausgew. Schriften 157, und I. Sard. II, Nr. 440.
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dieses Dossier „Documents royaux du temps d’Antiochos III“ genannt9 – zu veröffentlichen; Gauthier fährt fort „... Peter Herrmann se chargeant des autres inscriptions“. Die umfangreiche Aufgabe, die anderen bis dahin nicht behandelten Neufunde zur Publikation fertig zu machen, war also Peter Herrmann übertragen worden. Diese knappe Information erfährt aus dem Briefwechsel von Peter Herrmann und Jeanne Robert eine schöne Ergänzung. Es sei hier bemerkt, daß auch für die folgenden Ausführungen auf seine Korrespondenz zurückgegriffen werden konnte. Nach Louis Roberts Tod im Mai 1985 war wie gesagt zu klären, was mit den Sardischen Neufunden seit 1958 geschehen sollte, deren Veröffentlichung den Roberts übertragen worden war. In einem Brief an Madame Robert spricht Herrmann diese Frage an und schlägt ein Treffen im Oktober vor, das auch stattfand. Am 6. September 1985 antwortet sie ihm: ‚Ich verstehe sehr gut, daß Mr. Hanfmann es eilig hat, die Inschriften von Sardes publiziert zu sehen, und ich habe noch viel Arbeit für Klaros. Sardes gehört mir nicht, und Sie sind ein Gelehrter nach dem Herzen von Louis und darüber hinaus ein treuer Freund.‘10
Bei besagtem Treffen übergab sie Herrmann einen Teil der Aufzeichnungen und Abklatsche, die sie zusammen mit ihrem Mann angefertigt hatte.11 Bereits im Vorfeld dieser Arbeitsaufteilung hatte es 1983 gleichsam eine Initialzündung gegeben, die zur Einbindung Peter Herrmanns in die Bearbeitung der Inschriften von Sardeis führte. In den Jahren zwischen 1976 und 1982 hatten die Ausgrabungen keine ‚Inschriften von größerem Interesse‘12 zutage gefördert: so
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So lautet der erste Untertitel von Nouv. inscr. Sard. II, dem als zweiter folgt: „Décret de Sardes en l’honneur d’Héliodôros“; vgl. Gauthier, Nouv. inscr. Sard. II, S. 7. Er erwähnt ein weiteres Dossier, dessen Veröffentlichung ihm bei dieser Gelegenheit ebenfalls anvertraut wurde, welchem Robert den Titel „La Corè de Sardes et ses enfants“ gegeben hatte. Daß Robert dieses Thema behandeln wollte, geht aus RNumism. 1976, 47 = Op. Min.VI 159 = Choix d’écrits 664, Anm. 103 hervor: „Je traiterai ... du culte de Corè à Sardes et dans quelques villes voisines, avec son idole caractéristique (cf. mes Monnaies grecques, 70), ses fêtes Coraia et Chrysanthina, et la famille de cette Corè avec ses enfants Koros, Euposia et [Eueteria?]“. Koros und Euposia werden in der Inschrift IN72.001 (= I. Sard. II, Nr. 447; vgl. ZPE 200, 2016, 242–46; SEG 36, 1095 und SEG 60, 1303) genannt, und in einer späteren Note spricht Robert nur noch von diesen beiden, BCH 101 (1977), 73 = id., Doc. As. Min. 31, Anm. 36: „Je reviens sur les images (sc. des Plutosknaben) avec le nom de Koros et d’Euposia dans le recueil des inscriptions de Sardes, où une inscription les nomme comme enfants de Corè.“ Zu einer Behandlung dieses Themas durch Gauthier ist es nicht mehr gekommen. 10 „Je comprends très bien que Mr. Hanfmann soit pressé de voir la publication des inscriptions de Sardes et j’ai encore beaucoup de travail pour Claros. Sardes ne m’appartient pas et vous êtes un savant selon le coeur de Louis et, de plus, un ami fidèle.“ 11 Brief Herrmanns an C. H. Greenewalt, jr., vom 06.11.1985. 12 Mit „Greenewalt“ werden im folgenden an P. Herrmann gerichtete Briefe Greenewalts bezeichnet. – Greenewalt, 13.03.1984: „... two long inscriptions were discovered in 1982 ..., the first inscriptions of major interest to be discovered since 1976.“ Bei dem zweiten erwähnten
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der damalige Grabungsleiter Crawford H. Greenewalt, jr., in einem Brief. 1982 aber wurde die lange und leider großenteils zerstörte Inschrift gefunden, die auf einem 2 Meter hohen Grenzstein, Horos, steht und eine vom Dictator Caesar elf Tage vor seiner Ermordung getroffene Entscheidung wiedergibt.13 Sie war eine Antwort auf eine Gesandtschaft von Sardeis, die um die Neufestsetzung der Asylansprüche von Heiligtümern des Stadtgebietes nachgesucht hatte. Am 24. Oktober 1983 fragt Greenewalt Peter Herrmann, der zu dieser Zeit einen Forschungsaufenthalt am Institute for Advanced Study in Princeton wahrnimmt, ob er Interesse und die nötige Zeit habe, dieses schwierige Dokument zu publizieren; dies setze die Expertise eines „specialist in Asia Minor inscriptions“ voraus, und er, Greenewalt, habe schon seit vielen Jahren Herrmanns Werk bewundert.14 Er lädt ihn zu einem Besuch in Sardeis ein, damit er dort vor dem Stein arbeiten kann; Herrmann ist dieser Einladung Ende September 1984 nachgekommen. Abb. 4 zeigt ihn bei der Entzifferungsarbeit 1986 vor dem Horos.15 Daß von Louis Roberts Seite kein Vorbehalt gegenüber der Publikation des Horos durch Herrmann zu erwarten war, diese vielmehr wärmstens empfohlen wurde, zeigt ein Schreiben Greenewalts schon eine Woche später.16 Wenige Wochen danach zitiert er wörtlich, was Robert ihm am 29.10.1983 geschrieben hatte: ‚Peter Herrmann wäre eine gute Wahl für die neuen epigraphischen Funde, wenn er (sc. für diese Aufgabe) frei sein kann.‘17 Im Chiron 1989 erschien Herrmanns gründlich recherchierter und dokumentierter Aufsatz „Rom und die Asylie griechischer Heiligtümer: Eine Urkunde des Dictators Caesar aus Sardeis“.18 Aus Roberts Worten geht hervor, daß seine Empfehlung sich nicht nur auf diese eine Publikation, sondern generell auf die der epigraphischen Neufunde aus Sardeis bezog. Mit der letzten Kampagne 1975 unter Hanfmanns Leitung hatte das zwischen ihm und den Roberts getroffene Abkommen sein Ende gefunden, für die Vorbereitung eines Corpus der Funde ab 1976 war eine neue Vereinbarung zu treffen. In einem Brief vom 13. März 1984 – immer noch nach Princeton – gesteht Greenewalt, daß seinen Kollegen und ihm erst 1982, unter anderem anlässlich des
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Neufund handelt es sich um die lange Ehreninschrift, die Herrmann im Chiron 23 (1993), 248–63 veröffentlichte (SEG 43, 865; I. Sard. II, Nr. 401). S. u. Anm. 18 die Bibliographie. Greenewalt, 24.10.1983: „Would you be interested and have the time to publish an inscription recently discovered at Sardis ...?“ – „For many years I have admired your work ...“ Zwei Zeilen hat er mit Kohlenstaub geschwärzt, der sich, mit Wasser vermischt, in die schwach erhaltenen Buchstabenprofile absenkt. Behutsam wischt man anschließend über die höhere Oberfläche des Steins, so daß sich die noch Kohlenstaub enthaltenden Vertiefungen dunkel abbilden und die Lesbarkeit allfälliger Buchstabenspuren verbessert wird. Greenewalt, 02.11.1983: „Such a gracious note arrived today from Professor Robert, in which he warmly endorsed the idea of your publishing the inscription from Sardis IN82.1 ..., if your busy schedule permitted. I do hope it does.“ Greenewalt, 13.03.1984: „Ce serait un bon choix pour les nouvelles trouvailles épigraphiques que Peter Herrmann, s’il peut être libre“. Chiron 19 (1989), 127–64, mit Photos Taf. 1–6 (AE 1989, 684; SEG 39, 1290; K.J. Rigsby, Asylia [1996] 433–37, Nr. 214; I. Sard. II, Nr. 305).
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Fundes des Horos, das Problem einer solchen neuen Vereinbarung bewusst geworden war.19 Mit einer deutlichen Bitte wendet er sich an Herrmann: ‚Es ist offensichtlich, daß Sie der geeignetste Spezialist sind, von dem sich die Sardis Expedition wünschen könnte, daß er die Befugnis habe, griechische und lateinische Inschriften von Sardis zu veröffentlichen. ... Meine Kollegen und ich wären sehr geehrt und hocherfreut, wenn ab 1976 aufgenommene Inschriften von Sardis von Ihnen veröffentlicht würden, und ich schreibe, um zu fragen, ob Sie frei und willens wären, diese Verantwortung zu übernehmen.‘20
In einem Brief an Greenewalt vom 23.10.1984 – wie er schreibt, „nach längerer Überlegung“ – macht Peter Herrmann folgenden Vorschlag: „Daß ich an der ehrenvollen und für mich sehr verlockenden Aufgabe durchaus interessiert bin, habe ich Ihnen ja schon zu verstehen gegeben. Auch sachliche Gründe, speziell meine Corpus-Bearbeitung von ganz Lydien außerhalb von Sardes, sprechen ja für die Annahme Ihres Angebots. Nun bin ich im Augenblick ja noch mit der Ausarbeitung von TAM V 2 beschäftigt, womit ich bis Ende 1985 fertig zu werden hoffe. Danach muß ich unbedingt meine alte Verpflichtung gegenüber der Grabung in Milet erfüllen, wo es um eine Publikation des noch unveröffentlichten Materials aus der alten Grabung seit 1899 geht (!) ... Dafür habe ich zwei Mitarbeiter gewonnen, Wolfgang Günther und Norbert Ehrhardt ...“
Herrmann hofft, durch ein Forschungsjahr „im Jahre 1986 die Arbeit in Milet einigermaßen zum Abschluß zu bringen. Danach würde ich, bevor ich einen neuen Faszikel in Lydien beginne“ – er denkt dabei an Philadelpheia –,21 „gern das Material aus Sardes in Bearbeitung nehmen ... Wie viel Zeit ich dann für dieses Vorhaben brauchen würde, kann ich natürlich noch nicht überblicken. Ich würde aber auf der Grundlage der oben genannten Prioritäten, von denen ich nicht abweichen kann, sehr gern die von Ihnen angebotene Aufgabe übernehmen. Ich hoffe, daß Sie sich auf diese Zeitplanung einlassen könnten und nicht darüber zu sehr enttäuscht sind, daß ich um etwas Aufschub bitten muß.“
Wie aus einer anderen Stelle dieses Schreibens hervorgeht, war sich Herrmann dessen bewußt, daß das ihm angetragene Corpus –„nach einer hoffentlich mit L. Robert zu erzielenden Übereinkunft“– auch „wesentliche Teile des älteren Materi19 Greenewalt, 13.03.1984: „With Professor Hanfmann’s retirement from the field directorship in 1976, responsibility for publishing Greek and Latin inscriptions recovered thereafter came into question. That question was only seriously addressed by my colleagues and me, however, when two long inscriptions ...“ usw. wie in Anm. 12. 20 Greenewalt, 13.03.1984: „You clearly are the most appropriate specialist whom the Sardis Expedition could wish to have authority for publishing Greek and Latin inscriptions from Sardis ... My colleagues and I would be very honoured and very pleased if Sardis inscriptions recovered after 1976 were to be published by you, and I write to ask if you would be free and willing to undertake this responsibility.” 21 Aus einem Brief vom 12.11.1984 an Jane Ayer Scott, Executive Director of the Sardis Expedition: „Ich wäre grundsätzlich sehr daran interessiert, das sehr ehrenvolle und für mich verlockende Angebot der Bearbeitung der seit 1958 gefundenen Inschriften anzunehmen.“ Es folgt der schon im oben zitierten Brief an Greenewalt vom 23.10.1984 gegebene Hinweis auf die vorher abzuarbeitenden Verpflichtungen. „Danach würde ich sehr gern die Arbeit in Sardis in Angriff nehmen, bevor ich mich an den 3. Faszikel des Lydien-Corpus mache, in dem vor allem Philadelphia enthalten sein wird.“
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als seit 1958“ einschließen würde (s. auch Anm. 21). Greenewalt hat für den erbetenen Aufschub Verständnis: ‚Wenn Sie noch einen Besuch in Sardis 1986 und Ihre Arbeit an den Inschriften von Sardis ab dieser Zeit in Betracht ziehen, wären wir hocherfreut! Es wäre eine große Ehre für die Sardis Expedition, würden die Inschriften Ihnen übertragen. Ich hoffe sehr, daß ein solches Übereinkommen möglich sein wird.‘22
Wir lasen oben von der im Oktober 1985 zwischen Jeanne Robert, George Hanfmann, Philippe Gauthier und Peter Herrmann getroffenen Vereinbarung. Im Sommer 1986 verbrachte Herrmann einige Zeit auf der Sardeis-Grabung und machte sich mit dem im sogenannten Expedition Compound aufbewahrten Material vertraut – Vorbereitungen für das in Aussicht genommene Corpus. Einen für 1988 ins Auge gefassten weiteren Aufenthalt in Sardeis verschiebt er freilich, „da ich ... infolge meiner intensiven Arbeit für Milet mich mit dem Material in Sardis noch nicht so beschäftigen konnte, daß ein erneuter Aufenthalt wirklich fruchtbar wäre. Es ist zunächst ja vor allem nötig, daß ich am Schreibtisch mit dem alten und neuen Material vertraut werde und die weitere Arbeit dort vorbereite.“23
Kurz vor seiner Emeritierung Ende September 1989 hält Herrmann sich wieder einige Zeit am Grabungsort auf. Die Arbeit für das Milet-Corpus beansprucht ihn indes länger als erwartet, so daß er nun damit rechnet, für Sardeis ab 1991 Zeit zu finden.24 Neben aller Arbeitsbelastung muss er sich Ende Januar 1990 einer schweren Operation unterziehen. Mit bewundernswerter sowohl physischer als auch psychischer Elastizität schreibt er zwei Wochen danach an Greenewalt (inzwischen nennt man sich freundschaftlich „Greenie“ und „Peter“): „Da ich mich gut erhole, werde ich in den nächsten Tagen auch langsam wieder die wissenschaftliche Arbeit aufnehmen können“;25 damit ist auch die an Sardeis gemeint. Mustert man sein Schriftenverzeichnis durch, zeigt sich, daß in der letzten Schaffensphase nach dem Aufsatz von 1989 zu Caesars Asyl-Festsetzung noch ein Dutzend weiterer Abhandlungen fertiggestellt wurde, welche Inschriften von Sardeis zum Thema haben. Er war mit Greenie übereingekommen, „epigraphische Beiträge zu Sardis in einer Art Fortsetzungsserie“ herauszubringen.26 Dabei verlor er das längerfristige Vorhaben eines Corpus der Inschriftenfunde seit 1958 nicht aus den Augen. Der für die Publikationen der Sardis Exploration verantwortlichen Jane Scott teilt er am 20.01.1995 mit, daß er grob geschätzt mit 300 Nummern und 50 Tafeln rechne. Einige Monate später präzisiert er:
22 Greenewalt, 09.04.1985: „If you can still consider a visit to Sardis in 1986, and involvement with Sardis inscriptions beginning at that time, we would be delighted! It would be a great honor for the Sardis Expedition if the inscriptions were to be in your charge. I very much hope that such an arrangement will be possible.” 23 Brief an Greenewalt vom 26.10.1987. 24 Brief an Jane Ayer Scott vom 15.07.1989. 25 Brief vom 13.02.1990. 26 Brief an Greenewalt vom 08.12.1992.
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Georg Petzl ‚Mein Ziel ist es, alle Stein-Inschriften, die seit 1958 gefunden worden sind, in einen einzelnen Band einzuschließen, indem ich dem von Buckler-Robinson mit Sardis VII 1 gegebenen Modell folge. ... Mit dem nächsten Jahr hoffe ich für den Arbeitsbeginn an diesem Projekt frei zu sein. Es wird mich sicher zwei Jahre beschäftigen, so daß ein Manuskript frühestens 1998 dem Publication Committee eingereicht werden könnte.‘27
Neue Beanspruchungen verzögern den anvisierten Termin. Am 21.07.2000 berichtet Herrmann in einem Brief an Greenie, „daß ich in den vergangenen zwei Jahren darum bemüht war, die Ausarbeitungen für eine Veröffentlichung der Inschriften von Sardeis voranzubringen, soweit mir die Inanspruchnahme durch andere Verpflichtungen dafür Zeit gelassen hat.“ Die „Verantwortung für die ‚Inscriptiones Graecae‘“ habe „viele Energien in Anspruch genommen.“ Er fährt fort: „Aber ich habe für Sardeis immerhin schon etwa 170 Nummern der geplanten Gesamtveröffentlichung ... ausgearbeitet und in einem Computer-Manuskript festgehalten.“ Mit Schmunzeln sei eine kurze Bemerkung eingeschaltet: Herrmann unterstreicht, daß er sein Manuskript mit Hilfe eines Computers anfertigte; damit ließ er durchblicken, daß er sich in diesem Fall dem digitalen Fortschritt angeschlossen hatte. Mit ihm hatte er sonst nicht viel im Sinn. Auf Greenies Frage nach seiner e-mail-Adresse gesteht Herrmann ihm 2001: „ich habe keine e-mail-Adresse und bin so altmodisch, dass ich das Fax benutze ...“28 Die letzte Juli-Woche 2002 verbrachte Peter Herrmann wieder im GrabungsCompound in Sardeis; Greenie hatte ihm einen Willkommens-Brief geschrieben: ‚Bitte richten Sie sich häuslich ein, mit der Bibliothek und mit Ihren InschriftenFreunden, die auf Sie im Garten unter freiem Himmel warten.‘29 Herrmann genoss die Zeit, wie er Greenie am 15.10.2002 wissen ließ: „Meinen kurzen Aufenthalt in Sardeis vom Sommer habe ich wie immer in sehr schöner Erinnerung. Ich hoffe, daß daraus noch ein paar kleinere Beiträge hervorgehen können.“ Zwei Tage zuvor hatte er einen Brief an Christian Habicht geschrieben, in dem es um den Archäologen Ludwig Ross ging. In seiner Gedenkrede auf Peter Herrmann vom 15. Mai 2003 hebt Habicht hervor, wie dieses letzte an ihn gerichtete Schreiben aus der Feder Herrmanns – und das gilt auch für dessen Brief an Greenie – „ohne die geringste Andeutung dessen, was er doch schon wusste, und dessen, was er ahnen musste“, abgefasst ist. Damit meint er die Anfang Oktober gestellte „verhängnisvolle Diagnose“ des Leidens, welches das allzu frühe Lebensende am 22. November herbeiführte.
27 Brief an A. Ramage, der Jane Scotts Funktion nach deren Eintritt in den Ruhestand übernommen hatte, vom 28.09.1995: „My aim is to include all stone inscriptions found from 1958 onward in a single volume, following the model given by Buckler-Robinson with Sardis VII 1. ... I hope to be free to start work on this project beginning with the next year. It will take me certainly at least two years. So a manuscript could be handed over to the Publication Committee in 1998 at the earliest.“ 28 Brief an Greenewalt vom 26.09.2001. 29 Greenewalt, 24.07.2002: „Please make yourself at home, with the library and with your inscription friends awaiting you in the open yard.“
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Viele der bedeutenderen epigraphischen Funde der Jahre 1958 bis 2001 lagen zu dieser Zeit in Abhandlungen von L. Robert, Ph. Gauthier und P. Herrmann vor; John H. Kroll hatte in der Harvard Theological Review 2001 die spätantiken griechischen Inschriften (79 Nummern), die in der Synagoge von Sardeis gefunden worden waren, veröffentlicht;30 auch Clive Foss ist als Herausgeber mancher Inschriften zu nennen. Aber ein Corpus, welches Buckler-Robinson’s Sardis VII 1 fortführen würde, blieb ein Desiderat. Mit dem Abschluss meiner Arbeit am Corpus des lydischen Philadelpheia war ich frei, mich der Nachbarstadt Sardeis zuzuwenden, und verbrachte 2006 auf Greenie’s freundliche Einladung hin einige Tage bei der dortigen Grabung. Ich hatte mir vorgenommmen, die vor allem in den verstreuten Publikationen erreichbaren, seit 1958 gefundenen Inschriften in einem Repertorium zusammenzuführen und mit Übersetzungen, knappen Angaben (auf Englisch) und Indices sowie Konkordanzen zu versehen. Das Supplementum Epigraphicum Graecum war bei dieser Arbeit eine große Hilfe, zumal dorthinein ebenfalls P. Herrmanns experte Anmerkungen eingeflossen waren. Auch sein von ihm erwähntes elektronisches Manuskript, das rund 150 vielfach unveröffentlichte Inschriften umfasst, wurde dankenswerter Weise durch Eva Herrmanns Initiative und Herrn Crommelin von Wickervoorts Hilfe zugänglich gemacht. Die für Herrmann typische Qualität der dortigen Kommentare konnte 2010 bei einem Kolloquium an einem hübschen Beispiel vorgeführt werden: Das linke Fragment eines Grabepigramms war 1981 gefunden und von ihm später in seinem Manuskript kommentiert worden. 2009 entdeckte Hasan Malay das fugenlos anpassende rechte Fragment, und es zeigte sich, daß Ergänzungsvorschläge und Vermutungen Herrmanns bestätigt wurden.31 In einem Brief an Greenie vom 26. November 1998 beklagte er: „Leider gibt es in Sardeis (wie auch in Milet) eine sehr große Zahl recht unergiebiger Fragmente, die man aber auch nicht ganz ignorieren darf.“ In der Tat hatte Greenie in einem früheren Schreiben seinerseits eingestanden: ‚In Sardeis ... wird die Ausgrabung nicht an den Stellen durchgeführt, wo sich wahrscheinlich Inschriften befinden.‘32 Es schien also, daß die Zusammenstellung des Repertoriums eine überschaubare Arbeit darstellen würde: Die bedeutenderen Texte lagen publiziert vor, und für viele von den kleineren konnte auf Herrmanns Ausarbeitungen zurückgegriffen werden. Bei einem weiteren Besuch der Grabung 2009 verschaffte ich mir einen möglichst umfassenden Überblick über das, was noch für mich zu tun übrig blieb, und steuerte die Fertigstellung an. Die Situation änderte sich entschieden im Jahr 2013 mit dem Beginn der Grabung im sogenannten „Field 55“ am Ostrand einer großen Terrasse, die zu einem Tempel gehörte. Dort waren in spätantiker Wiederverwendung Bauelemente und kaiserzeitliche Statuenbasen zu soliden Mauern eines großen Gebäudes aufeinan30 „The Greek Inscriptions of the Sardis Synagogue“ Bd. 94, 5–127, mit einer Einführung (1–2) von David G. Mitten. 31 Petzl 2014, 301–303; 307 (Photos); I. Sard. II, Nr. 691. 32 Greenewalt, 26.11.1994: „At Sardis ... excavation is not being conducted in the places where inscriptions are likely to be ...“
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dergeschichtet worden. Bei einem späteren Erdbeben füllte sich der Bau mit herabstürzenden Marmorblöcken, Säulentrommeln, Stelen, usw., die Stätte wurde aufgegeben und diente in der Neuzeit bis zum Erwerb durch die Grabung als Olivenhain. Der gegenwärtige Field Director, Nicholas D. Cahill, schickte per e-mail Photos von aufregenden Fundsituationen, und diese veranlassten mich, nach Sardeis zu reisen und das neu entdeckte Material zu studieren; weitere Besuche folgten in den Sommern 2014 und 2015. Es ist nicht möglich, hier die Fülle des Neuen vorzustellen. Als erstes Beispiel sei die teilweise beschädigte Basis angeführt, die nun im Compound des Grabungshauses steht (Abb. 5). Die Übersetzung der Inschrift, die wohl dem 1. bis 2. Jh. zuzuweisen ist, mag das Interesse dieses Dokuments vor Augen führen:33 Man ehrt dort eine Frau, und nach dem verlorenen Anfang setzt der Text ein: „... sie, die zweimal Oberpriesterin von Asia war und Oberpriesterin der (Ionischen) Dreizehn Städte und stephanephoros der Stadt, Tochter des Iulius Menogenes, der zweimal Oberpriester von Asia und zweimal stephanephoros der Stadt war, Gattin des Iulius Machairion, des Oberpriesters von Asia und Oberpriesters des (Ionischen) Dreizehnstädtebundes, des stephanephoros und Wettkampf-Ausrichters; die Mutter des Iulius Machairion, des Oberpriesters und Advokaten von Asia und des designierten stephanephoros und Wettkampf-Ausrichters und Oberpriesters des (Ionischen) Dreizehnstädtebundes und Priesters des Zeus Polieus und panegyriarchos; – sie, die während ihres ganzen Lebens ihrer Heimatstadt viele Wohltaten erwiesen hat und die bei den Engpässen, die von Zeit zu Zeit eintraten, die Stadt durch preisreduzierte Angebote, gelegentlich aber sogar durch Geschenke ernährt hat.34 Die Aufstellung der Statue bewerkstelligte die Phyle Tmolis aus eigenen Mitteln; Glykon, Sohn des Perseus, und Epios, Sohn des Prosochos, trugen für die Aufstellung Sorge.“35
Anlässlich der Ehrung der vornehmen Dame, deren Name verloren ist, lernt man Vertreter dreier Generationen dieser Familie kennen, die sowohl in Sardeis als auch in der Provinz Asia zu Spitzenpositionen aufgestiegen waren. Nähere Kommentierung interessanter Einzelheiten kann hier nicht gegeben werden, auf einen Aspekt aber sei hingewiesen: Die Geehrte war zweimal Oberpriesterin des provinzialen Kaiserkultes, dazu auch Oberpriesterin „der dreizehn Städte“, womit die des Ionischen Bundes gemeint sind. Ihr Mann Iulius Machairion wird entsprechend Oberpriester von Asia und Oberpriester des (Ionischen) Dreizehnstädtebundes genannt; auf die übrigen Ämter gehe ich nicht ein. Ihr Sohn Iulius Machai33 IN13.039; I. Sard. II, Nr. 350. 34 Das richtige Verständnis der Zeilen 21–22 wird Chr. Schuler (München) verdankt. 35 [ . . ]ΛΑΣΙΟ[ | τ]ὴ̣ν δὶς ἀρχιέρ̣ε̣ι̣[αν τῆς Ἀσί]|ας καὶ ἀρχιέρειαν τῶν τρισ|4καίδεκα πόλεων καὶ στεφανη|φόρον τῆς πόλεως, θυγατέραν | Ἰουλίου Μηνογένους τοῦ δὶς | ἀρχιερέως τῆς Ἀσίας καὶ δὶς στε|8φανηφόρου τῆς πόλεως, γυναῖ|κ̣α δὲ Ἰουλίου Μαχαιρίωνος, τοῦ | [ἀρ]χιερέως τῆς Ἀσίας καὶ ἀρχιερέ|ω̣ς τῆς τρισκαιδεκαπόλεω‹ς›, στεφα|12νηφόρου καὶ ἀγωνο{ς}θέτου, μη|τέρα δὲ Ἰουλίου Μαχαιρίωνος τοῦ | ἀρχιερέως καὶ ἐκδίκου τῆς Ἀσίας | καὶ ἀποδεδειγμένου στεφανηφό|16ρου καὶ ἀγωνοθέτου καὶ ἀρχιερέως | τῆς τρισκαιδεκαπόλεως καὶ ἱε|ρέως τοῦ Πολιέως Διὸς καὶ πανη|γυριάρχου, πολλὰ διὰ παντὸς τοῦ |20 βίου τὴν ἑαυτῆς εὐεργετήσασα | πατρίδαν καὶ ταῖς κατὰ καιρὸν ἐν|δ̣είαις εὐωνίαις, ποτὲ δὲ καὶ δω|ρεαῖς θρέψασαν τὴν πόλιν· ἀνα|24θείσσης τὴν τειμὴν τῆς Τμωλί̣|δος φυλῆς ἐκ τῶν ἰδίων ἐπιμε|ληθέντος τῆς ἀναστάσεως Γλύκω|νος τοῦ Περσέως, Ἠπίου τοῦ |28 [Πρ]ο̣σόχου.
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rion ist ebenfalls Oberpriester (dazu auch noch Anwalt) von Asia und (designierter?) Oberpriester des (Ionischen) Dreizehnstädtebundes. Auffallend ist, daß Bürger der lydischen Stadt Sardeis in der Kaiserzeit das Oberpriester-Amt des Ionischen Koinon wahrnehmen konnten, offenbar in enger Verknüpfung mit der Oberpriesterschaft im provinzialen Kaiserkult. Ähnliches war schon aus einer sowohl von Cyriacus von Ancona als auch von J. Spon in Sardeis kopierten Inschrift36 bekannt, und in einem seiner letzten Aufsätze hat sich P. Herrmann diesem Phänomen gewidmet;37 er schreibt: „Man sieht nicht recht, wie dieser Mann38 aus einer von Ionien entfernten Stadt zu dem Oberpriestertum des Bundes gekommen sein kann.“ Zur Verknüpfung der Oberpriesterfunktion im provinzialen Kaiserkult mit der im Ionischen Bund äußert er sich: „Was den Archiereus im Ionischen Bund betrifft, so kann vielleicht mit einiger Vorsicht gesagt werden, daß die Funktion in augusteischer Zeit kreiert wurde in enger Verbindung mit dem Ausbau des Kaiserkultes auf der Ebene der Provinz.“
Der Neufund illustriert auch trefflich folgende abschließende Bemerkung Herrmanns: „In der“ (für die Wahrnehmung der Aufgaben des Oberpriesters der Ionier) „zur Verfügung stehenden Honoratiorenschicht konnten sich entsprechende Familientraditionen entwickeln, andererseits gibt es einige Indizien dafür, daß dann auch die Zugehörigkeit zu einer der Mitgliedsstädte nicht mehr unbedingte Voraussetzung gewesen sein dürfte: Gewisse Verbindungen nach Sardeis z.B. und auch nach Pergamon deuten sich an, ohne daß wir sie wirklich zu präzisieren vermögen.“
Bei den Arbeiten in Field 55 wurden noch zwei weitere Inschriften zutage gefördert, in denen Oberpriester des ionischen Dreizehnstädtebundes geehrt werden; hinzu kommt ein Fund aus dem Jahr 1972.39 Insgesamt hat sich damit die von Herrmann beklagte geringe Zahl von einschlägigen Zeugnissen erfreulich vermehrt, auch wenn manches fragmentarisch oder schwer zu lesen ist. Über die Inschriftenfunde in Field 55 sei abschließend gesagt, daß sie durchweg der römischen Kaiserzeit entstammen und es sich meist um Ehrungen handelt, daß es aber auch Ausnahmen gibt wie etwa das in Abb. 6 gezeigte, im Schutt entdeckte unscheinbare Fragment.40 Die nicht sehr sorgfältigen Buchstaben dürften der fortgeschrittenen Kaiserzeit angehören. Ein Freiraum mit horizontalem Strich in Zeile 5 weist auf die Trennung von zwei Abschnitten hin. Statt einer Übersetzung sei nur Einzelnes herausgegriffen: 36 Sardis VII 1, Nr. 47. 37 Herrmann 2002 (= Herrmann, Ausgew. Schriften 685–702); die Zitate auf den Seiten 236 (698), 238 (700f.) und 240 (702). 38 D. h. der mit der Inschrift geehrte Lucius Iulius Libonianos. 39 IN15.048 (I. Sard. II, Nr. 384, auszugsweise zitiert in ZPE 200, 2016, 239–40); IN13.073 (I. Sard. II, Nr. 352); IN72.029 (I. Sard. II, Nr. 379). 40 IN13.021 (I. Sard. II, Nr. 577): [- - -]Ο̣ΣΗ[- - - | - - -]Α̣ Ἡρακλε̣[- - - | - - -ν]εικᾷ Κόρο[ιβος - - |4 - - -]ΟΝ ἀφ᾿ οὗ ΑΙΙ̣[- - - | - - -]αδες – Δ[- - - | - - -]Η̣Σ Σαδυάτ̣[(τ)- - | - - -] π̣αῖδες Ι̣[- - - |8 - - -]ν̣ες ἠρξ[- - - | - - -]ΕΚΑΔΟΥ[- - - | - - -]ΜΟΥΑΛ̣Ι̣[- - | - - -]Ν̣ΟΑΡΔ̣[- - - |12- - -]ΨΕΟΣ[- - -].
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Vermutlich führt Zeile 3 mit der Erwähnung des Koro[ibos] von Elis in die Zeit der ersten Olympischen Spiele im Jahr 776 v. Chr.; dort war der Athlet im Stadionlauf siegreich gewesen.41 In Zeile 6 kann man den Namen Sadyat[tes] ergänzen, womit man in die lydische Frühgeschichte gelangt. Es gab ein Mitglied der Herakleiden-Dynastie dieses Namens, das im späten 8. Jahrhundert v. Chr. drei Jahre lang als Vizekönig regierte. Berühmter ist ein anderer, für den auch die Namen Myrsilos oder Kandaules bezeugt sind. Er war der letzte König der Herakleiden-Dynastie und wurde um 680 v. Chr. von Gyges umgebracht, womit die Königsherrschaft an die Dynastie der Mermnaden überging. Diese fand ihr Ende mit der Niederlage von Kroisos in der Schlacht gegen den Perserkönig Kyros im Jahr 547 v. Chr. Es ist möglich, daß die Buchstaben ΗΡΑΚΛΕ̣[ von Zeile 2 zu einer Erwähnung der ‚Herakleidai‘ gehören. Auch der dritte Mermnaden-König, der nach Gyges und Ardys von 629 bis 618 regierte, trug den Namen Sadyattes. Möglicherweise war von ihm in Zeile 6 die Rede, und die vier letzten Buchstaben von Zeile 11 sind zur Nennung seines Vaters, ὁ Ἄρδ[υς] zu ergänzen. Daß der Abschnitt die Ausübung von Herrschaft behandelte, mag auch durch das Ende von Zeile 8, wohl einer Aoristform von ἄρχω, „herrschen“, nahegelegt sein: ΗΡΞ[ ]; außer diesen Bruchstücken sei noch auf die Erwähnung von „Kindern“ (παῖδες) in Zeile 7 hingewiesen. Dazu, daß der ursprüngliche Text geschichtliche Ereignisse – wie wir sahen, in Abschnitte gegliedert – erzählte, passt auch die Konjunktion „seit“ (ἀφ᾿οὗ), die in Zeile 4 zu lesen ist. Abschnitte antiker Chroniken konnten so angeordnet sein: „Seit das und das geschehen ist, sind soundsoviele Jahre vergangen“ (Marmor Parium, IG XII 5, 444). Gehörte also das unscheinbare Fragment zu einer Chronik der lydischen Geschichte? Möglicherweise lieferte die Inschrift eine Darstellung, die mit dem, was etwa aus Herodot oder Xanthos bekannt ist, verglichen werden könnte. Diese beiden hier vorgeführten Funde aus Field 55 machen deutlich, daß sie für ihre Publikation eine ausführlichere Kommentierung verlangten als ich dies für das geplante Repertorium vorgesehen hatte. Als Ergebnis ist nun das auf Englisch abgefasste Corpus „Sardis: Greek and Latin Inscriptions, Part II: Finds from 1958 to 2017“ (Sardis Monograph 14) abgeschlossen; es umfasst 48642 Nummern (zum Vergleich: Sardis VII 1 zählt 22843). Die Texte sind bis auf allzu fragmentarische übersetzt, und für bereits andernorts publizierte bestehen die Kommentare nur aus knappen Resümees; unpublizierte Inschriften dagegen werden ausführlicher besprochen. Redaktionelle Arbeiten sind noch zu tun, doch ist das Erscheinen des Bandes für 2019 vorgesehen.
41 Die Ergänzung von Zeile 3 wird M. Ricl (Belgrad) verdankt. Zu Koroibos s. Moretti 1957, 59, Nr. 1. 42 Nr. 301–788 (darunter Nr. 568 und Nr. 568A), mit den Leer-Nummern 620, 649 und 677. 43 Sardis VII 1, S. II ist abweichend von dieser Zählung die Rede von „the 231 documents described below“.
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Auf Schritt und Tritt wird der künftige Leser feststellen, wie groß der Anteil ist, den der hier Geehrte am Zustandekommen dieses Corpus-Bandes hat. Bibliographie P. Herrmann, Sardeis zur Zeit der iulisch-claudischen Kaiser, in: E. Schwertheim (Hg.), Forschungen in Lydien (Asia Minor Studien 17), Bonn 1995, 21–36 = P. Herrmann, Ausgew. Schriften, 147–168. P. Herrmann, Das κοινὸν τῶν Ἰώνων unter römischer Herrschaft, in: N. Ehrhardt – L.-M. Günther (Hg.), Widerstand – Anpassung – Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom, Stuttgart 2002, 223–240 = P. Herrmann, Ausgew. Schriften, 685–702. L. Moretti, Olympionikai, i vincitori negli antichi agoni olimpici (Memorie dell’Accademia dei Lincei), Rom 1957, 55–198. G. Petzl, Leben abseits der Zentren – Religion und Kultur im ländlichen Lydien, in: J. Fischer (Hg.), Der Beitrag Kleinasiens zur Kultur- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Antike, Akten des Internationalen Kolloquiums Wien, 3.–5. November 2010 (ETAM 27), Wien 2014, 301–307.
Abbildungen
Abb. 1: G. Petzl
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Georg Petzl
Abb. 2–3: Courtesy Archaeological Exploration of Sardis / Harvard University
Abb. 4: Wohl von einem Mitglied der Sardeis-Grabung aufgenommenes Photo (freundlicherweise von Frau E. Herrmann überlassen)
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Abb. 5–6: G. Petzl
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PETER HERRMANN ALS EPIGRAPHIKER MILETS1 Norbert Ehrhardt Genau 40 Jahre, von 1962 bis zu seinem Tod im Jahre 2002, war Peter Herrmann als Epigraphiker für die deutsche Milet-Grabung tätig. Fast die gesamte Zeit über war er der einzige Epigraphiker Milets. In diesen Jahren publizierte er zahlreiche Neufunde und er hatte das Glück, dass viele von beachtlicher historischer Relevanz waren. Zudem veröffentlichte er zwei Bände der von ihm begründeten Reihe der „Inschriften von Milet“; den dritten Band, der 2006 erschien, hat Herrmann noch auf den Weg gebracht.2 Es sei zunächst allerdings daran erinnert, dass Milet nicht das einzige und auch nicht das erste epigraphische Betätigungsfeld Herrmanns war. Von seinem Wiener Lehrer Josef Keil zur Mitarbeit an der Bearbeitung der Inschriften aus Lydien eingeladen, bereiste Herrmann schon in den 1950er Jahren diese Landschaft und publizierte zwischen 1959 und 1962 vier Beiträge.3 Auch aus anderen Gegenden Westkleinasiens, insbesondere aus Ionien, konnte Herrmann Inschriften veröffentlichen. So bearbeitete er im Auftrag von Ernst Buschor und wohl von Christian Habicht vermittelt im Herbst 1959 vor Ort in Samos die römischen Inschriften aus dem Heraion; der umfangreiche Beitrag – 116 Druckseiten und 98 Nummern – erschien 1960.4 Von herausragender Bedeutung war die 1963 in Teos gefundene große Antiochos-Inschrift, deren Bearbeitung Herrmann von der dorti1
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Für die Einladung zum Kolloquium danke ich Kaja Harter-Uibopuu sehr herzlich. Wolfgang Günther (München) und Matthias Haake (Münster) haben das Manuskript kritisch durchgesehen; beiden Kollegen verdanke ich wertvolle Hinweise. – In diesem Aufsatz wird der Vortragscharakter weitgehend beibehalten. Bei den Bänden der Milet-Reihe (Grabungspublikation) wird der Verfassername angegeben, um im Rahmen der Zitierweise Einheitlichkeit zu wahren. Im Literaturverzeichnis sind aber Band-Nummern hinzugefügt. Herrmann 1996 und 1998; Herrmann – Günther – Ehrhardt 2006. Der erstgenannte Band enthält bibliographische Nachträge, Photographien und zahlreiche Übersetzungen von Inschriften, die in früheren Bänden der Milet-Reihe publiziert worden waren. Die Zählung der Inschriften schließt an die letzte Inschrift (Nr. 406) an, die Albert Rehm im Stadtmauer-Band veröffentlichte (von Gerkan 1935). Inzwischen ist der vierte Band der „Inschriften von Milet“ erschienen: Günther 2017 (Prosopographie aller Milesier). Die erste Forschungsreise nach Lydien unternahm Herrmann am Ende seines Stipendiatenjahres 1955/56: Herrmann 2008, 21 (Beitrag Habicht). Veröffentlichungen: Herrmann 1959 (= Herrmann 2016, 3–35); 1961a (= Herrmann 2016, 37–49); 1961b (= Herrmann 2016, 51– 52); 1962. Herrmann 1960. Wenige Jahre zuvor hatte Christian Habicht die hellenistischen Volksbeschlüsse publiziert: Habicht 1957. Die Arbeit war zugleich Habichts Hamburger Habilitationsschrift.
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gen Grabungsleitung übertragen wurde. Der sehr lange Text – knapp zweihundert erhaltene Zeilen – erschien mit umfassender Kommentierung 1965 auf 131 Druckseiten.5 Christian Habicht hat diesen Aufsatz in seiner Gedenkrede auf Herrmann, auf die noch eingegangen werden wird, wie folgt charakterisiert: „Es ist eine Abhandlung im Umfang eines Buches, und sie machte ihn, wo man ihn innerhalb der wissenschaftlichen Welt nicht schon kannte, mit einem Schlage berühmt.“6 In diesem Beitrag, der speziell Herrmann und Milet zum Thema hat, soll ein kleines Stück Wissenschaftsgeschichte ausgebreitet werden. Es wird zunächst um die Konstellation bzw. die Umstände gehen, unter denen Herrmann 1962 zum Epigraphiker der Milet-Grabung berufen wurde, zugespitzt gefragt: warum Herrmann? Dies wird recht umfassend beleuchtet werden, zumal Anfänge für den Historiker ihren besonderen Reiz haben. Damit verbunden ist die Frage, welche Konzeptionen Herrmann in Hinblick auf die zu bewältigenden Aufgaben verfolgte, insbesondere hinsichtlich der Altlast von ca. tausend inschriftlichen Inedita aus den Grabungen Theodor Wiegands.7 Schließlich soll noch in den Blick genommen werden, warum Herrmann später den Kreis der epigraphischen Mitarbeiter erweiterte. Grundlage für meine Darlegungen ist vor allem die umfangreiche Korrespondenz Herrmanns, die er über Jahrzehnte mit anderen Gelehrten geführt hat. Es handelt sich um zwei prall gefüllte Ordner, die nach Herrmanns Tod in meine Obhut gelangt sind und die ich treuhänderisch verwalte. Darüber hinaus geben gedruckte Aussagen Herrmanns einigen Aufschluss; manches ist in seinen Aufsätzen zu finden und besonders instruktiv ist das Vorwort zum ersten Band der „Inschriften von Milet“.8 Auch seine Briefe von der Stipendiatenreise 1955/56, die Eva Herrmann und ich 2008 herausgegeben haben, sind eine wertvolle und zugleich anregende Quelle.9 Über Herrmanns wissenschaftliche Vita informiert sehr gut Christian Habicht in seiner Rede, die er am 15. Mai 2003 auf der akademischen Gedenkfeier in Hamburg gehalten hat, zugleich ein Zeugnis seiner engen Verbundenheit und Freundschaft mit Peter Herrmann.10 Sehr nützlich sind auch
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Herrmann 1965a. In späteren Jahren ergab sich für Herrmann die Möglichkeit, weitere Inschriften aus Teos zu veröffentlichen, wiederum Texte von historischer Relevanz: Herrmann 1979, 242–249 (= Herrmann 2016, 545–553; Isopolitiebeschluss von Temnos für Teos) und Herrmann 1981a (neues Fragment der sog. Teiorum Dirae; 5. Jh. v. Chr.). 6 Habicht 2004, 35. 7 Damit sind die von den Berliner Museen seit 1899 in Milet unternommenen Ausgrabungen gemeint. Dazu umfassend Panteleon 2015. 8 Herrmann 1996, IX f. 9 Herrmann 2008. Darin ist auch ein kurzer Beitrag von Christian Habicht (17–21) mit Bemerkungen zu Herrmanns Wahrnehmung der bereisten Länder enthalten. 10 Habicht 2004. Ähnlich persönlich auch Habichts im Jahr zuvor im Gnomon veröffentlichter Nachruf auf Herrmann (Habicht 2003). Weitere Nachrufe: Hallof 2000/03; Debord 2003; Dobesch 2003; Petzl 2003. Bereits anlässlich Herrmanns Emeritierung 1989 hatte Jürgen Deininger das Lebenswerk seines Hamburger Kollegen gewürdigt (Deininger 1990). Wolfgang Günther widmete die von ihm erstellte milesische Prosopographie Peter Herrmann:
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die von Wolfgang Blümel ausgewählten und publizierten Kleinen Schriften Herrmanns, die zudem ein aktualisiertes Schriftenverzeichnis enthalten.11 Schließlich waren es mündliche Mitteilungen von Kollegen, die ich berücksichtigen konnte. Ich selber habe in den Jahren meines Kontakts und späterer Zusammenarbeit mit Herrmann auch manche Informationen erhalten, die in diesen Beitrag eingeflossen sind. Als im Jahre 1955 die deutschen Ausgrabungen in Milet unter der Ägide des Deutschen Archäologischen Instituts und – wie schon 1938 – unter Leitung von Carl Weickert12 wieder aufgenommen wurden, hatte die Grabung keinen Epigraphiker. Der große Epigraphiker Albert Rehm, der seit 1905 in Milet tätig gewesen war und bis 1935 rund 400 Inschriften veröffentlicht hatte, war 1949 in München verstorben.13 Seine wohl größte Leistung stellte die Veröffentlichung und Kommentierung der im milesischen Delphinion gefundenen hellenistischen Dekrete und Stephanephoren-Listen dar.14 In seinem letzten Lebensjahrzehnt war Rehm allerdings fast ausschließlich mit der Bearbeitung von Inschriften aus Didyma beschäftigt gewesen.15 In den ersten beiden Grabungskampagnen in Milet nach
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Günther 2017, IX. – Biographische Angaben auch in: Herrmann 2008, 183–185 (zusammengestellt von E. Herrmann). Herrmann 2016. Das Buch enthält 59 Aufsätze. Schriftenverzeichnis: 703–708 (ein erstes Verzeichnis der Schriften Herrmanns: Deininger – Ehrhardt 1998; wieder abgedruckt und bis 2003 fortgeschrieben in: Seminar für Alte Geschichte 2004, 55–75). Neu ist der Beitrag „Zur römischen Zollstation in Milet“ (491–496), der unveröffentlicht geblieben war. Nicht erneut abgedruckt wurden umfangreichere Aufsätze Herrmanns wie die eben genannten zu Antiochos und Teos und zu den samischen Inschriften sowie im Chiron veröffentlichte Beiträge. Carl Weickert (1885–1975) hatte 1938 eine letzte kurze Kampagne (28. September bis 19. Oktober) in Milet geleitet: Weickert 1940. Von 1947 bis 1954 war er Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts. Er verkörperte also personelle Kontinuität, als die Grabungen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen werden konnten. Zu seiner Vita: Schiering 1988. Albert Rehm (1871–1949) war von 1906 bis 1936 Ordinarius für Klassische Philologie und Gymnasialpädagogik an der Universität München. 1930/31 und 1945/46 bekleidete er das Amt des Rektors. Von 1946 bis zu seinem Tod war er wieder in der Lehre aktiv. Seit 1905 war er als epigraphischer Mitarbeiter der Milet-Grabung tätig gewesen, nahm fast alle in den Folgejahren gefundenen Inschriften auf und publizierte mit Ausnahme der von Carl Fredrich veröffentlichten Texte sämtliche Inschriften, die im Rahmen der Milet-Reihe veröffentlicht wurden, die letzten 1935 im Stadtmauer-Band (von Gerkan 1935). Nachrufe auf Rehm: Haffter 1950; Hommel 1952. Auch die Redaktion des Philologus veröffentlichte einen Nachruf (98, 1954, 1–4). Weitere Literatur: Böhm 1995, 223. 360. 541 und passim; Schreiber 2006, 186 f. 190–192. 206–213 und passim (beide zu Rehm und der Klassischen Philologie an der Universität München in der Zeit des Nationalsozialismus); Brunhölzl 1993, 211–216 (Erinnerungen an Rehm als akademischer Lehrer 1946/47); Rehm 2009 (Tagebuchaufzeichnungen 1945–1946). Kawerau – Rehm 1914 (Milet I 3); dazu die umfangreiche Besprechung durch Wilamowitz 1914 (= Wilamowitz 1937, 417–466). Herrmann widmete Albert Rehm den ersten Band der „Inschriften von Milet“. Der Inschriftenband erschien neun Jahre nach Rehms Tod und wurde von Richard Harder herausgegeben: Rehm 1958. Umfangreiche Rezensionen: Robert 1959 (= Robert 1969, 1622– 1639); Habicht 1960.
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dem Zweiten Weltkrieg, 1955 und 1957, wurde nur im und beim Athenatempel gegraben.16 Inschriften kamen nicht zutage, und Weickert unternahm meines Wissens auch keinen Versuch, einen Epigraphiker zu finden. Eine relativ große Anzahl neuer Inschriften, rund dreißig, fiel allerdings an, als das im Areal des antiken Milet gelegene Dorf Balat 1955 durch ein Erdbeben zerstört und seitens der Grabung in den Trümmern systematisch nach Inschriften gesucht wurde. Der neue Grabungsleiter Gerhard Kleiner, der schon 1938 in Milet mitgearbeitet hatte,17 übergab 1959 diese Inschriften an den Althistoriker Thomas Pekáry, damals noch in Bern, später Professor für Alte Geschichte an der Universität Münster. Pekáry hatte 1959 an der Grabung teilgenommen; die Inschriften erschienen 1965.18 Er war aber nicht der erste, der nach dem Zweiten Weltkrieg milesische Inschriften veröffentlichte. Der erste war – Peter Herrmann. Im Hermes 1958 findet man eine Miszelle mit der Publikation zweier milesischer Grabepigramme, der erste Aufsatz Herrmanns überhaupt.19 Auffälligerweise gibt es dort weder einen Hinweis auf die Milet-Grabung noch eine Danksagung für die Publikationserlaubnis, aber den Hinweis, dass die Funde aus dem Dorf Yeniköy südöstlich von Milet stammen. Ein Blick in Herrmanns Briefe von der Stipendiatenreise klärt dann den Sachverhalt. Herrmann hatte im März 1956 Milet besucht und in Yeniköy gewohnt. Dort machten ihn Dorfbewohner auf die Inschriften aufmerksam, die er aus Zeitgründen aber nicht abschreiben konnte. Erst bei seinem zweiten Besuch, im September desselben Jahres, gelang dies.20 Unmittelbar danach besuchte Herrmann Priene und traf im dortigen Grabungshaus neben anderen auch auf Carl Weickert. Es ist wahrscheinlich, dass er Weickert über die neuen milesischen Inschriften informierte, zumal der einschlägige Brief sehr schön Herrmanns Stolz auf seinen ersten Inschriftenfund zeigt. Festzuhalten bleibt, dass von diesen beiden Inschriften und deren Veröffentlichung keine direkte Linie zu Herrmanns späterer Tätigkeit für die Milet-Grabung führt. Allerdings schrieb Herrmann nach seinem Besuch in Yeniköy in dem eben zitierten Brief auch, dass er den „so begonnenen Kontakt mit dieser Landschaft aufrechterhalten“ wolle und dass dies vom Fortgang der Milet-Grabung abhänge.21 Man wird also ein grundsätzliches Interesse Herrmanns an Milet bzw. milesischen Inschriften schon zu diesem Zeitpunkt konstatieren dürfen. Den Anlass, nun doch einen ständigen Epigraphiker für Milet zu suchen, gab möglicherweise ein bedeutender Neufund: Im Jahre 1960 erhielten Mitglieder der Grabung den Hinweis, dass sich im schon genannten Dorf Yeniköy eine beschriftete Rundbasis befinde, verbaut in einen Brunnen. Der Text stellt, wie man bald 16 Grabungsberichte: Weickert 1957 und 1959/60. Vgl. auch Weickert 1959. 17 Gerhard Kleiner (1908–1978) war von 1956 bis 1973 Ordinarius für Klassische Archäologie an der Universität Frankfurt/Main. 1955 zählte auch er zu den Mitarbeitern Weickerts bei der ersten Nachkriegsgrabung. Zu seiner Vita: Müller-Wiener 1979; von Graeve 1988. 18 Pekáry 1959 (= Pekáry 1994, 19–41). 19 Herrmann 1958 (= Herrmann 2016, 249–254). Die Grabepigramme jetzt in: Milet VI 2, Nr. 738 und Nr. 742. 20 Herrmann 2008, 141 f. (Brief vom 26.9.1956 aus Izmir). 21 Herrmann 2008, 142.
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erkannte, eine Ehreninschrift für den milesischen Politiker Eirenias dar und wirft zudem ein Licht auf die Beziehungen der Stadt sowohl zu den pergamenischen als auch den seleukidischen Herrschern im 2. Jh. v. Chr. Im Herbst 1960 hielt sich Christian Habicht in Milet auf und fertigte im Oktober eine erste Abschrift der Eirenias-Inschrift an, genauer gesagt des Teils, der sichtbar war (später als Block I bezeichnet).22 Sehr wahrscheinlich bot ihm Gerhard Kleiner in diesem oder im folgenden Jahr an, für Milet als Epigraphiker tätig zu werden. Wie die Causa dann weiter ging, wissen wir aus einem Brief Herrmanns vom 1. April 1962 an Kleiner, überhaupt der erste Brief der Korrespondenz zwischen beiden. Daraus geht hervor, dass die Grabung in der Tat zunächst Christian Habicht eingeladen hatte, als Epigraphiker für Milet tätig zu werden. Ebenfalls ergibt sich aus dem Brief, dass Habicht mit dem Hinweis auf anderweitige Verpflichtungen ablehnte und Herrmann vorschlug.23 Kleiner stimmte dem zu. Dies alles wusste Herrmann aber zunächst nur von Habicht, der bis 1961 sein Kollege in Hamburg gewesen war, und so entschloss er sich, direkten Kontakt mit Kleiner aufzunehmen. In dem Brief vom 1. April erklärte er sich zur Mitarbeit in Milet bereit und wies darauf hin, dass er nach dem Abschluss seiner Arbeit in Samos und einiger Beiträge zu Lydien über Zeit verfüge. Zugleich bot er an, bereits im Herbst 1962 nach Milet zu kommen, entweder vor oder nach dem EpigraphikerKongress in Wien.24 Bereits zehn Tage später, am 10. April, antwortete Kleiner in einem zweiseitigen handschriftlichen Brief (in Sütterlin) aus seinem Urlaubsort Tegernsee. Er bestätigte seinen Wunsch auf Mitarbeit Herrmanns und lud ihn für 1963 nach Milet ein. Dieser Aufenthalt, so Kleiner, sollte mindestens vier Wochen dauern, und Herrmann solle Grabungsmitglied sein. Dann folgt ein entscheidender Gedanke bzw. Satz (hier in Paraphrase), den Kleiner in späteren Briefen wiederholte bzw. variierte. Es sei ein alter Brauch, dass Inschriften nur von Grabungsteilnehmern veröffentlicht würden. Dennoch folgt die Bemerkung, dass er sich Habicht gut als Herausgeber der Eirenias-Inschrift vorstellen könne, da dieser als Bearbeiter von Ehrenbeschlüssen ausgewiesen sei; er meinte damit offenbar Habichts 1957 publizierte samische Volksbeschlüsse. Kleiners Position ist klar zu erkennen: Einerseits wünscht er Herrmanns Mitarbeit, andererseits möchte er ihn erst vor Ort sehen und gewissermaßen begutachten. Zudem ergibt sich für Herrmann die Option, die Eirenias-Inschrift zu bearbeiten. Herrmann antwortete am 29.4.1962. Die zentrale Passage lautet: „Es hat mich sehr gefreut zu hören, daß Sie mir die Möglichkeit der Mitarbeit in Milet geben wollen, und ich bin gern bereit, mich den dort gestellten Aufgaben zu unterziehen.“ Er sagte zu, im Herbst 1963 nach Milet zu kommen und dort mitzuarbeiten. 22 Herrmann 1965b, 71 (Fundumstände und Freilegung). 23 In seinem Hamburger Gedenkvortrag ist Habicht auf seine Rolle bei der Bestellung Herrmanns zum Epigraphiker von Milet nicht eingegangen. 24 Für die Hamburger Institutsgeschichte enthält der Brief ein kleines Detail: Seine Verfügbarkeit für Milet schränkte Herrmann mit dem Hinweis darauf ein, dass im Herbst 1962 das Seminar in das „neue Hochhaus der Fakultät“, also den dann so genannten Philosophenturm, umziehen werde.
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Zudem wies er darauf hin, dass er zwischenzeitlich Einsicht in die milesischen Abklatsche habe nehmen können, und zwar im Archäologischen Seminar der Universität München.25 Darüber hinaus skizzierte er, wie er sich in das milesische Material einarbeiten möchte: Sichtung der Grabungstagebücher, der aufgefundenen Abklatsche und anderes mehr. Herrmann wollte mit diesen Bemerkungen wohl signalisieren, dass er zu einer dauerhaften Arbeit für die Milet-Grabung bereit war. Ob Kleiner bei Habicht oder anderswo noch Erkundigungen über Herrmanns wissenschaftliche Vita einholte, wissen wir nicht. Auf jeden Fall war Herrmann aufgrund seiner Ausbildung, seiner Forschungsreisen in die Türkei und aufgrund seiner bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Veröffentlichungen der geeignete Mann.26 Er hatte in Wien vom Wintersemester 1947/48 bis 1949/50 Altertumskunde studiert, also Klassische Philologie, Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik, letzteres bei dem schon genannten Josef Keil. Zum Sommersemester 1950 wechselte Herrmann nach Hamburg und studierte hier Klassische Philologie und legte auch beide Staatsexamina ab (1953 bzw. 1959). 1954 wurde er mit einer von Bruno Snell betreuten Arbeit über „Menschliche Wertbegriffe bei Homer“ promoviert. Bereits 1953/54 konnte er mit einem Stipendium ein Jahr lang bei Louis Robert in Paris studieren und seine epigraphischen Kenntnisse vertiefen. Im Anschluss an die schon erwähnte Stipendiatenreise 1955/56 unternahm Herrmann seine erste Forschungsreise nach Lydien. Ab 1959 war er Assistent am Seminar für Alte Geschichte der Universität Hamburg. Bis 1962 hatte Herrmann sechs Beiträge veröffentlicht. Im übrigen beherrschte Herrmann 1962 bereits recht gut die türkische Sprache. Mit Herrmann gewann die Grabung also einen Klassischen Philologen, einen Althistoriker und den gesuchten Epigraphiker. Allerdings war die Geschichte von Herrmanns Berufung zum Epigraphiker Milets noch immer nicht ganz zu Ende. Herrmann fragte nämlich am 10.8.1962 noch einmal bei Kleiner an, ob er denn nun mit der endgültigen Beauftragung seitens der Grabungsleitung rechnen könne. Er sagte erneut zu, 1963 nach Milet kommen zu wollen und sich dort unter anderem um, so Herrmann, „jahrzehntelang liegengelassene Inschriften“ zu kümmern. Bereits fünf Tage später, am 15.8., antwortete Kleiner und schrieb: Lieber Herr Doktor Herrmann, ….. es tut mir leid, daß Sie glauben, noch im Ungewissen zu sein. Das ist keineswegs der Fall. Sie sind als Teilnehmer an der Grabung 1963 … vorgesehen und sollten Ihre Arbeit so einrichten, wie Sie es für richtig halten. Mein Wunsch wäre nur, daß Sie nicht nur an der Sichtung und Ordnung der Inschriften, sondern auch an der Grabung selbst teilnehmen, weil ich finde, dass bei der fortschreitenden Spezialisierung unserer Wissenschaft auch die Epigraphiker Ausgräber sein müssen. Ich brauche ja nur das berühmte Beispiel von Louis Robert anzuführen.
25 Herrmann muss sehr bald in den Besitz der Abklatsche gelangt sein. Das geht aus einem Brief Herrmanns an Kleiner vom 1.8.1962 hervor, in dem er die Abklatsche als „Leihgabe“ des Münchener Archäologischen Seminars bezeichnet. Heute befinden sich die Abklatsche im Archiv der Inscriptiones Graecae in Berlin. 26 Zu den im folgenden genannten Daten s. hier Anm. 10.
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Mit diesem Brief Kleiners war die Situation so gut wie geklärt: Herrmann konnte nun sicher sein, dass sich Kleiner ihn als Epigraphiker wünschte, aber Vorbedingung blieb Herrmanns Mitarbeit vor Ort in Milet. Herrmann hat sich in diesem Jahr und schon davor intensiv in die milesische Epigraphik eingearbeitet, und so kann das Jahr 1962 als Beginn der Tätigkeit des damals 35jährigen für Milet gelten. Die Zusammenarbeit gestaltete sich dann so, wie Herrmann erhofft und Kleiner vorgegeben hatte. Herrmann erschien im Herbst 1963 in Milet. Wenige Wochen zuvor war er zum Beamten auf Lebenszeit ernannt worden, was es ihm ermöglichte, dauerhaft in der Wissenschaft zu bleiben. In Milet wurde Herrmann von Kleiner beauftragt, die Eirenias-Basis freizulegen; Kleiner machte gewissermaßen seine „Drohung“ wahr, den Epigraphiker ausgraben zu lassen27, stellte ihm allerdings einen Architekten zur Seite. Dabei kamen weitere sieben Fragmente zutage, davon drei beschriftet. Bei der Zusammenfügung der geborgenen Blöcke ereignete sich ein kleines Malheur – einige Zeilen platzten ab und wurden mit Uhu (!) wieder angeklebt –, und Kleiner war darüber ziemlich verärgert28. Aber er übergab die Eirenias-Inschrift nun Herrmann zur Bearbeitung; dieser stellte das Manuskript mit exzellentem historischem Kommentar bis zum Sommer 1964 fertig, und 1965 erschien der Aufsatz.29 In diesem Beitrag veröffentlichte Herrmann auch noch zwei aus Myus nach Milet verschleppte Inschriften des 2. Jh.s v. Chr., aufgeschrieben auf einem Antenblock, aus denen hervorgeht, dass Myus bereits in jener Zeit in den milesischen Staat inkorporiert war.30 Im selben Band der „Istanbuler Mitteilungen“ erschien dann auch Pekárys Aufsatz. Die beiden Beiträge sollten zunächst auf Wunsch Kleiners unter einem gemeinsamen Obertitel erscheinen, aber Herrmann setzte durch, dass dies nicht geschah.31 Er fürchtete wohl zu Recht, dass sein qualitätvoller Beitrag und zugleich sein „erstes Milesiacum“32 etwas untergehen würde. 27 Dies hatte Kleiner bereits in einem Brief vom 10.3.1963 angekündigt: „Für Sie gibt es im Herbst in Milet eine Menge zu tun, auch wenn Sie an den Ausgrabungen nicht täglich teilnehmen wollen. Sie müssen jedenfalls so viel lernen, dass Sie die Eumenes-Inschrift in Yeniköy freilegen können“. Gemeint ist die Eirenias-Basis. 28 So schrieb er am 11.5.1964 an Herrmann: „Zum Schluss noch eine schmerzliche Frage: Was ist mit den Steinen der Rundbasis des Eumenes passiert; nach dem Photographieren durch Frau Dr. Erdmann sind die Steine so hart aufeinander gesetzt worden, dass untere Kanten samt Buchstaben abgesprungen sind. Sie sind dann offenbar mit Uhu wieder geklebt worden. Das sollte Ihnen wie mir ins Herz schneiden; in diesem Sinne herzliche Grüße von Ihrem G. Kleiner“. Herrmann entschuldigte sich am 21.5. in einem Brief an Kleiner für die Panne und wies darauf hin, dass er mit der Freilegung derartiger Monumente keine Erfahrung habe. Dennoch kam Kleiner noch einmal auf die Sache zurück und schrieb am 5.8.1964 an Herrmann: „Die schmerzlichen Erfahrungen mit der Rundbasis von Yeniköy sind gewiss auch für Sie noch besonders lehrreich gewesen.“ 29 Herrmann 1965b (= Herrmann 2016, 255–302). Eirenias-Inschrift: 71–90; jetzt in: Herrmann – Günther – Ehrhardt 2006, Nr. 1039. Vgl. Günther 2017, 215 f. (mit neuerer Literatur zur Inschrift bzw. zur Karriere des Eirenias). 30 Herrmann 1965b, 90–103; jetzt in: Herrmann – Günther – Ehrhardt 2006, Nr. 1029 und 1040. 31 In einem Brief an Kleiner vom 16.7.1964 argumentierte Herrmann, dass es sich um disparate Themen handele. 32 So in einem Brief an Kleiner vom 1.7.1964.
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Im Briefwechsel der folgenden Jahre ging es nicht mehr um Grundsätzliches, sondern nur noch um Organisatorisches, etwa Herrmanns Reisen nach Milet und deren Finanzierung.33 Kleiners Briefe werden zunehmend verbindlicher, manchmal sogar herzlich. Nach Herrmanns Habilitierung 196734 und seiner Berufung auf das Ordinariat für Alte Geschichte in Hamburg 1968 redet Kleiner ihn mit „lieber Herr Herrmann“ an. Herrmann war bis zu diesem Zeitpunkt bei der Anrede „sehr geehrter Herr Professor“, dann auch „sehr geehrter, lieber Herr Professor Kleiner“ geblieben. Dass Herrmann Kleiner sehr schätzte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er ihm ein Denkmal setzte: den zweiten Band der „Inschriften von Milet“ widmete er Gerhard Kleiner, dezidiert als Grabungsleiter von Milet. Es sei an dieser Stelle schon gesagt, dass Kleiners Nachfolger – Wolfgang Müller– Wiener von 1976 bis 1988,35 Volkmar von Graeve seit 1988 – Herrmann wie selbstverständlich als den bzw. den einzigen Epigraphiker der Milet-Grabung betrachteten. Von ihnen wurde er regelmäßig über die Grabungstätigkeit und inschriftliche Neufunde informiert und er erhielt vorläufige Abschriften und Photographien. In den folgenden Jahrzehnten bearbeitete Herrmann kontinuierlich und zügig die Neufunde aus Milet und darüber hinaus Inschriften aus Lydien. In Milet kamen mehrere Inschriften von beachtlicher historischer Relevanz zutage. Zu den wichtigsten Beiträgen Herrmanns nach der genannten Eirenias-Ehrung und den Myus-Inschriften gehörte 1970 die Veröffentlichung einer lex sacra für den Kult des Poseidon Helikonios, schon deshalb relevant, weil der Text aus dem an Inschriften armen 5. Jh. v. Chr. stammt und ein Licht auf die Beziehungen zwischen Athen und Milet wirft.36 1971 publizierte Herrmann die Ehreninschrift für die Athena-Priesterin Saturnina aus dem 2./3. Jh. n. Chr., darin enthalten ist ein didymeisches Orakel.37 1975 folgte geradezu ein „highlight“, nämlich der Kaiserbrief Marc Aurels und des Commodus.38 Der an die Milesier geschickte Ausschnitt aus der oratio principis stellt ein wichtiges Zeugnis für die Prozedur im kaiserzeitlichen Senat bzw. für das Agieren zwischen Kaiser und Senat dar. Hinsichtlich Lydiens gelang es Herrmann, zwei Faszikel der Tituli Asiae Minoris fertig zu stellen; 33 Kleiner war stets darauf bedacht, die Reisekosten der Grabungsteilnehmer möglichst niedrig zu halten. Dazu findet sich eine hübsche Bemerkung Herrmanns in einem Brief an Kleiner vom 17.7.1963 betreffend seine Anreise im Herbst desselben Jahres: „Bei der Adriatica habe ich III. Klasse bestellt, vorausgesetzt, daß das nicht gerade ein Massenlager ist“. 34 Veröffentlichung der Habilitationsschrift: Herrmann 1968. 35 Wolfgang Müller-Wiener (1923–1991) war seit 1967 Ordinarius für Baugeschichte an der Technischen Hochschule Karlsruhe und seit 1976 Erster Direktor der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts. Herrmann hatte ihn bereits während seiner Stipendiatenreise kennengelernt. Der dritte Band der „Inschriften von Milet“ wurde auf Herrmanns Wunsch Müller-Wiener gewidmet. Zur Vita Müller-Wieners: Koenigs 1991. 36 Herrmann 1970 (= Herrmann 2016, 303–314). Die Inschrift jetzt in: Herrmann – Günther – Ehrhardt 2006, Nr. 1218. 37 Herrmann 1971. Die Inschrift jetzt in: Herrmann – Günther – Ehrhardt 2006, Nr. 1142. Vgl. Günther 2017, 549 (mit neuerer Literatur). 38 Herrmann 1975 (= Herrmann 2016, 323–341). Die Inschrift jetzt Herrmann – Günther – Ehrhardt 2006, Nr. 1075.
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sie erschienen 1981 und 1989 und enthalten mehr als 1.400 Inschriften.39 Habicht hat in seinem Hamburger Gedenkvortrag insbesondere diese beiden CorpusBände gewürdigt.40 Flankiert wurde Herrmanns Schreibtischarbeit in Hamburg und Buchholz durch zahlreiche Forschungsreisen. Im Rahmen der Stipendiatenreise hatte sich Herrmann bereits vier Monate in der Türkei aufgehalten.41 Wenn Reisen nach Milet, wie erwähnt, zunächst von Kleiner eingefordert wurden, waren sie für Herrmann doch von Anfang an selbstverständlich, um Neufunde selber abzuschreiben und Altmaterial zu sichten. Insgesamt unternahm Herrmann mehr als zwanzig Forschungsreisen in die Türkei. Er bereiste Lydien, arbeitete in den Museen von Manisa, Uşak und Izmir und machte meist auch in Milet Station. Die meines Wissens längste Reise unternahm Herrmann im Herbst 1966. Er bereiste drei Wochen Lydien und arbeitete vier Wochen in Milet.42 Mit dem gegenüber Lydien längeren Milet-Aufenthalt wollte Herrmann wohl auch demonstrieren, dass Milet für ihn Priorität besaß; Kleiner hatte das mehrfach ziemlich deutlich angemahnt.43 Eine mit fünfeinhalb Wochen ebenfalls recht lange Reise unternahm Herrmann im Herbst 1977, wiederum Lydien mit Sardeis und intensiv Ionien einschließlich Milets. Er wollte gut zwanzig Jahre nach seiner Stipendiatenreise noch einmal viele Orte sehen und sich über den Stand der Ausgrabungen informieren. Dies weiß ich von ihm selbst, da mir – damals noch Student – die große Ehre zuteil wurde, ihn auf dieser Reise begleiten zu dürfen. An die milesischen Altlasten, also die noch unveröffentlichten bzw. in den Vorberichten der Grabung provisorisch publizierten Texte, ging Herrmann zunächst nicht heran. Dies lag aber nicht an Zeitmangel, sondern hing mit einer ganz speziellen Konzeption zusammen: Die Milet-Grabung publizierte Inschriften grundsätzlich nur zusammen mit dem jeweiligen archäologischen bzw. baulichen Befund.44 Dies ist ein geradezu moderner Ansatz, denn dass Monument und Inschrift eine Einheit bilden, kann man nicht oft genug betonen. Bei dieser Konzeption ergaben sich aber von Anfang an sachliche wie praktische Schwierigkeiten. 39 Herrmann 1981b (TAM V 1) und 1989a (TAM V 2). 40 Habicht 2004, 38 f.: „Sie sind, mehr noch als anderes, Peter Herrmanns bleibendes Vermächtnis“. 41 Herrmann 2008 (s. Inhaltsverzeichnis). 42 Ankündigung der Reiseplanung in einem Brief an Kleiner vom 10.3.1966. Bericht über die Reise in einem weiteren Schreiben an Kleiner vom 10.11.1966. Demnach arbeitete Herrmann in den Museen von Izmir und Manisa und unternahm kurze Reisen nach Teos und Kaunos. Im alten Museum von Izmir konnte er rund 40 Inschriften-Steine als milesisch identifizieren. 43 Herrmann reagierte darauf, indem er Kleiner sehr frühzeitig seine außer-milesischen Aktivitäten ankündigte. So schrieb er am 21.5.1964: „Um die Situation schon vorher zu klären, möchte ich dabei gleich hinzusetzen, daß ich in diesem Jahr auf alle Fälle für eine wohl begrenztere Zeit noch einmal nach Teos gehen muß“. In einem weiteren Brief an Kleiner vom 16.7.1964 stellte Herrmann aber noch einmal klar, dass die Arbeit an den milesischen Inschriften für ihn Vorrang habe. 44 Zur Genese und Konzeption der Milet-Reihe: Panteleon 2015, 174–185. Auflistung der bis 2006 publizierten Bände und der dazu erschienenen Rezensionen: Ehrhardt – Lohmann – Weber 2007, 751–754 (im Rahmen der Milet-Bibliographie).
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Die sachlichen Probleme bestehen darin, dass oft nicht genau ermittelt werden kann, welche Texte einem Bauwerk zuzuordnen sind. Dies zeigte sich bereits beim ersten derartigen Band, der Publikation des Buleuterions von 1908.45 Unter den von Carl Fredrich hier veröffentlichten Inschriften befand sich zwar auch die Bauinschrift, mittels derer das Buleuterion datiert werden konnte, aber es gab auch zwei Inschriften aus dem 4. Jh. v. Chr., die im Areal des Buleuterions gefunden worden waren. Fredrich nahm diese ebenfalls in den Buleuterions-Band auf. Noch größere Probleme bereiteten die zahlreichen Streufunde aus dem Stadtgebiet von Milet und dessen Umgebung. Unter praktischem Aspekt ergab sich eine weitere Schwierigkeit, und zwar in Hinblick auf die abschließenden Publikationen: Archäologen und Epigraphiker mussten ungefähr zeitgleich ihre Beiträge fertig gestellt haben. Hier gab es nun einen deutlichen Verzug seitens der archäologischen Bearbeiter, der auch mit der Kriegs- und Nachkriegszeit zu tun hatte. So waren die Bände zum Theater, zu den Nekropolen und den christlichen und byzantinischen Bauwerken lange Zeit nicht in Sicht. Herrmann hat sich im Laufe der Jahre verschiedentlich bei Archäologen und Bauforschern nach dem Stand der Bearbeitung erkundigt, erhielt aber hinsichtlich der zeitlichen Planung keine befriedigenden Antworten. In dieser Situation entschloss sich Herrmannn in Absprache mit Wolfgang Müller-Wiener, dem schon genannten Nachfolger Kleiners, zu einer radikalen Lösung. Er beabsichtigte, die noch nicht oder nur vorläufig publizierten Texte in reinen Inschriftenbänden, also ohne den archäologischen Kontext, zu veröffentlichen. In diese Bände – im Rahmen der Milet-Reihe – sollten auch milesische Inschriftenfunde aus der Zeit vor 1899, also dem Beginn der deutschen Grabungen, sowie die Neufunde der Nachkriegsgrabungen aufgenommen werden. Sein Vorhaben hat Herrmann dann im Vorwort zu den „Inschriften von Milet, 1“ ausführlich begründet.46 Wann die Entscheidung für die neue Konzeption fiel, geht aus den Unterlagen nicht eindeutig hervor. Sie dürfte endgültig um 1985 gefallen sein, denn am 15.5.1986 teilte Herrmann Müller-Wiener mit, dass ihm die DFG nun ein Forschungsjahr bewilligt habe, das am 1.10.1986 beginnen werde. In dieser Zeit, so Herrmann, wolle er sich intensiv mit der Bearbeitung der milesischen Inedita befassen. Im selben Jahr hatte Herrmann noch erreicht, dass die InschriftenScheden aus den alten Grabungen, die sich in der Staatsbibliothek in München befinden, unter Vermittlung von Wolfgang Günther und Michael Wörrle eingesehen und kopiert werden konnten. Zusammen mit den Abklatschen war damit eine solide Basis für die Arbeit am Schreibtisch geschaffen. Im Rahmen der skizzierten Neukonzeption beschloss Herrmann, weitere Mitarbeiter zu finden und ihnen sogar den größten Teil der Inedita zur Bearbeitung zu überlassen. Er bot Wolfgang Günther und mir die Mitarbeit an, und wir sagten selbstverständlich zu. Mit Herrmanns Angebot war auch die Bitte an uns verbunden, in Zukunft wie er regelmäßig nach Milet zu reisen und vor Ort zu arbeiten. Seine Überlegungen, Wolfgang Günther und mich einzubinden, hatte Herrmann 45 Knackfuß 1908. 46 Herrmann 1996, IX f.
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schon seit 1982 in mehreren Briefen Müller-Wiener mitgeteilt; ich weiß dies übrigens erst seit der Sichtung der Korrespondenz.47 Warum Herrmann gerade uns zur Mitarbeit einlud, ist einfach zu erklären: Er kannte uns lange, und – das war für Herrmann entscheidend – wir hatten uns bereits in die milesische Epigraphik eingearbeitet. Das galt in besonderem Maße für Wolfgang Günther, der schon seit 1969 Epigraphiker der Deutschen Didyma-Grabung war (und es bis heute ist); schon wegen der Didyma-Inschriften hatte er sich intensiv mit dem milesischen Material vertraut gemacht.48 Ich selber konnte mich im Rahmen der Arbeit an meiner Dissertation49 in die milesische Epigraphik einarbeiten und erhielt von Herrmann Einblick in die Inedita. Zudem hatte Herrmann uns bereits in den frühen 1980er Jahren milesische Inschriften zur Bearbeitung und Veröffentlichung überlassen.50 Nach einer Reihe von Vorgesprächen legte Herrmann in einem an Wolfgang Günther und mich gerichteten Brief vom 1.12.1986 die editorischen Richtlinien fest. Günther übernahm auf Wunsch Herrmanns die Bearbeitung vor allem der Dekrete und Ehreninschriften; ich erhielt die Kultinschriften. Die wenigen, aber gehaltvollen Inschriften aus christlicher und byzantinischer Zeit bearbeitete auf Herrmanns Wunsch Denis Feissel.51 Herrmann selber übernahm rund 140 Inschriften, auch die undankbaren Fragmente, die keiner Kategorie sicher zugeordnet werden konnten. Für die vielleicht doch etwas überraschende Entscheidung Herrmanns, den größten Teil der Inedita nicht selbst zu bearbeiten, gab es neben der Absicht, die Aufarbeitung zu beschleunigen, noch einen anderen Grund. Herrmann übernahm nach dem Tod Louis Roberts die ehrenvolle Aufgabe, Inschriften aus Sardeis zu veröffentlichen.52 Im Sommer 1986 arbeitete er in der Sardeis-Grabung mit und publizierte bald darauf einen spektakulären Fund, eine Urkunde des Dictators Caesar.53 Dass er für das neue Projekt Zeit brauchen würde, war ihm zweifellos bewusst, und dies dürfte ihn bewogen haben, seine Arbeit hinsichtlich Milets etwas zu reduzieren.54 Wohl auch in Hinblick auf die neuen Verpflichtungen ging Herrmann mit Ablauf des Sommersemesters 1989 in den vorzeitigen Ruhestand. Dass er bereits wenig später eine zusätzliche Aufgabe übernehmen sollte, nämlich nach der Wiedervereinigung Deutschlands die Arbeitssstelle der Inscriptiones
47 Ein erster Hinweis findet sich in einem Brief Herrmanns an Müller-Wiener vom 15.12.1982. Darin merkt Herrmann zusätzlich an: „Im übrigen würden beide Herren, die sich sehr gut verstehen, gern einmal zusammen in Milet wirken, was auch einiges für sich hätte“. 48 Erste Publikation von Inschriften aus Didyma: Günther 1969/70 (SEG 26, 1976/77, 1979); Dissertation: Günther 1971. 49 Ehrhardt 1983. 50 Jeweils erste Publikationen von milesischen Inschriften: Ehrhardt 1984 (jetzt in: Herrmann 1998, Nr. 944); Günther 1985 (jetzt in: Milet VI 3, Nr. 1371–1378). 51 Milet VI 3, Nr. 1575–1579. 52 Dazu Georg Petzl in diesem Band. 53 Herrmann 1989b. 54 In einem Brief an Müller-Wiener vom 16.8.1991 schrieb Herrmann allerdings, dass er sich nun intensiv mit dem milesischen Material beschäftige. Im Briefwechsel der Folgezeit ging es vor allem um die Erstellung der ersten beiden Bände der „Inschriften von Milet“.
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Graecae mit zu retten und neu zu strukturieren,55 konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Zur Fertigstellung des dritten Bandes der „Inschriften von Milet“ seien noch einige Worte gesagt. Die von Wolfgang Günther und mir verfassten Manuskripte waren nach Überarbeitungen Ende der 1990er Jahre fertig gestellt und auch Herrmanns Teil war fast abgeschlossen. Da zwischenzeitlich die beiden ersten Bände der „Inschriften von Milet“ erschienen waren (1996 und 1998), wurde beschlossen, die drei Teilmanuskripte zusammenzuführen und als dritten Band der Reihe zu publizieren. Als Herrmann 2002 starb, war er im Begriff, diesen Band zu konzipieren. Nach seinem Tod haben Wolfgang Günther und ich diese Arbeit zu einem Abschluss gebracht. In der äußeren Form war das aus drei Teilen zusammengefügte Gesamtmanuskript allerdings ungenügend. In dieser Situation kam entscheidende Unterstützung aus München: Michael Wörrle ließ von Mitarbeitern in der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik das gesamte Manuskript neu und vollständig in den Computer eingeben, und wir erhielten von ihm zahlreiche Hinweise sachlicher und bibliographischer Art. Dass der Band dann bereits vier Jahre nach Herrmanns Tod erscheinen konnte, verdanken wir neben Michael Wörrle auch dem Deutschen Archäologischen Institut, dessen Redaktion unser Manuskript vorrangig bearbeitete. Einschließlich des Materials in den älteren Milet-Bänden sind nun 1580 Inschriften veröffentlicht, das heißt fast alle milesischen Steininschriften. Rückblickend kann man sagen, dass die Aufarbeitung der epigraphischen Altlasten neben der zügigen Veröffentlichung von Neufunden Herrmanns größte Leistung im Rahmen seiner Tätigkeit für die Milet-Grabung darstellt. Herrmann hatte immer auch im Blick, dass im Kontext der milesischen Epigraphik das instrumentum inscriptum, also beschriftete (Klein-)Objekte unterschiedlichster Art, Berücksichtigung finden mußte. Er nahm derartiges Material auf, sofern es ihm die Archäologen vorlegten. Quantitativ ist es bis 1990 nicht sehr viel gewesen; von Veröffentlichungen sah Herrmann ab. Es war dann das Verdienst Volkmar von Graeves, die gesamte Breite der archäologischen Funde in Milet stärker in den Blick zu nehmen als es vorher der Fall gewesen war und nach geeigneten Bearbeitern zu suchen. Hinsichtlich beschrifteter Objekte waren Herrmann und von Graeve gemeinsam auf der Suche. In Peter Weiß fanden sie den Fachmann, der sich der milesischen Gewichte und Schleuderbleie annahm.56 Die in Milet gefundenen Amphorenstempel hat dann Gerhard Jöhrens vor einigen Jahren veröffentlicht.57 Einen unerwarteten und sehr beachtlichen Zuwachs an Graffiti und Dipinti erbrachten die Ausgrabungen im milesischen Aphrodite-Heiligtum von Oikus, das seit 1990 unter der Leitung Volkmar von Graeves freigelegt wur55 Gewürdigt von Hallof 2000/03; Errington 2004, der Herrmann als „tritos ktistes“ bezeichnet (21); Habicht 2004, 41 f.; Hallof 2009, 36. 56 Publikationen: Weiß 1997, 2006 und 2007. Die im letztgenannten Aufsatz besprochenen steinernen Großgewichte aus Milet hatte Weiß bereits zuvor in Herrmann – Günther – Ehrhardt 2006 publiziert (Nr. 1392–1394). 57 Jöhrens 2009 und 2014.
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de.58 Es handelt sich um ca. 250 Aufschriften, ganz überwiegend Weihungen auf archaischer Keramik. Die Publikation wird von Peter Weiß und mir vorbereitet; einige archaische Stücke und das Material aus hellenistisch-römischer Zeit wurden vorab veröffentlicht.59 Zusammenfassend kann man sagen, dass Herrmann auch hinsichtlich der Bearbeitung des instrumentum inscriptum vieles auf den Weg gebracht hat, dies in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Volkmar von Graeve. An das Ende dieses Beitrags sei die Würdigung Herrmanns gestellt, die wir seinerzeit im Vorwort der „Inschriften von Milet, 3“ formuliert haben: Wenn mit dem vorliegenden Band die Veröffentlichung der milesischen Inschriften im Rahmen der Milet-Reihe vorläufig abgeschlossen ist, so wird dies vor allem zwei Gelehrten verdankt: Albert Rehm (1871–1949) und Peter Herrmann (1927–2002). Was Rehm mit der Bearbeitung von fast vierhundert milesischen und mehr als sechshundert didymeischen Inschriften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so produktiv wie erfolgreich begonnen hatte, setzte Herrmann seit 1962 in vierzigjähriger Tätigkeit als Epigraphiker der Milet-Grabung ebenso zielstrebig und auf gleich hohem wissenschaftlichem Niveau fort. Mit den „Inschriften von Milet“ hatte er geplant, sein Lebenswerk abzuschließen; das erst nach seinem Tod erreichte Ziel hat er noch in greifbarer Nähe gesehen.60
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TWO NEW HELLENISTIC INSCRIPTIONS FROM LYDIA AND AIOLIS* Hasan Malay & Marijana Ricl I. Honours for Sokrates, Son of Artemidoros1 The first new inscription was seen at İğdecik near Menye/Gökçeören (renamed 2003); it was subsequently transported to the Belediye of Gökçeören for safekeeping and afterwards to Kula; its present whereabouts are unknown. The inscription is inscribed on a white-marble trapezoidal stele slightly damaged at top and broken diagonally at bottom. The stele ends in a cornice decorated on its lower edge with a series of seven denticules, of which only the second and the third ones are partly preserved; below the cornice, the main part of the stele is decorated with an olive wreath carved in a shallow sunken field; the inscription is engraved below the wreath, with letters placed between guide-lines; eleven lines are partly preserved. Dimensions: H. 117 x W. 61 x Th. 18 cm; letters 0.5 to 1.5 cm. Date: 153/2 or 152/1 BC.
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Βασιλεύοντος Ἀττάλου Φιλαδέλφου ἔτους ζ΄ˑ [ἔ]δ̣οξεν τῶι κοινῶι τῶν περὶ τὴν Κατακεκαυ[μένη]ν̣ Μαιόνων ὧν εἰσὶν αἱ ὑποτεταγμέναι [κατοικίαιˑ ἐ]πεὶ Σωκράτης Ἀρτεμιδώρου vvv [– – vac. c. 13 – – ]Σ̣ τῆς κάτω πρότερον μὲν vvv [– – vac. c. 18 – – ]Ρ̣ΩΝ ὑπὸ τοῦ βασιλέως [– – vac. c. 15 – – πάντ]α̣ τὰ καλῶς ἔχοντα [– – vac. c. 25 – – ]¯ Τ ΑΓΩΓΩṆ vv [– – vac. c. 25 – – τ]υχεῖν εἴη v [– – vac. c. 30 – –]ΜΟΝΑΣ [– – vac. c. 33 – –]Α̣Β̣ [ ]
11 The two preserved letters at the end of this line are Α/Δ/Λ and B/P). In the seventh year of the King Attalos Philadelphos, it was decreed by the association/league of the Maionians in the Katakekaumene, whose [settlements] are appended below: since Sokrates, son of Artemidoros, [- - -] lower, earlier on the one hand [- - -] by the king [- - - all]
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In Memory and Gratitude to Professor Peter Herrmann. Hasan Malay wishes to thank Halil Çerçi of Menye/Gökçeören who discovered this inscription, and Cumhur Tanrıver and Mehmet Önder for their kind help at the findspot.
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Hasan Malay & Marijana Ricl the good purposes [- - -] displacements/transferals? [- - -] let it happen/let him obtain/succeed? [- - -].
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As already mentioned, the stele was found in the village of İğdecik c. 30 km as the crow flies NE of Sardeis, 10 km SE of Satala, and c. 9 km SW of Maionia (mod. Menye/Gökçeören), at a place called İğdecik Kalesi (“Little Oleaster Castle”) on Üşümüş Tepe (“Cold Hill”), a hill (1008 m high) about 2.5 km E of the village, on whose top remains of ancient constructions, including a wall and a block with three square holes for the fixation of stelai, were spotted.2 Some of these remains belong to a sanctuary (of local Artemis?), where the honorary inscription presented here was originally located. Two more inscriptions come from İğdecik Kalesi: the first is a boundary stone of Artemis (ὅρος ἱερὸς {ἱερὸς} Ἀρτέμιδος) from the 2nd or 1st century BC, recently published by H. Malay and G. Petzl,3 set up κατὰ τὸν γενόμενον περιορισμόν carried out by four strategoi of an unnamed city.4 The second published piece is a broken marble stele (?) with just the word εὐχήν preserved.5 H. Malay and G. Petzl mention the inscription presented here in their above-mentioned publication, and these three inscribed monuments are the first ones ever reported from the site at İğdecik Kalesi. İğdecik is located in the border area between ancient Maionia and Satala, at the bottom of a valley open towards Satala and modern-day Salihli Ovası in the SW, while relatively low but ragged mountains (c. 1000 m high) separate it from the ancient city of Maionia on the east side. In Hellenistic times, Satala was probably dependent on Sardeis,6 and consequently, at that time, İğdecik belonged to the Sardian-Maionian borderland. Malay and Petzl suggest that the sanctuary at İğdecik Kalesi and the sacred estate near İğdecik were owned by the Sardian Artemis and that the four strategoi featuring in the new inscription (Moschion, Ilos, 2 3 4
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For a description of the site with some photographs, see Ünver 2009, 183–184. Malay – Petzl 2017, 65 no. 21. The stone was actually seen in the village of Soğanlı, some 7 km SE of İğdecik Kalesi, but was reportedly unearthed at İğdecik Kalesi. For Soğanlı, cf. Malay 1999, 142 no. 159: Hellenistic epitaph of Lalas Σοαδος (=SEG 49, 1611); ibid. 139 no. 154: honorary inscription set up by ὁ δῆμος ὁ ἐκ Ζευγωνος (=SEG 49, 1597, 37/6 BC); Herrmann – Malay 2007, 90 no. 61, dedication to Meis Tiamou, 183/4 AD; Malay – Petzl, 2017, 193–4 no. 193: [θεᾷ] Ἀνδηνῇ καὶ Μηνὶ Τια[μ]ου, 96/7. Malay – Petzl 2017, 66 no. 22. See Robert, 1962, 282, and TAM V, 1, p. 195. Satala was not a particularly significant city – it stood in the westernmost part of the volcanic region known as the Katakekaumene (thence its modern name Karataş) and features in the Dionysiaka of Nonnos (XIII 474ss.) as the seat of Typhoeus. Some years ago, F. Kolb published the inscriptions engraved on stone seats of the stadium in Saittai (1990, 107–119 [=SEG 40, 1063]. c. 150–300 AD) and the 4th cuneus from the left, rows 9–11 were reserved for φ(υλὴ) Σαταληνῶν. On the analogy with Tamasis, a κατοικία on Saittan territory (cf. TAM V 1 p. 29 and no. 156), whose name appears in the same cuneus, row 12, and whose inhabitants likewise formed a phyle of Saittai, it was suggested that Satala in this period had the status of a κώμη in Saittan territory, and not that of an independent polis or a community belonging to Sardis. Satala does not appear among the cities in the Sardian conventus featured on the Flavian list (Habicht 1975, 64–91), nor are there any coins that can be attributed to it. North of Satala, at a distance of less than 20 km, were found two inscriptions mentioning two different village communities (ἡ Ἰουδδηνῶν κατοικία in TAM V 1, 608, and ἡ βασιλέων κατοικία in TAM V 1, 609).
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Potamon, and Ilos – or three, if two Iloi are the same person) are Sardian (or possibly Attalid) functionaries. The new inscription was erected in the seventh year of Attalos II,7 in 153/2 or 152/1 BC. The same date features in an inscription from Lydian Apollonis (TAM V 2, 1190) honouring a commander of a group of Macedonian military settlers from the region (ο[ἱ ἐκ .]εσπουρων Μακεδόνες).8 The decision to set up the new honorary inscription was taken by τὸ κοινὸν τῶν περὶ τὴν Κατακεκαυ[μένην] Μαιόνων, appearing here for the first time. Below the decree were inscribed the names of the communities belonging to this κοινόν – ὧν εἰσὶν αἱ ὑποτεταγμέναι [κατοικίαι]. The space available on the left side of line 4 (about 10 letters) recommends the supplement κατοικίαι, since κῶμαι would be too short. H. Malay and C. Tanrıver have repeatedly but so far fruitlessly searched for the lower part of the stone at İğdecik Kalesi: its discovery would be quite important for the history and geography of Hellenistic Katakekaumene. Katakekaumene is the name of the central part of a larger region designated as Maionia. The name Maionia was used by the Greek literary sources mostly as an alternative name of Lydia (or its larger part),9 then for the region in the middle (and even upper) course of the Hermos River (including Saittai, Kadoi and +Dadaleis in Ptolemaios10), and finally for the main city of the region (mostly in inscriptions). Katakekaumene was variously attributed to Lydia/Maionia11, Mysia12 or Phrygia13. Stephanus places the city of Philadelpheia in the Katakekaumene as well (svv. Κατακεκαυμένη, Φιλαδέλφεια), but Strabo correctly says that Philadelpheia is situated πρὸς αὐτῇ (sc. τῇ Κατακεκαυμένῃ). In his description of the Katakekaumene region, Strabo mentions three cinder cones (φῦσαι … τρεῖς) distant from each other about 40 stadia (actually, the distance is about 10 km): these are the modern-day Kula Divlit/Divlit Tepe (862 m high) as the easternmost one, Kara Divlit/Divlit Tepe (890 m high) between Sandal and Menye/Gökçeören, as the central one, and Kaplan Alan (‘Tiger Field’)/Divlit Tepe 7 8 9
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His reign began in 159/8 [or 158/7] BC. For Attalos II’s first regnal year, see Hopp 1977, 3– 5; Petzl 1978, 264–7. Malay – Petzl 2017, 57 no. 16, found between Thyateira and Gölmarmara, is dated in the 11th year of the same king (149/8 or 148/7 BC). Homer shows no knowledge of Lydians, only of Maionians, who feature in the Catalogue of Trojan allies (Il. 2, 864–866). Cf. Steph. Byz. s.v. Μαιονία, ἡ Λυδία, ἀπὸ Μαίονος ποταμοῦ τοῦ περὶ τὴν Ἀχαιίδα γῆν ῥέοντος. τὸ ἐθνικὸν Μαιόνιος καὶ Μαιονία θηλυκόν, καὶ Μαίων ὁμωνύμως τῷ οἰκιστῇ, ἀφ’ οὗ ἡ χώρα; Aelius Herodianus et Pseudo-Herodianus Gramm. et Rhet., De prosodia catholica: Μήονες δὲ ἐκαλοῦντο οἱ Λυδοὶ τὸ παλαιόν. Ptol. 5, 2, 12: Μαιονίας ἐν μεθορίοις Μυσίας καὶ Λυδίας καὶ Φρυγίας: Σέτται, +Δαδαλεῖς, Κάδοι. Lydia/Maionia and Mysia in Strab. 12, 8, 12, p. 578; 18–19, p. 579; 13, 4, 11, p. 628. Strab. 13, 4, 6, p. 626; Vitruv. 2, 6, 3. Diod. 3, 70.
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(771 m high), c. 7 km NE of İğdecik, as the westernmost one.14 Strabo’s dimensions of the Katakekaumene region (500 stadia long=95 km15 and 400 wide=75 km16) are larger than they should be (which is c. 35 km long and 14–24 km wide): his Katakekaumene is therefore more spacious than ‘ours’. It is quite possible that he counts at least Saittai, Silandos and Tabala, all three situated north of the Hermos River, as having parts of their territories along the southern bank of the River; on the other hand, there are actually traces of volcanic activity north of the River,17 so we should probably not situate the northern border of the Katakekaumene region along the southern bank of the Hermos. In the west, the flow of lava issuing from Kaplan Alan traversed about 20 km and stopped at Satala; on the SW and S side, the natural border of the Katakekaumene is the Kogamos River. Strabo mentions no cities in his description of the Katakekaumene. Inscriptions preserve more than 40 toponyms, mostly of village communities – katoikiai and komai.18 The formula οἱ περί featuring in the phrase τὸ κοινὸν τῶν περὶ τὴν Κατακεκαυ[μένην] Μαιόνων, appears in three other Hellenistic inscriptions from Lydia, two referring to Macedonian colonists: [οἱ π]ερὶ Θυάτειρ[α] [Μ]ακεδόνες (TAM V 2, 1166),19 and [οἱ περὶ Νά]κρασον Μακεδόνες (OGIS 290)20 and one to the four δῆμοι belonging to the koinon of Mysians from Abbaitis: ὁ περὶ Λακεμας δῆμος, ὁ περὶ Ὁδὸν δῆμος, ὁ περὶ Μόκαδα δῆμος, ὁ περὶ Ἄγκυραν δῆμος.21 The toponyms with οἱ ἐκ,22 pointing to a specific locali 14 The Kula Volcanic Geopark (KVG) covers an area of 300 km2. It is a unique intersection of man and active volcanoes dating back to 15000 years where prehistoric human footprint fossils were preserved in freshly accumulated volcanic ash deposits. There are 68 volcanic cones altogether, locally known as devlit/divlit (Erfurt – Cooper 2014, 100–101). In the 19th century, the local Turkish population referred these mounds of cinders to the agency of Sheitan (Hamilton – Strickland 1841, 1–31, p. 27). 15 Approximately equal to the distance from Satala to Temenothyrai. In Serv. Aen. 9, 712 it is 50 miles long = 74 km. 16 Approximately the distance from Kula to Kadoi. 17 Hamilton – Strickland 1841, 29: ‘basalt of the first period caps the platform of lacustrine limestone on the north side of the Hermus for a distance of several miles, and may be seen in the distance. The source form which the basalt has flowed is no longer apparent’. 18 AD[YT]A?, Akrokastollos, ALIA?, Alkileura, Anda, Andira, Atteta, Axiotta, Axyra, Azit(t)a, Basilikai mandrai (Attalid folds?), B/POZA?, Choirome---, Dima, Dorou kome, Iaza (ἡ Ιαζηνῶν κατοικία in Herrmann – Malay 2007, 79 no. 53), Kerbia, Kollyda, Koresa, LANAPOSTAI?, Larma, LAUADA?, MASPALATTA, MOTELLA?/Motylla, NAZILLON?, +Nea kome, NENENA?, Nisyra (founded by the Seleucids?), Nonou, OGMOS?, Pebaleon katoikia, PEIZA?, Pereudos//on//, Perkos, PETRA?, Spalmasis, SYMAKA?, Syrou mandrai, TABA?, TALIMMA?, Tarsi, Ta(s)za, Tetrapyrgia, TILLA?, Zeugon. 19 Cf. also TAM V 2, 901: Βασιλεῖ Σελεύκω τῶν ἐν Θυατείροις Μακεδόνων οἱ ἡγεμόνες καὶ οἱ στρατιῶται. 20 There might be a similar phrase behind the first three fragmentary lines of a letter of Antiochos III to the Sardians, ca. 213 BC (Gauthier 1989, 129–34 no. 1 = SEG 39, 1289): - - -[ἡ] βασίλισ̣σα γέγρα[φεν] - - - / - - - ΕΝΕΙ τῶν περὶ Η̣ΜΑΣΕΙ - - - / - - - ἐν τῆι περὶ Σάρδεις οἰκον[ο]μία[ι] - - -. 21 Malay 1983, 25–7 = SEG 33, 1004, from Demirci.
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ty, are much better attested in Lydia:23 we have twelve attestations at the moment, of which 2/3 are from the Attalid period: four mention Macedonian colonists, two Mysian ones, one each katoikoi and a demos, while four offer no details in addition to the toponym (οἱ ἐκ Κολλύδων twice, οἱ ἐκ Λασνέδδων and οἱ ἐκ Ταριγυης). As already mentioned, this is the first attestation of a Maionian κοινόν in the Katakekaumene. Τhe name τὸ κοινὸν τῶν περὶ τὴν Κατακεκαυ[μένην] Μαιόνων should designate the communities of Maionians outside their primary centre at the future or already extant city of Maionia, scattered throughout the Katakekaumene region.24 In the Attalid period, the urbanization of the region had hardly started. As the new inscription suggests, the Maionians in the Katakekaumene were organized as a κοινόν regrouping a number of communities, possibly with its own political institutions (strategoi, an assembly, etc.) not mentioned in the preserved part of the text. A parallel could be the League of the Μυσοὶ Ἀββαεῖται25 whose seat was in the eastern part of southern Mysia, but which also had territory south of the Temnos Mt. (mod. Simav Dağ) up to the eastern border 22 For toponyms with οἱ ἐκ/περί cf. Robert 1958, 131 = OMS I 430; Herrmann – Polatkan 1969, 39; Cohen 1991, 46. 23 Oἱ ἐγ Εμοδδι Μυσοί (Encekler, 171 or 163–160 BC: Malay 1990, 65–7 = SEG 40, 1062,), οἱ ἐκ Δοιδύης Μακεδόνες (Apollonis, 161/160 BC: TAM V 2, 1188,), ο[ἱ ἐκ .]εσπουρων Μακεδόνες (Apollonis, 152 BC: TAM V 2, 1190), οἱ ἐκ Ἀγαθείρων Μακεδόνες (Hyrkanis, reign of Eumenes II: TAM V 2, 1307), οἱ ἐγ Λασνέδδων (Hyrkanis, 2nd century BC: TAM V 2, 1321), οἱ ἐκ Κοβηδύλης Μακεδόνες (Kastoloupedion, 163/2 BC: TAM V 1, 221), οἱ ἐκ Κολλύδων (Menye, Late–Hellenistic: Malay 1999, 139 no. 155 = SEG 49, 1598: Θρασίων Ἑρμογένου τῶν ἐκ Κολλύδων; Gölde/İncesu, 1st century BC?: Malay 2004, 179–80 = SEG 54, 1216: Ἀρρειδαῖος Διοκλέους τῶν ἐκ Κολλύδων), οἱ ἐγ Καδόοις Μυσοί (Daldis, 165/4 BC: Herrmann – Malay 2007, 49–58 no. 32 = SEG 57, 1150), [oἱ ἐ]ξ Οδου κά[τοικοι] (Saittai, TAM V 1, 184; Petzl 1994, 141–2, 1st century BC), ὁ δῆμος ὁ ἐκ Ζεύγωνος (Soğanlı, 37/6 BC: Malay 1999, 139 no. 154 = SEG 49, 1597), οἱ ἐκ Ταριγυης (Akpınar, Late–Hellenistic: Akkan – Malay 2007, 18 no. 2 = SEG 57, 1191: Διὶ Ταριγυηνῶι Γάϊος Ἀριήους τῶν ἐκ Ταριγυης). Cf. also οἱ ἐν τῶι Κ[ουρ]νουβευδει Μυσοί (Daldis, 165/4 BC: Herrmann – Malay 2007, 49–58 no. 32 = SEG 57, 1150) and oἱ κατοικοῦντες ἐν Παρθευροις (Daldis, Late-Hellenistic: Malay 1999, 77 no. 71 = SEG 49, 1559), οἱ ἐν Μορει κάτοικοι (Kalburcu, 45/4 BC: P. Herrmann – Malay 2007, 95 no. 67 = SEG 57, 1219), οἱ κατ[οικοῦντ]ες ἐν Μορει (ibid. 96 no. 68 = SEG 57, 1220, Early Imperial), οἱ ἐν Τετραπυργίᾳ κατοικοῦντες συνγενεῖς (Bebekli, 4/3 BC: Malay – Petzl 2017, 207–8 no. 203), οἱ ΕΜΦΥΣΗ/․․ΧΗ̣․․․․ (Maionia, 147/6 BC: TAM V 1, 530), οἱ ἐν Αλκιλευροις κάτοικοι Σαρδιανοί (Hamidiye, Late–Hellenistic: Malay 1999, 111 no. 124 = SEG 49, 1566). 24 On the different meanings of the word koinon in Classical and Hellenistic Karia, cf. Debord 2003, 115–180, esp. 142–174 (numerous Karian koina or political entities dating from the 3rd/2nd century BC, preceding the formation of poleis, with magistrates and subdivided into demoi; these koina resulted from the association of several komai/phylai/choria, with demarchoi, komarchai, brabeutai, tamiai, archontes, agoranomoi, ephebarchai, gymnasiarchai as officials). Christof Schuler suggested to us that the word koinon in this case could stand for a league of villages sharing a central sanctuary and festival. 25 Cf. P. Debord 1985, 349; Ma 2013, 67–72.
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of the Katakekaumene. The central organisation of this koinon is known from an inscription found SW of Silandos and starting with ἔδοξε Μυσῶν Ἀβαιτῶν τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμωι:26 it had a strategos of its own, a council and an assembly, and was subdivided in δῆμοι – poleis-like military communities placed at strategic sites.27 As for the polis of Maionia, it was established either in the second half of the 2nd century BC or the first half of the 1st century BC.28 The origin of the city goes back to the Hellenistic/Attalid period,29 and the presence of military garrisons30 and soldiers and their officers is confirmed by several inscriptions found in Menye/Gökçeören and its vicinity.31 Later on, a village existed at the same place, 26 Malay – Petzl 2003, 19–23 = SEG 53, 1357, 2nd/1st century BC. 27 Cf. οἱ ἐν Γόρδῳ Μυσοὶ Ἀββαεῖται (Malay – Petzl 1984, 157–65 = SEG 34, 1198, after 133–130 BC), ὁ περὶ Λακεμας δῆμος, ὁ περὶ Ὁδὸν δῆμος, ὁ περὶ Μόκαδα δῆμος, ὁ περὶ Ἄγκυραν δῆμος (Malay 1983, 25–7 = SEG 33, 1004, Aristonikos’s war). According to Robert 1937, 160, Καστωλεύς and Μυσὸς ἀπὸ Καστωλοῦ (IG II² 9003 and 9977) do not refer to a city: Καστωλλὀς was the name used for the Burçak ovası (Kastoloupedion), Söğüt Çay, and the settlement at Bebekli. 28 A new dedication from Gökdere some 10 km SE of Menye, can be dated on the basis of the letter-forms to the 3rd century BC (Malay – Petzl 2017, 117 no. 107: Μήτηρ θεῶν Οανατου). We have inscriptions from Esenyazı/Görnevit (Malay 1999, 147 no. 170, Late Hellenistic/Early Imperial = SEG 49, 1602): ὁ δῆμος Ἀπολλώνιο[ν] Ἑρμογένου, and Tabala (ibid., 155 no. 181, Davala/Yurtbaşı, 63/2 BC: [Ἔτο]υ̣ς κβʹ∙ ἔδοξε [τῇ βουλῇ καὶ τῷ / δήμῳ γ]ν̣ώμη στρατ[ηγῶν καὶ γραμμα/τέως τ]οῦ δήμου ∙ ἐπ[εὶ - - name - - /. .]ν̣ίου τῶν πολ[ιτῶν ἀνὴρ καλὸς καὶ / ἀγ]αθὸς, κτλ. As for Kollyda, cf. TAM V 1, 375 (Late Hellenistic?) mentioning ὁ δῆμος (and ibid., 374, and 487 from Hamidiye, both seemingly later). There is also TAM V 1, 468b from Ayazviran, with ὁ δῆμος honouring Mogetes Mogetou, possibly in the connection with the war of Artistonikos. 29 Cf. TAM V 1, 530: βασιλεύοντος Ἀ̣ττά̣[λου] / ἔτους τρεισκαιδεκάτου. / ἀγαθῆι τύχῃ ἔστησαν / τὴν στήλην Λ̣[– –c. 8– –] / [– –c. 9– –] οἱ ΕΜΦΥΣΗ/. . ΧΗ̣ . . . . ἁγνεύειν δὲ / ἀπὸ μὲν κ[ή]δους ὁμαίμ/ου πεμπταῖον, τοῦ δὲ ἄλ/λου τριταῖον, ἀπὸ δὲ γυναι/κὸς εἰς τὸν περιωρισμέ{νο}/νον τόπον τοῦ Μητρω̣ίου / τῆι αὐτῆι λουσάμ̣ενον εἰσ/πορεύεσθαι· ἑταίρα τριτ/αία περιαγνισαμένη, καθὼ̣/ς εἴθισται. 30 Cf. χωρίον and ὀχύρωμα in TAM V 1, 528 (c. 129 BC) from Menye: . . . η̣νῶν καὶ Χοιρομ̣ε . . . /των καὶ Ταρσιανῶν τῶν πρότε/[ρ]ο̣ν ὑπὸ Διοκλῆν στρατηγὸν, ἡ/γεμὼν καὶ στρατιῶται οἱ δια/ταγέντες εἰς τὸ χωρίον ὑπὲρ / [Ἡφ]αιστίωνος Ἀλκαίου Σαρδ̣ι/̣ [ανο]ῦ τοῦ κατασταθέντος / [ὑπὸ] Κοΐντου Σεροηλίου Γ̣ν̣[αίου / υἱοῦ Και]πίωνος πρεσβευτο[ῦ / Ῥωμαίω]ν ἐπὶ τοῦ ὀχυρώμα[τος / —c. 7— κ]αὶ Μητρὶ Ἀκραίαι [ἀν/δραγαθίας ἕ]νεκεν καὶ εὐ[νοίας] - - -. 31 ΤΑΜ V 1, 444, Karaoba: Μενεκράτης Τιμάρχου / Μυσὸς χαῖρε ὁ πεσὼν / ἐν τῇ μάχῃ; ibid., 543, Menye/ Gökçeören: ἔτους γʹ - - / στεφανοῦσιν οἱ κατοικοῦν/τες ἐν Ἀτέττοις Ἰόλλαν / Μητροδώρου Σαρδιανόν / τὸν ἑαυτῶν εὐεργέτην / καὶ σωτῆρα γεγενημένον; ibid., 584, Emre: [- - - - - - - -] /ΔΕΤΕΡ̣. Ἔπ[αρ]χον Ἰόλλου̣ / τὸν ἡγησάμενον αὐτῶν κ[αθ]/αρείως ἀρετῆς ἕνεκεν /καὶ εὐνοίας τῆς ἔς τε τὸν / βασιλέα καὶ ἑαυτούς; Malay 1999, 151 no. 179 = SEG 49, 1552, Ayvatlar (Dora?): [- - - - στρα]τηγὸς καὶ εὐεργέ/[της - - - - - κ]αὶ τοῖς Μυσοῖς / [- - - - - - - -]ΕΔΩΝ κατασταθεὶς / [- - - - - ἐπιστ]άτης τοῦ τόπου ν ν / [- - - - - - - β]α̣σιλέως καὶ ἡμῶν / [- - - - - - -]ΤO πλείονας τῆς / [- - - - - - ἔν] τε τῆι ἐφόδωι τῶ[ν / - - - - - - δι]ὰ̣ τὴν πᾶ[σαν] σπου[δήν / - - - - - - - -] τῶν ἀν̣ωχύρ̣ω̣ν̣ [- - / - - - - - - - - - - - - -]ΤΟΥΣΟ̣Σ[̣ - -].
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with typical village institutions – βραβευταί, λογισταί, σύνοδοι,32 possibly called Atetta,33 until sometime before 61/60 BC, when a fully-fledged polis with its δῆμος and πολῖται finally appears in an inscription.34 The person honoured by the koinon of the Maionians, Sokrates, son of Artemidoros, is otherwise unknown. 5 About 13 letters are missing at the beginning of this line. They refer to the honoured person Sokrates, son of Artemidoros. Since his career-description possibly starts with πρότερον μέν, we suggest that what preceded it was his ethnic, i.e. place of origin, possibly with a υἱός at the beginning.35 If that is correct, Sokrates could have originated from a place whose name had a feminine form followed by the epithet ἡ κάτω36 (e.g. [ἐκ/ἀπό ......κώμη]ς τῆς κάτω): the final sigma before τῆς could either belong to a toponym ending in κώμη – comparable to some toponyms attested in a Hellenistic inscription from the Upper Kaystros Valley:37 Κιρεικώμη, Ἀγρεικώμη, Ταυρουκώμη, Σαλτρουκώμη – , or to a toponym without κώμη as its constitutent part.38 6 Since more than a half of this line is lost, it is impossible to say with any precision what it originally contained, beyond the fact that it referred to a decision/appointment made ὑπὸ τοῦ βασιλέως. The first preserved letter is either a P or a B. Since about 18 letters are missing on the left side, we could supply [κατασταθεὶς/τεταγμένος ἐπὶ τῶν ἱε]ρ̣ῶν.39 32 TAM V 1, 515. 33 TAM V 1, 543. 34 TAM V 1, 514: ἔ̣τ̣ους εʹ καὶ κ̣ʹ, μηνὸς ιβʹ δʹ. ἔδοξεν τῶι δήμ̣[ω]ι· ἐ̣[πεὶ] / Πλούταρχος Ἑρμογένου τοῦ Πλουτάρχου τῶν πo/λιτῶν, ἀνδρὸς καλοῦ καὶ ἀγαθοῦ καὶ γένους πρώ/του καὶ ἀρετῆι καὶ πίστει διαφέροντος, γεγονό/τος ἀπὸ τῆς πρώτης ἡλικίας ἐνδόξου πολίτου / τετελεκότος τε πάσας πολλάκις τὰς ἀρχὰς / εὐαρέστως καὶ καθαρείως καὶ ἀνεγκλήτως / καὶ συμφερόντως τῶι δήμωι διά τε ταύτην / τὴν ὑπόστασιν καὶ τὴν παρ’ ὅλον τὸν βίον ἀγω/γὴν καὶ σωφροσύνην καὶ τὴν πρὸς πάντας / τοὺς πολίτας ἐκτένειαν καὶ φιλανθρωπί/αν τῆς μεγίστης τυγχάνον/τος ἀ̣π[οδ]οχῆς. There is a new decree of Maionia from 17/6 BC (Herrmann – Malay 2007, 85– 6 no. 58). The ethnic Μαίων appears in TAM V 1, 202, 240, 573; TAM V 3, 1540; Varinlioğlu 1990, 90–1 no. 41 = SEG 40, 1095; Malay 1999, 140 no. 156 = SEG 49, 1599; I. Smyrna 754; Habicht 1975, 64–91, lines 20–1; Conze – Schuchhardt 1899, 172 no. 14; Oliverio 1936, 182–3 nos. 220/1 = SEG 9, 484, Teucheira-Arsinoe: (Ἔτους) ηʹ. / Ἀμμώ|νιος / Λύκου. / Ἀρίμμ[ας] / Μα̣ίων. 35 A second possibility would be a reference to his current official position (e.g. [στρατηγὸς/ἀρχιερεὺς τῆ]ς κάτω) contrasted with a previous one: “who had previously been appointed by the king as …”. 36 Cf. Νέα κώμη ἡ κάτω in Termessos (İplikçioğlu – Çelgin – Çelgin 1997, 373–4 = SEG 47, 1771), and χω(ρίον) Κάλλιστε Κάτω in Samos (IG XII 6, 980, line 8 = SEG 53, 879). 37 Herrmann – Malay 2007, 126–7 no. 97. 38 It is also conceivable that the toponym had a feminine form, but that τῆς κάτω is abbreviated from τῆς κάτω ὑποτεταγμένης/δηλουμένης, referring to a katoikia featuring in the lost list of Maionian communities. 39 The Apollo Pleurenos dossier from the area of Sardis (Kemerdamları) records an Attalid official named Euxenos bearing the title ὁ ἐπὶ τῶν ἱερῶν προσόδων (Robert 1982, 362 =
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7 After we supply πάντα: πάντ]α̣ τὰ καλῶς ἔχοντα, about 15 letters are still missing at the beginning of this line. 8 The letters ¯ T AΓΩΓΩΝ at the end can be the end-part of the following nouns τῶν δικασταγωγῶν (‘officials who escorted foreign judges to their homes’), τῶν μεταγωγῶν (‘transferences; changes, transfers; wheelings, manoeuvrings’), τῶν μυσταγωγῶν (‘initiating into mysteries’), adjectives δραπεταγωγός (‘recovering a runaway slave’), εὐμετάγωγος, -ον (‘easy to put aside, get rid of; easily moved’), and μεταγωγός -η, -ον (‘shifting’), or the masculine singular present participle of the verbs μυσταγωγέω (‘initiate, celebrate sacred rites’) and ὀχεταγωγέω=ὀχετηγέω (‘conduct by ditches or conduits’). If the honoured individual was involved in local cults, then perhaps [(τῶν) μυσ]ταγωγῶν should be supplied here.40 9 At least 25 letters are lost in this line. It seems that a wish is made for someone to obtain or succeed in something. 10 Only the sequence ΜΟΝΑΣ is preserved here without any context; it is impossible to decide if it is a completely preserved femine accusative plural form μόνας or the end-part of a noun or an adjective ending in -μων (e.g., ἡγε]μόνας, δαί]μονας, (ἱερο)μνή]μονας), or even a proper name Μονᾶς/Μόνας. Again, if Sokrates, son of Artemidoros, had anything to do with (local) cults, perhaps we should supply ἱερομνή]μονας: ‘magistrates who had charge of temples or religious matters/eponymous magistrates/registrars’.41 Still, we should keep in mind that hieromnemones are not attested in Lydia, except in the border city of Tralleis,42 where the institution was perhaps introduced after the model of Karian cities. This important new inscription from the Katakekaumene is heavily damaged in its most significant part. We can only hope that the broken fragment is still somewhere out there on the hill waiting to be found.
SEG 32, 1237). There is also another official τεταγμένος ἐπὶ τῶν ἱερῶν (Demetrios, διοικητής and τεταγμένος ἐπὶ τῶν ἱερῶν) in J. and L. Robert 1954, 285–302 no. 166 (before 190 BC). From the reign of Antiochos III we know of Nikanor ἀρχιερεὺς τῶν ἱερῶν πάντων ἐν τῆι ἐ[πέ]κεινα τοῦ Ταύρου (Malay 1987, 7–15 = SEG 37, 1010). 40 If we supply [τῶν μ]ε̣ταγωγῶν, the word would refer either to displacements of populations (cf. the verb μετάγειν used in this sense in the royal Attalid letter from Daldis: Herrmann – Malay 2007, 49–58 no. 32 = SEG 57, 1150, 165/4 BC: Μυσοὺς - - -Ν εἰς Καστωλλὸμ μετάγειν), or to transferal of funds to a new account (cf. Bosnakis – Hallof 2005, 245–6 = SEG 55, 930 c, Kos 175–150 BC, ll. 54–5: μὴ ἐξέστω δὲ] μήτε μετάγ[εν τὰς ἀπ’ αὐτῶν ποθόδους, κτλ.]. 41 We are greatful to Christof Schuler for his advice on this line. On the best-known hieromnemones of the Delphic Amphiktyony, see Lefèvre 2005, 9–34. 42 I. Tralleis 25: ll. 2–4 [ἐπὶ τ]ῆι τοῦ δήμου παντὸς ὁμο/[νοίαι συντελέσαι θυσί]α̣ν̣ τούς τε βο[υλευ]τὰ[ς πάντας καὶ τοὺς ἱε]ρομνήμονας καὶ τοὺς προ/[έδρους]. Another attestation of the word is found in a Trallian decree for Miletos (Milet I 3, 143B, ll. 67; I. Tralleis 20).
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II. Honours for two dikaskopoi43 The second inscription presented on this occasion comes from Aiolian Aigai. It is a stele found outside any archaeological context, during the works on the levelling of streets of Aigai. The stele is made of local hard brownish stone. It is broken in seven fitting pieces; at top, a fragment is missing, while a part of the upper margin is preserved on the right side; at bottom, a small fragment is missing on the left side but it does not affect our understanding of the inscription. vac? [ ] [ ] ΠΕΠ [.... Ξενότιμος] ὀ Ἀρτε[μιδώρω καὶ Ἀθά]ναος ὀ Ἀ4 πολλ[οδώρω, δε]ι̣χθέντες ὐπὸ τῶ [δάμ]ω δικασκόποι ἄρξαν τὰν ἄρχαν ὄρθως καὶ δικαίως, παῖσαν 8 ἐπιμέλειαν ποιήμενοι τῶ τε συμφέροντος τῶ κοίνω καὶ ἰδία ἐκάστωˑ ὠς οὖν ὄ τε δᾶμος ὀ Αἰγα12 έων φαίνηται τοὶς εὐεργέταις τίμαις καὶ ο[ἰ] ἄλλοι προθυμότεροι ἔοισι εἰς τὰ συμφέροντ16 [α τ]ᾶ πόλι, δεδόχθαι τᾶ β[ό]λλα καὶ τῶ δάμωˑ ἐπαιν-
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ῆσαι μὲν Ξενότιμον καὶ Ἀθάναον ἐπὶ τᾶ προθυμία καὶ εὐνοία τᾶ πρὸς τὸν δ[ᾶμ]ο̣ν, στεφανῶσαι δὲ αὐ[το]ὶ̣ς ἐν τοῖς πρώτοισ[ι] Β̣ουλαψίοισι καὶ ἀναγγέλλαι ὄττι ὀ δᾶμος ὀ Αἰγαέων στεφανοῖ Ξενότιμον καὶ Ἀθάναον ἀρέτας καὶ εὐνοίας ἔνεκεν τᾶς εἰς ἐαυτόνˑ v γ̣ράψαι δὲ τὸ ψάφισμα τ[ο]ῦτο τοὶς οἰκονόμοις κ̣αὶ τοὶς δικασκόποις τοὶς ἐνεστακόντας εἰς στάλαν λιθίναν καὶ στάσαι ἐν τῶ ἰρῶ τᾶς Ἀθα[ναί]ας.
- - - Xenotimos,] son of Arte[midoros, and Atha]naos, son of Apoll[odoros, having been appo]inted by the [people] as dikaskopoi, performed the office correctly and justly and taking utmost care of what is profitable for the community and for each citizen individually; therefore, in order to show that the people of Aigai have honoured their benefactors and that the others become more devoted to the interests of the city, it has been decreed by the council and the people to commend publicly Xenotimos and Athanaos for their zeal and goodwill toward the people, to crown them during the first Boulapsia and to announce that the people of Aigai crown Xenotimos and Athanaos for their excellence and goodwill toward itself; the current oikonomoi and dikaskopoi will engrave this decree on a stone stele and place it in the sanctuary of Athena.
43 Hasan Malay expresses his gratitude to Professor Ersin Doğer, the former director of the excavations at Aigai, for his kind permission to study the inscriptions discovered during the excavations.
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The inscription consists of 35 lines engraved in the stoichedon pattern,44 with 18 letters per line (only in line 28 the last square was left uninscribed, since a paragraph ended there). Dim. H. 178 (max) x W. 61.5 (max) x Th. 15 cm; average letter height 1.5 cm. A with a straight crossbar, E with a shorter middle bar, K with short divergent bars, M with slightly inclined verticals, N with a slightly shorter and raised right vertical, Θ, O and Ω smaller than the other letters and carved above the line, Π with a very short right vertical, Σ with tilted upper and lower bars. Date: first half of 3rd century BC (reign of Antiochos I or Antiochos II).45 Τhe new find from Aigai is an honorary inscription of early Hellenistic period. Its interest mostly resides in the new attestation of the word δικασκόπος and in the hapax legomenon Boulapsia. 1 It is possible that there was another line above the first one preserved today. 2 Basing ourselves on line 18, we can supply the name and the patronymon of one of the dikaskopoi – Xenotimos; the name is attested in inscriptions and coins from Kyme.46 3 This line contained the name of the second dikaskopos: Athanaos, attested in line 19. The name is very popular and exclusive for Aiolis,47 since it is attested in Aigai,48 Kyme,49 Larisa, Myrina50 and Pitane. 3–4 We supply Athanaos’ patronymon as Ἀπολλ[οδώρω or Ἀπολλ[οδότω,51 and the following participal form as δε]ι̣χθέντες, attested in Methymna52: the shortened form δεῖξαι is found at Aigai53 itself, and on Lesbos54. 5 The word and the office of dikaskopoi ‘examiners of cases’ is already attested in Aigai, in an honorary decree for three judges from Kolophon, set up in Klaros between 300 and 250 BC.55 It also features in the well-known Mytilenean de 44 Cf. Austin 1938. 45 The letters of the new inscription resemble the ones in an inscription from Aigai recording a document issued by the royal treasury and listing tributes and privileges (Malay 1983, 349– 353 = SEG 33, 1034) to such a degree that both inscriptions might be the work of the same stonecutter (the only difference is in the height of letters, 2.8–3 cm in the second inscription). 46 LGPN V.A, s.v., and Petzl – Pleket 1979, 73–81 = SEG 29, 1216. 47 See LGPN I and V.A, s.v. 48 In addition to LGPN V.A, see Malay – Ricl 2009, 40–41 = SEG 59, 1406, line 70. 49 Also Ἄθανος. 50 Also Ἀθάναιος and Ἀθάνιος. 51 There is an Ἀθήναιος Ἀπο[λλ]οδώρου at Aigai c. 280 BC (Malay – Ricl 2009, 40–41 = SEG 59, 1406, line 69. 52 IG XII Suppl. 114, 3rd/2nd century BC. 53 Malay – Ricl 2009, 40–41 = SEG 59, 1406, lines 65–6: δεῖξαι δὲ καὶ τοὺς ἐπιμελησομένους τῶν ἐψη̣φι̣ σμένων ἤ̣δ̣η̣ ἄνδρας δέκα. 54 IG XII 2, Suppl. 139, lines 14–15; ibid., 50; ibid., p. 31; ibid., 143, line 31; IG XII 2, 500. 55 Ph. Gauthier, ‘Nouvelles inscriptions de Claros: décrets d’Aigai et de Mylasa pour des juges colophoniens’, REG 112, 1999, 2–17 = SEG 49,1502: - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - / [ἐπαίνεσαι δὲ καὶ τοὶς δικάσταις καὶ στεφάνωσαι αὔτοις / ἐν τοῖς
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cree on the settlement of disputes after the return of exiles between 340 and 330 BC,56 and in a mutilated law from Kyme57 that seems to prescribe the procedure and fines for some delicts. The duty of these officials was probably to assess whether legal claims were to be admitted to the court: Ph. Gauthier thinks that they represented the city during the introduction of some lawsuits in courts and compares them with public prosecutors.58 In any case, they collaborated with the judges in some way. 6–7 The same phrase ὄρθως καὶ δικαίως appears in the above-mentioned praise of foreign judges from Kolophon at Aigai (note 55), and in a number of Hellenistic inscriptions connected with judges and officials in general, especially those handling financial resources.59 13 Tίμαις is the Aiolian aorist participle of τιμάω. The same form is well attested in our region.60 21–23 Xenotimos and Athanaos were going to be crowned and the honours decreed to them publicly announced during the first Β̣ουλάψια,61 a previously unattested festival at Aigai. In Hesychius we have the (confusing) entry βουλεψίηˑ ἡ λέξις παρὰ Ξάνθῳ. λέγει δἐ τὰς Ἀμαζόνας, ἐπειδὴ τέκνωσιν
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Διονυσίοις χρυσίω στεφάνω ὄττι] ἐδίκασ̣[σαν / ταὶς δίκαις, ταὶς δὲ καὶ διέλυσαν ὄρθως καὶ] δικαίως κα[ὶ / κὰτ τοὶς νόμοις (?)- - - - - - ca. 19-23- - - - - -]ΙΟIΣ· ὄππως δὲ / [τιμαθέωσιν (?) ἐν τοῖς χρόνοισι τοῖς ἐνν]όμοισι καὶ συν/[τελέσθηι αὔτοισι τά τε κατὰ τὰν πολιτεία]ν καὶ προξενίαν, / [εἰσαγήσασθαι περὶ αὔτων τοὶς ἄρχον]τας τοὶς ἐπὶ ἰερέως / [- - - - - - ca. 22-24 - - - - - -· δόμεν]αι δὲ καὶ ξένια τοῖς δι/[κάσταις τὰ ἐκ τῶ νόμω καὶ (?) ἐπιμ]εληθῆναι τὸν ἐπιμήνιον / [- - - - - ca. 12 - - - -· ὄππως δὲ ἀναγο]ρευθέωσιν οἰ στέφανοι πὰ/[ρ’ ἄμμιν ἐπιμεληθῆναι (?) τοὶς] δ̣ικασκόποις καὶ τὸν ἀγωνοθέ/[ταν ἔπει κε συντελέσθηι τ]ὰ̣ Διονύσια· πρὸς δὲ Κολοφωνί/[οις ἀποστέλλαι πρεσβεύ]ταν ὄττις ἀποκαταστάσει τε τοὶς / [δικάσταις καὶ ἀνάδοις τὸ] ψάφισμα ἀξιώσει τὸν δᾶμον τὸν / [Κολοφωνίων ποήσασθαι τ]ὰν ἀναγγελίαν τῶ στεφάνων ἔν τε τοῖς / [Κλαρίοις καὶ τοῖς Δι]ονυσίοις ἔπει κε τοὶς πρώτοις ἀγῶ/νας ἀ πόλις συντε]λ̣έηι καὶ τὸ ψάφισμα ἀναγράψαντες εἰ[ς] / [στάλλαν ἀναθέμε]ναι εἰς ἶρον ὄποι κε δέαται ἐπιτάδεον ἔμ/[μεναι· πρέσβευς ἐχ]ειροτονήθη· Πύθεος Διονύτα. Foreign judges active at Aigai and judges from Aigai active in other cities are also known from Frisch – Taşlıklıoğlu 1975, 219–222 no. 1 (judges from Skepsis at Aigai; ca. 200 B.C.); Milet I 3, 152 Β and IG XII Suppl. 139 Β (judges from Aigai, Miletos and Samos on Lesbos; ca. 200 or 188–167 BC); I. Assos 10 (fragmentary stele with the heading Αἰγαέων and a goat’s head, emblem of Aigai, within a wreath: either judges from Aigai in Assos or vice versa). IG XII 2, 6 + XII Suppl. p. 3–4, lines 11–12: μηδ’ αἴ κέ τις δίκαν γράφηται περὶ τ[ο]ύτων, μὴ εἰσά[γοντον οἰ περί]δρομοι καὶ οἰ δικάσκοποι μηδὲ ἄ̣[λλ]α ἄρχα μηδέϊα. I. Kyme 11, 3rd century BC. Gauthier 1999, 9. E.g. IG II2 1299; Agora XV 85; IG IV 840; I. Byzantion 316; IGBulg I2 37(2); I. Sestos 1; IG XII Suppl. 125 and 139; IG XII 2, 526; I. Lampsakos 34; I. Iassos 80. Cf. ὀ δὲ δᾶμος ἀκο]ύσαις (IG XII 2, 6), ὄπως οὖν καὶ ὀ δᾶμος φάνερος ἦι εὐχαρίστως συνάνταις ἐκάστοισι (IG XII Suppl. 137), πρεσβεύσαις πρὸς τὸγ [Καίσαρα] (IG XII 2, 24), [ἀ]ποκαταστάσαις (ibid. 29), καὶ ὐπεύθυνος ἔστω ὁ παράβαις (ibid. 59), Ἠρακλείδας Διονυσίκλη ἰερατεύσαις Ἀσκλαπίω χαριστήρι[ον] (ibid. 117). The first letter –B– sems to be beyond doubt.
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ἅρρεν, ἐξορύσσειν αὐτοῦ τὰς ὀφθαλμοὺς αὐτοχειρία. Perhaps the new word’s constitutent elements are βοῦς and λαμβάνω62. A comparable and likewise unexplained noun and verb, βουλαχεύς and βουλαχέω, are attested at Didyma63 (perh. βοῦς, λαγχάνω) in honorary inscriptions for individuals who performed this duty. 30 This is the first attestation of oikonomoi at Aigai; they were previously attested only in Kyme.64 34–35 The sanctuary of Athena at Aigai features in line 64 of the civic decree establishing divine honours for Seleukos I and his son65 (together with its altar of Zeus Soter), and Athena itself in the above mentioned Hellenistic document (note 45) issued by the royal treasury and listing tributes and privileges, and on civic coins.66 Athena’s sanctuary could have stood in the NW corner of the acropolis, on the upper terrace of the theatre, where one recognizes a poorly preserved peripteral Doric temple surrounded by stoas on two sides.67 In 2017, Assistant Professor Yusuf Sezgin, the new director of the excavations at Aigai, started investigations at the presumed temple site, but it has not yet been possible to identify the deity worshipped there.68 The sanctuary was a traditional locality for setting up official inscriptions of the city, together with the sanctuary of Apollo Chresterios situated about 4 km from the urban centre. At the beginning of line 35, there are three stoichoi before the preserved letters ΑΣ: if we supply Ἀθά/[ν]ας, this would mean that the stonecutter left a vacat of two stoichoi at the beginning; it is therefore better to supply Ἀθα[ναί]ας.69 Bibliography Y. Akkan – H. Malay, The Village Tar(i)gye and the Cult of Zeus Tar(i)gyenos in the Cayster Valley, EA 40 (2007) 16–22. R.P. Austin, The Stoichedon Style in Greek Inscriptions, Oxford 1938. R. Bohn – C. Schuchardt, Altertümer von Aegae (Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts, Ergänzungsheft 2), Berlin 1889. D. Bosnakis – K. Hallof, Alte und neue Inschriften aus Kos II (Nr. 20–24), Chiron 35 (2005) 219– 272. G. M. Cohen, Katoikiai, katoikoi and Macedonians in Asia Minor, AS 22 (1991) 41–50.
62 For a parallel, cf. ἀνδροληψία ‘seizure of foreigners’. 63 Milet I 7, 250 ([βουλαχή]σασαν); Milet I 3, 168, 171 (βουλαχ̣[ήσασαν]); Milet VI 3, 1151 (βουλαχεύς). 64 Holtheide 1989, 546 no. 2 =SEG 39, 1316. 65 Malay – Ricl 2009, 40–41 =SEG 59, 1406. 66 BMC Troas, Aeolis, and Lesbos 95 nos. 1, 11, 15. 67 Bohn – Schuchardt 1889, 35 ff. 68 We are grateful for this information received from him. 69 Cf. I. Kyme 101c: τάνδε τὰ̣[- - - Ἀθαν]αήαη, and 101d: [- - -ἀνέθε]κα τἀ̣[θ]αναήαη, both from Larissa.
Two New Hellenistic Inscriptions From Lydia And Aiolis
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DER BRIEF DES SEPTIMIUS SEVERUS AN AIZANOI* Michael Wörrle Es ist jetzt 190 Jahre her, daß Alexandre und Léon de Laborde auf ihrer Kleinasienreise von 1826/7 die Erforschung des Tempels von Aizanoi eröffneten. An der Innenseite der nördlichen Pronaosante entdeckten sie damals eine Inschrift, bei der sie nur zu einer höchst lückenhaften Lesung gelangten. Immerhin ist es Johannes Franz gelungen, in ihren Notizen die Titulatur des Septimius Severus zu erkennen und das Dokument insgesamt als dessen Brief an Aizanoi zu bestimmen.1 Im Spätherbst 1843 hat Philippe Le Bas bis zum Wintereinbruch einen Monat in Aizanoi verbracht.2 Zu der insgesamt fabelhaften Ausbeute seiner epigraphischen Forschungsreise gehören auch 172 dort aufgenommene Inschriften. Von dem Brief des Septimius Severus hat Le Bas damals ebenfalls Abschrift und Abklatsch genommen und danach die Inschrift in Zusammenarbeit mit William H. Waddington neu herausgegeben.3 „Fragmenta ... optime transcripta edidit“ formulierte Franz bewundernd, als er die Neubearbeitung in das Supplement zu CIG III einstellte.4 Man kann ihm in Kenntnis der Situation nur zustimmen. Der Tempel steht, auch durch das schwere Erdbeben von 1970 nicht zum Einsturz gebracht und danach von Rudolf Naumann und der türkischen Antikenverwaltung stabilisiert, noch heute in dem Zustand, in dem ihn die französischen Forscher gesehen haben.5 Der Brief des Septimius Severus ist keineswegs „now lost“, wie James H. Oliver nach seinem Aizanoi-Besuch 1973 notierte,6 sondern noch immer „sur l’ante droite du vestibule, face sud“ (LBW) gut zu sehen, wenn man hoch genug hinaufschaut und ein günstiger Sonnenstand die Buchstaben auf dem stark grauweiß gefleckten Marmor der Tempelwand hervortreten läßt. ‚Praktisch‘ war die Anbringung trotz der gewiß anzunehmenden Ausmalung der Buchstaben schon in der Antike nicht, als der Text fast 6 m über dem Laufniveau begann, gut 4 m dar* 1 2 3 4 5
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Sophia Bönisch-Meyer danke ich für die Durchsicht und anregende Diskussion des Manuskripts. CIG III 3837 f. Er berichtet seiner Mutter darüber in einem Brief vom 16. 11. 1843 aus Kütahya: RA 31, 1897, 386 f., vgl. den Brief an Lacroix vom 13. 12. 1843 aus Kiliseköy, ebenda 390. LBW 874. S. 1065 f. Die Erdbebenschäden hat Naumann 1971, 216–221 beschrieben, vgl. dazu und zu den Restaurierungen Naumann 1979, XI. Für die nachfolgende Forschung an dem Monument sei auf die Beiträge von K. Jes – R. Posamentir – M. Wörrle und Th. Schulz zu Rheidt 2010, 59–88; 89–98 verwiesen. Oliver 1989, S. 430.
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über endete und die Innenwände des Pronaos ganz verschattet waren.7 Die späteren Ausgaben des Severus-Briefes, auf die wir gleich zurückkommen, beruhen alle auf LBW. Ein paar Unsicherheiten in der Textkonstitution und die historische Relevanz des Dokuments legten eine Neuaufnahme nahe, zu deren Vorbereitung ich 2009 neben anderen epigraphischen Arbeiten in Aizanoi eine Fotoserie anfertigte.8 Sie ist die Grundlage des folgenden Textes. Er hat 35 Zeilen, von denen 1–18 auf dem oberen, 19–35 auf dem unteren der genannten Antenblöcke stehen (Abb. 1; 2). An ihrer rechten Kante hatte die Ante schon zur Zeit von Le Bas drei größere Ausbrüche im Bereich der Z. 1–5, 16–20 und 30–35, an der linken ist sie zusätzlich ab Z. 33 beschädigt, jeweils verursacht durch die Aktivität von Klammerräubern. Sonst ist die Steinoberfläche insgesamt noch immer vorzüglich erhalten, nur das Einkratzen von zwei Çavdarenreitern auf dem unteren Block hat ein wenig Schaden angerichtet,9 und hier und da hat sich, die Lesung aber kaum behindernd, ein kleines Moospölsterchen angesiedelt.
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Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ θεοῦ Μάρ̣[κου Ἀντωνεί]νου Εὐσεβοῦς Γερμανικοῦ Σα̣[ρματικοῦ υἱός], θεοῦ Κομμόδου ἀδελφός, θ[εοῦ Ἀντωνείνου] Εὐσεβοῦς υἱωνός, θεοῦ Ἁδριαν[οῦ ἔκγονος, θε]οῦ Τραιανοῦ Παρθικοῦ καὶ θεοῦ Νε[ρούα ἀπό]γονος Λούκιος Σεπτίμιος Σεουῆρος Εὐσεβὴς Πέρτιναξ Σεβαστὸς Ἀραβικὸς Ἀδιαβηνικὸς ἀρχιερεὺς μέγιστος δημαρχικῆς ἐξουσίας τὸ ε΄ αὐτοκράτωρ τὸ η΄ ὕπατος τὸ β΄ πατὴρ πατρίδος 1 v. Αἰζανειτῶν τοῖς ἄρχουσι καὶ τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ ca. 8 v. χαίρειν. Τὴν ἡδονὴν ἣν ἐπὶ τοῖς κατορθωμένοις ἔχετε καὶ ἐπὶ τῷ τὸν υἱόν μου Μάρκον Αὐρήλιον Ἀντωνεῖνον ἐπιβαίν{ν}ειν ἀγαθῇ τύχῃ τῶν τῆς ἀρχῆς ἐλπίδων καὶ τετάχθαι μ[ετὰ] τοῦ πατρὸς φανερώτατα ἔγνων δι[ὰ]
Die Inschrift steht auf zwei Blöcken der Schichten 7 und 6 über dem Sockelprofil der Wand. Die Tafel 13 in Naumanns Tempelpublikation (Naumann 1979, vgl. auch die beiden Fotos Taf. 46 b; 47 b) zeigt die Position der hadrianischen Tempellanddokumentation (zu ihrer grundlegenden Neupublikation durch Laffi 1971, deren Nachdrucken und neuerer Literatur vgl. Wörrle 2009, 417; 426–432) auf derselben Pronaos-Nordwand innerhalb des die Tempelwände innen und außen (Naumann 1979, Taf. 14) umziehenden, oben und unten gerahmten Bandes. Der Severus-Brief auf der Ante endet rechts schräg oberhalb auf dem zweiten Block über dem oberen Rahmen. Alle Bilder sind mit dem starken Zoom einer Panasonic LUMIX freihändig vom Boden aus gemacht. Für eine professionellere Dokumentation hätte es eines Gerüstes oder einer Hebebühne bedurft, zu deren Einsatz es über dem Abbruch der Aizanoi-Grabung nicht mehr gekommen ist. Für unsere Zwecke läßt sich auf den Aufwand verzichten. Zu diesen vielerorts an den Tempelwänden zu findenden Graffiti des 13. / 14. Jh.s vgl. Rheidt, in: Rheidt 2010, 162; Beyazıt 2016.
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τοῦ ψηφίσματος καὶ ἥσθην ὅτ[ι δη]μ̣οσίαν ἠγάγετε ἑορτὴν καὶ ἐθύ[σατε] τ̣οῖς θεοῖς θυσίας χαριστ̣η̣ρ̣ίους [πό]λις ὄντες ἔνδοξος καὶ ἐκ παλαιο[ῦ τῇ Ῥω]μαίων ἀρχῇ χρήσιμος, τὴν Νείκη̣[ν δὲ] ὡς εἶδον ἐπὶ μαρτυρίᾳ τῶν κατορθωμ[έ]νων ἐλθοῦσαν μετὰ τοῦ ψηφίσματος ἀπέπεμψα τὸ ἵδρυμα ὑμεῖν παρὰ τοῖς ἐνχωρίοις θεοῖς ἐσ[ό]μενον. vac. Ἐπρέσβευον Κλαύδιος Καμπανὸς Φλαουιανός, ½ v. Κλαύδιος Ἀπολλεινάριος Αὐρηλιανός, ½ v. Φίλ[ι]ππος Μηνοφίλου, Κλαύδιος Πασιλ̣εανός, ½ v. Βείθυς Δημητρίου, Αὐρήλιος Κάτυ̣λ̣λ̣ος, ½ v. Μηνόφιλος Φιλίππου, Φίλιππος Μηνοφίλου, ½ v. Μεν[ε]κράτην δὲ Μειλήτου ἔφασαν [ἀπο]λυθῆ̣ν̣αι, οἷς τὸ ἐφόδιον ἀποδ̣[οθήτω] [εἰ μὴ προ]ῖκα ὑπέσχηνται π̣ρ̣ε̣[σβεύειν]. [Εὐτυχεῖτ]ε̣.
Der kritische Apparat vergleicht, Kleinigkeiten vernachlässigend, den LBW-Text und die auf ihm basierenden Ausgaben von Franz,10 L. Lafoscade,11 H. Dessau (bis Z. 26),12 J. Hasebroek (bis Z. 26),13 G. Lafaye,14 Oliver15 und J.-P. Coriat16 mit meiner Neuedition: 8/9: ἐξουσί|ας τὸ γ΄ Majuskeln LBW und alle Editionen. — 10: Αἰζανιτῶν Majuskeln LBW und alle Editionen. — 12: κατωρθωμένοις LBW nach Abklatsch, nicht gefolgt von Lafoscade; Oliver; Coriat. — 20: παλαιο[ῦ Ῥω]- LBW; IGR; Oliver. τῇ τῶν Ῥω]- Lafoscade; CIG; ILS; Hasebroek. Platz für max. 6 B. — 21: νείκη[ν δὲ] LBW; Lafoscade; IGR; Oliver; Coriat. Νείκη[ν Nollé.17 πρ]ε[σβείαν δὲ ἀσμέν]|ως CIG; ILS; Hasebroek. — 24: τὸ ΚΡ..Α Majuskeln, τὸ .Ρ.ΜΜΑ nach Abklatsch —> τὸ [γ]ρ[ά]μμα LBW; IGR; Oliver; Coriat. κρ[ῖμ]α CIG; ILS; Hasebroek. [ἄ]γ[αλ]μα Rehm.18 — 26: ΚΑΙΛΙΟΣ Μajuskeln, Κλαύδιος nach Abklatsch LBW; IGR; Oliver. Καίλιος CIG; Lafoscade; ILS; Hasebroek. — 27: Ἀπολλινάριος Majuskeln LBW und alle Editionen. — 28: Φιλότιμος Majuskeln LBW und alle Editionen. — 29: Πασί[τ]εχνος LBW und alle Editionen. — 33/34: ἀπο[δοῦναι ....... προ]ῖκα ὑπέσχηνται LBW; IGR. [.... ἡν]ίκα ὑπέσχηνται ---1 Z.--- [Εὐτυχεῖτε] CIG. ἀπο[δοθή|τω εἰ μὴ προ]ῖκα ὑπέσχηνται. [Εὐτυχεῖτε] Oliver; Coriat. — 35: Von dem letzten Buchstaben ist nur die obere Querhaste zu sehen.
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o. Anm. 4. Lafoscade 1902, 68. ILS 8805. Hasebroek 1921, 178 f. N. 31. IGR IV 566. Oliver 1989, 213. Coriat 2014, 97–99 N. 20. Die bei Coriat zitierte unveröffentlichte „Imperial Correspondence I“ von J.-L. Mourgues konnte ich nicht einsehen. 17 Nollé 1998, 339. 18 A. Rehm bei Robert 1963, 79 Anm. 2.
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Abb. 1 / 2: Aizanoi, Zeustempel: Brief des Septimius Severus. Oberer Antenblock mit Textzeilen 1-18 / unterer 19-35 (Fotos: M. Wörrle)
Der Brief des Septimius Severus an Aizanoi
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Imperator Caesar ... Lucius Septimius Severus Pius Pertinax Augustus ... grüßt die städtischen Würdenträger, den Rat und das Volk von Aizanoi. Die Freude, die Ihr an den Erfolgen habt sowie daran, daß mein Sohn Marcus Aurelius Antoninus glücklich in die Aussichten auf die Herrschaft eingetreten und dem Vater an die Seite gestellt worden ist, habe ich sehr deutlich aus dem Volksbeschluß ersehen, und mit Freude , daß Ihr ein öffentliches Fest abgehalten und den Göttern Dankopfer dargebracht habt, als Stadtgemeinde ruhmreich und seit langem eine Stütze der römischen Herrschaft. Was aber die Nike betrifft, so habe ich Euch in der Erkenntnis, daß sie als bestätigendes Symbol der Erfolge zusammen mit dem Volksbeschluß ankam, das Weihebildnis zurückgeschickt, damit es mit den Göttern Eurer Heimat zusammen sei. Gesandte waren Claudius Campanus Flavianus, Claudius Apollinarius Aurelianus, Philippos (Sohn des Menophilos), Claudius Pasileanos, Bithys (Sohn des Demetrios), Aurelius Catullus, Menophilos (Sohn des Philippos) und Philippos (Sohn des Menophilos), bezüglich Menekrates (Sohn des Miletos) sagten sie, er sei entschuldigt. Ihnen steht die Auszahlung des Reisegeldes zu, soweit sie nicht angeboten haben, die Gesandtschaft kostenlos zu übernehmen. Viel Glück!
Die seit LBW materiell unangefochtene Lesung der jeweils mit einem nachfolgenden Häkchen als solche kenntlich gemachten Iterationszahlen in der Kaisertitulatur (Z. 9) wird durch die Revision für die 8. imperatorische Akklamation und den 2. Konsulat bestätigt, für die tribunicia potestas jedoch widerlegt. Hierzu ist auf der Tempelante nicht Γ = 3 —> 10. 12. 194 – 9. 12. 195, sondern E = 5 —> 10. 12. 196 – 9. 12. 197 angegeben.19 Die sehr erheblichen interpretatorischen und historischen Konsequenzen hat Matthäus Heil in einer brillanten Studie bereits vorweggenommen.20 Wegen des vermeintlichen Verlustes unserer Inschrift hatte er geglaubt, den letzten Beweis seiner Thesen schuldig bleiben zu müssen; er wird ihm hier mit der Bewunderung, die seinem scharfsinnigen Mut zur Originalität gebührt, nachgereicht. Die folgende Skizze zur zeitgeschichtlichen Einbettung des Severus-Briefes an Aizanoi kann sich der Führung Heils überlassen und kurz ausfallen: Septimius Severus, im April 193 in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen und im Juni als solcher vom Senat bestätigt, hatte sich der Kooperation des Clodius Albinus durch dessen Ernennung zum Caesar versichert und führte von Juli an auf dem Balkan, in Anatolien und in Nordsyrien Krieg gegen Pescennius Niger, den er im Frühjahr 194 bei Issos besiegen und ausschalten konnte. Mit Ausnahme des weiterhin seiner Belagerung standhaltenden Byzanz kontrollierte er damit, zunächst von Syrien aus, den gesamten Osten des Römischen Reiches. Die dortigen Provinzen wurden neu zugeschnitten und die Städte je nach ihrer Loyalität im Bürgerkrieg schwer 19 Seit LBW ist in der Forschung (vgl. Magie 1950, 1541 f.) verschiedentlich erwogen worden, inhaltlich für falsch gehaltenes Γ mit zu korrigieren und dadurch den Brief in die 4. trib. pot. des Septimius Severus (10. 12. 195 – 9. 12. 196) zu platzieren. Der Sanierungsversuch ist jetzt obsolet. 20 Heil 2006, besonders 78–82. Ohne sich auf das Textproblem einzulassen, hatten Reynolds 1982, 125 und Souris 1989, 55 in ihrem Gefolge 197 vorgeschlagen, ohne damit irgendwo ein Echo auszulösen. Den von einer Datierung des Briefes gegen Ende der 3. tribunicia potestas ausgehenden Forschungsstand (er findet sich mit Verkürzungen und Unschärfen auch bei Hekster 2015, 209–217 wieder) hat Letta 2010, 298–304 ohne Kenntnis von Heils Untersuchung noch einmal dargestellt und mit Diskussion der ihn scheinbar stützenden Dokumentation erneut vertreten.
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bestraft oder reich belohnt. Für die kleinasiatischen Provinzen beschränken sich unsere Kenntnisse über lokale Kriegserfahrungen auf die Kämpfe um Kyzikos, Nikomedeia und Nikaia,21 den Durchzug von Septimius Severus und Caracalla durch Prusias am Hypios22 und auf die Zwangsrekrutierungen, wohl auch Konfiskationen, durch Centurionen Nigers, deren Wiedergutmachung der Brief gewidmet ist, den Septimius Severus bald nach seinem Sieg von Issos (trib. pot. II, vor Dezember 194) an das ostpamphylische Syedra schrieb.23 Ähnliche Vorgänge wird man sich weit verbreitet vorstellen dürfen, auch wenn wir sie sonst so wenig beobachten können wie, von den konträren Schicksalen Nikaias und Nikomedeias abgesehen,24 die konkreten Formen und Folgen des Umschwungs in den einzelnen Poleis. Bei der Ermordung des Pertinax Ende März 193 hatte die Provinz Asia der Statthalterschaft des Asellius Aemilianus unterstanden (192/3), der als prominentester Parteigänger des Pescennius Niger alles daran gesetzt haben wird, diesem die Loyalität ‚seiner‘ Städte zu gewährleisten. Auch unter dem wahrscheinlich direkten Nachfolger, L. Aemilius Iuncus (193/4),25 dürfte sich die Niger freundliche Orientierung von Asia erst geändert haben, als Asellius Aemilianus, inzwischen als ὑποστράτηγος und Ἀσίας ἡγούμενος Nigers agierend, von Severus’ Truppen im Herbst 193 vor Kyzikos besiegt und anschließend ermordet war26 und Niger selbst nach dem schwierigen Sieg des Tib. Claudius Candidus bei Nikaia um die Jahreswende sich aus seinem Hauptquartier, Byzanz, nach Kilikien zurückgezogen und Kleinasien Severus überlassen hatte. Wie und ob überhaupt L. Aemilius Iuncus den Umschwung organisierte, wissen wir nicht,27 auch nicht, wann genau er (noch im Orbit Nigers oder schon Severus’?) den Brief an Tabala schrieb, das, an der Straße Smyrna – Sardeis – Kadoi – Aizanoi – Kotiaeion – Dorylaion im südöstlichen Lydien am Nordrand des Hermostals gelegen, sich bei dem inzwischen freilich toten Pertinax über rechtswidrige Belastung durch römisches Militär beschwert hatte.28 Die Mißstände müssen auf die Zeit des Commodus zurückgehen, aber auch im Bürgerkrieg akut geblieben sein. Sie lassen sich allerdings aus den Andeutungen der Briefe des Pertinax und Iuncus an Tabala 21 Die Einzelheiten finden sich in dem für den Krieg gegen Niger noch immer grundlegenden Kapitel von Birley 1988, 108–120. 22 I. Prusias 9. 23 Sayar 2014, 333–342, vgl. Jones 2015. 24 Robert 1977, 22–39 (Robert 2007, 690–703), danach mit anderen etwa Pont 2010, 193. 25 Römer 1990, 152 f.; Eck, 1991, 823. Auch mit dem folgenden Jahr 194/5 und bereits für Severus entschiedener Gesamtlage in Kleinasien sollte man rechnen. 26 Für die Quellen s. PIR2 A 1211. 27 Nicht zielführend ist jedenfalls die neuerdings von Herz 2016 vorgeschlagene Hypothese einer Statthalterschaft des Tib. Claudius Candidus in Asia. Sie erfordert neben einer Textänderung die riskante Annahme eines staatsrechtlichen Provisoriums und berücksichtigt die Funktionsänderung bei Asellius Aemilianus so wenig wie den Prokonsulat des Aemilius Iuncus, so daß man besser bei G. Alföldys Interpretation von CIL II2 14, 2, 975 bleibt, wonach Candidus als dux ... adversus rebelles hostes publicos item Asiae item Noricae im Kontext der Rückkehr aus dem Ersten Partherkrieg vorgegangen ist. 28 Malay 1988 (SEG 38, 1244 [vgl. 43, 870; Malay 1994, 26 N. 8]; AE 1990, 949; Hauken 1998, 203–214).
Der Brief des Septimius Severus an Aizanoi
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nicht zuverlässig bestimmen, nur die Unterscheidung zwischen illegal „zum Geldmachen“ (ἀργυρίζειν) Tabala aufsuchenden πλανώμενοι und legitim dort erscheinenden, regulär nach Aizanoi abkommandierten Soldaten ist deutlich. Welchen Auftrag die letzteren in Aizanoi zu erfüllen hatten, ob sie gar unterwegs eingesammelte Rekruten dort zusammenführen oder in ein dortiges ‚Kastell‘ überstellen sollten,29 ist unklar. Ohne Antwort bleiben entsprechend auch alle Fragen nach der Bedeutung Aizanois in den logistischen Planungen der damaligen Machthaber und Kontrahenten und den richtigen oder falschen Konsequenzen, die die lokalen Politiker in Aizanoi daraus rechtzeitig oder zur Unzeit zogen. Das Umfeld war jedenfalls undurchsichtig und bedrückend, aber das geht aus dem oft zitierten Dio-Exzerpt über Liquidierungen von einstigen Gegnern und hohe, mit aller Härte durchgesetzte Kontributionsforderungen an die Städte, das Vierfache des freiwillig oder gezwungen an Niger Geleisteten, eben bloß allgemein hervor.30 Nur für Milet haben wir aus Asia mit der Statue des Septimius Severus ein frühes, durch die 3. tribunicia potestas und die 7. imperatorische Akklamation sicher schon in den Herbst 195 datiertes Loyalitätsmonument für die am Ende, aber eben noch nicht zu diesem Zeitpunkt definitiv, siegreiche Partei.31 Es scheint zusammen mit einem Ensemble weiterer Denkmäler gezielt auf die fingierte Adoption durch Marc Aurel Bezug zu nehmen, die Severus seit der ersten Hälfte 195 nach Anfangserfolgen in seinem dieses Jahr geführten Ersten Partherkrieg zur Betonung historischer Kontinuität für das Unternehmen und zur Legitimation für sich selbst behauptete.32 Noch im Kriegsgebiet und noch vor dem Ablauf der 3. tribunicia potestas wurde Severus der endliche Fall von Byzanz gemeldet, Anlaß
29 Mitchell 1993, 118–141; 228 f. hat den fragmentarischen und in seinen erhaltenen Teilen nur allusiven Text, Malay folgend, so interpretiert und in sein Gesamtbild eines militarisierten kaiserzeitlichen Kleinasien eingefügt. Die Situation, die sich wenig später aus Severus’ Brief an Syedra ergibt, würde dazu passen. Vgl. allerdings die Bedenken von Herrmann 1990, 48, den Widerspruch von Gordon 1993, 141 und die neuerlichen Ergänzungen von Speidel 2009, 199–210 sowie zur Rekrutierung in den kleinasiatischen Provinzen Ritti 2008, 301–303, insbesondere Milner 2011, 158–161 mit der dort herangezogenen Literatur. 30 Cass. Dio 74 (75), 8, 5 mit Dietz 1997, 517–519. Zwischen 196 und 208 errichtete Priene auf Initiative von Statthalter und Provinzprocurator eine Iulia-Domna-Statue ἀπὸ τῆς τῶν φόρων δεκάτης, vielleicht in diesen Zusammenhang gehörige Zusatzabgaben: I. Priene 230 in der Neuedition von Blümel – Merkelbach, I. Priene² 220 mit dem Kommentar. – Zu Tib. Claudius Xenophon, der die Maßnahmen als procurator provinciae Asiae durchzusetzen hatte und dessen verna dispensator rationis extraordinariae provinciae Asiae vgl. Pflaum 1960, II, 590–592 N. 222. 31 Milet VI 3, 1111 mit dem Kommentar von N. Ehrhardt; für die sonstigen von Magie 1950, 1540 gesammelten Severus-Monumente ist die angenommene Frühdatierung wegen verkürzter Titulaturen nicht eindeutig, für MAMA XI 91 (IGR IV 626 aus Trajanopolis bei Uşak: MAMA XI, S. XVII) legt die Ärenangabe vielmehr 197/8 fest. Gleichzeitig mit der milesischen scheint eine Severusstatue im mauretanischen Banasa errichtet worden zu sein: Hamdoune 1999, 301–306 (IAM Suppl. 42 f. N. 98), und in Phrygien dürfte auch schon damals Prymnessos (im südöstlichen Vorfeld des Stadtgebiets von Afyon: MAMA XI, S. XXII) Kontakt zu Severus aufgenommen haben (u. Anm. 44). 32 Zum Datum der ‚Adoption‘ etwa Heil 2006, 65.
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für seine 8. imperatorische Akklamation33 aber eben nicht, wie bisher allgemein angenommen, für die mit unserem Brief dokumentierte Gratulationsgesandtschaft aus Aizanoi. Wenn diese nicht schon Ende 195 stattfand, fällt jedoch das einzige zwingende Argument für die Proklamation Caracallas als Caesar und Iulia Domnas als Mater castrorum schon im Frühjahr 19534 mit allen Konsequenzen für die ideologische Vorbereitung des Krieges gegen Clodius Albinus, was im Einzelnen von Heil ausgeführt und hier nicht zu wiederholen ist. Am 19. Februar 197 endete der Bürgerkrieg mit dem Untergang des Albinus vor Lyon, Severus kehrte nach Rom zurück, um von dort schon im Sommer zu seinem Zweiten Partherkrieg aufzubrechen. In Rom wurde die im Vorjahr unterwegs in Moesien gewissermaßen provisorisch deklarierte Caesar-Erhebung Caracallas nun durch förmlichen Senatsbeschluß legalisiert und mit der Verleihung von imperatoria insignia symbolisch in Szene gesetzt,35 was sich in dem seitdem für die Monate bis zur Einnahme Ktesiphons von Caracalla geführten neuartigen Titel eines Imperator destinatus spiegelte.36 Es muß dieser auf den definitiven Sieg von Lyon gegründete Akt der Verdeutlichung seines dynastischen Projekts gewesen sein,37 der Severus, gewiß neben vielen anderen, die Ankunft einer eilends nach Rom entsandten Gratulationsgesandtschaft aus Aizanoi bescherte.38 33 Die Kombination der 8. imperatorischen Akklamation mit der 3. tribunicia potestas findet sich zwar nicht auf den Münzen, jedoch, was Heil übersehen hat, in CIL VIII 8835 aus dem mauretanischen Tubusuctu. Der Fall von Byzanz, der Severus gewiß schnellstmöglich nach Mesopotamien gemeldet wurde (Cass. Dio 74 [75], 14, 2), kann damit durchaus noch kurz vor dem 9. 12. 195 erfolgt sein: vgl. zur Chronologie etwa Ziegler 1978, 494; 497 mit der älteren Literatur; Letta 2010, 301 f. 34 Es bleibt dann bei Frühjahr 196 in Viminacium, wie SHA Sev. 10, 3 berichtet, auch für Caracallas neuen Namen, M. Aurelius Antoninus (der Versuch von Rubin 1980, 207–209, beides zu trennen, wirkte schon damals überaus gezwungen). Zu den beiden scheinbaren Belegen für 195, RIU 840 (Soproni 1980, 39–43) mit der unmöglichen Kombination von Arabicus Adiabenicus und imp. V mit trib. pot. II sowie CIL III 14507 (erst 196 ausgeführtes Loyalitätsmonument der 195 entlassenen Soldaten der Legio VII Claudia p. f.) vgl. Heil 2006, 75–77, zu Iulia Domna im Anschluß an Heil 2006, 73 f. Nadolny 2016, 46 f. 35 SHA Sev. 14, 3: Caesarem dein Bassianum Antoninum a senatu appellari fecit decretis imperatoriis insignibus. 36 Der Brief von Severus und Caracalla an Delphi (Oliver 1989, 215 [Coriat 2014, 184–186 N. 62] nach FD III 4, 329) stammt aus dieser Zeit, in Z. 17 f. ist seine obere Fragmentgruppe aber noch gar nicht bis zu dem Titel fortgeschritten, sondern noch beim Abschluß der Filiation Caracallas. Das Foto in FD III zeigt klar, was alle Herausgeber verkannt haben: Τρ]αιανο[ῦ statt κ]αὶ ἀνθ[ύπατος. – Ebenso jetzt Strasser 2017, 82. 37 Zum Vorgang, seiner Datierung, Dokumentation und ideologischen Funktion findet sich wiederum alles Nötige bei Heil 2006, 71 f., zur Bedeutung der Rolle des Senats noch Talbert 1984, 354–358, besonders v.Saldern 2003, 11, vgl., mit den nunmehr erforderlichen chronologischen Korrekturen, auch Kuhoff 1993, 102–108. 38 Parallelen sind die kurz nach den Aizanitern schon auf dem Weg in den Zweiten Partherkrieg in Capua empfangene Gesandtschaft aus Delphi (o. Anm. 36, die einschlägige Passage im Eingangsteil des Briefes ist freilich verloren) und, vom Anfang des folgenden Jahres, die Gratulationsgesandtschaft von Aphrodisias zum Fall von Ktesiphon und den damit verbundenen Erhebungen Caracallas zum Augustus und Getas zum Caesar: Reynolds 1982, 124–129 N. 17 f. (Oliver 1989, 218 f.; IAph 8.36 f.). Aus demselben Anlaß hat Nikopolis ad Istrum auf
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Daß in der Kaisertitulatur ἀνθύπατος / proconsul fehlt, bestätigt die Abfassung des Severus-Briefes in Rom.39 Freude als Programm40 muß in den eher von der Düsternis brutaler und persönlich unsouveräner Abrechnung mit seinen Gegnern geprägten Wochen, die Septimius Severus 197 in Rom verbrachte, einen Klang mit eigenartigen Untertönen gehabt haben. Der erste Abschnitt des dreiteiligen Briefes (Z. 12–21; 21–25; 26–34) ist sicher mit Absicht so stilisiert, daß ἡδονή exponiert am Anfang steht. Auf die Freude der Aizaniter antwortet Severus Z. 17 mit der eigenen, um mit reziprok-ausgeklügeltem Konsens zwischen Herrscher und Untertanen einer zerstörten Realität die beflügelnde Illusion einer schon wieder geheilten entgegenzustellen. Getragen wird die in der gemeinsamen Freude bewirkte / zu bewirkende Wende durch die Kombination im vagen belassener und so zugleich prinzipiell in Anspruch genommener Erfolge41 mit dem sich stabilisierenden Projekt einer neuen, fiktiv zugleich schon altbewährten Familiendynastie, personalisiert in dem nunmehr unbehindert als Imperator destinatus in die Nachfolge hineinwachsenden Caracalla.42 Es ist ein in den Bürgerkriegsjahren entwickeltes propagandistisches Konzept, dessen Versatzstücke oft genug auftauchen, um es als solches identifizierbar zu machen, beginnend schon mit dem als Freudenfest für alle gestalteten ersten adventus 193 in Rom, von dem Cassius Dio so tief beeindruckt gewesen sein wollte wie von nichts dergleichen zuvor,43 und variiert in den er-
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dem ‚Dienstweg‘ über den Statthalter schriftlich gratuliert (Oliver 1989, 217). Die Tradition (Millar 1977, 412–418; Ritti 2004, 309–311) geht aber, gerade auch in Aizanoi eindrucksvoll bezeugt (Wörrle 2014, 439–462), bis in die augusteische Zeit zurück. Jones 2014, 25; vgl. Eck 2017, 261. Das Thema kann hier nicht im entferntesten ausgeschöpft werden. Schon ein Blick auf die einschlägigen Stichwörter in Anastasiadis – Souris 2000 zeigt, daß Severus es von früh an forciert, aber nicht erfunden hat. Besonders intensiv wird wenig später Caracallas Brief von, vielleicht, 201 an Ephesos (Oliver 1989, 244) mit dem ἡδονή-Motiv spielen. Nobilitierende Mystifizierung durch verschleiernde Anpielung scheint auch sonst nach Severus’ Geschmack gewesen zu sein. Die κατορθώμενα von Z. 12 und 22 f. unseres Briefes haben in dem an Syedra von 194 mit allusivem οὕτως τῶν πραγμάτων κεχωρηκότων einen Vorläufer. Sie tauchen, von Reynolds als „surprisingly sober“ empfunden, 198 in einem Schreiben an Aphrodisias als περὶ τῶν βαρβάρων κατορθώμενα wieder auf (Reynolds 1982, 125 zu N. 17) und finden sich als κατορθώματα anscheinend auch in einem undatierbaren, von Souris 1989, 54 f. N. 5 als solches erkannten Brieffragment des Severus (CIG III 3878, Z. 1–10 [Coriat 2014, 394 N. 176]). In ähnlichem Stil wird der Sieg des Zweiten Partherfeldzugs im Brief an Nikopolis nach vorbereitendem τὰ παρόντα mit τὰ τῶν ἡμετέρων ἀγαθῶν εὐαγγέλματα nur angedeutet. Daß die Auseinandersetzung mit Albinus ein Bürgerkrieg war, muß Severus also gar nicht unbedingt die von Heil 2006, 81 hinter seinem Rückzug auf Andeutungen im Brief an Aizanoi vermuteten Skrupel gemacht haben. Möglicherweise im Rückgriff auf nicht nur in Aizanoi darauf ausgebrachte Akklamationen kommentiert Severus das familiäre Ereignis mit ἀγαθῇ τύχῃ. Den Zusammenhang, der wenige Monate später in Nikopolis besonders deutlich hervortritt, hat Nollé 1998, 328–351 mit einer umfangreichen Dokumentation herausgearbeitet. Cass. Dio. 74 (75), 1, 3 f.; Herodian. 2, 14, 1 f., vgl. Lehnen 1997, pass.
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wähnten Briefen an Syedra, Aphrodisias und Nikopolis.44 Seit Syedra wiederholt sich in der einschlägigen Korrespondenz des Severus, daß sich die städtische Freude im städtischen Dankesfest manifestiert. Nach dem Vorschlag Nollés feierten die Aizaniter es als Epinikien, es wäre das frühest faßbare unter den severischen Festen dieser Art. Wissen kann man es nicht,45 gegen eine 197 in Aizanoi begründete Festserie spricht, daß es dafür (noch?) weder ein numismatisches noch ein inschriftliches Zeugnis gibt.46 Zu den Versatzstücken in unserem Brief gehört schließlich auch die Solidarisierung mit Aizanoi durch die Anerkennung seiner im unbestimmten belassenen Bedeutung47 und den Verweis auf das Alter seiner Rombeziehungen48 und deren Nützlichkeit.49 Diese konnte man etwa in der damals über ein halbes Jahrhundert alten Rolle Aizanois als Conventus-Stadt sehen,50 aktuell lag sie vielleicht noch mehr in dem militärischen und logistischen Bereich, der sich in der erwähnten Dokumentation aus Tabala, möglicherweise und für uns nicht mehr konkretisierbar, andeutet. Auf dem Gebiet der politischen Symbolik finden sich wohl Spuren von Anerkennung dafür in dem Neokorietitel und in der neuen Asylie, beide verbunden mit dem Kult des Zeus von Aizanoi: der erstere ist, zum Ausgleich für die damalige Kaiserneokorie Laodikeias (?), unter Commodus und Caracalla, die letztere unter Caracalla bezeugt und vielleicht erst dessen Zugeständnis.51 44 Χαίρειν in dem sehr zerstörten Brief an Prymnessos (Oliver 1989, 214 [Coriat 2014, 91 f. N. 17]. Die Datierung in die 3. tribunicia potestas ist ergänzt, kann sich aber auf das Fehlen von Pius [seit Sommer 195: PIR2 S 487 S. 194] und divi Commodi frater [seit 196: Heil 2006, 67] stützen) gehört wohl zu einem ähnlichen Kontext. Eine programmatische Eröffnungsposition hat das ἥδεσθαι ihres Präsidiums auch in dem Schreiben, das Severus in einem unbestimmbaren seiner Anfangsjahre an die Technitensynode richtete (Frisch 1983, 216; 1986, 31 f. und öfter [Oliver 1989, 212; Coriat 2014, 386–389 N. 172]). 45 Der 197 gewonnene Krieg war immerhin kein auswärtiger, der ausgeschaltete Gegner kein barbarischer Herrscher, sondern ein römischer Rivale. 46 Für die Epinikien genügt hier der Verweis auf den Überblick Nollés 1998, 330 f. mit der früheren Literatur, besonders den Arbeiten von Ziegler; periodische Wiederholung scheint für sie jedoch eher nicht typisch gewesen zu sein. 47 Vgl. ἰδὼν δὲ πόλιν εὐγενῆ τε καὶ ἀρχαίαν in dem Fragment des Briefes, den der procos. Asiae Q. Fabius Postuminus 111/2 im Rückblick auf seinen Besuch an Aizanoi geschrieben hatte (LBW 841 [IGR IV 572] in der Version von Robert 1937, 301–305), wohl im Kontext besonderer Förderung der Stadt durch Trajan nach dem Scheitern des Metropolis-Projekts mit dem Tod Domitians (Posamentir – Wörrle 2006, 238 f.). 48 Die Beziehungen lassen sich über Reste einer Korrespondenz mit Caesar bis in die Zeit des Dritten Mithridates-Krieges zurückverfolgen: Wörrle 2009, 409–444. 49 In Caracallas Brief an Aphrodisias (IAph 8.37, vgl. o. Anm. 38) sind dessen Bürger ganz ähnlich τῇ Ῥωμαίων ἀρχῇ προσήκοντες. 50 Naumann 1985, 217–226 (SEG 35, 1365) mit Fournier 2010, 82 f. und Dalla Rosa 2012, 264 f. 51 Posamentir – Wörrle 2006, 245; Wörrle 2011, 364 f. mit den Dokumentations- und Literaturhinweisen. Für die Annahme einer seit Marc Aurel bestehenden ‚Symmachie‘ mit Rom (vgl. o. Anm. 29; Filippini 2012, 442–446) bietet OGIS 511 dagegen wohl keine ausreichende Grundlage. – Zur urbanistischen Spätblüte Aizanois im ausgehenden 2. Jh. n.Chr. zusammenfassend Rheidt, in: Rheidt 2010, 179 f. Ein Hallenarchitravfragment mit Widmung an Commodus aus den Jahren 177–180, wohl identisch mit LBW 873, stellt Sayar 2016 vor.
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Daß im zweiten Abschnitt unseres Briefes eine Nike-Statue thematisiert ist, die die Gesandtschaft aus Aizanoi Severus in der Audienz überreicht hatte, stand für LBW außer Frage und hätte von Franz nicht gegen deren Lesung durch frei erfundenes πρεσβείαν verdrängt werden dürfen.52 Nollés Vorschlag, das Gemeinte durch Großschreiben von Nike zu verdeutlichen,53 wird hier übernommen. Rätsel gab der syntaktische und sachliche Kontext auf, doch haben schon A. Rehm und L. Robert, gefolgt von Nollé, das Richtige vermutet und vorgeschlagen, an der für LBW unlesbaren Stelle in Z. 24 [ἄ]γ[αλ]μα statt deren [γ]ρ[ά]μμα herzustellen.54 Die Revision zeigt nun, daß das in der Sache fast zutreffend war, Severus aber mit ἵδρυμα ein eher ausgefallenes Synonym gewählt und damit wohl auch inhaltlich einen etwas anderen Akzent gesetzt hatte. Epigraphische Parallelen gibt es dafür kaum,55 für eine Durchsicht der literarischen Belege, bei denen die Unterscheidung zwischen ‚Heiligtum‘, ‚Kultmal‘ und ‚Kultbild‘ mitunter schwierig sein kann,56 erwies sich der digitale Thesaurus Linguae Graecae als nützliche Ergänzung der einschlägigen Lemmata bei LSJ und Stephanus.57 Nur ganz Weniges sei herausgegriffen, etwa der Würdegreis unter den Hausgenossen, der nach Platons Nomoi ein lebendiges ἐφέστιον ἵδρυμα, authentischer als jedes Götterbild (ἄγαλμα), ist,58 die Variation von ἀνδριάς mit ἵδρυμα bei Dio von Prusa,59 umgestürzte ἱδρύματα θεῶν bei Epiktet,60 τὰ τῶν θεῶν ἱδρύματα τῶν μάλιστα τιμωμένων παρ’ αὐτοῖς, die nach Polyän Amasis zur Ermutigung im Rücken seines Heeres aufstellte.61 52 Die für Dessau (o. Anm. 12) noch höchst problematische Konjektur ist zuletzt wieder, nun wie selbstverständlich, von Letta 2010, 296 f. aufgenommen worden. 53 Birleys Mißverständnis (1988, 119), es handele sich um eine Siegesnachricht, findet sich wieder bei Coriat 2014, 97–99. 54 Robert 1963, 79. 55 Die Searchable Greek Inscriptions des PHI weisen den Weg zu dem ---ἵ]δρ̣υμα Ἑρμοῦς einer fragmentarischen Weihung aus Kuraiyeh (Hauran) in der Herstellung von Littmann 1921, 662 B, die hier allein einigermaßen zuversichtlich angeführt werden kann, während in IG II2 4533; IG XII 5, 731 und I. Sestos 11 (Merkelbach – Stauber 1996, 20–25) Heiligtümer gemeint sind. Für seine Herstellung von [ἱδρύμ]α[τα] im Sinn von Votiven in einem späthellenistischen attischen Kultdekret (SEG 23, 77) hat Oliver 1965 die harsche Kritik von Robert 1967, 234, S. 485 f. vielleicht gar nicht verdient. Mit ἵδρυμα zumindest teilweise bedeutungsgleich ist das etwas häufigere, dem Kontext von Kultrepliken zugehörige ἀφίδρυμα (die Literatur hat Scheer 2000, 245–247 resümiert), das neuerdings wieder in zwei Inschriften aus dem termessischen Neapolis (SEG 49, 1871: ναὸς καὶ μετάθεσις τοῦ ἀφιδρύματος) und Nordlykien aufgetaucht ist: İplikçioğlu – Schuler, 2011, 39–59: ναὸς καὶ ἀφιδρύματα καὶ ἀγάλματα τῶν μεγίστων θεῶν Διοσκόρων κτλ. mit dem materialreichen Kommentar 43– 46. 56 Als Beispiel sei nur auf die Überlegungen von Garvie 2009, 312 zu den δαιμόνων ἱδρύματα der Verse 809–812 in Aischylos’ Persern hingewiesen. 57 Für seine Hilfe beim Einstieg in die Technik danke ich Filippo Battistoni. 58 Plat. leg. 11, 931a. 59 Dion Chrys. 64, 4, vgl. 12, 60, wo in der Gegenüberstellung von μηδὲν ἵδρυμα μηδὲ εἰκόνα θεῶν für das plastische Bildnis (ἄγαλμα) ἵδρυμα steht. 60 Arr. Epict. 2, 22, 15–17. 61 Polyain. 7, 4.
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Nike-Statuen scheinen nicht zu den gängigen Geschenken gehört zu haben, die Gesandte in Rom überbrachten. Für die republikanische Zeit kann man sich über die diesbezüglichen diplomatischen Usancen dank F. Canali de Rossi einen raschen Überblick verschaffen,62 bei dem man zwischen vielen Kränzen und Schilden nur zweimal auf Niken stößt.63 Dabei verbinden sich sowohl bei der 216 v.Chr. von Hieron von Syrakus wie auch bei der 139 v.Chr. von Tryphon übersandten Statue besondere symbolische Aussageintention mit hohem Goldwert. 64 Über Gestaltung, Material und Größe der Nike-Statue aus Aizanoi erfahren wir nichts, a fortiori nichts über ihren materiellen Wert. An diesem war Severus auch gar nicht interessiert. Er schätzte sie ganz offensichtlich nicht als „besonders hübsche Form von Kranzgold“,65 vielmehr im Sinn ihrer beiden republikanischen Vorläufer, wie er, für keine andere Interpretation Raum lassend, schreibt, als Symbol seiner Sieghaftigkeit,66 und ebenso eindeutig formuliert er die Absicht, in der er sie der Gesandtschaft wieder auf den Rückweg mitgab:67 Die Nike, nunmehr seine Nike, sollte in Aizanoi als Kultbild aufgestellt68 und im Kontext des
62 Canali de Rossi 1997, Indice tematico 749 s.v. doni. 63 Geschenke von Gesandtschaften an Kaiser sind nicht so vollständig zu überblicken, doch waren auch hier Kränze Standard: Millar 1977, 139–144; Ziethen 1994, 118, 120 f.; 126 f. 64 Die Victoria Hierons wird bei Livius (22, 37) ominis causa geschenkt und als omen von den Römern angenommen und auf dem Kapitol aufgestellt. Bei Valerius Maximus (4, 8, 1 ext.) ist die Symbolik zum diplomatischen Trick verflacht, mit dem den Römern die Annahme von sonst abgelehntem Gold schmackhaft gemacht wird. Auch im Fall Tryphons wird die goldene Nike erst durch ihren Symbolwert (τὸ εὐοιώνιστον / ἡ εὐφημία) für den Senat zum annehmbaren Geschenk (Diod. 33, 28 a). 65 Nollé 1998, 338 f.; mit Verlust an Präzision verschärft Nollé 2009, 11 f. – Eineinhalb Jahrhunderte später überbrachten Gesandte der Provinz Tripolitania Valentinian I. Victoriarum aurea simulacra ob imperii primitias (Amm. 28, 6, 7). Die gängige Interpretation als „a form of aurum coronarium“ (den Boeft 2011, 267 mit den Literaturhinweisen [P.Fay. 20: Oliver 1989, 275] zum aurum coronarium) verfehlt vermutlich auch hier den Charakter und die spezifische ‚Botschaft‘ des Geschenkes. 66 In diesem Sinn paßte sie natürlich bestens zu Severus’ massiver Berufung auf vom kapitolinischen Jupiter verliehene victoria gerade in den Jahren der Konkurrenz mit den beiden anderen Prätendenten: vgl. für die Reichsprägung Lichtenberger 2011, 43; 178–183 mit den Literaturhinweisen. 67 Der χρυσοῦς στέφανος, den Hadrian noch 117, ἀρκεσθεὶς τῇ τειμῇ, an Hierapolis zurückschickte (SEG 55, 1415; Ritti 2017, 382-386), ist keineswegs das passende Modell (so aber Nollé 2009, 12) für das Verständnis des Severus-Briefes an Aizanoi. Worüber die aizanitischen Gesandten jenseits der genannten Themen vielleicht diesmal noch, oder zu anderen Gelegenheiten vorrangig verhandelt haben mögen, können wir nicht wissen. Was wir lesen, hat, von den Reisespesen der Gesandten abgesehen, durchaus anders als Severus’ und Caracallas Brief an Nikopolis von 198 (Oliver 1989, 217. Das Schreiben läuft auf eine Quittung für eingegangene συντέλεια τῶν χρημάτων in bezifferter Höhe zur Caesar-Erhebung Getas hinaus) nirgends etwas mit Geld zu tun, und wir riskieren, die historische Originalität unseres Dokuments zu verfehlen, wenn wir es nicht so ernst nehmen, wie es sich darbietet. 68 Das für Kultgründungen einschlägige ἱδρύω (vgl. hierzu İplikçioğlu – Schuler 2011, 43) könnte die Wahl von ἵδρυμα nahegelegt haben, um ebendiese Intention zu unterstreichen.
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religiösen Lebens der Polis verehrt werden.69 Einer ihre Aufstellung zu Ehren des Kaisers bloß städtischer Initiative verdankenden, ‚normalen‘ Nike-Statue70 hatte sie dabei das besondere Flair voraus, das ihr die ‚Reise‘ nach Rom, die ‚Begegnung‘ mit dem und ihre sinngebende ‚Weihung‘ durch den Kaiser selbst verlieh. Aizanois Anteilnahme hatte sich damit zur Teilhabe an Sieghaftigkeit, Glück und Segen des Kaisers gewandelt. Dadurch wiederholte und steigerte sich in dem von Severus persönlich begründeten Nike-Kult71 die Korrelation der Zuneigung von Kaiser und Stadt, um die es schon im vorhergehenden Abschnitt des Briefes mit dem ἡδονή-Motiv gegangen war.72 Im dritten und abschließenden Abschnitt seines Schreibens an Aizanoi beschäftigt sich Septimius Severus mit der vor ihm erschienenen Gesandtschaft, die mit den ursprünglich vorgesehenen neun Personen ungewöhnlich zahlreich war.73 Die Gesandten waren, per Volksbeschluß einzeln bestellt, in dem Severus überreichten Psephisma namentlich genannt, so daß der Kaiser auch von Menekrates Μειλήτου wußte, der, aus uns unbekanntem Grund nachträglich entschuldigt, gar nicht mitgekommen, jedenfalls nicht zur Audienz erschienen war.74 Da sich die Reihenfolge der Gesandten, wie üblich, nach Anciennität bestimmte, erklärt sich leicht, warum der Z. 28 genannte, bislang jedoch verkannte Philippos Μηνοφίλου von seinen erst Z. 30 f. folgenden Verwandten so weit abgesetzt ist. Wahrscheinlich handelt es sich um Großvater, Vater und Sohn aus derselben, um gute Bezie69 Im Attaleia des 2. Jh.s ist ein ἱερεὺς διὰ βίου Σεβαστῆς Νείκης bezeugt (IGR III 778), ob es im severischen Aizanoi zu einer vergleichbaren Institutionalisierung kam, wissen wir nicht. 70 Man kann hier etwa erinnern an die ‚sprechende‘ (Νίκη πάρειμι θεογένει Καίσαρι ἀεί: Robert 1965, 128–131) Nike-Statue für Caesar in Aphrodisias (Reynolds 1982, 155 f. N. 32; vgl. das spätrepublikanische Votiv einer Nike συνπαραγεγενημένη αὐτῷ durch Kallikrates, a.O. 154 f. N. 31), an die Νίκη τροπαιοφόρος des Claudius, von Mylasa in Labraunda errichtet (I. Labraunda 33), an die Nike, die ein nordsyrisches Dorf ὑπὲρ σωτηρίας καὶ νείκης κυρίου ἡμῶν αὐτοκράτορος (Marc Aurel oder Caracalla: IGR III 1154) gewidmet hat, sowie im theodosianischen Ensemble wiederverwendeter Nike-Statuen an der ‚Kuretenstraße‘ in Ephesos (Roueché 2002) an die ein gutes Jahrzehnt nach unserem Brief entstandene zu Ehren von Septimius Severus, Caracalla, Geta und Iulia Domna (I. Ephesos 523 in der Neuedition von H. Engelmann, I. Ephesos VII, Addenda et Corrigenda S. 15). 71 Zu den nuancenreichen Assoziationen, die, sich schon von Augustus an mit der Victoria des Kaisers verbindend, hierbei ins Spiel gebracht werden konnten, verweist man noch immer am besten auf das jetzt gerade ein halbes Jahrhundert alte Buch von Hölscher 1967, 157–172 und öfter. 72 Für C. Andos „ideology of consensus“ (Ando 2000, 175–190) wird der Severus-Brief an Aizanoi in dieser Sicht entschieden fruchtbarer als in Andos eigener Interpretation (wiederholt in Ando 2012, 35 f.). – Ob das Fragment einer aizanitischen Widmungsinschrift an Septimius Severus, MAMA IX 12, in diesem Licht zu betrachten ist, läßt sich leider nicht mehr prüfen. 73 Vgl. die Übersicht über Gesandtschaftsstärken und die wenig variablen Formulierungen zur Auszahung des Reisegeldes bei Oliver 1989, S. 6–11. – Aus Delphi erschien wenig später, wie zwei Jahre zuvor aus Prymnessos (o. Anm. 44), nur ein einziger Gesandter vor Severus: Oliver 1989, 215 (o. Anm. 36). 74 Ein ähnlicher Ausfall scheint sich bei einer pergamenischen Gesandtschaft zu Hadrian ereignet zu haben: Müller 2009, 367–406; 377 f.
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hungen Aizanois zu Septimius Severus besonders besorgten Familie. Sie war wie die des Bithys und die des nachträglich ausgefallenen Menekrates noch peregrinen Standes, während drei Gesandte den aizanitischen Claudii mit einst von Claudius verliehenem römischen Bürgerrecht angehörten75 und Aurelius Catullus vielleicht italische Wurzeln hatte.76 Der an vierter Stelle der Liste rangierende Claudius Pasileanos hat als Cognomen77 einen anscheinend für uns neuen, allenfalls mit dem dreimal im Attika des 4. Jh.s v.Chr. belegten Frauennamen Πασιλέα78 in Verbindung zu bringenden Namen. Ein Netzwerk höchstrangiger persönlicher Beziehungen, von dem Aizanoi bei seinen Kontakten mit Septimius Severus profitieren konnte, deutet sich, auch wenn uns die meisten Einzelheiten verborgen bleiben, bei näherer Betrachtung der Personalien der beiden polyonymen Anführer unserer Gesandtschaft an. Eine zentrale Figur in diesem Netzwerk muß Claudius Stratonikos gewesen sein. Nur ganz außerordentliche Verdienste um die Bewältigung einer sehr ernsten Krise konnten es rechtfertigen, daß Aizanoi ihn als μέγας εὐεργέτης καὶ σωτὴρ καὶ κτίστης τῆς πόλεως mit einem Denkmal ehrte, dessen Monumentalität in der Edition gar nicht zur Geltung kommt.79 Stratonikos war Mitte der 180er Jahre legatus Augusti legionis I Minerviae in Bonn80 und um 190 Suffektkonsul gewesen.81 Das Denkmal in Aizanoi verweist auf den Konsulat zurück, die Krise, aus der Stratonikos als Konsularier seiner πατρίς heraushalf, dürfte damit zu dem Komplex äußerst schwieriger Beziehungen zwischen kleinasiatischen Poleis und
75 Vgl. zu den weit entfernten Anfängen der aizanitischen Claudii Wörrle 2014, 501–503. Zwei Neuzugänge (Türktüzün 2016) werfen nach Berichtigung der so gut wie kommentarlosen Edition wichtiges Licht auf das wachsende Prestige der verzweigten Familie: Τιβέριον Κλαύδιον Δημοσ̣[θέ]νους υἱὸν Κυρείνα Μενέλ̣[αον] (nicht Μέμ[μιον]) kennen wir von der unter seinem Namen ausgebrachten Münzemission RPC 3098 mit claudischem Avers, was die Inschrift datiert und einen weiteren aizanitischen ‚Doppelnamen‘ beseitigt. Im Angesicht eigener μεγαλοφροσύνη und von μεγαλειότης der Vorfahren hatte sich Menelaos mit ἐπιδόσεις, λειτουργίαι, στρατηγίαι und πολυτελῆ ἀναθήματα verdient gemacht. Der andere Honorand, Tib. Claudius Aquila, wohl der Sohn des Menophilos von SEG 45, 1719, war ἱερεὺς διὰ βίου eines eradierten Kaisers, der nach den auf dem Foto in der Rasur noch erkennbaren Spuren und deren zu seiner Titulatur exakt passender Länge Domitian gewesen sein muß. Aquilas als ἀνυπέρβλητος εὔνοια gerühmtes Wirken als κτίστης καὶ φιλόκαισαρ wird dann mit dem Tempelbau zu verbinden sein. 76 Italiker in Aizanoi: MAMA IX, S. LX f.; Lehmler – Wörrle 2002, 193 f. N. 35. 77 Alle Buchstaben sind zweifelsfrei zu lesen, nur zwischen Λ und Δ könnte man schwanken. 78 Die Belege sind übersichtlich aufgearbeitet bei Traill 2005, s.v. 79 LBW 884 (IGR IV 570, vgl. MAMA IX P34): „grande base avec encadrement“. Das prätentiöse Layout der Inschrift erahnt man noch aus der Majuskelwiedergabe, das einzige genannte Maß ist die Buchstabenhöhe von beachtlichen 4,5 cm. 80 Nesselhauf 1937, 95 N. 149, vgl. Alföldy 1967, 46. 81 Halfmann 1979, 199 f. N. 133; Leunissen 1989, 143 mit weiterer Literatur. Ob der Tib. Claudius Stratonikos, Mitglied und Gönner einer prominenten Kaiserkultvereinigung in Ankara unter Antoninus Pius (I. Ancyra 8, Z. 24; 64 ff.), zur Familie gehörte, ist unsicher.
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Septimius Severus gehört haben.82 Das Stratonikos-Monument wurde errichtet στρατηγοῦντος τὸ β΄ Κλ. Ἀπολλιναρίου. Dieser dürfte nicht nur, wie schon von LBW gesehen, mit der zweitplazierten Persönlichkeit unserer Gesandtenliste, sondern auch mit dem für 188 wohl als direkter Nachfolger des Stratonikos bezeugten weiteren legatus legionis I Minerviae identisch sein83 und, mit Stratonikos eng verwandt, derselben senatorischen Familie Aizanois angehören, der Claudius Campanus Flavianus ebenfalls zuzurechnen ist. Auf der Basis einer anderen aizanitischen Ehrenstatue erscheint als Euerget seiner Stadt Τιβ. Κλαύδιος Καμπανὸς Αὐρηλιανός,84 wohl mit dem letzteren, vielleicht aber auch, wenngleich weniger wahrscheinlich, mit Apollinarius Aurelianus zu identifizieren. Die legio I Minervia hatte sich 193 sogleich bei seiner Erhebung mit Septimius Severus solidarisiert und findet sich unter den dafür von diesem mit den ‚Legionsmünzen‘ von 193/4 geehrten Einheiten.85 Aktuell hatte sie vermutlich doch auch zu dem Heer beigetragen, mit dem Severus soeben vor Lyon den entscheidenden Sieg über Clodius Albinus errungen hatte.86 Die Gesandtschaft aus Aizanoi sollte dem nunmehr unbestrittenen Kaiser dazu und zum darauf gegründeten neuesten Fortschritt seiner dynastischen Intentionen gratulieren. Auch wenn Claudius Apollinarius Aurelianus nur ein ehemaliger Kommandeur dieser um Severus besonders, wenn schon nicht erstrangig, verdienten Legion war, wird sich die alte und offenbar intensive Verbindung ‚zur Truppe‘– mit der nunmehr definitiv als die richtige erwiesenen Loyalität – in der Audienz für Aizanoi durchaus positiv bemerkbar gemacht haben, auch in deren, fürs erste und dem senatorischen Rang der Gesandtschaftsleiter wohl angemessen, ganz immateriellem Ertrag. Daß dabei zwischen dem Kaiser und den Aizanitern reine Symbolpolitik gespielt wurde, verdeutlicht der Vergleich mit den schon mehrfach herangezogenen Briefen, die Severus und Caracalla kaum später im selben historischen Kontext an Delphi und nach Ktesiphon an Aphrodisias schrieben:87 Die Bestätigung von Vorrechtsgarantien, Konzessionen und Privilegien, auf die diese Dokumente hinauslaufen, fehlt in dem Brief an Aizanoi völlig und war demgemäß wohl auch kein Gesprächsthema in der Audienz gewesen, aber das dort geschaffene ‚Klima‘ versprach mit großen ‚Perspektiven‘ mehr als Ersatz.
82 Konkreter zu werden, erlaubt die noch verfügbare Überlieferung leider nicht. Erwägen kann man allenfalls noch, daß die Gesandtschaft von 197 nicht den Eindruck eines allerersten Annäherungsschrittes Aizanois an Severus macht, wie ihn Prymnessos schon 195 gewagt hatte. 83 CIL XIII 7946 in der Version von Alföldy 1968, 18 f., Weiteres bei Halfmann 1979, 199 N. 132. 84 LBW 883 (IGR IV 578, vgl. MAMA IX P48). 85 Zu diesen Emissionen neuerdings wieder Handy 2009, 232–234 in der Nachfolge von Wittwer 1987, 130–137; vgl. auch Manders 2012, 93 f. 86 Ritterling 1925, 1428 f. An der Beweiskraft der Lyoneser Weihung eines ihrer Tribune (CIL XIII 1766 [ILS 4794]) hat Bérard 2005, 212–219 eher zu weitgehende Zweifel angemeldet. 87 Delphi: Oliver 1989, 215 (vgl. o. Anm. 36; 73). Aphrodisias: IAph 8.36 f. (vgl. o. Anm. 38).
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INSCRIPTIONS FROM BUCAKKÖY (SYNETA?) IN KARIA Angelos Chaniotis In the winter of 1995 an inscribed stele that was found during the construction of a road near the village of Bucakköy, ca. 22 km to the north of Aphrodisias as the crow flies (Figure 1), was brought to the Museum of Aphrodisias, where I had the opportunity to study it in August 1996.1 It is a dedication to Ζεὺς Συνετηνός, followed by a list of 122 men (Figure 2). Bucakköy had not gone unnoticed in epigraphic research (see below). This find, and the mention of the epithet Συνετηνός, which is most probably derived from a place name, prompted a small survey of the area, undertaken in 1996 by members of the staff of the Aphrodisias excavations. The results of this survey were briefly presented in 1998;2 the site has been included in the Barrington Atlas of the Greek and Roman World (2000); the names contained in the recovered inscriptions were published in a preliminary report3 and were included in the Lexicon of Greek Personal Names Vb in 2013. A complete publication of the inscription was delayed until now, in part because its interpretation depended on the study of the names, which became possible after the publication of the volumes of the Lexicon of Greek Personal Names that are dedicated to Asia Minor (vol. Va–c). It is with great respect that I dedicate this publication to Peter Herrmann, whose work on the inscriptions of Asia Minor has been an inspiration to me since my first steps in epigraphy, more than thirty years ago. I. Earlier research at Bucakköy The first students of antiquity who visited Bucakköy were the Austrians Wilhelm Kubitschek and Wolfgang Reichel, during their expedition in 1893. They arrived at ‘Budschakkiöi’ coming from Laodikeia and on their way to Antiocheia on the Maeander. In the village, they saw a fragment of a posthumous honorific inscription for Apollonios Papias, which they published the next year.4
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I would like to express my thanks to Cumali Ayabakan, former Director of the Museum of Aphrodisias, for permission to publish the text, to Professor R. R. R. Smith (Oxford) for bringing it to my attention, and to Molly Richardson for correcting my English. Chaniotis 1997/98 and 1998; BE 1999, 479; SEG 48, 1346. Chaniotis 1998. Kubitschek – Reichel 1894, 96.
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[Ἡ βουλ]ὴ καὶ ὁ δῆμος ἐτίμησ[αν] [πάσ]αις ταῖς μεγίσταις καὶ κα[λ][λίσταις τιμαῖς Ἀπο]λ̣λ̣ών̣ ̣ι̣[ο]ν̣ [Ἀ]θηναγόρου Παπίαν ἄνδρα ἀ[γα]θὸν καὶ φιλόπατριν γενόμε[νον] καὶ διὰ γένους πάσῃ ἀρετῇ [διε]νηνοχότα
Two years later, Karl Buresch, while at Bulladan, heard of the existence of an ancient site near Bucakköy and visited the village. In his report, published posthumously in 1898, he writes:5 During this journey, I have been unexpectedly rewarded for all the inconveniences which I mentioned before, through the discovery of a new city. While at Bulladan I was incidentally informed about the existence of ancient ruins at the village Budshakjöi, which reportedly lies near the railway station of Ortakdshé [Ortakci], between Seraikjöi and Nazilli. This information was confirmed at Nazilli, where, in addition to that, they gave me the entirely wrong information that the village is located on the other side of the Menderez (Maeander), at the foot of the mountain, at a distance of one hour. Although I could neither find a guide nor did I have a map for this area, I started the trip, relying on my hope, passed the Maeander, which is the border between Lydia and Karia, nearby, and after a long wandering and a walk of two and a half hours I found Budschakjöi, rather high on the mountain (about 250 meters above the Maeander), northwest of the station of Ortakdshé. The location of the village, in an enchanting mountain landscape, on the upper border of a small valley, which descends gently towards the plain of Maiandros to the northwest, overlooking the entire plain, is characteristic for an ancient city.
Buresch noticed graves and ruins of a small settlement of the ‘Roman’ period, northeast and southwest of the village – at a site with the characteristic name Alanevi (the place with the houses) – and identified this site with the city Itoana, mentioned by Ptolemy.6 In a wall of the local mosque Buresch found the honorific inscription already edited by Kubitschek and Reichel, and published its first line.7 In 1897 the site was visited by J. C. G. Anderson, who did not know of the research conducted by Kubitschek, Reichel, and Buresch. He, too, saw in the mosque the same honorific inscription and published the text and a facsimile.8 In addition to ancient building material in the village, Anderson noticed indications of a settlement south of Bucakköy: a late Roman or early Byzantine fortification wall, the foundation of a Byzantine church, and graves. He identified the site with the city Kidrama/Kidramos.9 Both identifications have been proven wrong. Jeanne and Louis Robert have argued convincingly in favor of locating Kidrama on Mt. Bozdag; a city by the 5 6 7 8 9
Buresch 1898, 175. Buresch 1898, 175–179. Buresch 1898, 176. Anderson 1897, 397. Anderson 1897, 397.
Inscriptions from Bucakköy
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name Itoana probably never existed.10 During a brief stay at Bucakköy in October 1946, the Roberts noticed several graves west of the village, pottery and marble blocks on a hill north/northwest of Bucakköy, and some ancient blocks in a wall of the mosque – among them a votive relief, possibly representing a mother goddess, and the already known honorific inscription.11 They also found a coin of Priene and two grave inscriptions, one of them re-used in a wall of the mosque at Bucakköy,12 the other near Yamalak, west of Bucakköy.13 No evidence for the name of the ancient settlement could be found, and the French scholars concluded: Le site de Bucak reste donc anonyme. La ville située là était certainement peu important. La grande ville d’Antioche, étalée sur les collines d’où elle commande le confluence du Morsynos et du Méandre et d’où elle exploite la riche vallée, était trop proche. A la différence d’Antioche, comme de Nysa, de Tralleis, installées sur des collines importantes immédiatement en bordure de la vallée, la ville de Bucak est, sur les pentes de la montagne, à l’interieure des collines; elle était moins en retrait de la vallée que le village moderne, mais cependant elle en est séparée.14
In 2003, when the honorific inscription for Apollonios Papias was brought to the Museum of Aphrodisias, I had the opportunity to study it and republish it.15 The upper part, containing the first two lines and part of the third line, have been broken off and lost. The honorific formula and the prosopography leave no doubt that this is an inscription from Aphrodisias. The honorand, Apollonios Papias, is known as a stephanephoros in Aphrodisias in the late second or early third century CE.16 Either the block had been moved from Aphrodisias to Bucakköy as a pierre errante or, less probably, this posthumous honorific inscription for Apollonios Papias had been erected at a distance from Aphrodisias, in an area where his family owned land. This inscription should, therefore, be disregarded as evidence for the status and institutions of the settlement at Bucakköy. II. The acropolis at Tolaş Tepe Following the recovery of the dedication to Zeus Synetenos in 1995, a team of the Aphrodisias Excavation, consisting of the late Lionel Bier, Christopher Ratté, and myself, visited the site where the inscription was found (Tolaş Tepe) and also the nearby village of Bucakköy on August 7, 1996 (see note 2).
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Robert – Robert 1954, 355–358; cf. Robert 1962, 208–210. Robert – Robert 1954, 353–355. Robert – Robert 1954, 354 (no dimensions, no date): Πελλῆ Μητροδώρου, χαῖρε. Robert – Robert 1954, 354 (no dimensions, late Hellenistic): Διόδοτος Διοκράτου, Ἐλπίς, γυνὴ δὲ Διοδότου, χαῖρε. 14 Robert – Robert 1954, 355. 15 Chaniotis 2013, 216–217. 16 IAph 2007 2.523.
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The small village of Bucakköy, on the eastern end of the Maeander’s plain, is built at an elevation of ca. 200 m above sea level, at a distance of ca. 4.5 km from the river. The mountains to the east and south are covered by pine forests. When J. and L. Robert visited Bucakköy, its inhabitants were cultivating cotton, corn, and sesame in the plain and barley on the hills.17 During our brief visit several ancient stones were seen in the village of Bucakköy, including a fragment of a stone vessel (height 61 cm) and a marble column (height 56 cm, diameter 29 cm). Ancient blocks could also be seen in the exterior walls of the village houses. The mosque had been recently covered with plaster, and so we were unable to see the honorific inscription and the other stones described in that location by earlier visitors to Bucakköy. In front of the ‘town hall’, near the tea house, was an uninscribed marble base for a statue or another dedication (height 56 cm, width 48.5–54 cm), which had been found together with the dedication to Zeus Synetenos at Tolaş Tepe, a hill near Bucakköy. The villagers informed us that most of the ancient stones in their village had been transported from that hill site, which must, therefore, be regarded as the main location of the settlement in the Hellenistic period (for the date, see below). Finally, we found an inscribed block, built into a modern house (Figure 3). Although I was able to study the block for only a few minutes and was unable to take exact measurements, it is clear that the preserved text is from the end of an honorary decree for a benefactor. Most of the text can be read on my photograph of the inscribed face (Figure 4). Description: Lower right-hand fragment of a marble stele; broken on top and at left, damaged on bottom. Height ca. 40 cm, width ca. 35 cm, letter height ca. 2 cm. Date: The letter forms suggest a date in the late third century BCE.18
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[- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -] [στήλην] λιθίνην σ[τῆσαι π]αρὰ τ[ὸν] [βωμὸν τ]ῆς Ἀρτέμιδος, ὅπως φανε[ρὸν γέν]η̣ται καὶ τοῖς ἄλλοις ὅτι Συ[?νετηνο]ὶ ὑφ᾿ ὧν ἂν εὐεργετηθῶσιν [ἀποδιδ]όασν τὰς ἀξίας χάριτα[ς] [- - - - - -]ΘΗ ὁ προστησόμενος τῆ[ς στήλης ?] Παμμένης Μενίππου [- - - - - - - -] ἀνήλωμα . . . . . . . . . . . Vacat
The length of the lines can be estimated on the basis of the clause concerning the erection of a stele (LL. 1–2) and the hortatory formula (LL. 2–5). || 2. Initio, or [ναόν]. || 3–4. For this restoration, see below. || 5. Initio, ΟΑΣΝ, lapis. || 6. Initio, [vac.? ᾑρέ]θη or [vac.? ἡιρέ]θη?. For προΐστημι in the sense ‘to be in charge of’ cf. IG XII 5, 647 L. 15: τῶν ἱερῶν 17 Robert – Robert 1954, 354. 18 Characteristic letters: the horizontal bar of alpha is almost straight; the right bar of pi is shorter than the left and curved; the horizontal bars of sigma are slightly divergent; the omega is smaller and inscribed higher than the other letters.
Inscriptions from Bucakköy
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προΐστασθαι; IG XII 6, 172 A L. 20: προστήσεσθαι τῶν χρημάτων; SEG 39, 1243 LL. 20–21: προΐστασθαι τῶν κοινῶν; SEG 41, 1003 A LL. 14–15: τῶν ἄλλων πάντων προΐ[στασθαι]. || 7. Initio, ἀναθέσεως and ἀναστάσεως are too long. Both names (Pammenes and Menippos) appear also in the dedication to Zeus Synetenos; see below. [Let it be resolved to erect] a stone [stele next to the altar?] of Artemis, in order that it becomes clear also to the others, that the Sy[neteno]i? pay a worthy expression of gratitude to those from whom they have received benefactions. Pammenes, son of Menippos, [was elected?] as the man who will be in charge of the [stele?] - - - the cost - - -.
The text preserves the final lines of an honorific decree for a benefactor. Clearly recognizable is the ‘formula of hortatory intention’ (LL. 2–5). A stele was to be set up near the altar or the temple of Artemis to commemorate the community’s gratitude towards the benefactor. Usually, the phrase ‘in order that it becomes clear to all’ is followed by a relative clause in which the recipient of the benefaction is named, usually with ὁ δῆμος + an ethnic,19 sometimes simply with ὁ δῆμος or another designation of a community or group,20 and sometimes with an ethnic.21 The plural form εὐεργετηθῶσιν rules out the restoration of a word in the singular (e.g. πόλις, δῆμος, or κοινόν). The letters ΣΥ- at the end of the third line undoubtedly belong to the beginning of a name in the plural. The attestation of the ethnic Συνετηνός in the dedication for Zeus makes Συ[νετηνο]ί the most likely restoration. This restoration corresponds exactly to the space available (six letters). The last lines of the text probably mention the man who was elected to supervise the erection of the stele and finally the source from which the stele was to be funded. Tolaş Tepe, the site where the stele dedicated to Zeus Synetenos was found, is a hill 4.5 km east of Bucakköy (elevation 595–631 m above sea level, north 37° 54 05–03, east 28° 43 30; Figure 5). The site was shown to us by the village’s muhtar. It must have remained unnoticed by earlier visitors not only because it is some distance from the village, but also because it was until recently covered with woods. The hill extends from east to west, with a length of ca. 300 m and a width of ca. 150 m. It is easily accessible from the west, but the other sides, particularly the north side, are steep. The dedication to Zeus Synetenos and the uninscribed marble base, mentioned above, were found near the southwestern edge of the hill during the construction of a road. A sanctuary of this god must have existed in this area. Signs of habitation were visible on the hill, including part of a terrace wall or fortification wall on the north side of the hill. A fragment of a sarcophagus lid was found on the southeast part of the hill (Figure 6).
19 E.g. IG VII 2 L. 15: ὁ δᾶμος ὁ Μεγαρέων; IG IX 2, 489 a L. 25: ἡ πόλις ἡ Φαϋττίων; I. Priene 538 L. 35: ὁ δῆμος ὁ Ἰασέων. 20 E.g. IG V 1, 962 L. 38: ἁ πόλις; I. Thessaly 310 L. 27: ἁ πόλις; I. Iasos 153 L. 29: ὁ δῆμος; IG II2 1300 L. 6: [οἱ τεταγμέν]οι τῶν πολιτῶν; IG XII 2, 507 L. 5: τὸ κοινὸν τῶν Σαμοθραικιαστ[ῶν]. 21 E.g. IG XII 1, 761 L. 46: Λίνδιοι; I. Magnesia 39 L. 38: οἱ Ἀχαιοί.
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Our brief visit did not permit us many other observations, but it was clear that the small acropolis at Tolaş Tepe must have been the site of a Hellenistic settlement. We may infer its ancient name from the epithet of Zeus Synetenos. Almost all epithets of this type are derived from place names.22 Epithets with the ending -ηνός abound in Asia Minor, e.g. Mes Axiottenos and Touitenos, Apollo Kisaulodenos and Lairbenos, Artemis Boreitene, and Thea Manitene.23 Similar epithets of Zeus are known from every part of Asia Minor, e.g. Zeus Batenos, Beudenos, Masphalatenos, and Ogmenos in Lydia; Narenos and Sarnendenos in Galatia; Dimenenos and Kimistenos in Bithynia; Anabatenos, Thimenos, and Kimistenos in Mysia; Karzenos in Pamphylia; Abozenos, Bonitenos, Melenos, and Petarenos in Phrygia; and Zemroutenos in Lykaonia.24 Synetenos is derived from the place name Σύνετα (rather than Σύνετον or Συνεταί), hitherto unattested. This name belongs to a well attested group of indigenous toponyms, which were transmitted into Greek as neuter names in the plural. Similar place names abound in Karia (e.g. Alabanda, Bargylia, Kibyra, and Panamara), several of them with the ending -ta (e.g. Korrita, Kota, Sindata). The closest parallel is Ἀνίνετα.25 Ladislav Zgusta has collected 42 place names of this type, mainly in Lydia (Adrouta, Anineta, Azita, Boreita, Masphalata, Ormoita) and Phrygia (Bonita, Malkaita, Mourmata, Passita, Pepozeta, Pita, Pota, Siouata, Skalata, Tanaita, Touita).26
22 See Zgusta 1984, 12. Sixty-seven of the 86 epithets with the ending -ηνός collected in Thrace, Moesia, and Dacia by Duridanov (1989) are derived from place names. 23 See, e.g., Laumonier 1954, 418 (Apollo Kisaulodenos), 510 (Apollo Lairbenos); Zgusta 1984, 125 (Artemis Boreitene), 365 (Thea Manitene), 614 (Mes Touitenos); I. Prusa 40 (Apollo Libotenos), 1020 (Hermes Meletenos), 1021 (Meter Dindymene); Marek 1993, no. 27 (Theos Doumouisenos). 24 I give only a few examples. Batenos: SEG 35, 1232; Beudenos: SEG 40, 1062; Masphalatenos: Laumonier 1954, 122; Zgusta 1954, 374; Ogmenos: Laumonier 1954, 549; Narenos: SEG 27, 413; Sarnendenos: SEG 27, 413; Dimenenos: SEG 31, 1069; Kimistenos: SEG 27, 413; 33, 1099; Anabatenos: I. Hadrianoi 9; Thimenos: SEG 35, 1277; Karzenos: SEG 34, 1270; Abozenos: SEG 40, 1226; Bonitenos: Zgusta 1984, 124; Melenos: SEG 28, 1194; Petarenos: SEG 33, 1541; Zemroutenos: Zgusta 1984, 178; Xibenos: Marek 1993, no. 26; Tallenos: I. Manisa 549. 25 Robert – Robert 1954, 353; cf. Zgusta 1984, 77 (Anineton). 26 See the reverse index in Zgusta 1984, 686. The other safely attested toponyms of this type are Ata, Dagouta, Maneta (Bithynia); Ouanota (Galatia); Bata, Mamouta, Marallita, Narazita, Talimeta, Tata, Teuita, Tita (Pisidia); Lyrbota (Pamphylia); Kedrabata, Seroiata (Lykia); Barata, Koota, Zemrouta (Lykaonia); Modribeta (Kilikia); Ouadata (Kappadokia); Kimiata, Tobata (Paphlagonia); and Ablata (unknown location). To Zgusta’s list one may add Korrita, Kota, and Kozanata in Karia (Blümel 1998, 183, reverse index), Kerdanetta in Lydia (Feissel 1996), Xeita in Pamphylia (cf. Xeitenos: SEG 33, 1260), and Triknaita in Bithynia (cf. Triknaitenos: TAM IV 1, 381). Cf. also toponyms ending in -tta: see Zgusta 1984, 686 (e.g. Atetta, Axiotta, Baretta).
Inscriptions from Bucakköy
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III. The dedication to Zeus Synetenos (Figures 2, 7, 8) Description: Stele of white marble with moulding (Figure 2), tapering slightly upward. Broken on the edges of the moulding (top) and on the bottom at left. The surface is damaged along the left side of the stone. Height 1.23 m; width 57.5 cm (top), 61.5 cm (bottom), 61 cm (moulding); depth 14.5 cm (top right), 15.5 cm (top left), 16.5 cm (bottom right), 19 cm (bottom left), 18.5 cm (moulding). Inscribed on both sides. On the obverse, the dedication to Zeus (L. 1) is written in the middle of the moulding. The rest of the text on the obverse is written in two columns. In the second line the word ἱερεύς is centered over the left-hand column. Two names were erased and rewritten (A 54, B 16). Traces of the horizontal ruling for the engraving of the names (distance between the inscribed rules 1.6 cm) are still visible. Height of letters 0.7–1.1 cm, in the first line 1.4–2.2 cm; uninscribed space between the lines 0.5 cm. The reverse side is inscribed only on the moulding. Date: The letter forms suggest a date in the first half of the second century BCE,27 probably early in the century (Figures 7–8). Obverse Δ ι ὶ Σ υ ν ε τ η ν ῷ Ἱερεύς· [Μ]ητρόδωρος Μενίππου Μηνόδοτος Μενάνδρου 4 Μένανδρος Νικάνδρου Ἀρχίας Πυθαγόρου Χαρμίδης Πεισιστράτου Θεόφιλος Μενίππου Ἀπολλώνιος Ἀθηναγόρου Ἀρχίας Ἑστιαίου Διογένης Ἀριστέως Εὐμένης Θερσαγόρου 8 Ἡραῖος Μενάνδρου Ἀρτεμίδωρος Ἀνδρονίκου Ἀνδρόνικος Ἀρτεμιδώρου Μένιππος Μαυσώλλου Ἀρτεμίδωρος Ἱεροκλείους Μένιππος Ἀρτεμιδώρου Μενεσθεὺς Μενίππου Σέλευκος Μενίππου 12 Ἀριστεὺς Διογένου Στάνις Ζιήλου Ἐπαίνετος Πυθαγόρου Διονύσιος Ἀττάλου Χ̣αρμίδης Τιμοκράτου Βάκχιος Μενίππου Ἀθηναγόρας Κώκου Ἀρτέμων Δημητρίου 16 Χαρμίδης Χαρμίδου Διονύσιος Ἀδράστου Ἀρχίας Ἱεροκλείους Μηνόδοτος Ἀπολλωνίου Σωσιγένης Μενάνδρου Μηνόδοτος Ἀριστέου Μ̣ένανδρος Διονυσίου Μένανδρος Ἀδράστου 20 Σ̣ίμων Ἀττάλου Δημήτριος Ἀρκεσιλάου Σίμων Ἀδράστου [Σ]ε̣ραπίων Δήμου [Με?]ν̣ανδρος Μουσαίου Ἀπολλώνιος Ἀδράστου
27 Alpha with broken horizontal bar; epsilon with horizontal strokes of equal length; theta with a horizontal stroke that touches the circle; mu with parallel vertical strokes and oblique strokes that cross above the middle of the letter; pi with vertical strokes of the same length and a horizontal stroke that extends slightly beyond the verticals; sigma with only slightly diverging horizontal strokes; upsilon with the upper strokes slightly curved.
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[Μην?]ό̣δοτος Ζήνωνος [Μηνογ?]ένης Παυσανίου [Ἀθηνα?]γ̣όρας Μενίππου [. . . . . .]ν Ποτάμωνος [. . . . . .]ν Νικομάχου [. . . . . .]ς Νουίου [. . . . . .]ρ̣ος Μενίππου [. . . . . .]ος Σόλωνος [. . . . . . .] Ἀδράστου [. . . . . . .]ης Ἀπολλωνίου [Ἀθηνόδ?]ωρος Μήνιδος [. . . . . .]ς Ἀθηναγόρου [. . . . .] Ζήνωνος [Ἀθην?]αγόρας Πα[μ]μένου [Ἀπ]ολλώνιος Μενίππου [Μ]ενεκράτης Ἡφαιστίωνος [Ἀ]θ̣ηναγόρας Ζήνωνος [Ζώ?]πυρος Ἀρτεμιδώρου [Ζ]ή̣νων Ἀθηναγόρου [Ἄτ]ταλος Ζήνωνος [Μη]νογένης Μενίππου [Ἄτ]ταλος Μενάνδρου [Ἀ]π̣ολλώνιος Ζήνωνος [Π]απύλος Ἀθηναγόρου [Μ]ηνογένης Μενάνδρου [Μ]ητρόδωρος Πρωτέου [Διο]νύσιος Διονυσίου [Μη]ν̣όδοτος Ἀπολλωνίου [Ἱερ?]οκλῆς Ἀθηνοδώρου [Ἀρ]τ̣εμίδωρος Τιμοκλείους [Ἡρ]ω̣ίδης Τήρου [Ἄδ]ραστος Ἀπολλωνίου [Στρ]όμβιχος Δημητρίου [Μεν]ε̣κράτης Ἡρακλείδου [. . .]π̣ατρος Ἡρακλείδου [Ἀπο]λ̣λώνιος Μενίππου [. . .]δημος Καλλικράτου [Μενε?]κράτης Ἑρμογένου [Χαρ]μίδης Μήνιδος [Ζήν?]ων Ἡρώιδου [Μη?]ν̣όδοτος Μενίππου Στράτων Ζήνωνος Vacat
Μῆνις Μοσχίωνος Δημήτριος Παυσανίου Σίμων Μενίππου Ἀνδρόνικος Ζήνωνος Ἀρίστων Μενίππου Μελέαγρος Ἀθηνοδώρου Χαρικλῆς Παπίου Κράτιππος Ἀπολλωνίου Δαμᾶς Ἀθηναγόρου Ἡραῖος Ἀθηναγόρου Ἀνδρόνικος Ζήνωνος Ἁρμόδιος Κώκου Μενεσθεὺς Ἀθηναγόρου Δημήτριος Ἡρωίδου Φίλιππος Πυθαγόρου Ἡραῖος Ἡρωίδου Ἀνδρόνικος Σόλωνος Ἀθηναγόρας Ζήνωνος Ἄτταλος Ἀπολλωνίου Δημήτριος Ἀθηναγόρου Μένανδρος Ἀθηναγόρου Διονύσιος Μέμνωνος Ἀνδρόνικος Μενίππου Δημέας Μενίππου Μηνοφάνης Ἀρτεμιδώρου Μηνογένης Μενάνδρου Ἀθηναγόρας Μενεκράτου Διόδοτος Μενεκράτου Ἀρτεμίδωρος Ἀθηναγόρου Ἀρτεμίδωρος Διογένου Ἀντίοχος Πλουτίωνος Ζήνων Παπίου Λεωνίδης Μενεκράτου Ἡρώδης Μενάνδρου Διονύσιος Μενάνδρου Μένανδρος Ἀπολλοδώρου Ἱππίας Ἀθηναγόρου Ἐπαίνετος Διονυσίου Ἀριστέας Ἀρχίου Ἀνδρόνικος Ἱππίου Vacat
Inscriptions from Bucakköy
Reverse
Δ ι ὶ
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Σ υ ν ε τ η ν ῷ
A 23. Possibly [Ζη]ν̣όδοτος, which is not attested in this text (cf. A 63). || 36. Or [Πυθ]αγόρας (cf. A 13, B 4), but not [Δι]αγόρας. || 51. Or [Τιμ]οκλῆς (cf. A 52). || 54. Written in a rasura ([Ἄδ]ραστος Ἀπολλωνίου). || 57. [Ἀντί]π̣ατρος? || 59. [Μενέ]δημος? || 60. Possibly [Τιμο]κράτης but not [Καλλι]κράτης (if we only consider names attested in this text). || 62. Possibly [Σόλ]ων or [Σίμ]ων. || 63. Possibly [Ζη]ν̣όδοτος (cf. A 23). || B 16. Written in a rasura (Διονύσιος Ἀδράστου).
The inscription is a dedication to Zeus Synetenos made by 122 men identified through given name and father’s name, but without an ethnic. It is possible but not certain that the priest mentioned at the beginning of the text (A 2) should be identified with Metrodoros, son of Menippos, who is mentioned in the next line. But one cannot exclude the possibility that the priest was not named or that his name was added with paint at the top of the right-hand column. One can only speculate about why the words Διὶ Συνετηνῷ were written – with less care – also on the reverse. Perhaps they were a reminder to the mason about the text that should be inscribed on this particular stele. The motivation for the dedication and the nature of the dedicatory offering are not stated. Since the text itself does not provide us with any clues concerning the identity of the 122 persons listed here except their given names and patronymics, we are dependent on the following details: a) the origin of the men’s names; b) possible family relations among them; and c) their number. Of some significance is also the fact that the text does not specify the character of this dedication, as one would expect if this dedication was made by a particular body (e.g. the council, a group of ephebes, or a subdivision of the citizen body) or in the context of a public subscription. Some who saw the text in antiquity, or at least in the period when the dedication was made, knew its character. We will return to this consideration after an analysis of the onomastic material. The list names 122 men along with their fathers’ names, a total of 244 individuals. Two names are entirely lost (A 31 and A 35). Of the 44 fragmentary names, 32 can be restored, most of them with certainty. In Appendix 1, I provide the number of attestations for each name in this dedication and in the various volumes of The Lexicon of Greek Personal Names (I–Vc). Whenever a name’s attestations in a city or region clearly are above average, this is noted in parentheses. Appendix 2 shows the relative popularity of the 83 names attested in this list. Although one notices the popularity of certain names – a total of 5 names alone (Ἀθηναγόρας, Μένιππος, Μένανδρος, Ζήνων, Ἀπολλώνιος), i.e. 6% of all the names attested, accounts for more than one third of the men whose name is preserved or can be restored (71 out of 230) – the great diversity of the onomastic material is also striking: more than half of the names (49 out of 83) are borne by only one individual.
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Most of the names are so common that they do not reveal the origin of their bearers (or their bearers’ ancestors). With very few exceptions, all of the names can be found anywhere in Asia Minor – including the regions close to Syneta. The broad diffusion of most of the names and the fact that most attestations of personal names in LGPN Va–c are later than the list from Syneta, and date to periods of great mobility, will limit the value of the onomastic material as a clue to the origin of the men listed in this inscription. Nevertheless, one can make a few observations. Some of the names are particularly common in Karia (or more common there than in other regions of the Greek world: Adrastos, Antiochos, Aristeas, Artemon, Athenagoras, Attalos, Charmides, Damas, Diodotos, Epainetos, Hestiaios, Hierokles, Menekrates, Menestheus, Menippos, Menodotos, Metrodoros, Pammenes, Papias, Proteas, and Solon. We also find here several names with broad diffusion in Ionia (Artemon, Heroides, Menandros, Menodotos, Metrodoros, Moschion, Pammenes, Pythagoras, Solon, and Zopyros), Lydia (Hermogenes, Menandros, Papias, and Ploution), Phrygia (Damas, Hermogenes, Kokos, Menogenes, Papias, and Papylos), the Kibyratis (Meleagros, Menis, and Mousaios), and Pisidia (Mousaios and Solon). Names composed with Μεν- (Μηνογένης, Μηνόδοτος, Μηνοφάνης), borne by nine men in the list, are particularly common in Asia Minor: there are 231 attestations of Menogenes in Asia Minor (only 35 in the other areas covered by the LGPN), 228 of Menodotos (57 in the rest of Greece), and 91 of Menophanes (13 in the rest of Greece). Several of the names that are possible anywhere in the Greek world are quite common in Mysia: Bakchios, Meleagros, Menandros, Menelaos, and especially Menophanes. More than one-third of all attestations of Menophanes in the LGPN are in Mysia (39 out of 104). Meleagros, Menis, and Mousaios enjoyed a striking popularity in the Kibyratis. Out of a total of 346 attestations of Menis in the LGPN, 285 are found in the Kibyratis. Mousaios is more popular in Pisidia than in any other region. The popularity of some of these names in Asia Minor can safely be attributed to the settlement of Greek soldiers from Greece, Macedonia, and Thrace: Bakchios is very common in Athens and Phokis, Meleagros is well attested in Macedonia, Menelaos is common in Macedonia and Epeiros, and Solon is more common in Athens than in any other place. Outside of the Kibyratis, Menis is well represented only in Thrace and the North Shore of the Black Sea. A significant number of the names were less diffused in Asia Minor than in mainland Greece and the Aegean. Archias, not as common in Asia Minor as in central Greece, is well represented in Athens, Euboia, Boiotia, and Phokis. Other names with stronger presence in mainland Greece than in Asia Minor include Charikles, Charmides, Solon, Sosigenes, Strombichos, and Theophilos (all six of them mostly attested in Athens), Arkesilaos (Boiotia and Thessaly), Harmodios (Thessaly), Hippias (Thessaly and Macedonia), Kallikrates (Boiotia and Phokis), Nikandros (Euboia, Epeiros, Macedonia), Pausanias (Thessaly, Macedonia), and Straton (Boiotia, Phokis, Thessaly, Macedonia). Aristeus, Hierokles, Kallikrates, Menekrates, Nikomachos, Pausanias, Peisistratos, Pythagoras, Sosigenes, Timokles, and Timokrates are strikingly common in Rhodes.
Inscriptions from Bucakköy
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Among the less common names on the list, we find several names that were particularly popular in Asia Minor. Kokos (27 attestations in total) is almost exclusively attested in Asia Minor, with major concentrations in Karia and Phrygia. Papylos (69 attestations in total, 19 of which are from Phrygia) is hardly known outside of Asia Minor, and the same applies to Ploution (70 attestations in total; half of the attestations are found in Lydia). Pammenes (70 attestations in total) is common only in Ionia and Karia. Other rare names have specific areas of strong distribution outside of Asia Minor: Thersagoras (11 attestations in total in LGPN) is sporadically attested in mainland Greece and the Aegean Islands, with only two attestations in Asia Minor (Kyzikos and Lampsakos). Half of the attestations of Strombichos (21 attestations in total) come from Athens. Timandros (52 attestations in total) is almost unknown in Asia Minor and is mainly used in central Greece. Demos (12 attestations in total) points to Athens, the Aegean Islands, and the Aegean coast of Asia Minor. More revealing for the nature of this list are the few names of non-Greek origin. Teres is a Thracian name, mostly attested in Thrace.28 Two other quite common names enjoyed particular popularity in Thrace: Hermogenes and Hestiaios. Stanis, hitherto unattested, seems to be a Bithynian name,29 and this origin is certain in the case of Zielas, the name of Stanis’ father. Maus(s)ol(l)os is almost exclusively attested in Karia and Lykia (40 attestations in total in the LGPN). Nouios (13 attestations in total) is the Greek version of Novius, certainly an Italian name. Finally, we may also observe the complete absence of names with Doric forms and the rarity of ‘Anatolian’ names. Δαμᾶς probably is not the Doric form of Δημᾶς but derives from the root δαμ- (‘to master’).30 As regards ‘Anatolian’ names, I have already mentioned the Bithynian names Zeilas and Stanis; Kokos and Papias represent the category of the ‘Lallnamen’, which are quite common in Asia Minor. Adrastos, which can be explained as Greek, is in fact an Anatolian name.31 This analysis points to a rather heterogeneous origin of the men who are listed in the inscription from Syneta. Although almost all of the names can be found anywhere in the Greek world, the rarity of ‘Anatolian’ names in combination with the presence of an Italian (Novius), a Thracian (Teres), and two Bithynian names (Stanis, Zeilas) as well as of names common in Mysia (Menophanes; cf. Bakchios and Meleagros) leave no doubt that these men or their ancestors were settlers from other places, who first came to Syneta as soldiers. To judge from the relative popularity of some names in this list in certain regions, the men of Syneta (or their
28 Dana 2014, 355–361. 29 Dana 2014, 334; cf. Stamis, which Dana tentatively regards as Dacian. C. Brixhe, in BE 1999, 479, associates Στανις with the Pisidian name Στανεις in SEG 37, 1201. 30 On this difference between names deriving from δῆμ-/δᾶμ- and δαμ- see Rigsby 2013, 140– 141. 31 Van Bremen 2010.
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ancestors) originated in mainland Greece (especially Athens, Boiotia, and Macedonia), Thrace, Rhodes, and Ionia. The number of the 122 dedicants may provide another clue to their identity. An army unit (or two units of 60 soldiers each + two commanders) should be ruled out; there are no references to officers – the only title is that of the priest – and in a list of mercenaries the names would normally have been accompanied by ethnics, although there are exceptions.32 The list is too large for an administrative body of a small polis (e.g. its boule). A civic subdivision (a tribe or a demos) is conceivable, but in that case, we would expect the group’s name to be mentioned. By contrast, it is quite possible that this list gives the names of the entire male population (or citizen body) of Syneta. A small city with a population of ca. 500 persons could plausibly have a male adult citizen population of 122 persons. But as we shall see below, a cult association is also a possibility. Finally, possible family relations among these men may provide a clue about the nature of the list. Although several persons have the same patronymic, they are not necessarily related. For instance, the men in lines A 3, 11, 25, and 37 have the same patronymic (Menippos), but the name is so common that we cannot assume that we are dealing with brothers. The same applies to Artemidoros, son of Hierokles (A 10), and Archias, son of Hierokles (A 17); to Epainetos, son of Pythagoras (A 13), Archias, son of Pythagoras (B 4), and Philippos, son of Pythagoras (B 37); and to Athenagoras, son of Kokos (A 15), and Harmodios, son of Kokos (B 34). Things are different in the case of pairs of men who not only have the same patronymic, but are also mentioned one after the other. They probably are brothers: Simon and Apollonios, sons of Adrastos (B 21–22); Damas and Heraios, sons of Athenagoras (B 31–32); Demetrios and Menandros, sons of Athenagoras (B 42–43); Menekrates and [- -]patros, sons of Herakleides (A 56–57); Athenagoras and Diodotos, sons of Menekrates (B 49–50); and Herodes and Dionysios, sons of Menandros (B 56–57). We may suspect family relations also among persons who have etymologically related names but do not appear in successive lines: Menodotos, son of Menandros (B 3), may be a relative of Menogenes, son of Menandros (B 48), exactly as Menogenes, son of Menippos (A 43), may be a relative of Menodotos, son of Menippos (A 63), on the assumption that theophoric names composed with Men- were popular in their families. Also people with exactly the same name and father’s name may have been relatives: Menodotos, son of Apollonios (A 50 and B 17), and Andronikos, son of Zenon (B 26 and B 33). We can find hardly any secure cases of a father and his son listed in this inscription. We may have such pairings of father and son among the following names, listed in close proximity: Diogenes, son of Aristeus (A 7), and Aristeus, son of Diogenes (A 12); Andronikos, son of Artemidoros (A 9), and Artemidoros, son of Andronikos (B 8); and finally Athenagoras, son of Zenon (A 39), Zenon, son of Athenagoras (A 41), and Attalos, son of Zenon (A 42). With only very few cases 32 Ethnics are given in e.g. SEG 27, 973 bis + 29, 1596 and IG XII 6, 217. No ethnics in SEG 60, 1332.
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of suspected (but not certain) pairs of fathers and sons and with several probable cases of brothers or cousins, one gains the impression that we are dealing mostly with persons who are unrelated, and who, if related, belong to the same generation. This impression matches the composition of a military group, either of soldiers serving in a garrison or of military settlers. IV. Syneta: a military settlement or a garrison of the Seleucids? The onomastic material permits the conclusion that most of the dedicants in the inscription from Syneta (or their ancestors, whose names they had inherited) originated in Greek cities; Anatolian names are almost entirely absent. But we found among the men also an Italian, a Thracian, and two Bithynians. This heterogeneous composition suggests a military grouping: the 122 men in Syneta were mercenaries, garrison soldiers, or military settlers. At first sight, one might argue, based on the fact that they are not identified by means of an ethnic, that they were Συνετηνοί, i.e., citizens of Syneta (if Syneta was a polis) or members of the local community. But this need not be the case (see note 32). What brought these men together was the worship of Zeus Synetenos to whom they jointly made a dedication. Therefore, these men may well have been members of a cult association. A close parallel is offered by a roughly contemporary inscription from Yalaköy, southeast of Pergamon (ca. 200–150 BCE).33 The text records the foundation of a cult association for the worship of Asklepios: ‘When Demetrios, who founded the sanctuary, was the commander of the fort, for good fortune the first worshippers of Asklepios came together’; the names of 15 members were inscribed below that heading. The first name is that of the founder, Demetrios, son of Seuthes. The members of that association were soldiers serving in the fort’s garrison; their names reveal Macedonian and Thracian origins, although no ethnics are given. Among them, one finds a single pairing of a father and a son, as well as two brothers. The most likely explanation for the dedication from Syneta is that it was made by garrison soldiers, who shared the cost for setting up a dedication or erecting a shrine. The decree from Bucakköy (see p. 82), apparently of the late third century BCE and thus earlier than the dedication, mentions the ethnic Συνετηνοί (restored: Συ[?νετηνο]ί). So, an organized community, not necessarily a polis, existed at Syneta already in the late third century BCE. Both of the personal names that appear in that decree (Pammenes, son of Menippos) are also attested in the later dedication. It would be too hazardous to base any conclusions on this, but the fact that Greek names are predominant in all inscriptions found in this area, including the epitaphs seen by Louis and Jeanne Robert (see notes 12 and 13: Pelles, Metrodoros, Diodotos, Diokrates, Elpis), supports the conclusion that the original population of Syneta consisted of soldiers or military settlers. 33 Müller 2010; SEG 60, 1332.
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Tolaş Tepe must have attracted the attention of a Hellenistic king because of its strategic position at the border of Karia, Lydia, and Phrygia. The site is close to the great route that starts at Laodikeia in the Katakekaumene, connects Apameia (Kelainai) with Laodikeia at Lykos in Phrygia, and, passing through Antiocheia on the Maeander, Nysa and Seleukeia, leads to Ephesos.34 At some point in the third century BCE a Seleucid king established at Tolaş Tepe a fort with a garrison and possibly military colonists35 of diverse origins (mostly from mainland Greece, the Aegean, and from Greek cities of Asia Minor). We cannot determine whether this community of the Συνετηνοί had the status of a polis. The Synetenoi worshipped Artemis and Zeus, issued decrees, administered funds, and received benefactions. In the early second century BCE, we find among the people serving in the garrison of Syneta men of diverse origins, including men from Italy, Thrace, and Bithynia. A few of these men were related (brothers, fathers, and sons). If Syneta was not a polis from the very beginning, it may have attempted to gain this status during the chaotic conditions that followed the defeat of Antiochos III in 189 BCE, as did the settlement of Tyriaion.36 Did the garrison of Syneta make the dedication to the divine patron of this place, Zeus Synetenos, at such a crucial moment? This is no more than venturesome speculation. As the Roberts observed, the settlement at Tolaş Tepe had only limited access to resources – a small plain and probably also the possibility of exploiting the forests. Even if Syneta at some point acquired the status of an independent polis, it lacked the possibility of rising in prominence. The few archaeological remains seen by the Roberts in 1946 and by the team from Aphrodisias fifty years later show that the site’s existence continued into the Imperial period. But it never emerged from obscurity, thus escaping the notice of ancient geographers. Appendix 1. The names in the dedication to Zeus Synetenos and their attestations 1. Ἄδραστος (6): A 31, 54; B 16, 19, 21, 22. LGPN I: 16. LGPN II: 4. LGPN IIIa: 3. LGPN IIIb: 2. LGPN IV: 4. LGPN Va: 16. LGPN Vb: 114 (all from Karia; Aphrodisias: 63). LGPN Vc: 32 (mostly from Phrygia). 2. Ἀθηναγόρας (17): A 6, 15, [25], 34, [36], 39, 41, 46; B 31, 32, 35, 40, 42, 43, 49, 51, 59. LGPN I: 26. LGPN II: 37. LGPN IIIa: 4. LGPN IIIb: 2 (cf. Ἀθαναγόρας: 2). LGPN IV: 13 (Macedonia: 10). LGPN Va: 76 (Ionia: 49; Ephesos: 22). LGPN Vb: 108 (all from Karia; Aphrodisias: 32). LGPN Vc: 32.
34 For this route see Cohen 1995, maps 7–9. 35 For settlements in Asia Minor see esp. Cohen 1995, 52–54, 243–273; Chaniotis 2005, 84–86. 36 SEG 47, 1745; Jonnes – Ricl 1997; Schuler 1999.
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3. Ἀθηνόδωρος (3): A [33], 51; B 28. LGPN I: 36. LGPN II: 165. LGPN IIIa: 18. LGPN IIIb: 27 (cf. Ἀθανόδωρος: 53). LGPN IV: 58 (Kimmerian Bosporos: 32). LGPN Va: 65 (Ionia: 23). LGPN Vb: 86. LGPN Vc: 31. 4. Ἀνδρόνικος (7): A 9; B 8, 26, 33, 39, 45, 62. LGPN I: 57 (Rhodes: 16). LGPN II: 38. LGPN IIIa: 81 (Epeiros: 29). LGPN IIIb: 78 (Phokis: 36; Thessaly: 24). LGPN IV: 40 (Macedonia: 31). LGPN Va: 114 (Lydia: 58). LGPN Vb: 79 (Karia: 54). LGPN Vc: 41. 5. Ἀντίοχος (1): B 53. LGPN I: 124. LGPN II: 133. LGPN IIIa: 95 (Epeiros: 12). LGPN IIIb: 67 (Thessaly: 41). LGPN IV: 47 (Macedonia: 32). LGPN Va: 152 (Ionia: 63; Lydia: 52). LGPN Vb: 169 (Karia: 114). LGPN Vc: 157. 6. Ἀπολλόδωρος (1): B 58. LGPN I: 237. LGPN II: 263. LGPN IIIa: 93. LGPN IIIb: 223. LGPN IV: 180. LGPN Va: 314. LGPN Vb: 104. LGPN Vc: 10. 7. Ἀπολλώνιος (11): A 6, 32, 37, 45, 50, 54, 58; B 17, 22, 30, 41. LGPN I: 532. LGPN II: 574. LGPN IIIa: 168. LGPN IIIb: 101. LGPN IV: 390. LGPN Va: 1333. LGPN Vb: 921. LGPN Vc: 696. 8. Ἀριστέας (2): B 18, 61. LGPN I: 77 (Delos: 23; Amorgos: 10; Euboia: 12). LGPN II: 25. LGPN IIIa: 63. LGPN IIIb: 51 (Boiotia: 17). LGPN IV: 12 (Macedonia: 8). LGPN Va: 26 (Ionia: 15). LGPN Vb: 236 (Karia: 233; Mylasa: 84; Stratonikeia: 40). LGPN Vc: 10. 9. Ἀριστεύς (2): A 7, 12. LGPN I: 44 (Rhodes: 26). LGPN II: 7. LGPN IIIa: 34. LGPN IIIb: 2. LGPN IV: 1. LGPN Va: 23 (Ionia: 19; Magnesia on the Maeander: 13). LGPN Vb: 14 (Karia: 10). LGPN Vc: 2. 10. Ἀρίστων (1): B 27. LGPN I: 251 (Kos: 28; Rhodes: 33; Euboia: 33; Cyprus: 44). LGPN II: 203. LGPN IIIa: 197. LGPN IIIb: 290 (Boiotia: 138; Phokis: 67; Thessaly: 34). LGPN IV: 113. LGPN Va: 76. LGPN Vb: 93. LGPN Vc: 47. 11. Ἀρκεσίλαος (1): B 20. LGPN I: 14. LGPN II: 11. LGPN IIIa: 7. LGPN IIIb: 14 (Boiotia: 6; Thessaly: 8). LGPN IV: 4. LGPN Va: 16. LGPN Vb: 6. LGPN Vc: 2. 12. Ἁρμόδιος (1): B 34. LGPN I: 10 (Euboia: 7). LGPN II: 10. LGPN IIIa: 20 (Peloponnese: 14). LGPN IIIb: 41 (Thessaly: 26). LGPN IV: 9. LGPN Va: 0. LGPN Vb: 23. LGPN Vc:1.
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13. Ἀρτεμίδωρος (9): A 9, 10, 40, 52; B 8, 10, 47, 51, 52. LGPN I: 171. LGPN II: 103. LGPN IIIa: 80. LGPN IIIb: 40. LGPN IV: 245. LGPN Va: 677. LGPN Vb: 381. LGPN Vc: 132. 14. Ἀρτέμων (1): B 15. LGPN I: 57. LGPN II: 138. LGPN IIIa: 42. LGPN IIIb: 21 (cf. Ἀρτέμουν: 1). LGPN IV: 37 (Thrace: 20). LGPN Va: 221 (Ionia: 107; Ephesos: 30; Lydia: 51). LGPN Vb: 170 (Karia: 117). LGPN Vc: 280. 15. Ἀρχίας (4): A 17; B 4, 6, 61. LGPN I: 76 (Euboia: 26). LGPN II: 80. LGPN IIIa: 47 (Peloponnese: 25). LGPN IIIb: 65 (Boiotia: 25; Phokis: 22). LGPN IV: 15. LGPN Va: 16 (Pergamon: 12). LGPN Vb: 13 (Karia: 10). LGPN Vc: 12. 16. Ἄτταλος (5): A 20, 42, 44; B 13, 41. LGPN I: 37. LGPN II: 62. LGPN IIIa: 20. LGPN IIIb: 8. LGPN IV: 34 (Macedonia: 16; Thrace: 9). LGPN Va: 285 (Ephesos: 58; Kolophon: 17; Metropolis: 25; Lydia: 83). LGPN Vb: 160 (Karia: 121; Aphrodisias: 56). LGPN Vc: 284. 17. Βάκχιος (1): B 14. LGPN I: 43. LGPN II: 67. LGPN IIIa: 7. LGPN IIIb: 37 (Phokis: 21). LGPN IV: 33 (Kimmerian Bosporos: 16). LGPN Va: 103 (Mysia: 41). LGPN Vb: 23. LGPN Vc: 9. 18. Δαμᾶς (1): B 31. LGPN I: 41. LGPN II: 17. LGPN IIIa: 18. LGPN IIIb: 8. LGPN IV: 20. LGPN Va: 82. LGPN Vb: 57 (Karia: 50). LGPN Vc: 81 (Phrygia: 64). 19. Δημέας (1): B 46. LGPN I: 40 (Delos: 22). LGPN II: 69. LGPN IIIa: 4 (cf. Δαμέας: 46). LGPN IIIb: 2 (cf. Δαμέας: 29). LGPN IV: 9 (cf. Δαμέας: 5). LGPN Va: 32. LGPN Vb: 26. LGPN Vc: 3. 20. Δημήτριος (6): A 55; B 15, 20, 24, 36, 42. LGPN I: 426. LGPN II: 782. LGPN IIIa: 82 (cf. Δαμάτριος: 90). LGPN IIIb: 153 (cf. Δαμάτριος: 61). LGPN IV: 365 (Macedonia: 227). LGPN Va: 730. LGPN Vb: 755. LGPN Vc: 304. 21. Δῆμος (1): A 21. LGPN I: 2 (Chios: 1; Samos: 1). LGPN II: 4. LGPN IIIa: 0 (cf. Δᾶμος: 2). LGPN IIIb: 0 (cf. Δᾶμος: 1). LGPN IV: 0. LGPN Va: 3 (Bithynion: 1; Priene: 1; Smyrna: 1). LGPN Vb: 2 (Halikarnassos: 1). LGPN Vc: 1. 22. Διογένης (3): A 7, 12; B 52. LGPN I: 195 (Delos: 35; Rhodes: 28; Kos: 25). LGPN II: 183. LGPN IIIa: 89. LGPN IIIb: 31. LGPN IV: 164. LGPN Va: 262. LGPN Vb: 277. LGPN Vc: 188.
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23. Διόδοτος (1): B 50. LGPN I: 93 (Delos: 54). LGPN II: 93. LGPN IIIa: 11. LGPN IIIb: 15. LGPN IV: 12. LGPN Va: 71. LGPN Vb: 98 (Karia: 67). LGPN Vc: 34. 24. Διονύσιος (8): A 19, 49 (2 persons); B 13, 16, 44, 57, 60. LGPN I: 608. LGPN II: 1103. LGPN IIIa: 313. LGPN IIIb: 304. LGPN IV: 660. LGPN Va: 894. LGPN Vb: 844. LGPN Vc: 257. 25. Ἐπαίνετος (2): A 13; B 60. LGPN I: 27. LGPN II: 28. LGPN IIIa: 21. LGPN IIIb: 13. LGPN IV: 3. LGPN Va: 8. LGPN Vb: 51 (Karia: 51). LGPN Vc: 6. 26. Ἑρμογένης (1): A 60. LGPN I: 55. LGPN II: 75. LGPN IIIa: 31. LGPN IIIb: 21. LGPN IV: 48 (Thrace: 22). LGPN Va: 364 (Lydia: 189). LGPN Vb: 128. LGPN Vc: 137. 27. Ἑστιαῖος (1): B 6. LGPN I: 38 (Thera: 12). LGPN II: 33. LGPN IIIa: 2. LGPN IIIb: 1. LGPN IV: 62 (Thrace: 33). LGPN Va: 41 (Kyzikos: 11). LGPN Vb: 62 (Karia: 61). LGPN Vc: 3. 28. Εὐμένης (1): B 7. LGPN I: 24. LGPN II: 37. LGPN IIIa: 14. LGPN IIIb: 7. LGPN IV: 12. LGPN Va: 44. LGPN Vb: 18. LGPN Vc: 14. 29. Ζήνων (12): A 23, 35, 39, 41, 42, 45, [62], 64; B 26, 33, 40, 54. LGPN I: 131 (Delos: 32; Rhodes: 31). LGPN II: 131. LGPN IIIa: 33. LGPN IIIb: 20. LGPN IV: 36. LGPN Va: 74. LGPN Vb: 264 (Aphrodisias: 129). LGPN Vc: 106. 30. Ζιήλας (1): B 12. LGPN I: 0 (cf. Ζιαήλας (1) in Naxos). LGPN Va: 0 (cf. Ζιαήλας (1), Ζιαίλας (2), Ζιαιλίς (1) in Bithynia). LGPN Vc: 1 (Amorion: 1). 31. Ζώπυρος (1): A [40]. LGPN I: 85 (Kos: 22; Euboia: 15). LGPN II: 181. LGPN IIIa: 106. LGPN IIIb: 117. LGPN IV: 61. LGPN Va: 110 (Ionia: 82). LGPN Vb: 49 (Karia: 45). LGPN Vc: 4. 32. Ἡραῖος (3): A 8; B 32, 38. LGPN I: 11. LGPN II: 10. LGPN IIIa: 5. LGPN IIIb: 0. LGPN IV: 7 (Kimmerian Bosporos: 5). LGPN Va: 23. LGPN Vc: 10. 33. Ἡρακλείδης (2): A 56, 57. LGPN I: 184 (Thasos: 44). LGPN II: 265. LGPN IIIa: 25 (cf. Ἡρακλείδας: 155). LGPN IIIb: 55 (cf. Ἡρακλείδας: 105). LGPN IV: 233 (cf. Ἡρακλείδας: 37). LGPN Va: 361. LGPN Vb: 130. LGPN Vc: 62.
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34. Ἡρωΐδης (5): A [53], 62; B 36, 38, 56. LGPN I: 36 (Thasos: 9). LGPN II: 38. LGPN IIIa: 7 (cf. Ἡρωΐδας: 6). LGPN IIIb: 6 (cf. Ἡρωΐδας: 2). LGPN IV: 31 (Macedonia: 16; Thrace: 14; cf. Ἡρωΐδας: 17). LGPN Va: 121 (Ionia: 49). LGPN Vb: 46 (Karia: 36). LGPN Vc: 15. 35. Ἡφαιστίων (1): A 38. LGPN I: 26. LGPN II: 30. LGPN IIIa: 2. LGPN IIIb: 6. LGPN IV: 20. LGPN Va: 46. LGPN Vb: 26. LGPN Vc: 5. 36. Θεόφιλος (1): B 5. LGPN I: 47. LGPN II: 223. LGPN IIIa: 50. LGPN IIIb: 29. LGPN IV: 76. LGPN Va: 96. LGPN Vb: 54. LGPN Vc: 72. 37. Θερσαγόρας (1): B 7. LGPN I: 4 (Delos: 1; Rhodes: 1; Karpathos: 1; Crete: 1). LGPN II: 0. LGPN IIIa: 3 (Argolis: 3). LGPN IIIb: 0. LGPN IV: 2 (Macedonia: 2). LGPN Va: 2 (Kyzikos: 1; Lampsakos: 1). LGPN Vb– c: 0. 38. Ἱεροκλῆς (3): A 10, 17, [51]. LGPN I: 85 (Rhodes: 56). LGPN II: 79. LGPN IIIa: 29 (cf. Ἱαροκλῆς: 8). LGPN IIIb: 18 (Boiotia: 10). LGPN IV: 5. LGPN Va: 37. LGPN Vb: 282 (Karia: 268). LGPN Vc: 10. 39. Ἱππίας (2): B 59, 62. LGPN I: 41 (Kos: 9). LGPN II: 10. LGPN IIIa: 30. LGPN IIIb: 34 (Thessaly: 11). LGPN IV: 15 (Macedonia: 12). LGPN Va: 23. LGPN Vb: 14. LGPN Vc: 2. 40. Καλλικράτης (1): A 59. LGPN I: 148 (Rhodes: 59). LGPN II: 127. LGPN IIIa: 150 (Lakonia: 79). LGPN IIIb: 143 (Boiotia: 54; Phokis: 55). LGPN IV: 30. LGPN Va: 36. LGPN Vb: 73 (Karia: 58). LGPN Vc: 6. 41. Κράτιππος (1): B 30. LGPN I: 8. LGPN II: 8. LGPN IIIa: 15. LGPN IIIb: 11. LGPN IV: 14. LGPN Va: 34. LGPN Vb: 8. LGPN Vc: 6. 42. Κῶκος (2): A 15; B 34. LGPN I: 2 (Rhodes: 1; Andros: 1). LGPN II: 0. LGPN IIIa: 0. LGPN IIIb: 0. LGPN IV: 1 (Thrace: 1). LGPN Va: 4 (Ephesos: 1; Lydia: 2; Ilion: 1; cf. Κωκᾶς: 4 in Ephesos, 1 in Priene; cf. Κωκίων: 1 in Lydia). LGPN Vb: 6 (Karia: 5). LGPN Vc: 14 (Phrygia: 11). 43. Λεωνίδης (1): B 55. LGPN I: 37. LGPN II: 78. LGPN IIIa: 7 (cf. Λεωνίδας: 35). LGPN IIIb: 14 (Thessaly: 10; cf. Λεωνίδας: 10). LGPN IV: 13 (Macedonia: 8; cf. Λεωνίδας: 13). LGPN Va: 11. LGPN Vb: 68. LGPN Vc: 21.
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44. Μαύσωλλος (1): B 9. LGPN I: 0. LGPN II: 0. LGPN IIIa: 0. LGPN IIIb: 0. LGPN IV: 0. LGPN Va: 0. LGPN Vb: 39 (Karia: 12; Lykia: 27). LGPN Vc: 1. 45. Μελέαγρος (1): B 28. LGPN I: 4. LGPN II: 3. LGPN IIIa: 4. LGPN IIIb: 3. LGPN IV: 11 (Macedonia: 11). LGPN Va: 29 (Mysia: 17). LGPN Vb: 29. LGPN Vc: 31 (Kibyratis: 18). 46. Μέμνων (1): B 44. LGPN I: 5. LGPN II: 19. LGPN IIIa: 7. LGPN IIIb: 6. LGPN IV: 14. LGPN Va: 28. LGPN Vb: 11. LGPN Vc: 26. 47. Μένανδρος (14): A 4, 8, 18, 19, [22], 44, 47; B 3, 19, 43, 48, 56, 57, 58. LGPN I: 85. LGPN II: 168. LGPN IIIa: 82. LGPN IIIb: 100 (Boiotia: 23; Thessaly: 57). LGPN IV: 129 (Macedonia: 89). LGPN Va: 448 (Ephesos: 48; Ionia: 105; Lydia: 116; Mysia: 162). LGPN Vb: 352. LGPN Vc: 315. 48. Μενεκράτης (6): A 38, 56, [60]; B 49, 50, 55. LGPN I: 117 (Rhodes: 41). LGPN II: 118. LGPN IIIa: 44. LGPN IIIb: 86 (Thessaly: 38). LGPN IV: 35 (Thrace: 18). LGPN Va: 380. LGPN Vb: 148 (Karia: 135). LGPN Vc: 48. 49. Μενεσθεύς (2): A 11; B 35. LGPN I: 21 (Rhodes: 8). LGPN II: 27. LGPN IIIa: 2. LGPN IIIb: 0. LGPN IV: 8. LGPN Va: 54. LGPN Vb: 72 (Karia: 68; Aphrodisias: 21). LGPN Vc: 23. 50. Μένιππος (17): A 3, 11, 25, 29, 37, 43, 58, 63; B 5, 9, 10, 11, 14, 25, 27, 45, 46. LGPN I: 46 (Rhodes: 16). LGPN II: 44. LGPN IIIa: 26. LGPN IIIb: 19 (Thessaly: 10). LGPN IV: 20. LGPN Va: 77. LGPN Vb: 294 (Karia: 285). LGPN Vc: 18. 51. Μῆνις (3): A 33, 61; B 23. LGPN I: 3 (Chios: 1; Kos: 1; Rhodes: 1). LGPN II: 9. LGPN IIIa: 2. LGPN IIIb: 1. LGPN IV: 15 (North Shore of the Black Sea: 9; Thrace: 6). LGPN Va: 19. LGPN Vb: 12. LGPN Vc: 285 (Kibyratis: 224). 52. Μηνογένης (4): A [24], 43, 47; B 48. LGPN I: 11. LGPN II: 11. LGPN IIIa: 6 (Argolis: 3). LGPN IIIb: 3. LGPN IV: 4 (Macedonia: 3). LGPN Va: 158 (Lydia: 67; Mysia: 59). LGPN Vb: 12. LGPN Vc: 61 (Phrygia: 35). 53. Μηνόδοτος (6): A [23], 50, 63; B 3, 17, 18. LGPN I: 28. LGPN II: 7. LGPN IIIa: 13. LGPN IIIb: 4. LGPN IV: 5. LGPN Va: 116. LGPN Vb: 91 (Karia: 71). LGPN Vc: 21. 54. Μηνοφάνης (1): B 47. LGPN I: 4. LGPN II: 3. LGPN IIIa: 3. LGPN IIIb: 1. LGPN IV: 2. LGPN Va: 73 (Mysia: 39). LGPN Vb: 12. LGPN Vc: 6.
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Angelos Chaniotis
55. Μητρόδωρος (2): A 3, 48. LGPN I: 89 (Chios: 28). LGPN II: 103. LGPN IIIa: 9. LGPN IIIb: 34 (Thessaly: 19; cf. Ματρόδωρος: 10). LGPN IV: 84 (Macedonia: 24; Thrace: 39; cf. Ματρόδωρος: 21). LGPN Va: 590. LGPN Vb: 103 (Karia: 88). LGPN Vc: 63. 56. Μοσχίων (1): B 23. LGPN I: 58 (Kos: 16). LGPN II: 91. LGPN IIIa: 22. LGPN IIIb: 18. LGPN IV: 41 (Thrace: 21). LGPN Va: 82 (Ionia: 48). LGPN Vb: 53 (Karia: 43). LGPN Vc: 10. 57. Μουσαῖος (1): A 22. LGPN I: 23. LGPN II: 49. LGPN IIIa: 22. LGPN IIIb: 5. LGPN IV: 3. LGPN Vb: 67 (Karia: 26). LGPN Vc: 107 (Kibyratis: 27; Pisidia: 64). 58. Νίκανδρος (1): A 4. LGPN I: 90 (Euboia: 21). LGPN II: 60. LGPN IIIa: 142 (Epeiros: 52). LGPN IIIb: 88. LGPN IV: 65 (Macedonia: 50). LGPN Va: 57. LGPN Va: 79. LGPN Vb: 23. LGPN Vc: 19. 59. Νικόμαχος (1): A 27. LGPN I: 128 (Rhodes: 40; Kos: 35; Euboia: 24). LGPN II: 119. LGPN IIIa: 82 (Epeiros: 26). LGPN IIIb: 100. LGPN IV: 31 (Macedonia: 23). LGPN Va: 65. LGPN Vb: 38. LGPN Vc: 23. 60. Νούϊος (1): A 28. LGPN I: 1 (Delos: 1). LGPN II: 5 (cf. Νουΐα: 2). LGPN IIIa: 5 (Achaia: 1; South Italy: 6; cf. Νουΐα: 3 in South Italy). LGPN Vb: 2. 61. Παμμένης (1): A 36. LGPN I: 2. LGPN II: 19. LGPN IIIa: 1. LGPN IIIb: 4. LGPN IV: 0. LGPN Va: 13 (Ionia: 10). LGPN Vb: 22 (Karia: 22). LGPN Vc: 9. 62. Παπίας (2): B 29, 54. LGPN I: 9. LGPN II: 0. LGPN IIIa: 2. LGPN IIIb: 1. LGPN IV: 67 (Kimmerian Bosporos: 22; North Shore of the Black Sea: 18; Thrace: 17). LGPN Va: 142 (Lydia: 76). LGPN Vb: 110. LGPN Vc: 191 (Phrygia: 136). 63. Παπύλος (1): A 46. LGPN I: 1. LGPN II: 1. LGPN IIIa: 1. LGPN IIIb: 0. LGPN IV: 5. LGPN Va: 20. LGPN Vb: 22. LGPN Vc: 19 (Phrygia: 17). 64. Παυσανίας (2): A 24; B 24. LGPN I: 128 (Rhodes: 79). LGPN II: 57. LGPN IIIa: 49. LGPN IIIb: 114 (Thessaly: 102). LGPN IV: 40 (Macedonia: 28). LGPN Va: 53 (Ionia: 34). LGPN Vb: 54 (Karia: 43). LGPN Vc: 11. 65. Πεισίστρατος (1): A 5. LGPN I: 66 (Rhodes: 44). LGPN II: 7. LGPN IIIa: 4. LGPN IIIb: 30 (Delphi: 28). LGPN IV: 5. LGPN Va: 18. LGPN Vb: 6. LGPN Vc: 0.
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66. Πλουτίων (1): B 53. LGPN I: 8. LGPN II: 3. LGPN IIIa: 1. LGPN IIIb: 0. LGPN IV: 1. LGPN Va: 36 (Lydia: 25). LGPN Vb: 8. LGPN Vc: 13. 67. Ποτάμων (1): A 26. LGPN I: 10. LGPN II: 12. LGPN IIIa: 6. LGPN IIIb: 9. LGPN IV: 19. LGPN Va: 48. LGPN Vb: 10. LGPN Vc: 10. 68. Πρωτέας (1): A 48. LGPN I: 13. LGPN II: 12. LGPN IIIa: 1. LGPN IIIb: 18. LGPN IV: 11. LGPN Va: 11. LGPN Vb: 45 (Karia: 43). LGPN Vc: 11. 69. Πυθαγόρας (3): A 13; B 4, 37. LGPN I: 43 (Rhodes: 17; Samos: 10). LGPN II: 15. LGPN IIIa: 7. LGPN IIIb: 3. LGPN IV: 0 (cf. Πυθαγόρης: 6). LGPN Va: 30 (Ionia: 24). LGPN Vb: 14. LGPN Vc: 2. 70. Σέλευκος (1): B 11. LGPN I: 50. LGPN II: 42. LGPN IIIa: 21. LGPN IIIb: 27. LGPN IV: 30. LGPN Va: 37. LGPN Vb: 54 (Karia: 21). LGPN Vc: 47. 71. Σεραπίων (1): A 21. LGPN I: 46. LGPN II: 44. LGPN IIIa: 10. LGPN IIIb: 9. LGPN IV: 16. LGPN Va: 25. LGPN Vb: 31. LGPN Vc: 10. 72. Σίμων (3): A 20; B 21, 25. LGPN I: 49 (Cyrenaica: 16). LGPN II: 55. LGPN IIIa: 16. LGPN IIIb: 29. LGPN IV: 20. LGPN Va: 26. LGPN Vb: 22 (Karia: 18). LGPN Vc: 1. 73. Σόλων (2): A 30; B 39. LGPN I: 12. LGPN II: 34. LGPN IIIa: 6. LGPN IIIb: 8. LGPN IV: 5. LGPN Va: 18 (Ionia: 12). LGPN Vb: 48 (Karia: 28). LGPN Vc: 54 (Pisidia: 35). 74. Στανις (1): B 12. Unattested. Cf. Σταμις (1) in Thrace (LGPN IV, s.v.). See also note 29. 75. Στράτων (1): A 64. LGPN I: 117. LGPN II: 188. LGPN IIIa: 76. LGPN IIIb: 87 (Boiotia: 25; Phokis: 30; Thessaly: 22). LGPN IV: 85 (Macedonia: 44). LGPN Va: 69. LGPN Vb: 78 (Karia: 48). LGPN Vc: 38. 76. Στρόμβιχος (1): A 55. LGPN I: 2 (Delos: 1; Thasos: 1). LGPN II: 12 (cf. Στρομβιχίδης: 1). LGPN IIIa: 3 (cf. Στρομβιχίδας). LGPN IV: 1. LGPN Va: 1 (cf. Στρόμβος: 12 in Lydia). LGPN Vb: 2. LGPN Vc: 0.
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Angelos Chaniotis
77. Σωσιγένης (1): A 18. LGPN I: 42 (Rhodes: 20). LGPN II: 93. LGPN IIIa: 13. LGPN IIIb: 18. LGPN IV: 7. LGPN Va: 22. LGPN Vb: 13. LGPN Vc: 3. 78. Τήρης (1): A 53. LGPN I: 4. LGPN II: 1. LGPN IIIa: 4. LGPN IIIb: 6. LGPN IV: 67 (Thrace: 58). LGPN Va: 4. LGPN Vb: 1. LGPN Vc: 1. 79. Τιμοκλῆς (1): A 52. LGPN I: 79 (Rhodes: 22). LGPN II: 59. LGPN IIIa: 36. LGPN IIIb: 27 (Phokis: 15). LGPN IV: 14. LGPN Va: 17. LGPN Vb: 20. LGPN Vc: 6. 80. Τιμοκράτης (1): A 14. LGPN I: 144 (Rhodes: 51). LGPN II: 133. LGPN IIIa: 85. LGPN IIIb: 78. LGPN IV: 24. LGPN Va: 62. LGPN Vb: 17. LGPN Vc: 22. 81. Φίλιππος (1): B 37. LGPN I: 194. LGPN II: 157. LGPN IIIa: 198. LGPN IIIb: 136. LGPN IV: 246. LGPN Va: 136. LGPN Vb: 101. LGPN Vc: 112. 82. Χαρικλῆς (1): B 29. LGPN I: 10. LGPN II: 50. LGPN IIIa: 11. LGPN IIIb: 14. LGPN IV: 2. LGPN Va: 4. LGPN Vb: 1. LGPN Vc: 3. 83. Χαρμίδης (5): A 5, 14, 16 (twice), 61. LGPN I: 19 (Euboia: 8). LGPN II: 34. LGPN IIIa: 1 (cf. Χαρμίδας: 5). LGPN IIIb: 4 (cf. Χαρμίδας: 6). LGPN IV: 2. LGPN Va: 22 (Mysia: 9). LGPN Vb: 27 (Karia: 25). LGPN Vc: 10.
Appendix 2. The popularity of names in the dedication to Zeus Synetenos 17: 14: 12: 11: 9: 8: 7: 6: 5: 4: 3: 2:
Ἀθηναγόρας, Μένιππος Μένανδρος Ζήνων Ἀπολλώνιος Ἀρτεμίδωρος Διονύσιος Ἀνδρόνικος Ἄδραστος, Δημήτριος, Μενεκράτης, Μηνόδοτος Ἄτταλος, Ἡρωΐδης, Χαρμίδης Ἀρχίας, Μηνογένης Ἀθηνόδωρος, Διογένης, Ἡραῖος, Ἱεροκλῆς, Μῆνις, Πυθαγόρας, Σίμων Ἀριστέας, Ἀριστεύς, Ἐπαίνετος, Ἡρακλείδης, Ἱππίας, Κῶκος, Μενεσθεύς, Μητρόδωρος, Παπίας, Παυσανίας, Σόλων
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Ἀντίοχος, Ἀπολλόδωρος, Ἀρίστων, Ἀρκεσίλαος, Ἁρμόδιος, Ἀρτέμων, Βάκχιος, Δαμᾶς, Δημέας, Δῆμος, Διόδοτος, Ἑρμογένης, Ἑστιαῖος, Εὐμένης, Ζιήλας, Ζώπυρος, Ἡφαιστίων, Θεόφιλος, Θερσαγόρας, Καλλικράτης, Κράτιππος, Λεωνίδης, Μαύσωλλος, Μελέαγρος, Μέμνων, Μηνοφάνης, Μοσχίων, Μουσαῖος, Νίκανδρος, Νικόμαχος, Νούϊος, Παμμένης, Παπύλος, Πεισίστρατος, Πλουτίων, Ποτάμων, Πρωτέας, Σέλευκος, Σεραπίων, Στανις, Στράτων, Στρόμβιχος, Σωσιγένης, Τήρης, Τιμοκλῆς, Τιμοκράτης, Φίλιππος, Χαρικλῆς
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Angelos Chaniotis
Figures
Figure 1: Map of Turkey indicating the location of Aphrodisias, Hierapolis, Laodikeia and Bucak Köy (Bucakköy; Syneta); © OpenStreetMap.
Figure 3: Bucakköy. Modern house with fragment of a Hellenistic stele built into its wall.
Figure 6: Tolaş Tepe: Fragment of a marble sarcophagus.
Inscriptions from Bucakköy
Figure 2: Tolaş Tepe. Stele with dedication to Zeus Synetenos.
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Angelos Chaniotis
Figure 4: Bucakköy. Fragmentary Hellenistic stele with honorary decree.
Figure 5: Tolaş Tepe. The acropolis seen from the south.
Inscriptions from Bucakköy
Figure 7: Detail of the stele with dedication to Zeus Synetenos (Column 2a LL. 1-29).
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Figure 8: Detail of the stele with dedication to Zeus Synetenos (LL. 1–22).
STRASSENBAU UND INFRASTRUKTUR IM FLAVISCHEN LYKIEN Zwei neue Meilensteine aus Patara* Christof Schuler Peter Herrmann war seit den Anfängen seiner Karriere dem Deutschen Archäologischen Institut und im Besonderen der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI in München eng verbunden. An diese langjährige und fruchtbare Beziehung und die großen Verdienste Herrmanns um das DAI sei eingangs kurz erinnert. Am Anfang stand ein einjähriges Reisestipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Jahr 1955/56. Herrmann absolvierte diese Reise zusammen mit zwei Reisestipendiaten des DAI, dem Archäologen Ernst Berger und dem Philologen Otto Lendle. Die drei jungen Vertreter unterschiedlicher altertumswissenschaftlicher Disziplinen wurden durch die gemeinsame Benutzung eines vom DAI zur Verfügung gestellten VW Käfers für das gesamte Jahr ihrer Reise in einer glücklichen Konstellation zusammengeschweißt und blieben in lebenslanger Freundschaft verbunden. Das Interesse für Landeskunde, Archäologie und Epigraphik hatte Herrmann schon von seinen ersten Studien bei Josef Keil in Wien nach Hamburg mitgebracht.1 Das Reisestipendium dürfte aber seine persönliche wissenschaftliche Entwicklung von der Philologie hin zur Geschichte und Epigraphik wesentlich befördert haben.2 Zu den Stationen der Reise gehörte die Grabung des DAI im Heraion von Samos, wo Herrmann Beziehungen anknüpfte, die 1959 in eine Einladung Ernst Buschors mündeten, die Publikation der Inschriften römischer Zeit zu übernehmen. Bereits im September 1961 lieferte Herrmann das fer-
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Kaja Harter-Uibopuu danke ich sehr herzlich für die Einladung zu einer anregenden Tagung und die angenehme Gastfreundschaft in Hamburg. Havva İşkan Işık (Antalya), der Grabungsleiterin von Patara, und ihrem gesamten Team bin ich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit außerordentlich dankbar, ebenso dem türkischen Kulturministerium für die jährlichen Genehmigungen unserer Arbeiten in Patara. Der vorliegende Beitrag wäre nicht möglich gewesen ohne Şevket Aktaş, den stellvertretenden Grabungsleiter von Patara, der die beiden Meilensteine in dichtem Gebüsch entdeckt und ihre Bergung veranlasst hat. Für die großartige Unterstützung unserer Arbeit nicht nur in diesem Fall sind wir ihm sehr zu Dank verpflichtet. Wertvolle Hinweise zu diesem Beitrag verdanke ich außerdem M. Adak, S. Bönisch-Meyer, A. Chaniotis, H. İşkan, A. Lepke, F. Onur und K. Zimmermann. Habicht 2003, 474 f.; vgl. hier und zum Folgenden auch Habicht 2004. Welche Bedeutung Herrmann selbst dieser Reise beimaß, kommt in seinen Briefen aus dieser Zeit zum Ausdruck, die postum veröffentlicht worden sind (Herrmann 2008).
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Christof Schuler
tige Manuskript, das 1962 in den Athener Mitteilungen erschien.3 Der Beitrag hatte den Umfang einer Monographie, und Herrmann zeigte in dieser ersten großen epigraphischen Publikation sofort die Qualitäten, die sein ganzes späteres Werk auszeichneten: unermüdliche Energie, Verlässlichkeit, höchste methodische Standards und souveräne Einordnung der Monumente in komplexe historische Zusammenhänge. Mit dieser „Visitenkarte“ etablierte sich Herrmann als herausragender Epigraphiker, innerhalb der deutschen Alten Geschichte ebenso wie international. Schon bald bot sich Herrmann die nächste große und prestigeträchtige Aufgabe, die ihn bis zu seinem Tod beschäftigen sollte. Anfang der 1960er Jahre übertrug ihm der Grabungsleiter Gerhard Kleiner die Bearbeitung der Inschriften von Milet.4 Für das DAI war diese Entscheidung ein Glücksfall. Es ist wesentlich Herrmanns Tatkraft, Können und Pflichtbewusstsein zu verdanken, dass der Publikationsstand der Inschriften von Milet als vorbildlich gelten kann. Dabei sollen selbstverständlich die substantiellen Beiträge, die Norbert Ehrhardt und Wolfgang Günther insbesondere zu Milet VI.3, dem 2006 erschienenen dritten Band des milesischen Corpus, geleistet haben, nicht vergessen werden. In der Tat war auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit eine große Stärke Herrmanns, wenn es darum ging, Materialmengen editorisch zu bewältigen, die auch seine Kräfte überstiegen. Ein Wissenschaftler mit den Schwerpunkten und dem fachlichen Gewicht Herrmanns durfte in den Gremien des DAI nicht fehlen: Peter Herrmann war 15 Jahre lang, von 1968 bis 1983, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik und von 1981 bis 1990 Vertreter des Fachs Alte Geschichte in der Zentraldirektion des DAI,5 zudem seit 1974 Mitglied im Fachausschuss der Abteilung Istanbul. Seit 1977 gehörte er zum kleinen Kreis der Ordentlichen Mitglieder des DAI.6 Für seine vielfältigen großen Verdienste behält das DAI Peter Herrmann in dankbarer Erinnerung. Es ist ein kleines Zeichen dieses Dankes, dass die Beiträge des Kolloquiums, das genau 20 Jahre vor der Tagung, deren Akten hier vorgelegt werden, zur Feier des 70. Geburtstages von Herrmann in Hamburg stattfand, im Chiron 28 (1998) zusammen mit einem
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Herrmann 1960, zur Chronologie 69 Anm. 2; Habicht 2003, 476. Die darin veröffentlichten Dekretfragmente über die Eidesleistung der Samier auf Augustus (Herrmann 1960, 70–84 Nr. 1–3) dürften Herrmann wesentlich zu seiner 1967 angenommenen und 1968 gedruckten Hamburger Habilitationsschrift angeregt haben (zu Samos siehe Herrmann 1968, 95 f.). Noch in anderer Weise war die Arbeit an den samischen Inschriften für Herrmanns Biographie bedeutsam: Er tauschte sich dabei eng mit seinem am 6. August 2018 verstorbenen Hamburger Studienkollegen und lebenslangen Freund (vgl. Habicht 2003, 479) Chr. Habicht aus, der die hellenistischen Dekrete aus Samos bearbeitet hatte. Vgl. dazu den Beitrag von N. Ehrhardt im vorliegenden Band. Erfreulicherweise wurde K. Harter-Uibopuu, Nach-Nachfolgerin Herrmanns auf dem Hamburger Lehrstuhl, im Jahr 2017 in derselben Funktion in die Zentraldirektion des DAI gewählt. Vgl. zu diesen und anderen Ehrungen Herrmanns Habicht 2003, 478.
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Schriftenverzeichnis erschienen sind.7 Seinerseits veröffentlichte Herrmann im Chiron ab dem ersten Band dieser 1970 begründeten Zeitschrift eine lange Reihe wichtiger Beiträge.8 Wenn im vorliegenden Beitrag zwei neue Meilensteine aus Lykien vorgestellt werden, so steht das Thema auf den ersten Blick in keinem näheren Zusammenhang mit Peter Herrmanns Werk. Herrmann beschäftigte sich nie intensiver mit der Landschaft Lykien, und Meilensteine bearbeitete er nur beiläufig, wenn es sich bei seinen Surveys und Corpus-Projekten ergab. Aber Herrmann hatte generell ein großes Interesse für die historische Geographie der antiken Landschaften Kleinasiens, allen voran natürlich Lydiens und der angrenzenden Regionen, die er seit 1956 so intensiv bereiste. Deren Kenntnis hat er mit seinen beiden großartigen Corpus-Bänden in den Tituli Asiae Minoris auf eine völlig neue, bis heute tragfähige Grundlage gestellt.9 Die Kapitel zu den einzelnen Städten beginnen jeweils mit einer konzisen Einführung in Geschichte, Archäologie und Geographie. In diesem landeskundlichen Interesse Herrmanns spielten die Verkehrsverbindungen und damit auch die Meilensteine als Zeugnisse für Fernstraßen immer eine wichtige Rolle. I. Zwei neue Meilensteine aus Patara Im Sommer 2014 sind im suburbanen Bereich von Patara10 zwei Meilensteine gefunden worden, die in dem Höhenzug nordöstlich der Stadt in dichter Macchia umgestürzt nebeneinander an der Oberfläche lagen (Abb. 1). Der Fundort liegt am Südhang des Çamurlağı Tepesi unmittelbar neben einem modernen Forstweg (GPS-Daten N 36 16 325, E 29 19 806).11 Die beiden Meilensteine werden jetzt im Steingarten am Grabungshaus aufbewahrt (Abb. 2). Sie tragen drei Inschriften, von denen zwei im Wortlaut identisch sind. Die Inschrift A auf Meilenstein I stammt vom Beginn der Herrschaft Vespasians, während der auf beiden Steinen identisch angebrachte Text (IB, II) in die Zeit der Ersten Tetrarchie gehört.
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Siehe das Inhaltsverzeichnis in Chiron 28, 1998, V: Beiträge von N. Ehrhardt, W. Günther, Chr. Habicht, K. Hallof, St. Mitchell, G. Petzl und M. Wörrle. Ein vervollständigtes Schriftenverzeichnis hat W. Blümel jetzt in Herrmann 2016, 703–708 vorgelegt. 8 Herrmanns Chiron-Aufsätze sind ebenso wie der in Anm. 3 zitierte große Beitrag zu Samos aufgrund ihres Umfangs vom Herausgeber W. Blümel nicht in die Ausgewählten kleinen Schriften (Herrmann 2016) aufgenommen worden. Sie werden demnächst in elektronischer Form auf dem Zeitschriftenportal des DAI (https://publications.dainst.org/journals/) zur Verfügung stehen. Gemeinsam mit J. Deininger und H. Halfmann hat Herrmann außerdem im Chiron 32, 2002, 1–247 die Akten eines Kolloquiums mitherausgegeben, das 2001 zum 75. Geburtstag von Chr. Habicht in Hamburg stattfand. 9 TAM V.1 (1981). V.2 (1989); zur Bedeutung der beiden Bände vgl. Habicht 2003, 475. 10 Zur Archäologie und Geschichte von Patara siehe den Überblick von İşkan u. a. 2016. 11 Zur Topographie siehe die Kartenbeilage in Şahin und Adak 2007 sowie die Karte des suburbanen Umlandes von Patara in İşkan u. a. 2016, 100.
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Meilenstein I, Inschrift A Gut erhaltener Zylinder aus kompaktem Kalkstein guter Qualität, der sich nach oben verjüngt (Höhe 155,5 cm; Durchmesser unten 48, oben 36 cm). Vorderseite mit der Inschrift Vespasians sorgfältig geglättet, Rückseite mit der sekundären Inschrift (unten IB) stark verwittert. Ober- und Unterseite etwas gröber gepickt, aber sorgfältig eben abgearbeitet, keine Einlassungsspuren. Der gedrungen wirkende Stein mit Schwerpunkt im unteren Bereich war offenbar für freistehende Aufstellung auf geglätteter Fläche gearbeitet. Die Inschrift steht oberhalb der Mitte des Steins: Z. 1 beginnt 41,5 cm von der Oberkante, Z. 7 ist 75 cm von der Unterkante entfernt. Buchstaben: Höhe Z. 1 ca. 4,5 cm; Z. 2 ca. 4 cm, teils bis 4,5 cm; Z. 3–7 ca. 3,5 cm, teils bis 4 cm; Z. 8 9 cm. Kräftig eingegrabene Hasten mit Apices, leicht unregelmäßige Ausführung. Α mit gebrochener Querhaste; Ε breit, mit um die Hälfte verkürzter Mittelhaste; Π mit gleichlangen Senkrechten; Σ ab Z. 3 mit stark gerundeten Schräghasten, wie ein spiegelverkehrtes Β; Υ teilweise als V und vereinzelt über die Zeile reichend, in Z. 2 und 5 (Μαρκίου) überdacht es das vorangehende O; Ω als fast geschlossener Kreis mit schräg gestellten Basisstrichen. Zeilenabstand ca. 1,5 cm, Z. 2–3 2,5–3,0 cm. Datierung: zwischen August 69 und Frühjahr 70 n.Chr. Foto, Abklatsch. Abb. 3–4. Αὐτοκράτωρ Καῖσαρ Φλά̣[ουιος] Οὐεσπασιανὸς Σεβαστ̣[ὸς] τὰ μειλιάρια καὶ τὰς ἀρχαίας ὁ̣δοὺς ἐπεσκεύασεν διὰ
5 Σέξτου Μαρκίου Πρείσκου πρεσβευτοῦ ἰδίου καὶ ἀντιστρατήγου.
I
Der Imperator Caesar Flavius Vespasianus Augustus hat die Meilensteine und die alten Straßen repariert durch Sextus Marcius Priscus, seinen Legaten im prätorischen Rang. 1 (Meile).
Das Layout unterstreicht den inhaltlichen Aufbau der Inschrift. Der Name des Princeps Vespasian ist durch größere Buchstaben, die Einrückung in Z. 2 und den doppelten Abstand zwischen Z. 2 und 3 gegenüber dem übrigen Text deutlich hervorgehoben, ebenso der Name des handelnden Statthalters Sex. Marcius Priscus durch die Ausrückung in Z. 5. Die Entfernungsangabe in Z. 8 fällt durch doppelte Höhe ins Auge. Meilenstein I, Inschrift B Auf der Rückseite des Meilensteins Vespasians auf notdürftig geglätteter Fläche. Diese Seite ist stark verwittert, die Buchstaben sind nur sehr schwer zu lesen. Buchstaben: Unregelmäßiger Gesamteindruck. Buchstaben im Wesentlichen wie bei II (s.u.), durch Verwitterung aber stark vergröbert, so dass stilistische Details nicht mehr sichtbar sind. Höhe 2,5–3,5 cm; Zeilenabstand 1–1,5 cm. Datierung: 293–305 n.Chr. Foto, Abklatsch. Abb. 5.
Straßenbau und Infrastruktur Αὐτοκράτορσιν Καίσαρσιν Γαίῳ Οὐα̣λ̣(ερίῳ) Διοκλη̣τιανῷ καὶ Μ̣άρ(κῳ) Αὐρ(ηλίῳ) Οὐαλ(ερίῳ) Μαξιμιανῷ̣
5 καὶ Φλα(ουίῳ) Οὐαλ(ερίῳ) Κωνσταντίῳ κ̣α̣ὶ̣ Γ̣α̣λ̣(ερίῳ) Ο̣ὐ̣α̣λ̣(ερίῳ) vac. Μ̣α̣ξ̣ι̣μ̣ι̣αν̣ ῷ ἐπιφαν(εστάτοις) Καί̣σ̣α̣ρσιν Παταρέων ἡ̣ μ̣η̣τρόπ̣ο̣λ̣ι̣ς̣.
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Den Imperatores Caesares Gaius Valerius Diocletianus und Marcus Aurelius Valerius Maximianus und Flavius Valerius Constantius und Galerius Valerius Maximianus, den strahlendsten Caesares, (hat) die Metropolis Patara (dies geweiht).
Meilenstein II Gut erhaltener Zylinder aus Kalkstein, der schlanker und länger ist als Meilenstein I (Höhe 168 cm; Durchmesser unten 39, oben 34,5 cm; Abb. 2). Der Kalkstein ist weniger homogen als im Fall von Meilenstein I und von zahlreichen rötlichen Adern aus kristallinem Material durchzogen, die die Bildung von Rissen begünstigen. Alle Oberflächen grob, aber gleichmäßig bearbeitet. Oberseite exakt eben abgearbeitet, an der Unterseite runder, bossenartiger Vorsprung (Durchmesser 27 cm) mit unregelmäßig gebrochener Oberfläche. Vermutlich handelt es sich um den Stumpf eines abgebrochenen Einlasszapfens. Die Inschrift beginnt 11 cm unterhalb der Oberkante und steht auf einer geglätteten Fläche, die sich unter dem Text ca. 30 cm unbeschriftet fortsetzt. Buchstaben: Unregelmäßiger Gesamteindruck. Die Querhasten von Μ und Ν setzen nicht an den Spitzen der Senkrechten an; Σ hakenförmig; Ω als rechteckiges W. Höhe 3–3,5 cm; Zeilenabstand 1,5–2,5 cm. Datierung: 293–305 n.Chr. Foto, Abklatsch. Abb. 6. Αὐτοκράτορσι̣ν Καίσαρσιν Γαίῳ vac. Οὐαλ(ερίῳ) Διοκλη̣τιανῷ καὶ Μάρ(κῳ) Αὐρ(ηλίῳ) Οὐαλ(ερίῳ) 5 Μαξιμιανῷ καὶ Φλα̣(ουίῳ) Οὐαλ(ερίῳ) Κωνσταντίῳ καὶ Γαλ(ερίῳ) Οὐαλ(ερίῳ) Μα̣ξ̣ι-̣ μιανῷ ἐπιφαν(εστάτοις) Καίσαρσιν Πατα10 ρέων ἡ μητρόπολις.
Die Dedikation an Diokletian und Maximian zusammen mit den Caesares Constantius und Galerius führt in die Zeit der Ersten Tetrarchie zwischen 293 und 305.12 Am Ende steht die Metropolis Patara als weihende Instanz.13 Eine Meilen12 Genauer 1. März 293 bis 1. Mai 305: Kienast – Eck – Heil 2017, 255–272. Zu Meilensteininschriften im Dativ, wie sie im Verlauf der Kaiserzeit immer häufiger werden, und zur sukzes-
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angabe ist in beiden Ausführungen der Inschrift nicht zu erkennen und fehlt auch bei den im Folgenden diskutierten Parallelen.14 Die beiden Texte unterscheiden sich in so vielen Details des Layouts, dass sie kaum in einem Zug von derselben Hand stammen dürften. Vielleicht wurde zunächst die sekundäre Inschrift auf dem flavischen Meilenstein angebracht und der zweite Meilenstein erst in gewissem Abstand dazugestellt. In Lykien sind bislang vier Meilensteine der Ersten Tetrarchie bekannt, die dasselbe Formular wie das neue Exemplar aus Patara aufweisen. Zwei der Stücke kommen aus dem Territorium von Pataras Nachbarstadt Xanthos.15 Wie Patara zeichnet Xanthos mit dem Titel Ξανθίων ἡ μητρόπολις für die Aufstellung verantwortlich. Auf einem Meilenstein, der zwischen Limyra und Myra gefunden wurde, verwendet auch Limyra diesen Titel, jedoch in der erweiterten Form λαμπροτάτη μητρόπολις τοῦ Λυκίων ἔθνους, „glänzendste Metropolis des Lykischen Bundes“.16 Auf dem vierten Meilenstein dieser Gruppe tritt Aperlai an der zentrallykischen Küste hingegen nicht als Metropolis, sondern nur als Ἀπερλειτῶν ἡ πόλις auf.17 Die traditionellen Rangunterschiede zwischen den Städten des Lykischen Bundes spielten in dieser Zeit also zumindest in deren Selbstdarstellung noch eine Rolle, ebenso wie die Bundesorganisation selbst.18 Die Weihungen auf den fünf Meilensteinen unterscheiden sich nur in geringfügigen Details. Abgesehen von Variationen in der Zeileneinteilung ist der Name
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siven Weihung mehrerer Meilensteine am selben Standort siehe Schneider 1935, 425; Kolb 2001, 506; Rathmann 2003, 120–129 und insbesondere Witschel 2002. Onur 2017, 215 ordnet das Fragment eines weiteren, nicht genauer datierbaren Meilensteins, auf dem sich nur - - - ἡ μητρόπολ[ις] und eine Meilenangabe erhalten hat, ebenfalls Patara zu. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Meilensteine samt Kaiserweihung serienweise gefertigt und die Entfernungsangaben mit Farbe eingetragen wurden (Kolb 2004, 152–155). TAM II 257 (French 2014, 62 Nr. 27), gefunden in der Nähe der Festung Pydna am Patara gegenüberliegenden Westrand des unteren Xanthos-Tals; Cavalier – des Courtils 2008, 390 mit Fig. 14 (French a.O. 59 Nr. 24A; vgl. Onur 2017, 214). Letzterer Text hebt sich durch zusätzliche Titulaturelemente und deutlich andere Buchstabenformen von den übrigen Stücken ab. French a.O. 70 f. Nr. 32B; Takmer 2004, 107 f. Nr. 1a (SEG 54, 1407A; AE 2005, 1499a). Der Meilenstein ist oben gebrochen, der erhaltene Text beginnt unmittelbar am Bruch. Den hier diskutierten Parallelen entsprechend sollte am Beginn Αὐτοκράτορσιν Καίσαρσιν ergänzt werden, aufgrund der sonstigen Breite der Kolumne verteilt auf zwei Zeilen wie bei dem Neufund aus Patara: [Αὐτοκράτορσιν | Καίσαρσιν] | (Z. 1) Γ. Αὐρ. [Οὐαλ.] κτλ., nicht [Τοῖς Κυρίοις ἡμῶν], wie French a.O. vorschlägt. French a.O. 72 f. Nr. 34; Leadbetter 2003, 130; CIG 4300x; IGR III 691. Die Inschrift eines in der Nikolaos-Kirche von Myra gefundenen, wohl als Spolie verbauten Meilensteins gehört ebenfalls in die Tetrarchenzeit, weicht jedoch von dem einheitlichen Muster der oben besprochenen Weihungen ab: Die Metropolis Myra ehrt den Caesar Galerius, dessen Name im Akkusativ steht, allein: Τὸν θειότατον | καὶ ἐπιφανέστα|τον Καίσαρα | Γαλέριον Οὐαλέριον | Μα[ξιμια]ν̣ὸν Μυρέων | [ἡ μ]ητρόπολις (Takmer a.O. 109 f. Nr. 2 [SEG 54, 1412; AE 2005, 1500]; French a.O. 74–76 Nr. 36). Zur gegen die Christen gerichteten Petition der Lykier und Pamphylier an Maximinus Daia vgl. Behrwald 2000, 156–159.
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Diokletians auf den Meilensteinen von Xanthos und Patara ohne das Gentilnomen Aurelius wiedergegeben, was auch sonst die häufigere Form ist. Die Inschrift aus Aperlai zeichnet sich dadurch aus, dass keinerlei Abkürzungen verwendet, sondern alle Namen ausgeschrieben wurden. Der homogene Befund spricht dafür, dass die fünf Meilensteine zu einer Serie gehören, die in ganz Lykien gleichzeitig aufgestellt wurde. Die kleinen Variationen erklären sich dadurch, dass solche flächendeckenden Maßnahmen, die auf Anweisung des Statthalters oder durch einen Beschluss des Lykischen Bundes initiiert worden sein könnten, von den Städten auf ihren jeweiligen Territorien umgesetzt wurden.19 Der Meilenstein von Aperlai ist in einem byzantinischen Befestigungsturm als Türsturz verbaut. Bill Leadbetter, der den Text 2003 erneut edierte, hob in seinem Kommentar eine Besonderheit hervor, die bereits im 19. Jh. von dem Reisenden James K. Bailie notiert wurde: Es handle sich nicht um den sonst üblichen lokalen Kalkstein, sondern um roten Porphyr. Leadbetter verknüpfte diese Beobachtung mit großen Halden von Schneckenhäusern, die zeigen, dass es in Aperlai eine bedeutende Purpurproduktion gegeben hat. Daraus schloss er auf eine symbolische Bedeutung des Meilensteins: „This was a purple milestone on a road which was for the purple industry.“20 Leadbetter hielt den Meilenstein von Aperlai für den einzigen in Lykien aus der Zeit der Ersten Tetrarchie. Er gehöre deshalb nicht zu einem allgemeinen Straßenbauprogramm in der Region, vielmehr sei die Straße nach Aperlai gezielt ausgebaut worden, um die kaiserliche Kontrolle der Purpurherstellung sicherzustellen: „The link with the purple trade is confirmed by the unusual porphyry milestone.“21 Leadbetter übersah bei dieser Argumentation allerdings den oben erwähnten Meilenstein von Pydna (TAM II 257). Die Neufunde mit identischen Weihungen bestätigen jetzt endgültig, dass die gesamte Serie auf eine regionale Maßnahme der üblichen Art zurückzuführen ist, sei es, dass die Aufstellung der Meilensteine tatsächlich mit Baumaßnahmen einherging, sei es, dass die Ehrung der Tetrarchen im Vordergrund stand. Tatsächlich erweist sich Leadbetters Ausgangspunkt, dass der Meilenstein aus importiertem Porphyr hergestellt sei, als irrig. Auch der Meilenstein von Aperlai ist wie die anderen Exemplare aus dem örtlichen Kalkstein gearbeitet, der gelegentlich eine rötliche Färbung annehmen kann.22 Zwar steht außer Frage, dass die Purpurherstellung im spätantiken Aperlai herausragende Bedeutung besaß. Aber die Stichstraße, die den Hafenort während der gesamten Antike mit der von Westen nach Osten durch Zentrallykien verlaufenden Hauptstraße verbunden haben muss, verdankte ihre Existenz nicht in erster Linie oder gar ausschließlich dem Purpur.
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Zur Zuständigkeit der Städte vgl. Rathmann 2003, 104–112. Leadbetter 2003, 131. Leadbetter 2003, 132 f., mit dem Zitat auf S. 133. AE 2003, 1735 mit Verweis auf St. Mitchell. Im Rahmen der Hamburger Tagung bestätigte M. Adak, der den Meilenstein in Aperlai ebenfalls überprüft hat, dass dieser aus Kalkstein besteht. Vgl. Schneider 1935, 397: „Die m(iliaria) sind gewöhnlich aus der Gesteinsart gehauen, die man in möglichster Nähe der Straße vorfand.“ In Lykien steht überall Kalkstein an.
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II. Sextus Marcius Priscus und der Straßenbau in Lykien Der Neufund I ist der früheste Meilenstein, der bisher in Lykien gefunden worden ist.23 Der ausführende Statthalter Sex. Marcius Priscus ist gut bekannt: Werner Eck hat schon 1970 gezeigt, dass Priscus ungewöhnlich lang Statthalter von Lycia gewesen sein muss, seit Nero über das Vierkaiserjahr hinweg bis in die Anfänge der Herrschaft Vespasians. Diese These wurde durch verschiedene Neufunde glänzend bestätigt. Insbesondere auf der Basis einer Ehrenstatue, die Patara zum Dank für den Bau zweier Leuchttürme für Priscus aufstellte, heißt es ausdrücklich, er sei von der Zeit Neros an acht Jahre lang Statthalter von Lykien gewesen.24 Unmittelbarer Nachfolger des Priscus war, wie Nicholas Milner anhand einer neuen Inschrift aus Oinoanda kürzlich bestätigen konnte, M. Hirrius Fronto Neratius Pansa. Dessen Nachfolger Cn. Avidius Celer Rutilius Lupus Fiscilius Firmus ist nun als erster Statthalter der neuen Doppelprovinz Lycia et Pamphylia gesichert, die offenbar im Jahr 72 eingerichtet wurde.25 Damit ergibt sich für Sex. Marcius Priscus eine Amtszeit von 63 bis Mitte/Ende 70 n.Chr.26 Wir befinden uns mit Priscus also in den ersten Monaten der Herrschaft Vespasians, wie auch aus dessen ungewöhnlicher Titulatur auf dem Meilenstein zu schließen ist. Zunächst fällt auf, dass entgegen der auf Meilensteinen dieser Zeit üblichen Regel weder die tribunicia potestas noch eine Konsulatsangabe erscheinen. Vespasian führte diese Bestandteile der Titulatur nicht, bevor ihm die entsprechenden Befugnisse am 21. Dezember 69 offiziell vom Senat übertragen worden waren.27 Inwiefern daraus ein Terminus ante quem für den Meilenstein aus Patara ableitbar ist, hängt davon ab, wie schnell die Nachricht von der Anerkennung Vespasians durch den Senat Marcius Priscus in Lykien erreicht haben könnte. Noch in anderer Hinsicht entspricht die Titulatur auf dem Meilenstein nicht der späteren offiziellen Form Imperator Caesar Vespasianus Augustus. Der Zusatz des Gentilnomens Flavius verrät, dass es zu diesem Zeitpunkt noch unklar war, wie der neue Herrscher sich nennen würde. Genau diese Form der Titulatur, Imperator Caesar Flavius Vespasianus Augustus, findet sich in Lykien aber in einer ganzen Gruppe von Inschriften, die allesamt von Priscus veranlasst worden sind.28 Hinzu kommt nun der neue Meilenstein aus Patara. Alle diese Texte scheinen zwischen August
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Vgl. zur chronologischen Verteilung der überlieferten Meilensteine Kolb 2004, 136–144. Eck 1970, 75–70; İşkan Işık – Eck – Engelmann 2008, 111–115; Eck 2008, 270 f. Siehe nach Eck 1970, 74 f. jetzt maßgeblich Milner 2016, 107–110. Milner a.O., Überlegungen von Adak – Wilson 2012, 13 f. 25–28 aufgreifend und teilweise korrigierend; vgl. Eck 1970, 74 f. 27 Vgl. Isaac 1984 anhand eines Meilensteins aus Iudaea, der exakt dieselbe Titulatur zeigt wie das Stück aus Patara – mit Ausnahme des Gentile Flavius. 28 TAM II 396 mit Eck 2008 (SEG 57, 1671: Patara, Bauinschrift des Bades); SEG 57, 1673 (Patara, Bauinschrift des Aquäduktes); İplikçioğlu 2006 (SEG 56, 1762: Olympos, Bauinschrift des Bades).
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69, seit dem Vespasian offenbar den Augustus-Titel zu führen begann, und dem Frühjahr 70, seit dem die offizielle Titulatur nachweisbar ist, entstanden zu sein.29 Die Bauarbeiten werden folgendermaßen beschrieben (Text I A, Z. 3 f.): τὰ μειλιάρια καὶ τὰς ἀρχαίας ὁδοὺς ἐπεσκεύασεν. Für diese Formulierung gibt es auf den zahlreichen römischen Meilensteinen keine exakte Parallele, weder in den griechischen noch in den lateinischen Inschriften.30 Solche individuellen Züge sind jedoch nicht ungewöhnlich, weil Meilensteininschriften grundsätzlich sehr variantenreich sind. Dabei spielen regionale und chronologische Kontexte ebenso eine Rolle wie die handelnden Akteure. Im Fall der neuen Inschrift schimmert in dem Fremdwort μειλιάριον deutlich eine lateinische Vorlage durch, die miliaria et vias veteres restituit (oder refecit) per Sextum Marcium Priscum legatum suum pro praetore gelautet haben könnte. Das Fremdwort miliarium begegnet in griechischen Inschriften allgemein nur selten. Der neue Text scheint der bisher früheste Beleg für seine Verwendung zu sein.31 Während Formeln wie vias et miliaria restituit und ihre griechischen Äquivalente häufiger vorkommen, ist die Wendung τὰς ἀρχαίας ὁδούς singulär. Die oben vorgeschlagene Übersetzung vias veteres bleibt zudem auch deshalb unsicher, weil ἀρχαῖος nicht nur ‚alt‘ im Sinne von ‚abgenutzt‘ und ‚beschädigt‘,32 sondern auch im Sinne von ‚ursprünglich‘ bedeutet.33 Damit und mit dem Verb ἐπεσκεύασεν betonte Priscus, auf den die Formulierung der Inschrift letztlich zurückgehen dürfte, in doppelter Weise, dass er keinen Neubau, sondern lediglich eine Reparatur der alten, bereits vorhandenen Straßen veranlasst und dadurch den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt hatte. Insgesamt haben wir es bei aller durch die Kürze des Textes vorgegebenen Beschränkung mit einer sehr individuellen Komposition zu tun. In Z. 8 steht mittig deutlich erkennbar eine einzelne senkrechte Haste mit Apices, die sich nicht anders interpretieren lässt als das lateinische Zahlzeichen I, d. h. Meile 1. Weder daneben noch darunter ist bei leidlich erhaltener Oberfläche 29 Kienast – Eck – Heil 2017, 101; Buttrey 1980, 9–11. Eck 2008, 269 f. verweist auf das Militärdiplom RMD IV 203 vom 26. Februar 70 als das bisher früheste überlieferte offizielle Dokument aus der Kanzlei Vespasians. Das Gentile Flavius wird darin nicht verwendet. Vgl. ferner Eck 2000, 650 f.; İplikçioğlu 2008, 11 f. Wiederum hängt eine genauere Datierung der von Priscus in Lykien gesetzten Inschriften davon ab, wann der Statthalter über die neue Situation informiert wurde. 30 Siehe – auch zum Folgenden – den chronologisch geordneten Überblick über die lateinischen Formulare in Meilensteininschriften in Rathmann 2003, 204–209 sowie die Indices in French 2015. 31 In lateinischen Inschriften ist der Begriff seit dem 2. Jh. v.Chr. belegt (TLL 8, 947 f. s.v. miliarius; Schneider 1935, 395 f.; Kolb 2001, 505). Generell werden die miliaria selbst nur in einem kleinen Teil der Inschriften auf Meilensteinen explizit erwähnt. Im Hinblick auf die Verwendung von römischen Fremdwörtern in griechischen Inschriften ist außerdem eine späthellenistische Grenzziehungsurkunde aus Kreta von Interesse, in der mehrfach μείλια (Meilensteine) erwähnt sind, was auf eine römische Beteiligung an der Grenzziehung hindeutet (Chaniotis 1996, 378; freundlicher Hinweis von A. Chaniotis). 32 In lateinischen Meilensteininschriften wird dafür nie ein Ausdruck wie viae veteres benutzt, sondern stets Umschreibungen wie das häufige viae vetustate collapsae. 33 LSJ s.v.
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ein Alpha als griechisches Äquivalent zu erkennen, so dass es sich um eine bei Meilensteinen ungewöhnliche Kombination von griechischem Haupttext mit ausschließlich lateinischer Meilenangabe zu handeln scheint. Im Gegensatz dazu war es bei Meilensteinen im griechischen Osten, sofern diese nicht vollständig zweisprachig oder nur in einer der beiden Sprachen beschriftet wurden, üblich, bei lateinischen Inschriften wenigstens die Entfernungsangabe als für die Reisenden wichtigste Information griechisch hinzuzufügen.34 Priscus scheint es wie bei allen Inschriften in Lykien, an deren Herstellung er beteiligt war, vorgezogen zu haben, den griechischsprachigen Lykiern die im Haupttext enthaltene politische Botschaft nahezubringen.35 Die römischen Zahlen dürften auch für Leser, die ansonsten des Lateinischen nicht mächtig waren, leicht verständlich gewesen sein. Die Entfernung des Fundortes der beiden Meilensteine von der Stadt scheint ungefähr einer römischen Meile (ca. 1,48 km) zu entsprechen. Als Ausgangspunkt der Messung ist dabei die Stadtmauer anzusetzen, genauer der sogenannte Mettius-Modestus-Bogen als Hauptzugang zur Stadt von Norden. Dieses Stadttor – oder ein Vorgängerbau – existierte vermutlich bereits, als Priscus die Straßen reparierte. Auch ist zwingend anzunehmen, dass sich an dieser Stelle schon in den früheren Phasen der Stadtmauer seit klassischer Zeit das Haupttor der Stadt befand.36 Die Frage, welche Fernstraße die beiden hier vorgestellten Meilensteine flankierten, führt ebenso wie der Vergangenheitsbezug, den die Wendung αἱ ἀρχαῖαι ὁδοί zum Ausdruck bringt, zu einem der wichtigsten epigraphischen Monumente Lykiens, dem sog. Stadiasmos von Patara.37 Der Lykische Bund errichtete am Hafen von Patara einen etwa 7 m hohen Pfeiler, auf dem wahrscheinlich eine Reiterstatue des Kaisers Claudius stand. Diese Loyalitätsbekundung der Lykier entstand 45 n.Chr., knapp drei Jahre, nachdem Claudius die bis dahin formal noch autonome Region in eine Provinz umgewandelt hatte. In der Dedikation priesen die Lykier den Kaiser dafür, dass er mit dieser Maßnahme politische Unruhen beendet und Recht und Ordnung wiederhergestellt habe. Seine Bezeichnung als Stadiasmos verdankt das Monument der Inschrift auf der Nebenseite, wo es heißt, Claudius habe durch seinen Legaten Quintus Veranius in ganz Lykien Straßen bauen lassen. Es folgt eine lange Liste von Straßen, jeweils beschrieben durch die 34 Die frühesten römischen Meilensteine in Kleinasien, die Manius Aquillius bei der Einrichtung der Provinz Asia setzte, sind einschließlich der Entfernungsangaben in Meilen zweisprachig (Schneider 1935, 401; French 2012). 35 Vgl. demgegenüber Eck 2000 zu den politischen Implikationen der Verwendung von Latein im griechischen Osten. 36 Zu dem Bogen siehe Ş. Aktaş in: İşkan u. a. 2016, 79–82 und İşkan – Aktaş 2017, zur Stadtmauer M. Kunze, in: İşkan u. a. 2016, 44–46 und Dündar – Rauh 2017, bes. 562–572. H. İşkan danke ich für Diskussionen über den Mettius-Modestus-Bogen und für den Hinweis, dass die Datierung des Tores von archäologischer Seite weiterhin offen ist. Die Statuen zu Ehren des Statthalter Mettius Modestus und mehrerer Mitglieder seiner Familie könnten in trajanischer Zeit an einem bestehenden oder zu diesem Zweck umgebauten Bau aufgestellt worden sein. 37 In der Forschung sind auch die Bezeichnungen „Wegweisermonument“ und „Monumentum Patarense“ gebräuchlich.
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Städte am Anfangs- und Endpunkt und die Entfernung zwischen ihnen in Stadien.38 Der Stadiasmos listet lediglich zwei Straßenverbindungen auf, die von Patara ausgehen. Das hat mit der topographischen Situation zu tun: Patara liegt an einer fjordartigen Bucht, die ringsum durch Hügel und Berge nach außen abgeschlossen ist. Auf dem Landweg gibt es nur zwei gangbare Zugänge zu diesem Kessel. Der eine führt von Norden her durch einen felsigen Engpass, durch den auch die heutige Zufahrtsstraße verläuft. Die erste Straße im Verzeichnis des Stadiasmos, in der von Şahin und Adak etablierten Zählung die Route 1, führte über eine Entfernung von 56 Stadien (ca. 10,36 km) von Patara nach Xanthos: ἀπὸ Πατάρ̣[ων εἰς Ξάνθον στάδι]α νς΄.39 Sie ist zweifellos mit dem direkten Weg nach Norden zu identifizieren, der die Stadt durch den Mettius-Modestus-Bogen beziehungsweise das ältere Tor an dieser Stelle verließ und durch den oben erwähnten Engpass weiter in die Ebene des Flusses Xanthos führte. Die beiden neuen Meilensteine wurden jedoch in deutlicher Entfernung von dieser Straße in den Hügeln östlich oberhalb von ihr gefunden. Das zweite Mal wird Patara im Stadiasmos erst erheblich weiter unten mit der Route 54 von Patara nach Phellos aufgelistet. In der Forschung wurde diskutiert, ob diese Route zunächst mit der Straße nach Xanthos identisch war und erst nach dem oben erwähnten Engpass Richtung Osten abbog. Sie hätte also den Bergrücken, der die Bucht von Patara nach Osten abgrenzt, an seinem nördlichen Rand umgangen.40 Das hätte allerdings für die antiken Reisenden einen erheblichen Umweg und Zeitverlust bedeutet. Besser ist deshalb die bereits von Şahin und Adak ins Auge gefasste zweite Möglichkeit, dass Route 54 unmittelbar nach dem Stadttor nach Nordosten in die Hügel abbog und direkter in Richtung Phellos führte. Der alte Verlauf dieser Trasse ist zumindest beim Aufstieg von der Stadtmauer zum Bodrum Tepesi noch deutlich erkennbar.41 Hat man diese erste Höhenstufe erreicht, stößt man auf eine eindrucksvolle Gruppe von drei Grabbauten, die offensichtlich auf eine antike Straße hin orientiert sind. Einen weiteren Fix38 SEG 51, 1832. Editionen: Işık – İşkan – Çevik 2001; Şahin – Adak 2007 und 2014 (türkische Neuedition der Fassung von 2007) mit grundlegendem Kommentar, in dem auf Basis jahrelanger Surveys die gesamte historische Geographie Lykiens und das antike Straßennetz behandelt werden. Die von S. Şahin und M. Adak initiierten Surveys zur Altstraßenforschung in Lykien werden heute unter der Leitung von F. Onur fortgesetzt. Außer in den genannten Monographien werden die Ergebnisse laufend in der Aufsatzreihe „Parerga zum Stadiasmus Patarensis“ in der Zeitschrift Gephyra vorgelegt. 39 Şahin – Adak 2007, 120 f. 40 Onur – Alkan 2011, 65 (Karte) und 66 (Erläuterungen), die an Überlegungen von S. Şahin anknüpfen (zuletzt Şahin 2010, 142). Danach wäre die von Patara direkt nach Osten abbiegende Straße „a secondary mountain road“ gewesen, die gar nicht zu dem claudischen Netz von Hauptstraßen gehörte. Vgl. aber die ausgewogenere Position von Şahin – Adak 2007, 253, auf die wiederum Onur – Alkan nicht eingehen. Şahin und Adak favorisieren dort bereits eher die jetzt von den Meilensteinen bestätigte und oben erläuterte Lösung. Onur 2016, 592 f., bereits in Kenntnis der beiden neuen Meilensteine, schließt sich jetzt ebenfalls dieser Position an und bietet weitere Informationen zum Verlauf der Straße von Patara nach Phellos. 41 Zu Karten des Gebiets s. o. Anm. 11.
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punkt bilden die beiden Durchgangsbögen an der heute als Delikkemer bezeichneten Druckrohr-Aquäduktbrücke, die vom Fundort der Meilensteine rund 5 km entfernt ist. Die beiden Durchgänge mit ihren Inschriften42 dienten offensichtlich dem Verkehr auf einer wichtigen Hauptstraße, derselben Trasse, an der auch die beiden Meilensteine aufgestellt waren. Der Fund bestätigt die Annahme, dass die im Stadiasmos aufgelistete Straße 54 von Patara nach Phellos hier verlief. Da Priscus nach Aussage der Inschrift vorhandene Straßen und Meilensteine erneuerte, gehörte diese Route bereits zum claudischen und übrigens sicher auch zum vorrömischen Straßennetz. Bisher ist in Lykien allerdings kein einziger Meilenstein aus claudischer Zeit gefunden worden.43 Wenn Priscus „die Meilensteine“ wiederherstellte, ist jedoch klar, dass es schon vorher römische Meilensteine an den Straßen Lykiens gab, die der erste Statthalter Q. Veranius in der Frühphase der Provinz Lycia im Rahmen des auf dem Stadiasmos kommemorierten Straßenbauprogramms aufgestellt haben muss. Dass bisher kein Exemplar dieser mit Sicherheit zu postulierenden frühesten Serie gefunden wurde, braucht nicht zu verwundern. Auch die unter Vespasian aufgestellten Meilensteine sind erst durch den hier vorgestellten Neufund bekannt geworden, und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis irgendwo in Lykien auch ein von Q. Veranius unter Claudius gesetzter Meilenstein gefunden wird. Diese Schlussfolgerung hat Implikationen für den Stadiasmos: Dort sind die Entfernungen in Stadien angegeben, aber man hat längst beobachtet, dass fast alle Zahlen durch 8 teilbar sind, was römische Meilen ergibt; so entsprechen etwa die 56 Stadien der oben diskutierten Route 1 von Patara nach Xanthos 7 römischen Meilen.44 Şahin und Adak folgerten deshalb bereits, dass dem Straßenverzeichnis des Stadiasmos eine lateinische Liste mit Entfernungsangaben in römischen Meilen zugrundelag.45 Der neue flavische Meilenstein mit den oben herausgearbeiteten Implikationen bestätigt diese Vermutung. Das Straßenverzeichnis des Stadiasmos beruhte auf Daten, die nach römischen Standards neu erhoben und für die Präsentation auf dem Monument bewusst für griechische Leser redigiert wurden,
42 Vgl. Schuler 2014, 109–111. 43 Außer dem Stadiasmos ist allerdings auf den Weihaltar für Claudius hinzuweisen, den der Lykische Bund wohl an der Grenze zwischen den Territorien von Myra und Limyra „zum Dank für den Frieden und den Straßenbau“ errichtet hat (εὐ[χ]αριστ̣οῦντ̣ε̣ς̣ περὶ τῆ̣ς̣ ε̣ἰ̣ρ̣ή̣[ν]ης̣ καὶ περὶ τῆς κατ̣α̣[σκευ]ῆ̣ς̣ τῶν ὁδῶν): Marksteiner – Wörrle 2002 (SEG 52, 1438). 44 Zur Gleichsetzung von 8 Stadien und einer römischen Meile vgl. bereits Pol. 3, 39, 8 mit Schneider 1935, 400. Im griechischen Osten gab es lange vor Ankunft der Römer Markierungssteine entlang der Straßen. Beispiele, wenn auch sehr wenige, sind bisher aus dem frühhellenistischen Königreich Makedonien und aus Kleinasien, wohl aus attalidischem Kontext, bekannt. Die Entfernungen sind auf diesen Steinen in Einheiten von zehn Stadien angegeben, weshalb als Bezeichnung der Begriff Dekastadion vorgeschlagen worden ist (Thonemann 2003, 95 f.; Nigdelis – Anagnostoudis 2016). Bei einem nach diesem System erstellten Straßenregister wäre wohl eine gewisse Tendenz zu auf Zehner gerundeten Angaben zu erwarten. 45 Şahin – Adak 2007, 120; Rousset 2013, 69 mit weiteren Hinweisen.
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möglicherweise auf Anweisung von Veranius selbst, eher aber wohl auf Wunsch der Politiker des Lykischen Bundes, die das Monument initiiert hatten.46 Die Inschrift des Meilensteins spricht von einer Reparatur der Straßen. Damit liegen mittlerweile vier Inschriften vor, die zeigen, dass Sex. Marcius Priscus am Beginn der Herrschaft Vespasians umfangreiche Reparaturarbeiten in Lykien veranlasst hat. Der spektakulärste Text ist die Bauinschrift der Wasserleitung von Patara, die in zweifacher Ausführung an dem technisch aufwendigsten und eindrucksvollsten, aber auch anfälligsten Abschnitt der Leitung angebracht worden ist, nämlich auf beiden Seiten der oben erwähnten Aquäduktbrücke Delikkemer, über die das Wasser durch ein steinernes Druckrohr geleitet wurde, um einen Geländesattel zu überwinden. In der Inschrift heißt es, die Mauer, auf der die Leitung verläuft, sei durch Erdbeben eingestürzt und repariert worden (τὸ τοῦ ὑδραγωγίου ἀνάλημμα συμπεσὸν σεισμοῖς ἐκ θεμελίων ἀποκατέστησε). Priscus habe das Wasser wieder in die Stadt geleitet, nachdem die Leitung vier Monate lang unterbrochen gewesen sei (ἐπεσκεύασε δὲ καὶ τὰ λοιπὰ τοῦ ὑδραγωγίου καὶ τὸ ὕδωρ μετὰ μῆνας δ΄ παραπεσεῖν εἰσήγαγεν).47 Das Fragment einer Bauinschrift aus Xanthos nennt ebenfalls Erdbeben im Plural und den Statthalter Sex. Marcius Priscus.48 Schließlich zeichnet Priscus, auch hier formal im Auftrag Vespasians, für die Reparatur von Thermen in Olympos verantwortlich (ἐπεσσκεύασεν τὸ βαλανεῖον).49 Cassius Dio berichtet, dass Lykien im Jahr 68 n.Chr., in den letzten Monaten Neros, von einem starken Erdbeben schwer getroffen wurde. Dio zählt dieses Ereignis als eines der düsteren Omina auf, die das schlimme Ende Neros im Juni 68 ankündigten, beschreibt es aber mit bemerkenswerten Details: ἐκ τῆς Αἰγύπτου ὑπαναχωρήσασα ἐπὶ πολὺ ἡ θάλασσα μέρος μέγα τῆς Λυκίας κατέλαβεν.50 Das Meer, so Dio, sei von Ägypten her weit zurückgewichen und habe einen großen Teil Lykiens erfasst. Auf dasselbe Ereignis bezieht sich offenbar ein Passus in den Oracula Sibyllina, wo von Erdbeben, Überflutung und schweren Zerstörungen in Myra und Patara die Rede ist.51 Sencer Şahin schloss aus beiden Texten, dass sie ein Seebeben mit anschließendem Tsunami beschreiben, das Lykien im Jahr 68 verwüstete. Dieses Beben identifizierte Şahin mit den in den oben zitierten Inschriften aus Patara und Xanthos belegten σεισμοί.52 Die Kombination überzeugt auf den ersten Blick, jedoch ging Şahin über das Problem hinweg, dass Dio 46 Beide Möglichkeiten werden von Rousset 2013, 69 erwogen. Am wahrscheinlichsten ist eine Beteiligung beider Seiten. Der Stadiasmos wäre dann ein Monument, das aus dem Diskurs zwischen den lykischen Romfreunden und dem Statthalter hervorgegangen ist. 47 SEG 57, 1673, Z. 2. 6 f.; vgl. Schuler 2014; Deeg 2014. 48 Fouilles de Xanthos VII 12. In dem Fragment TAM II 270 weihen Rat und Volk von Xanthos Vespasian ein Bauwerk, dessen Vollendung Priscus zugeschrieben wird ([ἐπ]ι̣τελειώσαντος τὸ ἔργον). Allerdings bleiben in diesem Fall Art und Anlass des Projekts unklar. 49 İplikçioğlu 2006 (SEG 56, 1762). 50 Cass. Dio 63, 26, 5. 51 Or. Sib. 4, 107–113; vgl. zu den textkritischen Problemen der Stelle den Apparat in der Edition von Geffcken und zur Abfassungszeit des vierten Buchs Geffcken 1902, 18–21. 52 Şahin 2007, 104 f.; vgl. İplikçioğlu 2008, 12 f.
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sich das Epizentrum des von ihm geschilderten Erdbebens im Mittelmeer vor Ägypten vorzustellen scheint, denn Lykien wurde nach seiner Schilderung von einer von dort kommenden Flutwelle getroffen, nicht unmittelbar von dem Beben selbst. Die Orakelverse sprechen dagegen von der Zerstörung Myras durch Erdbeben und Pataras durch Erdbeben und Überflutung. Allerdings wird man von den Oracula Sibyllina keine chronologisch und erst recht keine seismologisch genaue Schilderung erwarten. Aus dem von Şahin vorgeschlagenen Ablauf ergibt sich aber auch noch ein chronologisches Problem: Die Bauinschrift des Aquädukts, die in derselben Zeit wie der Meilenstein entstanden ist – mit dem Gentilnomen Flavius in der Titulatur Vespasians – spricht von einer lediglich viermonatigen Unterbrechung der Wasserzufuhr. Trifft dies zu, kann die Leitung frühestens im Frühjahr 69 zerstört worden sein, nicht bereits in einem Erdbeben des Jahres 68. Für dieses Problem schlug Philipp Deeg kürzlich eine Lösung vor: Er plädiert dafür, den Plural σεισμοῖς in den Inschriften aus Patara und Xanthos ebenso ernst zu nehmen wie die viermonatige Unterbrechung der Leitung und von mindestens zwei Erdbeben oder sogar einer Erdbebenserie in den Jahren 68 und 69 auszugehen. Bauten wie die Aquäduktbrücke könnten bei einem ersten Beben im Jahr 68 nur leicht beschädigt und dann, bereits instabil, durch das zweite Beben im folgenden Jahr ganz zerstört worden sein.53 Deegs Argumentation hat viel für sich und läßt sich durch eine genauere Prüfung des Wortgebrauchs zusätzlich stützen: In Inschriften, die von Erdbeben berichten, wird in der Regel der Singular σεισμός verwendet. Der Plural erscheint dagegen nur in einer kleinen Gruppe von Belegen und wurde offenbar bewusst gewählt.54 Meist ist klar, dass mehrere Erdbeben über einen längeren Zeitraum gemeint sind oder zumindest mehrere Erdstöße, die auch zu einem einzigen Ereignis zusammengefasst werden konnten.55 Legt man diesen Ansatz zugrunde, lassen sich weitere in Inschriften bezeugte Details in die Rekonstruktion der Ereignisse der Jahre 68 und 69 in Lykien einfügen. Auf dem neuen Meilenstein ist wie in den oben zitierten drei Bauinschriften aus Patara und Olympos von Reparaturen die Rede. Im gebirgigen Lykien führten die antiken Straßen oft durch steiles Gelände. Häufig waren Serpentinen nötig, um große Höhenunterschiede zu überwinden. Erdbeben konnten deshalb leicht dazu führen, dass einzelne Abschnitte abrutschten und die betroffenen Straßenverbindungen unpassierbar wurden. Die Inschrift des Meilensteins aus Patara mit ihrer Betonung von Reparaturarbeiten kann sich also sehr gut auf ein Erdbeben im Jahr 69 beziehen. Nach einem solchen Ereignis musste die Reparatur der Straßen mindestens so hohe Priorität haben wie die Erneuerung der Wasserleitung von Patara, die auf der Bauinschrift am Delikkemer hervorgehoben wird. Solche dringlichen Arbeiten wird Priscus möglichst zügig angepackt haben, wobei er in erster Linie 53 Deeg 2014. 54 Für einen raschen Überblick sei auf die Online-Datenbank des Packard Humanities Institute verwiesen. 55 Beispiele sind T. Calymnii 67 Z. 2 (2. Jh. v.Chr.): συνεχεῖς σεισμοί, dauernde Erdbeben; IG XII 6.1, 12 Z. 17 (Samos, um 198/97 v.Chr.).
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organisiert und moderiert haben dürfte, während die eigentliche Durchführung wohl Sache der lykischen Städte war. Nach der oben zitierten literarischen Überlieferung ist aber auch anzunehmen, dass bereits im Jahr 68 schwerere Schäden entstanden waren, mit deren Reparatur man zumindest begonnen hatte, als im folgenden Jahr das zweite Erdbeben die Lykier traf. Dafür gibt es tatsächlich inschriftliche Indizien: An dem Thermengebäude in Olympos fällt eine merkwürdige Abfolge von zwei Bauinschriften ins Auge. Die frühere, in der Vespasian wie auf dem Meilenstein von Patara mit dem Gentilnomen Flavius erscheint, berichtet über die von Sex. Marcius Priscus veranlasste Reparatur des Bades. Eine zweite, beinahe gleichlautende Inschrift besagt, dass T. Aurelius Quietus, der von 78 bis 80, also acht Jahre nach Priscus, Statthalter gewesen ist, das Bad von Grund auf (ἐκ θεμελίων) neu bauen ließ. Bereits Bülent İplikçioğlu, der Herausgeber der Inschriften, stellte die Frage, ob nicht Erdbebenschäden dazu geführt haben könnten, dass die Thermen so kurz nach einer Reparatur noch einmal grundlegend erneuert werden mussten.56 Die Chronologie der beiden Bauinschriften läßt sich noch weiter präzisieren. Sophia Bönisch-Meyer hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die frühere Bauinschrift eine Rasur aufweist und der Name Vespasians nachträglich eingefügt wurde, ein Umstand, der dem Herausgeber der Inschrift zunächst entgangen war.57 Aufgrund der Raumverhältnisse kann Bönisch-Meyer überzeugend zeigen, dass die Titulatur Galbas am besten in den eradierten Bereich passt.58 Priscus hatte die Thermen also bereits unter Galba renoviert; der Grund könnten Schäden gewesen sein, die bei dem Erdbeben im Frühjahr oder Frühsommer 68 entstanden waren. Die reparierte Anlage wäre dann wohl schon 69 erneut beschädigt worden, was schließlich den etwa zehn Jahre später eingeweihten Neubau nötig gemacht haben könnte. Unterstützung für diese Hypothese bietet ein Ehrenmonument für Galba aus Rhodiapolis, das İplikçioğlu in seiner Edition ebenfalls mit dem Erdbeben von 68 in Verbindung gebracht hat: auch hier ist wieder Marcius Priscus involviert.59 Die Vermutung von İplikçioğlu, dass die Rhodiapoliten Galba deshalb als „Wohltäter und Retter der ganzen Welt“ ehrten, weil sein Statthalter Priscus ihnen geholfen hatte, Erdbebenschäden zu beseitigen, gewinnt durch die neue Sicht auf die Bauinschrift der Thermen in Olympos an Gewicht.
56 İplikçioğlu 2006, 76 (SEG 56, 1763; AE 2006, 1511). 79 f. zu möglichen Gründen des Neubaus. 57 Das Foto in İplikçioğlu 2006, 77 Abb. 3 zeigt eindeutig eine Rasur in Z. 2. İplikçioğlu 2008, 6 weist ohne nähere Analyse auf die Möglichkeit einer Rasur hin. 58 S. Bönisch-Meyer bereitet dazu einen Aufsatz vor. Für den Hinweis und Diskussionen über die hier zitierten Inschriften bin ich ihr sehr zu Dank verpflichtet. 59 İplikçioğlu 2008, 9 f. (SEG 58, 1636; AE 2008, 1436). 12 (zum Erdbeben).
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III. Die Jahre 68 und 69 in Lykien: ein hypothetisches Szenario Der neue Meilenstein aus Patara lässt sich in eine zusammenhängende Serie von Inschriften einordnen, die eine zunehmend dichte Beschreibung der Ereignisse in Lykien seit der Einrichtung der Provinz Lycia im Jahr 43 bis in die Zeit Vespasians erlauben.60 Die hier vorgestellten Überlegungen ergeben für die Jahre 68 bis 70 folgende Ergebnisse: 68
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erste Jahreshälfte: Seebeben und Tsunami, unmittelbar danach beginnen Aufräumarbeiten und Reparaturen. 8. (?) Juni: Herrschaftsantritt Galbas. 9. (oder 11.?) Juni: Tod Neros.61 In den folgenden Monaten schließt Sex. Marcius Priscus erste Reparaturprojekte ab. In Rhodiapolis wird Galba geehrt, in Olympos die Bauinschrift in seinem Namen angebracht. 15. Januar: Tod Galbas und Damnatio memoriae. In der Folge Rasur in der Bauinschrift von Olympos, möglicherweise Beseitigung des Ehrenmonuments in Rhodiapolis. Frühjahr (April/Mai/Juni?): erneutes Erdbeben in Lykien mit größeren Schäden an öffentlichen Gebäuden und am Straßennetz. Priscus organisiert Reparaturen, beginnend bei Straßen und Wasserversorgung. Viermonatige Unterbrechung der Wasserleitung von Patara. 1. Juli: Akklamation Vespasians als Imp. T. Flavius Vespasianus Caesar. Bis Mitte Juli erkennen die Truppen in Iudaea und Syria ihn als neuen Princeps an. Gleichzeitig oder kurz darauf schließt sich Sex. Marcius Priscus ebenfalls der flavischen Seite an. seit Ende August: Vespasian führt den Namen Imp. Caesar Vespasianus Augustus. Herbst/Winter: Abschluss erster Reparaturarbeiten in Lykien. Priscus setzt neue Meilensteine und diverse Bauinschriften mit der Titulatur Imperator Caesar Flavius Vespasianus Augustus. Sommer/Herbst (?): Priscus wird von seinem Nachfolger M. Hirrius Fronto Neratius Pansa abgelöst. intensive Bautätigkeit in mehreren lykischen Städten, offenbar auf eigene Initiative und Kosten der Poleis: Neubau von Thermen in Olympos (s. o.) und Oinoanda (Milner 2016).
Wenn diese hypothetische Chronologie zutrifft, hat eine doppelte Naturkatastrophe der Transformation der lykischen Städte unter römischem Einfluss einen starken Schub gegeben. Die Zerstörungen in den Stadtzentren zwangen nicht nur zum Wiederaufbau, sondern schufen auch Freiraum für Neues. Marcius Priscus hatte in 60 Die hier zur Diskussion gestellte Rekonstruktion der Ereignisse führt Überlegungen von Schuler 2014, 115 f. weiter. Vgl. auch Milner 2016, 115–120. 61 Zu diesem und den folgenden Herrschaftsdaten siehe Kienast – Eck – Heil 2017, 89 (Nero). 94 (Galba). 101 (Vespasian).
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seiner langen Amtszeit schon vorher zahlreiche Bauprojekte angestoßen. Indem er in der schwierigen Situation nach den Erdbeben erneut energisch handelte, dürfte er die Bindung der lykischen Führungsschicht an den römischen Statthalter nachhaltig gestärkt haben. Für die ersten Jahre der Provinz hat sich das Bild eines durchdachten und systematischen Zugriffs Roms auf die Region verstärkt.62 Wenige Jahre nach dem Eintreffen des Q. Veranius in Lykien war der Kaiser überall durch Monumente unterschiedlicher Art präsent; wie sich nun zeigt, sehr wahrscheinlich auch durch Meilensteine, durch die man dem Namen des Claudius auf Schritt und Tritt im ganzen Land begegnete. Die Botschaft hatte wie schon im Fall des Stadiasmos eine starke symbolische Komponente: Claudius hatte ganz Lykien durchdrungen, mit seiner Fürsorge, aber auch mit ihrer Kehrseite, der erdrückenden römischen Übermacht. Bibliographie M. Adak – M. Wilson, Das Vespasiansmonument von Döşeme und die Gründung der Doppelprovinz Lycia et Pamphylia, Gephyra 9 (2012) 1–40. R. Behrwald, Der Lykische Bund (Antiquitas 1,48), Bonn 2000. T. V. Buttrey, Documentary Evidence for the Chronology of the Flavian Titulature (Beiträge zur Klassischen Philologie 112), Meisenheim am Glan 1980. L. Cavalier – J. des Courtils, Nécropole antique ou cimètiere moderne? Vestiges funéraires dans les environs de Xanthos, Anatolia Antiqua 16 (2008) 381–392. A. Chaniotis, Die Verträge zwischen kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit, Stuttgart 1996. Ph. Deeg, Die Bauinschrift auf dem Druckrohraquädukt in Patara. Ein Beitrag zur historischen Katastrophenforschung, Orbis Terrarum 12 (2014) 65–75. E. Dündar – N. K. Rauh, The North Bastion on the Tepecik Acropolis at Patara. Dating „Early Hellenistic“ Fortification Walls in Southwestern Anatolia, Hesperia 86 (2017) 509–581. W. Eck, Die Legaten von Lykien und Pamphylien unter Vespasian, ZPE 6 (1970) 65–75. W. Eck, Latein als Sprache politischer Kommunikation in Städten der östlichen Reichshälfte, Chiron 30 (2000) 641–660. W. Eck, Die Bauinschrift der neronischen Thermen in Patara. Zur methodischen Auswertung einer partiell eradierten Inschrift, ZPE 166 (2008) 269–275. D. H. French, Roman Roads and Milestones of Asia Minor Vol. 3: Milestones, Fasc. 3.1: Republican (BIAA Electronic Monograph 1), London 2012. [https://biaa.ac.uk/publications] D. H. French, Roman Roads and Milestones of Asia Minor Vol. 3: Milestones, Fasc. 3.6: Lycia et Pamphylia (BIAA Electronic Monograph 6), London 2014. [https://biaa.ac.uk/publications] D. H. French, Roman Roads and Milestones of Asia Minor Vol. 3: Milestones, Fasc. 3.8: Errata and Indices (BIAA Electronic Monograph 8), London 2015. [https://biaa.ac.uk/publications] J. Geffcken, Komposition und Entstehungszeit der Oracula Sibyllina, Leipzig 1902. Chr. Habicht, Nachruf auf Peter Herrmann, Gnomon 75 (2003) 474–479. Chr. Habicht, Gedenkvortrag, in: Zum Gedenken an Peter Herrmann (Hamburger Universitätsreden N.F. 4), Hamburg 2004, 29–51. P. Herrmann, Die Inschriften römischer Zeit aus dem Heraion von Samos, AM 75 (1960 [1962]) 68–183 mit Beil. 36–60.
62 Vgl. Schuler 2014, 116.
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Christof Schuler
Abbildungen
Abb. 1: Die beiden Meilensteine in Fundlage. Foto: Grabungsarchiv Patara, mit freundlicher Genehmigung von Havva İşkan.
Abb. 2: Die beiden Meilensteine im Vergleich. Foto: Klaus Zimmermann.
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Abb. 3: Meilenstein I, Inschrift A in Fundlage. Foto: Grabungsarchiv Patara, mit freundlicher Genehmigung von Havva İşkan.
Abb. 5: Meilenstein I, Inschrift B. Foto: Klaus Zimmermann.
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Abb. 4: Meilenstein I, Inschrift A. Foto: Klaus Zimmermann.
Abb. 6: Meilenstein II, Inschrift. Foto: Klaus Zimmermann.
OPRAMOAS IN PATARA* Klaus Zimmermann Dass neben zahlreichen anderen lykischen Städten auch die Provinzhauptstadt1 Patara von der Freigebigkeit des Multieuergeten Opramoas profitiert hat, ist seit langem bekannt. Das Inschriftendossier am Mausoleum in seiner Heimat Rhodiapolis berichtet an mehreren Stellen von Baufinanzierung, Zuwendungen an das Apollon-Orakel, Agonothesie und Linderung von Steuerlast; eine wohl nach den letzten Dokumenten aus Rhodiapolis entstandene2 Liste seiner Zuwendungen an Koinon und Poleis im xanthischen Letoon beziffert die Gesamtsumme der Schenkungen an die Patareer mit 72.000 Denaren.3 Es konnte kein Zweifel bestehen, dass die dankbare Stadt wie viele andere4 ihrem Wohltäter ein Denkmal gesetzt hat – nur besaßen wir es bislang nicht. Eine systematische Durchsicht der Inschriftenfragmente im Depot des Grabungshauses machte 2014 diesem Zustand ein Ende: Charakteristische Buchstabenformen (besonders das ‚brezelförmige‘ Omega mit Binnen-Querstrich) und Ritzlinien wiesen auf die Zusammengehörigkeit einer Gruppe von 15 teils anpassenden Fragmenten von der Vorderseite einer großen Kalksteinbasis, die zwischen 2007 und 2012, zum größten Teil aber während der Arbeiten des Jahres 2011 an der Westmauer des Buleuterions außerhalb der Apsis gefunden wurden. *
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Für großartige Unterstützung unserer Arbeit in Patara sei einmal mehr der Grabungsleiterin Havva İşkan und ihrem Team, für freundlich gewährte Arbeitserlaubnis der türkischen Generaldirektion für Kulturgüter und Museen, für regen Austausch und wertvolle Anregungen zu der vorgestellten Inschrift Klaus Hallof (Berlin), Andrew Lepke (Münster) und Christof Schuler (München) herzlich gedankt. Den dortigen Statthaltersitz der Doppelprovinz Lycia et Pamphylia bezeugt nun für die 70er Jahre des 1. Jh.s die Liktoreninschrift für den kaiserlichen Legaten L. Luscius Ocra: BönischMeyer 2018, bes. 399 f.; weitere ebd. angeführte Zeugnisse teils aus hadrianischer Zeit weisen ebenso wie der Ausstellungsort Patara in den Statthalterbriefen des Opramoas-Dossiers (TAM II 905 VII H Z. 4 f. [Kokkinia 2000, 37 mit Übers. 87]; VIII A Z. 15 [K. 37 mit 88]) darauf hin, dass der von Haensch 1997, 42 und 296 f. angenommene Umzug des Statthalters nach Perge allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt stattfand. Kokkinia 2013, 4907. FdX VII 67 Z. 12–15: Παταρεῦσιν εἰς μὲν στοὰν τὴν | ὑπ’ αὐτοῦ γεγονυῖαν διπλῆν πρὸς | τῶι λιμένι μ(υριάδας) δʹ, εἰς δὲ σιτομέτριον || μ(υριάδας) αʹ, εἰς δὲ πανήγυριν μ(υριάδας) βʹ βʹ, ὅ(λον) μ(υριάδας) ζʹ βʹ („Den Patareern für die von ihm erbaute Doppelstoa am Hafen 40.000, für die Geldverteilung 10.000, für die Festspiele 22.000, insgesamt 72.000 [sc. Denare]“); zum Verständnis des Textes Kokkinia 2000, 233f. Ehrungen für Opramoas kennen wir ferner neben Rhodiapolis aus Xanthos, Tlos, Kyaneai, Myra, Phaselis und Dereköy (Kokkinia 2013, 4907 f.).
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Das bekannte Formular erlaubt eine Rekonstruktion der Breite von ca. 91 cm, die erhaltene Höhe beträgt ca. 99 cm. Zwei Fragmente weisen an der Vorderseite Spuren eines abgeschlagenen Kopfprofils auf, über dessen Fortsetzung an den Seiten keine Aussage möglich ist. Mörtelspuren an einigen Stücken zeugen ebenfalls von Zweitverwendung. Die Vorderseite ist mit einem feinen Zahneisen bearbeitet, die Seitenflächen sind etwas gröber geglättet. Ritzlinien geben Grundlinie und Höhe der Zeilen vor und setzen sich unterhalb des Textes fort: Drei Fragmente weisen unter einer letzten Zeile ein vacat auf, so dass sich das Ende der Inschrift nach καί am Ende von Z. 13 in einer zentrierten Z. 14 bestimmen lässt. Buchstaben: H 3–3,5 cm, ZA 1,5–2 cm. ‚Tanzende‘ Buchstaben der hohen Kaiserzeit in stark schwankender Breite; H teilweise, Θ immer mit unverbundenem Mittelstrich, Ω ‚brezelförmig‘ mit unverbundenem Querstrich im Inneren. Die Buchstaben zweier Fragmente erhalten teils deutliche Reste roter Farbe. Datierung: frühe 50er Jahre des 2. Jahrhunderts n.Chr. (Fertigstellung der Doppelstoa am Hafen).
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Π̣[αταρέων τ]ῆς μητροπ̣[ό]λεος τοῦ Λυκίων ἔ[θνους ἡ βουλὴ κ]αὶ ὁ δῆμος καὶ ἡ γερουσί̣[α Ὀπραμόαν Ἀπολλω]νίου δὶς τοῦ Κα̣[λλιάδου Παταρέα καὶ Ῥωδια]π̣ο̣λ̣[εί]την, [πολει]τ̣ευόμε[νον δὲ καὶ ἐν ταῖς κα][τὰ] Λ̣υ̣κ̣[ίαν π]όλεσι πά[σ]αις, [υἱὸν τῆς πόλε?]ος, τὸν ἀ[ρχ]ι̣ερέα τῶν̣ [Σεβ]ασ[τῶν], τὸν δὲ αὐτὸν καὶ γρ[α]μ̣μ̣α̣τ̣[έα Λυκίω]ν το̣[ῦ κο]ι̣νο[ῦ] καὶ ἀγωνοθετή[σαντα δὶ?]ς̣ τοῦ τῆς πόλεος ἡμῶν θεοῦ Ἀπ[όλλ]ωνος, δι’ ἃς παρέσχε[ν καὶ] τῇ ἡμετέ̣ρ̣[ᾳ πό]λ̣ε̣[ι δωρεὰς?] ε̣ἴς τε τὴ[ν τῆς] σ̣το̣[ᾶ]ς̣ δ̣ι̣[πλῆς καὶ ἐξέδρα?]ς κα[τασ]κευὴ[ν καὶ ἐπὶ ταῖ]ς̣ τ̣ε ἀ̣[ναδόσεσι?]ν καὶ vac. [φιλοτε]ι̣μίαις. vac. vac.
6/7 Statt [υἱὸν τῆς πόλε]|ος (vgl. aus Lykien Naour 1977, 265–271 Nr. 1: μήτηρ τῆς πόλεως [Tlos] = Canali de Rossi 2007, Nr. 141) ist auch [καὶ υἱὸν πόλε]|ος (vgl. IGR III 495 Z. 11 [Oinoanda] = Canali de Rossi 2007, Nr. 106; TAM III 105; 122; 123 [Termessos]) möglich; πόλεος für πόλεως wie in Z. 1 und 9/10. 9 Vor dem erhaltenen Text am Zeilenende τοῦ τῆς ist am Bruch das rechte Ende einer oberen Querhaste mit Apex zu erkennen. Während δέ o. ä. aus syntaktischen Gründen ausscheidet und der Platz für ἀγωνοθετή[σαντα καλῶ]ς̣ (TAM II 751 Z. 8 [Kandyba]) vel sim. nicht ausreicht, bietet sich eine Ergänzung zu δί]ς̣ an. Zur Plausibilität einer zweimaligen Agonothesie für Apollon Patroos s. u. im Kommentar. 11 Das von δι’ ἃς abhängige feminine Nomen im Plural ist exempli gratia zu δωρεάς ergänzt, womit in der Liste aus dem Letoon FdX VII 67 Z. 1 die Aufwendungen des Opramoas insgesamt überschrieben sind. Für εὐεργεσίας vel sim. (TAM II 905 XIX F Z. 12 – G Z. 1 [Kokkinia 2000, 72 f. mit Übers. 104]) reicht der vorhandene Platz nicht aus. 12 Vor TỌ ist am Stein das rechte Ende einer oberen Querhaste mit Apex zu erkennen. Zwischen TỌ und Δ̣ ist Platz für ca. eineinhalb Buchstaben; vor Δ̣ ist am Stein das rechte Ende einer
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oberen Querhaste mit Apex zu erkennen. Angesichts des stellenweise sehr gedrängten Schriftbildes (Z. 7 ἀ[ρχ]ι̣ερέα, Anfang Z. 9, Ende Z. 12 sowie insbesondere Z. 14) scheint eine Ergänzung zu σ̣το̣[ᾶ]ς̣ möglich. Zur Doppelstoa als dem bedeutendsten von Opramoas geförderten Bauprojekt in Patara s. u. im Kommentar. – Dem Vorschlag καὶ ἐξέδρα]ς für das durch τέ geforderte zweite Bauwerk liegen zahlreiche Parallelen für die Errichtung von Exedren in Verbindung mit Großbauten zugrunde: TAM II 578 Z. 16 f. (Tlos, Ehrung für Opramoas: … καὶ ἐξέδρας τ̣[ῆς] | ἐν τῷ βαλανείῳ; ebenso 579 Z. 15 f.); 905 XIX B Z. 7–9 (Kokkinia 2000, 71 mit Übers. 103: τῇ δὲ Τελμησ|σέων πόλει εἰς κατασκευὴν βαλανείου καὶ ἐ|ξέδρας …); Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 360 Nr. 9 I Z. 19 f. (Patara, Ehrung für Ti. Claudius Eudemos: κατεσκευάσθη δὲ καὶ | ἡ παρακειμένη [sc. neben der ebenfalls aus den Zinsen der testamentarischen Stiftung restaurierten Stoa] ἐξέδρα) u. ö. Allerdings übersteigt die Anzahl der Buchstaben dadurch mit 32,5 den Mittelwert von 28,5 um vier, den Höchstwert von 30,5 (Z. 7) um zwei Buchstaben (I jeweils als halber Buchstabe gerechnet). Eine Kombination der Doppelstoa mit einer Agora erwägt Kokkinia 2000, 183 Komm. XVII E Z. 13–15, doch ohne Parallelen für gemeinsame Nennung. 13 Die Ergänzung ἀ̣[ναδόσεσι]ν beruht auf der Annahme einer Parallelkonstruktion aus [φιλοτε]ι̣μίαις und einem zweiten, wegen des vacat am Anfang und Ende der folgenden Zeile vor καί unterzubringenden femininen Substantiv mit Dativ-Plural-Endung auf –ν. Während dieser Vorschlag mit 30,5 Buchstaben die Zeile genau ausfüllt, wäre ἄ̣[λλαις ἐπιδόσεσι]ν vel sim. mit zusätzlichen fünf Buchstaben deutlich zu lang. U. a. für seine Verdienste ἔν αἷς ἐ̣ποιήσαντο ἀνα̣δ̣ό̣σεσιν καὶ ἐπιδόσεσιν ehrten Rat und Volk von Akalissos ihren prominenten Mitbürger Ktesikles (TAM II 838 defg Z. 7 f.). 14 Die gedrängte Schrift in dem – sofern die Textkonstitution der letzten beiden Zeilen zutrifft – einzigen Wort der zentrierten Zeile fällt auf, ist aber in dem ungleichmäßigen Layout der Inschrift nicht ohne Parallelen.
Abb. 1: Patara, Ehrenbasis für Opramos (Foto: K. Zimmermann)
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Klaus Zimmermann Boule, Demos und Gerousia von Patara, der Metropolis des Lykischen Bundes (haben geehrt) Opramoas, Sohn des Apollonios, Enkel des Apollonios,5 Urenkel des Kalliades, Bürger von Patara und Rhodiapolis, der auch in allen Städten Lykiens politisch aktiv ist,6 und Sohn der Stadt (?), Archiereus der Augusti und Sekretär des Lykischen Bundes, der zweimal (?) die Agonothesie des Gottes unserer Stadt Apollon übernommen hat, wegen der Mittel (?), die er auch unserer Stadt für den Bau der Doppelstoa und der Exedra (?) zur Verfügung gestellt hat, und für die Verteilungen (?) und Freigebigkeiten.
Einen chronologischen Fixpunkt für die Ehrung liefert die Erwähnung der Bundespriesterschaft in Z. 7, deren Ausübung im Jahr 136 sich aus dem OpramoasDossier wie aus den Regelungen zum Zeuskult von Dereköy7 ergibt.8 Nehmen wir die Formulierung τὸν ἀρχιερέα τῶν Σεβαστῶν, τὸν δὲ αὐτὸν καὶ γραμματέα Λυκίων τοῦ κοινοῦ beim Wort, so wäre die Ehrung in eben dieses Jahr zu datieren, in dem Opramoas zugleich als Archiereus und als Grammateus des Bundes9 amtierte, da der sonst verschiedentlich belegte Zusatz γεγονώς10 oder γενόμενος11 fehlt.12 Hier wie sonst gilt allerdings das caveat, antiker Terminologie nicht unbesehen die konsequente Einheitlichkeit zu unterstellen, die der moderne Historiker sich wünscht. Gute Gründe sprechen für die Annahme, dass die zeitweise parallel gebrauchten Begriffe ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν und Λυκιάρχης ein und dasselbe Amt bezeichnen, „das Altes und Neues vereinigte; der Erzpriester des Kaiserkultes trug als oberster Beamter des Lykischen Bundes auch den traditionellen Titel Lykiarch, der auf die vorrömische Zeit zurückging. Lykiarchie und Bundespriesterschaft bezeichnen zwei Aspekte ein und desselben Amtes, wobei Archiereus für die Bezeichnung des amtierenden Bundespriesters bevorzugt wurde, Lykiarch dagegen des öfteren als Ehrentitel eines gewesenen Bundespriesters erscheint.“13 Wurden aber Bundespriester/Lykiarchen auch nach 5 6
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Zur Auflösung der Namensformel Ἀπολλωνίου δίς Kokkinia 1996. So übersetzt schon Larsen 1957, 7: „having performed public services in all the cities in Lycia“. Zum Verständnis des Ehrentitels πολιτευόμενος ἐν ταῖς κατὰ Λυκίαν πόλεσι πάσαις nicht im technischen Sinne eines umfassenden Bürgerrechts, sondern eines politischen Einsatzes für alle Städte des Bundes im Rahmen der Archierosyne (allgemeinere Bedeutung von πολιτεύεσθαι) Kokkinia 2000, 235–238; Reitzenstein 2011, 94–97; Kokkinia 2012, bes. 339; Reitzenstein 2012, 163–165; Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 338. Anders Behrwald 2015, 416 f.: „… most probably it meant that all individual poleis, in a coordinated act, endowed the honorand with their citizenship“. Wörrle – Wurster 1997, 407 B II Z. 57 mit dem Komm. 410 f. Reitzenstein 2011, 193. Zur Häufigkeit einer gemeinsamen Bekleidung beider Ämter Behrwald 2000, 210 mit Anm. 211; anders Şahin 2006, 31. TAM II 905 VIII B Z. 5 f. (Kokkinia 2000, 37 mit Übers. 88); H Z. 12 (K. 40 mit 89); 908; FdX VII 66 Z. 10. TAM II 905 IX A Z. 13 (Kokkinia 2000, 40 mit Übers. 89). Entsprechend übersetzt A. Balland dieselbe Formel in der Ehrung des Ti. Claudius Agrippinus durch die Xanthier: „alors qu’il était archiereus et secrétaire de l’ethnos“ (FdX VII 65, p. 168). Kokkinia 2000, 215; ähnlich Zimmermann 2007, 113 f.; Reitzenstein 2011, 51–57. Anders Engelmann 2006 und Şahin 2006, 31 f. (erneut Şahin 2012), die in der Lykiarchie einen Oberbegriff für Archierosyne und Grammatie sehen, wobei Engelmann in der Regel gleich-
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dem Ende ihrer Amtszeit als Lykiarchen bezeichnet, so ist von einer strikten Unterscheidung zwischen ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν und γεγονὼς ἀρχιερεὺς τῶν Σεβαστῶν ebenfalls kaum auszugehen;14 es ist vielmehr der Kontext, der das Formular bestimmt haben dürfte: So überflüssig der Zusatz „gewesener“ bei der Grabinschrift für einen Lykiarchen war,15 so irrelevant mag das Ende der Amtszeit den Urhebern einer Ehreninschrift erschienen sein, welche die Archierosyne als Karrieregipfel ihres Wohltäters anführt. Wir tun also gut daran, die Formel nicht im Sinne einer präzisen Datierung auf das Amtsjahr 136 zu pressen, sondern auch eine Abfassung in den darauffolgenden Jahren einzukalkulieren.16 Bietet die Erwähnung der Bundespriesterschaft lediglich einen terminus post quem, so sind wir auf weitere Indizien angewiesen, die sich mit den bekannten Daten von Opramoas’ Biographie und insbesondere mit seinem Engagement in Patara in Verbindung bringen lassen. Einen ersten Hinweis auf die Agonothesie des Apollon Patroos enthält das Bundesdekret des Jahres 139,17 das neben fünfmaliger Agonothesie in Rhodiapolis die Übernahme dieses Amtes auch in Myra und Patara erwähnt.18 Einem Bundesdekret aus der Statthalterschaft des Q. Voconius Saxa (143–146)19 entnehmen wir, dass Opramoas die beiden Agonothesien in Myra und Patara „auf einmal“ (ὑφ’ ἕνα καιρόν) wahrnahm, und die Präzisierung „zu Ehren der Götter und (unseres) Herrn, des Kaisers“ (im Gegensatz zur Erwähnung des „vergöttlichten Hadrian“ wenige Zeilen später) lässt darauf schließen, dass die Doppelagonothesie an den Beginn der Herrschaft des regierenden Kaisers Antoninus Pius, mithin in die Jahre 138/39 fällt.20
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zeitige Bekleidung beider Ämter, Şahin dagegen die sukzessive Ausübung von Grammatie und Archierosyne in zwei aufeinanderfolgenden Jahren annimmt, so dass unter einem Lykiarchen im Regelfall ein amtierender Grammateus und designierter Archiereus zu verstehen sei. So schon Larsen 1945, 85; vgl. Kokkinia 2000, 215 Anm. 387. Vgl. Kokkinia 2000, 215 Anm. 386. So Reitzenstein 2011, 48 zu den im Formular weitgehend übereinstimmenden Texten aus Tlos TAM II 578 f.: „während seines Amtsjahres 136 oder nur wenig später“; dies. betont 94 f. den erstmaligen Gebrauch der πολειτευόμενος-Formel für Opramoas nach der Bereinigung der Differenzen um die Anerkennung seiner Leistungen als Bundespriester in dem Dekret des Jahres 139 TAM II 905 VIII B Z. 5 f. (Kokkinia 2000, 37 mit Übers. 88): „Das Jahr 139 dürfte demnach auch der terminus post quem für alle überlieferten Einzelehrungen lykischer Städte sein, die Opramoas als πολειτευόμενος δὲ καὶ ἐν ταῖς κατὰ Λυκίαν πόλεσι πάσαις bezeichnen“ (95). Zur lykischen Bundespriester- und Statthalterchronologie der 30er Jahre Wörrle 1988, 38–43; Wörrle – Wurster 1997, 410–413. TAM II 905 IX B Z. 12–14 (Kokkinia 2000, 41 mit Übers. 90). Eck 2002; anders Reitzenstein 2011, 202 Nr. 51: „noch in der ersten Jahreshälfte 147“. TAM II 905 XVII A Z. 13 – B Z. 10 (nach Kokkinia 2000, 66 mit Übers. 100): ἀγω]ν̣οθετή[σα]ν̣τι ὑφ’ ἕ|[να καιρὸν τ]α̣ῖς ἐπισ[ημοτάταις] B| πόλεσιν, τῇ Μυρέω[ν καὶ τῇ Πα]τα̣[ρέων], | ἐν αἷς ἄγουσιν παν̣[ηγύρεσιν ἐ]πι[σή]|μοις θεῶν καὶ τοῦ κυ̣[ρίου Αὐτ]οκρ[άτο]|ρος, καὶ δόντι πάλιν̣ [κυνήγια κα]ὶ̣ [μο]||νομαχίας καὶ θεωρί[ας ἐν ἐπισήμοις?] | ἡμέραις, ἐφ’ οἷς αἱ πόλε̣[ις ἐμαρτύρη]|σαν αὐτῷ ἐπὶ θεοῦ Ἁδριαν̣ο̣ῦ,̣ [ὁ δὲ θε]|ὸς Ἁδριανὸς ἀντέγραψεν κ[αὶ ἐπὶ] | τῷ κεχαρίσθαι τῷ ἔθνει ἀργ[υρίου (δην.)] || πεντάκις μύρια καὶ πεντάκ̣[ις χείλια] („er übernahm auf einmal die Agonothesien in den
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Weitere Zeugnisse des Dossiers bestätigen Opramoas’ Engagement als Agonothet nach seiner Bundespriesterschaft,21 so vor allem ein Bundesdekret, von dessen Datierung nur die Monatsangabe „am 7. des Gorpiaios“ (November) erhalten ist, das aber – wie die Angabe des Gesandten Eupolemos, Sohn des Eupolemos, in beiden Texten verrät – durch ein Schreiben aus Rom vom Oktober 143 beantwortet wurde,22 also wohl aus dem Spätjahr 142 stammt:23 „Als er dann die Bundespriesterschaft ablegte und sich von den (damit verbundenen) Spenden an die Städte und den Bund befreite, übte er sofort in den vortrefflichsten Städten Lykiens Agonothesien aus privaten Mitteln aus, so dass der Aufwand für jede einzelne Agonothesie mit jenem für die Bundespriesterschaft vergleichbar war. Er übernahm in der Stadt Myra die Agonothesie für die Festversammlung der Göttin Eleuthera und (unseres) Herrn, des Kaisers; in Patara für die Festversammlung des väterlichen Gottes Apollon und (unseres) Herrn, des Kaisers …“24 Da das Argument auf dem expliziten Vergleich der Aufwendungen für die Agonothesien mit jenen für die vorangegangene Bundespriesterschaft beruht, kann redaktionelle Nachlässigkeit in der Abfolge der Ereignisse wohl ausgeschlossen werden – von der Nennung des regierenden Kaisers einmal ganz abgesehen. Es steht außer Frage, dass auch hier von der Doppelagonothesie der Jahre 138/39 die Rede ist;
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berühmtesten Städten Myra und Patara bei den berühmten Festversammlungen, die sie zu Ehren der Götter und [unseres] Herrn, des Kaisers, führen; und [wieder] spendete er Jagdspiele, Gladiatorenkämpfe und Spektakel in [festlichen?] Tagen, so dass für ihn die Städte vor dem vergöttlichten Hadrian Zeugnis ablegten und der vergöttlichter Hadrian schriftlich antwortete, unter anderem weil er dem Bund 55.000 Silberdenare geschenkt hatte“). – Die Datierung πρὸ τῆς λυκιαρχίας der Geldspende von 55.000 Den. in dem Bundesdekret aus der Statthalterschaft des D. Rupilius Severus (149–152: PIR2 R 217) TAM II 905 XVIII F Z. 5–11 (K. 70 mit 103) auch auf die anschließend genannte gleichzeitige Agonothesie in Myra und Patara zu beziehen besteht kein Grund. Etwa TAM II VIII F Z. 10 – G Z. 5 (nach Kokkinia 2000, 39 mit Übers. 89): … τοῦ δὲ ἔθνους … || δὲ πάλιν βεβουλημένου τειμᾶν α[ὐτὸν] | καὶ ἐπὶ τοῖς τῆς ἀρχιερωσύνης ἀ̣ναλ[ώμα]|σιν καὶ ἐφ’ αἷς μετὰ τὴν ἀρχιερω[σύν]ην [ταῖς ἀ]G|[ξιολογωτάταις το]ῦ ἔθνο̣υ̣ς̣ π̣ό[̣ λ]ε̣[σιν ἐπε]|[δείξατο] φ̣ι̣λ̣ο̣τ̣ει̣ μίαις, αἷς μὲν ἀγωνοθε|[τήσα]ς̣ [λ]αμπρῶς καὶ μεγαλοψύχως αἷς δὲ | [καὶ] ἔ̣ργων κατασκευὰς ὑπεσχημένος || [αἷ]ς δὲ καὶ δωρεὰς ἀργυρίων κτλ. („der Bund ... wollte ihn wieder außerordentlich ehren, einerseits für seine Aufwendungen als Bundespriester, andererseits für die Freigebigkeit, die er nach der Bundespriesterschaft gegenüber den bedeutendsten Städten Lykiens durch seine hervorragenden und großzügigen Agonothesien, sein Versprechen, Bauten zu errichten, und seine Geldschenkungen an den Tag legte ...“). TAM II 905 XI B Z. 1 – D Z. 2 (Kokkinia 2000, 47 mit Übers. 92). TAM II 905 XIII A Z. 7 – F Z. 8 (Kokkinia 2000, 54–58 mit Übers. 96–98; zur Datierung 168f. Komm. XI C Z. 9–13). TAM II 905 XIII C Z. 6–12 (nach Kokkinia 2000, 55 f. mit Übers. 96 f.): π̣αυόμενος δὲ τῆς ἀρχιερωσύνης | [καὶ] τῶν ἀναλωμάτων, ὧν εἴς τε τὰς [πόλεις καὶ εἰς τ]ὸ ἔ[θ]νος ἐξεπλήρωσεν, εὐθέως ταῖς | [ἀ]ξ̣ιολογωτάταις ἐν τῷ ἔθνει πόλεσ[ιν ἐκ τῶν ἰδί]ω̣ν ἀ[γ]ω̣νοθεσίας ἐποιήσατο ὥστε μί|[α]ν̣ ἑκάστην ἀγωνοθεσίαν προσενε̣[νκεῖν τοῖς τῆ]ς ἀρ[χι̣]ερωσύνης ἀναλώμασιν· ἀγωνο||[θ]ετήσας τῇ μὲν Μυρέων πόλει πανήγ̣[υριν θεᾶς] Ἐ̣λευ[θέ]ρ̣ας καὶ τοῦ κυρίου Αὐτοκράτο|ρος, τῇ δὲ Παταρέων πανήγυριν̣ θεο[ῦ πατρῴ]ο̣υ Ἀπ[όλλ]ωνος καὶ τοῦ κυρίου Αὐτοκρά|το[ρ]ος.
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nichts weist darauf hin, dass Opramoas das Amt in Patara zuvor schon einmal bekleidet hatte. Wir haben allerdings Grund zu der Annahme, dass es nicht bei der einen Agonothesie des Apollon Patroos blieb. Verschiedene Dokumente erwähnen die Übernahme von Reichssteuer (τῶν Σεβαστῶν εὐσέβεια)25 und Ausgaben (ἀναλώματα)26 wohl im Zusammenhang mit dem Orakel,27 wobei es sich nach der inneren Chronologie der Texte am ehesten um eine Art Soforthilfe nach dem Erdbeben des Jahres 141 gehandelt haben dürfte.28 Jedenfalls brachten diese Zuwendungen den Orakelgott „nach einer Zeit des Schweigens“ wieder zum Sprechen,29 was die Patareer veranlasste, den Euergeten um eine Erneuerung des Orakels und der Festversammlung zu bitten,30 die dieser abermals in Höhe von 20.000 Den. gewährte.31 Wie Andreas Bendlin richtig erkannt hat, verbirgt sich dahinter sehr
25 Zu dieser Bedeutung Kokkinia 2000, 121 Komm. II E Z. 11. 26 So TAM II 905 XIV E Z. 3–6 (Kokkinia 2000, 60 mit Übers. 98); XVIII F Z. 12 f. (Ergänzung durch K. 70 mit 103). 27 Jedenfalls nennt TAM II 905 XIII C Z. 13 – D Z. 1 (Kokkinia 2000, 56 mit Übers. 97) neben der εὐσέβεια anstelle von ἀναλώματα das altehrwürdige und unfehlbare Orakel ([τὸ ἀ]ρ̣χ̣αῖον αὐτῶν καὶ ἀψευδὲς | [μαντεῖ]ον) und beziffert zugleich die Höhe der Unterstützung mit 20.000 Den. 28 Während nach TAM II 905 XIV E Z. 3–10 (Kokkinia 2000, 60 mit Übers. 98) auf Opramoas’ Übernahme der εὐσέβεια καὶ ἀναλώματα ein Neubeginn der Orakeltätigkeit folgte, datiert XVII D Z. 14 – E Z. 13 (K. 67 mit 101) die erneute Aktivität Apollons in die Zeit nach dem Erdbeben, was folgenden Ablauf nahelegt: Erdbeben – Opramoas unterstützt u. a. die betroffenen Patareer durch Steuerentlastung und Zuwendungen an das Orakel – das Orakel nimmt den unterbrochenen Betrieb wieder auf. Nicht auszuschließen ist indessen auch ein Bezug der εὐσέβεια καὶ ἀναλώματα auf Opramoas’ großzügige Verauslagung von Steuerschulden im Rahmen seiner Archiphylakie um 114 (so Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 370 f.). 29 TAM II 905 XIV E Z. 6–12 (nach Kokkinia 2000, 60 mit Übers. 98): πά|λιν ἀρξ̣[αμέ]νου μετὰ | πολὺν [σιωπ]ῆς χρό|νον θεσπ[ίζει]ν τοῦ θ[ε]||οῦ τάχα κα[τά τε] τὴν | εὐσέβειαν [τοῦ ἀ]ν|δρός („fing der Gott ob der Frömmigkeit des Mannes nach langem Schweigen sogleich wieder an, Orakel zu geben“); XVII E Z. 10–13 (s. u. Anm. 31); zum Verständnis des „langen Schweigens“ in den beiden Passagen (eher im Sinne einer Unterbrechung des Orakelbetriebs infolge der Schäden von 141 als einer längeren Phase der Inaktivität zu einem früheren Zeitpunkt) Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 370 f. mit Anm. 238 f.; Zimmermann 2018, 200 f. 30 TAM II 905 XIV E Z. 12 – F Z. 1 (nach Kokkinia 2000, 60 f. mit Übers. 98 f.): ἡδομ[ένη τε] τ̣ῷ | καιρῷ ἐπέδ̣[εήθη ἡ] | Παταρέων̣ [πόλις τὸ] || μαντεῖ[ον καὶ τὴν] πα|τ̣ρ̣ι̣κ̣[ὴν πανήγυρι]ν F| [ἀνανεῶσαι, κτλ. („die Stadt Patara freute sich über die passende Gelegenheit und bat ihn, das Orakel und die väterliche Festversammlung zu erneuern ...“). 31 TAM II 905 XVII E Z. 10–13 (nach Kokkinia 2000, 67 mit Übers. 101): Παταρεῦ̣[σιν ε]ἰς μὲν λόγον θεοῦ | πατρῴου Ἀπόλ̣[λωνος, ἐπεὶ χρόν]ῳ̣ σ̣[ι]|γῆσαν τὸ μαντε[ῖον] α̣ὐ̣τ̣ο̣[ῦ πάλιν ἤρ]|ξ̣ατο θεσπίζειν, (δην.) [δισμύρια, κτλ. („an Patara 20.000 für den Spruch des väterlichen Gottes Apollon, da sein Orakel nach einer Zeit des Schweigens wieder angefangen hatte zu weissagen ...“); zur Ergänzung der Summe nach XVIII G Z. 2 f. Kokkinia 2000, 183 Komm. XVII E Z. 13–15, die diesen Betrag allerdings wohl zu Unrecht mit Bauprojekten in Verbindung bringt.
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wahrscheinlich eine zweite Agonothesie32 – möglicherweise jene, die in der Spendenliste aus dem Letoon mit 22.000 Den. aufgeführt ist –,33 was zu dem Ergänzungsvorschlag in Z. 9 des neuen Textes berechtigt. Einen weiteren chronologischen Anhaltspunkt liefert das Erdbeben selbst, das die Provinz im Jahr 141 erschütterte.34 Mehrfach werden in dem Dossier aus Rhodiapolis die umfangreichen Baumaßnahmen in verschiedenen lykischen Städten, die Opramoas finanziert hat, mit den Erdbebenschäden in Zusammenhang gebracht;35 zwei Passagen legen nahe, dies auch für Patara anzunehmen,36 wo uns als einziges von Opramoas gefördertes Großprojekt eine Doppelstoa am Hafen bekannt ist. Dass deren Kosten sich auf insgesamt 40.000 Den. beliefen, erfahren wir aus dem Spendenkatalog im Letoon.37 Ein im Amtsjahr des Bundespriesters Q. Veranius Tlepolemos 14938 verabschiedetes Bundesdekret erwähnt indessen neben einer Zuwendung in Höhe von 18.000 Den. für dieses Projekt lediglich das Versprechen des Euergeten, darüberhinaus für die Gesamtkosten aufzukommen39 32 Bendlin 2006, 159 f. Anm. 4 f.; ähnlich schon Kalinka TAM II 905 XIII D Z. 1 f.: ἐτελείσ̣[εν?] | [ἀγ]ω̣νοθ̣εσ̣[ίας δύο?; anders A. Balland, FdX VII, p. 191 Anm. 125: „il n’y eut qu’une agonothésie d’Opramoas à Patara“. 33 FdX 67 Z. 15 (s. o. Anm. 3). 34 Zusammenfassend Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 371 mit Anm. 244. 35 TAM II 905 XI C Z. 4–10 (Kokkinia 2000, 47 mit Übers. 92); XII B Z. 12 – C Z. 1 (K. 50 f. mit 94); XII D Z. 2–4 (K. 51 mit 94); XIII D Z. 3–12 (K. 56 f. mit 97; zum Wiederaufbau von Myra Wörrle 1975); XIII E Z. 5 f. (K. 57 [Z. 11 f.] mit 97), XIV H Z. 2 – XV C Z. 2 (K. 61 f. mit 99); XVII B Z. 11–14 (K. 66 mit 100). 36 So folgt auf die verstümmelte Erwähnung der Finanzierung u. a. von Wiederaufbauarbeiten in den erdbebengeschädigten Städten TAM II 905 XVII D – E Z. 4 (Kokkinia 2000, 67 mit Übers. 101) eine Liste begünstigter Städte, darunter Patara (XVII E Z. 10 – F Z. 4); ähnlich, wenngleich ergänzt XVIII F Z. 14 – G Z. 2: … ταῖς ὑπὸ τοῦ σει]G|[σμοῦ πεπον]η̣μ̣έ[ν]αις [πόλ]εσιν κα[τὰ λόγον, τῇ μὲν] | Π̣αταρέων πόλει κτλ. (abweichend, doch ebenfalls mit Bezug auf das Erdbeben ergänzt K. 70 mit 103). 37 FdX VII 67 Z. 12–14 (s. o. Anm. 3); zur Identität der hier genannten Gebäudes mit jenem im Opramoas-Dossier (XVII E Z. 14 – F Z. 1; XVIII G Z. 3 f.) Kokkinia 2000, 233 f.; der Begriff διπλῆ στοά kann sowohl eine zweigeschossige (Ginouvès 1992, 60 f. mit Anm. 15 f.) als auch eine zweischiffige Säulenhalle bezeichnen (ders. 1998, 76). 38 Reitzenstein 2011, 203 f. Nr. 53. 39 TAM II 905 XVIII G Z. 1–6 (Kokkinia 2000, 70 mit Übers. 103): τῇ μὲν] | Π̣αταρέων πόλει πρότερον μὲν ἀργυρ̣[ίου (δην.)] | δισμύρια, πάλιν δὲ ἄλλα εἰς κατασκευ̣[ὴ]ν | στοᾶς διπλῆς τῆς πρὸς τῷ λιμένι, ἤδη (δην.) μ̣ύ||ρια ὠκτάκις χείλια, ὑποσχόμενος καὶ ὅλον | τὸ ἀνάλω̣μ̣α πληρώσειν („der Stadt Patara [sc. gab er] zunächst 20.000 Denare und dann noch mehr, sogleich 18.000, für den Bau einer doppelten Säulenhalle am Hafen, wobei er versprach, die Gesamtkosten zu übernehmen“). Wenige Jahre davor, in dem Bundesdekret aus der Statthalterschaft des Voconius Saxa (s. o. mit Anm. 19 f.), ist hinsichtlich dieses Projektes lediglich von einem Versprechen die Rede, auf das die Patareer mit der Bitte reagierten, die Baufinanzierung zur Gänze zu übernehmen, was der Euerget ebenfalls zusagte (XVII E Z. 10 – F Z. 4 [K. 67 mit 101]): Παταρεῦ[σιν] ε̣ἰς μὲν λόγον θεοῦ | πατρῴου Ἀπόλ[λ]ωνος … | (δην.) [δισμύρια, ὑπέσχη]|το δὲ καὶ ἄλλα [εἰς κατασκευὴν τῆς] F| πρὸς τῷ λιμένι στοᾶς αὐτῶν, Παταρ̣[έ]|ων δὲ ἀξιωσάντων καὶ πᾶν τὸ ἀνά[λ]ω|μα αὐτὸν ὑπομεῖναι καὶ εἰς τοῦτο αὐ|τοῖς συνκατατέθειται („an Patara 20.000 für den Spruch des väterlichen Gottes Apollon ... er versprach außerdem noch mehr für den Bau ihrer
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– mit anderen Worten: Fertig war der Bau in diesem Jahr noch nicht. Einiges spricht dafür, die Spende εἴς τε τὴ[ν …] κα[τασ]κευὴ[ν des neuen Textes auf dieses Gebäude (nebst einem weiteren [Exedra?]) zu beziehen, wenngleich die Finanzierung eines anderen Projektes, von dem wir bislang nichts wissen, angesichts des fragmentarischen Zustands von Z. 12 nicht auszuschließen ist. Die Patareer aber werden ihrem Ehrenbürger kaum ein Denkmal für eine versprochene oder halbfertige Stoa gesetzt haben. Treffen beide Annahmen zu, so ergibt sich daraus eine Datierung unserer Inschrift in die frühen 50er Jahre. Nach wie vor bleiben offene Fragen hinsichtlich des Gesamtumfanges und der Chronologie der Zuwendungen an Patara, da weder der neue Text noch die Liste aus dem Letoon Anspruch auf Vollständigkeit erheben und die teils fragmentarischen Angaben aus dem Opramoas-Dossier nicht immer die Präzision aufweisen, deren es für eine sichere Zuordnung bedürfte. Die verfügbaren Daten machen indes folgende Rekonstruktion wahrscheinlich: Erste Verdienste um die Stadt, möglicherweise im Zusammenhang mit der Verauslagung von Steuerschulden während seiner Archiphylakie um 114,40 führten zur offenbar ersten, im Amtsjahr des Bundespriesters Flavius Kallippos 117 erwähnten Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Opramoas durch die Patareer,41 der im Laufe der Jahre weitere folgen sollten.42 Doch erst gute zwei Jahrzehnte später, in einem Dokument des Jahres 139, erfahren wir erneut von einem Engagement des Euergeten in Patara, wo er die Agonothesie zu gleicher Zeit wie in Myra übernommen hatte.43 Spätere Texte präzisieren, dass die gleichzeitige Agonothesie der Eleuthera von Myra und dem Apollon Patroos sowie dem regierenden Kaiser galt,44 wodurch sich das Zeitfenster auf die beiden ersten Regierungsjahre des Antoninus Pius 138/39 verengt. Auf die Erdbebenschäden von 141 reagierte der Euerget mit einer Soforthilfe in Höhe von 20.000 Den., indem er zum einen Steuerverpflichtungen übernahm, zum anderen Mittel für den Wiederaufbau des offenbar besonders getroffenen Orakels bereitstellte.45 Apollon dankte es dem Wohltäter durch umgehende Wiederaufnahme seiner Tätigkeit46 und nutzte die Gunst der Stunde, ihn zu weiterer Unter-
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Stoa am Hafen, und als ihn die Patareer baten, darüber hinaus die Gesamtkosten auf sich zu nehmen, war er auch damit einverstanden“). TAM II 905 II E Z. 9–14 (Kokkinia 2000, 20 f. mit Übers. 78). TAM II 905 IV E Z. 12 – F Z. 3 (nach Kokkinia 2000, 26 f. mit Übers. 81): ὡς ἐπὶ πᾶσι τούτοις | καὶ καθ’ ἑ[κ]άστην πόλιν τετειμῆσθαι καὶ ὑπ̣[ὸ] | τ̣ο̣ῦ̣ ἐ̣θ̣ν̣[ου]ς καὶ [πρό]τ̣ερον̣ τ̣[αῖς] αʹ καὶ βʹ || [τειμαῖς καὶ ὑπὸ ἡγεμόνων καὶ ἐπ]ιτρόπν F| μ̣ε̣μ[̣ αρτυρῆσθαι, ἐν δὲ τῇ ἀξιολογω]|τάτῃ Πα[ταρέων πόλει τετειμῆ]σθα[ι καὶ πο]|λειτείᾳ („wegen all dieser Dinge ehrten ihn die einzelnen Städte, der Bund hatte ihn schon zuvor mit den ersten und zweiten Ehren versehen, Statthalter und Prokuratoren legten für ihn Zeugnis ab, und er wurde in der vortrefflichen Stadt Patara mit der Bürgerrechtsverleihung geehrt“); vgl. Kokkinnia a. O. 133 Komm. IV F Z. 2 f. TAM II VIII D Z. 13 – E Z. 3 (Kokkinia 2000, 38 mit Übers. 88); zur unterschiedlichen Rekonstruktion der Stelle Reitzenstein 2011, 194. TAM II 905 IX B Z. 12–14. TAM II 905 XIII C Z. 9–12; XVII A Z. 13 – B Z. 4. TAM II 905 XIII C Z. 13 – D Z. 1. TAM II 905 XIV E Z. 6–12.
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stützung zu animieren.47 Abermals gewährt Opramoas einen Betrag von 20.000 Den.48 – wohl im Rahmen einer zweiten Agonothesie,49 deren Datum einige Zeit nach dem Erdbeben von 141 und vor der Erwähnung in dem Bundesdekret unter der Statthalterschaft des Voconius Saxa (143–146) sich immerhin grob eingrenzen lässt. Etwa in dieselbe Zeit fällt die im selben Dokument erwähnte Planung einer Stoa am Hafen, deren Kosten Opramoas zunächst zum Teil, dann auf Bitten der Patareer ganz zu übernehmen versprach.50 Im Amtsjahr des Archiereus Q. Veranius Tlepolemos (149) waren für das inzwischen als Doppelstoa bezeichnete Projekt bereits 18.000 Den. geflossen; die Zusage, die Gesamtkosten zu tragen, stand nach wie vor;51 die Arbeiten waren also noch im Gange. Erst der Spendenkatalog aus dem Letoon nennt die Gesamtsumme von 40.000 Den.52 – und dazu mit einem σιτομέτριον in Höhe von 10.000 Den.53 einen Posten, der in dem Dossier aus Rhodiapolis nicht auftaucht, also wohl ebenfalls in die Zeit fällt, in der die dortige Dokumentation summarischer wird, bevor sie nach der Bundespriesterschaft des Aristandros (157 oder wenig später)54 abbricht. Trifft die vorstehende Rekonstruktion in etwa das Richtige und setzen wir für die zweite Agonothesie den im Letoon genannten Betrag von 22.000 Den., für die erste ungefähr entsprechende 20.000 Den. ein, so beliefe sich die Gesamthöhe der bezeugten Zuwendungen an Patara auf 112.000 Den. Dreh- und Angelpunkt der Einordnung des neuen Textes in die Spendenchronik des Opramoas und die Stadtgeschichte Pataras ist die Ergänzung der finanzierten Bauwerke in Z. 12. Handelt es sich um die Doppelstoa am Hafen, ehrt unsere Basis den Wohltäter bereits in fortgeschrittenem Alter und in zeitlicher Nähe zu dem Spendenkatalog im xanthischen Letoon, und auch inhaltlich verbinden auffällige Parallelen die beiden Texte: Beide unterteilen das Engagement des Euergeten in drei Kategorien; beide nennen an erster Stelle die Bautätigkeit, die den Zahlen aus dem Letoon zufolge durch das größte Volumen und ganz sicher im Stadtbild von Patara durch besondere Sichtbarkeit herausragte. Daneben sind im Letoon Beträge für σιτομέτριον und πανήγυρις aufgeführt, was zum Vergleich mit den Resten der beiden letzten Zeilen der neuen Inschrift einlädt: So bezeichnet der häufig unspezifisch gebrauchte Begriff φιλοτειμίαι etwa in der Ehrung für den Archiereus Licinius d. Ä. aus dem späten 1. Jahrhundert n.Chr. „Freigebigkeit
47 Leider erfahren wir nichts über den Inhalt des TAM II 905 XVII E Z. 10 f. erwähnten λόγος θεοῦ πατρῴου Ἀπόλλωνος, der Opramoas zu weiterem finanziellen Engagement bewog (vgl. Bendlin 2006, 160); nach TAM II 905 XIV E Z. 12 – F Z. 1 waren es die erfreuten Patareer, die mit dieser Bitte an den Euergeten herantraten. 48 TAM II 905 XVII E Z. 13, ergänzt nach XVIII G Z. 3. 49 Möglicherweise identisch mit der FdX 67 Z. 15 erwähnten: εἰς δὲ πανήγυριν μ(υριάδας) βʹ βʹ. 50 TAM II 905 XVII E Z. 13 – F Z. 4. 51 TAM II 905 XVIII G Z. 3–6. 52 FdX 67 Z. 12–14. 53 FdX 67 Z. 14 f. 54 Reitzenstein 2011, 205 f. Nr. 57.
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in den Theatern“;55 ἀναδόσεις (καὶ ἐπιδόσεις) begegnen in der Ehrung des Ktesikles aus Akalissos.56 Ist dieses Wort in Z. 13 aufgrund der Schräghaste (ohne Grundlinie)57 nach τέ und des N vor καί zutreffend ergänzt, so liegt ein Zusammenhang mit dem im Letoon genannten σιτομέτριον auf der Hand. In gleicher Reihenfolge wie dort scheinen auch hier Baufinanzierung, Sitometrie58 (ἀναδόσεις) und Agonothesien (φιλοτειμίαι) im Dank der Patareer an ihren Wohltäter die zentralen Themen gewesen zu sein.59 Mit jedem Neufund zum Phänomen des Euergetismus in der Blütezeit des 2. Jahrhunderts stellt sich schließlich die – nicht immer präzise zu beantwortende – Frage nach Kontexten der Konkurrenz und der Rivalität: Gern wüssten wir, welcher der beiden ungefähr zeitgenössischen Texte aus dem Letoon und aus Patara früher entstand und welcher möglicherweise auf den anderen reagierte, doch wir wissen es nicht. Nur ansatzweise erahnen wir das Zusammenspiel respektive die Konkurrenz diverser Euergeten, von denen Opramoas gewiss der potenteste, doch keineswegs der einzige relevante ‚player‘ war: Auch der Patareer Ti. Claudius Eudemos machte sich – wenngleich postum aus den Zinsen seiner Stiftung – um die Sanierung des von Opramoas wiedererweckten Apollonorakels verdient;60 auch er und seine Gattin Anassa setzten sich durch jährliche Geldspenden an alle Bürger wirkungsvoll in Szene61 – und auch sie konkurrierten dabei wiederum mit anderen lokalen Honoratioren, von denen nur Q. Vilius Titianus und dessen Tochter Vilia Procla genannt seien.62 Die Konkurrenz der Städte um den Euergeten kommt anschaulich in der Angabe der Bürgerrechte zum Ausdruck, unter denen die Patareer selbstbewusst das eigene vor jenem aus Opramoas’ Heimat Rhodiapolis plazieren (Z. 4 f.), die zu jener Zeit zahlreichen weiteren vollends vernachlässigen bzw. unter der politeuomenos-Formel subsumieren. Gleiches gilt freilich auch für die beiden im Formular weitgehend übereinstimmenden Ehrungen aus Tlos,63 deren Datierung „während seines (sc. Opramoas’) Amtsjahres 136 oder nur wenig später“64 aufgrund der frappierenden Ähnlichkeit mit dem neuen Text
55 Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 323 Nr. 4 Z. 3 f. 56 TAM II 838 defg Z. 7 f. 57 διαδόσεις (TAM II 905 II B Z. 7 f. [Kokkinia 2000, 19 mit Übers. 77]: zusammen mit ἐπιδόσεις) kommt daher nicht in Betracht, wenn wir nicht einen durch Farbe korrigierten Lapsus des Steinmetzen annehmen wollen. 58 Ausführlich zu dieser Institution Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 349 f. 59 In „seine hervorragenden und großzügigen Agonothesien, sein Versprechen, Bauten zu errichten, und seine Geldschenkungen“ unterteilt ein Dokument aus dem Opramoas-Dossier dessen Freigebigkeit gegenüber den bedeutendsten lykischen Städten nach seiner Bundespriesterschaft (TAM II 905 VIII G Z. 2–5 [Kokkinia 2000, 39 mit Übers. 89 und Komm. 157]). 60 Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 360 Nr. 9 col. I Z. 21 f. mit dem Komm. 369 f. 61 Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 360 Nr. 9 col. I Z. 9–11 mit dem Komm 372. 62 Vgl. Lepke – Schuler – Zimmermann 2015, 375 f. 63 TAM II 578 f.; vgl. Reitzenstein 2012, 163. 64 Reitzenstein 2011, 48 (s. o. Anm. 16).
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aus Patara nun wohl zu korrigieren ist.65 Einen originellen Weg, sich aus der Menge der begünstigten lykischen Poleis abzuheben und den Euergeten in besonderer Weise als ‚ihren‘ zu vereinnahmen, beschritten die Patareer dagegen – die Richtigkeit der Ergänzung abermals vorausgesetzt – mit der Wendung υἱὸς τῆς πόλεως (Z. 6 f.). Knapp zwei Jahrtausende später tat es ihnen die Vereinigung der Industriellen und Geschäftsleute der modernen Provinzhauptstadt Antalya gleich, indem sie Opramoas postum zu ihrem Ehrenmitglied ernannte.66 Bibliographie R. Behrwald, Der lykische Bund. Untersuchungen zu Geschichte und Verfassung, Bonn 2000. R. Behrwald, The Lykian League, in: H. Beck – P. Funke (Hg.), Federalism in Greek Antiquity, Cambridge 2015, 403–418. A. Bendlin, Vom Nutzen und Nachteil der Mantik: Orakel im Medium von Handlung und Literatur in der Zeit der Zweiten Sophistik, in: D. Elm von der Osten – J. Rüpke – K. Waldner (Hg.), Texte als Medium und Reflexion von Religion im römischen Reich, Stuttgart 2006, 159–207. S. Bönisch-Meyer, Neue Inschriften aus Patara IV: Liktoren und ihr legatus Augusti. Eine bilingue Ehrung für L. Luscius Ocra und seine Familie, Chiron 48 (2018) 375–400. F. Canali de Rossi, Filius publicus. YIOΣ THΣ ΠOΛEΩΣ e titoli affini in iscrizioni greche di età imperiale. Studi sul vocabolario dell’evergesia, Rom 2007. W. Eck, Voconius II 2, DNP XII 2 (2002) 275. H. Engelmann, Zur Lykiarchie, ZPE 158 (2006) 183–186. R. Ginouvès, Dictionnaire méthodique de l’architecture grecque et romaine II. Éléments constructifs: supports, couvertures, aménagements intérieurs; III. Espaces architecturaux, bâtiments et ensembles, Athen – Rom 1992 und 1998. R. Haensch, Capita provinciarum. Statthaltersitze und Provinzialverwaltung in der römischen Kaiserzeit, Mainz 1997. Ch. Kokkinia, Zur Abkürzung der Homonymität in griechischen Inschriften, ZPE 111 (1996) 133 f. Ch. Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis. Euergetismus und soziale Elite in Lykien, Bonn 2000. Ch. Kokkinia, Opramoas’ Citizenships: The Lycian politeuomenos-formula, in: A. Heller – A.-V. Pont (Hg.), Patrie d’origine et patries électives: les citoyennetés multiples dans le monde grec d’époque romaine, Bordeaux 2012, 327–340. Ch. Kokkinia, Opramoas, in: R.S. Bagnall u. a. (Hg.), The Encyclopedia of Ancient History IX, Chichester 2013, 4907 f. J. A. O. Larsen, Representation and Democracy in Hellenistic Federalism, CPh 40/2 (1945) 65–97. J. A. O. Larsen, Lycia and Greek Federal Citizenship, SO 33 (1957) 5–26. A. Lepke – Ch. Schuler – K. Zimmermann, Neue Inschriften aus Patara III: Elitenrepräsentation und Politik in Hellenismus und Kaiserzeit, Chiron 45 (2015) 291–384. Ch. Naour, Inscriptions de Lycie, ZPE 24 (1977) 265–290. D. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester. Repräsentation der kaiserzeitlichen Elite Lykiens, Berlin 2011. 65 Müßig sind indessen auch hier Spekulationen, wer das Formular kreiert und wer es übernommen hat. 66 Hürriyet Daily News vom 23.06.2015 (http://www.hurriyetdailynews.com/ancientbusinessman-becomes-honorary-member-84351 [06.05.2019]).
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D. Reitzenstein, Elite und Mehrfachbürgerrechte im lykischen Bund, in: A. Heller – A.-V. Pont (Hg.), Patrie d’origine et patries électives: les citoyennetés multiples dans le monde grec d’époque romaine, Bordeaux 2012, 153–173. S. Şahin, Der Disput der „viri docti“ über die Lykiarchie gelöst? Dokumente von Lykiarchen aus der Familie der Dionysii aus Neisa, Gephyra 3 (2006) 29–47. S. Şahin, Nochmal über die Lykiarchie, Gephyra 9 (2012) 119–123. M. Wörrle, Zum Wiederaufbau von Myra mit Hilfe des Lykiarchen Opramoas nach dem Erdbeben von 141 n. Chr., in: J. Borchhardt (Hg.), Myra. Eine lykische Metropole in antiker und byzantinischer Zeit, Berlin 1975, 159 f. M. Wörrle, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien. Studien zu einer agonistischen Stiftung aus Oinoanda, München 1988. M. Wörrle – W. W. Wurster, Dereköy: Eine befestigte Siedlung im nordwestlichen Lykien und die Reform ihres dörflichen Zeuskultes, Chiron 27 (1997) 393–469. K. Zimmermann, „Small Gods“? Transformationen griechischer Religiosität im Spiegel kaiserzeitlicher Orakelpraxis, in: M. Blömer – B. Eckhardt (Hg.), Transformationen paganer Religion in der römischen Kaiserzeit. Rahmenbedingungen und Konzepte, Berlin – Boston 2018, 199– 214. M. Zimmermann, Die Archiereis des lykischen Bundes. Prosopographische Überlegungen zu den Bundespriestern, in: Ch. Schuler (Hg.), Griechische Epigraphik in Lykien. Eine Zwischenbilanz, Wien 2007, 111–120.
RAMSAYS FRAGMENTE Ein Lokalaugenschein im Depot von Antiocheia ad Pisidiam1 Christian Wallner Ab den 80er Jahren des 19. Jh.s prägte William Mitchell Ramsay über Jahrzehnte hindurch die Erforschung von Antiocheia ad Pisidiam in erheblichem Maße. Dabei umfassten seine Aktivitäten nicht nur die archäologische Erschließung des Stadtgebiets, sondern auch der Umgebung, wobei in erster Linie das Heiligtum des Mên am Berg Karakuyu zu erwähnen ist. Im Zuge dieser vielfältigen und grundlegenden archäologischen Forschungen stieß W. M. Ramsay naturgemäß auf eine Vielzahl an Inschriften, die teilweise von ihm selbst publiziert, teilweise seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Bearbeitung sowie Publikation übergeben wurden. In dieser produktiven Phase der Erforschung Antiocheias erfolgte die Auffindung des sogenannten Monumentum Antiochenum und dessen editio princeps, die erstmalige Erforschung und Veröffentlichung der Weihinschriften am Tempel des Mên am Karakuyu sowie die systematische Aufarbeitung der epigraphischen Dokumente der Xenoi Tekmoreioi, um hier lediglich die hervorragendsten Leistungen auf diesem Gebiet namhaft zu machen. Das Gros des von W. M. Ramsay gesichteten und aufgezeichneten Materials ist mittlerweile teils in ansprechender, teils in wenig zufriedenstellender Form publiziert. 1
Ich danke der Generaldirektion der Denkmäler und Museen des Kulturministeriums der Republik Türkei (Kültür ve Turizm Bakanlığı – Kültür Varlıkları ve Müzeler Genel Müdürlüğü) für die Genehmigung der epigraphischen Arbeit in Antiocheia ad Pisidiam. Mein besonderer Dank gilt Mehmet Özhanlı (Süleyman-Demirel-Üniversitesi Isparta), dem Leiter der Ausgrabungen in Antiocheia, der mich bei meiner Arbeit vor Ort im August 2015 in jeder Hinsicht unterstützt und die Anfertigung von Fotographien der Fragmente erlaubt hat. Für wertvolle Informationen sowie Hilfestellungen zu W. M. Ramsays Notebooks danke ich Charlotte Roueché (London), die mir eine Aufstellung über Aufzeichnungen, Abklatsche und Fotos im Archiv von Aberdeen zukommen ließ, sowie Graham Piddock (Oxford), der mir Einblick in das umfangreiche Material in der Sackler Library gewährte und die Erlaubnis zur Anfertigung von Fotographien der entsprechenden Seiten der Notebooks erteilte. Im Rahmen der Peter-Herrmann-Tagung durfte ich Inschriften von Antiocheia präsentieren, darunter das Fragment über die Einquartierung von hospites (Nr.4). Ich bedanke mich bei allen, die mit ihren Beiträgen meine Arbeit an dem Monument gefördert haben, vor allem bei Werner Eck (Köln) und Rudolf Haensch (München). Stephen Mitchell danke ich für seine vielen Anregungen zum Fragment einer Grenzregelung (Nr.1), Franziska Beutler (Wien) schließlich für die kritische Lektüre der Erstfassung dieses Beitrags sowie wertvolle Hinweise und Verbesserungsvorschläge.
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Wenn auch so manche Expertise der damaligen Kampagnen, so manche damals formulierte Interpretation epigraphischer Dokumente heute als überholt gelten muss, ist das Verdienst W. M. Ramsays hinsichtlich solider Grundlagenforschung nicht infrage zu stellen. St. Mitchell und M. Waelkens haben ihre Studie über Antiocheia B. Levick und M. Taşlıalan gewidmet, „two champions of Antioch“, wie sie zu Recht urteilen. In diesem Kontext wäre W. M. Ramsay als ἀρχηγέτης der systematischen Erforschung Antiocheias inklusive des Territoriums zu bezeichnen2. Im Zuge seiner jahrzehntelangen Arbeit in Kleinasien kopierte W. M. Ramsay unzählige Inschriften oder vermerkte sie in seinen Notebooks. Dieses für die Erforschung der Region wesentliche Material befindet sich heute hauptsächlich im Archiv in Aberdeen, im Centre for the Study of Ancient Documents (CSAD) in Oxford3 sowie in den Beständen der ehemaligen Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. M. A. Byrne und G. Labarre haben die Notizen Ramsays zu antiochenischen Inschriften gesichtet und die bis dahin unpublizierten Monumente, zum überwiegenden Teil Fragmente, in ihrem Corpus Nouvelles inscriptions d’Antioche de Pisidie d’après les Notebooks de W. M. Ramsay (2006) zusammengefasst. Ihre Editionen beruhen fast ausschließlich auf den Skizzen sowie kurzen Kommentaren, die Ramsay quasi en passant zu den Inschriften entworfen hat. Im angeschlossenen Tafelteil bieten die Autoren Abbildungen der entsprechenden Passagen aus den Notebooks4. Bei der Sichtung des Depots von Antiocheia im August 2015 fanden sich einige Monumente, die M. A. Byrne und G. Labarre nach den Skizzen Ramsays publizierten. Somit besteht nun die Möglichkeit, ihre Editionen zu ergänzen sowie an manchen Stellen zu verbessern. Zudem gewähren die aufgefundenen Steine einen aufschlussreichen Einblick in die Arbeitsweise Ramsays auf epigraphischem Gebiet. Schließlich kann nun ein Monument der jeweiligen Skizze Ramsays gegenübergestellt werden. 1) Fragment einer Grenzregelung (I. Antioche 148 auf Basis von Ramsay, Notebooks: 1926 – Nr.35) Nach W. M. Ramsay hat St. Mitchell den Stein 1977 im Depot von Antiocheia vorgefunden und bearbeitet5; zu einer Publikation des Monuments kam es allerdings nicht. Diese erfolgte erst durch M. A. Byrne und G. Labarre, basierend auf der Skizze Ramsays aus dem Jahr 1926.
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Zu den Forschungen W. M. Ramsays in Antiocheia und Umgebung siehe ausführlich Mitchell – Waelkens 1998, 24–30. Vgl. I. Antioche p.1 f.; 127 f. Bis 2016 wurden die Notebooks in der Sackler Library aufbewahrt, nunmehr befinden sie sich im genannten Centre for the Study of Ancient Documents. Zu den Notebooks Ramsays siehe einschlägig I. Antioche p.2 f.; 5–14. Schriftliche Mitteilung von St. Mitchell. Vgl. Eck 1985, 91, Anm.2.
Ramsays Fragmente
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Block aus grau-braunem, einheimischem Kalkstein; der rechte Rand original, ansonsten rundum gebrochen. Die Rückseite unbearbeitet, die Oberfläche teilweise verwittert, teilweise beschädigt. Die Schrift schwer lesbar. Maße: Höhe: (max.) 33 cm; Breite: (max.) 39 cm; Tiefe: (max.) 11,5 cm. Zeilenabstand: 1,9–2,2 cm. Buchstabenhöhe: 2–3 cm. Buchstaben: A mit aufsteigender Mittelhaste; C wie G.
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[In · h(onorem) · Dd(ominorum) · Impp(eratorum)· Sev]eri et Antonini] [et ⟦Getae⟧· Caesa][ri]s · Auggg(ustorum) · nnn(ostrorum) · Max̣imius Attia[nus] q̣(uaestor) · pr(o) · pr(aetore) · mị[ss(us) a Sem][pr]onio Seṇecion[e] [pro]co(n)s(ule) · Asiae · SE [ - - - - - - - -] . . . [ - - - ] --------?--------
App. crit.: Z. 1: Untere Reste von Buchstaben auszumachen, oder Verletzungen am Stein? Z. 2: Über dem mittleren C ein ˘. Z. 3: Vom X die oberen Reste gegeben. Z. 4: Am Beginn der Z. eine Rundung auszumachen, danach eine Interpunktion, wie auch jeweils nach PR. Nach dem M unidentifizierbare Buchstabenreste bis zum re. Rand. Z. 5: Vor dem O nichts auszumachen. Z. 6: Vor dem C nichts auszumachen. Nach COS sowie nach ASIAE jeweils eine Interpunktion. Z. 7: Köpfe von zumindest drei Buchstaben, allerdings nicht zu identifizieren. Z. 6–8: se[n]|[tentia sua] fịṇ[es] | [determinavit] Rekonstruktionsvorschlag von St. ̣ Mitchell (schriftliche Mitteilung). Datierung: Sommer/Frühherbst 209 n. Chr.
Dieses Monument ist mit einem Grenzstein in Form eines kleinen Altars, der beim heutigen Dorf Sarayköy auf dem Gebiet des antiken Philomelion gefunden wurde, in Zusammenhang zu sehen. Nach der editio princeps von D. French6 haben M. 6
French 1997, 61–63, Nr.2, inkl. pl.6,2; 7,2 (AE 1997, 1448).
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Christol und Th. Drew-Bear den Text wesentlich verbessert sowie das Monument in den richtigen historischen Kontext gestellt7. Ihre Lesung der Inschrift lautet:
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IN · H · DD · IMPP · SEVERI ET ANTON[INI ET ⟦GE⟧⟦TAE⟧ CAESARIS AVGGG · NNN MAXI[MIVS ATTI]ANVS · Q · PR · PR · MISSVS [ - 10–12 l. - A SEM]PRONIO SENECIONE [PROCONSVLE - - - - - - - - ] DETERMIN[ - - - - - - - - ]
Die Kombination beider Monumente, dieses Grenzsteins von Philomelion und des Fragments aus Antiocheia, ermöglicht eine Rekonstruktion der historischen Gegebenheiten8: Zwischen Antiocheia ad Pisidiam und dem der Provinz Asia zugehörigen Philomelion bestand zu Beginn des 3. Jh.s offensichtlich Uneinigkeit hinsichtlich des Grenzverlaufs. Letztere Polis wandte sich in dieser Causa an den Proconsul der Provinz, L. Sempronius Senecio, der sich der Sache annahm und den Quästor Maximius Attianus offiziell mit der Klärung des Falles beauftragte (Z. 4: missus)9. Nach Festlegung der Grenze zwischen den beiden Städten wurde einerseits nahe dem heutigen Sarayköy ein Grenzstein gesetzt, andererseits im Gebiet von Antiocheia quasi als Pedant ein Monument errichtet. Dieses lässt sich auf Grund des fragmentarischen Zustands hinsichtlich seiner Typologie nicht eindeutig fassen; es handelt sich jedenfalls um keinen Rundaltar, wie wir ihn beim Gegenstück im Territorium von Philomelion gegeben haben. Zudem bleiben sowohl der Fund- als auch der ursprüngliche Aufstellungsort unbekannt. Man sollte eine Herkunft aus der nördlichen Chora Antiocheias, d. h. aus der Grenzregion zum antiken Philomelion, aus dem Gebiet des heutigen Sultan Dağı, jedenfalls in Erwägung ziehen. Der Text der Inschrift wirft Fragen auf, die teilweise von M. Christol und Th. Drew-Bear10, teilweise von M. A. Byrne und G. Labarre erläutert wurden. Zunächst bedarf die Ehrung der regierenden Kaiser am Beginn einer Klärung: Ihr ist jedenfalls unter dem Aspekt der Legitimierung der erfolgten Amtshandlung Verständnis abzugewinnen. Der Rekurs auf die regierenden Augusti Septimius Seve 7
Christol – Drew-Bear 1998, 161 = I. Sultan Dağı I, 47. Vgl. Eck 1999, 210, mit einer leicht abweichenden Rekonstruktion des Textes (AE 1998, 1361 f.). 8 Zum Folgenden vgl. den umfangreichen Komm. von M. A. Byrne und G. Labarre zu I. Antioche 148 (p.68 f.). 9 Zu L. Sempronius Senecio siehe Christol – Drew-Bear 1998, 151–153, PIR2 S 368, Aybek – Dreyer 2010; 2016, 16–18, zu Maximius Attianus Eck 1985, 91, Nr.48, Christol – Drew-Bear 1998, 150 f., PIR2 M 393 sowie Eck 1999, 208–210. 10 In diesem Zusammenhang muss allerdings festgehalten werden, dass M. Christol und Th. Drew-Bear in ihren Ausführungen zum Grenzstein von Sarayköy die Existenz der von W. M. Ramsay aufgezeichneten sowie von St. Mitchell bearbeiteten Inschrift von Antiocheia anzweifelten. Sie vertraten die – nunmehr klar widerlegte – Ansicht, der Grenzstein von Sarayköy sei „par erreur attribuée à Antioche de Pisidie“ (Christol – Drew-Bear 1998, 142, Anm.2; vgl. 149, Anm.17).
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rus und Caracalla sowie den Caesar Geta dient offensichtlich dazu, der vom Quaestor im Auftrag des Proconsuls getroffenen Entscheidung größeres Gewicht zu verleihen: es habe sich quasi um eine kaiserliche Entscheidung gehandelt, der Quaestor im Rang eines Praetors sei lediglich das ausführende Organ dieses unwiderruflichen Schiedsspruchs gewesen11. Folglich sollte man das Fragment nicht als Teil eines Ehrenmonuments für die regierenden Kaiser auffassen. Ein solches hätte gewiss größere Ausmaße gehabt. Im Zuge der Analyse des Textes stellt sich zudem die Frage, warum in dieser Grenzangelegenheit nur ein Repräsentant der Provinz Asia entschied, die Provinz Galatia, der Antiocheia angehörte, hingegen offensichtlich nicht eingebunden war. Die Lösung dieser Frage liegt wohl darin, dass diesem Konflikt lediglich lokale Bedeutung zukam: Es habe sich um „une affaire locale“ zwischen den Städten Philomelion und Antiocheia ad Pisidiam gehandelt, so M. A. Byrne und G. Labarre in ihrem Kommentar12. In diesem Kontext wird auch verständlich, dass sich der Proconsul L. Sempronius Senecio nicht persönlich der Sache annahm, sondern den Quaestor pro praetore Maximius Attianus offiziell mit der Causa beauftragte. Die Datierung des Monuments ergibt sich zum einen durch die Kaisertitulatur am Beginn der Inschrift, wobei auffällt, dass Geta sowohl als Caesar als auch – abusiv – als Augustus ausgewiesen ist. Zum anderen schafft der Proconsulat des L. Sempronius Senecio einen zeitlichen Rahmen: dessen Amtszeit fiel in die Jahre 209/10, wie M. Christol und Th. Drew-Bear im Zuge ihrer akribischen Analyse der fasti der Provinz Asia im 1. Jahrzehnt des 3. Jh.s aufgezeigt haben. Ihrer Meinung nach wurde der Grenzstein von Sarayköy im Sommer oder Frühherbst 209 gesetzt13, d. h. zu Beginn der Amtszeit des L. Sempronius Senecio, als Geta offiziell noch nicht den Titel Augustus führte. Folglich ist das antiochenische Monument, sozusagen das Pendant zum Grenzstein, in etwa derselben Zeitspanne zuzuordnen. 2) Fragment eines Ehrenmonuments (I. Antioche 175 auf Basis von Ramsay, Notebooks: 1924 – Nr.119) W. M. Ramsay hat das Fragment offensichtlich zweimal gesehen und in seinen Notebooks festgehalten, einmal 1924 (Nr.119), einmal am 8. April 1927 (auf 11 So zu Recht Christol – Drew-Bear 1998, 147; 164. Zur Rolle von Maximius Attianus in besagtem Grenzstreit siehe nun auch Kantor 2013, 155. Der Rekonstruktionsvorschlag von St. Mitchell für das Ende der antiochenischen Inschrift (se[n]|[tentia sua] fịṇ[es] | [determinavit], siehe den app. crit.) fügt sich gut in dieses Bild. Zụ dem berücksichtigt er das fragmentarische Ende der Inschrift am Grenzaltar von Philomelion. 12 I. Antioche 148, Komm. (p.69). Vgl. hingegen Aybek – Dreyer 2010, 121, die die Meinung vertreten, es bleibe „unklar, ob der Quaestor Grenzstreitigkeiten zwischen den benachbarten Gemeinden Antiocheia und Philomelion oder den Provinzen, denen diese Gemeinden jeweils angehörten, zu regeln hatte“ (= Aybek – Dreyer 2016, 17). 13 Christol – Drew-Bear 1998, 154–161. Diesen folgen M. A. Byrne und G. Labarre in ihrem Kommentar zu I. Antioche 148 (p.69). Vgl. Aybek – Dreyer 2010, 120; 2016, 17.
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gezeichnet im Notebook von 1926 als Nr.75). Seiner Notiz zufolge wurde das Bruchstück in einem Haus im Norden des Dorfes, wohl Yalvaç, gefunden: „house on N of village“, so sein einleitender Vermerk zur Skizze von 1924.
Fragment aus weiß-grauem, einheimischem Kalkstein; unten der originale Rand erhalten, sonst rundum gebrochen. Die Rückseite unbearbeitet. Die Schrift sehr sorgfältig gearbeitet. Maße: Höhe: (max.) 26,5 cm; Breite: (max.) 16,5 cm; Tiefe: (max.) 6,3 cm. Zeilenabstand: (exakt) 2,4 cm. Buchstabenhöhe: 4,2–4,4 cm. Buchstabenformen: keine Besonderheiten. ----------[. . . . . . . .] . V [. . . . . X]viro [stliti]b(us) · iud(icandis) App. crit.: Z. 1: Initio der rechte untere Rest einer Schräghaste; in fine eine Verletzung am Stein, wohl keine Interpunktion. Z. 3: Zwischen B und I eine dreieckige Interpunktion. Datierung: Kaiserzeit
Bei diesem Bruchstück handelt es sich um ein kaiserzeitliches Ehrenmonument, von dem sich das Ende eines senatorischen cursus honorum erhalten hat. VIRO in der vorletzten Zeile bietet den Ansatz für die Rekonstruktion der Inschrift. Dabei ist sowohl W. M. Ramsay als auch M. A. Byrne und G. Labarre darin zu folgen, dass an dieser Stelle [X]viro [stliti]b(us) iud(icandis) zu ergänzen ist. Wenn sich der Zeilenumbruch auch nicht eindeutig ausmachen lässt, so ist in Anbetracht einer so eleganten Ehreninschrift doch davon auszugehen, dass STLITIB am Stein nicht abgetrennt war. Mithin hätte VIRO das Ende der vorletzten Zeile gebildet, IVD schließlich das Ende der Inschrift. Letztere Abkürzung ist in antiochenischen Inschriften bislang nicht belegt; je nach gegebenen Platzverhältnissen am Stein waren IVDIC oder die vollständige Version IVDICANDIS gebräuchlich: IVDIC findet sich e. g. in einem ähnlichen Fragment vom Heiligtum des Mên (I. Antioche 183) oder in der Ehreninschrift für C. Novius Rusticus Venuleius Apronianus (Waldmann 1981, 96 f., Nr.3, Z. 8), die ungekürzte Version in einem cursus aus trajanischer Zeit (CIL III 6819 = ILS 1039, Z. 7 f.: 116/17 n. Chr.) sowie einer weiteren Ehrung für C. Novius Rusticus Venuleius Apronianus (CIL III 6816 =
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ILS 8976, Z. 5). Gleichwohl wird in obiger Edition von einer verkürzten letzten Zeile und somit von IVD am Ende ausgegangen. Der Buchstabe vor dem V in Z. 1 lässt sich nicht eindeutig ausmachen. W. M. Ramsay fasste ein X ins Auge, womit sich die Zahlenkombination X̣V als Ausgangspunkt für eine Rekonstruktion ergeben würde: Fungierte der Geehrte als tribunus militum in der legio XV Apollinaris oder XVI Flavia Firma? Eine derartige militärische Funktion nach dem Vigintivirat würde sich jedenfalls gut in den Kontext des cursus fügen. M. A. Byrne und G. Labarre bringen in ihrem Kommentar zum Fragment (I. Antioche 175) als Alternativen zu Ramsay ẠV oder ṂV ins Spiel und meinen, diese Buchstabenkombination könnte Teil eines cognomen gewesen sein. Abgesehen davon, dass die am Stein gegebene Schräghaste kaum als Rest eines M aufzufassen ist, sollte man doch von einer umfassenderen Darstellung der Laufbahn des Geehrten ausgehen. Folglich hat das cognomen wohl über dem erhaltenen Teil des Monuments seinen Platz gehabt. In Anbetracht der vielen Inponderabilien sowie der Unmöglichkeit, einen Zeilenumbruch klar auszumachen, ist obige Edition des Textes exempli gratia aufzufassen. Dabei sollte die geringe Anzahl der Buchstaben pro Zeile (ca. 10) nicht verwundern; relativ kurze Zeilen finden sich wiederholt in vergleichbaren Inschriften Antiocheias, e.g. bei den Ehrenmonumenten für C. Novius Rusticus Venuleius Apronianus (I. Antioche 165; Waldmann 1981, 96 f., Nr.3) oder für L. Calpurnius Frugi (I. Antioche 163). 3) Fragment eines Ehrenmonuments (?) (I. Antioche 211 auf Basis von Ramsay, Notebooks: 1926 – Nr.24)
Fragment aus weiß-grauem, einheimischem Kalkstein; links der originale Rand erhalten, sonst rundum gebrochen. Die Rückseite unbehandelt. Die Schrift sehr sorgfältig gearbeitet. Maße: Höhe: (max.) 23 cm; Breite: (max.) 30,5 cm; Tiefe: (max.) 13,7 cm. Zeilenabstand: 1,5–2,3 (nach unten hin abnehmend). Buchstabenhöhe: 4,5–5,5 cm (nach unten hin abnehmend). Buchstaben: keine Besonderheiten.
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------------L . . . [ - - - - - - - As]prenạ[ti? - - - - - - - ] gymnaṣ[iarcho? - - - ] [. .]ṾI ord[ - - - - - -] -------------
App. crit.: Z. 1: Nach dem L die untere Hälfte sowie der untere Teil einer Längshaste, danach ein Buchstabenrest. Z. 2: In fine der linke untere Ansatz einer Schräghaste. Z. 4: Initio ein, max. zwei Buchstabe(n) verloren, danach der rechte obere Rest einer Schräghaste: V vel X? Nach dem I ev. eine Interpunktion. Datierung: Kaiserzeit (ca. 70 n. Chr.?)
M. A. Byrne und G. Labarre bieten auf Basis der Kommentare Ramsays zur Skizze folgende Edition:
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L. He- - - [As]prenạ gymnaṣ[iarchae] [- - -]i ord[inis]
Abgesehen davon, dass dieser Text wenig Sinn ergibt, ist zunächst das Monument ins Visier zu nehmen. Da der Stein außer auf der linken Seite rundum gebrochen ist, lässt sich das Layout der Inschrift in keiner Weise ausmachen. Wir wissen also weder, wie viele Zeilen oben und unten verloren sind, noch, welche Zeilenlänge der Text ursprünglich aufwies. Im Folgenden sei der Versuch unternommen, die erhaltenen Buchstaben bzw. deren Reste in einen sinnvollen Kontext zu bringen. Die Buchstabenfolge PRENẠ in Z. 2 ist Teil des cognomen Asprenas und könnte auf den Statthalter L. Nonius Calpurnius Asprenas hinweisen. Dieser fungierte ab Galba (68/69) bis in die Anfangszeit der Flavierdynastie (ca.70) als legatus Augusti pro praetore provinciae Galatiae, Paphlagoniae, Pamphyliae, Pisidiae14. Aus seiner Amtszeit stammt ein Ehrenmonument, das er in Antiocheia dem neuen princeps Vespasian errichten ließ. Mit Hilfe der fragmentarisch erhaltenen Inschrift hat B. Levick die Initiative des Statthalters in den zutreffenden historischen Kontext gebracht: [Imp(eratori) Caesari Vespasiano | Aug(usto) p]ọṇṭịf[ici maximo t]ribunic|[iae potest]atis ̣ co(n)s(uli) [II] | [L(ucius) Nonius] Calpu[rnius] | [L(uci) f(ilius) Pom(ptina) Asprenas]15. Auf Grund dieser nachweisbaren Verbindung zwischen Kolonie und Statthalter ist durchaus an eine Ehrung von Seiten der Stadt für den Legaten zu denken. Allem Anschein nach dürfte er, wie Z. 3 nahelegt, in Antiocheia die 14 Zu seiner Karriere ausführlich PIR2 N 132; Sherk 1951, 38; Marek 2010, 835; Rémy 1989, 142–145, Nr.107, sowie zusammenfassend Eck 2000, zum cognomen Asprenas grundlegend Kajanto 1982, 47; 209. 15 Dazu einschlägig Levick 1967, 101–103, Nr.1 (AE 1967, 492). Siehe dazu auch Mitchell 1993, I 66.
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Funktion des Gymnasiarchen übernommen haben. Schließlich könnte die Ehrung vom ordo bzw. ordo et populus der Kolonie beschlossen und umgesetzt worden sein16. Die Inschrift bietet ein Testimonium für das finanziell aufwändige Amt des Gymnasiarchen in Antiocheia. In griechischen Städten befand sich das Gymnasium, eine weitläufige Anlage, die unterschiedliche architektonische Einheiten mit einschloss, üblicherweise am Stadtrand. In Antiocheia ist es im Norden des Stadtgebiets zu verorten, wo bislang eine Palaestra freigelegt wurde, die gewiss als Teil des Gymnasiumkomplexes aufzufassen ist17. Abgesehen vom vorliegenden Fragment haben wir bis dato lediglich ein weiteres epigraphisches Testimonium für das antiochenische Gymnasium bzw. die Funktion des Gymnasiarchen: Dabei handelt es sich um ein Ehrenmonument, das der Stadtteil Augusta Platea für einen uns unbekannten Euergeten errichtete. Das Ende der Inschrift hat sich erhalten: [ - - | praefecto? alae] | [m]iliar(iae) I f[l]am(ini) | gymna[siarcho] | Aug(usta) Pla(tea)18. 4) Fragment der sacrae litterae von 204 n. Chr. (I. Antioche 232 auf Basis von Ramsay, Notebooks: 1926 – Nr.25) W. M. Ramsay hat das Fragment zweimal, 1924 (Notebook Nr.19) und 1926 (Notebook Nr.25), gesehen und notiert. Vom selben Bruchstück fertigte D. M. Robinson am 13. Mai 1924 eine Kopie an. Der Abklatsch befindet sich heute im Institute for Advanced Study in Princeton19. C. P. Jones gebührt das Verdienst, im antiochenischen Fragment den Text der sacrae litterae von 204 erkannt zu haben. Auf Basis des von D. M. Robinson angefertigten Abklatsches konnte er das Monument in den entsprechenden Kontext stellen.
16 Ein Beleg für Antiocheia: CIL III 6841. Die Wendung ordo (et populus) findet sich häufig am Ende von Ehreninschriften, e.g. in Thermae Himeraeae (CIL X 7345, Z. 4 f.: ... ordo et populus splen|didissimae col. Aug. Himereorum) oder in Isaura vetus (Keil – Swoboda – Knoll 1935, Nr. 137, Z. 3–5: ... ord]o co[l(oniae) veteri]s Isau[riensiu]m). 17 Mitchell – Waelkens 1998, 199 sowie 92, Fig.18. Vgl. Spanu 2002, 358, Fig.4. 18 AE 1920, 77, Mitchell – Waelkens 1998, 220 f., Nr.2 (mit einer Analyse des Terminus Augusta Platea), sowie Spanu 2002, 349; 356, Fig.1. 19 Ein Foto des Abklatsches bietet Jones 1984, 98.
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Christian Wallner Fragment aus weißem Marmor; rundum gebrochen. Die Rückseite unbearbeitet. Die Schrift sehr regelmäßig, die Buchstaben sorgfältig gearbeitet. Maße: Höhe: (max.) 20,5 cm; Breite: (max.) 21 cm; Tiefe: (max.) 13 cm. Zeilenabstand: (exakt) 2,8 cm. Buchstabenhöhe: 3–3,5 cm (nach unten hin abnehmend). Buchstaben: keine Besonderheiten. --------[Videris nobis] [senatus con-] [sultum igno-] [rare, qui si cum] [peritis contu-] [leris, scies se-] [natori populi] [Ro]ṃanị [necesse] [no]n esse iṇ[vito] [ho]spiteṃ [suscipere.] ------------App. crit.: Z. 1: In fine der untere Teil einer Längshaste. IAN Byrne – Labarre. Z. 2: I größer als andere Buchstaben; vom finalen N der linke Rest gegeben. NESSE IN Byrne – Labarre. Z. 3: [so]spiteṃ Byrne – Labarre (nach Ramsay). Datierung: 204 n. Chr.
Das Fragment war ursprünglich Teil eines Monuments, auf dem ein für Senatoren wesentliches Privileg festgehalten war. Am 31. Mai 204 wiesen die regierenden Augusti Septimius Severus und Caracalla in einem Schreiben auf ein nach wie vor rechtskräftiges senatus consultum hin, wonach kein Senator gegen seinen Willen zur Aufnahme von offiziellen Gästen verpflichtet werden dürfe. In der östlichen Reichshälfte haben sich mehrere Kopien dieser sacrae litterae auf Stein erhalten, teils vollständig, teils fragmentarisch, sowohl lateinisch als auch in griechischer Übersetzung20. Sieht man von orthografischen Varianten oder Abkürzungen ab, lautet die lateinische Version des Reskripts folgendermaßen: 20 Siehe den Überblick von Jones 1984, der Kopien von Paros, dem lydischen Satala, der phrygischen Pentapolis, von Ankyra, Ephesos, (wohl) Alexandreia Troas sowie Antiocheia ad Pisidiam auflistet bzw. bespricht. Vgl. Williams 1986, 194–198, Nr.6, sowie Oliver 1989, 488– 490, Nr.256 A–B. Eine wesentliche Ergänzung des in Ankara befindlichen exemplum bietet nun Mitchell 2016, inklusive einer Analyse zur Genese der griechischen Übersetzungen. Vgl. dazu Eich 2009, v.a. 286–288. Zur Bezeichnung sacrae litterae für dieses Reskript siehe Haensch 2007, 224, zur Definition des kaiserlichen Schreibens ausführlich Williams, l.c., zur Bedeutung dieser Bestimmung für den Senatorenstand einschlägig W. Eck in Drew-Bear – Eck – Herrmann 1977, 365–383.
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Sacrae litterae: Videris nobis senatus consultum ignorare, qui si cum peritis contuleris, scies senatori populi Romani necesse non esse invito hospitem suscipere. Datum pri(die) Kal(endas) Iun(ias) Romae, Fabio Cilone et Annio Libone consulibus21.
W. M. Ramsay gibt als Fundort des antiochenischen Fragments „Rue Grande, below foot of Scala Aug.“ sowie „from a baghtche“ (sc. bahçe) an. Auch wenn diese Informationen keine exakte Lokalisierung ermöglichen, können sie doch ein Beleg dafür sein, dass sich das Monument, wohl eine Stele22, im Zentrum von Antiocheia befunden hat. Zudem ist prinzipiell im Auge zu behalten, dass dieses in Stein gemeißelte Schriftstück ein Privileg für Senatoren festhielt, mithin lediglich für einzelne Bürger Antiocheias Relevanz hatte. Man kann also davon ausgehen, dass ein Senator der Kolonie das Monument mit den sacrae litterae bei seinem Haus errichtete, um so auch während seiner Abwesenheit mit Verweis auf seinen Status die Einquartierung ungebetener hospites in seinem Anwesen zu verhindern23. Die oben exempli gratia gebotene Rekonstruktion beschränkt sich auf den wesentlichen Teil der sacrae litterae von 204, die Einleitung sowie abschließende Datierung bleiben dabei ausgespart. Da am Stein [Ro]ṃanị (Z. 1) nicht in Abkürzung erscheint, wurden auch bei populi sowie senatus consultum keine Abbreviaturen ins Auge gefasst24. Zudem fand die zum Ende hin abnehmende Buchstabenhöhe Berücksichtigung. 5) Fragment (I. Antioche 239 auf Basis von Ramsay, Notebooks: 1926/27/28 – Nr.7) Der Kontext dieses Fragments muss in jeder Hinsicht offen bleiben. Zum Fundort bietet W. M. Ramsay lediglich den lapidaren Vermerk „Antioch“. Fragment aus weiß-grauem Kalkstein; der untere Rand original, ansonsten rundum gebrochen. Die Vorderseite weist Mörtelspuren auf. Erhalten haben sich Reste der beiden letzten Z. einer Inschrift.
21 Jones 1984, 94. 22 So auch Jones 1984, 98. 23 Hinsichtlich des ursprünglichen Standorts des Monuments ist ein Blick auf Ephesos aufschlussreich. Ebendort fanden sich Fragmente von zwei Abschriften dieser sacrae litterae, jeweils im Fundkontext zweier Wohnanlagen. Siehe I. Ephesos 207 f. (mit weiteren Hinweisen). Die Hauseigentümer werden mit dem Anbringen einer Kopie des kaiserlichen Schreibens wohl dieselbe Intention verfolgt haben wie die senatorische Familie in Antiocheia. Die Frage, wie viele Bürger Antiocheias 204 n. Chr. Mitglieder des Senats waren, lässt sich naturgemäß nicht genau klären. Siehe dazu einschlägig Halfmann 1982, 646, der für das beginnende 3. Jh. Flavonius Lollianus, P. Flavonius Paullinus sowie Gellius Maximus als (potentielle) aus Antiocheia gebürtige Senatoren anführt. 24 Die vollständige Version populi Romani findet sich lediglich in der antiochenischen Kopie des Schreibens, das nicht abgekürzte senatus consultum öfters. Siehe dazu die vergleichende Analyse von Jones 1984, 97 f.
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Maße: Höhe: (max.) 12,8 cm; Breite: (max.) 17,7 cm; Tiefe: (max.) 12,8 cm. Zeilenabstand: 2,2 cm. Buchstabenhöhe: 4 cm. Buchstaben: keine Besonderheiten -------------[ - - - - ] SAỊ . [ - - - ] [ - - - ] Larci[ - - - - ] App. crit.: Z. 1: In fine der untere Teil einer Längshaste, ev. ganz am Ende noch eine Serife (oder eine Verletzung am Stein? N?). Die Edition von Byrne – Labarre: SAI / LARCI. Datierung: Kaiserzeit
In der Buchstabenkombination LARCI ist wohl der Beginn des nomen gentile Larcius bzw. eine damit zusammenhängende Form wie Larcia oder Larcianus zu sehen. Bis dato ist zwar keiner dieser Namen für Antiocheia belegt25; gleichwohl lassen sie sich mit der Statthalterschaft von A. Larcius Macedo gut erklären. Dieser fungierte in hadrianischer Zeit als legatus Augusti Galatiens und entwickelte in der Region vielfältige Aktivitäten, wie vor allem an einer großen Zahl von Meilensteinen aus seiner Amtszeit ersichtlich wird26. Das Phänomen, wonach die Namen von Statthaltern naturgemäß bei deren Klienten weiterleben, ist aus vielen Städten des griechischen Ostens bekannt27. Die griechische Version des nomen gentile ist für das Territorium von Antiocheia bezeugt: südlich der ehemaligen Kolonie, im heutigen Çalti/Gelendost, fand sich die (undatierte) Weihung eines Λόκιος (sic!) Λάρκιος ΑΜ[...]θευς̣28.
25 Siehe dazu einschlägig Salomies 2006. 26 Zu A. Larcius Macedo grundlegend PIR2 L 98, Sherk 1951, 65 f., Rémy 1989, 148–150, Nr.110, sowie Marek 2010, 842 f. 27 Siehe dazu Salomies 2006, 94 (mit entsprechenden Beispielen aus Galatien). 28 Delemen 1999, 197, Nr.381 (mit Abb. auf Pl.23a).
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Christian Wallner
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DER PNEUMATIKER ARETAIOS UND EIN VEREHRER PLATONS AUS KAPPADOKIEN Mustafa Adak Unter den unlängst von Barış Emre Sönmez publizierten Skulpturen aus dem Museum von Nevşehir befindet sich auch der Torso einer weiblichen Figur, deren Höhe 147 cm misst.1 Sie ist im weit verbreiteten Typ der Pudicitia als sittsame, in ihr dickes Gewand gehüllte Matrone dargestellt. Berücksichtigt man den fehlenden Kopf und die abgeschlagenen Fußpartien, war die Marmorstatue annährend lebensgroß. Die Statue gelangte im Jahr 2003 als Schenkung der Dorfverwaltung von Akarca in das Museum. Sie dürfte in der näheren Umgebung dieses kleinen Ortes, der ca. 30 km nördlich von Avanos und ca. 50 km nordwestlich von Kayseri liegt, gefunden worden sein. Eine antike Siedlung ist in diesem Teil Kappadokiens nicht bekannt; die Gegend gehörte wahrscheinlich zum Territorium der Metropole Kaisareia. Sönmez datiert die Statue aus stilistischen Gründen in die zweite Hälfte des 2. Jh.s. n. Chr. Auf dem Schrittbein der Statue ist am Oberschenkel, wo die ansonsten dicken Falten zurückgesetzt sind, eine kurze Inschrift angebracht, die bis zum Knie reicht:
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Φλ. Ἀρεταῖος Εὐπατορίδι θυγατρὶ ὑπατικῇ.
Fl(avius) Aretaios der Eupotoris, seiner Tochter, von konsularem Rang.
Auch die Buchstabenformen sprechen nicht gegen eine Datierung der Statue in das 2. Jh. Epsilon und Sigma sind kursiv, Alpha und Delta oben mit einem verlängerten Strich gemeißelt. Insgesamt ist die Inschrift ordentlich ausgeführt. Das ist bemerkenswert, da die Steinmetzkunst in Kappadokien insgesamt wenig entwickelt war.2 1 2
Sönmez 2016, 1167 f. Nr. 1. Für Südkappadokien vgl. Berges – Nollé 2000, 511: „handwerklich wie auch ästhetisch auf einem niedrigen Niveau“.
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Als Stifter der Statue gibt sich ein Fl(avius) Aretaios zu erkennen, der nach seiner Nomenklatur zu urteilen, ein Einheimischer war. Er verfügte allerdings auch über das römische Bürgerrecht und dürfte zur provinzialen Oberschicht gezählt haben. Einen Hinweis auf seine soziale Stellung erhalten wir durch das Adjektiv ὑπατική, mit dem seine Tochter gekennzeichnet ist: (Flavia) Eupatoris war demnach mit einem Senator von konsularem Rang verheiratet. Aretaios selbst scheint allerdings nicht zum Senatorenstand gehört zu haben, da dies in der Inschrift sonst wohl vermerkt worden wäre.
Weitere Einzelheiten sind dem wenig mitteilungsfreudigen Text nicht abzugewinnen. Neben dem Fundort der Statue weisen auch die Namen des Stifters und seiner Tochter darauf hin, dass sie ihre Wurzeln in Kleinasien hatten. Der Frauenname Eupatoris soll die vornehme Abstammung verkünden.3 Die einzige bekannte Trägerin dieses Namens ist Tiberia Claudia Eupatoris Mandana Atticilla, die in Tralleis mit einer Statue geehrt wurde.4 Diese vornehme Frau, die Konsuln unter 3 4
Als Männername wurde Eupator auch in Kappadokien benutzt, s. Baz 2007, 210 Nr. 182. I. Tralleis 53: ἀγαθῆι τύχηι· | Τιβ(ερίαν) Κλαυδίαν Εὐπατορίδα Μανδάναν | Ἀττικίλλαν ὑπατικὴν | ἐγγόνην καὶ προεγγόνην. Vgl. PIR2 C 1092; LGPN VB, 165 s.v.
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ihren Vorfahren vorweisen konnte, stand wahrscheinlich in verwandtschaftlicher Beziehung zu Tib. Claudius Eupator aus Trapezunt. Bezeugt ist dieser Pontier durch die Ehrung seines Sohnes Tib. Claudius Montanus mit dem Aliasnamen Hesychios, der in Sparta in severischer Zeit ein Standbild erhielt.5 Wie seine Tochter führt auch unser Stifter einen äußerst seltenen Namen. Die bekannten Träger des Namens Aretaios sind schnell aufgezählt: Die erste historische Gestalt ist der Sohn des Platonschülers Dion von Syrakus. Laut Timaios wurde dieser Enkel des Tyrannen Dionysios I. nach seiner Mutter genannt, die Arete hieß (s. Anm. 35). Zudem erwähnt Lukian in seinem Dialog Toxaris (22) einen wohlhabenden Korinther Aretaios, der seinem Namen alle Ehren machte, weil er den testamentarischen Wunsch eines mittellosen Freundes, sich seiner Mutter und Tochter anzunehmen, vorbildlich erfüllte.6 Auf Inschriften des griechischen Mutterlandes begegnet Aretaios nur vereinzelt in Athen.7 Im kleinasiatischen Raum findet man ihn auf Inschriften der karischen Stadt Iasos, wo alle sechs Namensträger in die hellenistisch-frühkaiserzeitliche Zeit gehören, sowie auf einer kaiserzeitlichen Grabstele aus dem kappadokischen Komana.8 Schließlich ist aus der literarischen Überlieferung ein Arzt bekannt, der für seine pneumatischen Lehren berühmt war. Er ist durch Schriften zur Chirurgie, Fieber, Diabetes, Frauenkrankheiten und Pharmaka hervorgetreten. Aus seinem Œuvre ist ein Lehrbuch über Ätiologie und Symptome sowie über die Therapie von akuten und chronischen Krankheiten erhalten.9 Da dieser „archaizierend ionisch schreibende eklektisch-pneumatische Arzt“ aus Kappadokien stammte, nannte man ihn schlicht Aretaios „den Kappadokier“.10 Es soll zunächst geprüft werden, ob dieser Mediziner und der Stifter unserer Statue dieselbe Person sind. Das Leben und Wirken dieses Kappadokiers, der seine Werke aus Bewunderung zu seinem großen Vorbild Hippokrates im ionischen Dialekt schrieb, bleiben weitgehend im Dunkeln. Der Arzt wurde in der antiken Fachliteratur wenig zitiert. Das hat viele Gelehrten der Neuzeit verwundert, zumal Aretaios offensichtlich eine hohe Begabung für Beobachtung und Beschreibung pathologischer Phäno5
IG V 1, 504. Zur Verwandtschaft und Datierung s. Cartledge 2002, 167, der wegen der persischen Namenselemente zudem vermutet, dass Montanus und Eupatoris Mandana „may both have belonged to an old Pontic family with a royal pedigree.“ 6 Vgl. Kudlien 1963, 12. 7 LGPN II, 50 s.v. Ἀρεταῖος; vgl. auch LGPN VA, 59 wo auf eine Grabinschrift aus Athen verwiesen ist, auf der Arete und ihr Vater Aretaios aus Nikomedeia genannt sind. 8 Iasos: LGPN VB, 49 s.v. Ἀρεταῖος; Komana: Baz 2007, 207 Nr. 177 (s. unten bei Anm. 36). Zum Namen s. auch Kudlien 1963, 12 f. Dass Aretaios ein einheimischer kleinasiatischer Name sein soll, wie zuletzt von Grmek 2000, 2 vermutet, ist natürlich ein Irrtum. Er ist aus Arete gebildet, wie neben Plut. Dion 31 (s. Anm. 35) auch aus der in Anm. 7 genannten attischen Grabinschrift für Arete aus Nikomedeia hervorgeht. 9 Die maßgebliche Edition des acht Bücher umfassenden Werks findet sich in CMG II, ed. C. Hude (21958). Eine neue Teilausgabe mit Kommentar und französischer Übersetzung bei Grmek 2000. Zum Werk s. auch Kudlien 1963, 41 ff.; Oberhelman 1994, 959 f. mit Auflistung der nicht erhaltenen Schriften des Aretaios. 10 Zitat Kalbfleisch 1989, 120. Zum Beinamen ὁ Καππάδοξ und zur Herkunft s. Leopold 1989, 138.
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mene besaß und daher mehr Anerkennung verdient hätte.11 Nicht einmal die sich häufig wiederholenden Mutmaßungen, Aretaios habe in Alexandrien studiert und später in Rom praktiziert, können als gesichert gelten.12 Ebenso unsicher und umstritten bleibt seine zeitliche Einordnung.13 In seiner 1895 erschienen Untersuchung zur „Pneumatischen Schule“ hat der Philologe Max Wellmann wegen inhaltlicher Parallelen eine Abhängigkeit des Kappadokiers von Archigenes von Apameia postuliert und daher sein Wirken in das späte zweite bis dritte nachchristliche Jahrhundert datiert.14 Ernsthafte Zweifel an dieser Datierung äußerte Fridolf Kudlien, der u. a. darauf hinwies, dass Aretaios von dem unter Nero und den Flaviern wirkenden Dioskurides aus Anazarbos zitiert worden sei. Nach Kudliens Ansicht wirkte Aristaios vor dem „Modearzt“ Archigenes, der seinen Beruf unter Traian in Rom ausübte, und spielte bei der Wiederbelebung der pneumatischen Lehren eine wichtige Rolle. Daher müsse Aretaios seine Akme in der Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts gehabt haben.15 Bei einer genauen Überprüfung der Argumente Kudliens kam Steven M. Oberhelman zu dem Schluss, dass auch sie nicht stichfest sind. Es lassen sich keine durchschlagenden Einwände dafür finden, die Wirkzeit des kappadokischen Arztes in das 2. nachchristliche Jahrhundert zu setzen.16 Zuletzt hat Vivian Nutton erneut eine Datierung der Lebenszeit des Aretaios in das 2. Jh. vorgeschlagen und diesen zum älteren Zeitgenossen Galens erklärt. Zur Unterstützung seiner chronologischen Einordnung zieht Nutton u. a. die Geschichte eines Leprakranken heran, die sich in den Werken beider Mediziner findet.17 Galen hat die Geschichte zugleich in zwei seiner Schriften erzählt. Sie handelt von einem Mann, der in der Wildnis ausgesetzt wurde, weil er von der Elephantiasis befallen war. Dort fand er 11 Zur Rezitation des Aristaios in der Antike s. Kudlien 1963, 29; Oberhelman 1994, 946 und 958; Grmek 2000, 3. 12 Oberhelman 1994, 943 mit Verweis auf die ältere Forschung. Unseriös sind die Behauptungen in Laios et al. 2012, 109, Aretaios war „the greatest physician of Greco-Roman antiquity after Hippocrates, and at least the equal of Galen“ und „he studied medicine in Alexandria and practiced in Rome“. 13 Vgl. die kritischen Forschungsberichte von Kudlien 1963, 7–17 und Oberhelman 1994, 941– 966. 14 Wellmann 1895, 24–54; zur Datierung s. ebd. 63 f.; vgl. dens., RE II/1, 1895, 669 („lebte … in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts., war also ein Zeitgenosse des Galen“. 15 Kudlien 1963, 21 f. Kudlien stützt sich bei seiner Datierung v.a. auf eine irreparable Stelle bei Dioskurides (de simplicibus medicamentis 2, 119 ed. Wellmann Bd. III, Berlin 1914, S. 298, 16–19), in der Aretaios genannt wird. Doch scheint es sich hier um eine Interpolation aus späterer Zeit zu handeln, vgl. Oberhelman 1994, 947 f. Zur Beziehung zwischen Aretaios und Archigenes s. Kudlien 1963, 24–32; Oberhelman 1994, 955–957. 16 Oberhelman 1994, 953. Dennoch datiert auch er das Wirken des Aretaios in die Mitte bis zweite Hälfte des 1. Jh.s, weil Aretaios im Gegensatz zu den späteren Pneumatikern nicht eklektisch verfahren sei (Oberhelman 1994, 966). Kudliens Datierungsvorschlag wird inzwischen weitgehend akzeptiert; vgl. Flashar 1966, 75 f. (Mitte 1. Jh.); Deichgräber 1971, 5 („frühe Kaiserzeit“); Grmek 2000, 3; Roselli 2004, 163 (2. Hälfte des 1. Jh.s); Swain 2003, 57. 17 Aret. morb. chron. 4, 13.20 Hude; Gal. subf. emp. 10 (Deichgräber 1965, S. 75–79); Gal. simpl. 11 pr. Kühn XII, 312.
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Genesung, nachdem er vom Wein getrunken hatte, der kurz vorher von einer Schlange vergiftet worden war. Wahrscheinlich hat Galen, der seine Quelle verschweigt, die Geschichte von Aretaios übernommen. In der späteren Version behauptet Galen, dass sich die Geschichte in seiner Jugend in Kleinasien ereignet habe. „If Galen’s second version is correct, the case occurred in the 140s or 150s, and fixes Aretaeus’ lifetime around then“.18 Akzeptiert man trotz mancher Unsicherheiten Nuttons Datierung, lebten der Statuenstifter Flavius Aretaios und der homonyme Mediziner im zweiten Jahrhundert. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Herkunft aus derselben Provinz. Diese galt noch in der hohen Kaiserzeit als kulturell sehr rückständig.19 Den Bemühungen der kappadokischen Könige, ihr Land unter bewusster Hellenisierungspolitik zu urbanisieren, war nur wenig Erfolg beschieden.20 Bloß eine geringe Zahl an Siedlungen nahm die Grundzüge einer griechischen Polis an. Nach der unter Tiberius erfolgten Eingliederung Kappadokiens in den römischen Provinzverband schritt die Urbanisierung des Landes nur unerheblich voran, weil sie von den Römern kaum befördert wurde.21 Noch in der hohen Kaiserzeit ließ sich die Zahl der autonomen Gemeinden städtischen Charakters im kappadokischen Kernland an einer Hand ablesen.22 „Der größte Teil der Bevölkerung lebte weiterhin in befestigten oder offenen Dörfern, die das charakteristische Element der kappadokischen Siedlungsform waren und in denen die primitiven gesellschaftlichen Verhältnisse während der ganzen römischen Zeit mit nur sehr geringen Änderungen fortbestanden“.23 Das Desinteresse der römischen Autoritäten, die Urbanisierung des Landes zu fördern, hat sich wahrscheinlich auch negativ auf die Bürgerrechtspolitik ausgewirkt. Innerhalb der kappadokischen Elite dürfte die Zahl derer, die über das römische Bürgerrecht verfügten, selbst im 2. Jh. recht klein gewesen sein.24 Einen 18 Nutton 2013, 210 (vgl. dens., Art. Aretaios, DNP I, 1996, 1051 f.). Eine andere Bezugnahme Galens auf Aretaios ohne Nennung seines Namens postulierte bereits Kudlien 1963, 29. 19 Die kulturelle Rückständigkeit Kappadokiens wird in der Forschung immer wieder betont, s. etwa Magie 1950, 493; Teja 1980, 1119; Mitchell 1993, I 98 und II 86; Berges – Nollé 2000, 490; van Dam 2002, 13 f.; Vitale 2012a, 251 ff. 20 Dazu s. Robert 1963, 490 ff.; zuletzt Michels 2009, 334 ff., der eine „bewusste Hellenisierungspolitik“ der kappadokischen Könige annimmt. 21 Vgl. Berges – Nollé 2000, 491: „Für eine umfassende Urbanisierung fehlte es den Römern nicht nur an einem Konzept und Möglichkeiten, sondern an Interesse.“ 22 Für den Großraum Kappadokien gibt Plinius (nat. 6, 8–9) die Zahl der Städte mit neun an. Zum Urbanisierungsgrad Kappadokiens auf der Grundlage des modernen Wissensstandes s. zuletzt Vitale 2012a, 251. 23 Teja 1980, 1115; vgl. van Dam 2002, 24 f. 24 Die epigraphischen Belege für Kappadokier mit römischem Bürgerrecht sind nicht sehr zahlreich (Soldaten und Veteranen sind, soweit identifizierbar, nicht berücksichtigt): Iulius Asiaticus: Baz 2007, 73 (Komana); Iulius Ant(ius?) Mithras Appas: Baz 2007, 61 (Komana, ca. 80 n. Chr.); Ti. Iulius Damas: Baz 2007, 100 (Komana); Tib. Iulius Stratonikes: Baz 2007, 221 (Komana); Tib. Iulius Archelaos: Baz 2007, 73 und 221 (Komana); Iulius Erasistratos: Berges – Nollé 2000 Nr. 14 (Tyana); Ti. Claudius Aelianus Sosandros: Baz 2007, 66 und 67 (Komana); Claudius Philumenos: Baz 2007, 166 (Komana); Claudius Athenodoros: Berges –
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römischen Senator hat die Provinz erst am Ende desselben Jahrhunderts hervorgebracht.25 Ronald Syme führt die Ursache hierfür auf die kulturelle Rückständigkeit des Landes zurück: „first of all, the Cappadocians had to be educated. That is to say, they do not produce senators until they had produced sophists and rhetores.“26 In der Tat ist die Zahl von Rhetoren und Sophisten kappadokischer Herkunft in den beiden ersten nachchristlichen Jahrhunderten nicht groß.27 Wir wissen nicht, ob Flavius Aretaios das römische Bürgerrecht in persona erlangte oder ob es einem Vorfahren von einem flavischen Kaiser verliehen wurde. Bei einer Verleihung bereits unter den Flaviern würde man allerdings erwarten, dass sich einzelne Mitglieder der Familie in der zweiten oder dritten Generation als ritterliche Offiziere oder durch sonstige Posten im Reichsdienst hervortaten.28 Dies scheint allerdings nicht der Fall gewesen zu sein. Als pepaidomenos und Mediziner mit anerkannten chirurgischen Fähigkeiten hatte Aretaios sicher gute Voraussetzungen, mit der Hilfe eines einflussreichen Senators das römische Bürgerrecht zu erlangen. Hierfür lassen sich auch aus Kappadokien Beispiele finden. So geht etwa das römische Bürgerrecht des von Philostratos erwähnten Sophisten M. Acilius Diodotos, der aus der kappadokischen Metropole Kaisareia stammte, auf den Senator Mʼ. Acilius Glabrio Cn. Cornelius Severus (cos. 152) zurück.29 Aristeides (hier. log. 4, 100) hat diesen Acilius Glabrio, der zu Beginn
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Nollé 2000 Nr. 67 (Tyana, wohl. 3. Jh.); T. Flavius Iason: Grégoire 1909, 59 Nr. 31 (Kaisareia; die Inschrift Grégoire 1909 Nr. 38 mit der Erwähnung mehrerer Flavier gehört wohl in die Spätantike); T. Flavius Aelianus Apollonios: Baz 2007, 69 und 70 (Komana); T. Flavius Aelianus Iazemis und sein Sohn T. Flavius Aelianus Apollonas: Baz 2007, 187 (Komana); T. Flavius Aelianus Sokrates: Baz 2007, 188 (Komana); Flavius Asiaticus: Baz 2007, 184 (Komana); T. Flavius Koleis: Baz 2007, 186 (Komana); M. Iunius Archias: Baz 2007, 63 (Komana, ca. 130/31–136/37); Aelius Diodotos: Berges – Nollé 2000 Nr. 59 (Tyana); P. Percennius: Berges – Nollé 2000 Nr. 87 (Tyana); M. Valerius Apollonius: Berges – Nollé 2000 Nr. 91 (Tyana); Mettius Saturninus: Berges – Nollé 2000 Nr. 120 (Tyana); M. Agusius Urbanus: Baz 2007, 274 (Komana). Halfmann 1979, 58 f.; van Dam 2002, 54 f. Syme, in: Halfmann 1982, 650. Artemidoros aus Mazaka wurde in der frühen Kaiserzeit in Delphi εἰς προκοπὴν παιδίας καὶ λόγων geehrt (FD III 4, 59 mit Robert 1963, 476 ff.); der ältere Seneca (contr. 9, 29) nennt den Rhetor Glaukippos aus Kappadokien; der Sophist Pausanias von Kaisareia, Schüler des Herodes Atticus, lehrte in Athen und Rom (Philostr. soph. 2, 13); zu M. Acilius Diotodos, der im ausgehenden 3. Jh. in Pergamon geehrt wurde, s. u. Anm. 29; wohl im frühen 3. Jh. erhielt der Rhetor Aur. Athenaios aus Tyana aufgrund zahlreicher Siege in Ephesos das Bürgerrecht (I. Ephesos 4114). Vgl. zudem die Bemerkungen bei Philostrat (soph. 1, 21.5), wonach die Lehrtätigkeit Skopelians in Smyrna im frühen 2. Jh. auch Leute aus Kappadokien anzog. Anspielungen auf die Präsenz kappadokischer Ritter in Rom bei Martial (10, 76, 3) und Juvenal (7, 15); vgl. Halfmann 1979, 59; van Dam 2002, 54 f. Ansonsten lassen sich ritterliche Offiziere aus Kappadokien bisher nicht nachweisen; vgl. hierzu Devijver 1989, 362: „An insufficient degree of hellenisation can explain the absence of Cappadocians from the militiae equestres.“ Philostr. soph. 2, 27, 3 (617). Zu dessen Identität mit dem in Pergamon geehrten Sophisten M. Acilius Diodotos s. AvP VIII 3, 79 Nr. 35; Puech 2002, 228 f. Nr. 97. Zu Manius Acilius
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seiner Karriere als Militärtribun der leg. XV Apollinaris in Kappadokien gedient hatte, ebenfalls als „Sophisten“ bezeichnet. Bei der Frage, wer Aretaios zum römischen Bürgerrecht verholfen hat, bietet sich als möglicher Kandidat Flavius Arrianus aus Nikomedeia an, der von 131/32 bis 137/38 als legatus Augusti mit konsularem Rang die Provinz Kappadokien verwaltete. In seiner Ehrung aus Komana wird er eusebestatos kai dikaiotatos hegemon bezeichnet.30 Arrian und Aretaios verbindet die Vorliebe für das Ionische, der Senator aus Bithynien schrieb seine Indike ebenfalls in diesem Dialekt.31 Es ist denkbar, dass während der langen Statthalterschaft Arrians in Kappadokien eine Freundschaft zwischen diesen beiden der griechischen Paideia verpflichteten Gelehrten entstand.32 Lukian hat bekanntlich solche Zeitgenossen, die im unzeitgemäßen und künstlichen Ionisch schrieben, verspottet. In seinem Werk „Wie man Geschichte schreiben soll“ wird ein Arzt kritisiert, weil er eine Geschichte der Partherkriege in einer unzulänglichen Stilmischung von Ionisch und Koine vorgelegt habe.33 Der Stifter unserer Statue scheint selbst nicht zum Senatorenstand gehört zu haben. Er konnte jedoch seine Tochter mit einem Mann aus dem Senatorenstand verheiraten, der später auch das Konsulat bekleidete. Verwandtschaftliche Beziehungen mit Angehörigen der Reichselite zu knüpfen, war dann möglich, wenn auch Aretaios ein hohes, über die Grenzen seiner Heimat hinausreichendes Ansehen besaß. Auch dies unterstützt die wahrscheinliche Identität des Flavius Aretaios mit dem Mediziner. Gerade weil er als Arzt und Gelehrter über die Grenzen seiner Heimatprovinz anerkannt war, dürfte er für einen Angehörigen der Reichselite als Schwiegervater akzeptabel gewesen sein. Ob dieser Senator ebenfalls aus Kappadokien oder aus einer anderen Provinz stammte, lässt sich freilich nicht beweisen. Auszuschließen ist jedenfalls Tib. Claudius Gordianus, der wahrscheinlich als erster Senator aus Kappadokien Ende des 2. Jh.s. das Konsulat erreichte. Er stammte aus Tyana und war mit einer Iulia Chionis verheiratet.34 Es lassen sich demnach mehrere Hinweise finden, die für eine Identität des Pneumatikers mit dem Stifter der Statue sprechen. Neben der Herkunft aus Kappadokien und der Seltenheit des Namens Aretaios sind dies das römische Bürgerrecht des Flavius Aretaios und seine hohe soziale Anerkennung innerhalb der Reichselite, die sich in der Verheiratung seiner Tochter mit einem Senator niederschlug. Absolute Gewissheit über die hier vorgeschlagene Identität lässt sich freilich nicht erzielen.
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Glabrio (cos. 152) s. Syme 1980, 427–444 (= Roman Papers III, 1316–1336); Rémy 1989, 267–269 Nr. 219; Puech 2002, 263–269; Mitchell 1993, Bd. II 86. Das Bürgerrecht erhielt wahrscheinlich der Vater des Sophisten Diodotos. Baz 2007, 105 Nr. 63. Weitere epigraphische Zeugnisse aus Kappadokien sind IGR III 111 (Sebastopolis) und möglicherweise MFO 5, 1911, 309 ff. (Kaisareia; s. Halfmann 1979, 147 [11]). Zur Person und Karriere Arrians s. Stadter 1980, passim; Syme 1982, 181 ff.; Ameling 1984, 119 ff.; Fein 1994, 176 ff.; Swain 2003, 242 ff.; Free 2015, 208 ff. Free 2015, 210; vgl. Swain 2003, 57. Zu Arrians Beziehung zu Hadrian s. Fein 1994, 176 f., 184. Lukian. hist. cons. 16; vgl. Free 2015, 11, 138 Anm. 166, 191 f. Halfmann 1979, 58 f. und 197 f. Nr. 130.
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Was man aber mit einiger Gewissheit sagen kann, ist, dass bereits die Vorfahren des Aretaios die griechische Paideia als ein Mittel zum sozialen Aufstieg erkannt haben. Dass sie als Angehörige der hellenisierten Oberschicht verstanden werden wollten, findet in der Wahl des besonders ausgefallenen Namens Aretaios einen deutlichen Niederschlag. Sie ist ein Bekenntnis zur griechischen Paideia, im Besonderen zur Philosophie. Dieses Anthroponym dürfte von den Eltern des Arztes bewusst gewählt worden sein. Ob bei der Namensgebung eine historische Persönlichkeit als Vorbild diente, bleibt allerdings ungewiss. Wenn ja, könnte man an den Syrakusaner Aretaios, Sohn des Platonschülers Dion denken, den Platon in einem Brief erwähnt.35 Die Namen Aretaios und Dion kommen zudem auf einer kaiserzeitlichen Grabinschrift aus dem kappadokischen Komana vor. Die Namensträger sind zwei Brüder: Ἀρεταῖος | τῷ φιλτάτῳ | Δίωνι ἀδελφῷ | μνήμης χάριν.36 Hier ist wohl kaum an einen Zufall zu denken, sondern die Anthroponyme sind als Reminiszenz zu Platon aufzufassen. Als Personenname kommt im kappadokischen Raum auch Sokrates besonders häufig vor, während man vereinzelt auch Platon begegnet.37 Auch sie sind ein klares Bekenntnis dafür, dass viele Kappadokier als Angehörige der griechischen Kultur verstanden werden wollten. Anhand von Anthroponymen kann man bis zu einem gewissen Grad den Eifer mancher Kappadokier nachvollziehen, sich als Angehörige der griechischen Kultur zu präsentieren und darüber hinaus für sich Bildung zu beanspruchen. Dies soll im Folgenden an einer von den Ersteditoren nur knapp kommentierten Grabinschrift gezeigt werden, die wahrscheinlich aus Kaisareia stammt und im Museum von Kayseri aufbewahrt wird.38 Die Inschrift ist auf einer Stele eingemeißelt, deren sepulchraler Charakter u. a. durch den kurzen Dialog zwischen den Passanten und dem Toten deutlich wird. Errichtet wurde die Stele von einer Aurelia Iasonis, die sich als die Frau des Verstorbenen ausgibt, sowie von mehreren Personen unfreier Herkunft, die sich ebenfalls Aurelier nennen. Apollonios, der Verstorbene, hatte sich ihrer offensichtlich des Öfteren angenommen, denn sie stellten die Stele auch zur Bekundung ihrer Dankbarkeit auf. Sie bezeichnen den Toten als ihren Patron. Das Wortpaar γλυκύτατος – ἀσύνκριτος lässt ein durchaus nahes Verhältnis zwischen dem Toten und den ehemaligen Sklaven vermuten. Durch ihn hatten sie, vielleicht testamentarisch, ihre Freiheit erlangt. Aufgestellt war die Stele sicherlich am Grab des Apollonios. Der Einfachheit halber sei die Inschrift, die zu weiteren Überlegungen einlädt, und eine Photographie der Stele hier erneut abgedruckt: 35 Plat. epist. 8 (355 e 5) erwähnt ihn, allerdings ohne Namen. Der Name ist überliefert bei Plut. Dion 31, der sich auf Timaios beruft. Nach Timonides, der ebenfalls von Plutarch zitiert wird, hieß Dions Sohn allerdings Hipparinos. Wahrscheinlich führte er beide Namen, falls es sich nicht um einen Bruder des Hipparinos handelt; vgl. Nails 2002, 168 s.v. Hipparinus III. 36 Baz 2007, 207 Nr. 177 (2. Jh. n. Chr.). 37 Sokrates: Takmer et al. 2006, 174 Nr. 3 (Kaisareia); Baz 2007, Nr. 122; 275; 276; 277; 289 (Komana); Berges – Nollé 2000, 188 Nr. 9; 191 Nr. 12a; 193 Nr. 15; 250 Nr. 84 (Südkappadokien); Sokratia: Baz 2007 Nr. 278; Platon: Berges – Nollé 2000, 213 Nr. 35 (Tyana). Vgl. inzwischen auch die Belege in LGPN VC. 38 Takmer et al. 2006, 173 f. Nr. 2 (= AE 2006, 1548; SEG 56, 1809).
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Αὐρ. Ἰασονὶς ἡ γυν[ὴ] καὶ Αὐρήλιοι Ἀντίοχος καὶ Ἀλκιβιάδης καὶ Δίων καὶ Αἰλιανὸς καὶ Κτησίας ἀπελεύθεροι Ἀπολλων[ί]ῳ τῷ γλυκυτάτῳ καὶ ἀσυνκρίτῳ πάτρωνι εὐχαριστήριον. «Ἑλλήνων πρώτε Ἀπολλώνιε χαῖρε·» «χαῖρε παροδῖτα», λέγω.
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Aur(elia) Iasonis, Ehefrau, und die Aurelier Antiochos und Alkibiades und Dion und Ailianos und Ktesias, Freigelassene (stellten dies auf) für Apollonios, dem liebsten und unvergleichbaren Patron, als Dankesbeweis. „Der Hellenen Erster Apollonios, sei gegrüßt!“ „Sei gegrüßt, Wanderer!“ sage (auch) ich.
Der Schriftform nach zu urteilen stammt die Stele entweder aus dem 2. oder dem frühen 3. Jh. n. Chr. Eine Datierung in die Zeit nach der Constitutio Antoniniana wird durch den Aureliernamen nahegelegt, den die Gattin und Freigelassene des Apollonios tragen. Bei Apollonios wurde er wahrscheinlich bewusst weggelassen, um dessen Prädikat als Ἑλλήνων πρῶτος nicht mit einem römischen Namen zu belasten. Das Kreuz im Giebelfeld ist sicherlich später von Christen angebracht worden. Ursprünglich war das Giebelfeld mit drei Rosetten ausgeschmückt. Die obere Rosette wurde bei der Einmeißelung des Kreuzes nahezu vollständig abgeschlagen (Teile sind allerdings am Stein noch sichtbar), während die Rosetten an den unteren Enden unangetastet blieben. Ein Christ kann der Verstorbene auf keinen Fall gewesen sein, da seine Bezeichnung Ἑλλήνων πρῶτος ein klares Bekenntnis zur hellenisch-paganen Lebensweise zum Ausdruck bringt. Der dem Toten attestierte Ausdruck Ἑλλήνων πρῶτος verdient eine nähere Betrachtung. In der literarischen Überlieferung begegnet er zunächst bei Aelius Aristeides. Als dieser zwecks Freistellung von kommunalen Ämtern im März 153 den Prokonsul C. Iulius Severus in Smyrna aufsuchte, lobte ihn dieser angeblich mit den Worten πρῶτον Ἑλλήνων εἶναι καὶ ἄκρον ἐν λόγοις, um der hervorragenden Bildung und den rhetorischen Fähigkeiten des Aristeides seinen Respekt zu erweisen.39 Dieselben Absichten lassen sich auch bei Libanios erkennen, als
39 Aristeid. 50, 87: πλεῖστα δὲ καὶ μέγιστα ἐπιστείλαντος αὐτῷ περὶ τῶν λόγων τῶν ἐμῶν Παρδάλου τοῦ ἡμετέρου μὲν ἑταίρου, ἐκείνῳ δ᾽ οἰκείου καὶ συνήθους ἐκ παίδων, ἐπειδὴ καὶ ταύτην ἔλαβε τὴν ἐπιστολὴν καὶ διῆλθεν ἀμφοτέρας, οὐδεὶς, ἔφη, ζητεῖ περὶ τῶν λόγων, ἀλλ᾽ ἕτερόν ἐστι πρῶτον Ἑλλήνων εἶναι καὶ ἄκρον ἐν λόγοις, οὕτω γὰρ ὠνόμασε, καὶ ἕτερον διατρίβειν ἐπὶ τούτῳ καὶ μαθητὰς ἔχειν. Zur Stelle vgl. die wichti-
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dieser zwei Jahrhunderte später in einem Brief an den von ihm bewunderten Sophisten Demetrios von Tarsos diesen mit demselben Titel ansprach.40 Dieses Lob gehört in beiden Fällen in die Privatsphäre, hat also keinen offiziellen Charakter (s. unten). Auch bei unserem Mann aus Kappadokien darf man voraussetzen, dass er ein Intellektueller und mit der griechischen Paideia vertraut war. Hierüber geben die Namen seiner für die Aufstellung seiner Grabstele verantwortlichen Freigelassenen bis zu einem gewissen Grad Aufschluss. Sie hießen Alkibiades, Dion, Ktesias, Ailianos und Antiochos, tragen demnach überwiegend gute griechische Namen. Während Antiochos ein weit verbreitetes Anthroponym war, kommen Alkibiades, Dion, Ailianos und Ktesias in den später hellenisierten Regionen Kleinasiens, zu denen auch Kappadokien gehörte (s. o.), selten vor. Für Ktesias und Alkibiades sind die Belege sogar äußerst rar.41 Bei der Wahl der Namen seiner Sklaven scheint der Besitzer – es kommt am ehesten Apollonios selbst in Betracht – sehr bewusst und mit bestimmten Absichten vorgegangen zu sein. Ein mit der griechischen Bildung einigermaßen vertrauter Kappadokier des ausgehenden 2. bzw. frühen 3. nachchristlichen Jahrhunderts konnte über die Namen der Sklaven des Apollonios leicht eine Verbindung zur klassischen Literatur und hier besonders zu Platon herstellen. Hierfür sind vor allem die Namen Ktesias, Dion und Alkibiades ausschlaggebend. Der in Kleinasien nur vereinzelt belegte Name Alkibiades ist ohne Zweifel dem athenischen Politiker des ausgehenden 5. Jahrhunderts entlehnt. Dass Platon ihn verehrte, ist gut bekannt. Beide gehörten zum Kreis des Sokrates. Platon hat den außergewöhnlichen athenischen Politiker nicht nur in seinen Dialogen mehrmals erwähnt, sondern ein eigenes Werk über ihn verfasst. Platons Alkibiades „was widely read in antiquity as the very best introduction to Plato.“42
gen Bemerkungen von Boulanger 1968, 178 f. Zum Fall s. ausführlich Meyer-Zwiffelhofer 2002, 120 ff.; Dalla Rosa 2012, 271 ff. Der Prokonsul selbst war offizieller Inhaber des Titels πρῶτος Ἑλλήνων, der ihm während seiner Archierosyne vom galatischen Koinon im Jahr 114 verliehen worden war (I. Ancyra 72, 73, 78 und 79; die beiden letzten Ehrungen zeigen, dass seine Gattin Claudia Aquilla im selben Kontext mit dem Titel θυγάτηρ τῆς μητροπόλεως ausgezeichnet wurde). Interessant ist an dieser Geschichte, dass Severus als Träger des ihm vom galatischen Koinon offiziell verliehenen Titels diesen in einer inoffiziellen Weise benutzt, um die rhetorische Begabung und Bildung des Petenten Aristeides zu zollen. Aristeides selbst dürfte nicht gewusst haben, dass der Prokonsul seit nahezu vier Jahrzehnten diesen Titel besaß. 40 Lib. epist. 606, 1 (Förster): Σὺ μὲν ἐπ᾽ ἐλέγχῳ τὴν ἐπιστολὴν ἔπεμψας, ὡς ἄρα μείζω σοι τῶν ὄντων ἔδωκα πρῶτον Ἑλλήνων εἰπών· ἡ δὲ λαμπρὰν ἧκε φέρουσα μαρτυρίαν, ὡς οὐκ ἄλλο τι χρῆν ἢ τοῦθ᾽ ὅπερ εἶπον εἰπεῖν. Zum Adressaten s. Seeck 1906, 117–119. 41 Ktesias: Außerhalb Kariens sind in LGPN VA nur 3 Personen aus Ephesos, Lydien und Sinope erfasst. Für Alkibiades enthält LGPN VA 12 Personen aus Bithynien, Ionien, Lydien, Mysien und der Troas und LGPN VB 5 Personen aus Karien. 42 Zitat Denyer 2001 (Buchumschlag). Die antiken Belege zum Verbreitungsgrad des Dialogs sind zusammengetragen bei Carlini 1964, 401–403 und Segonds 1985, Bd. I, x–xxi.
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Dion, der zweite Sklave des Apollonius, ist nach dem berühmten Schwiegersohn des Dionysos I. von Syrakus benannt, an dessen Hof sich Platon bekanntlich einige Jahre aufhielt. Zum Bildungsgut der Kaiserzeit gehörte auch das Wissen über Platons Bemühungen, Dion zum idealen Herrscher zu erziehen.43 Als der Kappadokier einen seiner Sklaven Ktesias nannte, hatte er sicher den knidischen Politiker und Schriftsteller, einen Zeitgenossen Platons, vor Augen. Als Verfasser der offensichtlich viel gelesenen Persika galt Ktesias im 4. Jh. v. Chr. und darüber hinaus „als der Autor für die orientalische Geschichte schlechthin“.44 Auch Platon hat ihn gelesen. Als Verfasser der Persika dürfte Ktesias auch von der kappadokischen Bildungselite hoch geschätzt worden sein, zumal die kappadokischen Könige ihren Stammbaum auf Kyros zurückführten.45 In den erhaltenen Teilen seines Werks wird auch Kappadokien mehrmals berührt.46 Die Brücke zur zweiten Sophistik wird durch Ailianos geschlagen. Als Pate stand wahrscheinlich der zeitgenössische römische Sophist Claudius Aelianus, der als Vertreter der Buntschriftstellerei große Popularität genoss. Der Römer wurde von dem Kappadokier Pausanias erzogen, der seinerseits ein Schüler des Herodes Atticus war. Vielleicht bei Pausanias erlernte Aelianus sein perfektes und von vielen geschätztes Attisch, das laut Philostrat so rein war, wie man es nur im Innern Attikas vorfand.47 Wahrscheinlich ist er mit dem bei Porphyrios erwähnten „Pythagorisierenden Platoniker“ Ailian identisch, der ein zweibändiges Werk zu Platons Timaios verfasste.48 Sowohl die Tatsache, dass er einen Kappadokier zum Lehrer hatte, als auch der Umstand, dass er sich mit Platon beschäftigte, könnten Apollonios dazu bewegt haben, einen Sklaven nach dem römischen Zeitgenossen zu benennen. Schwieriger ist es, das Vorbild für den Namen Antiochos zu bestimmen. Unter der Annahme, dass auch hierfür ein Intellektueller als Vorbild fungierte, der direkt oder indirekt mit Platon in Beziehung stand, ist an den späthellenistischen Philosophen Antiochos von Askalon zu denken. Dieser hat sich bekanntlich nach einem Streit mit Philon von der skeptischen Akademie gelöst und gründete eine eigene Schule, die er die „Alte Akademie“ nannte (Cic. ac. 2, 70). Er bemühte sich um einen Ausgleich mit der Stoa. Als solcher hat er die Freundschaft des
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Heute herrscht Einigkeit darüber, dass der Verfasser des ersten Dialogs Platon war, während der zweite Dialog als unecht angesehen wird. Über die Beziehung zwischen Platon und Alkibiades s. Gribble 1999, 215–262. Zum Verhältnis zwischen Platon und Dion s. Trampedach 1994, 102 ff.; vgl. auch Nails 2002, 10 ff. (Alkibiades), 129 ff. (Dion). Zitat Högemann, s. v. Ktesias, DNP 6, 1999, 875: „Isokrates, Platon und Aristoteles lasen ihn, Theopompos wollte mit ihm konkurrieren, Ephoros, Herakleides von Kyme und Dinon haben ihn benutzt oder fortgesetzt.“ Michels 2009, 16 f.; zum iranischen Einfluss in Kappadokien s. Robert 1963, 515 ff. Zu Ktesias und seinem Werk s. König 1972 und neuerdings Llewellyn-Jones – Robson 2009. Philostr. soph. 2, 31, 1. Dörrie – Baltes 1993, 217; R. Goulet, Le Dictionnaire des philosophes antiques I, Paris 1989, 78.
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Lucullus gewonnen und wurde von Cicero verehrt.49 Vielleicht ist ihm von der Zweiten Sophistik als Erneuerer der Akademie eine gewisse Bedeutung beigemessen worden, was auch seinen Ruf bei einem kappadokischen Intellektuellen des frühen 3. Jahrhunderts erklären würde.50 Bei der Wahl der Namen seiner Sklaven ist der Besitzer offensichtlich von seiner Liebe zur klassischen paideia und besonders zu Platon geleitet worden. In den Namen kommt ein klares Bekenntnis zum Hellenentum zum Ausdruck. Auf die Frage, ob Apollonios selbst diese Namen gewählt hat, lassen sich in der Inschrift manche Anhaltspunkte finden. Auffällig ist zunächst, dass die ehemaligen Sklaven des Apollonios ihn mit γλυκύτατος und ἀσύνκριτος ansprechen, ein Wortpaar, das in der Inschriftensprache gewöhnlich im familiären Kontext gebraucht wird. Ungewöhnlich und erklärungsbedürftig ist darüber hinaus der Umstand, dass der Grabstein von der Gattin des Apollonius und von seinen Freigelassenen gemeinsam gesetzt wurde. Für eine frei geborene Dame aus der Oberschicht wäre eine solche Handlung als anstößig empfunden worden. Die „guten Sitten“ hätten vielmehr verlangt, dass sie das Grabmal entweder allein oder mit ihren Kindern, die aus der gemeinsamen Ehe mit dem Verstorbenen hervorgegangen waren, setzte. Daher könnte man annehmen, dass auch Aurelia Iasonis von unfreier Herkunft war und die Beziehung zum Verstorbenen in einer Art Konkubinat bestand. Sie setzte das Grabmal des Apollonios gemeinsam mit dessen Freigelassenen wohl deshalb, weil diese wahrscheinlich aus der gemeinsamen Verbindung hervorgegangen waren. Dass sie ihn nicht als pater, sondern als patronus bezeichneten, dürfte sich daraus erklären, dass sie keine legitimen Nachkommen des Apollonios waren.51 Nach den obigen Vermutungen darf man folgern, dass Apollonios seine im eigenen Haus geborenen Sklaven mit Namen ausstattete, die ihm als bedeutend erschienen. Seine offensichtliche Vorliebe für die klassische Literatur und Bildung, die sich sowohl im Namen seiner Freigelassenen als auch in seiner Bezeichnung Ἑλλήνων πρῶτος widerspiegelt, lässt daran denken, dass er in der Oberschicht seiner Heimatstadt Kaisareia einen guten Ruf als pepaidomenos genoss.52 Allerdings würde es wohl zu weit führen, in ihm einen berufsmäßigen Sophisten zu sehen. Gerne wüsste man, wie die Bezeichnung des Apollonios, „erster unter den Griechen“ zu sein, aufzufassen ist. Der Begriff πρῶτος Ἑλλήνων lässt sich auf Grab- und Ehreninschriften aus dem kleinasiatischen Raum und aus Makedonien
49 Vgl. etwa Cic. Brut. 315 (nobilissimus et prudentissimus philosophus); Plut. Luc. 4 und 113; leg. 1, 54; Testimonia und Fragmente: Mette 1986/1987, 23–63. 50 Plut. Cic. 4, 1–4; Luc. 28, 8 und 42, 3 f.; Brut. 2, 2 f.; Ail. var. 12, 55. Vgl. Glucker 1978; Barnes 1989, 51–96. 51 Die zweite Möglichkeit, in den Freigelassenen im Hause erzogene threptoi des Apollonios und der Iasonis zu sehen, die keine eigenen Kinder hatten, erscheint mir wenig wahrscheinlich. In diesem Fall würde man eher ihre Adoption durch Apollonius erwarten. 52 Zur engen Verbindung zwischen Hellene und Bildung s. Schmitz 1997, 39–66; 175 ff., bes. 179 f.
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bisher insgesamt für acht Personen fassen.53 Die Träger des Titels waren in nahezu allen Fällen Mitglieder des jeweiligen Provinziallandtags und hatten in diesem Gremium hohe Ämter bekleidet. Dass die offizielle Bezeichnung πρῶτος Ἑλλήνων τῆς ἐπαρχίας lautete, geht aus einer unlängst veröffentlichten Privatehrung aus Mygdaonien hervor.54 Sie bestätigt auch, dass die Ergänzung [τῶν] Ἀσίας Ἑ[λλήνων] πρῶτον, die Peter Herrmann und Hasan Malay an einer fragmentarischen Ehrung aus Saittai vorgenommen hatten, zutrifft.55 Der πρῶτος Ἑλλήνων ist weiteren, vom Koinon vergebenen Ehrentiteln wie πρῶτος (τῆς) ἐπαρχίας,56 πρῶτος τοῦ ἔθνους, πρῶτος Ἀσίας, υἱὸς τοῦ Πόντου, υἱὸς Μακεδόνων, πατὴρ τοῦ συνεδρίου an die Seite zu stellen. Auffällig ist allerdings, dass er im Vergleich zu den eng verwandten Titeln πρῶτος τῆς ἐπαρχίας und πρῶτος τοῦ ἔθνους mit insgesamt acht Namensträgern, die sich zudem auf drei Jahrhunderte verteilen, relativ gering ist. Die Akzentuierung auf das Wort „Hellene“ hat unlängst Marco Vitale in Anlehnung an Christian Marek durch den Verweis auf den bipolaren Charakter des Landtagssystems zu erklären versucht. Die Provinziallandtage setzten sich einerseits aus den Hellenen der Provinz, die die Poleis repräsentierten, andererseits aber aus den außerhalb des Polissystems stehenden peregrinen Provinzialen zusammen.57 Die griechischen Poleis wurden im Landtag jeweils von einem anderen Amtsträger vertreten, den Vitale mit dem in Bithynien und Galatien belegten Helladarchen identifiziert. Πρῶτος Ἑλλήνων sei demnach eine Ehrenbezeichnung für ausgediente Helladarchen gewesen58, während die die restliche Provinzbevölkerung repräsentierenden Landtagsvorsitzenden in den jeweiligen Eparchien Bithyniarch, Galatiarch, Armeniarch etc. hießen. Eine endgültige Beweisführung für diese These scheint mir allerdings noch auszustehen. Es ist durchaus möglich, dass auch Apollonios die Bezeichnung πρῶτος Ἑλλήνων als Ehrentitel vom kappadokischen Landtag erhielt.59 Dass er durchaus wohlhabend und somit in der Lage war, auf Provinzebene Ämter zu bekleiden, lässt sich daran ersehen, dass er der Besitzer mehrerer Sklaven war. Dennoch ist 53 1) Gaius Iulius Xenon: TAM V 2, 1098 (Thyateira; spätes 1. Jh. v. Chr.); 2) Iulius Patruinus: IGR III 132 (Nikopolis/Armenia Minor; Ende 1. Jh.); 3) C. Iulius Severus: I. Ancyra 72–73, 78–79 (Ancyra, 114 n. Chr.); 4) Tib. Claudius S/Z--: Herrmann – Malay 2007, 69 Nr. 44 (Saittai, 2. Jh.); 5) Chrysogonos: I. Klaudiupolis 16 = SGO II, 243 Nr. 09/09/08 (Klaudiupolis; 2. Jh.); 6) Ein Unbekannter aus Nikomedeia: TAM IV 332 (ca. 3. Jh.); 7) [Ae]lius Nikopolianos: Nigdelis – Lioutas 2009, 104 (Mygdaonien; ca. 225–250 n. Chr.); 8) Marcellus: SEG 56, 1692/2 (Antiocheia in Pisidien; 3. Jh.). Eine unvollständige Auflistung bei Vitale 2012b, 159 f. 54 Nigdelis – Lioutas 2009, 104: πρῶτος Ἑλλήνων τῆς ἐπαρχίου (statt ἐπαρχίας). 55 Herrmann – Malay 2007, 69 Nr. 44; vgl. Vitale 2012b, 164. 56 Die Ernennung eines πρῶτος ἐπαρχίας durch das Koinoboulion ist in I. Prusias 47 explizit erwähnt. Dort sind S. 116 einige Belege zusammengestellt. Der Titel wurde bisweilen auch Frauen verliehen: I. Ancyra 80 (πρώτη τῆς ἐπαρχίας). 57 Vitale 2012b, 179. 58 Vitale 2012b, 176; vgl. auch Heller 2007, 215 ff. sowie SEG 57, 2142. 59 Die spärlichen Belege zum kappadokischen Koinon sind neuerdings zusammengetragen bei Vitale 2012a, 249 ff.
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nicht ausgeschlossen, dass sich der Ausdruck, wie bei den oben zitierten Stellen aus Aristeides und Libanios, als allgemeines Lob auf die überdurchschnittliche Bildung des Apollonios bezog, zumal in seiner Grabinschrift konkrete Hinweise auf die Übernahme von Bundesämtern fehlen. Hingegen wird in dem Grabepigramm des Chrysogonos aus Klaudiupolis mit den Worten [π]ρῶτον ἐν πάτρῃ | καὶ ἔθνει Βιθυνίδος ἀρχῆς, | πρῶτον ἐν Ἕλλησιν auf seine Ernennung zum Vorsitzenden des bithynischen Landtags deutlich Bezug genommen.60 Welchen Eindruck Apollonios mit der Nennung seiner Sklaven nach historischen Persönlichkeiten, die teilweise mit Platon verbunden waren, bei den übrigen Kappadokiern hinterließ, lässt sich nicht mehr ausmachen. Da Platon jedoch als Inbegriff der griechischen paideia galt, war er für viele, die Bildung vorweisen wollten, ein vorzüglich geeigneter Bezugspunkt.61 Dies offenbart sich etwa in der weit verbreiteten Sitte, bei Gastmählern Sklaven platonische Dialoge szenisch aufführen zu lassen.62 Athenaios berichtet von einem reichen Römer, der seine Köche beim Auftragen der Speisen Platons Timaios rezitieren ließ. Die meisten Gäste waren so gelangweilt, dass sie weitere Einladungen des Römers abwiesen.63 Apollonios wollte von seinen Mitbürgern als Bewunderer Platons gesehen werden. Wie verhält es sich aber mit dem Pneumatiker Aretaios? Auf seine bis zur Imitation reichende stilistische Nachahmung des Hippokrates wurde mehrfach hingewiesen.64 Aber auch der Umstand, dass „er homerisierte und Homerzitate in seine Darstellung einflocht“, macht ihn zu einer Ausnahme, da Homer in der medizinischen Literatur sonst nicht zitiert wurde.65 Auch die Wahl des Ionischen hat in dieser Gattung keine Parallele. Spielte bei seinen bewussten Rückgriffen auf Homer, Hippokrates und die ionische Kunstsprache seine kappadokische Herkunft eine gewisse Rolle? Vielleicht wollte er mit diesen hohen Ansprüchen, die er sich und seinem Werk stelle, bis zu einem gewissen Grad die weit verbreiteten Vorurteile gegen die Kappadokier als ungebildete „Hinterwäldler“ kompensieren.66 Zumindest kann man an der Gestalt des Aretaios und des Apollonios deutlich fassen, dass in der Kaiserzeit ein Teil der kappadokischen Oberschicht einen hohen Grad an Hellenisierung erreichte.67 Beide stammten wahrscheinlich aus Kaisareia; diese Stadt entwickelte sich Dank des Interesses ihrer Bevölkerung an der griechischen Bildung in der fortgeschrittenen Kaiserzeit allmählich zu einer „Metropole 60 I. Klaudiupolis 16 = SGO II, 243 Nr. 09/09/08. 61 So lobt ihn etwa Dio von Prusa (36, 26) mit den Superlativen ἑλληνικώτατος und σοφώτατος. 62 Plut. symp. 7. 8,1 (711 c–d); vgl. Schmitz 1997, 49 Anm. 31. 63 Athen. 9, 28 381f–382a. 64 Dazu Kudlien 1963, 31; Deichgräber 1971, 5 ff.; Oberhelman 1974, 944 f. 65 Zitat Deichgräber 1971, 24. 66 Vorurteile: Alki. ep. 4, 17, 5; Philostr. soph. 2, 13; Anth. Pal. 11, 237, 238 und 436; Suda, s.v. τρία κάππα κάκιστα; vgl. Teja 1980, 1119 f.; Berges – Nollé 2000, 490; 510; van Dam 2002, 13. 67 Eine von L. Robert mehrmals angekündigte Studie „sur l’hellénisation de la Cappadoce“ ist nie erschienen (Robert 1963, 495 Anm. 2; vgl. Drew-Bear 1991, 145 Anm. 83). Eine detaillierte Untersuchung zum Thema steht noch aus.
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der Beredsamkeit“, wie verschiedene Bemerkungen bei Eusebius (Vit. Const. 4, 43, 4) und bei den kappadokischen Kirchenvätern Gregor von Nazianz (or. 43, 13) und Basileus d. Gr. (ep. 76) verdeutlichen.68 Bibliographie W. Ameling, L. Flavius Arrianus neos Xenophon, EA 4 (1984) 119–122. J. Barnes, Antiochus of Ascalon, in: M.T. Griffin – J. Barnes (Hg.), Philosophia Togata I, Oxford 1989, 51–96. F. Baz, Die Inschriften von Komana (Hierapolis) in Kappadokien, Istanbul 2007. D. Berges – J. Nollé, Tyana. Archäologisch-historische Untersuchungen zum südwestlichen Kappadokien I–II (IK 55), Bonn 2000. A. Boulanger, Aelius Aristide et la sophistique dans la province d’Asie au IIe siècle de notre ère, Paris 1968. A. Carlini (Hg.), Platone: Alcibiade, Alcibiade Secondo, Ipparco, Rivali, Turin 1964. P. Cartledge, Hellenistic and Roman Sparta, London 2002. A. Dalla Rosa, Praktische Lösungen für praktische Probleme: Die Gruppierung von conventus in der Provinz Asia und die Bewegungen des Prokonsuls C. Iulius Severus (procos. 152/53), ZPE 182 (2012) 259–276. K. Deichgräber, Aretaeus von Kappadozien als medizinischer Schriftsteller (Abhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften 63,3), Berlin 1971. N. Denyer (Hg.), Plato: Alcibiades, Cambridge 2001. H. Devijver, The Equestrian Officers of the Roman Imperial Army, Amsterdam 1989. H. Dörrie – M. Baltes, Der Platonismus in der Antike III. Der Platonismus im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus, Stuttgart – Bad Cannstatt 1993. Th. Drew-Bear, Inscriptions de Cappadoce, Anatolia Antiqua 1 (1991) 131–149. S. Fein, Die Beziehungen der Kaiser Trajan und Hadrian zu den litterati, Berlin 1994. A. Free, Geschichtsschreibung als Paideia. Lukians Schrift „Wie man Geschichte schreiben soll“ in der Bildungskultur des 2. Jhs. n. Chr., München 2015. H. Flashar, Melancholie und Melancholiker in den medizinischen Theorien der Antike, Berlin 1966. J. Glucker, Antiochus and the Late Academy, Göttingen 1978. H. Grégoire, Rapport sur un voyage d’exploration dans le Pont et en Cappadoce, BCH 33 (1909) 3–169. M. D. Grmek (Hg.), Arétée de Cappadoce: Des causes et des signes des maladies aiguës et chroniques, traduit par R. T. H. Laennec, édité et commenté par M. D. Grmek, Genf 2000. H. Halfmann, Die Senatoren aus dem östlichen Teil des Imp. Romanum bis zum Ende des 2. Jh. n.Chr., Göttingen 1979. H. Halfmann, Die Senatoren aus den kleinasiatischen Provinzen, in: Epigraphia e ordine senatorio II (Tituli V), Rom 1982, 603–650. A. Heller, Hellénisme et primauté: remarques sur les koina d’Asie et de Bithynie sous l’Empire, in: P. Brun (Hg.), Scripta Anatolica. Hommages à Pierre Debord, Paris 2007, 215–236. P. Herrmann – H. Malay, New Documents from Lydia, Wien 2007. D. Gribble, Alcibiades and Athens. A Study in Literary Presentation, Oxford 1999.
68 Vgl. dazu B. Gain, Art. Kaisaeia (I), RAC 19, 2001, 1007. Ein Überblick zu den kappadokischen Sophisten des 4. Jhs. bei Métivier 2005, 336–341.
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ADOPTIONEN IN MILET – SPÄTHELLENISTISCHE FAMILIENSTRATEGIEN? Linda-Marie Günther Adoptionen sind ein gesellschaftliches Phänomen, bei dem eine – meist männliche – Person mit allen Rechten und Pflichten aus ihrer natürlichen Familie ausscheidet und in eine andere Familie mit gleichfalls allen Rechten und Pflichten aufgenommen wird. Dass dieses Phänomen in der Römischen Republik (und auch in der Kaiserzeit) verbreitet war, ist weithin bekannt und in der Forschung vielfach diskutiert worden.1 Dagegen ist die Annahme eines nicht eigenen Kindes an Sohnes oder Tochter statt – die hyothesia bzw. thygatropoiia – in ihren Erscheinungsformen in der griechisch-hellenistischen Poliswelt vergleichsweise weniger untersucht worden.2 Im Unterschied zur Überlieferung über die römischen – und die athenischen – Verhältnisse, die vornehmlich aus literarischen Zeugnissen besteht, ist für die hellenistische Zeit in erster Linie epigraphisches Material auszuwerten. Aus Milet, zu dem der mit diesem Beitrag Geehrte ein besonders enges Verhältnis hatte, stehen der Forschung so zahlreiche Inschriften wie sonst kaum von einer Polis – mit Ausnahme Athens – zur Verfügung, so dass sich die Frage, welche Beobachtungen sich in der ionischen Metropole für das Phänomen Adoption machen lassen, geradezu aufdrängt. Da zudem die Prosopographie Milets von Wolfgang Günther3 die Recherche außerordentlich erleichtert, soll im Folgenden die Adoption im (späthellenistischen) Milet anhand einiger Beispiele aus dem Komplex von ungefähr 40 Hyothesien, die bis zum Ende des 1. Jh. v. Chr. bekannt sind, behandelt werden. Eine Liste aller Adoptionen im hier genannten Zeitraum ist als Appendix angefügt. Gemeinsam war allem Anschein nach sowohl in Rom als auch in den griechisch-hellenistischen Poleis das elementarste Motiv einer Familie, einen ‚Fremden‘ an Sohnes statt aufzunehmen: Beim Fehlen eines eigenen männlichen Erben suchte die Familie mithilfe der Adoption ihren Fortbestand samt der gebotenen Rituale des Ahnenkultes zu sichern. Allerdings bezweckte im griechischen Kul 1 2 3
Vgl. Kunst 2005. Vgl. dazu Schmitz 2007, e.g. 23–25, 32–34 (zum klassischen Athen), 62 (zum hellenistischen Griechenland). – Immerhin liegen aufgrund aussagekräftiger Quellen Studien vor allem zu Athen und Rhodos vor: Harrison 1968, 82–96; Poma 1972, 169–305; Rice 1988, 138–143. Milet VI 4 – Ich danke meinem Mann sehr herzlich dafür, dass er mich großzügig ‚seine‘ Prosopographie im Manuskript hat benutzen lassen und stets für meine Fragen ein offenes Ohr hatte.
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Linda-Marie Günther
turraum die Gewinnung eines legitimen Erben zugleich wohl auch, die Besitzgrundlage innerhalb der verwandtschaftlichen Gruppe zu stabilisieren, jedenfalls wurde in der Regel als Adoptivsohn ein junger Mann aus der väterlichen Verwandtschaft an Sohnes statt angenommen.4 Dieser Aspekt hat in Rom schon deswegen keine Rolle gespielt, weil die innere Struktur der römischen gens und des griechischen oikos verschieden war, zumal hinsichtlich der Heiratspolitik. Bekanntlich durfte ein Römer – zumindest in republikanischer Zeit – keine mehr oder weniger nahe Verwandte ehelichen,5 während endogame Heiraten im griechischen Kulturkreis geradezu üblich waren. Nach Chr. Kunst ist die Adoption im antiken Rom eine soziale Strategie, eine Alternative oder auch Ergänzung zur Heiratspolitik und insofern vor allem ein Oberschichtenphänomen, als es bei der Gewinnung eines legitimen Erben nicht nur um die Gewährleistung existenzieller Kontinuität ging, sondern auch um die Steigerung von Sozialprestige durch soziale Bindungen zwischen Familien.6 Dies kann am Beispiel des L. Manlius Fulvianus, des ersten bekannten römischen Falles, verdeutlicht werden. Er war der natürliche Sohn des Q. Fulvius Flaccus, der als Vater dreier Söhne demjenigen Sohn, den er in die gens Manlia abgab, vermittels der Adoption eine größere Erbschaft habe verschaffen wollen, als sie in der eigenen Familie zu erwarten stand. Damit hätte er den beiden anderen Söhnen größere Chancen eröffnet, ein größeres Erbteil zu erhalten, nämlich je die Hälfte des aus seiner natürlichen Familie Eliminierten, und damit auch die Chance, das damalige Prestigeniveau der gens Fulvia zu erhalten. Indessen habe der Vorteil der adoptierenden patrizischen gens Manlia darin gelegen, mit dem gewonnenen Sohn aus einer prestigereichen Familie endlich zu größeren Würden aufzusteigen7 – tatsächlich wurde Manlius Fulvianus i. J. 179 Konsul, übrigens gemeinsam mit seinem leiblichen Bruder Q. Fulvius Flaccus. Kunst betont allerdings, dass es „gerade die politisch Erfolgreichen waren, die normalerweise ihre Söhne im höchsten gesellschaftlichen Stratum in Adoption gaben“ und damit die Adoption nicht primär ein Instrument für sozialen Aufstieg und Integration ‚neuer‘ Familien in die Nobilität gewesen zu sein scheint.8 Gab es in der griechisch-hellenistischen Polis-Welt eine vergleichbare ‚soziale Strategie‘ bei Adoptionen? Für Rhodos, wo rund 500 hyothesiai bezeugt sind, ist vermutet worden, dass in einzelnen Fällen auf den Wechsel in eine andere Familie ein markanter Karriereschritt eines Adoptierten folgen konnte, nämlich beim Zugang zum prestigereichen Priestertum für Athena Lindia und Zeus Polieus: 4 5
6 7 8
Schmitz 2007, 11, 20. Vgl. dazu Pol. 6, 11 a, 4: Eine verheiratete Römerin musste ihre und ihres Mannes Verwandten „bis zu den Vettern“ küssen, wenn sie ihnen am Tag erstmals begegnete; daraus ist zu schließen, dass ihre und ihres Ehemannes Verwandten bis zum Vetter hin nicht identisch waren: Vgl. Bettini 1992, 153–178; Martin 2002, 13–16 (wiederabgedruckt 2009, 363–366). Kunst 2005, 59. Kunst 2005, 61 f. – Nicht ventiliert wird dort, ob der Vater Fulvius Flaccus mit der Fortgabe des einen Sohnes an die gens Manilia eine Chancenmaximierung alle seine drei Söhne angestrebt haben könnte. Kunst 2005, 62.
Adoptionen in Milet
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Nach Chr. Blinkenberg9 kamen bei der Besetzung dieses sakralen Oberamtes die drei Phylen von Lindos in einem dreijährigen Turnus zum Zuge; eine mit einem Wechsel der Phylenangehörigkeit verbundene Adoption könnte ambitionierten Männern die Chance eröffnet haben, eher als im Turnus vorgesehen – bzw. bei entsprechender Konkurrenz in der ursprünglichen Phyle überhaupt – zum Zuge zu kommen. Es liegt freilich auf der Hand, dass nicht mit jeder Adoption ein Phylenwechsel verbunden und dass nicht jede hyothesia vom Streben nach dem Oberpriesteramt getragen war. E. Stavrianopoulou ist in ihrer feinen Studie zur Frauenadoption in Rhodos10 zu Ergebnissen gelangt, die auch für die Adoption von Männern in Rhodos und anderen Poleis gelten dürfen und daher für die Beschäftigung mit der Adoption in Milet bedeutsam sind: Die Beziehungen zwischen den Adoptierenden und den Adoptierten sind nicht erst durch die hyothesia oder thygatropoiia zustande gekommen; vielmehr bestanden schon lange vorher verwandtschaftliche bzw. innerfamiliäre Beziehungen.11 Auch ist zu betonen, dass nicht wenige Belege den Fortbestand enger Bindungen der Adoptierten an ihre Natalfamilie dokumentieren.12 Gemeinsam ist jeder Beschäftigung mit dem gesellschaftlichen Phänomen ‚Adoption‘ anhand epigraphischer Zeugnisse, dass nicht zuletzt durch die weitestgehende Unkenntnis über die Mütter13 von Adoptierten die Feststellung bzw. plausible Rekonstruktion prosopographischer Gegebenheiten, vor allem zur Art der Verwandtschaft zwischen Adoptivvätern und -söhnen, erschwert wird.14 Unsere fehlenden Kenntnisse über das Privat- und Erbrecht der betreffenden Polis in der jeweiligen Zeit kommen noch hinzu.15 Aufgrund der literarischen und rhetorischen Überlieferung aus dem klassischen Athen stellt sich die Auswahl des Adoptivsohnes aus dem Kreis der patrilinearen Verwandtschaft in Übereinstimmung mit dem testamentarischen Verfügungsrecht eines Bürgers ohne eigenen Sohn so ähnlich dar wie bei der Erbfolge im Fall des Fehlens von eigenen Erben und einem Testament:16 Das Erbe fiel zunächst an den Bruder des Verstorbenen oder dessen Söhne; gab es keine, waren die Söhne der Schwester an der Reihe, gab es auch diese nicht, die Brüder des 9 Blinkenberg 1941, 95 f.; vgl. Fraser 1953, 23–47. 10 Stavrianopoulou 1993, 177–188. 11 Stavrianopoulou 1993, 183; „Dies entspricht völlig dem privaten Charakter der Adoption und ihrer Stellung im Familienrecht, auch wenn die Kinderlosigkeit des Adoptivvaters als Hauptgrund für eine Adoption nicht als bewiesen gelten kann“ (l.c.). 12 Stavrianopoulou 1993, 184 f. 13 Zum ‚Beschweigen‘ der Frauen in ihren familiären Kontexten vgl. Günther 2014, 4, 6. 14 Stavrianopoulou 1993, 178: „Die Natur der Adoptionsbelege [...] (sc. lässt) also verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu, so daß eine zufriedenstellende Begründung des Umfangs des Phänomens noch immer aussteht.“ 15 Vgl. Schmitz 2007, 62: „Tatsächlich haben wir keine genaue Kenntnis über das Erbrecht bzw. die Erbpraktiken in hellenistischer Zeit. [...] Möglicherweise kam es [...] zu einer Schwächung der patrilinearen Besitzweitergabe [...].“ 16 Schmitz 2007, 33; „Eine Übertragung von Vermögen durch Testament geschah in aller Regel in Form einer Adoption [...]. In diesem Fall fielen testamentarische Verfügung und Adoption zusammen.“
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Vaters oder dessen Söhne oder Enkel, schließlich die Söhne oder Enkel der Schwester des Vaters. Fehlte es an solchen Personen, wurde treuhänderisch von einem Verwandten mütterlicherseits ein Erbe ernannt. Als konkretes Beispiel für die Schwierigkeiten, im Rahmen des skizzierten Modells17 die Verwandtschaft zwischen Adoptivvater und -sohn, eignet sich der Fall des Milesieres Lampitos, Sohn des Antipatros und Adoptivsohn des Iollas, der durch die Dedikationsinschrift einer um 100 v. Chr. Hermes geweihten Statue bekannt ist, die Lampitos Polygnotou gestiftet hatte.18 Die von der Namensgleichheit getragene Vermutung, dass der Stifter Lampitos der Großvater des Geehrten war, wird explizit bestätigt, denn der ältere Lampitos bezeichnet den jüngeren als seinen ὑϊδοῦς, Sohn seines Sohnes und ist somit der Vater des Antipatros. Hier wird evident, dass die Natalfamilie gute Beziehungen zu dem nun einer anderen Familie angehörenden Mann pflegte; allerdings bleibt uns – anders als den einstigen Zeitgenossen – unbekannt, ob Iollas ein engeres oder ferneres Mitglied der Familie des älteren Lampitos war19 oder etwa ein Angehöriger – Onkel, Bruder oder Vater – von Antipatros’ Gattin. Da wir ebenso wenig wissen, ob Iollas eigene und zum Zeitpunkt der Hyothesie noch lebende Söhne hatte, verbieten sich Hypothesen, ob er vermittels der Adoption seinen einzigen Erben erhielt oder ob er eine „Strategie des Prestige-Austausches“ betrieb. Die im Folgenden ausgewählten und zu diskutierenden Adoptionsfälle aus Milet20 unterscheiden sich von dem ‚schwierigen‘ Iollas dadurch, dass die familiäre Rekonstruktion aufgrund der verfügbaren prosopographischen Informationen jeweils hinreichend begründbar erscheint – hypothetisch bleiben die meisten freilich dennoch. Es handelt sich bei den involvierten Familien fast ausschließlich um solche, die hohe Würdenträger wie den eponymen Oberbeamten Milets (stephanephoros) oder den Oberpriester des Apollon Didymeus zu Didyma (prophetes) stellten; aufgrund der Stephanephorenlisten und der zahlreichen Propheteninschriften sowie auch Hydrophoreninschriften sind wir über diese Personen und ihre Familien zumeist besser informiert als über solche Milesier, die aus ihren Weih- oder Grabinschriften bekannt sind. 17 Ob dieses Modell überhaupt generalisierbar ist und ob es auch für die hellenistische Zeit gelten kann, sei dahingestellt. – Stavrianopoulou 1993, 188 resümiert ihre Ergebnisse zur rhodischen Frauenadoption mit einem generellen Blick auch auf die Männeradoption: „Gemessen an den Vorstellungen der klassischen Zeit über den Zweck der Adoption werden wir anhand unserer Belege mit einem ziemlich verwirrenden Bild konfrontiert. Die Fortsetzung der männlichen Linie war für die Adoption auf Rhodos in der hellenistischen Zeit nicht mehr der Hauptbeweggrund. Der auf der patriarchalischen Organisation beruhende Familientyp [...] wurde durch einen neuartigen ersetzt, in dem die persönliche Verbundenheit der Mitglieder im Vordergrund stand. Die Adoption wurde eher als ein Mittel zur Herstellung eines persönlichen Bandes betrachtet [...].“ 18 Milet I 9, 367. 19 D. h. ob Iollas ein Onkel väterlicherseits seines Adoptivsohns Lampitos war, oder der Großvater oder ein Onkel mütterlicherseits; wäre er ein Abkömmling von Antipatros’ Großvater Polygnotos, wäre er ein Großonkel ersten oder zweiten Grades gewesen. 20 Im Anhang sind alle bezeugten Adoptionen bis zum Ende des 1. Jh. v. Chr. aufgelistet.
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Adoptionen in Milet
Zu fragen ist also nach der Verwandtschaft zwischen Adoptivvater und -sohn, nach dem vermutlichen Zeitpunkt der hyothesia und damit nach dem Alter des Adoptierten, schließlich nach einem mutmaßlichen Motiv für die Adoption. Ein kurzes und prägnantes Beispiel bietet Hegemon Philodemou, der als Nauarch von Milet zu den einflussreichen Männern gehörte. Er adoptierte im späten 2. Jahrhundert seines Bruders Philodemos gleichnamigen Sohn: Philodemos Philodemou tou Philodemou.21 Somit war sein Adoptivsohn sein Neffe. Philodemos hatte einen leiblichen Bruder, der nach dem Großvater mütterlicherseits Archepolis hieß; beide sind in Ehrenstatuen bzw. den zugehörigen Inschriften dokumentiert. Von Hegemon ist indessen nur die Tochter Taró bekannt22, so dass es nahe liegt, als Motiv der Adoption die Sicherung der Familie bzw. des oikos angesichts des Fehlen eines eigenen Stammhalters anzunehmen. Irgendeine Art von Prestigegewinn, also ein soziales ‚up-grading‘, in der einen wie der anderen Richtung, ist dagegen nicht zu erkennen. Archepolis
Artemisia
Archepolis
Philodemos
Philodemos
Hegemon
Philodemos
Taró
Die beiden frühesten bezeugten Adoptionen in Milet sind – ganz ähnlich wie die früheste römische Adoption – dem späteren 3. Jh. v. Chr. zuzuweisen; für eine Analyse eignet sich nur diejenige des Eirenias Eireniou. Dieser war in der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. ein über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus sehr prominenter Mann, der erfolgreich bei Seleukiden und Attaliden für Milet eingetretenen ist.23 Er war der natürliche Sohn des Hekataios Phormionos, sein Adoptivvater hieß Eirenias Hekataiou, bis ins Patronym also genauso wie der Adoptivsohn. Mitglieder dieser Familie sind in der 2. Hälfte des 3. Jhs. im Stephanephorat und in der Prophetie bezeugt; Hekataios Phormionos war Prophet (213/2) und Stephanephor (206/5) gewesen24, seine beiden Brüder waren Euktimenos (Stephanephor 224/3, Prophet 220/19)25 und Ammonios (Prophet 204/3)26. Im Oberpriesteramt 21 Milet I 3, 167 (Ehrung des Hegemon Philodemou), 168 (Ehrung des Philodemos Philodemou k.p. Hegemonos), 169 und 171 (Ehrung der Mutter des Philodemos Hegemonos und seines leiblichen Bruders Archepolis Philodemou mit je einer Statue). – Die mindestens vier Ehreninschriften gehörten zu einem Statuen-Ensemble der Philodemos-Familie; vgl. Herrmann 1987, 188 f.; zu den Brüdern s. Günther 2013, 74–76. 22 Milet I 7, 249, 1; s. Herrmann 1987, 188 f. 23 Milet I 3, 150, 6.10. 32; I 9, 306, 3. 307, 17; IvDidyma 142, 2.4; 488, 21; Milet VI 3, 1039 I 2. 9. II 12; 1040, 16. 17; 1041, 5. – zum Stemma s. Rehm 1958, 164; – Herrmann 1965, 71– 70, wiederabgedruckt 2016, 255–273; s. auch Hopp 1977, 6–13; Grieb 2008, 228–230, 233 f. 24 Milet I 3, 124, 33; 147, 87 f. (dazu s.u. Anm. 9); IvDidyma 142, 2; 216, 8; 259, 25; vgl. Rehm 1958, 164. 25 Milet I 3, 124, 15; IvDidyma 26 A 1 a; 216, 10. – In IvDidyma 22, 3 ist von Rehm der Name des Propheten im Stephanephorenjahr von [Ηρ]άκλειτος [Μητροδώρου?] ergänzt zu
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Linda-Marie Günther
begegneten einige Zeit vor den Phormion-Söhnen deren Cousins, nämlich Antigonos (230/29)27 und Eirenias Hekataiou (238/7);28 der letztgenannte war der Adoptivvater des Eirenias. Der Abstand der Amtsjahre lässt die Vermutung zu, dass die Hekataios-Söhne – möglicherweise bis zu einer halben Generation – älter waren als die Phormion-Söhne. ? Phormion
Euktimenos
Hekataios Antigonos (Pr. 230/29) Eirenias (Pr. 238/7)
Euktimenos
Ammonios
(St. 224/3; Pr. 220/19) (Pr. 204/3)
Hekataios
?
(Pr. 213/2; St. 206/5; D.G. 211/0)
?
Artemonís
N.N.
Phormion
Themistes
Antigonos
(Pr. ca. 190)
(R.E. 211/0)
(G. & Syn. 185/1; Pr. ca. 180)
Eirenias (u.a. R.E. 211/0)
Der jüngere Eirenias hatte zwei Brüder namens Antigonos und Themistes, wobei die Altersreihenfolge der vermutlich zwischen ca. 225 und 215 geborenen Hekataios-Söhne nicht zu ermitteln ist. Der erste amtierte um 180 als Prophet.29 Der zweite Bruder ist wie auch Eirenias in dem großen Dokument der milesischen Staatsanleihe von 211/10 als Empfänger der Leibrente verzeichnet, die ihr leiblicher Vater mit zwei Darlehen zu jeweils 3.600 Drachmen erwarb.30 Diese Aufzeichnung beweist, dass Eirenias zum damaligen Zeitpunkt bereits vom älteren
26 27 28 29
30
[Φορμίων? Εὐκ]τιμενοῡ; sollte diese Ergänzung das Richtige treffen, dürfte es sich bei dem hier dokumentierten Propheten um einen Sohn des Euktimenos Phormionos handeln; die von Rehm 1958, 15 f. angenommene Datierung dieses Mannes in die Zeit zwischen 250 und 240 ist inzwischen aufgrund der neuen Datierung der Stephanephorenliste ebenso obsolet wie die daraus folgende Annahme, jener Prophet sei der Vater von Euktimenos Phormionos, dem Stephanephoren 224/3, gewesen: vgl. dazu Günther 2017 s.v. [Εὐκ]τίμενος S.: [Φορμίων?] sowie in der Appendix S. 659 f. IvDidyma 216, 12; vgl. Rehm 1958, 164 (Stemma). IvDidyma 216, 6; vgl. Rehm 1958, 164. IvDidyma 142, 2.5; 216, 4; vgl. Rehm 1958, 164. – Das Prophetenjahr des Eirenias Hekataiou ist nicht genau bekannt, es liegt aber (knapp?) vor 238/7 v. Chr. IvDidyma 87, 3. – Milet I 3, 148, 26 f. dokumentiert den Antigonos Hekataiou auch als Unterhändler beim Friedensvertrag zwischen Milet und Magnesia (185 v. Chr.; zu der Debatte um die Datierung dieses Vertrages s. zuletzt Habicht 2005, 137–146). Milet I 3, 149, 5 f. bezeugt ihn als Synedros beim Sympolitievertrag mit Pidasa. Milet I 3, 147, 87 (ὑπὲρ Θεμιστείους τοῡ Ἑκαταίου), 147, 88 (ὑπὲρ Εἰρενία τοῡ Εἰρενία κατὰ ποίεσιν, κατὰ φύσιν δὲ Ἑκαταίου). Auch ein anderer leiblicher Vater, Simos Aristophontos, überließ einem bereits in eine andere Familie gewechselten Sohn, Timopolis Lynkeos die Leibrente (147, 97). – Zur Staatsanleihe s. Migeotte 1984, 304–311 (Nr. 97).
Adoptionen in Milet
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Eirenias adoptiert war, der um 215 schon sein sechstes Lebensjahrzehnt erreicht haben musste, wie sich aus seiner Prophetie um oder bald nach 240 ergibt. Von männlichen Nachkommen des Adoptivvaters Eirenias ist ebenso wenig bekannt wie von dessen Bruder Antigonos, so dass es sich hier um eine ‚klassische‘ Substitutions-Adoption gehandelt haben dürfte. Zudem führt die Homonymie von Adoptivvater und -sohn mit Hilfe einer Alterskalkulation zu der Vermutung, dass der jüngere Eirenias der Enkel mütterlicherseits des älteren Eirenias gewesen sein könnte; demnach hätte Hekataios Phormionos die Tochter seines (älteren) Cousins geheiratet. In diesem Fall wäre – gemäß der Usance griechischer Namensgebung – einer der drei Söhne des Hekataios nach seinem Großvater mütterlicherseits benannt worden. Eine „Strategie des Prestige-Austausches“ ist hier nicht zu erkennen. Von den nur drei Adoptionen, die in Milet in der ersten Hälfte des 2 Jhs. dokumentiert sind, eignet sich für eine nähere Betrachtung nur diejenige des Antipatros Menestratou, der in der Zeit um 180 als Prophet in Didyma amtierte und demnach noch im späten 3. Jh. geboren sein müsste.31 Sein Adoptivvater Menandros Maionos ist als Stephanephor bezeugt, freilich erst in der zweiten Hälfte der 180er Jahre.32 Da der Name Maion in der milesischen Onomastik singulär ist, lassen sich an ihn keine prosopographischen Überlegungen hinsichtlich einer Verwandtschaft mit der Familie des Adoptierten anschließen.33 Auffällig ist indessen der fünf- bis zehnjährige Zeitraum, in dem beide Männer ihre hohen Ämter erreichten – sollten beide Männer ungefähre Generationsgenossen gewesen sein? Der leibliche Vater des Antipatros ist vermutlich mit dem Stephanephoren von 199/8 Menestratos Anaxileo identisch,34 so dass der zur Prophetenwürde gelangte Mann einer angesehenen Familie entstammte; er könnte auch bereits verhältnismäßig jung, vor dem 40. Lebensjahr, amtiert haben. Der Adoptivvater Menandros hingegen mag erst in fortgeschrittenem Alter das Stephanephorat erreicht haben, so dass der Altersunterschied durchaus zwischen 15 und 20 Jahren betragen haben könnte; daraus wäre auf eine Verwandtschaft zwischen beiden Männern als Onkel und Neffe mütterlicherseits zu schließen. 31 IvDidyma 463, 3. 32 Milet I 3, 150, 1. 26. 75. 50 (das Patronym nur in Z. 26); IvDidyma 463, 5. – Menandros war Stephanephor im Jahr des Vertragsabschlusses mit Herakleia am Latmos, der in die Zeit zwischen 186 und 181 v. Chr. datiert wird: dazu zuletzt Wörrle 2004, 50. 33 Bemerkenswert erscheint mir, dass in Milet I 3, 150, 13 und 33 als Gesandter aus dem mit Milet den Vertrag abschließenden Herakleia ein Mann namens Maion Hypsikleious bezeugt ist. Möglicherweise entstammte der gleichnamige Vater des milesischen Stephanephoren Menandros einer aus Herakleia zugewanderten Familie. Diese These würde durch einige Neubürger Milets aus dem karischen Raum gestützt, die in der 2. Hälfte des 3. Jhs. den Namen Menandros selber oder im Patronym trugen: Menandros Hiketou, eingebürgert möglicherweise aus Myus um 250 v. Chr. (Milet I 3, 62, 2); Menandros Demetriou, ein Waisenkind mit Mutter und Geschwistern, eingebürgert aus Herakleia am Latmos 202/1 v. Chr. (Milet VI 3, 1056, 9); aus derselben Stadt ebenfalls um 200 Menandros Apolloniou (Milet I 3, 79, 5). 34 Milet I 3, 124, 40; derselbe Mann ist auch noch als Synedros beim Vertrag Milets mit Pidasa (in der 2. Hälfte der 180er Jahre) bezeugt: Milet I 3, 149, 5.
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Da der Name ‚Menandros‘ in Milet in der 2. Hälfte des 3. Jhs. recht selten ist,35 darf des Weiteren mit aller gebotenen Vorsicht vermutet werden, dass Menandros Maionos mit Menandros Thallionos, Stephanephor 209/8, verwandt war.36 Jener war ein jüngerer Bruder des Eudemos (Stephanephor 216/5)37 und wohl um 240 nach der Einbürgerung des Vaters und seines ältesten Sohnes in Milet38 geboren. Da er vergleichsweise früh in das Oberamt gelangt sein müsste, dürfte er kaum der Großvater mütterlicherseits des Menandros Maionos gewesen sein. Eher ist wahrscheinlich, dass diese beiden Träger des Namens Menandros Onkel und Neffe waren; somit hätte – notabene hypothetischenfalls – eine Schwester von Menandros und Eudemos Thallionos den Maion geheiratet und ihm – vielleicht um 225 – den Sohn Menandros geboren. Eine Verschwägerung des Maion mit der renommierten Eudemos-Familie39 könnte auch erklären, dass – gemäß unserer These – seine Tochter Gattin des Stephanephoren Menestratos wurde. Thallion ? Anaxileos
Maion ?
Menestratos ? = ? Menestratos ? (St. 199/8)
?
N.N.
?
N.N.
Menandros
Eudemos
(St. 209/8)
(St. 216/5)
Menandros (St. ca. 186/1)
Antipatros (Pr. ca. 180)
Ob Menandros Maionos keine leiblichen Söhne und auch keine Hoffnung auf eigene Erben hatte, lässt sich nicht beantworten. Wollte man – ungeachtet der vorstehenden prosopographischen Überlegungen – in der hyothesia eines nur etwa eine halbe Generation jüngeren Mannes eine ‚soziale Strategie‘ erkennen, so wäre 35 Der Name Menandros begegnet im Patronym eines um 200 geehrten Dionysios (Milet VI 3, 1081, 2), bei einem Antragsteller, dessen eigener Name nicht erhalten ist, in einem Dekret des späteren 3. Jhs. aus Didyma (IvDidyma 484, 1) sowie im 2. Jh. v. Chr. im Patronym eines Gorgos in dessen Grabinschrift (Milet VI 2, 444). 36 Milet I 3, 124, 30; in dem Dokument, das Eudemos’ Schulstiftung bezeugt, sind dessen Brüder Menandros und Dion als Brüder ebenfalls genannt: Milet I 3, 145, 5 f. 37 Milet I 3, 124, 23 (Stephanephorie); Milet I 3, 145, 1 f. u. öfter (Schulstiftung); vom langlebigen Ruhm dieses Eudemos (und seines Großvaters: s.u. Anm. 37) zeugen die Erwähnungen als Vorfahren und hochverdiente Männer: IvDidyma 259, 23; 354, 21; – vgl. Grieb 2008, 235–240. 38 Das Wissen um den ‚Migrationshintergrund‘ des Thallion Dionos und seines damals einzigen Sohnes Eudemos verdankt sich einem Inschriften-Neufund aus Milet des Jahres 2006: Günther 2009, 171 Nr. 2 II 4. 39 IvDidyma 259, 18. 21; Eudemos Theodorou war vermutlich der Sohn des Stephanephoren von 287/6, Theodoros Batonos; vgl. Günther 2009, 173.
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sie als Versuch zu werten, mithilfe des Adoptivsohnes einen erfolgreichen Mann in die Familie aufzunehmen. Sollte Menandros den um 210 geborenen Antipatros als jungen Mann adoptiert haben, um dessen Karriere-Chancen oder um seine eigenen zu erhöhen? Die erste Option ließe sich mit der Vermutung verbinden, dass es Antipatros war, der durch die Adoption seine Aspiration auf die Prophetie förderte. Die andere Alternative führt dagegen zu dem Gedanken, dass Menandros den Antipatros erst in späteren Jahren – möglicherweise sogar erst nach dessen Prophetie – adoptiert haben könnte, als er tatsächlich kinderlos geblieben war bzw. sich immer noch Hoffnungen auf das milesische Oberamt machte.40 In jedem Fall zeigt das hier diskutierte Beispiel, dass die vielfältigen Rekonstruktions- und Interpretationsoptionen es nahezu ausschließen, eine belastbare Aussage über eine soziale Strategie zum Prestige-Austausch zu generieren. Bereits im frühen 1. Jh. v. Chr. begegnen im epigraphisch-prosopographischen Material deutlich mehr Adoptionen als in den Generationen zuvor; dabei sind einige Familien erkennbar untereinander durch Heiraten verbunden, so dass sich zum einen ‚Netzwerke‘ aufzeigen lassen, zum anderen erkennbar wird, dass die hyothesia als ein spezifisches Element bei der Verdichtung interfamiliärer Kontakte zunehmend Bedeutung erhielt.41 Ein instruktives Beispiel dafür bietet die Nachkommenschaft des Pamphilos. Von ihm sind drei Söhne bekannt: Eukrates, Nikomachos und Amphithemis. Der erstgenannte – und möglicherweise älteste – wurde von einem gewissen Koronos an Sohnes statt angenommen, über den wir keine weiteren prosopographischen Aussagen machen können.42 Die Söhne des adoptierten Eukrates, wiederum drei an der Zahl, tragen Namen aus der Familie ihres leiblichen Vaters: Pamphilos (Stephanephor 81/0),43 Eukrates (Stephanephor 75/4 und Prophet 63)44 sowie Amphithemis (Stephanephor 60/59 und Prophet 50).45 Der mehr als 20-jährige Abstand zwischen dem ältesten und dem jüngsten Sohn des Eukrates kann als Indiz dafür gesehen werden, dass sie Halbbrüder aus mindestens zwei verschiedenen
40 Die Adoption eines Mannes erst nach seiner Stephanephorie lag möglicherweise im Fall des Aristeas Antigonou, leiblicher Sohn des Minnion, Stephanephor 29/8 und Prophet 19/8 oder 18/9, vor: In der Stephanephorenliste (Milet I 3, 126) sind für den Zeitraum 53/2 bis 18/7 v. Chr. bei fünf der 36 Oberbeamten vermerkt, dass sie adoptiert waren – allerdings fehlt für Aristeas Minnionos (Z. 38) ein solcher Hinweis, während er in der Propheteninschrift (IvDidyma 232 III) vorhanden ist. Ob daraus zu schließen ist, dass er als Stephanephor noch nicht von Antigonos Antigonou adoptiert war, muss hier offenbleiben. 41 Dies gilt auch für die Minnion-Aristeas-Familie, die hier aber nicht in extenso behandelt werden soll; vgl. Rehm 1958, 170–174 (mit Stemmata). 42 Milet I 3, 125, 20; IvDidyma 227 a II 6; 230 I 4; vgl. Rehm 1958, 159; Günther 2003, 448 (m. Stemma). 43 Milet I 3, 125, 12; IvDidyma 220, 2; 229 II 2; vgl. Rehm 1958, 167; Günther 2003, 448. 44 Milet I 3, 125, 20 f.; IvDidyma 104 b 1; 205 B 3; 227 a II 2.4; 230 I 2; 367, 3; 390 A II 4; vgl. Rehm 1958, 159, 167; Günther 2003, 448. 45 Milet I 3, 125, 41; IvDidyma 205, 4; 231 I 5; 232 A I 2; 340, 9; 390 B II 8; 490, 2; vgl. Rehm 1958, 159; Günther 2003, 448.
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Ehen ihres Vaters waren.46 Zu diesen Erben des Eukrates trat als Adoptivbruder Antigonos Menodorou (Stephanephor 80/79 und Prophet 70/69),47 der – ähnlich wie Pamphilos Eukratous – um 125 v. Chr. geboren sein müsste, da sein eigener Sohn Panthos bereits im Jahr 62/1 als Stephanephor amtierte.48 Antigonos ist aufgrund von Grabinschriften seiner natürlichen Familie prosopographisch gut einzuordnen: Sein leiblicher Vater Menodoros war höchstwahrscheinlich ein Enkel des Menodoros Artemidorou (Stephanephor zwischen ca. 185 und 180); seine Mutter war Nossís Antigonou, eine Enkelin des Eukrates Hippomachou tou Eukratou. Da der Name ‚Eukrates‘ in der Familie der Nossís ebenso wie bei den Nachkommen des Pamphilos häufiger begegnet,49 hat er vermutlich schon relativ früh Eingang in die Familie des Adoptivvaters von Antigonos Menodorou gefunden.50 Auch der Name von Antigonos’ leiblichem Vater, Menodoros, kommt bei zwei Enkeln des Adoptivvaters Eukrates Pamphilou vor, nämlich bei jeweils einem Sohn des Pamphilos51 und des Eukrates52 sowie dann wiederum bei dessen Enkel, dem Stephanephoren von 7/8 n. Chr.53 Daher ist es denkbar, dass die Verbindungen zwischen Eukrates Pamphilou und der Menodoros-Familie nicht auf die Adoption des Antigonos beschränkt war, sondern es auch eine Verschwägerung gab.54 Somit ergibt sich das – notabene hypothetische – Bild, dass zum einen die Beziehung zwischen dem Adoptivvater Eukrates Pamphilou und seinem Adoptiv 46 Das gleiche könnte auch für Pamphilos’ Söhne gelten, denn die fünf (bekannten) Enkel dieses Ahnherren der verzweigten Familie liegen in ihren Amtsjahren weit auseinander: Pamphilos Eukratous amtierte 81/0 als Stephanephor (s. o. Anm. 42), Hegemandros Nikomachou war erst 38/7 Oberbeamter, der offenbar jüngste Enkel, Eukrates Amphithemios, erst in einem Jahr zwischen 40 und 34 v. Chr. Prophet wurde. 47 Milet I 3, 125, 13 (ohne Adoptionsvermerk); IvDidyma 204, 2; 216, 14–20; vgl. Habicht, 1999, 96; Günther 2003, 448. 48 Milet I 3, 125, 38; IvDidyma 215 B II 7; vgl. Rehm 1958, 306; Günther 2003, 448. – Der Name ‚Panthos‘ ist in Milet bisher kein weiteres Mal bezeugt. 49 Zwei Enkel des ‚alten‘ Pamphilos, Söhne von Eukrates und Amphithemis, hießen Eukrates; der Urenkel, Sohn des Amphithemis Eukratous tou Pamphilou, (Stephanephor 23/2) hieß ebenso wie dann auch der Ururenkel, Sohn des Menodoros Pamphilou tou Eukratous tou Pamphilou, (Stephanephor 14/3 v. Chr.). 50 Über eine aus ihrer Grabinschrift (um 130) bekannte Frau namens Antigona Pamphilou (Milet VI 2, 421) lässt sich eine Verschwägerung des ‚alten‘ Pamphilos mit der Familie des Eukrates Hippomachou vermuten. Möglicherweise war Eukrates Pamphilou, der Adoptivvater des Antigonos, ein Cousin der Nossis, deren Sohn er an Sohnes statt annahm. 51 Menodoros Pamphilou war Stephanephor 56/5 (Milet I 3, 125, 45) und Prophet vermutlich im Jahr 47 (IvDidyma 391 A I 6 ); vgl. Rehm 1958, 167; Günther 2003, 448. 52 Milet I 3, 125, 36; IvDidyma 104 b I; 227 A II 2; 230 I 6, 346, 5; 367, 5; 390 A II 3; vgl. Günther 2003, 448, 455 A. 26. – Der Enkel dieses Menodoros, der Stephanephor des Jahres 7/8 n. Chr., Menodoros Eukratous, führte den Namen weiter fort (Milet I 3, 127, 30). 53 Milet I 3, 127, 30. 54 Am ehesten wäre eine Ehe des Eukrates mit einer Schwester des Antigonos denkbar, aus der vielleicht ein früh verstorbener Sohn, nach dem Großvater mütterlicherseits Menodoros genannt, hervorgangen war, auf den sich seine Brüder Eukrates und Pamphilos bei der Namengebung ihrer Söhne bezogen haben könnten.
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Adoptionen in Milet
sohn Antigonos Menodorou aus einer mehr oder weniger entfernten Verwandtschaft hervorgegangen ist, zum anderen allerdings, dass es sich nicht um eine Substitutionsadoption gehandelt haben kann, da Eukrates drei leibliche Söhne hatte, die zumindest bis in die späten 60er Jahre auch noch lebten. Pamphilos
Koronos
Amphithemis
Menekrates ? Eukrates
Nikomachos ? ? N.N.
Menodoros Antigonos
Pamphilos
Eukrates
Amphithemis
(St. 80/79; Pr. 70)
(St. 81/0)
(St. 75/4; Pr. 63)
(St. 60/59)
Panthos
Menodoros
(St. 62/1)
(St. 56/5; Pr. 47?)
N.N.
Melas (St. 51/0; Pr. 43)
Hegemandros (St. 38/7; Pr. 34/3)
Eukrates
Hegemandros
Hegemandros
(St. 23/2)
(St. 19/8)
(St. 25/4)
Charidemos Eukrates Eukrates (Pr. vor 34)
Philodemos
Menodoros
(St. 67/6; Pr. 66)
(St. 56/5; Pr. 47?)
(St. 14/3; Pr. 7/6)
Menodoros Amphithemis
(St. 7/8 n.)
(St. 9/10 n.; Pr. ca. 19/20 n.)
Dass weder Eukrates noch seine Brüder als Inhaber eines hohen Amtes in Milet bezeugt sind, aber dann die Söhne des Eukrates und auch jeweils ein – der einzige? – Sohn der beiden Brüder in das Stephanephorat und/oder die Prophetie gelangten, mag man als Hinweis darauf werten, dass das ‚Netzwerk‘ der PamphilosSöhne die Karrieren ihrer eigenen Söhne förderte,55 wobei Adoptionen neben stark zu vermutenden Heiratsbeziehungen eine Rolle gespielt haben könnten. Eine weitere Adoption bei den Nachkommen des Pamphilos betraf den zweiten Sohn des Pamphilos Eukratous tou Pamphilou, den vermutlich um die Wende zum 1. Jh. v. Chr. geborenen Philodemos (Stephanephor 67/6 und Prophet 66).56 Er wurde von einem Charidemos an Sohnes statt angenommen, dessen Name in der milesischen Onomastik dreimal im 2. Jh. bezeugt ist.57 Hier ließe sich einer 55 Vom ‚alten‘ Pamphilos sind sieben Urenkel bekannt, sie alle amtierten als Stephanephoren und/oder Propheten im weiten Zeitraum zwischen 67/6 (Philodemos Pamphilou tou Eukratous tou Pamphilou Stephanephor: Milet I 3 125, 31 f.) und 9/10 n. Chr. (Amphithemis Eukratous tou Amphitemios tou Pamphilou, Stephanephor 9/10 n. Chr.: Milet I 3 127, 23). 56 Milet I 3, 125, 31 f.; IvDidyma 229 II 2. 5. 13; vgl. Günther 2003, 447–450. 452. 57 Charidemos Athenaiou war Tamias um 180 v. Chr. (IvDidyma 33, 5); ein [---]os Charidemou wurde um 170/60 in Athen als Mitglied einer Theoren-Gesandtschaft mit Bürgerrecht und Goldkranz geehrt (Milet VI 3, 1038, 4). Die genannten Männer dürften vor bzw. um 200 geboren sein, bei dem Tamias könnte es sich über dessen – unbekannte – Mutter um einen Nef
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seits – wiederum mit der gebotenen Vorsicht – vermuten, dass Charidemos mit seinem Adoptivsohn als dessen Onkel mütterlicherseits verwandt war.58 Der Gedanke, dass Pamphilos Eukratous mit Blick auf die Karriere seiner Söhne eine ‚strategische‘ Ehe mit einer Frau geschlossen haben könnte, in deren Familie sakrale Ämter ausgeübt worden waren, liegt allerdings insofern auf der Hand, als Pamphilos als einziger seiner Brüder nicht auch zur Prophetie gelangt war, seine beiden Söhne Philodemos und Menodoros dann aber diese hohe Würde erreichten, während dies den Söhnen seiner Brüder, also den Cousins des Adoptierten, versagt blieb. Freilich ist bei einer solchen These auf der Basis der vorgestellten Spekulationen Vorsicht geboten: Die unbeweisbare Prämisse ist hier ja, dass Pamphilos sowohl seine Heirat als auch die Fortgabe eines seiner Söhne mit dem Ziel geplant und realisiert habe, den ‚Defekt‘, nicht selbst zur Prophetie gelangt zu sein, wettzumachen. In Unkenntnis der Einordnung des Adoptivvaters Charidemos lässt sich nicht ausschließen, dass es sich bei der von jenem gewünschten hyothesia um eine Substitutionsadoption gehandelt hat. In der Generation der Enkel des ‚Ahnherrn‘ Pamphilos hatte es indessen bereits eine Adoption gegeben, nämlich bei dem Sohn des Nikomachos (Stephanephor 38/7 und Prophet 34/3),59 den Melas Menekratous (Stephanophor 51/0 und Prophet 43) adoptierte.60 Eine Schwester des in die Familie des Melas gewechselten Hegemandros war mit ihrem Cousin Amphithemis Eukratous verheiratet, der dasselbe Oberamt im Jahr 60/59 bekleidete.61 Da – wie wiederholt betont – weder Nikomachos noch einer seiner Söhne in ein höheres Amt gelangt zu sein scheinen, bedeutete die Adoption seines vermutlich um das Jahr 80 geborenen Sohnes Hegemandros durch den Stephanephoren und Propheten Melas einen Übergang in eine prestigemäßig erfolgreichere Familie. Allerdings liegt auch bei der Frage nach etwaigen früheren Beziehungen zwischen den beiden Vätern des Hegemandros die Vermutung nahe, dass der Adop
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fen des gleichnamigen Theoren-Vaters handeln. Wie der Adoptivvater des Philodemos Pamphilou mit diesen Namensträgern verwandt gewesen sein könnte, ist nicht zu bestimmen (s.u. Anm. 55). Wenn es sich bei dem Adoptivvater um einen Mann der Großvater-Generation des Adoptierten gehandelt hätte, könnte er um die Mitte des 2. Jh. geboren und somit ein Enkel des Tamias oder des Theoren gewesen sein. Vermutet man in Charidemos einen Generationsgenossen von Philodemos’ leiblichen Vater Pamphilos, könnte er ein Onkel mütterlicherseits seines Adoptivsohnes gewesen sein. Hier wird angenommen, dass es sich bei dem Adoptivvater nicht um einen Mann der Großvater-Generation des Adoptierten gehandelt hat, er also eher nicht um die Mitte des 2. Jh. geboren war (etwa als Enkel des Tamias oder des Theoren), sondern dass er ein Generationsgenosse von Philodemos’ leiblichem Vater Pamphilos war, etwa ein Schwager des Pamphilos und somit Onkel mütterlicherseits des Philodemos. Milet I 3, 126, 26; IvDidyma 205, 6; 342, 10; 397, 3; 398, 6. – vgl. Rehm 1958, 159; Günther 2003, 448. Milet I 3, 126, 5; IvDidyma 213, 3; 231 III 6; 233 I 2. II. Milet I 3, 41; IvDidyma 205, 4; 231 I 5; 232 A I 2. vgl. Rehm 1958, 158 f.; Günther 2003, 448. – Dass Amphithemis mit einer Tochter seines Onkels Nikomachos verheiratet war, ergibt sich aus dem Namen des zweiten Sohnes Hegemandros (Stephanephor 18/7 v. Chr.: Milet I 3, 126, 49; IvDidyma 390 B II 7).
Adoptionen in Milet
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tion eine Verschwägerung vorausgegangen sein könnte, nämlich Nikomachos’ Heirat mit einer Schwester des Melas. Dadurch wäre der Pamphilos-Sohn zum Schwiegersohn des Menekrates, vermutlich Prophet um 100 v. Chr., geworden,62 sein aus dieser Ehe hervorgegangene Sohn demnach dessen Enkel. In der Familie des Melas Menekratous begegnen – ähnlich wie unter den Nachkommen des Pamphilos – mehrere Adoptionen. So war Melas’ Bruder Eirenias an Sohnes statt angenommen worden von Lysimachos Aristeou,63 Stephanephor des Jahres 71/0.64 Ein dritter Bruder namens Aineias fungierte im Jahr 47 als (Hypo-)Tamias.65 Melas adoptierte aber nicht nur Nikomachos’ Sohn Hegemandros, sondern einen weiteren Mann, von dessen Name in seiner Propheteninschrift nur das Patronym Hegemandros erhalten ist;66 vermutlich handelt es sich bei ihm um den als Stephanephoren des Jahres 25/4 bezeugten gleichnamigen Sohn67 des bereits an Sohnes statt angenommenen Hegemandros, mithin um einen Enkel des Nikomachos. Freilich mangelte es Melas Menekratous nicht an eigenen Söhnen, denn als solche sind Diogenes und St[raton] Melanos bezeugt, nämlich als Vater und Onkel der Priesterin Artemó in ihrer Hydrophoreninschrift des Jahres 17/6 v. Chr.68 Ist hier auch der Vatersname nur fragmentarisch erhalten – er geht allerdings aus einer anderen Inschrift relativ eindeutig hervor – so enthält sie doch die für uns interessante Information, dass Diogenes von einem Timokles adoptiert worden war.69 Daraus ergibt sich, dass der ‚doppelte‘ Adoptivvater Melas (mindestens) zwei leibliche Söhne hatte, von denen Diogenes in eine andere Familie gegeben worden war. Wir kennen den Zeitpunkt dieser hyothesia nicht,70 doch dürfte sie 62 IvDidyma 392, 1; Rehm 1958, 239 erwog eine Identität dieses Propheten mit dem in einem kaum leserlichen Fragment (IvDidyma 414, 3) genannten gleichnamigen Oberpriester, doch scheint es sich bei dem letztgenannten um einen Amtsträger aus etwa der Mitte des 1. Jh. v. Chr. zu handeln. 63 IvDidyma 234 A I 3. – Vgl. Rehm 1958, 174 (mit Stemma). 64 Milet I 3, 125, 26; IvDidyma 216, 13; 227 B II 2. – Dieser Lysimachos hatte selbst zwei Söhne, Aristeas (Stephanephor im Jahr 31/0: Milet I 3, 126, 35) und Lysimachos (Stephanephor im Jahr 27/6: l.c. Zeile 40). 65 IvDidyma 391 A I 16. – In diesem Jahr amtierte möglicherweise als Prophet Menodoros Pamphilou tou Eukratous, ein Großneffe des Hegemandros Nikomachou: s. o. Anm. 50. – Einen weiteren Verwandten könnte man in Menekrates, Prophet im Zeitraum zwischen 60 und 50 v. Chr. (IvDidyma 414) sehen, etwa einen Cousin oder vielleicht sogar weiteren Bruder der Geschwister Melas, Eirenias und Aineias (vgl. dazu o. Anm. 62). 66 IvDidyma 308 II 5. 67 Milet I 3, 16, 42. 68 IvDidyma 378. – Rehm 1958, 231 ergänzt den Namen zu ‚Stephanos‘. – Zu Artemó vgl. Günther 2014, 151–156. 69 IvDidyma 234 B II 4. – Der Name ‚Timokles‘ ist in Milet singulär, so dass keine weiteren Überlegungen auf onomastischer Basis möglich sind. 70 Diogenes Melanos k.p. Timokleious hatte neben der Tochter Artemó, die 17/6 als Hydrophore fungierte, auch einen Sohn namens Straton, der bereits drei Jahre zuvor, 20/19 als Stephanephor bezeugt ist, also um 50 v. Chr. geboren sein müsste, was auf eine Geburt seines Vaters Melas im ersten oder zweiten Jahrzehnt des 1. Jh. schließen lässt. Dies – wie auch die vermut
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der Adoption von Hegemandros Nikomachou und N.N. ([Hegemandros?]) Hegemandrou vorausgegangen sein.71 Aristeas
Menekrates
Lysimachos
(Pr. ca. 100)
(St. 71/0)
Pamphilos Melas
Aineias (Hypotamias 47)
(St. 51/0; Pr. 43)
Timokles
Eirenias
(Pr. ca. 100)
Nikomachos Mikia
Diogenes
Eukrates Pamphilos
Straton
(St. 81/0)
Hegemandros Straton (St. 20/19)
Artemó
(St. 38/7; Pr. 34/3)
Menodoros (St. 56/5; Pr. 47?)
(H. 17/6)
[---] ? = ? Hegemandros (St. 25/4)
Eine Adoption, bei der Vater und Sohn ‚Brüder‘ wurden, wäre – sofern ein solcher Fall bei Hegemandros Nikomachou und N.N. Hegemandrou als Adoptivsöhnen des Melas zutrifft – m.W. singulär. Dass ein Mann hingegen zwei Brüder adoptierte, ist für Minnion (Stephanephor 3/2 v. Chr. und Prophet 7/8 n. Chr.)72 dokumentiert. Minnion war Sohn des Stephanephoren von 29/8, Aristeas, der seinerseits auch ein Adoptivsohn war, nämlich eines gewissen Antigonos Antigonou.73 Die Adoptivsöhne Minnions, die mit der hyothesia zu Enkeln des Aristeas und zugleich Urenkeln des Antigonos Antigonou wurden, waren Thrasonides und Minnion, deren leiblicher Vater Menophilos Thrasonidou im Jahr 8/7 v. Chr. das liche Prophetie von dessen Vater Menekrates um 100 – führt zu der Annahme, dass Melas in eher fortgeschrittenem Alter das milesische Oberamt (51/0) bekleidete. Den um 70 v. geborenen Hegemandros Nikomachou könnte er einige Jahre zuvor, um das Jahr 60, adoptiert haben. 71 Die Annahme, dass der dem Melas verbliebene Sohn Straton zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Adoption des N.N. Hegemandrou ebenso bereits verstorben war wie der erste Adoptivsohn Hegemandros Nikomachou, liegt zwar nahe, aber der Duktus der Hydrophoreninschrift lässt eher vermuten, dass Artemós Onkel Straton, von dem ansonsten keine Ämter und/oder Würden bezeugt sind, um 17/6 v. Chr. noch in präsenter Erinnerung bei den Milesiern war, was gegen einen frühen Tod sprechen würde. 72 Milet I 3, 127, 17; IvDidyma 229 I 1; 374, 4. 7. – vgl. Rehm 1958, 171 (m. Stemma). 73 Milet I 3, 126, 38; IvDidyma 229 I 1; s. o. Anm. 39. – Vgl. Rehm 1958, 171 A–B; Piérart 1983, 13, diskutiert die Demenzugehörigkeit des Mannes.
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Stephanephorat bekleidet hatte.74 In demselben Oberamt fungierte Thrasonides seinerseits 10/1 n. Chr.,75 sein jüngerer Bruder Minnion, der acht Jahre später amtierte, wurde dann 26/7 auch Prophet.76 Indessen hatte der Adoptivvater Minnion einen leiblichen Sohn namens Aristeas, der im Jahr 29/30 die Stephanephorenwürde innehatte,77 so dass auch in diesem Fall nicht das Fehlen eines eigenen ‚Stammhalters‘ der Grund für die Adoption gewesen zu sein scheint. Freilich ist nicht auszuschließen, dass die Adoption des einen oder auch gleichzeitig beider Menophilos-Söhne zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der leibliche Erbe noch nicht geboren oder sein Erreichen des Mannesalters nicht gesichert war, also etwa in den letzten Jahren des 1. Jh. v. Chr. Immerhin hatte Minnion damals bereits zwei Töchter, die durch ihre – durchaus ungewöhnliche – gemeinsame Amtsführung als Hydrophoren in Didyma im Jahr der Stephanephorie ihres Vaters (3/2 v. Chr.) bezeugt sind.78 Bedauerlicherweise kennen wir nicht die Namen dieser Mädchen – vielleicht Zwillinge? – die kaum früher als etwa 20 v. Chr. geboren sein dürften. Die Namensgleichheit zwischen Adoptivvater und dem jüngeren MenophilosSohn lässt vermuten, dass der ältere Minnion mit dem Vater des jüngeren verschwägert war;79 auch wenn hier nicht mehr als prosopographische Hypothesen geäußert werden können, spricht die Vermutung einer engeren Verwandtschaft eher gegen die Vorstellung, dass die Adoptionen eine „Strategie zum PrestigeAustausch“ dargestellt hätten: Minnion Aristeou entstammte einer Stephanephorenfamilie und war selbst Stephanephor; sein leiblicher Sohn erlangte diese Würde ebenso wie die beiden Adoptivsöhne. Deren leiblicher Vater, Menophilos Thrasonidou, war gleichfalls Stephanephor, fünf Jahre nach seinem älteren Bruder Charmes, der im Stephanephorenjahr des Minnion Aristeou zudem die Prophetie bekleidete.80 Der dritte Thrasonides-Sohn, Thrasonides, folgte im nächsten Jahr (2/1) in diesem sakralen Amt,81 seine Söhne Artemon und Thrasonides wurden 17/8 bzw. 22/3 n. Chr. wiederum Stephanephoren.82 Es fällt schwer, in dem Prestige der Thrasonides-Familie einen Grund für die Adoption der aus einer sehr re 74 Milet I 3, 127, 12; Ehrhardt/Günther 2010, 406 (mit Stemma). 75 Milet I 3, 127, 33; IvDidyma 235A I 12; vgl. Rehm 1958, 220 Anm. 2; Ehrhardt/Günther 2010, 406. 76 Milet I 3, 127, 42 f.; IvDidyma 339, 5 (im Patronym des Klaudios Menophilos); vgl. Rehm 1958, 217 (m. Stemma); Ehrhardt/Günther 2010, 406 (m. Stemma). – In einem noch unveröffentlichten Inschriftenfragment aus Didyma (E 220) ist Minnion Menophilou ohne Hinweis auf die Adoption durch Minnion als Prophet (des Jahre 26/7) bezeugt. 77 Milet I 3, 128, 13 f.; vgl. Rehm 1958, 171 B (m. Stemma). 78 IvDidyma 374; vgl. o. Anm. 69. – Zu den Minnion-Töchtern als Hydrophoren 3/2 v. Chr.: Günther 2014, 159–161. 79 Vermutlich waren die beiden Brüder über ihre Mutter Neffen ihres Adoptivvaters. 80 Milet I 3, 127, 6; IvDidyma 205, 9: vgl. Rehm 1958, 220; Ehrhardt/ Günther 2010, 406. 81 IvDidyma 345, 8; vgl. Rehm 1958, 220. 82 Milet I 3, 127, 41 (Artemon Thrasonidou); 128, 3 (Thrasonides Thrasonidou ,bei Rehm verschrieben als „Thrason“). – Auf die Stephanephorie des Artemon folgte 18/9 unmittelbar diejenige seines Cousins Minnion Menophilou tou Thrasonidou k.p. Minnionos (127, 42 f.), im nächsten Jahr (19/29) dann diejenige des anderen Cousins Thrasonides Charmou (127, 44).
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nommierten Familie stammenden Brüder Thrasonides und Minnion Menophilou zu sehen. Eher ist zu vermuten, dass dem Menophilos sehr an einer Verschwägerung mit der Familie des Stephanephoren Aristeas gelegen war; auch sein Bruder Thrasonides scheint – nach dem onomastischen Befund – von dessen Nachkommen aus einer ähnlichen Motivation in die Familie des Stephanephoren von 27/6, Lysimachos (Lysimachou tou Aristeou),83 eingeheiratet zu haben. Minnion
Menestheus
Lysimachos
? Thrasonides ?
Aristeas (St. 29/8)
N.N. ?
? Menophilos (St. 8/7 v.)
? N.N.
Charmes (St. 13/2; Pr. 3/2)
Menophilos
Lysimachos (St. 27/6)
Thrasonides ? (Pr. 2/1 v.)
? N.N.
Artemon (St. 3/4)
Minnion
Lysimachos
(St. 3/2; Pr. 7/8 n.)
Thrasonides N.N. N.N.
(St. 10/1)
Aristeas
Thrasonides
(St. 19/20)
(St. 22/3)
Artemon
(St. 6/7)
(St. 17/8)
?
(H. + H. 3/2)
(St. 29/30)
Thrasonides
Minnion (St. 18/9; Pr. 26/7)
Hekatodoros
Aus den hier vorgestellten Beobachtungen bzw. Überlegungen ist der Schluss zu ziehen, dass vermutlich die meisten – und zumal wohl alle frühen – Adoptionen in Milet Substitutions-Adoptionen waren; in den Fällen, in denen Vermutungen über verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Adoptivvater und Adoptivsohn möglich sind, lassen sich ebensolche aufzeigen, sei es, dass eine engere Verwandtschaft (z. B. Großvater – Enkel, Onkel – Neffe)84 oder eine entferntere (Großonkel – Großneffe ersten oder auch zweiten Grades) vorgelegen haben dürfte. Indizien dafür, dass bei einer hyothesia andere Motive eine Rolle gespielt haben müssen, gibt es immer dort, wo der Adoptivvater bezeugtermaßen leibliche und zum Zeitpunkt der Adoption eines weiteren Erben auch noch lebende Söhne 83 Milet I 3, 126, 40; vgl. Rehm 1958, 167. – zu seinem Vater Lysimachos Aristeou s. o. Anm. 61. Die Söhne des Lysimachos und mutmaßlichen Schwäger des Thrasonides, Artemon und Lysimachos, amtierten im Jahr 3/4 n. Chr. und 6/7 n. als Stephanephoren: Milet I 3, 127, 25. 29. 84 Bei den drei Fällen, in denen Adoptivvater und -sohn denselben Namen tragen, ist von der Identität des Adoptivvaters mit dem Großvater mütterlicherseits oder einem Onkel (mütterlicher- wie väterlicherseits) auszugehen (vgl. Theokrines Antigonou k.p. Theokrinous; Minnion Aristeou k.p. Minnionos tou Minnionos; Melas Nikeratou k.p. Melanos; Phontides Dionysiou k.p. Phontidous).
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hatte; dieses Phänomen begegnet erst relativ spät, das erste hier vorgestellte Beispiel ist die Adoption des Antigonos Menodorou durch Eukrates Pamphilou – wohl noch in der 1. Hälfte des 1. Jh. v. Chr.; das Beispiel des Melas Menekratous folgte dann um die Mitte desselben Jahrhunderts. Bei Minnion Aristeou, der zwei Brüder, Thrasonides und Minnion Menophilou, an Sohnes statt annahm, ist die Situation dadurch unklar, dass sein leiblicher Sohn möglicherweise erst nach der Adoption geboren wurde. Insgesamt weisen aber die hier zusammengestellten Beobachtungen anhand des epigraphischen Befundes in Milet85 darauf, dass auch in der ersten Generation unter dem Prinzipat die primäre Strategie zur Prestige-Sicherung bzw. -mehrung die Heirat war; ihr konnte bei Bedarf die Adoption eines Nachkommen aus der näheren oder ferneren – wohl auch verschwägerten – Verwandtschaft folgen, vornehmlich zum Zweck der Substitution eines Erben.86 Bibliographie M. Bettini, Familie und Verwandtschaft im antiken Rom, Frankfurt 1992. Chr. Blinkenberg, Lindos. Fouilles de l’Acropole 1902–1914. Inscriptions I–II, Berlin – Kopenhagen 1941. N. Ehrhardt – W. Günther, Neue Grabinschriften aus Milet, Chiron 40 (2010) 410–413. P. M. Fraser, The Tribal Cycles of Eponymous Priests at Lindos and Kamiros, Eranos 51 (1953) 23–47. V. Grieb, Hellenistische Demokratie. Politische Organisation und Struktur in freien griechischen Poleis nach Alexander dem Großen, Stuttgart 2008. W. Günther, ‚Unsterbliche Kränze‘. Zur Selbstdarstellung milesischer Propheten in didymeischen Inschriftendenkmälern, Chiron 33 (2003) 447–457. W. Günther, Funde aus Milet: Hellenistische Bürgerrechts- und Proxenielisten aus dem Delphinion, AA (2009) 167–180. L.-M. Günther, Milesische Mütter – Matronage in der Honoratiorenschicht einer hellenistischen Großstadt, in: Chr. Kunst (Hg.), Matronage Handlungsstrategien und soziale Netzwerke antiker Herrscherfrauen, Rahden/Westf. 2013, 71–78.
85 Zu betonen ist auch an dieser Stelle, dass bei der Auswertung des Quellenmaterials eine unüberwindbare Schwierigkeit darin liegt, dass allem Anschein nach die Adoptionsformel bzw. die Formel zum Hinweis auf den leiblichen Vater nicht in jedem Fall einer tatsächlichen hyothesia vermerkt ist; daher können wir dort, wo wir nur einen einzigen prosopographischen Beleg haben, nicht sicher sein, ob das betreffende Individuum nicht doch der Adoptivsohn des im Patronym genannten Mannes war. 86 Es steht zu vermuten, dass sich dieses Bild etwas ändert bei einer sehr genauen Analyse von adoptierten Propheten; sie nennen in ihren Inschriften oft ihre Demenzugehörigkeit, die sie mit dem Übergang in die neue Familie gewechselt haben könnten. Dass in diesem Beitrag auf eine solche Analyse verzichtet wurde, erklärt sich vor allem daraus, dass unsere Informationen über das ‚Berufungsverfahren‘ für das Oberpriesteramt in Didyma nicht hinreichen, um die Relevanz der Demenzugehörigkeit klar herauszustellen. Hier sollte in näherer Zukunft eine noch unveröffentlichte Inschrift aus augusteischer Zeit weiteren Aufschluss bringen; die Frage nach einer Adoption zum Wechsel in eine andere Deme mit dem Ziel, die Karriere eines Mannes zu beschleunigen, wird dann neu zu diskutieren sein.
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EHRE WEM EHRE GEBÜHRT Große oder außergewöhnliche statuarische Monumente als herausragende Ehrung in den kleinasiatischen Provinzen während der Kaiserzeit.1 Werner Eck Im Jahr 1981 publizierte Peter Herrmann den ersten Faszikel des 5. Bandes der Tituli Asiae Minoris, der, wie auch der zweite, erschienen im Jahr 1989, partiell von seinem Lehrer Josef Keil vorbereitet worden war.2 Peter Herrmann änderte und ergänzte, wo es ihm notwendig erschien, nicht wenig an den Vorgaben Keils. Ein Aspekt aber, die Beschreibung des Inschriftenträgers, blieb im Wesentlichen unverändert gegenüber der von ihm vorgefundenen Fassung. Herrmann blieb bei den zwar präzisen, aber meist sehr knappen Hinweisen, die Keil gegeben hatte: Höhe, Breite und Tiefe des Inschriftenträgers, Typ des Steines und Material. Doch andere Details, z. B. über die Bearbeitung der Rückseite eines epigraphischen Monuments, über die Glättung der Oberfläche, die Beschreibung der oberen Standfläche einer Basis, ob dort z. B. Spuren für die Befestigung einer Statue zu sehen waren, oder von Dübellöchern an den Rändern, das wurde nicht beschrieben. Während des gemeinsamen Aufenthalts am Institute for Advanced Sudies 1983/4 hatte ich die Möglichkeit, mit Peter Herrmann über diese Aspekte intensiv zu sprechen. Er stimmte zu, es sei nötig, weit mehr auf den konkreten Befund der Inschriftenträger einzugehen, da Inschriften – übrigens nicht nur im antiken Kontext – natürlich nicht rein als Text gesehen werden dürften, sondern jeweils als Teil eines größeren Ganzen, sei es als Bauinschriften, als Begleittexte unter Statuen- oder Statuengruppen oder an Grabbauten. Nur wenn möglichst alle Aspekte, etwa der Typ des Inschriftenträgers und seine Eigenheiten einbezogen würden, könne man die volle Informationsmöglichkeit eines epigraphischen Monuments zurückgewinnen.3 Es erscheint deshalb angemessen, in einem Erinnerungskollo1
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Für Hilfe bei verschiedenen Fragen danke ich Helmut Engelmann und Georg Petzl. Ferner erhielt ich während des Kolloquiums und anschließend durch Briefe wertvolle Hinweise von Angelos Chaniotis, Harry Pleket, Hans Taeuber und besonders Michal Wörrle, denen ich dafür meinen Dank sage. P. Herrmann, Tituli Asiae Minoris V 1, Wien 1981, V 2, Wien 1989. Siehe dazu meine Rezensionen zu TAM V 1, in: BJb 183, 1983, 853–857 und vor allem TAM V 2 in: BJb 191, 1991, 820–824. – Lange Zeit war in vielen Fällen die Beschreibung epigraphischer Monumente vernachlässigt worden – durchaus in Nachfolge Mommsens, der darauf keinerlei Wert legte –, was vor allem deshalb so hinderlich war, weil die photographische Dokumentation gefehlt hat. Heute tendiert die Entwicklung oft in die andere Richtung, weil, obwohl auf Photos sehr vieles zu erkennen ist, dennoch viele Details nochmals in langatmiger
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quium für Peter Herrmann diesen materiellen Aspekt der Inschriften zu einzelnen Statuen, aber auch zu Statuengruppen aus dem kleinasiatischen Raum etwas näher zu untersuchen und den Befund mit anderen nicht ganz konventionellen Formen der statuarischen Ehrung zu verbinden. Die griechisch-römische Kultur kannte Statuen als Ehrung von lebenden, partiell auch von verstorbenen Personen wie keine andere in der Geschichte. Hätte es dieses Phänomen der statuarischen Ehrung nicht gegeben, dann wären unsere epigraphischen Corpora zum Teil wesentlich weniger umfangreich. Dieses Faktum gilt für den Westen wie für den Osten des Imperium Romanum, vor allem für die Kaiserzeit, auf die ich mich hier im Wesentlichen beschränken will, da für die Zeit der Republik in den beiden Arbeiten von Tuchelt und Rödel-Braune das Statuenmaterial zumindest aus Asia wohl weitgehend erfasst ist.4 Vor allem die Fora oder Agorai der städtischen Zentren, ebenso auch die Vorhallen der Tempel waren voll, oft sogar überfüllt mit Statuen, auf deren Basen Inschriften Auskunft über die geehrten Personen gaben. Man denke an das Forum des nordafrikanischen Thamugadi oder an die Plätze und Straßen von Ephesus, wo noch heute die Basen der statuarischen Monumente dicht gedrängt stehen; die Statuen sind hier wie dort verschwunden. Vergleicht man freilich den konkret sichtbaren Befund in beiden Städten, dann wird man recht schnell einen deutlichen Unterschied feststellen: Während sich in Ephesus fast ausschließlich hochrechteckige Basen für sogenannte statuae pedestres finden, ist der Befund in Thamugadi deutlich anders. Neben nicht wenigen Basen mit ähnlichem Aussehen und Funktion wie in Ephesus kann man in Thamugadi auch Basen für Reiterstatuen oder für Bigae und Quadrigae identifizieren; der Anblick der Statuengalerien dürfte, wenn der heutige Befund jedenfalls in der Tendenz dem antiken halbwegs entspricht, in der afrikanischen Stadt wesentlich weniger gleichförmig gewesen sein als in Ephesus. Die Empfänger solch größerer Monumente waren in Thamugadi vornehmlich die Kaiser, aber auch Statthalter der Provinz Numidia und selbst Privatleute.5 Die Ehrenmonumente waren, so scheint es zumindest, weit weniger homogen als in Ephesus. Und solche Befunde wie in Thamugadi gibt es auch an anderen Orten im Westen, natürlich vor allem in Rom selbst, aber auch in Städten wie Volsinii (Bolsena) in Etrurien,6 in Lugdunum in Gallien,7 in Segobriga in der Tarraconensis8 oder in
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Weise beschrieben werden, was nicht zu neuen Erkenntnissen führt, sondern lediglich Publikationen umfangreicher macht. Tuchelt 1979; Rödel-Braune 2015. Zimmer 1989. Siehe etwa AE 1980, 426 = Erkelenz 2003, 212: [--- Pompeio --- f(ilio) Pom(ptina) Vopisco C(aio) Arr]unt[io Cate]llio Celeri Allio Sabino [Xvir(o) stlitib(us) iudicand(is)], t[rib(uno) lati]cla[vio leg(ionis) ---] p(iae) f(idelis), quaestori candidat(o) Aug(usti), [trib(uno) pleb(is), praetori ---]N[---, leg(ato)] le[g(ionis) XIIII] Gem(inae) et leg(ionis) I Italicae, dd(onis) militarib(us) [donato ab Imp(eratore) Caesare divo Hadriano Au]g(usto) ha[sta] pura coron(a) vallari vexill(o) arg(enteo), legat(o) [Imp(eratoris) Caesaris Antonini Aug(usti) Pii provinc(iae) Cappad]oc(iae), aug[ur]i, co(n)s(uli), pr(aetori) Etruriae, proco(n)s(uli) provinc(iae) Africae [patrono col(onia) I]ulia Carthago. = Für Pompeius Vopiscus Gaius Ar-
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Lepcis Magna in der Proconsularis.9 Dann muss man umgekehrt fragen, ob der Eindruck, den man für das kaiserzeitliche Ephesus gewinnt, tendenziell auch für die anderen Provinzen in Asia minor gilt oder ob in anderen Städten der Region ursprünglich eine ähnliche Variabilität wie in vielen Städten des Westens gegeben war. Oder anders formuliert, ob man in den Städten der kleinasiatischen Provinzen in bestimmten Fällen ebenfalls Personen durch statuarische Monumente ehrte, die sich aus der üblichen Banalität der vielen normalen Statuen abhoben. In umfassender Weise kann dies hier freilich nicht geschehen, einerseits wegen der Menge an Material, andererseits aber auch aus sehr konkreten anderen Gründen. Zum einen sind viele Inschriften aus früherer Zeit nur durch Abschriften bekannt, ohne Beschreibung des Inschriftenträgers oder nur mit einer unzureichenden und auch ohne Photo oder Zeichnung. Die Maße fehlen bei vielen; selbst in modernen Publikationen sind sie manchmal nicht angegeben oder nur zum Teil. Dabei sind die Maße und die genaue Beschreibung auch bei den meisten lateinischen Inschriften in den westlichen Provinzen entscheidend, wenn man den Typ eines Monuments erkennen will. Denn das Objekt wird natürlich in den inschriftlichen Texten selbst zumeist nicht genannt, und die Statuen sind (fast) immer verloren, so dass sie für die Frage nichts beitragen können, wie ein Monument einst konkret ausgesehen hat. Die Kenntnis dieser äußeren Elemente für die umfassendere Interpretation und das Verständnis des einzelnen Monuments gelten überall, im Westen genauso wie für die kleinasiatischen Provinzen. Ein Beispiel kann dies sehr deutlich machen. Aus Perge wurde im Jahr 1984 eine Inschrift publiziert, die dann nochmals im Jahr 1998 im Rahmen des Corpus der Inschriften dieser Stadt vorgelegt wurde. Man hatte sie in den Thermen der Stadt gefunden; Inschriftenträger war eine Marmorplatte mit einer Höhe von mehr als einem Meter, auf der folgender Text stand:10 Imp(eratori) T(ito) Fl(avio) / Vespasiano / Caesari Aug(usto) / ci(ves) R(omani) et ordo / et res publica / Pergensium. Dem Imperator Titus Flavius Vespasianus Caesar Augustus haben die römischen Bürger und der Stadtrat und die Bürger von Perge (eine Reiterstatue errichtet).
runtius Catellius Celer Allius Sabinus. Er war Mitglied eines Zehn-Männer-Kollegiums für die Rechtsprechung, senatorischer Miitärtribun, Quästor als Kandidat des Kaisers, Volkstribun, Prätor, Legat der legio XIII Gemina und der I Italica, er wurde vom vergöttlichten Kaiser Hadrian mit militärischen Orden ausgezeichnet: einem silbernen Speer, einer Mauerkrone, einem silberen Feldzeichen; er war Legat des Imperator Caesar Antoninus Augustus Pius der Provinz Cappadocia; er war Augur, Konsul, Prätor Etruriens, Prokonsul der Provinz Africa. Die Colonia Iulia Carthago hat ihm als ihrem Patron (dieses Denkmal errichtet). 7 CIL XIII 1679; vgl. Erkelenz 2003, 211. 8 Abascal – Alföldy – Cebrian 2011, 33 ff. 9 Erkelenz 2003, 209. 10 R. Merkelbach – S. Şahin, EA 11, 1988, 110 f. Nr. 11 = I. Perge 54. Zur folgenden Argumentation siehe Eck 2000, 641–660, hier bes. 650–655.
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Sie wurde zunächst als sogenannte Ehreninschrift angesehen, dann aber in der Gesamtpublikation der Inschriften von Perge aus dem Jahr 1999 als „Widmungsinschrift“, wobei ausdrücklich festgestellt wurde, dass der Stein „nicht als die Basis einer Statue des Kaisers diente.“ Gleichzeitig aber wird folgende Steinbeschreibung gegeben: Der Stein, auf dem die Inschrift eingemeißelt ist, habe eine Höhe von 1,03 m, er sei 0,62 m breit und – lediglich – 0,29 m dick. Dass auf einer nur 29 cm dicken Platte keine Statue gestanden haben kann, ist evident, was offensichtlich zu der Kategorisierung „Widmungsinschrift“ geführt hatte. Allerdings wurde darüber hinaus angegeben, dass am hinteren Rand der Oberseite der Platte rechts und links zwei Gusskanäle vorhanden seien, die dazu dienten, Blei in die Vertiefungen zu leiten, in denen Klammern saßen. Das kennt man von anderen Platten, wenn diese die Front eines Monuments bildeten, die mit einem an der Rückseite anschließenden Block verbunden werden sollten. Darauf deutet bei diesem Stück aus Perge auch das Faktum hin, dass auf der Rückseite nur die Ränder Anathyrose zeigen, sonst ist die Platte nur roh bearbeitet d. h. die Rückseite war nicht zu sehen, sollte aber eng mit einem anderen Stein verbunden werden. Die Nebenseiten der Frontplatte sind dagegen glatt gearbeitet, auch sie waren also zu sehen. Alle diese Merkmale zeigen, dass die dicke Platte, die allein nicht für die Aufstellung einer Statue genügte, nach hinten eine Verlängerung erfuhr. Diese Art der Gestaltung der Frontplatte aber wurde vor allem dann angewandt, wenn damit die lange Basis für eine Reiterstatue verkleidet werden sollte, was ohne Zweifel auch hier der Fall gewesen ist. Vespasian wurde also kurz nach seiner Akklamation in Iudaea in Perge mit einer Reiterstatue geehrt. Dass dies auf die Initiative von cives Romani geschah, die in der Inschrift an erster Stelle genannt sind, liegt nahe. Ihnen war diese Form der Ehrung auf jeden Fall vertraut; denn zu den cives Romani der Stadt gehörten auch die beiden jungen Senatoren M. Plancius Varus, der es später bis zur Prätur und zum Prokonsulat in Pontus-Bithynien schaffte, und C. Iulius Cornutus Tertullus, der im Jahr 100 zusammen mit Plinius einen Suffektkonsulat bekleidete und später noch konsulare Ämter übertragen erhielt. Ähnlich wie in Perge kann man auch in Sagalassos eine Reiterstatue für Vespasian identifizieren.11 Der Text selbst lautet schlicht: Τίτον Φλάο̣υ̣ι̣ο̣[ν] Οὐεσπασιανὸν Σεβαστὸν Κλαύδιοι Πείσων καὶ Οὐᾶρος κατὰ διαθηκῶν Τιβερίου Κλαυ̣δ̣ί̣ο̣υ̣ Ἰ̣λ̣α̣γ̣ο̣ο̣υ̣ τ̣ο̣ῦ̣ [πατρός - - - ?]. Claudius Piso und Claudius Varus ehrten Titus Flavius Vespasianus Augustus gemäß der testamentarischen Verfügungen ihres Vaters (?) Tiberius Claudius Ilagoas…(mit einer Reiterstatue).
Der Text steht auf einer Kalksteinplatte mit den Maßen: Höhe 74 cm; Breite 87 cm; Tiefe ebenfalls 29 cm wie in Perge. Auch hier reicht eine Tiefe von 29 cm nicht aus, um auf die dicke Platte eine Statue zu stellen. Erneut findet sich auf der Rückseite an den Rändern eine Anathyrose, während der große Rest nur grob gepickt ist. Auf dem oberen Rand sind drei rechteckige Dübellöcher zu erkennen, 11 Die Angaben finden sich im 1. Band der Inschriften von Sagalassos: I. Sagalassos 13.
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eines etwa mittig, die beiden übrigen an der Rückkante. Diese Elemente zeigen ganz klar, dass die Platte wiederum die Frontseite eines Reiterdenkmals bildete, das hier von zwei Privatleuten errichtet worden war, übrigens erneut ganz zu Beginn der vespasianischen Herrschaft, weshalb auch noch das nomen gentile Flavius im Namen des Kaisers erscheint; spätestens seit Anfang des Jahres 70 verschwindet dieses Element dauerhaft.12 In den beiden bisher besprochenen Fällen war es der Kaiser, der durch die Art des Ehrenmonuments aus der Masse der sonstigen statuarisch Geehrten ganz wortwörtlich hervorgehoben wurde. Ob dies in Sagalassos auch einem Bürger der Stadt, einem T. Flavius Neon, zugestanden wurde,13 muss allerdings offen bleiben, obwohl dies vermutet wurde.14 Denn die Tiefe der Basis, die sich erhalten hat, beträgt 50 cm, was durchaus als Standfläche für eine Statue ausreicht, zumal wenn auf den Schaft noch eine Standplatte gelegt wurde, worauf die Anathyrose auf der Oberseite der Basis hinweist. Dass umgekehrt an der hinteren Randleiste der Oberseite einst Eisenklammern angebracht waren, was bisher als Argument für die Deutung als statua equestris angeführt wurde, muss nicht für eine daran anschließende Verlängerung der Basis wie bei der Reiterstatue Vespasians sprechen, da Statuenbasen immer wieder auch an einer Wand befestigt wurden. Die Ausarbeitung der Rückseite der Basis ist nicht beschrieben. Dagegen könnte eine fragmentarische Inschrift, die zu einer Statuenehrung für einen Ritter gehörte, der unter anderem praefectus vehiculorum war, ein größeres Monument bezeugen; denn auch hier reicht die Dicke der Platte: 18 cm, nicht, um darauf ein Statue zu setzen. Das Fragment ist 78 cm breit, sie muss aber ursprünglich wesentlich breiter gewesen sein, weshalb man auch an eine biga mit der Statue des Geehrten denken könnte – eine nicht unpassende Form für einen Beauftragten der staatlichen vehiculatio.15 Dagegen lässt sich mit Wahrscheinlichkeit für eine Inschrift aus Thyateira zeigen, dass sie einst unter einer statua equestris angebracht war, die allerdings noch aus der Zeit der Republik stammt. Peter Herrmann hat den Text in TAM V 2 unter der Nr. 918 aufgenommen; das Monument war schon seit dem späteren 19. Jh. bekannt. Über den Statuentyp haben sich die Editoren nicht geäußert. Bekannt ist nur, dass der Text auf einer tabula marmoris caerulei steht, die 74 cm hoch und 96 cm breit ist. Das allein wäre nicht aussagefähig. Entscheidend ist aber die Dicke der tabula: nur 18 cm. Das zeigt unmittelbar an, dass die Platte allein keine Statue getragen haben kann, sondern nur die Front eines statuarischen Monuments gebildet hat. Die Dicke der Tafel entspricht der, wie man sie bei anderen Reiterdenkmälern kennt. Somit liegt das auch hier nahe. Diese Annahme passt auch zu der geehrten Person: Es ist L. Licinius Lucullus, der über fast ein Jahrzehnt als quaestor pro praetore in Asia tätig war, wo er sich hohes Ansehen erwarb. Das
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Eck 2012, 27 ff. Zum Text siehe AE 1997, 1486 = I. Sagalassos 83. So aber Devijver – Waelkens 1997, 293–296 Nr. 1.1. I. Sagalassos 64.
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drückte sich auch in dem Inschriftentext in Thyateira aus, in dem er mit drei Epitheta herausgestellt wird: als σωτὴρ καὶ εὐεργέτης καὶ κτ̣ίστηs, der seine εὔνοια gegenüber dem δήμος von Tyateira gezeigt habe. Fast zur gleichen Zeit wurde L. Licinius Murena, der von 84–81 Statthalter von Asia war, in Kaunos ebenfalls als εὐεργέτης καὶ σωτήρ geehrt. In diesem Fall weisen die Maße der Basis die Ehrung eindeutig als Reiterstatue aus: Höhe 155 cm, Breite 81 cm und Tiefe 210 cm. In diesem Fall werden diese Angaben noch durch den Text der Inschrift bestätigt, da Murena nicht nur mit einem goldenen Kranz geehrt wurde, sondern auch mit εἰκόνι χαλκῆι ἐφίππωι.16 Kurz vor dem Jahr 31 v.Chr. haben die cives Romani, die sich als negotiatores in Mytilene auf Lesbos aufhielten, den damaligen praefectus classis des Marcus Antonius, M. Titius, offensichtlich ebenfalls mit einer Reiterstatue geehrt. Überliefert ist bei Cyriacus von Ancona zwar nur, dass der Text auf einer basis magna stand;17 doch dürfte damit am ehesten eine Basis für eine statua equestris gemeint gewesen sein. Kurz nachdem M. Titius als einer der höchsten Kommandeure in der Streitmacht des Marcus Antonius diese Ehrung erhielt, ist er zusammen mit seinem Onkel Munatius Plancus auf die bald darauf siegreiche Seite Octavians übergegangen; dieser Wechsel „rettete“ wohl das Monument, sonst hätte man in Mytilene nach dem Sieg Octavians die Reiterstatue vermutlich beseitigt; so hat zumindest deren Basis die lange Zeit bis zu Cyriacus überlebt. Sicher ist die Ehrung mit einer Reiterstatue für Sex. Appuleius in Pergamon. Er war als Sohn der älteren Octavia mit Augustus verwandt und übernahm 23/22 v.Chr. die Statthalterschaft von Asia.18 Als solcher wurde er in Pergamon von der Stadt Kotiaion geehrt. Erhalten ist von der ehemaligen Basis eine Platte mit folgenden Maßen: ca. 60 cm hoch, 71 cm breit, aber nur 14 cm dick.19 Entscheidend ist jedoch die weitere Angabe, dass wiederum „auf der Oberseite zwei nach hinten gerichtete Klammerbettungen sowie zwei Dübellöcher für die Deckplatte“ erhalten sind. Es ist wieder die gleiche Konstruktionsform wie bei den Basen für die Reiterstatuen Vespasians in Perge und Sagalassos.20 In der späthellenistischen Zeit sind solche Ehrungen im gesamten Osten insgesamt zahlreich gewesen, gegenüber römischen Amtsträgern, aber auch gegenüber Bürgern der Städte, wie die Sammlungen bei Siedentopf, Tuchelt, Berge-
16 Bernhardt 1972, Nr. 1 = AE 1974, 630 = I. Kaunos 103; vgl. auch eine weitere statua pedestris für ihn in AE 1974, 631 = I. Kaunos 104. Dieser Text ist im Übrigen ein deutliches Beispiel dafür, dass der Begriff εἰκών für lebensgroße Statuen verwendet wurde. 17 CIL III 455 = 7160 = ILS 891: Cives Romani, qui Mytileneis negotiantur, M(arco) Titio L(uci) f(ilio) proco(n)s(uli), praef(ecto) classis, co(n)s(uli) desig(nato), patrono honoris causa. = Die römischen Bürger, die in Mytilene Handel treiben, errichteten für Marcus Titius, den Sohn des Lucius, eine (Statue), um ihn zu ehren. Er war Prokonsul, Befehlshaber der Flotte und ist zum Konsul designiert. 18 AvP VIII 2, 480 = IGR IV 402: ὁ δῆμος ὁ Κοτιαέων Σέξτον Ἀππολήϊον, τὸν ἀνθύπατον καὶ ἑαυτῶν εὐεργέτην. 19 Tuchelt 1979, 220. 20 Irrig ist die Interpretation bei Rödel-Braune 2015, 542 Nr. E 248.
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mann und Rödel-Braune zeigen.21 Doch soweit das kaiserzeitliche epigraphische Material, das aus den kleinasiatischen städtischen Zentren stammt, nach der heutigen Publikationslage eine genauere Analyse erlaubt, scheint es Reiterstatuen als Ehrung wohl insgesamt seltener gegeben zu haben. Auf einige der wenigen, die sich identifizieren lassen, wurde bereits verwiesen. Symptomatisch für das veränderte Verhalten scheint auf den ersten Blick Ephesus zu sein, Hauptort der Provinz Asia, wo sich der Prokonsul bevorzugt aufhielt, ebenso aber auch andere kaiserliche Amtsträger wie der procurator patrimonii der Provinz, also Personen, deren Wohlwollen man sich durchaus etwas kosten ließ. Zudem kann sich keine andere Stadt hinsichtlich des Inschriftenreichtums mit Ephesus vergleichen. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen ist dort, wenn ich recht sehe, bisher während der Kaiserzeit für keine Person eine Ehrung mit einer Reiterstatue mit Sicherheit nachgewiesen worden, und zwar weder für Kaiser noch für andere Personen.22 Doch dieser Befund dürfte trügen. Zwar ist die Überlieferungssituation hinsichtlich der näheren Beschreibung der Inschriftenträger insgesamt eher unbefriedigend.23 Dennoch lassen sich auch für die Kaiserzeit in Ephesus einige statuae equestres mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nachweisen. Eine in der Johanneskirche verbaute Orthostatenplatte aus bläulichem Marmor hat die Maße: Höhe 105 cm, Breite 89 cm und Dicke 20 cm; geehrt wird Hadrian im Jahr 118.24 Der Befund ist dem aus Perge für die Reiterstatue Vespasians sehr ähnlich, allerdings fehlt jede weitere Beschreibung über Rückseite mit möglichen Anschlussflächen usw. Etwas Ähnliches darf man auch bei einem Inschriftenfragment annehmen, das zu einer Ehrenstatue für M. Plautius Silvanus gehört, der im Jahr 6 n.Chr. als Prokonsul von Asia bezeugt ist. Das Textfragment steht auf einer Platte, deren ursprüngliche Höhe und Breite nicht bekannt sind, wohl aber die Dicke, nämlich nur 20 cm, erneut zu wenig, um zumindest allein als Basis für eine übliche Statue zu dienen.25
21 Siedentopf 1968; Tuchelt 1979; Bergemann 1990; siehe auch Rödel-Braune 2015. Ein neues Zeugnis MAMA XI 1. 22 Dabei wird von bezeugten oder vielleicht zu erschließenden Ehrenbögen in Ephesus abgesehen, auf denen man im Allgemeinen größere statuarische Monumente vermuten darf. 23 So wird bei I. Ephesos 3024–3027 jeweils angegeben, sie stammten von Basen; doch in keinem einzigen Fall überschreitet die Dicke der Fragmente 30 cm, zumeist bleibt sie deutlich darunter. Es drängt sich die Vermutung auf, dass diese Fragmente eher Teile von Orthostatenplatten sind, die damit wieder zu Reiterstatuen gehört haben könnten. Auch für 3007, einer Ehrung für Lucius Caesar gilt das; die „Basis“ ist nur 26 cm dick. Auf der Oberfläche werden zwei Gusskanäle erwähnt, nicht jedoch, wo sich diese genau befinden. Sie sollten aber dazu dienen, die Plinthe einer Marmorstatue zu befestigen – auf einer Tiefe von 26 cm (!?), was natürlich nicht möglich ist. 24 Forschungen aus Ephesus IV 3, 33 = I. Ephesos 4333. 25 I. Ephesos 706 = AE 1968, 483: [M(arco Pl]auti[o M(arci) f(ilio) Silvano VII]viro epu[lonum consuli, proco(n)]s(uli) publicani e[x pecunia] phorica d(e)[d(icaverunt)]. = Für Marcus Plautius Silvanus, Sohn des Lucius, der Mitglied im Siebenmännerkollegium der Epulones war, sowie Konsul und Prokonsul, haben die Steuerpächter aus den Steuermitteln (diese Statue) dediziert. Maße bei Rödel-Braune 2015, E 329: 45 x 58 x 20 cm; die Angabe der Dicke
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Unklar bleibt der Statuentyp bei einer Ehrung für Kaiser Claudius. Zwar hat Keil angenommen, in Ephesus sei für ihn im Jahr 43 eine Reiterstatue errichtet worden; das Argument für Keil war die Tiefe der Basis, die 144 cm beträgt.26 Dieser Befund zeigt auf jeden Fall, dass es sich nicht um eine normale Ehrenstatue gehandelt haben kann. Allerdings genügt, wie Johannes Bergemann mit gewissem Recht eingewandt hat, dieses Maß nicht, um darauf eine lebensgroße Reiterstatue aufzustellen.27 Dann müsste man von einem deutlich unterlebensgroßen Monument ausgehen, was aber gerade im Jahr 43, dem Jahr des Britannientriumphs weniger wahrscheinlich ist. Somit spricht einiges dafür, hier eher eine Statue anzunehmen, mit der die geehrte Person, also Claudius, sella curuli residens dargestellt ist.28 Noch wahrscheinlicher ist aber vielleicht eine weitere Möglichkeit, ein Statuentyp, der im Heiligtum der Augustalen in Misenum nachgewiesen wurde. Dort war eine Statue Traians auf einer Basis errichtet worden, die nur 152 cm tief war.29 Doch es handelt sich tatsächlich um eine statua equestris; diese zeigte allerdings das Pferd in der Haltung der Levade, was heißt, dass das Pferd, auf dem der Kaiser sitzt, lediglich auf den Hinterbeinen stehend mit angezogenem Rumpf und Vorderbeinen dargestellt war. Dazu aber war eine wesentlich kleinere Tiefe der Basis nötig, obwohl es sich um eine lebensgroße Darstellung handelte. Möglicherweise könnte man den Befund in Ephesus in ähnlicher Weise erklären. Wie auch immer: Zumindest diese Fälle zeigen, dass man in Ephesus auch in der Kaiserzeit größere Statuenmonumente errichtet hat, vermutlich statuae equestres. Verstärken könnte man den Befund noch mit den beiden Reiterstatuen, die links und rechts des Aufgangs zur Celsusbibliothek gestanden haben.30 Allerdings gehören sie nicht in derselben Weise der Kategorie der Ehrenstatuen an. Sie sind Teil des Familienmonuments bzw. des Mausoleums des C. Iulius Celsus Polemaeanus, das vom Sohn des Verstorbenen, Iulius Aquila, erbaut wurde. Sie sind
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der Platte in AE irrig. Da das erhaltene Fragment 58 cm breit ist, müsste es ursprünglich mindestens doppelt so breit gewesen sein, wenn nicht sogar deutlich mehr. Das aber könnte eher auf den Statuentyp einer biga verweisen. Forschungen in Ephesus III 19 = I. Ephesos 3019: Ti(berio) Claudio Caesari Aug(usto) Germanico imper(atori) pont(ifici) max(imo) trib(unicia) pot(estate) III co(n)s(uli) III p(atri) p(atriae) conventus c(ivium) R(omanorum) qui in Asia negotiantur curam agentibus T(ito) Camurio T(iti) f(ilio) Qu(i)r(ina) Iusto tr(ibuno) mil(itum) leg(ionis) XIII Geminae et L(ucio) Manlio L(uci) f(ilio) Marito. = Für Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, den Imperator, Oberpriester, der die tribunizische Gewalt zum dritten Mal innehatte, zum dritten Mal den Konsulat bekleidete, den Vater des Vaterlandes, hat die Gemeinschaft der römischen Bürger, die in Asia Handel treiben, (diese Statue errichtet), unter der Aufsicht von Titus Camurius Iustus, dem Sohn des Titus, aus der Tribus Quirina, der Militärtribun der legio XIII Gemina war, und von Lucius Manlius Maritus, dem Sohn des Lucius. Bergemann 1990, 151. Zu weiteren Reiterstatuen in Griechenland Siedentopf 1968, Nr. 36. 183. 185. So in dem Elogium für L. Volusius Saturninus in Rom formuliert: AE 1972, 174 = AE 1982, 268; CIL VI 41075a. AE 1993, 472 = 1996, 424a; vgl. Camodeca 1996, 161–169. ILS 8971 = I. Ephesos 5103; unter der Nr. 5102 der griechische Text.
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auch insoweit untypisch, weil hier die Inschriften an der Langseite der Basis eingemeißelt sind, während sie bei antiken Reiterdenkmälern – im Gegensatz etwa zu Denkmälern der Renaissance – sonst üblicherweise auf der Stirnseite stehen. Während man somit für Ephesus einige größere Monumente nachweisen oder zumindest wahrscheinlich machen kann, fehlen sie für andere Städte doch, auch wenn diese bedeutende Zentren waren und zahlreiche Inschriften hinterlassen haben, auch solche, die zu Ehrenstatuen gehörten. Dazu zählt u. a. die Stadt Smyrna, für die zumindest bis zum Jahr 1990 das epigraphische Material vollständig erfasst und im Detail beschrieben ist.31 Dennoch: für den hier bisher untersuchten Monumenttyp der Reiterstatue fehlt dort, wenn ich recht sehe, jeglicher Hinweis. Und das gilt auch für andere epigraphisch gut dokumentierte Städte der kleinasiatischen Provinzen. Überdurchschnittlich große Monumente fehlen dennoch nicht. Im Theater von Termessus hat der Demos eine Reiterstatue des Augustus als σωτὴρ καὶ εὐεργέ[της] dediziert; erkennbar ist sie an der Tiefe der Basis: 211 cm.32 In Amasia am Pontus Euxeinus wurden zwei Söhne von ihrer Mutter unter anderem mit ἐφιππίοις χρυσοῖς (= goldene Reiterstatuen) geehrt.33 Diese Ehrungen gehören freilich in gewisser Hinsicht in den privaten Bereich, nicht in den öffentlichen, was umgekehrt in Apollonia in Phrygien allerdings der Fall war, wo βουλὴ καὶ δῆμος in tiberischer Zeit als Dank für die Verdienste eines Mitbürgers [εἰκόνας ἐφίπ]πους τρεῖς (= drei Reiterstandbilder) in einem Heiligtum der Sebastoi weihten.34 Wie groß diese allerdings waren, ist den Texten nicht zu entnehmen; es könnte sich auch um kleine Statuen oder Statuetten gehandelt haben, zumal, wenn sie im Innern eines Heiligtums standen. Statuen normaler Größe darf man aber wohl bei den statuae pedestres et equestres voraussetzen, die die colonia Alexandria Troas für einen C. Iulius Iunianus in der Stadt aufgestellt hat. Denn er selbst spricht in einer Dedikationsinschrift unter einer Statue des Genius populi davon, er sei nicht nur mit sacerdotali(bus) et IIviralib(us) [orna]ment(is) et iure contionan[di] (= mit den Amtsinsignien eines Priesters und Duumvirn sowie dem Recht, eine Versammlung des Volkes abzuhalten) geehrt worden, sondern auch mit [sta]tuis pedestrib(us) et equestr[ib(us) st]atuis (= mit üblichen Statuen und mit Reiterstandbildern).35 Das müssten also mindestens vier Statuen gewesen sein, die natürlich alle mit Inschriften auf den Geehrten verwiesen, zwei zeigten den Geehrten zu Pferd. Von diesen Statuenbasen ist allerdings bis heute auch nicht ein Fragment gefunden worden.36 Auch in Limyra in Lykien war, unsicher zu welcher 31 32 33 34
I. Smyrna. IGR III 426 = TAM III 1, 36. St. Pont. III 107. MAMA IV 142. Im Jahr 171 n.Chr. wurde in Palmyra ebenfalls eine Reiterstatue im Caesareum aufgestellt: [ἐ]ν τῷ Καισαρείῳ ἔφιππον ἀν[δριά]ντα (= im Kaiserheiligtum ein Reiterstandbild), SEG 26, 1644. 35 CIL III 392 = 12246 = ILS 7192. 36 Theoretisch könnte sich das Fragment AE 1973, 518 auf ihn beziehen; doch das erhaltene IIvir quin[quennalis] reicht für eine Zuweisung nicht aus.
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Zeit, ein Reitermonument wohl für einen Kaiser errichtet worden, das in den ersten Jahren der Regierung Theodosius I. auf dessen gleichnamigen, aus politischen Gründen hingerichteten Vater umgewidmet wurde; die ursprüngliche Inschrift wurde dabei getilgt, die neue lateinische Inschrift hat allerdings wahrscheinlich die „Kommunikation“ mit den Bewohnern der Stadt nicht gerade erleichtert.37 Möglicherweise wurden auch in anderen Städten Lykiens ähnliche herausragende Ehrendenkmäler für den Vater des Kaisers errichtet.38 Der hier vorgelegte Befund umfasst nicht alle einst errichteten Monumente dieses Typs; dennoch darf man daraus wohl folgern, dass Reiterstandbilder in den kleinasiatischen Provinzen seit augusteischer Zeit trotz der sehr starken epigraphischen Dokumentation keine allgemeine Form der Ehrung von Personen gewesen sind, weder von Kaisern noch von anderen. Auf der anderen Seite könnte sie aber häufiger gewesen sein, als es bisher erscheinen mochte.39 Dass uns nur wenige Beispiele bekannt sind, ist vielleicht vor allem dadurch bedingt, dass bei der Beschreibung der Inschriftenträger speziell in den früheren Corpora, aber nicht nur dort, die Einzelheiten nicht genügend beachtet wurden, so wie das oben exemplarisch bei der Reiterstatue für Vespasian in Perge gezeigt werden konnte. Den Statuentyp zu erkennen, ist keine epigraphisch-historische Spielerei; denn an den konkreten Typen werden Faktoren sichtbar, die in der jeweiligen Gesellschaft für Differenzierungen sorgten, die damit aber auch in die modernen Beurteilungen des Lebens der Gemeinden einzubeziehen sind. Natürlich waren Reiterstandbilder nicht die einzigen Formen, um Herrschende und auch Beherrschte in unterschiedlicher und damit vielleicht auffallender Form zu ehren.40 Man denke an hohe Säulen, auf denen die Statuen von Geehrten standen, wie etwa die Statue für Curtia Iulia Valentilla, die aus senatorischer Familie stammte und mit einem Konsular verheiratet war. Ihr Abbild stand auf einer mehr als drei Meter hohen Säule, die in Kula in Nordlydien gefunden worden ist.41 Zu denken ist auch an aediculae, die eine einzelne Statue von anderen trennten und sie damit hervorhoben. Auch Monumente für mehrere Mitglieder einer Familie konnten besondere Aufmerksamkeit erregen, wegen der Zahl der Statuen und auch wegen der Größe des Podiums, das für deren Aufstellung nötig war. Nicht zuletzt gilt das für Sammelmonumente kaiserlicher Familien.
37 Feissel – Wörrle 2015, 267–275: Divini germinis stirpem inclytum Theodosium ob praeclara in rem publicam merita / provincia Lycia consecravit. = Theodosius, den berühmten Abkömmling aus vornehmstem Geschlecht, errichtete die Provinz Lycia (eine Statue) wegen seiner außerordentlichen Verdienste um die politische Gemeinschaft. Der Text lässt nicht erkennen, dass es sich um eine Reiterstatue gehandelt hat; nur die Tatsache, dass der größere Teil der langen Basis erhalten blieb, gibt uns diese Information. 38 So die recht wahrscheinliche Vermutung bei Feissel – Wörrle 2015, 271–273. 39 Für spätantike statuae equestres von Kaisern siehe Stichel 1982. 40 Siehe auch die Beschreibung der verschiedenen Typen bei Rödel-Braune 2015, 47 ff. (es fehlt bei den Reiterstatuen die Art, wie sie oben für die beiden Statuen Vespasians aus Perge und Sagalassos beschrieben wurden). 41 TAM V 1, 273.
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Zwei besondere Typen von Ehrungen sind hier noch etwas näher zu beschreiben, weil sie zum einen nie sehr zahlreich waren und auch kaum nebeneinander in der Öffentlichkeit standen, zum andern aber in besonderer Weise Personen aus der Umwelt heraushoben. Dies sind quadrigae und Ehrenbögen, auf die Statuen von Geehrten gestellt wurden. Auch diese Monumenttypen sind oft nur durch die archäologischen Details identifizierbar, da die Inschriften zumeist nichts über die Art der Ehrung aussagen – logischerweise, da der antike Betrachter das Objekt vor sich hatte.42 Auch im Westen des Imperiums sind quadrigae nicht allzu häufig; in der Mehrzahl sind sie durch archäologische Überreste nachzuweisen, vor allem durch die Breite der Front eines entsprechenden Monuments. In den Inschriftentexten selbst wird darauf nur selten hingewiesen.43 Bisher scheinen, soweit das aus der Literatur zu ersehen ist, solche Monumente in den Provinzen Kleinasiens zu fehlen, allerdings nicht generell im griechischen Osten. Zum einen kennt man ein solches Monument für Agrippa in Athen.44 Ferner hat Claudius den Alexandrinern erlaubt, an drei Orten in Ägypten Quadrigen, natürlich mit seiner Porträtstatue, aufzustellen.45 Auch für Septimius Severus wurde in Cyrene offensichtlich eine
42 Dass im titulus honorarius selbst von der Art des Monuments gesprochen wird, war im Allgemeinen nur dann nötig, wenn dieselbe Person mit verschiedenen Typen von Statuen geehrt wurden; siehe z. B. CIL III 392 = 12246 = ILS 7192; besonders deutlich in AE 1972, 174 = 1982, 268: item statuas ei [ponend]as tr[ium]fales in foro Augusti aeneam, in templo novo div[i Au]gus{s}ti, [m]armoreas [du]as, consulares, unam in templo divi Iuli, alteram [i]n [P]alatio intra tripylum, tertiam in aria Apol(l)inis in conspectum curiae, auguralem in regia, equestrem proxime rostra, sella curuli residentem at theatrum Pompeianum in porticu Lentulorum. = Ebenso sollen ihm Statuen errichtet werden: im Gewand eines Triumphators eine auf dem Forum Augusti aus Bronze, zwei im neuen Tempel des divus Augustus aus Marmor; Statuen, die ihn als Konsul zeigen: eine im Tempel des divus Iulius, eine weitere auf dem Palatin innerhalb des dreibogigen Tores, eine dritte auf dem Platz vor dem Apollotempel gegenüber der Curia; eine Statue als Augur in der Regia; eine Reiterstatue bei der Rednertribüne; eine weitere, die ihn sitzend auf dem Stuhl eines Magistrats zeigt, und zwar bei Pompeiustheater in der Säulenhalle der Lentuli. 43 Am häufigsten sind quadrigae in den Arvalakten erwähnt und in Listen von Siegern in Wagenrennen. In sogenannten tituli honorarii aber finden sie sich expressis verbis nur äußerst selten: CIL VIII 11216; IX 1619; CIL I 2532 = CIL XIV 2983 = AE 1968, 111; IRT 117. 139. 787; AE 1979, 374 = AE 1998, 804 (ergänzt). Vgl. zusammenfassend Erkelenz 2003. Ob in allen Fällen eine Person geehrt wurde, oder ob eine quadriga allein als ornamentum einer Stadt gedacht war (wie in CIL IX 1619), lässt sich nicht immer entscheiden. 44 Rödel-Braune 2015, 554 f. Nr. E 269. Sie erörtert auch (S. 134 f.), ob für Lucullus in Klaros ein Viergespann aufgestellt worden sein könnte (E 103), und lehnt dies ab, freilich mit allgemeinen Gründen, die im konkreten Fall nichts beweisen können. Denn wenn die Maße zutreffen: Breite 4.60 m, Tiefe 4.06 m, dann bleibt keine andere Erklärung als eine quadriga. S. 660 spricht sie von Reiterstatue oder Gespann. 45 P. Lond. 12 = Oliver 1989 Nr. 19; siehe auch Schollmeyer 2001, 152–168. Wenn Oliver meint, die gleichzeitig von Claudius genehmigten Reiterstatuen seien nicht für den ehemaligen praefectus Aegypti Vitrasius Pollio bestimmt gewesen, vielmehr habe dieser nur deren Aufstellung erlaubt, so ist dieses Verständnis sicherlich irrig.
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quadriga (wohl kaum eine biga) errichtet.46 Gleiches kann man ebenfalls für diesen Kaiser an der Grenze zwischen Cilicia und Syria annehmen.47 Doch auch für eine Person, die nicht zum kaiserlichen Haus gehörte, lässt sich zumindest ein Beispiel nachweisen. In Gortyn auf der Insel Creta wurde von einer Sulpicia Telero für ihren Sohn, der senatorischen Rang erreicht hatte, ein großes Monument aufgestellt, dessen Maße außergewöhnlich sind: Höhe 140 cm, Breite 340 cm und Tiefe 210 cm.48 Bisher wurde meist an eine Basis für eine überdimensionale Reiterstatue gedacht, Bergemann meinte, es sei wohl eher eine biga.49 Doch wenn man die Maße, vor allem die Breite der Front in Betracht zieht, wie wir sie aus dem Westen für quadrigae kennen,50 dann kann es kaum einen Zweifel geben, dass wir es in Gortyn eben mit einem solchen Monument zu tun haben. Die Frontbreite mit mehr als drei Metern lässt kaum etwas anderes zu. Beschlossen wurde das Monument vom Rat der Stadt, errichtet aber wurde es von der Mutter: vermutlich stammte die Familie aus Gortyn. Vielleicht ist es kein Zufall, dass diese quadriga für ein Mitglied des Senatorenstandes aufgestellt wurde. Der Typus war senatorischen Kreisen gerade durch die stadtrömischen Beispiele durchaus geläufig.51 Es wäre jedoch erstaunlich, wenn man in den Provinzen Kleinasiens diesen bei den Römern durchaus beliebten Statuentyp völlig übergangen hätte. Zwei Beispiele lassen sich wohl nachweisen, einmal auf der Insel Kos, sodann aber vor allem auch in Cyzicus, freilich in einer besonderen Konstellation. Denn dort errichteten die cives Romani, qui Cyzici [consistunt] zusammen mit den Bürgern der Stadt selbst für Claudius nach seinem Sieg in Britannien einen Ehrenbogen. Zwar ist der Text der zugehörigen Inschrift nur fragmentarisch erhalten;52 doch kann es kaum einen Zweifel daran geben, dass man in Cyzicus den stadtrömischen arcus nachahmte, der auf der via lata aus eben diesem Anlass für Claudius von Senat
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SEG 20, 728. Taeuber 1991. IC IV 292. Siehe Bergemann 1990, 152. Siehe Zimmer 1989, passim. Auch I. Ephesos 706 = AE 1968, 483 könnte zu einem Gespannmonument gehören; siehe oben Am. 25: für den augusteischen Prokonsul M. Plautius Silvanus. 52 CIL III 7061 = ILS 217: Divo Aug(usto) Caesari, Ti(berio) Au[g(usto) divi Aug(usti) f(ilio)], Imp(eratori) Ti(berio) Claudio Drusi f(ilio) [Caesari Aug(usto) Ger]manico pont(ifici) max(imo) [tr(ibunicia) p(otestate) XI co(n)s(uli) imp(eratori) XXI,] p(atri) p(atriae), vind(ici) lib(ertatis), devi[ctori regum XI] Britanniae ar[cum posuerunt] c(ives) R(omani), qui Cyzici [consistunt] et Cyzi[ceni --] curatore [--].= Für den vergöttlichten Augustus Caesar, für Tiberius Augustus, den Sohn des vergöttlichten Augustus, für Imperator Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, den Sohn des Drusus, der Oberpriester war, der die tribunizische Gewalt im 11. Jahr innehat, der zum fünften Mal den Konsulat bekleidete, der zweiundzwanzig Mal als Imperator akklamiert worden war, den Vater des Vaterlandes, den Bewahrer der Freiheit, den Sieger über elf Könige Britanniens haben die römischen Bürger, die in Cyzicus leben und die Bürger von Cyzicus einen Ehrenbogen errichtet. Verantwortlich für diese Aufgabe war …
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und Volk errichtet wurde.53 Auf der Attika dieses arcus hat wie üblich bei solchen Siegesdenkmälern ein Viergespann mit dem Sieger Claudius gestanden. In Rom wurden in der Dedikationsinschrift auf die in Britannien besiegten Könige verwiesen. Da man sich bei der Ehrung in Cyzicus, wie die Inschrift zeigt, diesem speziellen Detail der stadtrömischen Ehrung angeschlossen hat, liegt es nahe, dass dies auch bei dem Typus des statuarischen Monuments geschehen ist. Das wird noch verstärkt durch ein weiteres Detail. In Rom hat man neben Claudius auf der quadriga auch noch andere Personen durch statuae pedestres geehrt; dort waren dies die Mitglieder seiner Familie.54 In Cyzicus hat man dagegen divus Augustus und Tiberius gewählt. Denn der Dedikationstext auf dem arcus beginnt mit: Divo Aug(usto) Caesari, Ti(berio) Au[g(usto) divi Aug(usti) f(ilio)].55 Da die Ehrung vor allem Claudius galt, der natürlich statuarisch auf der Attika des Bogens präsent war, kann man die Nennung von divus Augustus und Tiberius dort nur so verstehen, dass sie neben ihrem Nachfolger im Kaisertum ebenfalls auf der Attika zu sehen waren. Eine solche Kombination ist nicht einmalig. Denn nach dem Tod des Germanicus wurde vom Senat beschlossen, in Rom einen arcus zu errichten, auf dessen Attika einerseits eine quadriga mit der Statue des Verstorbenen stand, daneben aber auch statuae pedestres seiner Familienangehörigen. Der Text der tabula Siarensis lautet: supraque eum ianum statua Ger[manici Caesaris po]neretur in curru triumphali et circa latera eius statuae D[rusi Germanici patris ei]us naturalis fratris Ti(beri) Caesaris Aug(usti) et Antoniae matris ei[us et Agrippinae uxoris et Li]viae sororis et Ti(beri) Germanici fratris eius et filiorum et fi[liarum eius].56 Auf dem Bogen solle die Statue des Germanicus Caesar auf dem Triumphwagen stehend errichtet werden und um ihn herum Statuen seines Vaters Drusus Germanicus, des natürlichen Bruders von Tiberius Caesar Augustus, und seiner Mutter Antonia und seiner Gattin Agrippina und seiner Schwester Livia und des Bruders von Tiberius Germanicus und seiner Söhne und Töchter.
53 CIL VI 40416 = ILS 216: Ti(berio) Clau[dio Drusi f(ilio) Cae]sari Augu[sto Germani]co pontific[i maxim(o), trib(unicia) potes]tat(e) XI, co(n)s(uli) V, im[p(eratori) XXII?, cens(ori), patri pa]triai senatus po[pulusque] Ro[manus, q]uod reges Brit[annorum] XI d[iebus paucis sine] ulla iactur[a devicerit et regna eorum] gentesque b[arbaras trans Oceanum sitas] primus in dici[onem populi Romani redegerit]. = Für Imperator Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, den Sohn des Drusus, der Oberpriester war, der die tribunizische Gewalt im elften Jahr innehat, der zum fünften Mal den Konsulat bekleidete, der zweiundzwanzig Mal als Imperator akklamiert worden war, der Censor und Vater des Vaterlandes war, hat Senat und Volk von Rom (diesen Triumphbogen errichtet), weil er elf Könige Britanniens in wenigen Tagen ohne jeden (eigenen) Verlust besiegt und ihre Königreiche und barbarische Völker, die jenseits des Ozeans leben, als erster der Herrschaft des römischen Volkes unterworfen hat. 54 CIL VI 921 = ILS 222. 55 Oben Anm. 52. 56 Crawford 1996, I 515.
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Falls die vorgeschlagene Interpretation des Gesamtbefundes des arcus in Cyzicus zutrifft, dann ist in diesem Fall das statuarische Monument: Claudius auf der quadriga flankiert von seinen beiden Vorgängern noch zusätzlich durch die Präsentation auf einem arcus verstärkt worden. Ebenfalls wohl für Claudius scheint eine quadriga auf der Insel Kos bezeugt zu sein,57 was wiederum nicht so überraschend ist. Denn Stertinius Xenophon, Leibarzt des Kaisers, hatte diesen auf dem Feldzug begleitet und dabei militärische Auszeichnungen erhalten.58 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er, der vermutlich die Ehrungen für Claudius in Rom kannte, seinen Mitbürgern die entsprechenden Hinweise gegeben hat, in ähnlicher Weise den Herrn der damaligen Welt zu ehren. Arcus aber können auch noch in anderer Weise als in Cyzicus bei der Ehrung von Personen eine Rolle gespielt haben. Verbunden ist dies mit einfachen Statuenbasen, wie sie unter den üblichen statuae pedestres gestanden haben. Denn solche Träger von Statuen findet man auch in einem Kontext, durch den die einzelne Statue eine weit größere Wertigkeit erhält oder zumindest erhalten sollte. In Ariassos in Pisidien ist am Ende der Hauptstraße der Stadt ein vollständiger Bogen zu sehen. Eine Widmungsinschrift, die sich auf den Bogen insgesamt bezieht, scheint es nicht gegeben zu haben oder ist zumindest nicht erhalten, doch auf dem Bogen wurden Kaiserstatuen errichtet, insgesamt vier. Sie standen aber nicht einfachhin auf dem Architrav, wie das offensichtlich bei dem Bogen in Cyzicus der Fall war, vielmehr wurde jede Statue auf dem Architrav auf eine eigene Basis gestellt. Bei dreien ist auf den zugehörigen Basen die Inschrift erhalten, die zeigt, dass die Statuen von Rat und Volk von Ariassos dediziert wurden, die Finanzierung aber aus den Mitteln eines Diotimos, Sohn eines Samos, erfolgte. Die Statuen repräsentierten den divus Septimius Severus, den divus Caracalla sowie den noch lebenden Severus Alexander.59 Die vierte Basis, deren Text nicht lesbar ist, könnte am ehesten die Statue der Iulia Mammaea, der Mutter des Severus Alexanders, getragen haben. Jedenfalls kann man annehmen, dass Bogen und Statuen in der Regierungszeit des letztgenannten Kaisers errichtet wurden, vielleicht im Kontext von dessen Orientfeldzug. Das entscheidende Problem für die Wertung der Inschriften und die Zielsetzung der Dedikanten ist jedoch, dass für uns die vier Basen nur deshalb in ihrer vollen Funktion erkennbar sind, weil hier der ursprüngliche Kontext erhalten ist. Wäre dies nicht der Fall, dann hätten wir vier recht einfache Ehrungen für das Kaiserhaus vor uns, wie sie auch sonst äußerst zahlreich in unseren epigraphischen Corpora zu finden sind. Da hier die Basen die Jahrtausende glücklicherweise auf dem Bogen überdauerten, sprechen sie in viel direkterer Weise von dem Bemühen der Gemeinde von Ariassos, dem regierenden Kaiser in
57 Bosnakis – Hallof 2008, 233–235 Nr. 33 = SEG 58, 862. 58 PIR2 S 913 p. 339. – Das Reitermonument für Claudius aus Patara (SEG 51, 1832) hängt mit der Einrichtung der Provinz Lycia zusammen, nicht mit dem militärischen Triumph im Norden des Reiches. 59 I. Central Pisidia, 110 ff. Nr. 112–114.
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besonderer Weise Ehre zu erweisen. Dann drängt es sich geradezu auf, danach zu fragen, wie viele andere ähnliche kleine Basen, die heute ohne jeden Kontext überlebt haben, in der Realität in einem ganz anderen Zusammenhang dediziert worden waren. Ohne näheren archäologischen Kontext ist das ausgeschlossen; nur sollte man mit Monumenten dieser Art auch in anderen Städten rechnen.60 In allen besprochenen Fällen ging es darum, dass man Geehrte durch die Größe, durch die Monumentalität oder die Singularität von Denkmälern, die an einem Ort zu sehen waren, bei der Mitwelt herausstellen wollte. Doch es gab Formen von Ehrungen, die in ganz anderer Weise auf einen Geehrten aufmerksam machen konnten, nicht durch die Größe eines Monuments, sondern durch die Ubiquität der Ehrungen, indem man dafür sorgte, dass die Bewohner einer Stadt einer Person, die dem Publikum vorgestellt wurde, nicht nur an einem Ort, sondern an vielen begegneten. Dabei sei einmal abgesehen von Stertinius Xenophon: auf der Insel Kos konnte niemand es vermeiden, stets und überall zumindest mit seinem Namen, an vielen Stellen aber auch mit dessen Porträtstatuen konfrontiert zu werden.61 Auch der domitianisch-traianische Senator C. Antius A. Iulius Quadratus begegnete demjenigen, der durch Pergamon wanderte, sozusagen auf Schritt und Tritt,62 wenn auch nicht ganz so ubiquitär wie Stertinius Xenophon auf Kos. Und ein Iollas, Sohn eines gleichnamigen Vaters, wurde in Smyrna mit einem vergoldeten Porträt geehrt, ferner einer vergoldeten Kolossalstatue, einer vergoldeten Reiterstatue, mit vier Bronzestatuen und schließlich drei Marmorstatuen.63 Wo diese aufgestellt waren, also verteilt über die Stadt oder an einem Ort, das wird nicht deutlich.64 In anderen Städten kann man davon ausgehen, dass eine Person nicht nur an einem Punkt statuarisch präsent war, sondern in vielen oder in allen Stadtteilen. Symptomatisch, aber keineswegs allein stehend, sind dafür die Ehrungen in Alexandria Troas sowie in Antiochia Pisidiae; beide Städte sind römische Kolonien der augusteischen Zeit. Beide waren in Stadtteile (vici) gegliedert, die bei Ehrungen von Personen, die für die Gemeinde von Bedeutung waren, aktiv werden konnten. In Alexandria Troas finden sich vier Statuenbasen, die eine Ehrenstatue eines C. Antonius Rufus trugen, der enge Beziehungen zu Alexandria Troas, aber auch zu drei anderen mehr oder weniger benachbarten coloniae hatte, zu Apri, zu Philippi und zu Parium. Erhalten sind Basen der Statuen des Antonius Rufus, die durch die vici mit den Ziffern II, VII, VIII und IX dediziert wurden.65 Alexandria 60 Auf einen Ehrenbogen, der für eine Person mit dem Namen Ornymythos, einen Bürger aus Limyra, etwa in der Mitte des 1. Jh. n.Chr. errichtet wurde, weist Wörrle 2016, 409 hin. Über die genaue Form ist noch nichts gesagt. 61 Siehe IG XII 4, 1 passim. 62 PIR2 J 507 und Halfmann 1979, 112.115 Nr. 17. 63 I. Sardis 27. Ähnlich für einen Bürger von Apameia in späthellenistischer Zeit, A. Bresson 2012. 64 Dass von derselben Person an einer Stelle mehrere Statuen aufgestellt wurden, ist bezeugt, z. B. für L. Vaccius Labeo in Kyme: I. Kyme 19. 65 CIL III 386a – 386d (ILS 2718).
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Troas hatte sich, anders als Antiochia, keine Mühe bei der Namensgebung dieser vici gemacht, hatte sie vielmehr schlicht durchgezählt. Es gab dort, soweit wir wissen, mindestens zehn solcher vici.66 Bezeugt sind für die Ehrung des Antonius Rufus lediglich vier. Doch liegt es mehr als nahe, dass auch diejenigen, von denen heute keine Basen für Statuen des Antonius Rufus erhalten sind, Ehrenstatuen aufgestellt haben. Obwohl es im Text nicht so formuliert ist, darf man davon ausgehen, dass die von den vici durchgeführten Ehrungen von der Gesamtgemeinde beschlossen worden waren. Auch für den ersten Senator aus Alexandria Troas, für Sex. Quinctilius Valerius Maximus wurde vom vicus X eine Statue errichtet,67 aber vermutlich nicht nur von diesem vicus allein, sondern auch von den anderen vici der Stadt. Der Anlass, die Aufnahme des ersten Bürgers der Stadt in den ordo senatorius, war gewichtig genug, um alle tätig werden zu lassen. Dies war jedenfalls in Antiochia Pisidiae der Fall, ebenfalls einer augusteischen colonia. Dort trugen die vici keine Ziffern zur Unterscheidung, sondern Namen, die mindestens partiell an vici als topographische Gegebenheiten der Stadt Rom erinnerten: Aedilicius, Cermalus, Fel(---),68 Patricius,69 Salutaris, Tuscus, Velabrus,70 Venerius.71 Mehrere dieser vici sind jeweils an der Ehrung von Personen durch Statuen beteiligt: Für einen Cn. Dottius Plancianus, der Ämter innerhalb der Stadt, aber auch beim Herrscherkult der Provinz Asia übernommen hatte;72 für einen C. Novius Rusticus Venuleius Apronianus, der senatorischen Ranges war und geehrt wurde, als er bereits zum Volkstribunat designiert war, den er als candidatus des Kaisers erreicht hatte;73 für einen C. Arrius Calpurnius Frontinus Honoratus, ebenfalls senatorischen, ja sogar patrizischen Ranges, der es bis zum Konsulat geschafft hatte.74 Daneben ist noch eine weitere nicht näher bekannte Person betroffen.75 In den erhaltenen Zeugnissen sind manche vici mehrmals bezeugt, manche nur einmal. Auch hier ist es wieder höchstwahrscheinlich, dass in jedem einzelnen Fall alle vici an den Ehrungen beteiligt waren, weil der Beschluss, die genannten Personen in jedem Stadtteil zu ehren, in fast allen Fällen vom Dekurionenrat gefasst worden war, nicht etwa von den einzelnen Stadtbezir66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
Siehe CIL III 384 = ILS 1018. Siehe das Zeugnis in Anm. 65. AE 2007, 1470. Vermutlich gab es einen weiteren vicus, dessen Name ebenfalls mit P[--] begann, wenn man nicht annehmen will, dass mit CIL III 6814 und 6815 dieselbe Person vom vicus Patricius mit zwei Statuen geehrt wurde. I. Antioche de Pisidie 171: [vicu]s Velab[rus]. Nachweisen lässt sich das für die vici Cermalus, Patricius, Salutaris, Tuscus, Velabrus; auch in Ariminum sind die vici Cermalus und Velabrus bezeugt (CIL XI 417. 419). CIL III 6835. 6836. 6837; Labarre – Özsait 2016, 590. CIL III 6814 = ILS 8976a. III 6815 + AE 1914, 132 = ILS 8976; III 6816; AE 1920, 78; ZPE 44, 1981, 96 f.; I. Antioche de Pisidie 165 (ein vicus als Dedikant ist zum Teil ergänzt, aber aus dem Gesamtkontext heraus zwingend). CIL III 6810. 6811. 6812; AE 1914, 130. AE 1967, 502. Ob I. Antioche de Pisidie 171 sich auf eine schon bekannte oder eine weitere, nicht näher bekannte Person bezieht, muss offen bleiben.
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ken; nur bei Arrius Honoratus ist der Stadtrat nicht genannt, sondern nur die einzelnen vici, die auf die Forderung des Volkes im Theater entsprechend reagierten.76 In Antiochia war sicherlich wie in vielen anderen Städten auch das Forum als celeberrimus locus der übliche Platz, an dem Ehrendenkmäler errichtet wurden.77 Doch bei den genannten Personen wollte man offensichtlich mehr erreichen: Die Ehrung sollte nicht nur durch vici erfolgen, die Geehrten sollten vielmehr auf diese Weise überall in der Stadt präsent sein, eben in allen vici, nicht nur an einem Ort. Das Motiv für diese weit ausgreifende Form der Ehrung war unterschiedlich. Während Cn. Dottius Plancianus als lokaler und regionaler Politiker aufgetreten war, hatte C. Arrius Calpurnius Frontinus Honoratus wohl als Patron für die Stadt gewirkt, was jeweils zu dem Beschluss des Stadtrats geführt hatte. Dagegen ist die Ehrung für C. Novius Rusticus Venuleius Apronianus vermutlich dem Einfluss der Mutter Flavonia Menodora zuzuschreiben, die aus der Familie der antiochenischen Flavonii stammte. Sie ist in allen den Sohn betreffenden Inschriften als seine Mutter genannt, was sehr ungewöhnlich ist, worin sich aber ihre starke Stellung in der Stadt und vermutlich auch ihre Einflussnahme auf den Beschluss der Dekurionen fassen lässt. Gerade in diesem Fall darf man sich vorstellen, wie wichtig es für sie war, ihren Sohn in dieser Weise überall in der Heimat präsent zu machen.78 Denn dessen Ehrung stellte auch sie in gleicher Weise in den Mittelpunkt der Bürgerschaft. Nicht Größe und Exzeptionalität des Monuments waren hier entscheidend, sondern die vervielfachte Präsenz unter den Bürgern. Ähnliche Serien von Ehrungen durch Statuen mit gleichlautenden Inschriften, offensichtlich aus demselben Anlass, zum selben Zeitpunkt und auf Grund des Beschlusses der Gemeinde, durchgeführt durch die Phylen der Stadt, finden sich z. B. auch in Ancyra für lokale Größen wie einen Ti. Iulius Iustus Iunianus und
76 Siehe die Zeugnisse Anm. 67: postul(ante) pop(ulo) in theatro vic(us) … = da das Volk im Theater stürmisch die Forderung erhob, hat der vicus ... Die absolut gleiche sprachliche Form, sogar bei den Abkürzungen innerhalb des Textes lässt allerdings vermuten, dass ein gemeinsamer Beschluss vorausging, und das heißt ein Beschluss des ordo decurionum. Vgl. auch aus Palmyra, wo die πατρίς einen Beschluss fasst, worauf sodann die vier Phylen jeweils in ihrem eigenen Heiligtum Statuen errichten (Syria 13, 1932, 278). 77 Doch lassen sich noch andere Möglichkeiten benennen, um für Statuen einen besonderen, vom Üblichen abweichenden Platz zu finden. So dedizierte Plancius Varus, Prokonsul von Pontus Bithynia unter Vespasian, in Nikaia einen Torbau zu Ehren des flavischen Kaiserhauses; dann aber wurde seine Statue in zwei Nischen über den beiden Toren dem Publikum präsentiert (I. Nikaia 25–28. 51 und 52). Beim sogenannten Bogen des Mettius Modestus in Patara, auf dem in den Nischen mehrere Statuen der Familie des Statthalters Mettius Modestus zu sehen waren, ist nicht klar, ob und wenn ja für wen der Bogen errichtet wurde (die Inschriften in PIR2 M 568 verzeichnet). 78 Ein vergleichbarer Fall ist in einer Inschrift aus Sebastopolis in Pontus bezeugt: Ein M. Antonius Rufus wird nach seinem Tod durch die Aufstellung seiner Statuen: τῇ τῶν ἀνδριάντων κατὰ φυλὴν ἀναθέσει (= durch die phylenweise Aufstellung von Statuen) geehrt; die Tochter Antonia Maxima übernimmt die Kosten (IGR III 115 = Mitford 1991, 200–204).
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einen T. Flavius Gaianus.79 Ähnliches geschah in Oinoanda, wo die Gemeinde allen Phylen befahl, eine Statue eines hochverdienten Athleten zu errichten.80 Und auch in nicht wenigen anderen Städten sind solche Serien von statuarischen Ehrungen durch Phylen nachweisbar oder zumindest mit gutem Grund zu vermuten.81 Und dennoch: Solche Exzeptionalität bei öffentlichen Ehrungen, hier durch Ubiquität von Statuen, konnte der einzelne noch übertreffen, indem er zwar einen entsprechenden Antrag dankbar zur Kenntnis nahm, aber am Schluss bescheiden die Vielzahl an Ehrungen zurückwies und sich mit Wenigem zufriedengab. Im lateinischen Westen ist dies zahlreich bezeugt, meist mit der Formel honore contentus habe der Geehrte zumindest die Kosten erlassen.82 Die ultimative Bescheidenheit aber zeigt ein L. Munatius Hilarianus in Neapel, der auf einen Ehrenbeschluss seiner Phratriegenossen hin an diese einen Brief in griechischer und lateinischer Sprache mit folgendem Wortlaut richtete:83 …καὶ τῶν εἰκόνων τῶν τεσσάρων καὶ τῶν ἀνδριάντων τῶν τεσσάρων ἐμοὶ μὲν ἱκανὴ {ι} μία γραφὴ {ι} καὶ χαλκοῦς ἀνδριὰς εἷς, ἴσαι δὲ τειμαὶ καὶ τῶι μεθεστηκότι τὰς γὰρ πολλὰς εἰκόνας καὶ τοὺς πολλοὺς ἀνδριάντας ἐν ταῖς ὑμετέραις ψυχαῖς ἔχομεν καθιδρυμένους … …item de imaginibus quattuor et de statuis quattuor mihi enim sufficit statua una et una imago, set et in honorem fili(i) mei sufficiet statua una; plures enim imagines et statuas in vestris animis habemus constitutas… Ebenso genügt mir von den vier (gemalten) Porträts und den vier Statuen (aus Bronze) je eine, aber auch zu Ehren meines Sohnes wird eine einzige Statue genügen; denn mehr Porträts und Statuen sind für uns in eurem Herzen errichtet.
Solcher Bescheidenheit sind wohl nicht allzu viele gefolgt. Viele, wertvolle und wohl vor allem große statuarische Monumente, durch die man sich von den vielen anderen abheben konnte, die ebenfalls, freilich in einfacherer Form geehrt wurden: sie waren den meisten willkommen, ob Kaiser, Statthalter oder lokale Honoratioren.84
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I. Ancyra, Nr. 91–95 und 96–102. Milner 2011. Kunert 2012, 330–333. Nach CIL VIII 7066 = ILS 1105 hat eine Sosia Falconilla von fünf Statuen, die Cirta für ihren Vater beschlossen hatte, eine angenommen und auf die anderen vier verzichtet; wegen dieser Zurückhaltung wurde dann ihr selbst eine Ehrenstatue errichtet. 83 I. Napoli 44 col. II 14–18; III 11–15. 84 Die hier publizierte Arbeit kann in keiner Weise eine unter allen möglichen Aspekten repräsentative Darstellung der Thematik leisten. So wäre z. B. zu untersuchen, welcher Statuentyp auf den breiten, aber nicht sehr hohen Basen errichtet wurden, die in Ilion für Augustus und Tiberius erhalten sind (I. Ilion 83 und 89). Im Laufe des 2. Jh. scheinen auch viele Statuenbasen deutlich höher geworden zu sein, was die entsprechenden Statuen wesentlich mehr hervorhob (siehe z. B. I. Ancyra 20. 52. 76. 83. 96–102; ebenso etwa für Cremna: I. Central Pisidia II 26. 32. 38. 91). Es wäre sicher ertragreich, eine solche umfassende und vergleichende Arbeit gerade für die Provinzen in Asia Minor durchzuführen.
Ehre wem Ehre gebührt
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STIFTUNGSSICHERUNG IM RÖMISCHEN OSTEN: „RÖMISCHE“ SANKTIONEN UND ÖKONOMISCHE INTERESSEN Marietta Horster Peter Herrmann hat im Jahr 1980 in der Festschrift für Friedrich Vittinghoff seinen Aufsatz „Kaiserliche Garantie für private Stiftungen“ publiziert. Vorbildlich diskutierte er darin die Frage der „Garantie“ ausgehend von einer Inschrift aus Magnesia am Sipylos. Dieser Beitrag wurde trotz seiner Prägnanz und seiner über den Einzelfall hinausgehenden Folgerungen nur in engeren Fachkreisen rezipiert. Er wurde daher auch nicht fruchtbar gemacht für Arbeiten, die sich mit den weniger oft epigraphisch überlieferten Festen und anderen Stiftungen im kaiserzeitlichen Westen des Reiches beschäftigten oder aber der dort häufiger belegten Umwidmung von Geldern bspw. im Rahmen des Einsatzes einer summa honoraria oder auch von pollicitationes (versprochene Finanzierungszusagen) in einer dem ursprünglichen Zweck nicht entsprechenden Weise. Auch der Aspekt der Organisation und Finanzierung von (griechischen) Kulten unter den Bedingungen römischer Herrschaft wird durch Herrmanns Aufsatz zur Umwidmung der Nutzung von Zinserträgen – als positiv formulierte Kreativität und/oder Bedarfsorientierung verantwortungsbewusster Bürger – oder auch des Missbrauchs von Geldern – in seiner negativen Ausformung durch beispielsweise traditionsunbewusste Familienmitglieder, Amtsträger oder Dekurionen – durchaus berührt. Abgesehen von den zahlreichen, wenn auch nur in wenigen Regionen häufig anzutreffenden Grabmulten, sind es in der Tat in griechischen Texten vor allem die Sicherungsbestimmungen für den Fortbestand von Festen zu Ehren von Gottheiten, die die größte Gruppe dieser Texte ausmacht.1 Im Westen dominieren neben Festen die Speisungen und Geldgeschenke an einzelne Statusgruppen.2 Herrmann hatte die Präsentation und Diskussion seiner Stiftungsinschrift aus Magnesia in den Kontext der Misswirtschaft griechischer Städte gestellt, die im 1
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Die von Laum 1914 zusammengestellten Texte zu Stiftungen können nur einen groben Anhaltspunkt geben, haben sich doch gerade die Kenntnisse von Inschriften über kaiserzeitliche Stiftungen multipliziert wie Sofia Aneziri in ihrer Neubearbeitung eines Teils der Laumschen Texte betont. Zu Grabmulten vgl. Dignas 2002, 136; Harter-Uibopuu – Wiedergut 2014 und Harter-Uibopuu 2014. Vgl. die Zusammenstellungen und Diskussionen durch Andreau 1977; Mrozek 2000; Hoyer 2018, 19–35. Mrozek und Hoyer betonen dabei trotz der im Verhältnis zu Einmalschenkungen (von Bauwerken, Statuen usw.) geringen Zahl von Inschriften, die Stiftungen im Westen des Reiches belegen, die wichtige Funktion der Stiftungen für das Kreditwesen der Städte unabhängig vom eigentlichen Stiftungszweck.
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Briefwechsel von Plinius und Kaiser Trajan thematisiert werden.3 Dion von Prusa verbindet in seinen Reden häufig städtischen Ruhm und Rang einer Stadt mit der Pracht der Ausstattung und der Art und Menge der öffentlichen Bauten. Für deren Bau und Erhalt werden große Mengen Geldes benötigt, eines der möglichen Ziele der Umwidmung von eigentlich anders zu nutzenden Geldern. Solche Texte haben zur Vorstellung von schlecht wirtschaftenden Gemeinwesen und über ihre Verhältnisse und Zuständigkeiten über Geld verfügen wollenden Mitgliedern der städtischen Führungsschicht geführt, die Herrmann mit der Stiftung von Magnesia und dem dort belegten Versuch einer besonderen Absicherung des Stiftungszwecks verband. Für Herrmann lag es 1980 nahe, das Aufkommen der curatores rei publicae im 2. Jh. als Reaktion auf vermeintlich aus dem Ruder gelaufenen Vorhaben und unangemessenem Finanzgebaren der Städte zu sehen. Die betreffenden Gemeinwesen sollten damit extern und im Interesse des Staates beziehungsweise des Kaisers kontrolliert werden.4 Seit den 1980er Jahren haben allerdings François Jacques, Graham Burton und andere die Rolle der curatores und logistai inzwischen deutlich anders akzentuiert.5 Nichtsdestoweniger bleibt das Thema des Stiftungswesens in der römischen Kaiserzeit sowohl im Westen als auch im Osten trotz unterschiedlicher regionaler Traditionen, mehr noch aber trotz unterschiedlicher rechtlicher Grundlagen von
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Vgl. Plin. ep. 10, 18; 37; 39; 43; 47; 90; 92; 98. Herrmann 1980, 339 mit Anm. 1. Dort verweist er auf Langhammer 1973, 165–175 sowie auf Burton, 1979, 480–483, obwohl Burton die Präsenz der curatores und deren Rolle in diesem Zusammenhang schon als eher gering benannt hatte. Vgl. Jacques 1984 zur Rolle der curatores und ihrer doch sehr begrenzten Möglichkeiten einerseits und deren insbesondere nicht nachweisbar problemorientierten oder systematischen Einsatz im 2. Jh. Eher (zu) weit geht dabei allerdings Dmitriev 2005, 189–197, indem er die schon in hellenistischer Zeit bestehende Tradition der auswärtigen Richter einerseits und der lokalen logistai andererseits unterstreicht. Vgl. in diesem Zusammenhang dagegen überzeugend Schuler 2005 zur Rolle der Dioketen bei der Finanzkontrolle der hellenistischen Städte; zu den logistai die Hinweise bei Harter-Uibopuu 2013, 55 bei ihrer Diskussion der Sicherung eines Fonds zur Finanzierung des Athenakultes in Lindos (I. Lindos 419, 22 n. Chr.). Die römische Variante sei nach Dmitriev ebd. lediglich eine Variation dieser lange etablierten Tradition. Es handele sich schließlich häufig um Persönlichkeiten mit einem gewissen Standing (als Asiarchen, Lykarchen beispielsweise) innerhalb ihrer Provinz, in der derjenige dann als logistes / curator eingesetzt wurde, wenn auch nicht in der Heimatstadt – dies sei strukturell analog der Funktion auswärtiger Richter, die von einer vergleichbaren Personengruppe in hellenistischer Zeit wahrgenommen worden sei. Zweifellos handelt es sich zwar insbesondere in der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. um wohlhabende und oft auch amtserfahrene Mitglieder der provinzialen Gesellschaft. Dennoch besteht ein gravierender Unterschied darin, dass die Richter von den betroffenen Poleis selbst ausgewählt worden waren. Diese Männer fällten daher im Auftrag und mit Zustimmung der in den Streitfall involvierten Städte ihre Entscheidungen. Die von der römischen Administration ernannten Personen, die außerdem in der Regel zunächst auch nicht aus den jeweiligen Städten ihres Einsatzes kamen (wie es dann im 3. Jh. n. Chr. üblich war), griffen jedoch durchaus in innerstädtische Angelegenheiten ein, ohne dass dies auf Wunsch der jeweiligen Städte geschah.
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hohem wirtschaftspolitischen Rang für die Ökonomie des römischen Reiches und seiner Städte/städtischen Eliten als deren wichtigste Säule.6 Nachhaltigkeit, durch und für wen? Mit Stiftungen waren anders als bei Einmalschenkungen langfristige, nachhaltige Finanzierungen verbunden. Dies konnte die Sicherung verschiedenster Dienstleistungen betreffen, die Gewährleistung des Unterhalts von Bauwerken oder auch die Zusicherung der Übernahme regelmäßig anfallender Kosten für die Durchführung von Opfern oder festlichen Veranstaltungen. Im Kontext der Stiftungen die an Kollegien gingen waren es häufig die Feiern zum Jahrestag des Geburtstages oder Todestages des Stifters. Die in den Digesten kompilierten und exzerpierten Juristentexte zu Stiftungen wie auch wenige Papyri, Briefe und Reden zeugen ebenso wie die deutlich zahlreicheren Inschriften jedoch auch davon, dass ein Stifter oder eine Stifterin wohl nicht immer mit ungeteilter und langanhaltender Freude und Dankbarkeit rechnen konnte.7 Aus den in den Digesten zusammengestellten Einzelfällen und Regulierungen wird deutlich, dass die Interessen der Beteiligten, Stifter und Empfänger, keineswegs identisch sein mussten und im Streitfall auch nicht leicht zu harmonisieren waren. Hierbei waren dann, anders als die kaiserzeitlichen Inschriften nahelegen, die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen nicht innerstädtisch determiniert, sondern sie gaben in der Regel die römische Perspektive wieder. Neben den individuellen Gebern und den Empfängern wie insbesondere den Städten, Dörfern und Vereinen, gab es weitere Akteure und Interessenten an solchen die Infrastruktur und Wirtschaft beeinflussenden Maßnahmen. In den verschiedenen erhaltenen Textgruppen werden als Vertreter der römischen Suprastruktur genannt der Kaiser, einzelne Statthalter und selten andere in Entscheidungsprozesse eingebundene Personen auf provinzialer Ebene. Im Folgenden werden im vorliegenden Beitrag die von Peter Herrmann entwickelten Überlegungen zu den Interessen der Städte am Stiftungswesen und an dessen Einbindung und Verbindung mit den römischen Institutionen im Hinblick auf ihren möglichen ökonomischen Kontext hinterfragt und weiterentwickelt.
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So zuletzt Hoyer 2018, wenn auch mit nicht nachvollziehbar sehr weitgehenden Folgerungen, über die Rolle der Stiftungen für das allgemeine Kreditwesen und die Rolle der städtischen Finanzwirtschaft. Vgl. die Diskussion dieser Texte durch Johnston 1985.
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Die Stiftung in Magnesia ad Sipylum, 2. Jh. n. Chr. Ausgangspunkt der Überlegungen Herrmanns waren die nun im Archäologischen Museum von Manisa aufbewahrten zwei Marmorblöcke,8 die eine aus Magnesia ad Sipylum stammende Inschrift (wohl aus dem 2. Jh.) tragen, aus der hervorgeht, dass eine auf Ewigkeit finanzierte Stephanephorie durch die Einkünfte (A 4; B 4– 5) aus gestiftetem Kapital gesichert werden sollte. Die Stephanephorie ist das eponyme Amt der Magnesier. Die Stiftung greift insofern in das politische Gefüge der Stadt ein. Der Amtsinhaber hatte als Eponymos nicht nur repräsentative Aufgaben wie etwa bei der die Hierarchie abbildenden Reihenfolge der Magistratsauftritte bei Festen und Opfern, sondern er war vornehmlich der wichtigste Repräsentant seiner Stadt. Der Stephanephore war an vielen städtischen Aufgaben beteiligt und in zahlreiche Funktionen und Institutionen wie den Rat eingebunden.9 Viele von diesen Aufgaben und Funktionen waren mit persönlichen finanziellen Pflichten verbunden, eine Grundfinanzierung der Aufgaben des Amtsträgers dürfte für die Mitglieder der städtischen Elite von Magnesia, die in der Regel diese Magistrate stellten, durchaus willkommen gewesen sein. Stein A ist der Beginn des städtischen Dekrets der Annahme der Stiftung, Stein B dagegen beginnt mit einem Hinweis auf eine diátaxis des Kaisers, dessen Name nicht erhalten ist, aber zweifellos in die Mitte des 2. Jhs. gehört. Damit die Stiftung gleich von Beginn an durch die familiäre Präsenz der Stifterfamilie im städtischen Raum als verantwortungsbewusste und gemeinwohlorientierte Wohltäter von Anfang an markiert werde, sollte zunächst einer der miteinander verwandten Stifter, Menekles, danach der andere, Diokles, als Stephanephoren „eingetragen“ (epigraphé, B 5)10 werden. Möglicherweise folgten dann genauere Regeln oder Festlegungen (Namen) für die Abfolge (diadoché, B 6) der danach folgenden weiteren Amtsinhaber als eine Stiftungskondition. Es ist allerdings zu wenig vom Text erhalten, um zu sehen, ob derartige weitere Vorgaben für die Amtsübernahme schon im Stiftungsvertrag gemacht worden waren. Herrmann schlägt vor, die beiden erhaltenen Namen als Hinweis auf eine öffentlich ausgestellte Liste zu lesen.11 Diese könne ein Album der Stephanephoren gewesen sein, das dann entsprechend markant nicht nur von den beiden Aelii Menekrates und Diokles angeführt worden sei, sondern in jedem der Fälle, in denen wegen
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Herrmann 1989 ad TAM V 2, 1345 mit Hinweis auf J. Keil, es könne sich um Blöcke eines öffentlichen Bauwerks wie etwa der „curia“ (Prytaneion) gehandelt haben. Abwegig sei, so Herrmann ebd., die Vermutung Ihnkens 1978, ad no. 20, dass es sich um Teile eines Grabmonuments gehandelt habe; so allerdings aber auch Sherk 1992, 228. Grundsätzlich ist ein monumentales Grabmonument nicht auszuschließen, denn die Wiederverwendung in der Moschee von Manisa gibt keinen Hinweis darauf, wo der Stein ursprünglich herkam, ob mehr aus dem Zentrum (öffentliches Gebäude) oder eher vom Rande der antiken Stadt (Grabmal). 9 Zur Datierung nach Stephanephoren, ein nicht nur in lydischen Städten verbreitetes Phänomen, vgl. Dignas 2007. 10 Herrmann 1980, 343. 11 Herrmann ebd. mit Anm. 8
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Vakanz die Stiftung zum Tragen kommen würde, die Namen außerdem erneut eingeschrieben worden seien.12 Häufiger im griechischen Osten belegt als dieser von Herrmann vorgeschlagene Charakter eines Notfallfonds in Magnesia, wenn sich kein geeigneter, finanzstarker Kandidat gefunden hat, ist jedoch die Regelfinanzierung durch eine Stiftung Jahr um Jahr.13 Trotz der geringen Investition durch die beiden Aelii spricht in der Tat die Regelhaftigkeit der Einnahmen aus Zinsen für eine regelmäßige Funktion der Stiftung. Andererseits könnte man argumentieren, dass die Finanzierung nur dann überhaupt ausreichend wäre, wenn die geringen Einnahmen aus den Zinsen als Stiftungsertrag nicht jedes Jahr eingesetzt würden. Damit wäre dann aber auch die Finanzierung eines Stephanephorenamtsjahres und der damit zusammenhängenden Ausgaben nicht jedes Jahr möglich. Ein Ansparen wäre also nötig. Von einer Thesaurierung nicht genutzter Gelder für solche Notzeiten ist im allerdings fragmentarischen (und damit für eine Lösung dieser Frage nicht argumentativ nutzbaren) Text jedoch nicht die Rede.14 Solche Probleme, einen Amtswilligen zu finden und entsprechende Lücken in der Übernahme eines Amtes zu füllen, waren durchaus verbreitet. In einigen Städten wurden Lösungen durch die Abschaffung des jährlichen Amtswechsels für politische und kultische Funktionsträger gefunden, indem die Aufgaben dia biou, auf Lebenszeit vergeben wurden.15 Bei anderen Städten dagegen wurden dann „Financiers“ als Amtsträger gefunden, bei denen offensichtlich ist, dass sie lediglich eine temporäre Übernahme der Finanzierung eines Amtes garantierten, nicht aber die Aufgaben durchführten und Funktionen übernahmen. So konnten dann auch Kinder, Frauen, Gottheiten oder auch der Kaiser als Amtsträger erscheinen, ohne dass die genannten jemals aktiv ihr Amt ausgeübt hätten.16 In anderen Fällen, wie bei dem wohlhabenden Arzt C. Stertinius Xenophon aus Kos, ist es naheliegend, dass der Finanzier des Amtes in neronischer Zeit nach seiner Rückkehr aus Rom das jährliche Priestertum in der Tat in seiner Heimatstadt dia biou selbst übernommen hatte. Um der Effizienz willen und in diesem Fall wohl weniger aus Gründen der Kostenersparnis waren hierfür auch noch mehrere wohl zuvor zumindest zum Teil noch getrennte koische Kulte (der Kaiser verbunden mit Asclepius, Hygeia und Epione, Z. 14–16) von ihm in Personalunion wenigstens 12 Zu solchen Phänomen der Substitution von Amtsträgern durch Finanzierung des Amtes und von deren Dokumentation in den verschiedenen Textgattungen vgl. Horster 2004. 13 Herrmann 1980, 343 mit Anm. 9 argumentiert für diese ungewöhnliche, aber in der Sache überzeugende Lösung mit [ἂν] ἐπείξῃ (B 3). Zu solchen Ersatzübernahmen vgl. oben Anm. 12. 14 Für einen nicht regelmäßig genutzten Stiftungsertrag für das Stiftungsziel gibt es zwar einige wenige Beispiele, wie bei der Finanzierung der Mysterien von Andania, bei der Geld auch zur Ausbesserung eines der Kultgebäude genutzt werden darf, IG V 1, 1390, vgl. den Kommentar von Gawlinski 2012, 162. 15 Vgl. e.g. zur Stiftung des Attalos Adrastos, der Mittel für die dauerhafte Finanzierung der Gymnasiarchie und Stephenphorie für Aphrodisias bereitstellt (IAph 2007, 12.1007; Laum 1914, Nr. 102) Harter-Uibopuu im vorliegenden Band. 16 Horster 1996; dies. 2004.
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was die finanziellen und bei größeren städtischen Ereignissen auch rituellen Pflichten betraf, zusammengeführten worden.17 Man würde eigentlich erwarten, dass eine kaiserliche Unterstützung für die Durchsetzung von Stiftungsregelungen normalerweise im Sinne des Stifters gegen mögliche Eingriffe seitens der städtischen Amtsträger oder auch der beschlussfassenden Organe gedacht war.18 Demnach wäre es also der Stifter, der sich üblicherweise um ein kaiserliches Bestätigungsschreiben bemüht hätte. In einem solchen Fall hätte dann die kaiserliche Bestätigung durch eine Konstitution, diátaxis, für den Stifter eine Absicherung gegeben, dass die Stadt und deren einzelne Magistrate sich an die in der Stiftung fixierten Regelungen halten würden. Ganz ähnlich und durchaus naheliegend hat auch Kaja Harter-Uibopuu in ihrer Arbeit zu Bestandsklauseln und Abänderungsverboten unterstrichen, dass in den Fällen, in denen bei einer Stiftung, „die Gemeinschaft als Empfängerin der Stiftung an der Verwaltung teilhat oder zur Gänze verantwortlich“ ist, die Angst vor einer legalen Umwidmung auf der Seite des Stifters gelegen habe, der dann ein entsprechendes Abänderungsverbot explizit und mit Sanktionen hinterlegt in das Dekret der Stadt aufnehmen ließ, und darüber hinaus auch ein Interesse an einer zusätzlichen außerstädtischen Absicherung hatte.19 Ob dadurch für die Amtsträger wirklich ein zusätzlicher Druck und entsprechend mehr Rechtsschutz für den Stifter und seinen Willen entstand und wie dieser Wille in entsprechend vertraglicher Fassung gewährleistet war, wird weiter unten Thema sein. Die Tatsache, dass es überhaupt solch eine kaiserliche Konstitution gab, bedeutet zumindest aber, dass auch die Kaiser oder zumindest die kaiserliche (Finanz-)Administration, vertreten durch kaiserliche Ratgeber und die den Büros vorstehenden Prokuratoren, die für die ausgehenden Schriftstücke verantwortlich waren, dies als eine sinnvolle Maßnahme ansahen. Sinn würde eine solche diátaxis allerdings nur erhalten, wenn die grundsätzliche Bereitschaft seitens der kaiserlichen Administration und auch die Gewissheit der statthalterlichen Exekutivmöglichkeit existierte, hierfür notfalls aktiv zu werden und Maßnahmen gegen den- oder diejenigen zu ergreifen, die die Regelungen nicht eingehalten und den Stiftungszweck gefährdet hatten.20 In jedem Fall macht aber die von einem Kaiser individuell garantierte Sicherung der Stiftung für Magnesia deutlich, dass 17 IG XII 4,2, 952 (IGR IV 1086; SIG3 804). Zu den Ehren für Stertinius Xenophon auf Kos, Sherwin-White 1978, 283–285, jetzt mit IG XII 4,2, 712–779. 18 J. Keil hatte vermutet (vgl. Herrmanns Kommentar 1989, TAM V2, p. 485 ad 1345), das Ersuchen um kaiserliche Genehmigung (B 2) und damit Schutz sei Ausdruck der Befürchtung des Missbrauchs der gestifteten Gelder oder aber der Einkünfte gewesen. Anders als erwartet, wurde diese Genehmigung jedoch nicht seitens des Stifters, sondern durch die Magneten erwirkt. 19 Harter-Uibopuu 2013, 67. 20 Die Ergebnisse von Haensch 1992 zu Statthalterarchiven lassen allerdings eine Argumentation nicht zu, die eine Überprüfung der Einhaltung der Stiftungen (mit kaiserlicher Garantie) durch die römische Verwaltung voraussetzt. Auch eine lückenlose Dokumentation, auf die sich ein möglicher Kläger berufen könnte, dem die entsprechenden Stiftungsdokumente und der dazugehörige Schriftwechsel nicht vorlagen, dürfte dort kaum (problemlos) greifbar gewesen sein.
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es ein wie auch immer geartetes Interesse von Kaisern an der Existenz und dem Funktionieren einzelner Stiftungen gab.21 Es wäre allerdings falsch, das im Westen wie Osten verbreitete Wohltätertum und seine besondere Ausprägung der dauerhaften Stiftung als eine grundsätzlich konfliktprovozierende Maßnahme zwischen individuellen Interessen von Euergeten und gesamtgesellschaftlichen, stadt- oder kollegienbezogenen Interessen der Empfänger zu sehen. Vielmehr scheint gerade die Langfristigkeit von Stiftungen, ebenso wie die umfänglich finanzierten Baumaßnahmen von großer systemstabilisierender Relevanz für das ökonomische wie politische städtische Leben der Kaiserzeit (und zuvor des Hellenismus) gewesen zu sein.22 Dem Stifterinteresse stand dabei in der Regel das der Empfänger nicht als Gegensatz gegenüber. Bis es zur Annahme einer Stiftung kam, hat es einen Aushandlungsprozess gegeben, wie einige Dokumente zeigen. Dabei hat sich die erste Idee des Stifters keineswegs immer ganz durchgesetzt.23 Naheliegenderweise hatten die Empfänger ein Interesse daran, vornehmlich wegen entstehender finanzieller Pflichten, aber auch wegen der zusätzlichen Verwaltungsaufgaben, auf die konkrete Ausgestaltung Einfluss zu nehmen, sofern sie nicht von Anfang an ihren Vorstellungen, Möglichkeiten und personellen wie ökonomischen Notwendigkeiten entsprachen. Bei den in den Digesten überlieferten Anfragen, um Genehmigung von Umwidmungen zu erwirken oder um solche Ansinnen verbieten zu lassen, kamen selbst die Bemühungen für ein Umwidmungsverbot eher von den Stiftungsempfängern, also den Städten kommen, und nicht von den Familienmitgliedern des verstorbenen Stifters.24 Ob so ein juristisches Gerangel um die Sicherung von Gelderträgen und deren zweckgebundene Nutzung Ausdruck eines innerstädtischen Konflikts war, wie dies Johnston vermutet hat, geht aus den erhaltenen Texten nicht hervor: Die Motive der Diskussionen um Stiftungszwecke bleiben wegen der in den Digestenexzerpten üblicherweise fehlenden Detailargumentationen der zitierten Anfragen und Entscheidungen im Dunkeln.25 So kann man lediglich spekulieren, ob die Anträge auf Umwidmung und Andersnutzung von Stiftungsgeldern und innerstädtische Widerstände dagegen durch die Sorge um die Planungs21 Laum 1914, I 218 f. kannte neun Fälle, bei denen der Schutz von Stiftungen durch die „Zentralgewalt“ gewährt worden war und für die der Kaiser entweder vom Stifter oder vom Empfänger angefragt worden war. Davon waren es lediglich drei Beispiele, bei denen am Ende zum Schutz bzw. als Garant ein Kaiser konkret eingebunden war. Oliver 1953 fügt dieser Liste drei weitere hinzu, in denen Kaiser „endowments“ unter ihren Schutz gestellt hatten. 22 Eine Vielzahl von Wohltaten (wie beispielsweise Öl für das Gymnasium, Speisungen oder Opfermahl) wurden sowohl in Form von nachhaltigen Stiftungen als auch von einmaligen Geschenken umgesetzt, vgl. Stavrianopoulou 2009 zu Speisungen; Horster 2014 zu den mit Bauten verbundenen Festen; Hoyer 2018, passim zur Komplementarität beider Phänomene. 23 Vgl. hierzu die von Wörrle 1988 ausführliche Kommentierung der verschiedenen Schritte, die in den Stiftungstexten für Oinoanda deutlich werden. Dies ist keineswegs ein römisches Phänomen, vgl. zum nachvollziehbaren Aushandlungsprozess einer Stiftung im hellenistischen Korkyra (2. Jh. v. Chr.), Migeotte 2010. 24 Johnston 1985, 115–117. 25 Einen Überblick über das Material bieten Johnston 1985 und die Inschriften stärker berücksichtigend auch Wesch-Klein 1989.
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sicherheit für das Budget bestimmt waren, oder ob das spezielle Interesse an der Beibehaltung bestimmter städtischer Feste und einer damit verbundenen Hierarchie der Kulte nicht in Unordnung gebracht werden sollten. Ging es um Speisungen, um Ölstiftungen für das Gymnasium und die Frage, welche Empfänger nun in jedem Fall bedacht oder auch nicht werden sollten usw., wollte man statt Opferfleischverteilung nun lieber Geldauszahlungen? In einzelnen Fällen mochte es jenseits der inhaltlichen Regelungen und des Unmuts über neue Vorhaben bzw. des vermeintlich unbotmäßigen Antragstellens auf Umwidmen von etablierten Stiftungen um ganz andere Dinge gegangen sein, wie das (menschlich verständliche) Missfallen am Antragsteller, der eine Umwidmung wünschte.26 Auch gab es offensichtlich Trends in den Wünschen und Bedarfen der Bürger, die möglicherweise dann auch ihre Fürsprecher im Rat und unter den Magistraten fanden, während andere die Rechtssicherheit grundsätzlich und als Anreiz für weitere Geldgeber und Stifter auch in Zukunft unterstreichen wollten und am Bestehenden entsprechend auch festhalten mussten, unabhängig davon, ob der Stiftungszweck noch attraktiv erschien oder nicht. Aus moderner Sicht müssten eigentlich sowohl die in den städtischen Räten versammelten Akteure als auch die für die staatliche Finanzadministration engagierten Funktionsträger ein Interesse an einer Flexibilisierung eines Budgets haben, um es bedarfsgerecht einsetzen zu können. Jedoch ist bedarfsorientierte Finanzplanung keine vornehmliche Kategorie der antiken öffentlichen Haushalte. Dies hatte auch Folgen für die städtische Innenpolitik und die Verantwortung eines provinzialen Gemeinwesens gegenüber dem staatlichen Fiskus, unabhängig davon, ob letzterer von einem Prokurator oder einem Quästor administriert wurde. Für Gemeinden wie Fiskus waren finanzielle Leistungsbereitschaft und wirtschaftliche Potenz individueller Bürger von zentraler Bedeutung. Diese mussten bewahrt werden, um sie auch weiterhin als mehr oder weniger feste Größe in die städtischen Planungen einbeziehen zu können. Es waren die wohlhabenden Bürger, die das Wohlergehen der Stadt gewährleisteten und die Pflichten gegenüber der römischen Administration erfüllten. Dagegen waren die nicht unmittelbar und eng mit einer Stadt verbundenen Wohltäter deutlich weniger kalkulierbar. Dies galt für den Kaiser als „Global player“, aber auch für die wohlhabenden ritterlichen und senatorischen Familien, die ihren Besitz über größere Räume diversifiziert hatten, und sich mehr als nur einer Stadt und einer Region verpflichtet fühlten. Sie kamen zwar für die Städte als weitere mögliche aber eher doch einmaliger Wohltäter hinzu.27
26 Ein solches Motiv persönlichen Neids und persönlicher Aversionen wird hinter einigen Formulierungen der Salutaris-Stiftung in Ephesos gesehen, vgl. Rogers 1989, 18; 25–26 und 28– 30. 27 Vgl. zur Bautätigkeit der Kaiser im Westen des Reiches Horster 2001; zu Statusgruppen von Wohltätern Horster 2014 mit weiterer Literatur; zum Engagement der Senatoren und ihrer Familien in ihren Heimatstädten vgl. Halfmann 1979; ders. 1982; Eck 1980.
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Aushandlungsprozesse und Stiftungsverträge Nur wenige Rahmenbedingungen hatten die öffentlichen ökonomischen Bedarfe jenseits des Tagesgeschäftes gelenkt: Seitens der Städte waren es vor allem die für das Selbstverständnis notwendige Grundstruktur der Ausstattung mit Bauten und Kulten sowie die Notwendigkeit, die durch die politische Abhängigkeit von Rom vorgegebenen Steuern und Abgaben bedienen zu müssen. Kein Wunder also, wenn im milesischen Amtseid aus augusteischer Zeit als erstes die Einhaltung der Anordnungen für die regelmäßigen Steuern (enkykliai telée) geschworen wird, bevor weitere Versprechen folgen.28 Es dürfte allerdings zu bezweifeln sein, dass es bei den eventuell existierenden Meinungsverschiedenheiten in Ephesus zwischen Salutaris, dem potentiellen Stifter, und dem Rat der Stadt um die Sicherung bzw. Gefährdung des Einkommens der Stadt und der Absicherung der (nicht nur pekuniären) Verpflichtungen den Römern gegenüber gegangen ist. Vielmehr könnte es die Tatsache gewesen sein, dass die Stiftung einen Eingriff darstellte in die für das Selbstverständnis der Stadt Ephesus und deren Außenwahrnehmung zentralen Aspekte: Kult und Heiligtum der Artemis und ihrer Statue. Ob es Einzelheiten der Ausformung der geplanten Prozession waren oder aber die Stifterpersönlichkeit, ist aus der erhaltenen Überlieferung nicht ersichtlich. In jedem Fall aber dürfte jede kultbezogene Zustiftung, die Heiligtum und Kult der Artemis einbezog, für Ephesus ein Politikum darstellen. Hinzu kam, dass in diesem Fall auch noch die Verehrung der Kaiser einen besonderen Platz einnahm und die in Gruppen gegliederten städtischen Bürger rituell eingebunden werden sollten – und all das nicht nur mit dem Namen der Stadt, der Artemis und des Kaisers und seiner Familie, sondern auch mit dem Namen des Salutaris verbunden werden sollte. Ephesus, so sah es der Plan der Stiftung des Salutaris vor, sollte mit einer aufwändigen Prozession und einzelnen stationsbezogenen Ritualen durchzogen werden. Dies war ein Eingriff in den bisher geltenden bestehenden kultischen Zeitrahmen (durch mindestens einen zusätzlichen Festtag) und das existierende Raumgefüge (durch weitere temporär rituelle Nutzung) der Stadt. Die Stiftung des C. Vibius Salutaris in Ephesus wurde 104 von der Stadt per Beschluss akzeptiert. In Salutaris’ Stiftungsversprechen an die Stadt ist davon die Rede, dass Salutaris sich sein Vorhaben vom Proconsul C. Aquillius Proculus und dem Legaten P. Afranius Flavianus habe bestätigen lassen. Vielleicht um die Authentizität und die Autorität seiner eigenen Bestimmungen zu unterstreichen, sind die Briefe ebenso wie der städtische Beschluss Teil der Inschrift, die dadurch auch einige Dopplungen enthält, insbesondere durch Wiederholungen der Verbote und Sanktionen in die epigraphische Gesamtpräsentation integriert. Der Stifter hatte mit diesem Vorgriff die Stadt unter Druck gesetzt, indem er seine noch nicht vom Empfänger akzeptierte Stiftung (bzw. die diátaxis als den Brief mit Stiftungsversprechen und allen Regelungen) von zwei römischen 28 Herrmann 1985 zu I. Milet VI 3, 1044, Z. 6–8, vgl. auch Harter-Uibopuu 2013, 66, die allerdings die dort aufgeführten [— τῶν ἐγκ]υκλίων τελῶν καὶ … mit „laufenden Steuern“ übersetzt.
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Autoritäten hatte bestätigen lassen. Mit diesem eher unangemessenen Verhalten eines Bürgers der Stadt, das den „Comment“ der innerstädtischen Kommunikation mit Füßen trat, waren Verhandlungen über Details der Stiftung zwischen Stifter und Stadt gar nicht mehr möglich.29 Den römischen Autoritäten in der Provinz lag zwar sicher etwas am harmonischen Zusammenleben in den Städten und einer starken städtischen Elite, aber im Einzelfall dagegen widerstreitende Partikularinteressen zu bedienen, persönliche amicitia oder andere Bande in den Vordergrund zu stellen, widersprach dem römischen Herrschaftsanliegen keineswegs. Das hier in Ephesus zwischen Salutaris und dem Rat der Stadt oder einem beauftragten Magistraten ab einem uns unbekannten Punkt unterbliebene weitere Aushandeln ist zumindest aber in einigen wenigen Fällen der hellenistischen und römischen Zeit explizit überliefert und dürfte gerade für komplexere Stiftungen oder auch insbesondere für die Sanktionsformeln als normale Praxis unterstellt werden. Auch das Ablehnen eines Legats oder anderer Stiftungsformen, das von Juristen des späten 2. Jhs. mit zwei konkreten Fällen und einer Entscheidung thematisiert wird,30 wurde durch ein solches Vorgehen wie das des Salutaris schlechterdings unmöglich. Durch die möglicherweise nur durch eine persönliche Bekanntschaft erwirkte Vorab-Bestätigung der Regelungen durch Prokonsul und Legat, wäre eine Ablehnung der Stiftung zu einem persönlichen Affront römischer Amtsträger seitens der Vertreter einer Provinzstadt geworden. Es wäre nicht ganz abwegig, zu vermuten, dass es Salutaris bei dieser wohl doch untypischen Reihenfolge des Vorgehens um potentielle oder schon manifeste Widerstände gegangen sein dürfte. Gerade weil sich die von ihm gestifteten Prozessionen in den Rhythmus und die Rituale seiner Stadt und ihrer Institutionen einpassten, ohne dass wir von allen Regelungen wissen, welche nun genau eine Neuerung waren und welche nicht, wäre es naheliegend, dass er im Vorfeld schon alles mit den städtischen Magistraten abgeklärt und ausgehandelt hatte. Aber genau das scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Dies könnte zumindest der Hintergrund für eine Formulierung des Legaten sein und auch der Prokonsul fordert die Ephesier geradezu auf, Salutaris doch entgegenzukommen.31 Welche Teile der Stiftung den Wünschen oder Interessen des Rates der Ephesier nicht entsprachen oder ob es vor allem die Person des Stifters war, der man nicht den entsprechenden Respekt entgegenbrachte, obwohl man sowohl sein Geld als auch das gesamte Arrangement der Stiftung durchaus gerne annahm, all das geht aus diesen beiden kurzen Anspielungen nicht hervor. Vieles wird in einem derart langen Text nicht expliziert, nicht einmal welche Festteile schon bestanden, welche neu hinzukamen – denn das war den beteiligten Zeitgenossen 29 Vgl. Harter-Uibopuu 2013, 60 (mit Übersetzung der entsprechenden Passagen). 30 Johnston 1985, 115–116 zu Dig. 33,2,16 und Dig. 50,12,13,1, die wohl der jeweils einzeln zu definierenden utilitas publica der jeweiligen Städte widersprachen. 31 Hinweis von Wörrle 1988, 176 der auf das Tadeln der „unangemessenen Behandlung“ des Stifters, Z. 377–78 im Brief des Legaten ἐν πολλος / [ἐ]γ[νωρίσθη,] εἰ καὶ τοὺ[ς] πλείστους ἐλάν̣[θανε]ν, … hinweist.
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klar. Entscheidender dürfte gewesen sein, dass durch eine neuartige Kontextualisierung und Finanzierung von bestehenden wie neuen und zusätzlichen Ritualen die Stiftung wahrscheinlich auch die bestehenden Verpflichtungen zur Kultfinanzierung entlasten würde. Ein Teil der Stiftung, der die Geldverteilungen und Verlosungen betraf, sollte am (5. und) 6. Thargelion, dem Geburtstag der Göttin Artemis, stattfinden. An diesem Tag fanden schon aufwändige Feierlichkeiten statt. Es handelt sich also zumindest hierbei um eine Zustiftung zum schon bestehenden Fest der Göttin, den Artemisia. Diese Feiern werden allerdings in der Stiftungsdokumentation keineswegs genannt; lediglich über das Datum werden bestehendes ephesisches Fest und neuer Stiftungszweck für den Leser des Textes miteinander verbunden.32 Inwiefern an diesem Tag eine andere bis dahin übliche Attraktion verkürzt oder gar aus dem Festablauf herausgenommen wurde oder werden musste, ist unbekannt. Große zeitliche Spielräume dürfte ein lang etabliertes Fest jedoch kaum gehabt haben. Zustiftungen mussten sich in den Ablauf einfügen lassen bzw. mit etablierten und finanziell abgesicherten Programmpunkten kombinierbar sein. Kostas Buraselis hat in den letzten Jahren immer wieder zur Frage der Festverlängerungen, Fest-Zustiftungen und Festkombinationen geforscht. An einigen prägnanten Beispielen konnte er nachweisen, dass selbst Feste zu Ehren eines hellenistischen Königs, die entsprechend einen eigenen Namen trugen, wie Seleukeia oder Ptolemaia, lediglich ein schon bestehendes Fest für eine (städtische) Gottheit oder die eines Bundes, um beispielsweise einen Tag verlängerten. Trotz der eigenständigen Bezeichnung war das Fest in der Präsentation und wohl auch in der Wahrnehmung der Teilnehmer eine Einheit.33 Anders als bei den mehrfach genannten Herrscherfesten sind jedoch die Quellen für die meisten der durch kaiserzeitliche Stiftungen eingeführten Feste dagegen in der Regel einmalige Belege, mit Ausnahme beispielsweise einiger kaiserzeitlicher Agone in Lykien. Bei den nach Stiftern benannten Festen, von denen lediglich eine Stiftungsurkunde oder der die Stiftung bestätigende Volksbeschluss vorliegt, gibt es in der Regel keine Möglichkeit, einen eventuell schon bestehenden Festkontext nachzuvollziehen. Sicher etwas Neues waren die Demostheneia als musischer Agon mit neun Wettkämpfen, gestiftet von C. Iulius Demosthenes im lykischen Oinoanda, die nach 125 für diese Stadt mit ihren Bürgern von Termessos erstmals stattfanden. Dieses Fest folgte in seiner Grundstruktur, wie Michael Wörrle gezeigt hat, hellenistischen Traditionen wie denen der Lysimacheia von Aphrodisias.34 Trotz seiner aus dem Namen des Stifters entwickelten Bezeichnung war diese Feier ein Fest für Apoll, dem das Hauptopfer galt, und ebenso auch eines für den Kaiser. Am Festtag, dem Tag Sebaste im Monat Artemision, dürfte auch schon vor der Existenz der Demostheneia ein (kleineres?) Kaiserfest existiert haben, vielleicht auch ein besonderes Opferritual für Apoll – wir haben davon jedoch keine Kenntnis. Dass auch die weiteren bekannten Agone des 2. und frühen 3. Jhs. in Oinoanda, 32 Vgl. so auch Stephan 2002, 86–88. 33 Vgl. etwa Buraselis 2012. 34 Wörrle 1988, 229–236.
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die wie die Meleagreia und die Euaresteia den Namen ihrer jeweiligen Stifter tragen, im engeren Sinn eigentlich Kaiserfeste waren, hat zuletzt Denise Reitzenstein unterstrichen. Dies gilt aber ebenso beispielsweise auch im karischen Aphrodisias.35 Eine Genehmigungspflicht beim römischen Statthalter Flavius Aper im Rahmen der Stiftung eines Agons in Oinoanda durch Demosthenes betraf einzig die Steuerfreiheit (Z. 99–100) für die Panégyris, den mit dem Fest verbundenen Markt, sowie die Befreiung von weiteren Pflichten (sképee) für die Dauer von fünf Jahren, die man für den Agonotheten geplant hatte.36 Beides gehörte zu den Vorgaben, die durch den Rat der Stadt beschlossen wurden. Beim von der Stadt erwünschten Privileg für den Agonothenen dürfte sich dies aus einem ursprünglich von Demosthenes etwas anders geplanten Zuschnitt von Aufgaben und Dauer des Agonothetenamtes entwickelt haben. Aber auch die Regelungen, die Opferpflichten für Priester und Amtsträger sowie die umliegenden Dörfer mit Strafzahlungen im Fall des Versäumnisses verbinden, waren Sache der beschließenden Ratsmitglieder, die auf diese Weise geschickt die insgesamt eher magere Grundfinanzierung des Demosthenes ergänzten (Z. 68–84). Dabei dürfte dieses Gesamtpaket, das über die Agonfinanzierung im engeren Sinn hinausgeht, durchaus mit Demosthenes besprochen worden sein, wird es doch im gleichen Beschluss mit seiner Stiftungsfinanzierung und seinen konkreten Vorstellungen zu Wettbewerbsarten und Reihenfolge, zu Auszeichnung und Preisgeldern sowie einer für die Durchführung notwendigen Agonothesie verbunden. Im Hinblick auf die Steuerfreiheit für den alle fünf Jahre stattfindenden Festmarkt, sowie den Ausfall eines wohlhabenden Bürgers für einen unbekannten Umfang städtischer Aufgaben und Pflichten für die Dauer von fünf Jahren ist die Formulierung eindeutig: Das war Sache des Statthalters, nicht weil es um städtische Ämter oder eine Stiftung ging, sondern weil es um finanzielle Einbußen für die Stadt ging. Die Stadt war bereit, auf Einnahmen bzw. auf das Engagement dieser jeweils (nicht nur ökonomisch) wichtigen Bürger zu verzichten. Für die Stadt, so das Kalkül, würde sich das durch späteres Engagement, dafür dann mit nachhaltigerem Nutzen rechnen. Dies würde am Ende zu Vorteilen ökonomischer Art führen. Erhalten würde die Stadt schließlich ein attraktives Fest, das über den engsten Kreis der Ein- und Umwohner hinaus Anziehungskraft hätte und von dem viele Bürger und Bewohner profitieren würden, insbesondere auch diejenigen, die in Landwirtschaft, Viehzucht, Handel, Beherbergung usw. involviert waren. Meist nichts Neues im Osten? Ein nicht unwesentlicher Teil von Stiftungen ist nach den sie bezeugenden erhaltenen Inschriften in Angelegenheiten engagiert, die schon vorher Bestand hatten. Dazu gehören Stiftungen, bei denen die Durchführung von Magistraturen finan35 Reitzenstein 2016, 140–141; Stephan 2002, 89 zu Aphrodisias. 36 Hierzu Wörrle 1988, 93–96.
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ziert wird, wie bei der von Peter Herrmann behandelten ewigen Stephanephorie in Magnesia am Sipylos, ähnlich auch die der Stephanephorie inklusive einer Ölspende für das Gymnasium der neoi in Iasos durch C. Caninius, der in hadrianischer Zeit in Abstimmung mit Boule und Demos festlegte, dass bei Zuwiderhandlungen der kaiserliche Fiskus mit einer Strafsumme in Höhe des Stiftungskapitals (5000 Denare) profitieren sollte.37 Weitere derartige Stiftungen ewiger Ämter, bzw. der Finanzierung dieser Ämter, sind beispielsweise im karischen Nysa unter Hadrian und in Kibyra schon in der Zeit Vespasians belegt.38 Aber anders als Herrmann die Notfinanzierung für (das lykische) Magnesia vermutet, wird im lykischen Kibyra gerade umgekehrt – und meines Erachtens auch viel naheliegender – die Amtsfinanzierung der Gymnasiarchie eigentlich Jahr um Jahr übernommen. Explizit ist im Text der Inschrift aus Kibyra nämlich festgelegt, dass in den Fällen, in denen sich ein Amtsinhaber dazu entschließt, nicht nur die Arbeit, sondern auch die Kosten des Amtes zu übernehmen, dann vom gesparten Zinsertrag des Stiftungskapitals Ackerland gekauft werden sollte, das auch den Namen des Stifters, des ktistes Q. Veranius Philagros tragen würde.39 Die Vielzahl von Ämtern, die mit der Ergänzung dia biou – auf Lebenszeit – bei einer Person charakterisiert werden, dürften nicht erst in römischer, sondern auch schon in hellenistischer Zeit darauf verweisen, dass diese Person mittels einer Stiftung die Kosten des Amtes in der Zukunft übernommen hatte.40 Hier war allen Beteiligten klar, dass es sich nicht um eine neue, die politischen Strukturen auf den Kopf stellende Sache, sondern lediglich um eine neue Art der Finanzierung von Magistraturen und Priesterämtern für eine weiterhin in der Regel jährlich übernommene Aufgabe handelte. Aber auch bei anderen für die Stadt zentralen Funktionen galt ein ähnliches Prinzip, der finanziellen Ergänzung, manchmal auch Erweiterung und Ausschmückung. Das gilt nicht nur für die Zustiftungen zu schon bestehenden Festen bzw. Kulten,41 sondern ebenso für die Bezahlung von Speisungen,42 für die dauerhafte 37 I. Iasos 248 (Laum Nr. 124); vgl. SEG 18, 448: ein 69-zeiliges Dekret von Rat und Volk für C. Caninius, Z. 63–64: εἰς τὸν τοῦ κυρίου Καίσαρος φίσκον δηνάρια πεντακισχείλια … 38 Laum 1914, Nr. 131 für Nysa (hadrianisch) Finanzierung des Amtes der Stephanephorie; I. Kibyra 43 (IGR IV 915; Laum 1914, Nr. 162) 72/73 n. Chr.: Q. Veranius Philagros stiftet eine ewige Gymnasiarchie. Im Falle einer Umwidmung der Stiftung müsse sich das beschlussfassende Volk hierfür vor Kaiser und Senat verantworten: περὶ τούτου τῶι αὐτοκράτορι καὶ τῆι συνκλήτωι λόγου ἀποδοθησομέ[νου]. 39 I. Kibyra 43, Z. 19–24: ἐὰν δέ τινες γυμνα/σιαρχῆσαι θελήσωσιν ἐκ τῶν ἰδίων ἀναλω/μάτων, τὴν πρόσοδον τῶν τεσσαράκον/τα μυριάδων πρασσέτω ὁ δῆμος μετὰ τῶν / γυμνασιάρχων καὶ ἐξ αὐτῆς ἀγοραζέτω κτήσεις σειτοφόρους· 40 Vgl. Horster 2012 und Sherk 1992, 263 hier anläßlich der Übernahme des eponymen Amtes der Priesterin in Ephesus. 41 Etwa Eleusis, datiert von Clinton 1974, 35 auf 160–170, ders. 2005, 392 in seinem Kommentar zur Inschrift präziser datierend auf „169/170?“: I. Eleusis 489 (IG II² 1092 und Fragm.; Laum 1914, Nr. 19b). Konkret geht es darum, dass das für und von einer bestimmten Stiftung vorhandene Geld, das wahrscheinlich im Kontext der Mysterien von Eleusis hätte zum Einsatz kommen sollen, seit einiger Zeit nicht mehr genutzt worden war. Durch die ungenutzten Mittel konnte nun, so entschied es der Areopag Athens, ohne damit den grundsätzlichen Stif-
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Finanzierung von Öl für das Gymnasium, wie sie im 2. Jh. testamentarisch in Attaleia, in Magnesia, in Iasos oder etwas umfangreicher im lakonischen Gytheion aus Zinsen übernommen werden sollten.43 In Attaleia, in der Provinz Lydia, sollte im Falle der Umwidmung oder Missachtung der Fiskus (hierotatos tameios) die Strafsumme erhalten.44 In Gytheion wurde als Ultima Ratio nach zuvor gescheiterten Maßnahmen, die nicht zur vollständigen Erfüllung des Stiftungszwecks führten, verfügt, dass dann eben schließlich die Zahlung einer anteiligen Strafsumme an die Kaiser gegeben werden solle. Im Fall von Attaleia mag die regionale lydisch-provinziale Tradition dieses Sicherungsbezugs auf römische Behörden den Ausschlag gegeben haben, aber auch diese Tradition musste sich erst einmal herausbilden. Das gilt aber für Lakonien im Fall von Gytheion sicher nicht, denn auf der ganzen Peloponnes ist kein weiterer solcher Fall überliefert. Seltener werden Unterhaltszahlungen für Bauten gewährleistet,45 wenn nicht das Gebäude vom Stifter (oder einem Familienmitglied) ebenfalls finanziert worden war. Wenn auch mit regionalen Schwerpunkten der Verbreitung die Art von
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tungszweck zu verändern, der Kreis der Empfänger ausgeweitet werden. Es folgte dann in diesem Entscheid eine Liste mit den Personen bzw. Funktionen und deren Anteil an der Zuteilung. Dabei erhielten die Priester mehr als der ebenfalls genannte Archon der Eumolpiden. Hierophant und Daduch sollten von nun an die Verantwortung für die korrekte Nutzung der Gelder übernehmen. Falls dies nicht eingehalten werde, könne der Fiskus die doppelte Summe dessen, was veruntreut oder fehlverwendet wurde, an sich nehmen, so wie dies bei Tempelräubern üblich sei – ein Hinweis wohl auf den Stiftungskontext der Mysterien: ἐκ]/δικηθήσεται τῷ ταμ[ιεί]ῳ διπλῆ [ὅσ’ ἂν ᾖ ἡ ἀξία π]αρὰ τοῦ τ[οῦ]/το τολμήσαντος ὡς [ἐφ’ ἱ]εροσυλί[ᾳ ἐπιτειμίου] γιγνομένου· AM 3, 1878, 58 aus Tira, 60 km südöstlich von Izmir, AO: Mus. Smyrna, zumindest 1878 (siehe auch Laum 1914, Nr. 89). IG V1, 1208 (Laum 1914, Nr. 9) Gytheion auf der Peloponnes, 42 n. Chr. (Datum überzeugend argumentiert von A. Wilhelm 1951, 92, vgl. mit Hinweisen auf die ältere Literatur, Harter-Uibopuu 2004, 1). Auch in diesem Fall geht es um eine testamentarische Stiftung, bei der aus den Erträgen der Zinseinnahmen von Krediten, kostenlos Öl im Gymnasium für die Bewohner der Stadt (inkl. der Sklaven zumindest an sechs Tagen im Jahr, Z. 39–40) und die Fremden zur Verfügung gestellt werden soll. Die Stifterin Phainia erwartet, dass die Verwaltung des Kapitals und Vergabe der Kredite gewissenhaft erfüllt werden. Bei Nichterfüllung (Unterlassung der Kreditvergabe, Vernachlässigung der Geldeintreibung oder der Bürgschaftsstellung usw.) solle man Stadt bzw. Magistrate verklagen dürfen. 8000 Denare soll die gesamte Strafsumme betragen, von der 2000 Denare an den aufmerksamen Kläger gehen sollen und die verbliebenen 6000 Denare an die Nachbarstadt Lakedaimon. Wenn es aber auch mit den Lakedaimoniern Probleme geben sollte, dann allerdings sollen die 6000 Denare der Sebaste [the?]a zukommen. Damit scheint weniger der lokale Kult der Kaiserin in Gytheion (oder Lakedaimon), sondern wohl eher die Kaiserin selbst gemeint zu sein (als weibliches Pendant zur weiblichen Stifterin Phainia), denn in der fragmentarischen folgenden Zeile ist offenbar davon die Rede, dass das Geld an die Sebastoi (übergeben?) werden solle. TAM V2, 828 (IGR 4,1168; SEG 15,747; Laum 1914, Nr. 72) aus Attaleia, Lydia (spätes 1./2. Jh. n. wegen des Asiarchs Polybios): Das testamentarische Versprechen einer Ölspende einmal im Jahr finanziert aus der Verpachtung eines Gartens. Wer den Zweck der Stiftung verändert oder die Ausübung des Stiftungsziels verhindert, soll 2500 Denare an den hierotatos tameios zahlen. Vgl. Harter-Uibopuu im vorliegenden Band.
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Sicherungsmaßnahmen von Stiftungen für Städte verschieden gewesen sein mögen, so waren dagegen die in Umfang und Wirkung sehr kleinen Stiftungen für Vereine und andere Gruppen, die in der primären Intention auf wenige, wenn nicht gar einzelne Personen (eventuell auch mit Familie) fokussiert waren, nicht nur sehr verbreitet, sondern sie benannten oft genug auch Sanktionen oder zumindest Sanktionsoptionen im Fall der Nichterfüllung. Gerade im Fall der Grabpflege- und Rosalia-Finanzierungen und vergleichbarer familiärer Jahresfesten, sind solche auf einen kleinen Kreis beschränkten Stiftungen mit einer Sanktionsmöglichkeit verbunden. Dies gilt wohl auch für die großen und weniger großen Stiftungen, die einer Gemeinde mit welchem Stadtrecht auch immer zugutekommen sollte. Allerdings ist je nach Art der inschriftlichen Überlieferung eine Sanktionsformel nicht immer explizit aufgeführt. Stiftungen sichern in der römischen Kaiserzeit finanziell einen (kleinen) Teil der in einer Stadt vorhandenen Strukturen gemeinschaftlicher Umgangsformen und Rituale (wie Geldverteilungen oder auch Ölspenden), sie bieten die Option von Teilfinanzierungen stadtbezogener Kulte als nachhaltiges Element an. Schließlich bilden sie häufig mit ihren hierarchisch gegliederten Zuwendungen die gesellschaftlichen Strukturen ab und unterstützen damit argumentativ (im Stiftungszweck) wie aktiv verteilend die soziale Stabilität. Diese Art des Wohltätertums zielte nicht auf kurzfristige Aktionen, einmalige Ereignisse und dem entsprechende singuläre Auszeichnungen und Ehren, sondern bot Nachhaltigkeit für die empfangende Gemeinschaft, ebenso wie für den Stifter. So erneuerte für die kleinen und großen Wohltäter das festgeschriebene Ritual des Schmückens einer Ehrenstatue, der Speisung am Grab oder auch der Verlesung im Theater das performativen Einschreiben in das große Ganze aller Euergeten einer Gemeinschaft auf Dauer. Bei den Stiftungen war das anders, denn hier kam zusätzlich zu den genannten Ritualen der Erinnerung etwas hinzu. Die Stiftung war aktuell und aktiv, Jahr für Jahr. Die frühere Stiftung wurde nicht nur immer wieder neu aktualisiert, sondern sie war mit in die Jetztzeit wirksamen Aktivitäten für die Gemeinschaft verbunden. Ein solcher Wohltäter reihte sich keineswegs nur einfach in die lange Liste der vielen anderen „Guten“ der Vergangenheit ein, sondern er war mit seiner Familie, seinen Nachkommen über viele Jahrzehnte (gar Jahrhunderte) ganz präsent für die Bürger seiner Stadt. Seine Kapitalerträge oder Pachteinnahmen wurden für den Stiftungszweck eingesetzt, und das jährlich wiederkehrend bzw. in dem Rhythmus, den die Stiftung vorgesehen hatte. Die jährliche Ausschüttung der Erträge und deren aktuellen Einsatz für die Bürger garantieren nachhaltige Erinnerung, mehr als jeder Inschriftenstein mit den immer gleichen (oder ähnlichen) Texten und jede Statue unter den zahlreichen anderen miteinander um Aufmerksamkeit konkurrierenden Statuen auf einer Agora oder an einem Forum es je könnten. Nicht nur präsentierten sich die Stiftungen in ihren Versprechen wie den sie bestätigenden Beschlüssen als neuartig und besonders. Mit ihrem nachhaltigen Wirken in die Zeit nach der eigentlichen Wohltat konnten zumindest potentiell für das Statusaushandeln innerhalb der städtischen Eliten (oder den jeweiligen Gruppenbeziehungen innerhalb der Kollegienmitglieder) zusätzliche Handlungsspiel-
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räume für die Nachkommen des Stifters entstehen. Sicherheit für den Fortbestand der Stiftung auf Dauer konnten aber Wertschätzung und Memoria nicht gewährleisten ebenso wenig wie der Familienfortbestand in der Stadt eine Garantie für die Bewahrung des Willens des Stifters war. Wenn eine Bestätigung seitens römischer Autoritäten vorlag, die des Stifters Würdigkeit unterstrich und die Stiftung in ihrer Absicht bestätigte, schien damit zumindest für eine Umwidmungsabsicht und Vernachlässigung der Stiftung die Hürde höher. Bei einer Änderung des Stiftungszwecks gab es zumindest für einen an der Beibehaltung des alten Zwecks interessierten Bürger die Option, mit entsprechenden Erfolgsaussichten bei genau dieser Autoritätsebene zu intervenieren.46 Ökonomische Interessen der Römer? Sicher ist, dass es für diese Stiftungen keine generelle Genehmigungspflicht gab. Im Einzelfall war es eine für uns meist nicht nachvollziehbare persönliche oder lokale Ausgangssituation, die in einigen Fällen mindestens eine der beteiligten Parteien dazu veranlasste, eine römische Institution ins Spiel zu bringen. War es nur guter Wille und Gutmütigkeit der wohl persönlich angefragten Statthalter, Kaiser und selten anderer Amtsträger, entsprechend unterstützend zu antworten? Welche Rolle spielte das römische Interesse an einer solchen Art der Finanzierung? Ging es um das Interesse an einer soliden städtischen Ökonomie? Wieso sollte ein solide finanzierter Stiftungszweck die römische Verwaltung interessieren? Was ist davon zu halten, wenn ohne weitere Referenz und Kontext der Fiskus als Empfänger von Strafzahlungen benannt wird, obwohl es wohl nur begrenzt Mechanismen gab, die zwischen einer möglichen Anzeige und den Zahlungsmodalitäten vermittelte, anders als dies für die oft belegten Vorgaben für die Multen der Fall war, die an Magistrate, Städte und Götter zu zahlen waren? Es waren Stiftungen wie die des Salutaris in Ephesos oder auch des Demosthenes in Oinoanda, die James H. Oliver 1953 zu der Annahme führten, dass es auf Provinzebene eine Dokumentation solcher Stiftungen gab, zumindest derer, in denen es eine Involvierung der römischen Suprastruktur gab. Einen Anspruch geltend zu machen, würde nicht nur die von Oliver postulierte aufwändige Dokumentation und Archivierung an zentraler Stelle für die Provinzverwaltung erfordern, sondern auch eine heutigen Finanzaufsichtsbehörden vergleichbare Kontrolle. Trotz römischer Effizienz und Kommunikationsdichte der Verwaltung in einer Provinz und mit den städtischen Räten und Mitgliedern der Eliten, war dies für die Stiftungen keine Selbstverständlichkeit.47 Dagegen erscheint es bei den Strafzah46 Ähnlich könnte dann bei einer Umwidmungsabsicht die externe Bestätigung notwendig sein, vgl. Harter-Uibopuu (2013), 76 Anm. 75 gegen Wörrle (1988), 164–172. 47 Anders Wörrle 1988, 169 bei seiner Diskussion der Stiftung des Diogenes von Oinoanda, bei der 2500 Denare an das Heiligtum Apolls und 5000 Denare an den kaiserlichen Fiskus fließen sollten. Ein Achtel der Strafsumme geht an denjenigen, der das Unrecht angezeigt hatte. Wörrle ebd. geht davon aus, dass sich aus der Anzeigenpflicht in Analogie zu den anderen bei
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lungen an den Fiskus, bei denen beispielsweise der anzeigende Bürger einen Anteil an der Summe als Belohnung erhalten sollte, durchaus wahrscheinlich, dass am Ende die Gelder an den Fiskus abgeführt worden sind. Vergleichbares dürfte auch gelten, wenn die Interessen weiterer Personen oder Gruppen davon betroffen waren.48 Gerade aber im öffentlichen Bereich gab es neben zum Teil raffinierten Kontrollmechanismen auch andere Anreize, um das Interesse der wohlhabenden Bürger an der Einhaltung der Stiftungsvorgaben wachzuhalten. Das mussten keinesfalls Strafandrohungen sein, sondern es konnten ebenso oder zusätzlich positive Anreize sein, insbesondere die mit einem Stiftungszweck verbundenen Transferleistungen Geld oder Speisungen, die häufig nur eine exklusive Gruppe traf oder diese zumindest proportional bevorteilte. Das ist vielfach belegt, unter anderem in Rhodos oder viele Male in Aphrodisias, wo beispielsweise in hadrianischer Zeit die Stiftung des Attalos Adrastos die aus Pachteinkommen und Kapitalzinsen gemischte Finanzierung der Opfer an die Götter mit Speisungen aller Amtsträger und Mitglieder städtischer Institutionen verband.49 Dieser wie andere Texte könnten in der Formulierung der Varianten der befürchteten Einflussnahme darauf verweisen, dass durch Briefe oder andere externe Interventionen versucht werden konnte, den vom Volk in Aphrodisias bestätigten Stiftungszweck wie auch die Modalitäten im Einzelnen abzuändern.50 Derart vage und umfassende Ausschlusskriterien wie im Fall von Aphrodisias müssen jedoch keine allein auf die römischen Autoritäten versteckte (drohende) Anspielung auf die hinter allem stehende römische Suprastruktur sein. So schwierig es schon ist, zu verstehen, wieso auf einigen Grabinschriften in Teilen Phrygiens, Lydiens, Pamphyliens und wenigen anderen Regionen mit dem römischen Fiskus gedroht wird, als der Institution, die im Falle eines Grabfrevels eine Strafe einfordern würde, so ist noch weniger klar, wieso eine solch besondere Regelung für eine Stadt wie Ephesos bzw. den Stifter in Ephesos attraktiv sein sollte, denn auch die oben genannte Kopplung der Strafsumme mit einer an Arte-
Callistratus (Dig. 49,14,1) aufgeführten Fällen, ein Automatismus ergebe, an dessen Ende der Zahlungseingang beim Fiskus stehe. 48 Dies dürfte beispielsweise für die Stiftung des Salutaris gelten. Bei Missbrauch der Gelder und Nichtbeachtung des Stiftungszwecks wären die Strafgelder zum Teil auch an die Artemis von Ephesos geflossen. Mögliche Einnahmen der Göttin wurden so an die Strafzahlung für den Fiskus gekoppelt. Auch in einem solchen Fall dürfte das Abführen der Gelder an den Fiskus durchaus nahegelegen haben, lagen doch die Einnahmen des Hauptkultes der Stadt im Interesse des Rates (oder einzelner Bouleuten). 49 Vgl. zum Profit für die wichtigsten Amtsträger (Archon, Agonothet) und οἱ ἀπὸ γυμνασίου sowie wohl weitere Gruppen im phokischen Elatea (2. Jh.), IG IX 128 (Laum 1914, Nr. 31); Rhodos, kurz (?) nach 212 n. Chr., (REG 17, 1904, 203,1b; Laum 1914, Nr. 41): Hier wird der Zinsanteil an die Bouleuten ausgezahlt; Aphrodisias, IAph 2007, 12.26 (Laum 1914, Nr. 102), hierzu Harter-Uibopuu im vorliegenden Band: In der Zeit Hadrians stiftet ein Attalos 122000 Denare und Grundstücke für Götteropfer. 50 Zu der weitgehenden Interpretation von IAph 2007,12.26 durch Chaniotis 2005, 56–57 vgl. durchaus zustimmend Harter-Uibopuu 2013, 77–78.
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mis abzuführenden Strafe hätte möglicherweise doch auch schon als eine drohende, da Interessen der Elite betreffende Strafsumme ausreichen können.51 Es sind wohl eher die Ausnahmen, die einen Kaiser oder Statthalter dazu brachten, sich in die Stiftungen für Städte einzumischen. Anders als ein statthalterlicher Eingriff wie der des Proconsuls L. Memmius Rufus, der zu Beginn des 2. Jhs. für das Gymnasium in Beroia auf einen im Effekt stiftungsähnlichen Fond52 zurückgriff, um eine nachhaltige Lösung zu finden, scheinen Stiftungen insgesamt, selbst wenn sie nach einigen Jahren oder auch erst Jahrzehnten in ihrer Finanzierung und/oder Zielsetzung scheiterten, keine römisch-administrativen Handlungen provoziert zu haben. Sie waren zwar im Sinne der römischen Autoritäten eine im Osten (mit inzwischen wohl an die 300 kaiserzeitlichen Beispielen) wie dann auch im Westen (mit knapp 160 Inschriften) attestierte, wirksame ökonomische, in der Bürgerschaft verankerte strukturelle Möglichkeit zur Aufrechterhaltung städtischer Funktionen wie auch religiöser und sozialer Strukturen.53 Eine systematische Unterstützung aber schien wahrscheinlich weder pragmatisch administrativ notwendig (und sinnvoll) noch ist sie in dieser Form juristisch regulativ nachweisbar. Fazit Mit dem von Peter Herrmann vorsichtig formulierten ökonomischen Interesse der Kaiser in Fällen aktiv zu werden, die wie im Fall eines neuen Agons städtische Finanzen involvierten, kann man durchaus d’accord gehen – jedoch dann nicht, wenn es um Stiftungen geht. Die auf Nachhaltigkeit angelegten Stiftungen haben offenbar kein besonderes kaiserlich-fiskalisches Interesse ausgelöst. Eine durchgehende Politik der Lenkung solcher Legate und Stiftungen in bestimmte Richtungen gab es ebenso wenig wie eine systematische Kontrolle von deren Einhaltung und korrekter Nutzung. Lediglich Rechtssicherheit im Einzelfall und möglicherweise auch persönliche Verbundenheit mit einer der Parteien scheinen Konstanten zu sein, die im einen oder anderen Fall kaiserliches oder auch statthalterliches Handeln bei Stiftungen provoziert haben.
51 Siehe oben Anm. 48. Vgl. ähnlich auch Millar 1963, 37–38, dessen Hinweise insbesondere zu den Grabmulten allerdings überholt sind, vgl. Harter-Uibopuu – Wiedergut 2014 und HarterUibopuu 2014. 52 EKM I Beroia 7 (SEG 48,742). Vgl. hierzu Harter-Uibopuu 2013, 53 und 79 mit weiteren Hinweisen. 53 Für den Osten mündliche Mitteilung von Sofia Aneziri (Vortrag am 15. Mai 2017, JGU Mainz), auf der Basis ihrer Zusammenstellung der Stiftungen in hellenistischer und römischer Zeit. Für den Westen des römischen Reiches vgl. Hoyer 2018, 32 und ebd. Appendix 1 (insgesamt 158 Inschriften für Stiftungen an Städte, Kultgruppen und Kollegien).
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HADRIANS REISEN: ALTE UND NEUE ERKENNTNISSE Helmut Halfmann Dieser Beitrag schöpft weniger aus den Arbeiten von Peter Herrmann, der sich weder speziell mit Hadrian noch mit dessen Reisen beschäftigt hat, sondern vielmehr aus eigenen, allerdings vor langer Zeit abgeschlossenen Studien über die Reisen der römischen Kaiser. Wenn das Thema dennoch einen Berührungspunkt mit Peter Herrmann aufweist, so liegt dieser in Lydien und im westlichen Kleinasien, Regionen, die Hadrian mehrmals besucht hat, und zu dem diesbezüglichen Itinerar können seit Erscheinen der „Itinera principum“ (1986)1 neue Details beigesteuert werden. Die Person Hadrians ist bis heute in vielerlei Hinsicht ein Rätsel varius, multiplex, multiformis,2 wie schon ein antiker Autor über ihn schrieb, und auch seine Reisetätigkeit stand einzigartig da unter Vorgängern wie Nachfolgern: Sie war Programm und reduzierte sich nicht – wie sonst üblich – auf Kommen und Gehen zu einem und von einem Kriegsschauplatz. Das gewisse Unbehagen, das die Forschung mit diesem Kaiser hat, formulierte treffend Keith Bradley 2012 in einem Aufsatz unter dem Titel „Recovering Hadrian“: „On examination, however, almost everything that appears to be known about Hadrian is a matter of controversy“3. Bradley kam zu dieser Erkenntnis nach der Lektüre der Werke von sechs Autoren und Autorinnen, die sich in der jüngeren Vergangenheit mit Hadrian intensiv beschäftigt hatten, und das in zum Teil ganz verschiedenen Literaturgattungen: in wissenschaftlich-historischen Darstellungen wie von Ronald Syme in seinem Tacitusbuch4 und zahlreichen Artikeln, von Anthony Birley und Thorsten Opper in einer Biographie, von Royston Lambert in einer Monographie mit Fokussierung auf Hadrian und seinen Geliebten Antinoos, von Marguérite Yourcenar in ihrem berühmten Roman Mémoires d’Hadrien (1951) und schließlich von Elizabeth Speller in ihrem Buch „Following Hadrian“,5 letzteres ein Musterbeispiel dafür, wie das Mysterium, welches diesen Kaiser und die Motivation für seine Reisen umgibt, literarische Geister zu ganz speziellen Darstellungsformen inspirieren kann. Speller nutzt Hadrians Reisetätigkeit als Aufhänger für ein Panorama der römischen Welt des 2. Jahrhunderts n. Chr. und gleichzeitig für die Charakterstudie eines römischen Kaisers. Das Buch folgt teilweise der Gattung der 1 2 3 4 5
Halfmann 1986. Epit. de Caes. 14, 6. Bradley 2012, 131. Syme 1958. Birley 1997; Opper 2008; Lambert 1984; Yourcenar 1951; Speller 2003.
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Biographie, erklärtermaßen bestimmt für den interessierten Laien und nicht für den Fachhistoriker, und teilweise derjenigen des Romans. Dies gestattet der Autorin, die die Mittelmeerwelt auf Hadrians Spuren persönlich bereist hat, nicht nur geradezu poetisch inspirierte Gemälde einzelner Schauplätze zu zeichnen, sondern sich auch der Person in einem Maße zu nähern, wie es die wissenschaftliche Biographie niemals kann und darf; dazu erfindet sie Tagebücher der Iulia Balbilla, die selbst eine historisch reale Persönlichkeit war und die kaiserliche Familie nachweislich auf ihren Reisen begleitet hat. Diese Balbilla läßt Speller in deren fiktiven Tagebüchern den Kaiser aus nächster Nähe beschreiben. Wären solche wirklich entstanden und erhalten geblieben, so könnten wir vieles, was Hadrians Persönlichkeit und speziell den Reisekaiser betrifft, sicher entschieden klarer sehen. Die folgenden Ausführungen gehen aus, wie ich bereits andeutete, von meiner eigenen Arbeit über die Kaiserreisen aus dem Jahre 1986, die ihrerseits auf dem bis dahin maßgebenden Werk von Wilhelm Weber „Untersuchungen zur Geschichte Kaiser Hadrians“ aus dem Jahre 1907 basierte. An dem von Weber rekonstruierten Itinerar habe ich drei wesentliche Veränderungen vorgenommen, wobei die zweite die notwendige Konsequenz einer ersten Veränderung ist: Sie betreffen einmal die erste große Provinzreise (122/125), genauer die Reise von Syrien aus Richtung Norden entlang des oberen Euphrat nach Trapezus, über das nördliche Kleinasien nach Bithynien und dann in die Provinz Asia: Diese gehört nicht in das Jahr 131, sondern 123, entsprechend reiste der Kaiser im Jahre 131 aus Syrien kommend entlang der Südküste Kleinasiens in Richtung Ephesos und von dort nach Griechenland. Ist diese Änderung von der Forschung durchweg akzeptiert worden,6 konnte sich eine dritte von mir vorgetragene Meinung bis heute nicht durchsetzen: Sie beantwortete die Frage, ob Hadrian nach Ausbruch des Bar-Kochba-Aufstandes im Jahre 132 ein zweites Mal Iudaea besucht hat oder nicht. Weithin unstrittig, aber ohne neue Quellenzeugnisse unterfüttert ist die Rückreise Hadrians nach der Übernahme des Kaisertums aus Syrien nach Rom zwischen Oktober 117 und Juli 118. Auch für die erste Hälfte der ersten von Rom aus unternommenen großen Rundreise durch das Imperium existieren keine neuen Quellen und Forschungsergebnisse. Sie begann im Frühjahr 121 und führte über Gallien, Raetia, Noricum und entlang des Rheinlimes bis nach Britannien und von dort zurück nach Spanien, wo der Kaiser den Winter 122/123 in Tarraco verbrachte. Das vorangegangene Winterquartier 121/122 ist unbekannt, ich hatte hypothetisch Lugdunum vorgeschlagen, aber auch Mainz oder Köln sind möglich.7 Nach wie vor gehört die Reiseroute des Jahres 123 zu den dunkelsten Abschnitten in Hadrians Itinerar. Die nach Tarraco nächste sicher bezeugte Station ist der Euphrat, wohin ihn ein drohender Konflikt mit den Parthern rief und wo er sich mit deren König zu einer Unterredung traf.8 Es wird spekuliert,9 ob er nach dem Win 6 7 8
Etwa Birley 1997, 154–161, 260–261. Tarraco: SHA Hadr. 12, 3; Winter 121/122: Halfmann 1986, 196–197, Birley 1997, 113–115. SHA Hadr. 12, 8.
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ter in Tarraco noch weitere Teile der Iberischen Halbinsel gesehen hat, ob er gar noch persönlich nach Mauretanien geeilt ist, um dort einen von der Historia Augusta bezeugten motus Maurorum zu unterdrücken10 – ich selbst halte es für unwahrscheinlich angesichts des restlichen, noch im Jahr 123 unterzubringenden Reiseprogramms und glaube eher an eine schnelle und direkte Route von Tarraco quer durch das Mittelmeer in Richtung Syrien. Eine Reise durch die Iberische Halbinsel und nach Nordafrika war sehr wahrscheinlich fest geplant worden, mußte aber wegen der Nachrichten aus dem Osten aufgegeben werden; deshalb stattete Hadrian den Provinzen Africa und Mauretanien im Sommer 128 eigens einen Besuch ab. Er muß auf dem möglichst direkten Weg von Spanien nach Syrien natürlich Zwischenstationen eingelegt haben, aber die eilige, zu diesem Zeitpunkt völlig unerwartete und ungeplante Reise ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass an der Route keine Erinnerung an einen Aufenthalt geschaffen wurde und erhalten geblieben ist. Nach Beilegung des Konfliktes mit den Parthern reiste Hadrian in der zweiten Jahreshälfte 123 von Syrien aus weiter nach Norden entlang des oberen Euphrat bis Trapezus und von dort durch das nördliche Kleinasien in Richtung der Provinz Asia. Diese Reise hatte Wilhelm Weber in das Jahr 131 datiert,11 den Zeitpunkt der Rückkehr von der zweiten Orientreise, jedoch zeigen entsprechend datierte Inschriften aus Pamphylien in ihrem jeweiligen Baukontext, dass der Kaiser im Jahre 131 von Osten kommend den Weg entlang der kleinasiatischen Südküste Richtung Westen mit dem Ziel Griechenland genommen hat. Michael Dräger hat in einem im Jahre 2000 publizierten Aufsatz den Nachweis zu führen versucht, dass Hadrian diese Route bereits im Jahre 123/124 genommen habe; Dräger erschließt den Besuch der kaiserlichen Familie aus der von Plancia Magna in Perge für das Kaiserhaus getätigten Statuenstiftung. Ein solcher Bezug ist natürlich ohne weitere stützende Indizien äußerst problematisch: Keiner der Statuenbasentexte liefert eine Datierung auf das Jahr 124, zudem muß Dräger das Todesjahr der dort geehrten Plotina auf das Jahr 124 hinabdatieren (allgemein angenommen: 123),12 und schließlich setzt er sich auch in Widerspruch zum archäologischen Kontext: Alle erhaltenen Statuenbasen, acht an der Zahl (I. Perge 88–95), weisen einen identischen Schrifttypus auf und stammen also von ein und derselben Steinmetzhand13; zwei, dem Hadrian selbst dedizierte Statuen(basen) aus diesem Programm sind nun genau auf das Jahr 121 datiert, womit wir die gesamte Stiftung um das Jahr 121 datieren müssen. In der Konsequenz ergibt sich also keinerlei Grund, am Itinerar der kaiserlichen Familie im Jahre 123–124 durch das nördliche Kleinasien etwas zu ändern. 9 10 11 12 13
Birley 1997, 149–150. SHA Hadr. 12, 7. Weber 1907, 264–267. Dräger 2000. Şahin 1999, 131.
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Den Winter 123 auf 124 verbrachte Hadrian wahrscheinlich in Nikomedia;14 die folgende Route in der ersten Hälfte des Jahres 124 kann gegenüber meiner seinerzeitigen Rekonstruktion präzisiert werden: einerseits auf der Grundlage des kurzen Reiseberichts des Sophisten Polemon, der den Kaiser begleitet hat, in seiner Schrift Physiognomica; ich hatte diese Quelle etwas zu leichtfertig beiseitegeschoben, weil die Schrift nur noch in einer arabischen Übersetzung vorliegt und die Rücktranskription der griechischen Orts- und Landschaftsbezeichnungen gewisse Probleme bereitet. Mein damaliger Wissensstand beruhte auf den Ausführungen von Glen Bowersock in einem Appendix seines Buches „Greek Sophists in the Roman Empire“,15 die mir allerdings mit allzu zu großen Fragezeichen behaftet zu sein schienen. Nach Bowersock behandelten den Polemontext unter Hinzuziehung von Arabisten dann Peter Weiß 1995 anläßlich einer Untersuchung über die Stadt Saittai in Lydien und Simon Swain 2007 in dem großen Sammelband über Polemons Physiognomica.16 Obwohl nicht alle Namen rekonstruiert werden können, steht fest, dass Polemons Bericht sich auf Hadrians Reise des Jahres 124 bezieht: Danach weilte er zu Beginn des Jahres von Bithynien kommend zuerst in Thrakien, wo er vermutlich bei dieser Gelegenheit die Stadt Hadrianopolis gründete,17 und setzte von dort nach Kleinasien über und besuchte (unter anderem) Ionien, Lydien und Phrygien, kehrte an die Küste zurück und setzte über Rhodos nach Athen über. Peter Weiß konnte anhand der damals einsetzenden Münzprägung der phrygischen Stadt Saittai und der dabei verwendeten Bildmotive nachweisen, dass Hadrian diese Stadt auf jeden Fall besucht hat. Ein eindeutiges Zeugnis für die Anwesenheit Hadrians in Pergamon fehlt noch immer, eine solche wird allerdings weiter erhärtet dank der jetzt definitiv gesicherten Zuschreibung des Podiumtempels auf der Theaterterrasse zu einem lokalen Kaiserkult für Hadrian und Sabina; R. Posamentir18 bringt mit guten Argumenten die (Wieder-)Errichtung des Tempels mit der Verleihung des Metropolis-Titels an die Stadt und eben einem Besuch des Kaisers im Jahre 124 in Verbindung. Zum Aufenthalt in Griechenland 124/125 und der Rückkehr über Sizilien nach Rom existieren keine neuen, das Itinerar weiter präzisierende Quellen. Knappe drei Jahre verbrachte Hadrian dann in Italien, bevor er im Frühjahr 128 über Sizilien, die Africa proconsularis und Numidien (dort sicher im Juli 128 bezeugt),19 nach Mauretanien aufbrach. Von dort kehrte er nach Rom zurück, aber nach kurzem Aufenthalt startete er seine zweite große Orientreise über Griechenland: cum ... Romam redisset, statim ad Orientem profectus per Athenas iter fe 14 15 16 17 18 19
Halfmann 1986, 199; Birley 1997, 157. Bowersock 1969, 120–123. Weiß 1995; Swain 2007, 163–167. Nollé 2009, 110–113. Posamentir 2017. SHA Hadr. 13, 4; ILS 2487 und 9133–9133a; die aktuelle und vollständigere Textversion bei Speidel 2006, eine von Hadrian an die Soldaten der legio III Augusta in Lambaesis gehaltene Rede.
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cit....20 In Athen hatte man beginnend mit dem ersten Kaiserbesuch im Oktober 124 eine neue Ära beginnen lassen, während des vierten Jahres dieser Ära, also zwischen Oktober 127 und Oktober 128 fügte man den Zusatz ein: „gerechnet nach dem ersten Aufenthalt des Kaisers“, das heißt: Vor Ablauf des vierten Jahres muß Hadrian das zweite Mal in Athen eingetroffen sein. Diese Konkordanz zwischen dem vierten Jahr und dem zweiten Aufenthalt in Athen begegnet in einem Ephebenkatalog;21 auch wenn man annimmt, dass die Ephebenlisten erst nach Ablauf des betreffenden Ephebenjahres, also jeweils ab September, niedergeschrieben wurden und somit möglicherweise schon im fünften Jahr seit Hadrians erstem Eintreffen in Athen, so kommt man nicht umhin, Hadrians zweiten Besuch in Athen spätestens im Herbst 128 beginnen zu lassen. Dies schien alles klar und unstrittig zu sein, bis – und dies erklärt die ausufernde Erklärung des Befundes – Anfang der 2000er Jahre eine Serie von Militärdiplomen auftauchte, datiert auf den 22. März 129, in denen im Kontext der Kaisertitulatur das Element proconsul fehlt.22 Schon zuvor war ein Diplom vom 10. Dezember 128 bekannt gewesen (CIL XVI 75), in dem ebenfalls der Titel proconsul fehlte. Die kaiserliche Kanzlei hat bei der Ausfertigung der Diplome – aber offenbar nur hier – sehr genau auf Hadrians vollständige und korrekte Titulatur geachtet, das heißt: Sofern der Kaiser außerhalb Italiens weilte, führte er den Titel proconsul, er legte ihn ab, sobald er den Boden Italiens wieder betrat. Besäßen wir nur die Militärdiplome, müßte man also schlußfolgern, dass Hadrian den Winter 128/129 nicht in Athen, sondern in Italien verbracht hat. Dem steht aber nicht nur der Wortlaut der Historia Augusta (statim) und das eindeutige Zeugnis der auf Hadrians Besuche zuückgehenden Jahreszählung in Athen entgegen, sondern auch die Reisechronologie des Jahres 129: Wir wissen sicher, dass der Kaiser direkt von Eleusis nach Ephesos gereist ist, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass er an den kleinen Mysterienfeiern im Februar/März ebendort teilgenommen hat. Das nächste sichere Datum ist der 27. Juni 129, als Hadrian sich in Laodikeia am Lykos aufhielt,23 zuvor war er in Ephesos und Karien, sehr wahrscheinlich auch in Milet und anderen Städten gewesen – kurz: auch die theoretische Möglichkeit, in dem Zeitraum von maximal drei Monaten (Ende März bis Ende Juni 129) eine Reise von Rom über Griechenland in das südöstliche Kleinasien mit Zwischenstationen unterzubringen, scheint mir ausgeschlossen zu sein. Ich finde keine andere Erklärung für das Fehlen des Titels proconsul in den Militärdiplomen als die schon von H. Nesselhauf im CIL XVI geäußerte Vermutung,24 dass Hadrian in der civitas libera Athen, also in einer de iure von Rom unabhängigen Stadt, auf den Titel bewußt verzichtet hat, was 20 21 22 23 24
SHA Hadr. 13, 6. IG II2 2040. Eck – Holder – Pangerl 2010, 197–198. Jones 2009 = AE 2008, 1349 = SEG 58, 1536. Nesselhauf, CIL XVI p. 154, übernommen von den Herausgebern der AE 2006, 1845 und jetzt (ohne Zitierung) von Eck – Pangerl 2018, 231.
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wiederum bedeutet, dass der Kaiser sich mindestens noch bis Ende März dort aufgehalten haben muß. Ein neues Zeugnis bezieht sich allgemein auf Hadrians Aufenthalt in der Provinz Asia: Es handelt sich um ein kaiserliches Edikt, das sich gegen den Mißbrauch des cursus publicus richtet; es datiert in das Jahr 129 (der Kaiser führt den Titel proconsul), und es benennt Mißstände, die der Herrscher kennengelernt hat, „während des Aufenthaltes, den ich in Eurer Provinz genommen habe“, also hatte er Asia offenbar bereits Richtung Osten verlassen. Leider fehlen ein Tagesdatum und der Ort, an dem das Edikt erlassen wurde.25 Die Reiseroute weiter in Richtung Osten hat C.P. Jones erneut kommentiert anläßlich der Publikation eines seit langem bekannten Schreibens Hadrians an verschiedene Privatpersonen, das in Apameia in Phrygien am 23. Juli 129 angefertigt wurde.26 Aufgrund einer ganz unsicheren Ergänzung innerhalb einer größeren Lücke [... ἀπὸ τῆϛ Λυ?]κίαϛ erwägt er die Möglichkeit, dass der Kaiser von Süden her, aus Lykien kommend Apameia erreicht habe. Ich halte dies nach wie vor für unwahrscheinlich, wegen eines dann sehr gedrängten Zeitrasters und mit Blick auf den Wortlaut der Historia Augusta ...per Asiam iter faciens ... deinde a Cappadocibus servitia castris profutura suscepit (Hadr. 13, 6–7), woraus man unbefangen schließen sollte, dass Hadrian über die südliche Fernstraße (Kaystrostal – Antiochia Pisidiae – Iconium – südliches Kappadokien – Kilikische Pforte) in Richtung Syrien gestrebt ist. Der Aufenthalt in Iudaea im Sommer 130, schon immer gesichert durch die Adventus- und Restitutor-Prägungen ist nunmehr durch ein weiteres Zeugnis direkt belegt: einen Brief des Kaisers an die Stadt Hierapolis in Phrygien, datiert – ohne Tagesdatum – in das Jahr 130, abgefaßt ἐν Ἱεροσολύ[μοις].27 Den Winter 131/132 verbrachte Hadrian in Ägypten, von wo er im Frühjahr (März/April) des Jahres 131 aufbrach. Die Jahre 131 und 132 gehören wieder zu den dunklen und problematischen Etappen der Reiseroute, da wir nur einen einzigen sicheren Fixpunkt besitzen, nämlich Athen als Winterquartier des Jahreswechsels 131/132. W. Weber hatte noch geglaubt, Hadrian sei in diesem Jahre über Syrien, das östliche und nördliche Anatolien, und die Provinz Asia nach Griechenland gelangt, während ich anhand von in das Jahr 131 datierten Bauinschriften nachzuweisen versuchte, dass der Kaiser sich damals über Lykien, also entlang der Südküste Kleinasiens in Richtung Westen begeben hat. Diese Korrektur an dem von Weber entworfenen Itinerar ist von der Forschung akzeptiert worden. Hadrian nahm jedoch nicht den direkten Weg nach Griechenland, sondern besuchte zuvor noch einmal die Provinzen Asia, Bithynia, dann Thracia und Macedonia. Diese Route haben die Numismatiker Hans-Christoph von Mosch und 25 Hauken – Malay 2009 = AE 2009, 1428 = SEG 59, 1365. 26 Jones 2009 = AE 2008, 1349 = SEG 58, 1536. 27 Ritti 2004, 336–339 = AE 2004, 1424 = SEG 55, 1416; s. die Rezension von Jones, JRA 19,2006,651.
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Laura-Antonia Klostermeyer präzisiert,28 indem sie nachwiesen, dass die kaiserliche Reisegesellschaft von einem Münzatelier begleitet wurde, welches in verschiedenen Städten Antinoos-Medaillons prägen ließ; hergestellt wurden diese Münzen von Stempelschneidern der mitreisenden Prägestelle, bezahlt wurden sie von den betreffenden Städten selbst oder einzelnen lokalen Stiftern, die die Rückseiten individuell gestalten konnten. Die Autoren können als Prägeorte festmachen Kyme, Hadrianoutherai, Kios, Nikomedeia und Kalchedon; Hadrian setzte nach Thrakien über und reiste über Makedonien nach Athen; unterwegs machte er unter anderem in Philippi halt, wie man einer in das Jahr 131 datierten Ehrung seitens des Dekurionenrates entnehmen darf.29 In Athen ist Hadrians Anwesenheit dank eines jüngst rekonstruierten Briefes des Kaisers an die Ephesier, der in Athen verfaßt worden ist, bereits für den September 131 bezeugt.30 Aufgrund dieses Zeugnisses steht nun fest, dass das Jahr 131 mit dem hier vorgelegten Itinerar, also der Reise per Orientem, zeitlich ausgefüllt gewesen sein muss. Demnach schloß sich die Reise per Illyricum, wie die Inschrift eines seiner comites uns lehrt,31 an den Winteraufenthalt in Athen an und ist zur Gänze in das Jahr 132 zu datieren. Sie berührte zunächst die Provinz Thracia, wo konkret in den Städten Maroneia und Abdera ein Aufenthalt des Kaisers im Jahre 132 bezeugt ist,32 und führte ihn dann nach Moesia, Dacia, vielleicht auch Pannonia und Noricum33. Wie neuere Militärdiplome und die dort verwendete Kaisertitulatur zeigen, ist Hadrian nicht vor Ende 132 nach Rom zurückgekehrt: Da er am 9. Dezember den Titel proconsul noch führte, ihn aber spätestens am 8. April 133 abgelegt hatte, muss er vor diesem Zeitpunkt seine letzte große Provinzreise beendet haben.34 Der bislang früheste sichere Beleg für seine Anwesenheit in Rom datiert erst über ein Jahr später auf den 5. Mai 134.35 Leider hilft diese Präzisierung des Datums seiner Rückkehr nicht weiter, die immer noch umstrittene Frage zu klären, ob Hadrian nach Ausbruch des BarKochba-Aufstandes in Iudaea ein zweites Mal diese Region, wenn auch nur kurz, 28 v. Mosch – Klostermeyer 2015. Ein auf 131 datierter Brief Hadrians an die Milesier (Chiron 43,2013,199–220 = AE 2013, 1578) bietet leider weder ein Tagesdatum noch den Ausstellungsort; da milesische Gesandte das Gesuch überbracht haben, hat der Kaiser die Stadt im Jahre 131 vielleicht nicht besucht. 29 BCH 58,1934,454–455 Nr. 2 = AE 1935, 48 = Pilhofer 2000, Nr. 283. 30 Zwei Fragmente vermutlich einer Petition der ephesischen Ärztevereinigung an Hadrian, präsentiert von V. Hofmann auf dem XV. Intern. Kongress für griechische und lateinische Epigraphik in Wien 2017. 31 Inschrift für T. Caesernius Statius Quinctius Macedo Quinctianus comiti divi Hadriani per Orientem et Illyricum (AE 1957, 135). 32 Siehe zuletzt Jones 2011 = AE 2011, 1156, der (319) den Aufenthalt in den genannten Städten mit der (angeblichen) Rückreise vom jüdischen Kriegsschauplatz verbindet, siehe dazu unten. 33 Auf die Reise durch Noricum könnten drei im Gebiet von Celeia gefundene und in das Jahr 132 datierte Meilensteine hinweisen: CIL XVII 4, 114, 121, 138. 34 Eck – Holder – Pangerl 2010. 35 IGR I 149 = IGUR I 235.
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besucht hat oder nicht. Ich habe mich schon damals gegen eine erneute Anwesenheit des Kaisers im Nahen Osten ausgesprochen, damit aber offenbar nur wenige Fachkollegen überzeugen können;36 an dieser Ansicht möchte ich aber festhalten und sie noch einmal begründen. Die Revolte in Iudaea brach im Juli/August 132 aus, als sich – wie Cassius Dio berichtet37 – der Kaiser von Iudaea weit weg bewegt hatte, vielleicht also in Dakien weilte. Der Aufstand, anfangs von den Römern nicht ernst genommen, steigerte sich zu einer militärischen Katastrophe (eine komplette Legion wurde vernichtet) und verlangte ein außerordentliches Aufgebot an Soldaten und Offizieren, das aus dem ganzen Reich zusammengezogen wurde.38 In der Tat hätte Hadrian theoretisch, nachdem er von der Revolte im Spätsommer 132 erfahren hatte, sofort aus einer der Donauprovinzen aufbrechen und sich in oder in der Nähe Iudaeas ein Bild der Situation machen und nach kurzem Aufenthalt im Spätherbst nach Italien – dann wohl zu Lande – zurückkehren können. Die Befürworter der These einer solchen zweiten, wohlgemerkt nirgends expressis verbis bezeugten Reise, bringen zwei Hauptargumente vor: Nach Cassius Dio39 hat der Kaiser wegen der hohen römischen Verluste in seinem Schreiben an den Senat auf die übliche sogenannte formula valetudinis verzichtet: „Wenn Ihr und Eure Kinder wohlauf seid, so ist es gut; ich und die Legionen sind bei guter Gesundheit.“ Ich sehe nicht, dass ein solches Formular die Anwesenheit des Absenders als Befehlshaber der Truppen vor Ort eines kriegerischen Geschehens voraussetzt. Seit Caesar war die Formel am Briefanfang herrscherlicher Schreiben geläufig und gibt für sich keinerlei Hinweis auf den Aufenthaltsort desselben.40 Größeres Gewicht wurde denn auch auf das zweite Argument gelegt, dass römische Offiziere in diesem als expeditio Iudaica oder bellum Iudaicum bezeichneten Krieg die dona militaria, drei sogar die ornamenta triumphalia erhalten haben, was eine, sei es auch nur kurze, Präsenz des Kaisers auf dem Kriegsschauplatz voraussetzen müsste. Für Ronald Syme war hierfür eine Formulierung wie im cursus honorum des Lollius Urbicus legato Imp. Hadriani in
36 Halfmann 1986, 209–210; die Gegenargumente sind kurz zusammengefaßt bei Birley 1997, 272–273; vgl. ders. 2003, 426 Anm. 10. Zuletzt in diesem Sinne Weikert 2016, 324. Die Inschrift des C. Arrius Clemens (ILS 2081), (offenbar) als Centurio einer den Kaiser begleitenden Prätorianerkohorte von Hadrian mit den dona militaria geehrt, bietet auch keinen belastbaren Hinweis auf Hadrians Anwesenheit auf dem jüdischen Kriegsschauplatz: Clemens war schon von Traian in einem der Dakerkriege (also spätestens 106) ausgezeichnet worden; da er nach seiner zweiten Auszeichnung und vor Hadrians Tod noch weitere Posten bis zum primipilaris bekleidete und dann eine Zivillaufbahn einschlug, dürfte der Jüdische Krieg Hadrians zu spät liegen, ferner wird bezeichnenderweise im Gegensatz zur ersten Ehrung der Anlaß für die abermalige Verleihung der dona militaria nicht genannt, so dass man darüber nur spekulieren kann. 37 Cass. Dio 69, 12, 2. 38 Eck 1999, Weikert 2016, 318–326. 39 Cass. Dio 69, 14, 3. 40 Reynolds 1982, 45.
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expeditione Iudaica „decisive“.41 Symes Autorität wog und wiegt immer noch schwer. Dabei waren schon damals einige Beispiele bekannt, in denen dona militaria auch in nicht vom Kaiser persönlich geführten Feldzügen verliehen worden waren: L. Pontius Varronius Seneca unter Vespasian primipilaris leg. III Aug. donis donatus bello Iudaico (AE 2013,1600); C. Iulius Karus unter Domitian praef. coh. II Asturum equ. donatus bello Britannico cor. murali etc. (AE 1951, 88);42 Q. Attius Priscus unter Nerva trib. mil. leg I Adiutricis donis donatus ab Imp. Nerva Caesare Augusto Germanico bello Suebico corona aurea etc. (ILS 2720); Cestius Sabinus unter Antoninus Pius (centurio) leg. ... et leg VII Claud. p.f. donis donato ab Imp. Antonino Aug. hasta pura (CIL XI 6057); P. Aelius Romanus unter Marc Aurel (centurio) donis donatus debellatione hostium prov. Hisp(aniae) (ILS 2659);
Gegen diese Zeugnisse wurde argumentiert, dass die Bezeichnung bellum nun nicht unbedingt die Anwesenheit des Kaisers auf dem Kriegsschauplatz impliziere, sondern letzteres nur die Bezeichnung expeditio hergebe. Aber auch dieses Argument kann durch Gegenbeispiele entkräftet werden: Ti. Plautius Silvanus Aelianus unter Nero motum orientem Sarmatarum compressit quamvis partem magnam exercitus ad expeditionem in Armeniam misisset (ILS 986); C. Valerius Rufus unter Traian 116/117 trib. mil. leg. VII Claudiae p.f. missus cum vexillo ab Imp. Nerva Traiano ... Cyprum in expeditionem (ILS 9491); L. Tettius Crescens unter Traian expeditionib(us) interfui(t) Daciae bis, Armeniae, Parthiae et Iudaeae (ZPE 133,2000,256–258; AE 2000, 647); mösische und britannische Truppenteile unter Antoninus Pius dimissis honesta missione per ... procuratorem cum essent in expeditione Mauretaniae Caesariensis (oder Tingitanae) (mehrere Militärdiplome AE 2006, 1213; ZPE 199,2016,187 ff.); Catulus, decurio in der legio III Augusta (Numidien), aufgrund seiner Verdienste in einer expeditio zum centurio befördert, 174 n. Chr. (AE 2011, 1783).
Veit Rosenberger in seiner Studie über „bella und expeditiones“43 erklärt die Ausnahmen damit, dass hier die Bezeichnung expeditio durch eine geographische Apposition spezifiziert werde, während ein vom Kaiser selbst geleiteter Krieg stets den Stammesnamen in adjektivischer Form hinter dem Wort expeditio geführt 41 ILS 1065; Syme 1988, bes. 163 = Roman Papers VI (1991), 350–351. Syme datierte Hadrians Reise per Illyricum (siehe Anm. 30) auf das Jahr 133 nach dem angeblich zweiten Aufenthalt des Kaisers in Iudaea, was definitiv ausscheidet, weil Hadrians Rückkehr nach Italien spätestens Anfang 133 nunmehr feststeht. 42 Zur Datierung Jarret – Mann 1970, 181; Davies 1976. 43 Rosenberger 1992, 134.
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habe (expeditio Germanica, Parthica, Iudaica). Eine philologische oder sonstige Erklärung für einen solchen unterschiedlichen Bedeutungsinhalt von expeditio läßt sich freilich nicht finden. Trägt also diese Begründung schon nicht in sich, so läßt sich jetzt durch eine exakte Datierung schon bekannter Zeugnisse sehr wahrscheinlich beweisen, dass – in diesem Fall – eine expeditio Britannica unter Hadrian geführt wurde – aber wohlgemerkt in Abwesenheit des Kaisers. T. Pontius Sabinus praepositus vexillationibus milliariis tribus expeditione Britannica legionis VII gem., VIII Aug., XXII Primigeniae (ILS 2726); M. Maenius Agrippa L. Tusidius Campester praef. coh. II Flaviae Brittonum (in Moesia inferior), electus a divo Hadriano et missus in expditionem Britannicam, trib. coh. I Hispanorum equ. (in Britannia) (ILS 2735).
Schon Eric Birley hatte in einem 1948 veröffentlichten Aufsatz44 diese expeditio nicht, wie es bis heute immer wieder geschieht, mit Hadrians Aufenthalt in Britannien im Jahre 122 in Verbindung gebracht, sondern aufgrund anderer datierbarer Stationen in der Karriere des Pontius Sabinus um das Jahr 130 datiert. In jüngster Zeit haben nun mehrere englische Forscher und Kenner der Materie sich dieses Problems wieder angenommen45 und versucht, den Zeitpunkt des Tribunats des Maenius Agrippa über die cohors I Hispanorum einzugrenzen, da wir dank einer Serie von Weihinschriften an Jupiter alle Präfekten bzw. Tribunen dieser Kohorte unter Hadrian kennen. Ohne dass hier alle Argumente im Detail rekapituliert werden sollen, kommen diese Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass das Kommando des Maenius Agrippa über die Kohorte und damit die expeditio Britannica eher in die 130er Jahre fällt als früher, wir also schwere und verlustreiche Auseinandersetzungen in Britannien vielleicht zeitgleich mit dem jüdischen Krieg annehmen müssen, zumal sie der Rhetor Fronto46 als Zeitgenosse in einem Atemzug nennt. Das Resümee: Aufgrund dieser Evidenz können weder die Verleihung militärischer Auszeichnungen noch der Gebrauch des Begriffs expeditio als Argumente benutzt werden, eine Anwesenheit Hadrians auf dem jüdischen Kriegsschauplatz im Jahre 132 zu postulieren. Wir werden nun sicher keine Quelle mehr finden, die umgekehrt ausdrücklich bestätigen würde, dass Hadrian trotz der Härte des Krieges den Schauplatz nicht persönlich in Augenschein genommen hat. Aber – und dies bildet nach wie vor mein Hauptargument – es findet sich eben auch kein Quellenzeugnis, das diese Tatsache erwähnt – und dies ist auffallend: Es wäre die einzige große Reisebewe 44 Birley 1948/1961, bes. 82 = 29. 45 Breeze – Dobson – Maxfield 2012, vgl. Frere 2000. Iupiterweihungen aus Maryport: RIB 814–829. 46 Fronto de bello Parthico 2 (p. 221 van den Hout): avo vestro Hadriano imperium obtinente quantum militum a Iudaeis, quantum ab Britannis caesum. Damit wäre auch der Tod des Centurio der chors I Tungrorum, T. Annius, in bell[o …inter]fectus (RIB III 3364 mit Literatur), der aufgrund des Inschriftenformulars in die ersten Jahrzehnte des 2. Jh. n. Chr. zu datieren ist, mit einem Krieg in den 130er Jahren in Verbindung zu bringen.
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gung eines römischen Kaisers zumindest bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts, die keinen Widerhall in der Literatur gefunden hätte, zumal es sich zudem um eine außergewöhnlich spontane, hastige Reaktion gehandelt haben müßte, wäre Hadrian im Sommer 132 aus einer der Donauprovinzen noch einmal nach Palästina geeilt, wo er sich doch eigentlich auf dem Rückweg nach Italien befunden hat. Prüft man vielmehr den Wortlaut in der Schilderung der Xiphilinos-Exzerpte aus Cassius Dio genau, so spricht dieser indirekt deutlich gegen eine Besuch des Kaisers auf dem Kriegsschauplatz: Die Römer hätten die Erhebung anfangs gar nicht ernst genommen,47 das heißt: Hadrian hat anfangs wohl beschwichtigende Berichte seiner Statthalter vor Ort erhalten und sah überhaupt keine Veranlassung, seine Reise durch die Donauprovinzen zu unterbrechen. Erst als die Lage außer Kontrolle geraten war (Dio spricht von einem Brand, der die ganze Welt erfaßt habe),48 schickte der Kaiser seine fähigsten Generäle aus dem ganzen Reich nach Iudaea, Dio nennt namentlich den Iulius Severus, der frühestens im Winter 132/133 aus Britannien abberufen wurde.49 Hier wäre die Gelegenheit gewesen, Hadrians Anwesenheit vor Ort zu erwähnen (was auch Xiphilinos meiner Meinung nach sicher getan hätte, hätte er eine entsprechende Nachricht bei Cassius Dio gefunden), wenn er denn tatsächlich da gewesen wäre; aber nein: Der Kaiser begab sich eben nicht persönlich auf den Kriegsschauplatz, sondern schickte seine besten Feldherrn dorthin. Dies geschah erst im Laufe des Jahres 133, als Hadrian bereits nach Italien zurückgekehrt war. Ungeachtet dieser Argumente wäre natürlich ein neues Zeugnis willkommen, welches Hadrians Anwesenheit im Donauraum in der zweiten Jahreshälfte 132 eindeutig belegen würde, oder eines, welches das Datum der Rückkehr nach Rom Ende 132 oder Anfang 133 noch stärker eingrenzen könnte. Der früheste explizite Beleg für seine Präsenz in Rom stammt, wie gesagt, vom 5. Mai 134, jetzt ergänzt durch Hadrians Briefe an die dionysischen Techniten, die vom Kaiser im August/September 134 in Neapel verfaßt wurden.50 Im Ergebnis ist also an den Hauptreiserouten Hadrians und deren Datierung nichts zu verändern, weitere Präzisierungen sind natürlich möglich und willkommen. Was den politischen Charakter und die politische Dimension von Hadrians Reisetätigkeit betrifft, so haben die Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte neue Perspektiven und methodische Ansätze in den Vordergrund gerückt. Es ist die Rede von einer „neuen Kaisergeschichte“.51 Sie soll die traditionelle Biographie, die oft genug nichts anderes darstelle als anachronistische psychologische Bilder einzelner Herrschergestalten, ablösen und sich gleichsam neu schaffen, indem sie 47 Cass. Dio 69, 13, 1. 48 Cass. Dio 69, 13, 2. 49 Dazu Eck 1999, Birley 2005, 131. Am 9. Dezember 132 war Iulius Severus noch Statthalter in Britannien (AE 2010, 1856). 50 AE 2006, 1403 a–c = SEG 56, 1359; zuletzt dazu Strasser 2016. 51 Winterling 2011.
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die Ergebnisse strukturgeschichtlicher Analysen einbezieht. „Strukturen“ meint die in erster Linie Räume und Wirkungsfelder kaiserlicher Macht, ferner die auf Rom selbst konzentrierten gesellschaftlichen Teilbereiche wie politische Organisation, soziale Rangordnung und die Gestaltung der Nahbeziehungen (Freundschaften).52 Als zentraler Untersuchungsgegenstand, der diese Strukturen erhellt, kristallisieren sich die Kommunikationsformen innerhalb der Aristokratie einschließlich des Kaisers heraus. Die Rahmenbedingungen der Kommunikation sind strukturell vorgegeben und erklärbar; inwieweit ein Kaiser die schwierigen, von Anomalien und Paradoxien gekennzeichneten Formen der Kommunikation beherrschte und sie überhaupt bedienen wollte, hing dann von der jeweiligen Persönlichkeit ab. Letztere wurde danach bewertet, wie gut oder wie schlecht die Spielregeln der inneraristokratischen Kommunikation beherrscht wurden, sie fragt weniger nach den Faktoren, die Persönlichkeit und Charakter eines Kaisers individuell geprägt haben könnten – ja letzteres wird unter Verweis auf Beispiele extrem subjektiv psychologisierender Kaiserbildnisse (etwa bei A. von Domaszewski) abgelehnt.53 Hinzu tritt die habituelle Kommunikation, derer sich die Kaiser im Auftreten gegenüber allen gesellschaftlichen Schichten zu befleißigen hatten, von den Ritualen der Begegnung bis hin zur Kleiderordnung.54 Die reinen Strukturalisten verweigern also die Suche nach Intentionen und deren Hintergründen, doch wird deren Wirkmächtigkeit in der neueren Forschung durchaus wieder akzeptiert.55 Freilich wird man im Gegensatz zur Neuen Geschichte in der Alten Geschichte die Frage kaum beantworten können, warum ein Kaiser bestimmte persönliche Vorlieben, Interessen, Verhaltensweisen, Reaktionsmodelle etc. entwickelt hat; es fehlen schlichtweg authentische Zeugnisse aus Kindheit, Jugend, Elternhaus, Erziehung, die das erwachsene Individuum prägen, wie wir sie etwa, um ein beliebiges Beispiel zu nennen, zum Preußenkönig Friedrich den Großen besitzen. Innerhalb des Kommunikationsmodells spielen die Reisen der Kaiser natürlich eine bedeutende Rolle, stellt sich doch sofort die Frage, inwieweit die überlebenswichtigen Kommunikationsstrukturen und -rituale in Rom durch die Absenz des Herrschers beeinträchtigt wurden und die kaiserliche Autorität beeinträchtigen konnten. Mit Blick auf Hadrian kommt diesem Problem besondere Bedeutung zu, da er – wohlgemerkt nicht durch Kriegsführung veranlaßt – mehr als die Hälfte seiner Regierungszeit außerhalb Italiens verbracht hat. Eine Hadrianbiographie im Sinne einer „neuen Kaisergeschichte“ existiert bis heute nicht (überhaupt liegt eine solche nur über Caligula aus der Feder von Aloys Winterling vor).56 Aber es ist versucht worden,57 seine Reisetätigkeit mit einer strukturgeschichtlich fundier 52 Winterling 2011, 9. 53 Walter 2011, 245 mit Verweis auf H.-U. Wehler (Hg.), Geschichte und Psychoanalyse (Frankfurt am Main u. a. 1971). 54 Zimmermann 2011. 55 Walter 2011, 251. 56 Winterling 2003. 57 Seelentag 2011, 295–315, bes. 310.
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ten Methode neu zu bewerten. Ganz sicher hat das abwesenheitsbedingte langjährige Ausbleiben der Kommunikationsrituale in Rom die Beliebtheit des Kaisers nicht gerade gesteigert, auch wenn auf Provinzreisen versucht wurde, ein Minimum an bekannten Kommunikationsformen zu erhalten. Aber man kann die spezifischen Ausprägungen der beispiellos ausgedehnten Reisetätigkeit Hadrians nicht alleine mit den aus der trajanischen Regierungszeit vorgegebenen Strukturelementen erklären. Hadrian habe demnach – so die These von Gunnar Seelentag – ein von Trajan vernachlässigtes Feld der Herrschaftsdarstellung, die Fürsorge für die Provinzen, intensiv besetzt und propagiert, eben durch seine Reisetätigkeit, dagegen eine Konkurrenz auf dem von Trajan gut bestellten Feld der Fürsorge für Italien (Alimentarinstitution) vermeiden wollen. Hadrian hat also angeblich recht schematisch die Lücken gefüllt, die Trajans Regierung hinterlassen, oder umgekehrt Politikfelder brach liegen lassen, die Trajan gut gepflegt hatte. Eine in der Persönlichkeit selbst liegende Intention und Motivation wird von dieser Forschungsrichtung negiert oder marginalisiert. Sie greift aber meines Erachtens entschieden zu kurz, wenn sie Hadrians Philhellenismus, auch wenn wir ihn tiefenpsychologisch nicht zu erklären vermögen, als Erklärung für Hadrians ausgedehnte Reisen in der östlichen Reichshälfte und seine besondere Aufmerksamkeit für Athen ausblendet, obwohl schon die antiken Quellen dieses Spezifikum als Besonderheit vermerkten. Gemäß dieses Modells müßte der logische Umkehrschluß erlaubt sein, dass Hadrian mit seinen Reisen einem von Trajan nicht besetzten Element der Herrschaftsdarstellung lediglich aus Staatsraison Genüge getan und vielleicht nur widerwillig den Reisekaiser gespielt habe – eine völlig unhaltbare Vorstellung. Das Fazit lautet also, dass ungeachtet der eingangs zitierten Werke eine neue Hadrianbiographie immer noch und wieder eine lohnende Herausforderung darstellen würde. Bibliographie A.R. Birley, Hadrian the Restless Emperor, London 1997. A.R. Birley, Hadrian’s Travels, in: L. de Blois u. a. (Hg.), The Representation and Perception of Roman Imperial Power, Amsterdam 2003, 425–439. A.R. Birley, The Roman Government of Britain, Oxford 2005. E. Birley (1948/1961), Britain after Agricola and the End of the Ninth Legion, Durham University Journal 78–83 = Roman Britain and the Roman Army (Kendal), 20–30. G.W. Bowersock, Greek Sophists in the Roman Empire, Oxford 1969. K. Bradley, Recovering Hadrian, Klio 94 (2012) 130–155. D.J. Breeze – B. Dobson – V. Maxfield, Maenius Agrippa, a Conundrum, Acta Classica 55 (2012) 17–30. R.W. Davies, Military Decorations and the British War, Acta Classica 19 (1976) 115–121. M. Dräger, Überlegungen zu den Reisen Hadrians in Kleinasien, Klio 82 (2000) 208–216. W. Eck, The Bar Kokhba Revolt: The Roman Point of View, JRS 49 (1999) 76–89. W. Eck – P. Holder – A. Pangerl, A Diploma for the Army of Britain in 132 and Hadrian’s return to Rome from the East, ZPE 174 (2010) 189–200.
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ÜBERGRIFFE RÖMISCHER SOLDATEN IN DEN ÖSTLICHEN PROVINZEN DES IMPERIUM ROMANUM Rudolf Haensch Vorbemerkung Als ich im September des Jahres 2002 zum ersten Mal nach Hamburg fuhr, um die genauen Modalitäten meiner Gastprofessur im Wintersemester 2002/3 zu klären, traf ich zwischen Tür und Angel Peter Herrmann. Er sagte zu mir, wir müssten einmal bei meinem nächsten Besuch über eine von ihm zu edierende Inschrift reden. Es war das später im Jahre 2009 von Tor Hauken und Hasan Malay publizierte Edikt Hadrians zu den Rechten und Pflichten durchmarschierender Soldaten1. Als ich bei meinem zweiten Besuch nach Peter Herrmann fragte, erhielt ich die Antwort, er sei erkrankt. Ich habe ihn nicht mehr gesehen. Wen ich dann immer wieder bei anregenden und aufschlussreichen Mittagessen traf und vergeblich hoffte, auch jetzt wieder zu sehen, war Jürgen Deininger. Beiden sei die Studie gewidmet. Die Diskussion um die „Hilferufe aus römischen Provinzen“ Ich greife den damals angekündigten, aber niemals Realität gewordenen Dialog über die „Hilferufe aus römischen Provinzen“ wieder auf, und zwar in zweifacher Weise: Erstens soll die Kontroverse um die von Peter Herrmann angesprochenen Dokumente resümiert und um einige bisher nicht diskutierte Aspekte ergänzt werden. Zweitens ist eine neue, für die Thematik einschlägige, in den letzten Jahren von Pantelis Nigdelis publizierte und von Miltiades Hatzopoulos noch einmal vorgelegte Inschrift zu erörtern. „Hilferufe aus römischen Provinzen“2 – keine historische Studie von Peter Herrmann ist so bekannt geworden wie diese und keine löste eine solch heftige Diskussion aus. Den Streitpunkt bezeichnet vor allem der Untertitel „Ein Aspekt 1
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Hauken – Malay 2009 (AE 2009, 1428; SEG 59, 1365). Papyruseditionen werden abgekürzt nach der Checklist – J. F. Oates, R. S. Bagnall, S. J. Clackson, A. A. O’Brien, J. D. Sosin, T. G. Wilfong, and K. A. Worp, Checklist of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets, http://scriptorium.lib.duke.edu/papyrus/texts/clist.html, August 2018. Für freundliche Hilfen und Kritik danke ich U. Ehmig (Berlin), P. Eich (Freiburg), D. Feissel (Paris), P. Riedlberger (Bamberg), L. G. Souris (Thessaloniki), P. Weiß (Kiel). Herrmann 1990.
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der Krise des römischen Reiches im 3. Jhdt. n. Chr.“. In dem Maße, in dem eine Krise des 3. Jh. angezweifelt wurde, wurden auch die einzelnen Elemente, aus denen man eine solche Gesamtinterpretation des 3. Jh. zu stützen versuchte, bestritten. Das betraf u. a. die Inschriften, die Herrmann als „Hilferufe aus römischen Provinzen“ bezeichnet hatte. Es handelt sich dabei um Inschriften aus der östlichen Reichshälfte, in denen sich Bewohner des flachen Landes, von Kleinstädten, Dörfern und kaiserlichen Domänen beim Statthalter oder Kaiser über Übergriffe von Vertretern des römischen Staates und insbesondere von durchreisenden Soldaten beschwerten. Anne Kolb und vor allem Walter Scheidel argumentierten gegen Herrmann, es handele sich eigentlich um Probleme, die die ganze Kaiserzeit hindurch weit verbreitet gewesen seien;3 man habe lediglich seit dem späten 2. Jh. einzelne Lösungsversuche auf Stein aufgezeichnet und zwar vor allem deshalb, um die Bedeutung der jeweiligen Siedlung durch eine Demonstration des Kontaktes zum Kaiser hervorzuheben.4 Dieses Verhalten aber verzerre das Überlieferungsbild und führe dazu, dass man die Bedeutung des Problems für das 3. Jh. überschätze. Deutlichstes Indiz dafür sei, dass die von Herrmann angeführten Inschriften zumeist aus einer einzigen Region, nämlich Lydien, stammten. Christian Witschel spitzte diese These zu, eine „anecdotical method“ habe das kulturell bedingte Phänomen außer Acht gelassen, das man als epigraphic habit bezeichne. Tatsächlich habe es sich um ein endemisches Problem gehandelt, das die Kaiser seit Augustus und Tiberius trotz wiederholter Regelungsversuche nie völlig in den Griff bekommen hätten. „Eine wirkliche Zunahme dieser Übergriffe“, so Witschel, „war zwar gerade in Zeiten erhöhter militärischer Mobilität wie im späteren 3. Jh. durchaus möglich, kann aber aus den uns zur Verfügung stehenden Quellen nicht sicher abgelesen werden, da es sich hier nach dem noch erkennbaren Kontext vor allem um immer wieder auftretende Alltagsprobleme handelte, die rhetorisch aufgebauscht wurden, um der Klage Wirkung zu verleihen“.5 Michael Alexander Speidel hat jüngst6 die Frage wieder aufgegriffen und meinte folgendes feststellen zu können: Es handele sich nicht um einen epigraphic habit, da entsprechende Urkunden auch schon früher eingemeißelt worden seien. Vielmehr lege die geographische Konzentration der Zeugnisse nahe, dass im Zusammenhang mit den Kriegen an der Ostgrenze des Reiches in den Regionen, durch die die Via Sebaste führte, „das staatliche Nachrichten- und Transportsystem sowie das Versorgungssystem für durchziehende Truppen ... an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht“7 worden sei. Die Zeugnisse belegten aber auch gerade durch ihre Existenz das Vertrauen der dortigen Bevölkerung in die staatlichen Organe, ja sogar die römischen Soldaten selbst. Einzelne der Dokumente
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Ebenso insbesondere Pollard 2000, 85, 109 f. Kolb 2000, besonders 118 f. mit Anm. 1 auf S. 119; Scheidel 1991. Witschel 1999, 61. Speidel 2015. Speidel 2015, 51.
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zeigten nämlich, dass man um die Stationierung eines stationarius gebeten hatte8 bzw. nach einem solchen Hilferuf ein Tribun der in Asia stationierten Einheit seinen Soldaten Strafen bei namentlich genannten Vergehen androhte.9 „Mit dem Begriff ‚Anarchie‘ könnten deshalb die damaligen Zustände ... nicht treffend beschrieben werden“ bzw. „Aus den als ‚Hilferufe aus den Provinzen‘ bezeichneten Texten aus Phrygien und Lydien kann aus diesen Gründen keine reichsweite Entwicklung hin zu einer Militäranarchie erschlossen werden. Viel mehr zeugen diese inschriftlich überlieferten Klagen von einer durch die Kriege im Osten lokalen Überlastung (...) und einem Vertrauen der betroffenen Gemeinden auf den Schutz durch die Obrigkeit und ihre Organe, darunter gerade auch die Soldaten“.10 Alle diese Stellungnahmen haben zweifellos dazu geführt, dass die von Herrmann zusammengestellten Dokumente heute differenzierter interpretiert werden, als er dies im Rahmen seines schmalen, „eleganten“ Bändchens in den Sitzungsberichten der Achim Jungius-Gesellschaft getan hatte, aber auch angesichts des vorgegebenen Umfangs und des Forschungsstandes tun konnte.11 Die Frage ist jedoch, ob bei den von Herrmann angesprochenen Fragen nicht noch andere als die bisherigen Aspekte diskutiert werden müssen. Als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen wurden die bisher bekannten Inschriften mit Maßnahmen gegen Übergriffe im Rahmen des cursus publicus erneut zusammengestellt (hier Appendix II). Dabei wurden die Klagen über die sogenannten kolletiones und die der Bewohner kaiserlicher Domänen über das eigene Domänenpersonal außer Acht gelassen, weil die in diesen Urkunden beklagten Übergriffe im Rahmen des Abgabeneinzugs erfolgten, nicht aber beim Durchmarsch und der Einquartierung. Schaut man sich die aufgelisteten 20 Zeugnisse an, wird erstens klar, wie brüchig die These von einem epigraphic habit von Dörfern im südlichen Teil der Provinz Asia angesichts der kleinen Zahlen ist. Insgesamt kann man maximal sechs einschlägige Inschriften aus 50 Jahren anführen, von denen zudem eine aus Karien stammt. Eine ging auf einen Grundherrn zurück, zwei wurden von Städten errichtet. Nur in maximal drei Fällen war der Kaiser involviert, ansonsten hatte der Statthalter entschieden. Es war also keineswegs so, dass im südlichen Kleinasien jedes Dorf bemüht gewesen wäre, eine kaiserliche subscriptio zu erlangen und auf ewige Zeiten ad oculos zu demonstrieren. Schaut man sich an, wo seit der Studie von Herrmann neue Texte gefunden wurden, wird schnell klar, dass ihr Bekanntwerden zumindest in der östlichen Reichshälfte auch von der allgemeinen Kenntnislage abhängt. Seitdem in der archäologischen Erforschung Griechenlands ein verstärktes Interesse der römischbyzantinischen Zeit gilt, sind dort zwei einschlägige Dokumente publiziert wor-
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SEG 16, 754; SEG 37, 1186. SEG 48, 1514. Speidel 2015, 52 und 53. Vorsichtiger, aber tendenziell ähnlich Elton 2005. Gerhardt 2008, 778–782 referiert weitgehend nur die Darstellung Herrmanns.
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den.12 Das sind zwar keine großen Zahlen, aber es ist festzuhalten, dass es mehr Zeugnisse sind, als aus Asia, also einer besonderes inschriftenreichen Region, nach dem Erscheinen der Studie Herrmanns veröffentlicht wurden.13 Es ist durchaus damit zu rechnen, dass aus der Levante und dem syrischen Raum oder Nordafrika weitere Inschriften bekannt würden, wenn diese Regionen intensiver erforscht werden könnten. Der Fundmangel im Westen entspricht am ehesten wohl nur der generellen dortigen Praxis, Dokumente Roms nicht in Stein, sondern vor allem auf Bronze zu verewigen, mit dem Ergebnis, dass derartige Zeugnisse besonders leicht in Metallöfen spurlos verschwanden.14 Die in der Appendix II zusammengestellten Zeugnisse zeigen einerseits, dass die Vertreter Roms, also insbesondere die Statthalter und der jeweilige Kaiser, sich immer wieder mit Übergriffen im Rahmen des heute so genannten cursus publicus beschäftigen mussten. Allerdings fragt sich trotzdem, ob solche Übergriffe ein endemisches Problem von annähernd immer gleicher Größe waren, oder ob sie ein latentes Phänomen darstellten, das unter bestimmten Bedingungen explosionsartig zunehmen konnte. Dass sie ein zumindest latentes Problem waren, wird daran deutlich, dass es, nach den Instruktionen Domitians an seinen Finanzprocurator in Syrien zu urteilen, in der Hohen Kaiserzeit offensichtlich regelmäßiger Bestandteil der jedem Amtsinhaber bei Amtsantritt übergebenen mandata principis war, entschiedene Maßnahmen bei jedem Übergriff im Rahmen des öffentlichen Transportsystems anzuordnen.15 Das gleiche belegt auch die im Falle dieser Textgruppe zweimal bezeugte, ansonsten aber bei inschriftlich erhaltenen Urkunden der Vertreter Roms fast nie anzutreffende explizite Aufforderung dieser, ihre Antworten an einem besonders gut sichtbaren Ort publik zu machen, die dann von den Angesprochenen offenbar im Sinne einer inschriftlichen Verewigung verstanden wurde.16 Schaut man sich unter der Frage ‚latentes oder endemisches Problem‘ die einschlägige Dokumentation an, so wird schnell klar, dass die umfangreicheren generellen Regelungen – wie die Edikte des Sex. Sotidius Strabo oder die der praefecti Aegypti L. Aemilius Rectus und Vergilius Capito17 – vor allem in die Anfänge des Prinzipats gehören. Dann ändern sich die Stoßrichtungen:18 In den ägyptischen Regelungen des späteren 1. und 2. Jh. spielt es zunehmend eine Rolle, dass lokale Amtsinhaber entweder solche Übergriffe duldeten, weil auch sie davon profitierten, oder sie gar erfanden, um die der Allgemeinheit in diesem Zusammenhang angeblich entstandenen Kosten in die eigene Tasche zu lenken. Dass wir von solchen Praktiken nichts aus Inschriften erfahren, entspricht nur der Tatsache, dass 12 13 14 15 16
SEG 55, 744 = I. Thrac. Aeg. E 185 = SEG 61, 557 sowie die unten diskutierte Inschrift. SEG 59, 1365 = AE 2009, 1428. Vgl. die verschiedenen Beiträge in Haensch 2009, insbesondere 11, 177 f. SEG 17, 755 = IGLS V 1998. LBW III 2524 = Hauken 1998 II 2 Z. 29–40; SEG 37, 1186 = Hauken 1998 II 6 Z. 24–29. 50 –51. Vgl. dazu Haensch 2009, 9 f. 17 SEG 26, 1392, cf. 36, 1208; W. Chr. 439; OGIS 665 = I. Hibis 1. Dazu Jördens 2009, 165– 172. 18 So auch Jördens 2009, 172–174, 178–182.
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Inschriften mit der Publikation von Staatsdokumenten vor allem von Angehörigen der lokalen Oberschichten in Auftrag gegeben wurden, um deren Rechte zu schützen oder sich selbst positiv herauszustellen.19 Die aus dem übrigen Reich bekannt gewordenen Regelungen richten sich im 2. und 3. Jh. immer wieder gegen einzelne Formen typischer Übergriffe, sehen aber keine Notwendigkeit, das System als Ganzes einzuschärfen oder zu reformieren. Die Probleme sind immer wieder entweder einzelne, besonders gravierende Aspekte oder Kombinationen von drei zentralen Problemen: die unberechtigte Inanspruchnahme, weil der Betreffende entweder keinen militärischen Auftrag oder kein Diplom hatte; das Nichtbezahlen für zu erstattende Leistungen; das Wegführen von Zugtieren und Führern, die entweder nie oder erst nach langer Zeit und vielen Strapazen zurückkehrten. Dabei zeigen das Edikt Hadrians aus Maroneia, der Statthalterbrief aus Phaena in Syrien und die Petition der Skaptoparer20 besonders deutlich, dass durchaus ganz spezielle lokale Gegebenheiten – die Attraktivität von Samothrake wegen seines Mysterienkultes, eine vermutlich nicht besonders gute öffentliche Herberge in Phaena, die verkehrsgünstige Lage von Skaptopara – diese Probleme zumindest fördern, wenn nicht gar auslösen konnten. Manches wird man also mit spezifischen Umständen vor Ort erklären können. Für anderes wird man mit Speidel die Truppenverlegungen an die Partherfront und andere große Truppenverlegungen in diesem Raum als Grund identifizieren müssen, auch wenn die Zahl der entsprechenden Zeugnisse aus dem Zeitraum zwischen den 190er Jahren und der Mitte des 3. Jh. zwar ansteigt, aber nicht gerade ‚explodiert‘. Zu einer solchen These passt nicht nur die Zeitstellung der Dokumente von Euhippe und Tacina (211–213, also zu Zeiten von Caracallas Partherfeldzug) und der Inschriften der 240er Jahre (Aragua und Kavacik).21 Selbst bei dem zeitlich so isolierten Edikt des praefectus Aegypti Petronius Mamertinus aus einem der Jahre zwischen 133 und 13522 fragt sich, ob die entscheidenden Faktoren nicht oder zumindest nicht nur der Einsatz von simpler Gewalt durch die Soldaten oder die Günstlingswirtschaft und das In-die-eigene-TascheWirtschaften der lokalen Amtsinhaber waren, wie es der Statthalter darstellte, sondern auch die Situation des Bar Kochba-Aufstandes. Manche Strategen könnten noch den Judenaufstand in den letzten Jahren Trajans, gerade auch in Aegyptus, in Erinnerung gehabt haben und deshalb gerne eine Auge zugedrückt haben, wenn die Soldaten nur möglichst rasch nach Iudaea kamen oder als ‚Sieger‘ heimkehrten. Petronius Mamertinus wollte allerdings auf jeden Fall verhindern, dass das Heer in den Ruf von Raffgier und Ungerechtigkeit kam (τὸ δὲ στρατ[ι]ωτικὸν ἐπὶ πλεονεξίᾳ καὶ ἀδικίᾳ διαβά[λλ]εσθαι). Ob er damit Er19 Vgl. dazu Haensch 2009 passim. 20 SEG 55, 744 = I. Thrac. Aeg. E 185 = SEG 61, 557; LBW III 2524 = Hauken 1998 II 2; CIL III 12336 = Hauken 1998 I 5. 21 CRAI 1952, 589–599 = Hauken 1998 II 5; SEG 37, 1186 = Hauken 1998 II 6; CIL III 14191 = Hauken 1998 I 6; AE 1964, 231 = Hauken 1998 I 7. 22 PSI V 446. Dazu Jördens 2009, 172–174.
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folg hatte, können wir nicht beurteilen. Dass wir aber eine explosionsartig zunehmende Belastung mit immer häufigeren Übergriffen als Konsequenz aus den Feldzügen des fortgeschrittenen 3. Jh., nicht nur im Osten gegen Parther und Perser, sondern auch an Rhein und Donau und zudem im Zusammenhang von Usurpationen auch im Reichsinnern, annehmen müssen und dies der zentrale Auslöser für die Hilferufe aus den Provinzen war, scheint mir gegen die Zweifel von Witschel ziemlich sicher. Wie zu erwarten, fehlt uns zwar für diese wie für fast alle anderen Fragen aus der Antike die umfangreiche Dokumentation in Form genauer Zahlen, die das statistisch anhand von Quellen belegen könnte. Aber in dieser Hinsicht kann man ohne weiteres die Last zugrunde legen, die der Durchmarsch anderer vormoderner Heere für zentrale Aufmarsch- und Kampfgebiete darstellte. Ich will dabei gar nicht die besonders ‚anarchische‘ Situation des 30jährigen Krieges heranziehen. Vielmehr seien die Beispiele aus den relativ ‚zivilisierten‘ Kriegen des 18. und frühen 19. Jh. gewählt: Wir verdanken z. B. Lorenz Aloys Gerhauser, einem Brau und zeitweiligen Bürgermeister der (Klein-)Stadt Aichach im Westen Altbayerns (seit 1972 in Bayrisch Schwaben) eine in unserem Zusammenhang besonders eindrucksvolle Dokumentation.23 Aichach umfasste in den letzten Jahren des 18. Jh. etwa 220 Häuser, hatte im Jahr 1794/5 1.504 Bewohner (713 Männer und 791 Frauen)24 und lag an einer zentralen Straßenkreuzung. Hier kreuzte die Straße von Augsburg nach Regensburg jene von München nach Donauwörth. Gerhauser klebte auf einer 15 m langen Stoffrolle die 1.708 Einquartierungszettel zusammen, mit denen er zwischen 1796 und 1816 konfrontiert worden war.25 Mit Hilfe dieser Dokumentation hoffte er, seine Unkosten von der Stadtkasse zurückzubekommen. Nach den zusammengeklebten Belegen waren zwischen 1796 und 1802 allein bei ihm 1.700 Offiziere, 11.200 Mannschaften und 11.241 Pferde einquartiert gewesen und hatten von ihm versorgt werden müssen.26 Tatsächlich erhielt Gerhauser zunächst Ausgleichszahlungen, bis man vor der schieren Höhe der Forderungen kapitulierte. Letztlich musste Gerhauser seine Brauerei und seinen Gasthof verkaufen.27 Insgesamt sollte nicht bestritten werden, dass zwar auch in Friedenszeiten latent immer wieder mögliche Übergriffe – so wie bei dem von Apuleius in seinen
23 Lang – Bräu 2015. Dazu in vieler Hinsicht ergänzend ausführlich Müller 1968, 195–208. 24 Müller 1968, 213 f. 25 Heute im Stadtmuseum Aichach, ein Bild unter https://www.augsburger-allgemeine.de/ aichach/Wie-Gerhauser-Aichach-gerettet-hat-id31682507.html. 26 In der gesamten Stadt Aichach waren zwischen 1796 und Februar 1809 18.699 Offiziere, 194.086 Mannschaften und 95.784 Pferde einquartiert gewesen. 27 Nicht so mathematisch exakt, aber durch das gewählte Medium noch viel eindrücklicher demonstrieren Votivbilder des 17. und 18. Jh., welche Belastung durchmarschierende Soldaten für die lokale Bevölkerung darstellten (vgl. Planert 2007, 366–369). Wenn sie datiert sind, gehören auch sie immer in die Zeit großer militärischer Auseinandersetzungen und berichten nicht von Ereignissen im Zusammenhang mit Truppenverlegungen in Friedenszeiten.
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Metamorphosen beschriebenen Soldaten28 – in Zeiten großer, durch kriegerische Auseinandersetzungen bedingter Truppenverlegungen explosionsartig zunahmen und dann die lokale Bevölkerung einschließlich ihrer Führungsschichten, die zunächst noch ganz ähnlich wie antike Euergeten beim Truppendurchmarsch handelten,29 existentiell gefährdeten. Dass dabei die jeweiligen Oberbefehlshaber positiv – durch die Forderung nach strikter Disziplin und das harte Ahnden jedes bekannt gewordenen Übergriffes – oder negativ – durch eigene Untaten – eine große Rolle spielen konnten, ist klar und gerade auch für die Napoleonische Zeit gut fassbar.30 Selbstverständlich war es ebenso bedeutsam, ob die betreffende Region zum eigenen oder wenigstens verbündeten Herrschaftsbereich gezählt wurde oder aber als Feindesland galt. Aber in Zeiten von Usurpationen und Bürgerkriegen, wie sie für das 3. Jh. immer wieder typisch waren, konnte sich dies rasch ändern. Ob die Bewohner des flachen Landes trotzdem noch, wie Speidel meinte, Vertrauen in die Kaiser und Statthalter zeigten, wenn sie deren Urkunden in Stein einmeißelten, sei dahingestellt. Vielleicht war es auch nur noch – wie bei Gerhauser – das völlig verzweifelte Bestreben, nichts halbwegs Sinnvolles unterlassen zu haben. Die Inschrift aus Pella31 Mehrere der gerade angesprochenen Phänomene spielen auch in dem neuen Text eine Rolle, der im Fokus des zweiten Teils dieser Studie steht. Die 0,535 x 0,383 m große Tafel aus feinem weißem Marmor wurde in sekundärer Verwendung in einer christlichen Basilika im Nordwesten des spätantiken Pella gefunden. Für ihre Zweitverwendung wurde die Tafel oben und unten sowie links in der Form prinzipiell sehr gerade verlaufender, aber auf der linken Seite leicht nach rechts tendierender (‚5 Uhr‘) Kanten zugeschnitten. Wieviel verloren gegangen ist, lässt sich nur aufgrund der Textrekonstruktion mutmaßen, von ihr unabhängige Anhaltspunkte gibt es nicht. Klar ist, dass am Anfang und Ende sehr viel Text verloren ging – mindestens der erste, größere Teil eines Ediktes und die zweite, umfangreichere Hälfte eines Briefes, aber es kann auch noch weitere, vollständig
28 Apul. met. 9, 39, 2 – 10, 1. Dazu besonders Millar (1981) 2004, 319–323; vgl. auch Riess 2001, 289 f., 299 f. 29 Gerhauser beanspruchte, am 18.9.1793 eine angedrohte Plünderung von Aichach durch französische Truppen unter General Saint-Cyr abgewandt zu haben, indem er die von diesem geforderte Zahlung von 5000 Gulden zunächst auf 3000 runterhandelte und diese dann für die Gemeinde vorstreckte (und nie zurückbekam); Müller 1968, 198 f. Vergleichbare antike Euergeten: Manius Salarius Sabinus/ Lete in Macedonia: Tod 1918–1919, 72–81 Nr. 7 = SEG 1, 276; T. Flavius Damianus/ Ephesus: AE 1913, 170 = I. Ephesos 671; C. Iulius Severus/ Ancyra: IGR III 173 = I. Ancyra 72 Z. 29–31. 30 Davout z. B. im Gegensatz zu dem „brigand“ Masséna. 31 Nigdelis 2014; EKM B 432 (Hatzopoulos); vgl. AE 2014, 1178; BE 2016, 305; Text und Übersetzung hier in Appendix I, dort auch ein Photo. Vgl. schon SEG 53, 61 und BE 2005, 334.
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verlorene Dokumente gegeben haben. Am linken Rand der erhaltenen Partien fehlen jeweils etwa 7 bis 9 Buchstaben. Auf der Inschrift waren mindestens vier Dokumente dauerhaft aufgezeichnet worden – allerdings zumindest um ihre ‚formularen‘ Teile wie z. B. Verfassernennung, Ansprache des Briefpartners etc. weitgehend gekürzt. Die Dokumente sind nur fragmentarisch erhalten und können nur zum Teil ergänzt werden. Ich gebe ihren Inhalt wieder und bemühe mich dabei darum, zunächst einzig das herauszuarbeiten, was sich zweifelsfrei aus den erhaltenen Resten ergibt, um für die weitere Interpretation eine in sich gesicherte Ausgangsbasis zu haben. Zu Beginn erhalten blieb das Ende einer in griechischer Sprache abgefassten Urkunde, die sich selbst explizit als Edikt bezeichnet (τούτου τοῦ διατάγματος̣), mit einer generellen Publikationsanordnung32 „in allen Städten“ (ἐν πάσαις ταῖς πόλεσιν) eines bestimmten, aber nicht näher präzisierten Einzugsbereiches schließt und mit dem üblichen Publikationsbefehl eines Ediktes proponatur (hier in griechischer Sprache: προτεθήτω) endet.33 Wer dieses Edikt erlassen hat, ist aus dem Text angesichts seines Zustandes nicht zu erschließen. Ebenso bleibt offen, ob das Edikt die Konsequenz aus dem anschließenden Briefwechsel darstellt oder ob es sich um eine ältere Anordnung handelte, die nur infolge des Briefwechsels auf Stein verewigt wurde. Als zweite Urkunde folgt die Kopie eines in lateinischer Sprache abgefassten Dokuments, das offensichtlich als [ep]istula bezeichnet wird und das von einem gewissen Messala an einen praef(ectus) c(larissimus) v(ir) gerichtet war. Dass es sich, erstens, bei diesem Messala um einen Messala Rutilianus handelt und, zweitens, bei dem angegangenen praefectus um einen Praetorianerpräfekten – praef(ectus) prae[torio (ausgeschrieben oder abgekürzt)] –, ergibt sich aus dem dritten Dokument. Es ist in beider Hinsicht ausführlicher bzw. vollständiger erhalten und steht zweifelsfrei mit dem zweiten Dokument im Zusammenhang von Anfrage und Antwort. Trotz des fragmentarischen Zustandes beider Dokumente ist klar, dass der Name des Prätorianerpräfekten, der als domine angesprochen wird und an dessen [auc]toritas appelliert wird, in keinem der beiden Dokumente erscheint. Das kann man wohl nur so erklären, dass er bewusst nicht aufgezeichnet wurde – wegen einer offiziellen, heute so genannten damnatio memoriae oder auch nur, weil man es nicht mehr für opportun hielt. Vom Namen des Briefpartners dieses Prätorianerpräfekten werden nur die beiden cognomina angeführt. Ein Titel erscheint nicht. Messala übersandte nach dem erhaltenen Wortlaut seines Schreibens einen Brief, den ihm der Dekurionenrat der Stadt Pella in der Provinz Macedonia geschrieben hatte, als er sie (wohl die Bürger von Pella) an eine nicht mehr erhaltene Instanz oder vielleicht Entscheidung verwiesen hatte. Im Gegensatz zu Nigdelis und Hatzopoulos halte ich die 32 Zu dem hinter προγράφειν stehenden lateinischen proscribere in der Bedeutung von „schriftlich publik machen“ vgl. neben den von Nigdelis 2014, 90 Anm. 28 genannten Beispiel Dig. 14, 3, 11 z. B. CIL X 3334 oder CIL VI 2863. 33 Proponatur ist die häufigere Form, propone die seltenere. Das Gleiche gilt für die griechischen Äquivalente, s. Feissel 2016, 728.
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von erstem vorgeschlagene und dann bisher immer übernommene Ergänzung te – nach der Rutilianus die Stadt an seinen Briefpartner verwiesen hätte –, sowohl aus Platzgründen34 wie auch aus inhaltlichen Gründen35 für unzutreffend. Sehr unwahrscheinlich erscheint auch angesichts der ganzen Situation, dass Messala die Klagenden nur auf eine schon bestehende Regelung hingewiesen hätte. Es muss vielmehr eine andere Instanz, entweder der proco(n)s(ul) oder am ehesten der proc(urator), gewesen sein, an die er die Gemeinde verwiesen hatte. Wenn der Titel proco(n)s(ul) oder insbesondere derjenige des proc(urator) abgekürzt war, wie es ja auch beim Titel praef(ectus) prae[torio ?] zumindest im ersten Bestandteil der Fall ist,36 würde eine solche Ergänzung von vier oder fünf Buchstaben exakt den zur Verfügung stehenden Platz füllen. Wegen des cum und des Plusquamperfektes muss Messala die Stadt vor dem auf der Inschrift festgehaltenen Schreiben der Gemeinde, also wohl in einem diesem vorausgehenden Akt, an den Proconsul oder am ehesten den Procurator verwiesen haben. Es fällt auf, dass in dem so knappen Brief von Messala ausdrücklich erwähnt wird, dass es sich um die Stadt Pella der Provinz Macedonia handelt – ordo splendidissi[mus coloni]ae Pellesium provinciae Macedoniae.37 Das ist am ehesten damit zu erklären, dass sich zumindest der angesprochene Prätorianerpräfekt nicht in Macedonia aufhielt. In diesem Brief beklagte sich der ordo nach dem Referat von Messala zum wiederholten Male, dass die Mittel der Stadt nicht ausreichten, um die Last der Forderungen zu tragen, die von bewaffneten, im amtlichen Auftrag Durchreisenden gemacht wurden. Messalla erbittet Instruktionen, wie er handeln solle. Das Antwortschreiben des namenlos bleibenden Prätorianerpräfekten weist ihn zum einen darauf hin, dass er doch sicher all die constitutiones der Kaiser kenne, die sich auf Bewaffnete und andere im dienstlichen Auftrag Reisende bezögen – [ci]rca armatos et circa ceteros comme[antes sat]is provisum est principalibus consti[tutionib]us quas certum est (...) non ignora[re]. Der Begriff principalis constitutio findet sich nicht nur in den beiden spätantiken Codices, sondern auch schon bei Juristen der Hohen Kaiserzeit wie Gaius, Pomponius oder Tertullianus.38 Zumindest ein Kaiser des 3. Jh. konnte selbst von seinem eigenen Reskript als rescriptum principale39 sprechen. Immer schwang aber beim nicht seltenen 34 Die Ergänzung von Nigdelis u. a. ergibt mit 6 Buchstaben die kürzeste Zeile in dem ganzen, die Zeilen 4 bis 12 einnehmenden Brief. In den Z. 4 und 7 werden bisher 10 Buchstaben ergänzt (nach den hier vorgeschlagenen Ergänzungen sind es 8 bzw. 9), in 5, 6 und 8 jeweils 9, in 9, 11 und 12 jeweils 7. 35 Die Ergänzung würde bedeuten, dass der Stadtrat von Pella es zumindest zunächst direkt oder indirekt abgelehnt hätte, sich an den Prätorianerpräfekten zu wenden. 36 Aber auch der zweite Bestandteil kann abgekürzt gewesen sein. 37 Nach der Gesamtverteilung der in der ECDS nachweisbaren Belege für splendidissi– ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass sich das Adjektiv auf den ordo und nicht die colonia bezog. Unter den insgesamt 369 Belegen sind 182 sichere für ordo splendidissimus und 73 für die Kombination aus einem Terminus für „Stadt“ wie colonia, municipium, civitas etc. und splendidissimus. 38 Inst. 1, 26, danach Dig. 3, 4, 1 pr. sowie 29, 1, 2; Dig. 1, 2, 2, 12; 49, 17, 4, 2. 39 CIL III 12336 = Hauken 1998 I 5.
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Gebrauch der Aspekt der Grundsätzlichkeit mit, der einer kaiserlichen Regelung anhaftete,40 und auch der zumindest leicht indignierte Hinweis, dass es zu der Thematik doch schon so viele kaiserliche Regelungen gegeben hätte. Es muss also im Falle dieser Passage keineswegs so gewesen sein, wie man vielleicht vermuten möchte, dass der Name des regierenden Kaisers durch eine generellere Formulierung ersetzt wurde.41 Die sarkastisch-ironische Formulierung erinnert an die Einleitung zu den schon von den Zeitgenossen so genannten sacrae litterae, also der in fünf lateinischen und drei griechischen Exemplaren aus Paros und dem westlichen Kleinasien erhaltenen subscriptio des Septimius Severus an einen Senator in der Frage, ob senatorischer Landbesitz von der Pflicht zur Aufnahme von Gästen gegen den Willen des Besitzers befreit sei.42 Dort wird in einer ähnlichen Formulierung (videris nobis senatus consultum ignorare) auf einen Senatsbeschluss hingewiesen.43 Offensichtlich nahmen es auch die hohen Würdenträger des Römischen Reiches nicht immer mit Gleichmut, immer wieder dieselben Regelungen ins Gedächtnis rufen zu müssen.44 Bezeichnenderweise war aber Valerian genau in dieser Angelegenheit wieder zu einer bestätigenden Stellungnahme gezwungen, die dann in Stein eingemeißelt wurde.45 Den zweiten Teil der Antwort bildet die Anweisung des Prätorianerpräfekten an den Anfragenden, gemäß diesen (bekannten Konstitutionen) zu handeln und das Seine zu tun, dass mit neque...neque und anschließendem vel aufgeführte Personengruppen, u. a. die Reisenden, die mit einem Diplom, also im amtlichen Auftrag, unterwegs waren, sowie die stabularii, also Personal von offensichtlich lokal betriebenen Einrichtungen, in denen Pferde gewechselt wurden, kein Unrecht erleiden würden. Bei dem vierten wiederum in Griechisch gehaltenen Dokument handelt es sich – soviel lassen die erhaltenen Reste erkennen – offensichtlich um den Anfang des von Messala Rutilianus angekündigten Schreibens des Dekurionenrates von Pella an ihn, der ebenfalls als dominus (κύριε) bezeichnet wird, und in dem sich der Rat offensichtlich einleitend darüber beschwerte, dass seine Klagen gerade wegen ihrer Größe bisher nicht hinreichend beachtet worden seien.
40 Gaius und Pomponius parallelisieren in den zitierten Passagen mehrfach senatus consulta und principales constitutiones (sowie leges). 41 Vgl. als generelle Parallele auch das sehr fragmentarische Dokumentendossier CIL VIII 23956 (dazu zuletzt ausführlich Lengrand 1993) Z. 9: ---s s[ec]undum sacras co[nstituti]ones actum fuerit(!) quae --- (186 oder 256). 42 Die lateinischen Exemplare: CIL III 14203, 8 (das vollständigste); I. Ephesos 207 und 208; TAM V 1, 607 = Drew-Bear – Herrmann – Eck 1977, 365; Mitchell 2016. Die griechischen: Mitchell 2016; IG XII 5, 132; Jones 1984. 43 Vgl. weiterhin z. B. Cod. Iust. 5, 15, 1; 12, 33, 1 (Sept. Sev.); 3, 34, 3 (Sev. Alex.); 4, 65, 10; 5, 37, 12 (Gordian III). 44 Derselbe Ton auch in const. Sirmond. 1. 45 I. Smyrna 604 = Feissel (2004 b) 2010 d.
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Zentrale Probleme jeder Interpretation dieses Urkundendossiers sind seine Datierung und die Frage, welche Funktion Messala Rutilianus ausübte; denn von der Antwort auf diese Fragen hängt ab, welchen Punkt in der Entwicklung der Prätorianerpräfektur das Dokument markiert und wie es unter dem Gesichtspunkt der „Hilferufe aus römischen Provinzen“ einzuordnen ist. Da keines der Dokumente eine explizite Datierung aufweist, ist man auf indirekte Anhaltspunkte angewiesen. Ein erstes solches indirektes Indiz, wenn auch nur sehr ungefährer Natur, stellt die Schrift dar.46 Sie kann schon alleine deshalb nur ein ungenauer Anhaltspunkt sein, als ja keineswegs zu bestimmen ist, zu welchem Zeitpunkt nach der Entstehung der einzelnen Urkunden das Dossier in Stein festgehalten wurde. Dass mit einer längeren Zeitspanne zwischen der Abfassung der Dokumente und deren inschriftlicher Verewigung nicht nur prinzipiell zu rechnen ist, sondern dass dies auch tatsächlich der Fall gewesen war, zeigt sich daran, dass allem Anschein nach der Name des Prätorianerpräfekten bewusst nicht eingemeißelt wurde. Die Inschrift weicht sowohl im Griechischen wie im Lateinischen von der üblichen hochkaiserzeitlichen Schrift zugunsten stärker ‚kursiver‘ Buchstaben ab. Unter den griechischen Buchstaben stechen insbesondere die nach oben gezogenen rechten Hasten der Buchstaben Alpha, Delta und Lambda hervor, sowie die rhombusförmigen Buchstaben Theta und Omikron. Auffällig ist gerade auch für einen griechischen Text die große Zahl der Ligaturen.47 Bei den lateinischen Buchstaben lenken insbesondere die nach oben verlängerten rechten Hasten des A, das runde E, das mit einem Schwanz auf der linken Seite versehene F, das V mit weichem unteren Bogen und das der sogenannten Unzialschrift nahestehende, aus der älteren Kursive stammende, an ein heutiges kursives d erinnernde B („à panse à gauche“)48 die Aufmerksamkeit auf sich. Der „halb-unziale“ Charakter49 wird noch dadurch unterstrichen, dass gerade die Zeilen mit lateinischen Buchstaben nicht sorgfältig ordiniert sind. Im Gegensatz zur üblichen Praxis lateinischer Inschriften gibt es keine einzige Ligatur – was man sicher mit der Intention erklären kann, den ‚fremdsprachlichen‘ Text leichter lesbar zu halten. Nigdelis meinte, für die griechischen Buchstaben Parallelen in Inschriften aus Thessaloniki oder dem übrigen Makedonien aus den Jahren 184/5, 187/8 und nach 212 finden zu können.50 Bei den von ihm zitierten Inschriften handelt es sich je-
46 Sie war wohl der Grund für die nicht näher erläuterte Datierungen bei Chrysostomou 2003, 94 f. und 148 (353–361) und bei SEG 53, 617 (c. 337–360). 47 SEG 24, 581 (Amphipolis) bietet dafür bei einer offensichtlich sehr verwandten Problematik eine gute Parallele. 48 Vgl. dazu Feissel 2006, 124 und 126 f. mit Fig. 7; Feissel (2008) 2010 e 545; Hübner 1885, p. LV und 410–412. 49 Vgl. zu dieser Schrift Feissel (2000) 2010 b 205, 209; ders. (2004 a) 2010 c 258 f.; ders. (2008 b) 2010 e 545, 549; Koch 2007, 35–37, 41 f. 50 Nigdelis 2014, 88 Anm. 14. Er benutzt dabei folgende Inschriften: SEG 61, 512 von 185/6, vgl. für eine Abbildung Tekmeria 10, 2011, p. 108; SEG 31, 644 = 45, 818 von 187/8, für eine Abbildung Koukouli-Chrysanthaki 1981 pl. IV; SEG 56, 791, zu datieren nach 212, für ein
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doch um eine Weihe- und drei Grabinschriften, also ganz andere Typen epigraphischer Zeugnisse. Für diese Inschriftenarten galten ganz andere Regeln und Anforderungen, als sie für die Aufzeichnung längerer öffentlicher Dokumente bezeichnend waren. Zudem zeigen die von ihm angeführten Inschriften zwar jeweils einzelne der für die hier interessierende Inschrift typischen Buchstabenformen, nie aber alle. Unsicher bleibt auch der von ihm genannte terminus ante quem: Letztmalig seien innerhalb Makedoniens die rhombusförmigen Buchstaben 311 und 313 n. Chr. im Heiligtum von Leukopetra bezeugt.51 Ob dies angesichts der geringen Zahl der Inschriften aus dem 4. Jh. wirklich etwas besagt, sei dahingestellt. Noch problematischer sind die von ihm für die zeitliche Einordnung der lateinischen Buchstaben herangezogenen vier Inschriften.52 Sie stammen alle aus Rom. Sie müssen also keineswegs für die Schriftentwicklung in einer Provinz – und zudem einer hauptsächlich griechischsprachigen – typisch gewesen sein. Bei drei von ihnen handelt es sich um Teile der Arvalakten (aus den Jahren 155, 169/77, 218), bei denen wir entgegen der Auffassung von John Scheid53 keineswegs wissen, wie lange nach ihrer Entstehung sie in Stein eingemeißelt wurden – die Wiedergabe des Protokolls von 155 befindet sich z. B. auf derselben Platte wie das Protokoll des Jahres 213.54 Sicherer können wir nur bei der vierten Inschrift,55 einer Namensliste, sein, dass sie im angegebenen Jahr (218) eingemeißelt worden ist. Um über einen Buchstabenvergleich die Inschrift näher zu datieren, muss man auf jeden Fall präzis datierte Inschriften von möglichst naheliegenden Fundorten mit dem gleichen Typ von Texten heranziehen. Eine entsprechende Suche ergibt, wie zu erwarten, wenig Vergleichsmaterial. Meiner Ansicht nach kommen drei Inschriften in Frage: (1) Eine lateinische Entscheidung (wahrscheinlich ein decretum) des Kaisers Gallienus aus Beroia.56 Der Text ist nicht nur viel sorgfältiger ordiniert als die hier diskutierte Inschrift, auch im Einzelnen entsprechen die Buchstaben viel mehr dem, was für die Hohe Kaiserzeit typisch war.57 (2) Ein lateinischer Brief des Galerius an die Stadt Heraclea Sintica aus dem Jahr 30858 zeigt zwar ebenfalls eine weniger sorgfältige Ordination und drei der fünf oben herausgehobenen Buchstaben (E, F, V), aber – wie die übrigen Zeugnisse – insbe-
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Photo Nigdelis 2015, fig. 60; SEG 38, 711, zu datieren nach 212, dazu AD 35, 1980 Chron. B2, pl. 216. Nigdelis 2014, 88 Anm. 14 mit Hinweis auf I. Leukopetra 116 und119. Nigdelis 2014, 88 Anm. 17 mit Bezug auf die Abbildungen bei Gordon II 218 pl. 100A; 237 pl. 110 a; III 275 pl. 129a; 280 pl. 132a und b. Grundsätzlich vergleiche den von ihm nicht zitierten Hübner 1885 p. LIII–LXVII. Für fast alle oben angeführten Buchstaben gibt es einzelne Beispiele schon seit dem 2. Jh. Scheid 1998 p. V. Scheid 1998, Nr. 80 p. 236–238, Nr. 85 p. 247, Nr. 100 p. 293–298. CIL VI 2384 = 32526 i. ArchEph 1953/4 III p. 171–175, Nr. 5 = EKM I Beroia 15 mit gutem Photo (ob die Inschrift genau aus dem Jahr 267 stammt, sei dahingestellt). Einzig das F zeigt tendenziell eine mehr von der Kursive geprägte Form. ZPE 145, 2003, 263–271, vgl. ZPE 146, 2004, 221–231 (AE 2002, 1293) mit Photo und Abzeichnung.
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sondere nicht das sehr auffällige B in der unzialen, an ein kursives d erinnernden Form. (3) Schließlich ist ein lateinischer Brief eines proconsul Achaiae namens Decimius Secundinus an Amfissa zu nennen (Abb. 2).59 Der Text ist zwar nicht präzis datierbar, kann aber wegen der Erwähnung eines curat(or) und eines defens(or) Amfissensium nicht vor dem letzten Drittel des 4. Jh. datieren.60 Im Hinblick auf die Ordination entspricht er dem Galeriusbrief, in den Buchstabenformen ist er eher noch konservativer als dieser (nur das runde E, aber ein klassisches F und nur leichte Tendenzen zum Kursiven bei A und B). Er ersetzt das lateinische V durch das griechische Y. Die Belege zeigen, wie sehr die Aufzeichnung solcher Texte selbst innerhalb ein und derselben Region ein individuelles Phänomen war, bei dem unterschiedliche Kenntnisse und Erfahrungen der lokalen Steinmetze, aber auch wohl ein verschieden stark ausgeprägter Wunsch, den Text optisch nach dem Vorbild der handschriftlichen Vorlage zu gestalten, um ihn ‚authentischer‘ zu machen, eine Rolle spielte. Das Bemühen um ‚Authentizität‘ konnte zudem häufig in einen Widerspruch zur leichten Lesbarkeit geraten. Man wird also aufgrund der Schrift nicht mehr sagen können, als dass die hier interessierende Inschrift frühestens im 3. Jh. entstanden sein kann, aber durchaus auch ins 4. Jh. gehören könnte. Mehrere der in den Texten der Inschrift benutzten Wendungen und Formeln deuten auf einen Zeitpunkt um bzw. nicht vor der Mitte des 3. Jh. hin. So erscheint in beiden lateinischen Briefen der Begriff armati (Bewaffnete) statt des zu erwartenden milites/ militantes. Das lässt an Zeiten denken, in denen der römische Staat nicht nur von seinen Soldaten, sondern auch von lokalen ‚Selbstschutzwehren‘ verteidigt wurde – das bekannteste epigraphische Beispiel sind die auf dem Augsburger Siegesaltar61 genannten, ebenso wie die armati in der lateinischen Epigraphik völlig parallelenlosen populares aus der Zeit des Kaisers Postumus.62 Der 59 CIL III 568, cf. p. 1317; 14203, 25. Das Photo von einen Abklatsch der erhaltenen Partien verdanke ich U. Ehmig, CIL Berlin. Ein Photo der Inschrift bei Feissel 2006, Tafel 98 Fig. 3. 60 Vgl. zuletzt Feissel 2017, 479, 489; dadurch überholt Frakes 2001, 64, 66–68, 119; doch beachte auch die verschiedenen Überlegungen bei Groag 1946, 56. Ob man der Formel beatitudo temporis eine datierende Bedeutung beimessen soll, wie es seit dem CIL immer wieder behauptet wird, sei angesichts von sechs, ganz unterschiedlich zeitlich einzuordnenden Zeugnissen in Inschriften dahingestellt (CIL XI 4095 aus dem Jahr 341; CIL VI 32091–2 aus dem Jahr 470; CIL VI 1664 aus den Jahren 473–482; ganz fragmentarisch: AE 1997, 309 b). 61 AE 1993, 1231. 62 In den Digesten erscheint armatus in substantivischer Verwendung nur im Zusammenhang mit gewaltsamen Delikten von Bewohnern des Reiches, also vor allem bei der Diskussion der Bestimmungen des prätorischen Ediktes und der lex Iulia de vi privata: Ulpian – Dig. 4, 2, 9 pr.; 43, 16, 3; vgl. auch 47, 12, 7 (armati more latronum) bzw. Paulus – Dig. 48, 6, 9 mit der generellen Diskussion: Armatos non utique eos intellegere debemus. Qui tela habuerunt, sed etiam quid aliud nocere potest. Im Codex Iustinianus findet es sich nur als Bezeichnung für zu Unrecht bewaffnete Bewohner des Reiches (1, 12, 4; 432) und für Angehörige von „Privatarmeen“: 9, 12, 10, 2 (468); ebenso Nov. Val. 13, 14 (445; dort aber auch: nisi forte his, qui sub periculo proprio laudabili animositate contra hostem manus suas viresque promiserint pro utilitate communi).
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Thesaurus Linguae Latinae weist daraufhin, dass der Begriff armati für Soldaten zwar in der Geschichte der lateinischen Sprache immer wieder bezeugt ist, aber vor allem bei Ammian und Vegetius häufig auftritt.63 Tendenziell auf die Mitte des 3. Jh. deutet die Formulierung partibus tuis functus im Antwortschreiben an Messala hin. Die einzige wortwörtliche Parallele in einer Inschrift stammt aus dem Jahr 244 und zwar aus dem Urteilspruch eines praefectus vigilum, der dabei einen seiner Vorgänger lobte: R[est]it[utia]nus c(um) c(onsilio) c(ollocutus) d(ixit) manifestum est quid iudicav[erint] p(erfectissimi) v(iri) nam Florianus partibus suis diligentissime functus est qui cum in rem praesentem venisset locum inspexit et universis indiciis examinatis sententiam de eo loco de quo cum maxime qu[a]eritur protulit a qua provoca[tum] non est.64 Mehrfach taucht aber der Begriff partes praesidis/ proconsulis (agens) in Inschriften auf,65 die eine Laufbahn eines Vertreters Roms im Ritterrang auflisten, der den üblichen senatorischen Statthalter ersetzt hatte. Üblicherweise wurde dies mit agens vice praesidis bezeichnet, die hier interessierende umständlichere Formulierung erscheint erstmals im Jahr 230 und bleibt selten, ihr ebenso spärlich bezeugtes griechisches Äquivalent τὰ μέρη τῆς ἡγεμονίας etc. ist wohl erst noch später zu fassen.66 In der juristischen Literatur des beginnenden 3. Jh. ist partibus... fungere zwar verbreitet,67 aber eher selten als Bezeichnung für das Wahrnehmen von Aufgaben oder Verpflichtungen im öffentlichen Bereich. Unter den in dieser Hinsicht einschlägigen Belegen ist allerdings ein von Ulpian zitierter Brief des Septimius Severus mit der Formulierung: is, apud quem res agetur, secundum voluntatem mulieris (...) partibus suis fungi.68 Auffällig ist weiterhin die Anrede tua do[mine auc]ṭoritas, die Messala gegenüber dem Prätorianerpräfekten benutzt. Wie es schon der Thesaurus erkennen läßt,69 stammen alle Belege für tua auctoritas aus der Spätantike und setzen erst in den 360er Jahren ein – der früheste Beleg stammt wohl aus dem Jahr 360 (Cod. Iust. I 3, 3). Allerdings ist die Situation dann doch nicht wieder so klar, wie es zunächst scheint. In den spätantiken Belegen wird tua auctoritas vom Kaiser benutzt, um hohe Amtsinhaber – praefecti urbis, praefecti praetorio, magistri mili63 TLL II 621, 40; ein Urteil, das mir H. Teitler (München) bestätigte. S. auch Viansino 1985, 133. 64 CIL VI 266, cf. p. 3004. 65 CIL VIII 26262 (230); CIL VIII 8328, cf. p. 968, 1897 = ILAlg. II 3, 7912 und ILAlg. II 3, 7913 (wohl Philippi; s. Thomasson 1996, 196). Vgl. auch CIL VIII 11174 (zur Datierung Christol 2006, 226 f.): e(gregio) v(iro) procuratori centenario regionis Hadrimentinae fun[c]to etiam partibus ducenari ex sacro praecepto in eadem regione. 66 IG X 2, 1, 140 (3. Jh., wohl Gallienus); IG X 2, 1, 151 (268–269?); AE 1976, 689 = SEG 26, 1674 = CIIP 1288 (Gallienus – Probus?); AE 1924, 83 = I. Ephesos 3054 (3. Jh., 1. Hälfte?). Für die Datierungen Thomasson 1984. S. weiterhin P. Euphr. 2 = SB XXII 15497 (244– 250?). 67 Vgl. TLL VI 1, 1588; X 1, 465 und Voc. Iur. Rom. 4, 1, 513. Der früheste Beleg ist wohl Scaevola Dig. 37, 10, 14: petitoris partibus fungi. 68 Dig. 23, 3, 40; dazu Coriat 2014, 218 mit einer nicht recht überzeugenden Übersetzung. Vgl. auch Dig. 49, 1, 23, 1 (Papinian). 69 TLL II 1225.
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tum – anzureden. Dieser Gebrauch muss aber nicht unbedingt etwas darüber aussagen, seit wann innerhalb der Hierarchie der Amtsinhaber zwischen diesen eine solche Anrede üblich geworden war. Dafür fehlen uns die Quellen aus dem internen Briefverkehr zwischen Vertretern Roms unterhalb des Kaisers. Einen zentralen indirekten Anhaltspunkt stellt es dar, dass sich der ordo decurionum einer römischen, in den Jahren zwischen 45 und 35 v. Chr. deduzierten, Kolonie in griechischer Sprache an einen Vertreter Roms wandte, zumal dann deren Reaktion auf Latein zitiert wurde. Bedauerlicherweise können wir bei keiner römischen Kolonie der Region die Entwicklung im offiziellen Sprachgebrauch vom Lateinischen zum Griechischen genau verfolgen,70 und vergleichbare aufgezeichnete Schreiben des Dekurionenrates einer solchen Kolonie gibt es überhaupt nicht. Wenn man aber davon ausgeht, dass der Gebrauch des Lateinischen in Zusammenhängen wie offiziellen Schreiben, offiziellen Ehrungen und offizieller Münzprägung Hand in Hand ging und zumindest zum annährend gleichen Zeitpunkt endete, dann müsste die Münzprägung von Pella, die bis zu ihrem Ende unter Philippus Arabs lateinisch blieb, einen terminus post quem bieten.71 Wenn Pella weiterhin, wie dies sehr wahrscheinlich ist, unter Diokletian in Diokletianopolis umbenannt wurde (oder sich umbenannte),72 dann würde das die Regierungszeit dieses Kaisers und der bewusst an ihn anknüpfenden Tetrarchen ausschließen.73 Nigdelis meinte, auf der Basis eines Hinweises von Werner Eck einen recht präzisen Anhaltspunkt für eine Datierung in der Inschrift zu besitzen.74 Der in ihr genannte Messala Rutilianus sei entweder identisch mit einem in vier Militärdiplomen75 bezeugten consul suffectus des Jahres 192 oder zumindest dessen Sohn. Da er zudem in dem von der Stadt Pella angegangenen Vertreter Roms einen prätorischen proconsul Macedoniae sah, sollte die Inschrift seiner Ansicht nach kurz vor 192 oder etwa 25 Jahre später datieren.76 Gegen diese These spricht jedoch ein 70 In Buthrotum erfolgte der Übergang zu einem nicht genau präzisierbaren Zeitpunkt im 3. Jh. (AE 1949, 265 = CIGIE II 12: Ehrung eines proconsul Macedoniae, curator rei publicae und patronus namens M. Ulpius Annius Quintianus durch die Stadt). Das Gleiche nimmt Brélaz auch für Philippi an: I. Philippes p. 64 mit Anm. 279. 71 Gaebler 1935, 97–100; Papageorgiadou-Bani 2004, 139–142. Da infolge des Zustandes der Inschrift völlig offen ist, wer das griechischsprachige Ehrenmonument AE 2001, 1766 = SEG 51, 838 für einen severischen Kaiser errichtete, kann diese Ehrung hier außer acht bleiben. 72 Bezeugt nur im Itin. Anton. 330, 6; nicht aber im Itin. Burdig. 606, 1; dazu Papazoglou 1988, 140 f. 73 Andere Argumente von Nigdelis 2014, 88 f. führen nicht weiter: At und quit statt ad und quid sind ein zu verbreitetes Phänomen, um Anhaltspunkte für eine Datierung zu sein; Der Begriff diploma statt evectio, ist, wie es von ihm selbst angeführte Beispiele (Anm. 20) zeigen, auch fürs 4. Jh. nicht auszuschließen, der Begriff erscheint sogar noch in CIL IX 2826 (einem Dokument aus der Zeit der Gotenherrschaft). 74 Nigdelis 2014, 89. 75 CIL XVI 132; RMD V 446. 447 (= AE 2003, 2058; 2002, 1237); Clauss ECDS–67500001. 76 Übernommen von EKM B 432 und BE 2016, 305.
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zentrales Argument: Sie impliziert, dass ein prätorischer Senator den prinzipiell ritterlichen Prätorianerpräfekten, der nur ehrenhalber den senatorischen Titel vir clarissimus führen durfte, als domine anredete77 und sich auf dessen auctoritas bezog, sich ihm also gegen das soziale Gefälle unterordnete (und von diesem in seinem Antwortschreiben ziemlich aggressiv-ironisch ‚belehrt‘ wurde). Peter Eich hat – in Unkenntnis dieses damals noch nicht publizierten Dokumentes – in seiner Diskussion des ‚langen‘ 3. Jh. ein solches Verhalten vor dem späten 3. Jh. ausgeschlossen, genauso wie eine damit implizierte Unterordnung eines proconsul Macedoniae unter den Prätorianerpräfekten.78 Mir scheinen seine Argumente überzeugend genug, um sowohl eine Identifikation mit dem consul von 192 wie auch mit dessen Sohn auszuschliessen.79 Nicht bestritten sei, dass Messala Rutilianus zu derselben Familie gehört haben mag, wobei ich auf jeden Versuch einer zeitlichen Einordnung (Enkel?, Urenkel?) verzichten möchte. Überhaupt erscheint mir höchst fraglich, dass Messala Rutilianus ein proconsul Macedoniae gewesen sei. Nigdelis hat dies nur deshalb mit großer Selbstverständlichkeit angenommen,80 weil er meinte, dass Streitigkeiten um den sogenannten cursus publicus Sache des Provinzstatthalters gewesen seien. Doch abgesehen davon, dass schon ein Edikt Hadrians von 129 Proconsul wie Procurator als zuständig bezeichnete,81 gibt es ja gar keine Spur von einem auch nur begonnenen Rechtsstreit. Im Gegenteil, Messala hatte die Stadt an irgendjemanden verwiesen ([rett]ulissem). Die Formulierung provinciae Macedoniae in seinem Brief schließt m. E. sogar aus, dass Messala Rutilianus diese Provinz verwaltete.82 Welche Funktion könnte Rutilianus dann bekleidet haben? Er war wohl kaum der Befehlshaber der Soldaten, über die sich Pella beschwerte. Dann wäre eine präzisere Angabe als armati zu erwarten. Es bleiben folgende Funktionen: Entweder er war einer der übrigen Vertreter der Provinzverwaltung, also legatus proconsulis, quaestor proconsulis, procurator provinciae, oder ein curator rei publicae. Beim legatus proconsulis bzw. dem quaestor provinciae einer in den republikanischen Formen verwalteten Provinz ist wohl nur schwer zu erklären, wieso er sich nicht an den proconsul gewandt hätte, und zwar selbst dann, wenn die Petenten eine höhere Instanz als den Statthalter gefordert hatten, um endlich Genugtuung zu erhalten. Von einer solchen Bitte des Stadtrates von Pella muss man m. E. 77 Vgl. zum Sprachgebrauch CIL III 355, cf. p. 977, 7003, 14191, 1 (ein Augusti libertus und procurator Augusti an einen proconsul); Hauken 1998 II 6 (ebenso); CIL VIII 2728, cf. 18122 (ein ritterlicher Statthalter an den legatus legionis III Augustae); CIL IX 2438 (ein adiutor an den a rationibus). 78 Eich 2005, 230–241. 79 Zur Verbreitung der beiden Namensbestandteile in den Führungsschichten s. Kajanto 1965, 154, 194; PLRE I 599 f., 787 (s. aber 662), II 759–761. 80 Nigdelis 2014, 89, 92. 81 SEG 59, 1365 = AE 2009, 1428. 82 Plinius spricht von Pontus et Bithynia fast immer als provincia (ep. 10, 15; 16; 17 a 2; 17 b; 18, 3; 33, 1; 40, 3; 51, 1 – hanc provinciam –; 52, 2–3; 57; 67, 1; 77, 3), Traian zumeist als ista provincia (20; 32, 1; 34, 1; 48, 1 – hanc provinciam –; 62; 69). Das im Lateinischen wohl aus guten staatsrechtlichen Gründen von beiden vermiedene Possessivpronomen („Deine Provinz“) wurde erst vom Übersetzer H. Kasten eingefügt.
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wegen des Plusquamperfekts in Zeile 10/11 ausgehen. Die von Messala Rutilianus zunächst vorgeschlagene Instanz oder die ins Spiel gebrachte Regelung hatte den Stadtrat von Pella nicht überzeugt, er erwartete von dieser keine dauerhafte Lösung, und bat daher Rutilianus, sich an den Prätorianerpräfekten, wenn nicht gar den Kaiser, zu wenden. Legatus proconsulis und quaestor provinciae waren aber zu sehr in das hierarchische, aus der Republik stammende Gefüge der Verwaltungsspitze einer sogenannte Senatsprovinz eingebunden, ja der Legat wurde sogar vom Proconsul selbst ausgewählt und ernannt, um den proconsul zugunsten einer anderen Instanz umgehen zu können. Anders war dies bei einem Procurator oder einem curator rei publicae. Wenn aber das Dossier wegen der vom Dekurionenrat gewählten Sprache frühestens unter Philippus Arabs datiert und man zudem annehmen sollte, dass Messala Rutilianus zur Familie des Konsuls von 192 gehörte, dann ist in ihm wohl am ehesten ein senatorischer curator rei publicae zu sehen, wie er gerade bei den römischen Kolonien in Macedonia mehrfach bezeugt ist. Im Falle von Philippi wurde z. B. mehrfach der quaestor provinciae mit der Funktion des Kurators betraut.83 Dass ein Stadtrat per Brief mit dem curator der betreffenden Stadt verkehren konnte, ist z. B. schon für Curiatius Cosanus und Caere bezeugt.84 Ebenso kennen wir Beispiele, dass sich nicht nur solche curatores rei publicae, sondern auch curatores für einzelne Spezialaufgaben unmittelbar, also ohne den Statthalter einzubeziehen, an die höchsten Instanzen des Reiches wandten.85 Schliesslich ist die Frage zu stellen, ob es bisher nicht zu sehr vernachlässigt wurde, dass Messala Rutilianus an einen Prätorianerpräfekten schrieb und das Antwortschreiben von einem solchen Präfekten verfasst wurde. Denis Feissel hat jüngst erneut herausgearbeitet, dass alle Schreiben und übrigen Dokumente der Prätorianerpräfekten der Spätantike spätestens seit Konstantin bis ins späte 6. Jh. hinein offiziell im Namen aller gleichzeitig amtierenden Präfekten ausgestellt wurden.86 Es ist jedoch kein Grund zu erkennen, warum eine solche Regelung gerade zu dem Zeitpunkt eingeführt worden sein soll, zu dem die einzelnen Prätorianerpräfekturen für bestimmte Reichsteile zuständig wurden. Viel eher sollte sie ein Relikt aus der Hohen Kaiserzeit sein, in der die Existenz und Kollegialität zweier Präfekten nebeneinander ein zentrales und nur unter höchster Gefährdung des Kaisers selbst vernachlässigtes Prinzip der Herrschaftssicherung war, wie es die Beispiele Seians und Plautians zeigten. Dementsprechend darf man das einzi83 Haensch 1997, 112. Generell s. z. B. Sarikakis 1977, 201–205. 84 ILS 5918 a. Zum Verhältnis von Stadtrat und curator vgl. die Monumente aus dem spätantiken Nordafrika, die von einem solchen cum ordine restituiert oder errichtet wurden: CIL VIII 768, cf. 12231; 12360, cf. p. 2422, ILTun 739; CIL VIII 23973; AE 1991, 1644. Wahrscheinlich auch: CIL VIII 1219, cf. 14398, p. 932, 2526, ILTun. 1226; AE 1914, 59. Die Formulierung zeigt die Bipolarität, gewöhnliche städtische Magistrate wurden in vergleichbaren Inschriften unter dem Oberbegriff ordo miterfasst. 85 I. Ephesos 25; CIL X 7024 = AE 1960, 202. 86 Feissel (1991) 2010 a, ders. (2004) 2010 b 298; dabei orientierte man sich zunächst an der Reihenfolge der Ernennung, dann seit 439/442 an einer Rangordnung der Präfekturen.
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ge erhaltene Beispiel eines Briefes von Prätorianerpräfekten aus der Hohen Kaiserzeit, die Inschrift von Saepinum,87 als typisch betrachten, zumal es auch im Namen beider ausgestellte probationes und Dienstentlassungen gibt.88 Mit diesem Schreiben aus den Jahren 169 bis 172 reagierten zumindest offiziell die beiden praefecti praetorio Bassaeus Rufus und Macrinius Vindex auf eine an sie beide gerichtete Anfrage eines kaiserlichen Freigelassenen und a rationibus. Wenn es aber schon für die Hohe Kaiserzeit typisch war, dass Dokumente der Prätorianerpräfekten im Namen beider ausgestellt wurden, sofern es denn zwei Präfekten gab, muss es zum Zeitpunkt des Dossiers von Pella nur einen gegeben haben.89 Das aber schränkt in Verbindung mit dem mutmaßlichen Zeitpunkt des Beginns des Gebrauchs der griechischen Sprache in dem Schreiben des Dekurionenrates von Pella, den paläographischen und sprachlichen Anhaltspunkten die mögliche Datierung der Abfassung der dort festgehaltenen Dokumente erheblich ein. Der allein amtierende Prätorianerpräfekt, an den man zunächst vor allem denken würde, Plautian, käme nicht in Frage, Iulius Priscus wäre denkbar, insgesamt noch besser passen würde ein Prätorianerpräfekt der letzten Jahrzehnte vor Diokletian. Die Titulierung des Präfekten als vir clarissimus schließt jedenfalls weitgehend das späte 4. Jh. aus.90 Heute wird wohl niemand mehr das ganze 3. Jh. als Krisenzeit bezeichnen und einer solchen, wohl zeitlich enger zu begrenzenden Krise dann neben der militärischen und der ökonomischen Dimension auch ohne weiteres eine gesellschaftliche und intellektuelle Seite zusprechen. Aber das ändert nichts daran, dass bestimmte Probleme, die gerade auch in den „Hilferufen aus römischen Provinzen“ thematisiert werden, in den Jahrzehnten um die Mitte des 3. Jh. solches Gewicht gewonnen hatten, dass sich die administrative Struktur des Römischen Reiches in wesentlichen Charakteristika änderte.
87 CIL IX 2438 = FIRA I 61. Dazu z. B. Passerini 1939, 251–259. 88 Probatio: AE 1916, 47; Entlassung: RMD IV p. 612 nr. I A. Weitere Beispiele für die Darstellung vieler Handlungen der Prätorianerpräfekten als gemeinsame: Passerini 1939, 217. 89 Beispiele für solche alleine amtierenden Prätorianerpräfekten bei Durry 1938, 164 Anm. 1 – nicht alle wirklich sicher, andererseits kennen wir auch viele Prätorianerpräfekten insbesondere der zweiten Hälfte des 3. Jh. nicht. Passerini 1939, 218 Anm. 1 geht davon aus, dass, wenn in einer Rechtsquelle nur ein Präfekt erscheint (z. B. Dig. 3, 2, 21; 12, 1, 40; Cod. Iust. 1, 19, 1; 4, 65, 4; 8, 40, 13), es auch nur einen gab. 90 Zur Durchsetzung des Titels vir illustris s. Enßlin 1954, 2443 f. Doch D. Feissel weist daraufhin, dass noch Flavius Eutolmius Tatianus in Inschriften nur als vir clarissimus bezeichnet wird.
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Appendix I: Kritischer Text und Übersetzung der Inschrift aus Pella
-----------------------------------------------------------------[--- μὴ? π]αραδιδό͜σθω τοῖς ἐκτ͜ρεπομέ̣ν̣[οις τῆς] ὁ̣[δ]οῦ̣ [εἰ μὴ διά (?) τ]ινὰ ἀναγκαίαν χρ͜είαν. το͜ύτο͜υ το͜ῦ διατάγματο͜ς̣ [ἀντίγραφον] ἐν͜ πάσαις π͜ρογεγράφθω ταῖς πόλεσιν͜ π͜ροτ͜εθή͜τω ͜ . 4
[Exempl(um) ep]istulae scriptae praef(ecto) · c(larissimo) v(iro) · a · Messala [Rutiliano]. Frequenter, domine, ordo splendidissi[mus coloni]ae Pellesium provinciae Macedoniae [et nunc dem]um questus est non sufficere rem
8
[publicam s]uam impendiorum oneribus in iis quae [commean]tes armati exsigunt. quos cum at [proc(uratorem) (?) rett]ulissem, novissime has at me litteras [miserun]ṭ quarum exemplum subdidi. tua, do-
12 [mine, auc]ṭoritas instruet me quit agere [debeam.]
vacat
Exemplum epistu- vacat
[lae scrip]tae Messalae Rutiliano · a praef(ecto) prae[torio. ci]rca armatos et circa ceteros comme16 [antes sat]is provisum est principalibus consti [tutionib]us, quas certum est te non ignora[re ..... s]ẹcundum ea partibus tuis functus [eris nequ]e diplomatibus commeantes neque 20 [cives (?) v]el stabularii · iniuriam patientur. vacat (?) vacat (?) [καὶ πάλιν] σοὶ γράφομ͜εν, ͜κύριε, π͜ερὶ ὧ͜ν͜ καὶ π͜επόνθαμ͜εν͜ ἤδη [καὶ πάσχομεν (?)] εἰδότ͜ες ὅτι πολλάκις τὰ δρ͜ώμ ͜ ͜ενα, ὅταν͜ ᾖ͜ μ͜εγάλα, [δι’ αὐτὸ τὸ (?) μέ]γεθο͜ς ἀπιστ͜εῖται. ἀναγκαίω͜ς δὲ ἐπὶ τ͜ὴ͜ν ͜σὴ[ν] 24 [βοήθειαν (?) φ]ε̣ύγ͜ομ͜εν. ͜ἐν διόδῳ͜ γὰρ τ͜ῆ͜ς πόλεω͜ς ἡμ[ῶν] [ -------------------------------------------------------]
vacat
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Übersetzung: (--- es) soll nicht gegeben werden den vom Weg Abweichenden außer im Fall einer dringenden Notwendigkeit. Eine Kopie dieses Ediktes soll in allen Städten angeschlagen werden. Es soll publiziert werden! Kopie des Briefes, der dem Präfekten und vir clarissimus von Messala Rutilianus geschrieben wurde: Häufig, Herr, hat sich der „glänzendste“ Rat der Kolonie Pella der Provinz Macedonia und gerade jetzt beklagt, dass seine Gemeinde nicht ausreiche für die Lasten der Kosten für das, was bewaffnete Durchreisende einfordern. Als ich sie (an den Procurator (?)) verwiesen hatte, schickten sie mir vor kurzem den Brief, dessen Abschrift ich unten eingefügt habe. Deine auctoritas (etwa: „autoritative politische Klugheit“91), Herr, möge mich belehren, was ich tun soll. Kopie des vom Prätorianerpräfekten dem Messala Rutilianus geschriebenen Briefes: Hinsichtlich Bewaffneter und der anderen (im amtlichen Auftrag) Durchreisenden ist genug bestimmt worden in kaiserlichen Konstitutionen, die Dir sicherlich nicht unbekannt sind. (Handele (?)) ihnen gemäß, so dass, wenn Du Deinen Teil der Aufgaben erfüllen wirst, weder die mit einem Diplom ausgestatteten Durchreisenden noch (die Bürger (?)) oder das Personal der (öffentlichen) Ställe Unrecht erleiden werden. (Und wiederum (?)) schreiben wir Dir, Herr, wegen dessen, was wir schon erlitten haben (und erleiden (?)), wobei wir wissen, dass oft angetanes (Unrecht), (gerade wegen seiner (?)) Größe nicht geglaubt wird. Es ist aber nötig, dass wir zu Deiner (Hilfe (?)) Zuflucht nehmen; denn bei der Passage unserer Stadt ---
Textkritischer Apparat: Z. 1. [--- αντικείμενο --- μὴ? π]αραδιδό͜σθω τοῖς ἐκτ͜ρεπομέ̣ν̣[οις καὶ ἀξι?]οῦ-, Nigdelis; [--- μὴ? π]αραδιδό͜σθω τοῖς ἐκτ͜ρεπομέ̣ν[̣ οις καὶ ἀξι?]οῦ-, AE; [--- μὴ? π]αραδιδό͜σθω τοῖς ἐκτ͜ρεπομέ̣ν̣ο̣ι̣[ς ---], EKM (Hatzopoulos); ἐκτ͜ρεπομέ̣ν̣[οις τῆς] ὁ̣[δ]οῦ̣, Denis Feissel per e-mail, wobei τῆς wohl als Ligatur geschrieben worden sei. Z. 2. [σιν, εἰ μὴ διά (?) τ]ινὰ ἀναγκαίαν χρ͜είαν. το͜ύτο͜υ το͜ῦ διατάγματο͜ς, Nigdelis, AE; [---, εἰ μὴ διά (?) τ]ινὰ ἀναγκαίαν χρ͜είαν. το͜ύτο͜υ το͜ῦ διατάγματο͜ς, EKM. Z. 4. [Exempl(um) ep]istulae, RH; [Exemplum ep]istulae, Nigdelis, AE, EKM. Ein abgekürztes exempl(um) – so wie z. B. in CIL III 355, cf. 7003, 14191,1 und p. 977; XIV 2973; FIRA I 93 – entspricht besser der mutmaßlichen Zeilenlänge des Textes an dieser Stelle. Z. 6. [mus], RH; [mus/mae], Nigdelis, AE, EKM.92 Z. 7. [et nunc dem]um, RH; [et nunc iter]um, Nigdelis, AE, EKM. Für die Formulierung [et nunc dem]um gibt es nicht nur einen epigraphischen Beleg – CIL VI 17130, cf. p. 3520 –, sondern sie ist auch generell sehr häufig – TLL V 1, 513, alles dies im Gegensatz zu [et nunc iter]um. Denkbar wäre auch [et iam rurs]um wie wohl in CIL VIII 10570, cf. 14464 = Hauken I 1 und in CIL III 13750. Z. 10. [proco(n)s(ulem) oder am ehesten proc(uratorem)], RH; [te], Nigdelis, AE, EKM.93 91 Diese „Ansprachen“ sind praktisch nicht zu übersetzen, haben aber auch nicht den Charakter reiner Titel wie vir clarissimus. 92 Vgl. dazu o.
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Rudolf Haensch Z. 13. [debeam], Denis Feissel per e-mail, denkbar wäre auch [deberem] wie in Plin. epist. X 31,2, doch vgl. 19,1. 29,2. 75,2; epistu(lae), EKM. Z. 14. [lae scrip]tae, Nigdelis, AE; [scrip]tae, EKM. Z. 17. t Nigdelis, AE; te, EKM. Das Photo lässt klar erkennen, dass der zweite Buchstabe kein zweifelfreies E ist. Er erinnert vielmehr an ein S oder ein Abkürzungszeichen. Am ehesten ist wohl anzunehmen, dass ein S zu einem E verbessert wurde – so auch EKM –, wobei der Text jedoch sonst keine zweifelsfreien Fehler aufweist. Eine wohl unwahrscheinlichere Alternative ist, an eine abgekürzte „Anrede“ tua sublimitas zu denken. Die Anrede z. B. in AE 1984, 250, cf. 2003, 359; 2008, 417 (368-375) und I. Mylasa 611 (427/9). Z. 18. [-re. Cura s] Nigdelis, AE; [-re, ut si s], EKM; [-re. Ubi s] Denis Feissel per e-mail. Man erwartet einen möglicherweise in eine höfliche Form gekleideten Befehl, u. U. unter Aufgreifen von agere. Wir kennen zu wenig interne Schreiben zwischen römischen Amtsinhabern, um eine zweifelsfreie Lösung vorzuschlagen. Die Zeilen 16 und 17, deren Ergänzung als sicher betrachtet werden dürfen, liefern jedenfalls den Hinweis, dass auch im Schreiben des Prätorianerpräfekten zu Anfang etwa acht Buchstaben ergänzt werden müssen. Z. 19. [ut nequ]e, Nigdelis, AE; [sis nequ]e, EKM. Z. 20. [cives v]el, Nigdelis, AE; [coloni] ṿel, EKM. Man meint auf dem Photo bei EKM die rechte obere Ecke eines V zu sehen, das könnte aber auch nur ein Steinschaden sein. Zwischen Z. 20 und 22 könnte am linken Rand in einer oder zwei Zeilen kurze, heute verlorene Texte gestanden haben, wie z. B. ein Gruß, eine Datierung oder ein Authentifizierungsvermerk. Der Übergang von Z. 3 und 4. zeigt jedenfalls, dass die Schreiben nicht prinzipiell durch Leerzeilen voneinander getrennt wurden. Um so mehr erstaunen zwei. Z. 21. [καὶ πάλιν], Denis Feissel per e-mail; [Ἐπιστολὴν], Nigdelis, AE, EKM. Z. 22. [δι’ αὐτὸ τὸ (?) μέ]γεθο͜ς, Denis Feissel per e-mail; [διὰ τὸ αὑτῶν (?) μέ]γεθο͜ς, Nigdelis, AE, EKM. Z. 23. [βοήθειαν φ]ε̣ύγ͜ομ͜εν, Denis Feissel per e-mail; [τύχην καταφ]ε̣ύγ͜ομ͜εν, Nigdelis; [τύχην κατα- oder προσφ]ε̣ύγ͜ομ͜εν, EKM, AE. Z. 24/25. ἡμ[ῶν / κειμένης ---], Nigdelis; ἡμ[ῶν κει/μένης ---], AE, EKM.
93 Vgl. dazu o.
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Photo der Inschrift von Pella (mit freundlicher Genehmigung von P. Nigdelis)
Photo des bei der Arbeitsstelle Corpus Inscriptionum Latinarum der BBAW aufbewahrten Abklatsches von CIL III 568 (mit freundlicher Genehmigung von U. Ehmig und der BBAW)
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ABKÜRZUNGEN Die Abkürzungen der Antiken Autoren richten sich nach dem Neuen Pauly. Die Abkürzungen für Zeitschriften lassen sich über die Année Philologique erschließen. AE ArchEph AvP VIII BE CIIP
CIG CIGIE II
CIL EKM FD III FIRA FdX VII Herrmann, P., Ausgew. Schriften I. Ancyra I. Antioche (de Pisidie) I. Assos I. Byzantion I. Central Pisidia
L’Année épigraphique, Paris 1888– Αρχαιολογική Εφημερίς, Athen1837– Altertümer von Pergamon VIII: Die Inschriften von Pergamon, Berlin 1890– Bulletin Épigraphique, in: Revue des Études Grecques, Paris 1888– Corpus Inscriptionum Iudaeae/Palestinae. A Multilingual Corpus of the Inscriptions from Alexander to Muhammad, Berlin 2010– Corpus Inscriptionum Graecarum, Berlin 1825–1877. Corpus des inscriptions grecques d’Illyrie méridionale et d’Épire. 2.2: Inscriptions de Bouthrôtos, ed. P. Cabanes – F. Drini, Athen 2007. Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1863– Επιγραφές Κάτω Μακεδονίας, ed. M. B. Hatzopoulos et al., Athen 1998– Fouilles de Delphes III: Épigraphie, Paris 1909–1985. Fontes iuris Romani ante iustiniani, ed. S. Riccobono – J. Baviera, Florenz 1940–1943. Fouilles de Xanthos VII. Inscriptions d’époque impériale du Létôon, ed. A. Balland, Paris 1981. P. Herrmann, Kleinasien im Spiegel epigraphischer Zeugnisse, Ausgewählte kleine Schriften, hrsg. v. W. Blümel, Berlin – Boston 2016. The Greek and Latin Inscriptions of Ankara (Ancyra) I (Vestigia 62), ed. St. Mitchell – D. French, München 2012. Nouvelles inscriptions d’Antioche de Pisidie d’apres les Notebooks de W.M. Ramsay (IK 67), ed. M.A. Byrne – G. Labarre, Bonn 2006. Die Inschriften von Assos (IK 4), ed. R. Merkelbach, Bonn 1976. Die Inschriften von Byzantion I: Die Inschriften (IK 58), ed. A. Łajtar, Bonn 2000. The Inscriptions of Central Pisidia, including texts from Kremna, Ariassos, Keraia, Hyia, Panemoteichos, the Sanctuary of
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I. Eleusis I. Ephesos I. Hadrianoi I. Hibis I. Iasos I. Ilion I. Kaunos I. Kibyra I. Klaudiupolis I. Kyme I. Labraunda I. Lampsakos I. Leukopetra I. Lindos I. Magnesia I. Manisa I. Mylasa I. Napoli I. Nikaia I. Perge I. Philippes I. Priene I. Priene²
Abkürzungen
Apollo of the Perminoundeis, Sia, Kocaaliler, and the Döșeme Boǧazi (IK 57), ed. G.H.R. Horsley – St. Mitchell, Bonn 2000. Eleusis: The Inscriptions on Stone, vol. 1a, ed. K. Clinton, Athen 2005. Die Inschriften von Ephesos (IK 11–17), Bonn 1979–1984. Die Inschriften von Hadrianoi und Hadrianeia (IK 33), ed. E. Schwertheim, Bonn 1987. The Temple of Hibis in El Khargeh Oasis, Part II: Greek Inscriptions, New York 1938. Die Inschriften von Iasos (IK 28), ed. W. Blümel, Bonn 1985. Die Inschriften von Ilion (IK 3), ed. P. Frisch, Bonn 1975. Die Inschriften von Kaunos (Vestigia 53), ed. Chr. Marek, München 2006. Die Inschriften von Kibyra 1: Die Inschriften der Stadt und ihrer näheren Umgebung (IK 60), ed. T. Corsten, Bonn 2002. Die Inschriften von Klaudiupolis (IK 31), ed. F. Becker-Bertau, Bonn 1986. Die Inschriften von Kyme (IK 5), ed. H. Engelmann, Bonn 1976. Labraunda. Swedish Excavations and Researches III 1/2: Greek Inscriptions I–II, ed. J. Crampa, Lund – Stockholm 1969–1972. Die Inschriften von Lampsakos (IK 6), ed. P. Frisch, Bonn 1978. Inscriptions du sanctuaire de la Mère des Dieux autochthone de Leukopétra (Macédoine), ed. P.M. Petsas et al., Athen 2000. Lindos. Fouilles et recherches, II. Fouilles de l’acropole. Inscriptions, ed. C. Blinkenberg, Berlin 1941. Die Inschriften von Magnesia am Maeander, ed. O. Kern, Berlin 1900. Greek and Latin Inscriptions in the Manisa Museum (ETAM 19), ed. H. Malay, Wien 1994. Die Inschriften von Mylasa (IK 34–35), ed. W. Blümel, Bonn 1987–1988. Iscrizoni Greche d’Italia: Napoli, ed. E. Miranda, Rom 1990– 1995. Katalog der antiken Inschriften des Museums von Iznik (Nikaia) (IK 9–10), ed. S. Şahin, Bonn 1979–1987. Die Inschriften von Perge (IK 54 / 61), ed. S. Şahin, Bonn 1999 / 2004. Philippi II: Katalog der Inschriften von Philippi, ed. P. Pilhofer, Tübingen 2000. Inschriften von Priene, ed. F. Hiller von Gaertringen, Berlin 1906. Die Inschriften von Priene I/II (IK 69), ed. W. Blümel – R. Merkelbach, Bonn 2014.
Abkürzungen
I. Prusa I. Prusias I. Sagalassos I. Sardis I. Sard. II I. Sestos I. Smyrna I. Sultan Dağı I I. Thessaly I. Thrac. Aeg.
I. Tralleis IAM IAph IC IG IGBulg. IGLS IGR IGUR IK ILAlg. ILS ILTun. IRT IvDidyma
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Die Inschriften von Prusa ad Olympum I/II (IK 39–40), ed. T. Corsten, Bonn 1991–1993. Die Inschriften von Prusias ad Hypium (IK 27), ed. W. Ameling, Bonn 1985. Die Inschriften von Sagalassos (IK 70), ed. A. Eich – P. Eich – W. Eck, Bonn 2018. Sardis VII: Greek and Latin Inscriptions, ed. W.H. Buckler – D.M. Robinson, Leiden 1932. Sardis: Greek and Latin Inscriptions II, ed. G. Petzl (im Druck). Die Inschriften von Sestos und der thrakischen Chersones (IK 19), ed. J. Krauss, Bonn 1980. Die Inschriften von Smyrna (IK 23–24), ed. G. Petzl, Bonn 1982–1990. The Inscriptions of the Sultan Dağı I (Philomelion, Thymbrion/Hadrianopolis, Tyraion) (IK 62), ed. L. Jonnes, Bonn 2002. Inscriptions of Thessaly. An Analytical Handlist and Bibliography, ed. A. McDevitt, Hildesheim – New York 1970. Ἐπιγραφὲς τῆς Θράκης τοῦ Αἰγαίου μεταξὺ τῶν ποταμῶν Νέστου καὶ Ἕβρου (Νομοὶ Ξάνθης, Ροδόπης καὶ Ἕβρου), ed. L.D. Loukopoulou et al., Athen 2005. Die Inschriften von Tralleis und Nysa (IK 36), ed. F.B. Poljakov, Bonn 1989. Inscriptions antiques du Maroc, Paris 1966–1982. Inscriptions of Aphrodisias, ed. J. Reynolds – C. Roueché – G. Bodard, 2007: http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007 Inscriptiones Creticae, ed. M. Guarducci, Rom 1935–1950. Inscriptiones Graecae, Berlin 1873– Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae, ed. G. Mihailov, Sofia 1958–1997. Inscriptions grecques et latines de la Syrie, Paris – Beirut 1911– Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes, ed. R. Cagnat et al., Paris 1901–1927. Inscriptiones Graecae Urbis Romae, ed. L. Moretti, Rom 1968– 1990. Die Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien, 1972– Inscriptions latines de l’Algérie, Paris – Alger 1922– Inscriptiones Latinae Selectae, I–III, ed. H. Dessau, Berlin 1892–1916. Inscriptions latines de la Tunisie, ed. A. Merlin, Paris 1944. Inscriptions of Roman Tripolitania, ed. J.M. Reynolds – J.B. Ward-Perkins, Rom 1952. Didyma II: Die Inschriften, ed. A. Rehm, hrsg. v. R. Harder, Berlin 1958.
280 LBW MAMA Milet Nouv. inscr. Sard. I Nouv. inscr. Sard. II OGIS RIB RIU RMD Robert, L., Choix d’écrits Robert, L., Doc. As. Min. Robert, L., Op. Min. SEG SIG³ SGO St. Pont.
T. Calymnii TAM
Abkürzungen
Inscriptions grecques et latines recueillies en Grèce et en Asie Mineure, ed. Ph. Le Bas – W.H. Waddington, Paris 1870. Monumenta Asiae Minoris Antiqua I–X, London 1928–1993. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899, Berlin 1906– Nouvelles inscriptions de Sardes I, ed. L. Robert, Paris 1964. Nouvelles inscriptions de Sardes II, ed. Ph. Gauthier, Genf 1989. Orientis Graeci Inscriptions Selectae, ed. W. Dittenberger, Leipzig 1903–1905. The Roman Inscriptions of Britain, ed. R.G. Collingwood – R.P. Wright, Oxford – Gloucester 1965–1995. Die römischen Inschriften Ungarns, Budapest – Amsterdam, 1972– Roman Military Diplomas, ed. M.M. Roxan – P.A. Holder, London 1978– L. Robert, Choix d’écrits, ed. D. Rousset – Ph. Gauthier – I. Savalli-Lestrade, Paris 2007. L. Robert, Documents d’Asie Mineure, Paris 1987. L. Robert, Opera Minora Selecta V–VI, Amsterdam 1989. Supplementum Epigraphicum Graecum, Leiden 1923– Sylloge Inscriptionum Graecarum, ed. W. Dittenberger, 3. Aufl., Leipzig 1915–1924. Steinepigramme aus dem griechischen Osten, ed. R. Merkelbach – J. Stauber, Stuttgart – Leipzig – München 1998–2002. Studia Pontica III. Recueil des inscriptions grecques et latines du Pont et de l’Arménie, ed. J.G.C. Anderson et al., Brüssel 1910; ZPE 87 (1991), 141–243; ZPE 115 (1997), 137–167. Tituli Calymnii, ed. M. Segre, Bergamo 1952. Tituli Asiae Minoris, Wien 1901–
Am 23. Mai 2017 wäre der Hamburger Althistoriker Peter Herrmann 90 Jahre alt geworden. Er hat die griechische Inschriftenkunde weit über Deutschland hinaus nachhaltig geprägt. Dies nehmen Epigraphikerinnen und Epigraphiker zum Anlass, um in diesem Band die neuesten Forschungen zu Inschriften aus dem hellenistischen und kaiserzeitlichen Kleinasien zu präsentieren. Ein erster Schwerpunkt der Beiträge liegt in den Wirkungsstätten Peter Herrmanns, Sardes und Milet.
ISBN 978-3-515-12456-0
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7 83 5 1 5 1 2 4560
Im zweiten Teil des Bandes werden neue Inschriften erstmals ediert und bekannte Texte grundlegenden Neulesungen unterzogen. Den Abschluss bilden mit Studien zu prosopographischen Fragen, Ehren und Stiftungen sowie dem Verhältnis zwischen Kaisern und Provinzen Themen, die Herrmann am Herzen gelegen hatten. So sollen – ganz in seinem Sinne – neueste wissenschaftliche Erkenntnisse der Erinnerung dienen.
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