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German Pages 48 [63] Year 1921
Lutscheidungen des Reichsgerichts. Herausgegeben von
j den Mitgliedern des Gerichtshofes «nd der Reichsanwaltschast.
Entscheidungen des
!
Reichsgerichts in
Zivilsachen. i Neue Folge.
!
Ikünfzigfter Mans. Der ganzen Reihe
!
hundertster Band.
i
Serlm und Leipzig 1920 Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co. vormal- G. I. Göschen'sche Verlag-handlung :: I. Guttentag, Verlags buchhandlung :: Georg Reimer :: Karl I. Trübner :: Veit A Comp.
:________________ : Die „Entscheidungen in Zivilsachen" werden in Wochenheften im Umfange;« 2—3 Bogen, sowie in vollständigen Bänden, geheftet «nd gebunden, ausgegebe«. Halbleinvi-Linbanddecken werden zum Preise von M 7.20 für die Decke ge liefert. Halbfranz-Einbanddecken sönnt» bis auf weiteres noch nicht geliefert werden.
Inhalt. Seite
22. Zu den Bestimmungen des Eisenbahngütertarifs über Beförderung von Frachtgütern in offenen Wagen und Verladung von Gütern durch den Ab sender. Auffallender Gewichtsabgang i. S. des § 86 Abs. 1 Nr. 1 EVO. Verladungsgefahr 23. Darf der Hypothekengläubiger, der einen dinglichen Vollstreckungstitel besitzt und seine persönliche Forderung nach § 64 KO. angemeldet hat, wegen des dinglichen Anspruchs die Veräußerung und Entfernung von Zubehör des Grundstücks anfechten? Behält er dieses Recht, wenn sein Hypothekenrecht am Grundstück durch Zuschlag erlischt? 24. Über Seeversicherung auf veränderter Schätzungsgrundlage und Versicherung von imaginärem Gewinn sowie über die Bezeichnung des versicherten Interesses 25. Liegt unzulässige Klagänderung vor, wenn der klagende Miterbe, anstelle des ursprünglichen Anspruchs auf Bewirkrmg der Auseinandersetzung, nach Kündigung des Amtes durch den beklagten Testamentsvollstrecker die An sprüche auf Rechenschaftsablegung und Herausgabe des Nachlasses an die Erbengemeinschaft sowie auf Schadensersatz erhebt? 26. Kann ein im Ehescheidungsverfahren nach der letzten mündlichen Verhandlung entstandener Ehescheidungsgrund durch neue Klage (Restitutionsklage, Boll streckungsgegenklage, negative Feststellungsklage) geltend gemacht werden? Ist namentlich die Vollstreckungsgegenklage gegenüber noch nicht rechtskräftigen Scheidungsurteilen zulässig? 27. Amtspflicht des Katasterbeamten, dem Grundbuchami wahrheitsgemäße Mit teilungen zu machen und irrtümliche zu berichtigen. Haftung des Staates nach dem preuß. Ges. v. 1. August 1909 28. Hat die Eisenbahn bei Verlust des Frachtguts den gemeinen Handelswert oder den gemeinen Wert auch dann zu ersetzen, wenn der Berechtigte dadurch einen Gewinn erzielt, der die in der PreistreibereiVO. v. 8. Mai 1918 ge zogenen Grenzen überschreitet? 29. Inwiefern kann bei der Scheidungsklage wegen Geisteskrankheit berücksichtigt werden, daß der Kläger die Krankheit verschuldet hat? Zur Anwendung der §§ 616, 623 ZPO 30 Zum Begriff der Kostbarkeit i. S. des § 467 HGB. §§ 96, 54 EVO. Wie sind diese Bestimmungen anzuwenden, wenn in einem Frachtstück Gegen stände, auf die der Begriff Kostbarkeit zutrifft, vereinigt sind mit solchen, auf die er nicht zutrifft? 31. Ist gegenüber der abstrakten Schadensberechnung des Käufers der Einwand zulässig, daß tatsächlich ein Schaden nicht entstanden sei? Kann der Käufer in die Schadensrechnung einen Gewinn als entgangen einstellen, den er nur durch eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung hätte machen können? 32. Zur Auslegung des § 1566 BGB 33. Verpflichtung des Deutschen Reichs durch Warenbestellungen, die ein Kreis chef im Bereiche der Kreisordnung für das Generalgouvernement Warschau v. 22. Jan. 1915 bei einem in Deutschland ansässigen Lieferanten gemacht hat 84. Wird ein Schadensersatzanspruch, der an sich einer kurzfristigen Verjährung unterliegt, dadurch der 30 jährigen Verjährung unterworfen, daß ihn ein Schiedsgericht, dessen Aufgabe darauf beschränkt ist, über den Grund des An spruchs zu entscheiden, dem Grunde nach als gerechtfertigt feststellt? . . . 35. Bedeutung des Antrags, die Hauptsache für erledigt zu erklären. Fällt daS Jntereffe an der negativen Feststellungsklage deshalb weg, weil der Beklagte Bollstreckungsgegenklage erhebt? 36. Werden von dem den Bundesstaaten in § 24 GebO. f. GerVollz. ein geräumten Vorbehalte sämtliche Gebührm und Auslagen, insbesondere auch die Auslagen in Armensachen betroffen? 87. Welcher Zeitpunkt ist nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. maßgebend für die Frage, ob der Verletzte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag? . .
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trage, so treffe dies um so mehr zu, wenn die Schwankungen einen größeren Umfang annähmen und der Klägerin erhebliche Verluste drohten. Dem Schuldner, der das Darlehen wünschte, würde ander seits nichts übrig geblieben sein, als sich dem Verlangen des Gläubigers zu fügen. Der Klageanspruch sei daher vertraglich gerechtfertigt. Fraglich sei nur, ob seine Geltendmachung wider Treu und Glauben verstoße oder einen Rechtsmißbrauch darstelle. Dies sei nach deutschem wie nach schweizerischem Recht zu verneinen. Möge Klägerin auch in größerem Maße Geschäfte in Deutschland machen, so habe sie doch ihre Niederlassung im Ausland und müsse dort ihre Verpflichhingen in ausländischer Währung erfüllen. Es sei daher nicht zu be anstanden, wenn sie verlange, daß gemäß dem Vertrag ihre Forderung unter Vergütung des Kursunterschiedes zu einem Betrag bezahlt werde, der der ausländischen Währung entspreche. Das Berufungsgericht läßt die Frage, ob deutsches oder schweize risches Recht anzuwenden sei, unentschieden, weil die Vorschriften der beiden Rechte füx den vorliegenden Fall übereinstimmten. Das Reichs gericht hat ein solches Verfahren mehrfach mißbilligt (RGZ. Bd. 71 S. 10; Warneyer 1915 Nr. 311, 1917 Nr. 151), weil nur das eine oder das andere Recht maßgebend sein könne und der deutsche Richter dieses Recht zu ermitteln habe. Hier greift deutsches Recht Platz. In dem Vertrag der Parteien ist zwar das Geschäftslokal der Klägerin in Basel als Erfüllungsort bestimmt, der Klägerin jedoch das Recht eingeräumt, einen Ort im Deutschen Reich als Erfüllungsort zu be zeichnen. Hiervon hat sie nach der unwidersprochenen Angabe der Be klagten Gebrauch gemacht, indem sie diese am 3. September 1914 an wies, die Zahlungen bei der Diskonto-Gesellschaft in Berlin auf das Konto der Klägerin bei der Süddeutschen Diskonto-Gesellschaft in Mannheim zu leisten. Hiezu tritt, daß die Klägerin einen größeren Teil ihrer Geschäfte in Deutschland macht, der Vertrag in Berlin geschlossen und ein Grundstück in Charlottenburg beliehen wurde. Die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte die Gefahr des Sinkens der dentschen Valuta zu tragen habe nnd daß diese Vereinbarung von der Goldklausel unabhängig sei, deshalb von der durch die deutsche Kriegsgesetzgebung bewirkten Unmöglichkeit, in Reichsgoldmünzen zu zahlen, nicht berührt werde, entspricht dem Wortlaut der Urkunde, ist jedenfalls möglich nnd nicht rechtsirrig. Die dagegen sich richtende Bemängelnng der Revision kann keine Beachtnng finden. Auf die bedenkliche Bemerkung des Berufungsgerichts, daß die Parteien den Vertrag geschlossen hätten, auch wenn sie den Sturz der deutschen Währung, wie er eingetreten ist, vorausgesehen hätten, kommt nichts an. Es ist wohl ausgeschlossen, daß die Beklagte im Jahre 1912 sich zu einer solchen Vereinbarung in Erkenntnis der Entsch. in Zivils. N. F. 50 (100).
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Folgen, wie sie sich herausgestellt haben, verstanden haben würde. Für die Wirksamkeit eines Vertrags ist es aber regelmäßig ohne Belang, ob ihn die Parteien geschlossen haben würden, wenn sie die spätere Entwicklung der Verhältnisse, die sich für eine von ihnen äußerst un günstig gestaltete, vorausgesehen hätten. Ohne Rechtsirrtum hat aber auch das Berufungsgericht verneint, daß die Klägerin wider Treu und Glauben oder das Anstandsgefühl rechtlich und billig denkender Menschen verstößt, wenn sie ihr vertrags mäßiges Recht ausübt. Dies würde dann etwa anzunehmen sein, wenn sie in Ausbeutung der unglücklichen deutschen Währungsverhältnisse und der Notlage der Beklagten deren wirtschaftliche Existenz vernichtete, um selbst einen in sich nicht gerechtfertigten, unangemessenen Gewinn daraus zu ziehen; wenn sie also einen Teil ihrer Geschäfte endgültig in Deutschland machte und die riesigen Kursvergütungen, die ihr zufallen, gar nicht zur Anschaffung von Franken, sondern in Deutschland zum billigen Erwerb von Sachgütern oder zur Ausleihung auf solche mit unverhältnismäßigem Nutzen dauernd verwendete. Die darlegungsund beweispflichtige Beklagte hat aber keine greifbaren Unterlagen dafür beigebracht, daß sich die Klägerin anstandswidrig auf ihre Kosten bereichere. Hiezu genügt nicht, daß sie in Deutschland Geschäfte macht und das von der Beklagten bezahlte Geld in Deutschland wieder an legt. Hingegen hat die Klägerin vorgetragen, ohne einem Widerspruch der Beklagten zu begegnen, daß sie die Darlehensbeträge in Franken zu Buch stehen habe und die dafür ausgegebenen Pfandbriefe und Obligationen in Frankenwährung verzinsen müsse. Dies ist nach der Natur des Hypothekenbankgeschäfts dahin zu ergänzen, daß sie ge gebenenfalls die Pfandbriefe und Obligationen in Franken Währung auch einlösen muß. Hierzu würde sie aber nicht oder nur unter eigenen großen Verlusten imstande sein, wenn ihre deutschen Darlehensschuldner mit dem Nennwert ihrer kranken Valuta ihren Verpflichtungen nach kommen dürsten. Wenn auch ein Schutz des deutschen Valutaschuld ners wünschenswert wäre, so würde es doch unbillig und für den deutschen Kredit verderblich sein, ihn, wie es das Landgericht getan hat, allein auf Kosten des ausländischen Gläubigers zu suchen.
22. 1. Zu den Bestimmungen des Eisenbahngütertrrifs über Be förderung von Frachtgütern in offenen Wagen und Verladung vou Gütern durch den Absender. 2. Zum Begriffe ,, auffallender Gewichtsabgang" im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 1 der Eisenbahnverkchrsordnung. 3. Zur Haftung der Eisenbahn für den Schaden, der aus der mit dem Aufladeu oder mit einer mangelhaften Beiladung ver bundenen Gefahr entsteht.
Folgen, wie sie sich herausgestellt haben, verstanden haben würde. Für die Wirksamkeit eines Vertrags ist es aber regelmäßig ohne Belang, ob ihn die Parteien geschlossen haben würden, wenn sie die spätere Entwicklung der Verhältnisse, die sich für eine von ihnen äußerst un günstig gestaltete, vorausgesehen hätten. Ohne Rechtsirrtum hat aber auch das Berufungsgericht verneint, daß die Klägerin wider Treu und Glauben oder das Anstandsgefühl rechtlich und billig denkender Menschen verstößt, wenn sie ihr vertrags mäßiges Recht ausübt. Dies würde dann etwa anzunehmen sein, wenn sie in Ausbeutung der unglücklichen deutschen Währungsverhältnisse und der Notlage der Beklagten deren wirtschaftliche Existenz vernichtete, um selbst einen in sich nicht gerechtfertigten, unangemessenen Gewinn daraus zu ziehen; wenn sie also einen Teil ihrer Geschäfte endgültig in Deutschland machte und die riesigen Kursvergütungen, die ihr zufallen, gar nicht zur Anschaffung von Franken, sondern in Deutschland zum billigen Erwerb von Sachgütern oder zur Ausleihung auf solche mit unverhältnismäßigem Nutzen dauernd verwendete. Die darlegungsund beweispflichtige Beklagte hat aber keine greifbaren Unterlagen dafür beigebracht, daß sich die Klägerin anstandswidrig auf ihre Kosten bereichere. Hiezu genügt nicht, daß sie in Deutschland Geschäfte macht und das von der Beklagten bezahlte Geld in Deutschland wieder an legt. Hingegen hat die Klägerin vorgetragen, ohne einem Widerspruch der Beklagten zu begegnen, daß sie die Darlehensbeträge in Franken zu Buch stehen habe und die dafür ausgegebenen Pfandbriefe und Obligationen in Frankenwährung verzinsen müsse. Dies ist nach der Natur des Hypothekenbankgeschäfts dahin zu ergänzen, daß sie ge gebenenfalls die Pfandbriefe und Obligationen in Franken Währung auch einlösen muß. Hierzu würde sie aber nicht oder nur unter eigenen großen Verlusten imstande sein, wenn ihre deutschen Darlehensschuldner mit dem Nennwert ihrer kranken Valuta ihren Verpflichtungen nach kommen dürsten. Wenn auch ein Schutz des deutschen Valutaschuld ners wünschenswert wäre, so würde es doch unbillig und für den deutschen Kredit verderblich sein, ihn, wie es das Landgericht getan hat, allein auf Kosten des ausländischen Gläubigers zu suchen.
22. 1. Zu den Bestimmungen des Eisenbahngütertrrifs über Be förderung von Frachtgütern in offenen Wagen und Verladung vou Gütern durch den Absender. 2. Zum Begriffe ,, auffallender Gewichtsabgang" im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 1 der Eisenbahnverkchrsordnung. 3. Zur Haftung der Eisenbahn für den Schaden, der aus der mit dem Aufladeu oder mit einer mangelhaften Beiladung ver bundenen Gefahr entsteht.
I. Zivilsenat.
Urt. v. 29. September 1920 i. S. K. (®I.) w. preuß. Eisenbahnfiskus (Bekl.). I 140/20.
I. Landgericht I Berlin, Kammer für Handelssachen. — II. Kammergericht daselbst.
Der Weingutsbesitzer H. sandte am 4. Juni 1919 mit der Eisen bahn ^wei Wagenladungen Wein in Fässern von C. nach B. an die Klägerin. Beim Eintreffen der Sendung in B. wurde festgestellt, daß bei der einen Wagenladung, die 6 Fässer Mein im Gewichte von 6960 kg enthielt, 1509 1 Wein fehlten, und bei der anderen, zu der 7 Fässer im Gewichte von 6580 kg gehörten, ein Verlust von 321 1 ein getreten war. Den Wert des abhanden gekommenen Weins hat die Klägerin auf 7557,90 Jt berechnet und in Höhe dieses Betrags nebst Zinsen vom Beklagten Schadensersatz verlangt. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin wurde vom Kammergericht zurückgewiesen. Ihre Revision hatte zum Teil Erfolg. Gründe: Der Berufungsrichter sieht eine bestimmte Ursache für das Ab handenkommen des Weins nicht als erwiesen an. Er erklärt es für sehr wohl möglich, daß an den Fässern, die im Juni, also zur warmen Jahreszeit, befördert wurden und 14 Tage unterwegs waren, infolge der Hitze die Dauben zusammengetrocknet und durchlässig geworden sind. Er schließt aber auch die Möglichkeit nicht aus, daß unterwegs aus den Fässern Wein abgezapft worden ist. Endlich führt er aus, daß bei zwei Fässern, an denen Stab- oder Daubenbruch ersichtlich gewesen sei, der Gewichtsverlust auch durch eine Beschädigung beim Ausladen oder durch mangelhafte Verladung herbeigeführt sein könne. Deshalb erachtet er die Befreiungsvorschriften des § 459 Nr. 1 und 3 HGB. (§ 86 Nr. 1 und 3 EVO.) zugunsten des Beklagten für anwendbar. Diese Annahme ist nicht durchweg bedenkenfrei. Nach § 459 Nr. 1 HGB. (§ 86 Nr. 1 EVO.) haftet bei Gütern, die nach den Vor schriften der Eisenbahnverkehrsordnung oder des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung mit dem Absender in offenen Wagen befördert werden, die Eisenbahn nicht für den Schaden, der aus der mit dieser Beförderungsart verbundenen Gefahr entsteht. Hiervon macht die Eisenbahnverkehrsordnung zuungunsten der Bahn nur insofern eine Ausnahme, als sie bestimmt, daß auffallender Ge wichtsabgang oder der Verlust ganzer Stücke nicht als ein solcher Schaden anzusehen ist. Daß der in Rede stehende Wein in offenen Wagen zu verladen war, kann nach dem deutschen Eisenbahngütertarif, Teil l, Abteilung B, gültig vom 1. April 1918, nicht zweifelhaft sein. Denn nach § 44 dieses Tarifs werden sämtliche Güter, soweit sie nicht nach § 43 in bedeckten Wagen befördert werden müssen, in offenen
Wagen befördert. Eine der Sondervorschriften des § 43 trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu; vielmehr wird im Verzeichnis IV des Tarifs unter Nr. 71 „Wein in Fässern mit einem Fassungsraum von mindestens 500 Litern" ausdrücklich unter den Gütern genannt, die „zur Beförderung in großräumigen offenen Wagen zugelassen" sind. Die Revision wendet sich zwar gegen die Zulässigkeit dieser Regelung und sucht auszuführen, daß Weinfässer als Stückgut in bedeckten Wagen zu befördern seien. Aber alles das, was die Revision gegen die Gültigkeit der Tarifvorschriften vorbringt, erscheint nicht stichhaltig angesichts des Umstandes, daß die Aufstellung der Tarife, und dem gemäß auch die Regelung aller für den Besörderungsvertrag maß gebenden Bestimmungen nach § 6 Abs. 1 EVO. dem pflichtmäßigen Ermeffen der Eisenbahn überlassen ist, und daß das Gesetz die Ver wendung bedeckter Wagen als Regelfall, wie es die Revision annimmt, nirgends vorschreibt. Auch übersieht die Revision, daß im vorliegenden Falle die Weinfässer nicht als Stückgüter, sondern als Wagenladungs gut aufgegeben worden sind. Danach ist mit dem Berufungsgericht die allgemeine Voraussetzung des § 459 Nr. 1 HGB. (§ 86 Nr. 1 EVO.), daß die Beförderung in offenen Wagen auf Grund des Tarifs erfolgte, zu bejahen. Es erscheint ferner unbedenklich, daß durch die Verwendung offener Wagen, im Vergleich mit der Güterbeförderung in bedeckten Wagen, die Einwirkung der Witterungsverhältniffe auf das Gut erhöht und die Gefahr des Diebstahls vergrößert wurde. Deshalb kann es nicht als rechtsirrtümlich angesehen werden, wenn das Berufungsgericht das durch die Junihitze herbeigeführte Eintrocknen und Undichtwerden der Faßdauben und das Berauben der Fässer zu den Gefahren rechnet, die unter die genannten Befreiungsvorschriften fallen. Daß tatsächlich ein solches Eintrocknen der Dauben oder ein Berauben der Fässer stattgefunden hat, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden. Einer solchen Feststellung bedurfte es auch nicht, da Absatz 2 der vorgenannten Gesetzesvorschriften für jeden Schaden, der aus der fraglichen Gefahr entstehen konnte, die Vermutung auf stellt, daß er aus der Gefahr entstanden ist. ... Dagegen rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht die Vorschrift des § 86 Nr. 1 EVO., nach welcher die Haftungs beschränkung bei auffallendem Gewichtsverlust nicht eintreten soll, irr tümlich ausgelegt habe. Der Zusatz, daß unter dem Schaden, der aus der Beförderung des Guts in offenen Wagen entsteht, „auffallender Gewichtsabgang oder der Verlust ganzer Stücke nicht zu verstehen ist", beruht augenscheinlich auf der Erwägung, daß aus der Verwendung offener Wagen sich neben schädlichen Witterungseinflüssen hauptsächlich die Gefahr des Diebstahls ergab. Für erhebliche Verluste durch Dieb stahl wollte man die Eisenbahn haften lassen, und deshalb nahm man
in die Eisenbahnverkehrsordnung zuungunsten der Eisenbahn jene allgemein gehaltene und nicht etwa auf den Fall des Diebstahls be schränkte Äusnahmevorschrift auf, die ihr Vorbild bereits im § 67
des Eisenbahnbetriebsreglements vom 11. Mai 1874 hatte. Hier ist für Güter, die sonst in gedeckten Wagen verladen, infolge besonderer Vereinbarung aber in ungedeckten Wagen befördert werden, die Be stimmung getroffen, daß unter der mit dieser Transportart verbun denen Gefahr, für die die Eisenbahn gewöhnlich nicht haftet, „auf fallender Gewichtsabgang oder Abgang von ganzen Kolli" nicht ver standen werden soll. Schon unter der Herrschaft des Betriebsreglements durfte also die Bahn bei auffallendem Gewichtsabgang oder Verlust ganzer Stücke sich nicht darauf berufen, daß der Verlust durch die ordnungsmäßige Verwendung offener Wagen herbeigesührt worden sei, und an dieser Bestimmung ist in der jetzt gültigen ebenso wie in den älteren Eisenbahnverkehrsordnungen festgehalten worden (Rundnagel, Die Haftung der Eisenbahn, 2. Aust. S. 177flg., Eger, Eisenbahn verkehrsordnung § 86 Sinnt. 457, 3. Anst. S. 480). Als „auffallender" Gewichtsabgang ist (mit Rundnagel a. a. O. S. 178) ein solcher zu verstehen, der dasjenige Maß übersteigt, das mit den Gefahren einer regelrecht verlaufenden Beförderung verbunden zu sein pflegt und in ihnen seine Erklärung findet. Im vorliegenden Falle fehlten nun an der einen Wagenladung von 6960 kg insgesamt 1509 1, die ungefähr ebenso vielen kg gleichzurechnen find, an der anderen von 6580 kg insgesamt 3211, gleich ebenso vielen kg. Daß diese Gewichtsverluste „auffallend" im Sinne der obigen Ausführungen sind, leuchtet ohne weiteres ein. Dessen ungeachtet hält das Berufungsgericht die Ausnahme vorschrift hier gegenüber der Eisenbahn nicht für anwendbar, weil sie sich nur auf Fälle beziehe, bei denen die Schadensursache unerklärlich sei, hier aber nur Eintrocknen der Dauben, Diebstahl oder Leckage infolge Beschädigung der Fässer in Frage komme. Zur Unterstützung seiner Ansicht verweist es auf die in RGZ. Bd. 70 S. 175 abgedruckte Entscheidung des Reichsgerichts und auf Eger a. a. O., wo die Ent scheidung gebilligt wird. Der damals behandelte Fall war aber vom gegenwärtigen grundsätzlich verschieden. Dort war während der Be förderung ein Möbelwagen mit Umzugsgut, der auf einen offen gebauten Wagen gesetzt war, durch Brand vollständig zerstört worden. Die Gerichte hatten zugunsten der Eisenbahn den mit tz 86 Nr. 1 EVO. übereinstimmenden § 77 Nr. 1 der alten EVO. angewendet, und die Revisionsrüge, daß „Verlust ganzer Stücke" vorliege und deshalb die Haftung der Eisenbahn bestehe, wurde vom Reichs gericht mit der Begründung abgelehnt, daß die Ausnahmevorschrift nur Fälle treffen wolle, bei denen die Ursache des Verlustes unaufgeklärt
fei, daß sie vor allem die Möglichkeit von Diebstählen ins Auge fasse, aber unanwendbar sei, wenn die Ursache der Vernichtung des Gutes bekannt fei und in einem Brand bestehe, der das Gut gänzlich zerstört habe. Diese Erwägungen passen in keiner Weise zum vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht führt selbst aus, daß hier die Ursache des Gewichtsabganges nicht aufgeklärt sei; es rechnet mit der Möglich keit des Eintrocknens der Dauben, des Diebstahls und bei zwei Fässern auch mit der Möglichkeit der mangelhaften Verladung. Gerade Dieb stahl, auf den, wie jene Entscheidung zutreffend heroorhebt, die Aus nahmevorschrift in erster Linie zugeschnitten ist, kommt im vorliegenden Falle als eine der möglichen Schadensursachen mit in Betracht. Wenn das Berufungsgericht das Anwendungsgebiet der Ausnahmevorschrift auf Fälle beschränkt, bei denen die Schadensursache unerklärlich ist, und sich hierfür auf jene Entscheidung des Reichsgerichts beruft, so trägt es in sie etwas hinein, was darin nicht enthalten und auch mit dem Gedankengange der Urteilsgründe unvereinbar ist. Hiernach be steht kein Anlaß, der Ausnahmevorschrift, die ihrem Wortlaute unb Sinne nach auf den vorliegenden Fall zutrifst, die Anwendbarkeit zu versagen. Eben weil der Gewichtsabgang ein „auffallender" und seine Entstehungsursache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungs gerichts nicht aufgeklärt ist, kann die Eisenbahn eine Befreiung von der ihr nach § 456 HGB. (§ 84 EVO.) allgemein obliegenden Haftpflicht hier aus der Vorschrift des § 459 Nr. 1 HGB. (§ 86 9ir. 1 EVO.) nicht herleiten. In zweiter Reihe wendet das Berufungsgericht zugunsten des Beklagten die Befreiungsvorschrift des § 459 Nr. 3 HGB. (§ 86 Nr. 3 EVO.) an, diese freilich nur insoweit, als zwei Fässer bei der Ankunft in B. Stab- und Daubenbruch aufwiesen. Es geht davon aus, daß nach Abschnitt II des Gütertarifs Teil I Abteilung B dem Absender selbst die Verladung der Güter obgelegen habe und deshalb die Eisenbahn nach der eben genannten Befreiungsvorschrift nicht hafte für den Schaden, der aus der mit dem Ausladen oder mit einer mangelhaften Verladung verbundenen Gefahr entstehe. Weiter berück sichtigt es, daß nach § 459 Abs. 2 (§ 86 Abs. 2) in Ansehung solcher Schäden, die aus der fraglichen Gefahr entstehen konnten, die Ver mutung besteht, daß sie aus dieser Gefahr auch wirklich entstanden sind. Demgemäß gelangt es zu dem Ergebnis, daß an den beiden Fässern mit Stab- und Daubenbruch der Gewichtsverlust auch durch eine Beschädigung beim Ausladen oder durch mangelhafte Verladung herbei geführt sein könne und der Beklagte hierfür nicht zu haften brauche. Hiergegen wendet sich die Revision, indem sie die Rechtmäßigkeit der Tarifbestimmung über die Selbstverladung anzweifelt und die Nichterhebung des von der Klägerin angetretsnen Gegenbeweises rügt.
Hinsichtlich des Ausladens der Güter schreibt der Tarif in § 42 Abs. 1 vor, daß Wagenladungsgüter vom Absender zu verladen sind, sofern nicht die Eisenbahn diese Leistung gegen die im Nebengebührentarif festgesetzten Gebühren übernimmt. Dem wird im Absatz 3 noch hinzu gefügt, daß der Absender die Übernahme des Ausladens im Fracht
briefe zu beantragen hat. Weshalb diese Vorschriften nicht rechts wirksam sein sollen, ist nicht ersichtlich. Sie gehören zu den für den Beförderungsverlrag maßgebenden Bestimmungen, über die nach § 6 Abs. 1 EVO. die von der Eisenbahn aufzustellenden Tarife Auskunft geben sollen. Ein Antrag auf Übernahme der Verladung ist aber in
den Frachtbriefen nicht gestellt worden. Unbeachtlich erscheint auch die weitere Rüge der Revision. Denn die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Erhebung des angetretenen Sachverständigenbeweises abgelehnt hat, ist nicht zu bean standen. Es ist in der Tat nicht einzusehen, daß ein Sachverständiger, der die Fässer nicht einmal gleich noch der Ankunft gesehen hat, jetzt ein maßgebliches Urteil über die Entstehung des Verlustes und besonders über die Ursache für den Stab- • und Daubcnbruch sollte abgeben können. Wenn das Berufungsgericht es als möglich ansieht, daß der Stab- und Daubenbruch schon bei der Verladung oder als eine Folge mangelhafter Verladung entstanden ist und während der Beförderung die Ursache für das Auslaufen eines Teiles des Weins aus den beiden Fässern gebildet hat, so handelt es sich hierbei um eine Erwägung, die auf tatsächlichem Gebiete liegt und in der Revisionsinstanz nicht nach geprüft werden kann. In rechtlicher Beziehung genügt diese Annahme, um die Anwendung des § 459 Nr. 3 HGB. (§ 86 Nr. 3 EVO.) zu rechtfertigen, unter die hauptsächlich Schäden fallen, die nach der Ver ladung, aber infolge der Ausführung der Verladung, entstanden sind. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts erstreckt sich die Haftbesreiung des Beklagten, soweit sie aus § 459 Nr. 3 (§ 86 Nr. 3) hergeleitet wird, nur auf die beiden Fässer mit Stab- oder Daubenbruch, aus denen zusammen 894 1 Wein abhanden gekommen sind....
23. 1. Darf der Hypothekengläubiger, der einen dinglichen Vollstreckungslitel besitzt «nd seine persönliche Forderung nach § 64 KO. avgemeldet hat, wegen des dinglichen Anspruchs die Veräußerung und Entfernung von Zubehör des Grundstücks aufechten? Behält er dieses Recht, auch wenn sein Hypothekenrecht am Grundstück selbst durch Zuschlag «lischt? 2. Steht seinem Anfechtungsrecht die Einrede der Rechts hängigkeit oder des Verzichts entgegen, wenn er einer AufechtuugSklage des Konkursverwalters als Streitgehilfe beigetreten ist?
Hinsichtlich des Ausladens der Güter schreibt der Tarif in § 42 Abs. 1 vor, daß Wagenladungsgüter vom Absender zu verladen sind, sofern nicht die Eisenbahn diese Leistung gegen die im Nebengebührentarif festgesetzten Gebühren übernimmt. Dem wird im Absatz 3 noch hinzu gefügt, daß der Absender die Übernahme des Ausladens im Fracht
briefe zu beantragen hat. Weshalb diese Vorschriften nicht rechts wirksam sein sollen, ist nicht ersichtlich. Sie gehören zu den für den Beförderungsverlrag maßgebenden Bestimmungen, über die nach § 6 Abs. 1 EVO. die von der Eisenbahn aufzustellenden Tarife Auskunft geben sollen. Ein Antrag auf Übernahme der Verladung ist aber in
den Frachtbriefen nicht gestellt worden. Unbeachtlich erscheint auch die weitere Rüge der Revision. Denn die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Erhebung des angetretenen Sachverständigenbeweises abgelehnt hat, ist nicht zu bean standen. Es ist in der Tat nicht einzusehen, daß ein Sachverständiger, der die Fässer nicht einmal gleich noch der Ankunft gesehen hat, jetzt ein maßgebliches Urteil über die Entstehung des Verlustes und besonders über die Ursache für den Stab- • und Daubcnbruch sollte abgeben können. Wenn das Berufungsgericht es als möglich ansieht, daß der Stab- und Daubenbruch schon bei der Verladung oder als eine Folge mangelhafter Verladung entstanden ist und während der Beförderung die Ursache für das Auslaufen eines Teiles des Weins aus den beiden Fässern gebildet hat, so handelt es sich hierbei um eine Erwägung, die auf tatsächlichem Gebiete liegt und in der Revisionsinstanz nicht nach geprüft werden kann. In rechtlicher Beziehung genügt diese Annahme, um die Anwendung des § 459 Nr. 3 HGB. (§ 86 Nr. 3 EVO.) zu rechtfertigen, unter die hauptsächlich Schäden fallen, die nach der Ver ladung, aber infolge der Ausführung der Verladung, entstanden sind. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts erstreckt sich die Haftbesreiung des Beklagten, soweit sie aus § 459 Nr. 3 (§ 86 Nr. 3) hergeleitet wird, nur auf die beiden Fässer mit Stab- oder Daubenbruch, aus denen zusammen 894 1 Wein abhanden gekommen sind....
23. 1. Darf der Hypothekengläubiger, der einen dinglichen Vollstreckungslitel besitzt «nd seine persönliche Forderung nach § 64 KO. avgemeldet hat, wegen des dinglichen Anspruchs die Veräußerung und Entfernung von Zubehör des Grundstücks aufechten? Behält er dieses Recht, auch wenn sein Hypothekenrecht am Grundstück selbst durch Zuschlag «lischt? 2. Steht seinem Anfechtungsrecht die Einrede der Rechts hängigkeit oder des Verzichts entgegen, wenn er einer AufechtuugSklage des Konkursverwalters als Streitgehilfe beigetreten ist?
3. Kann ihm die Einrede der Vorteilsansgleichung entgegen gesetzt werden, wenn er das Grundstück nach der Entfernung des Zubehörs als Meistbietender vorteilhaft erstanden hat? VII. Zivilsenat. Urt. v. 1. Oktober 1920 L S. M. (Bekl.) w. Deutsche Ansiedelungsbank (Kl.). VII 92/20. I. Landgericht Potsdam. — II. Kammergericht Berlin.
Durch notariellen Kaufvertrag vom 15. Dezember 1910 hatte der Gutsbesitzer W. von dem Gutsbesitzer M. dessen Besitzung mit lebendem und totem Inventar für 550000 Jt erworben. Von dem Restkauf gelde waren 40000 Jt mit 4% Zinsen für die Klägerin in Abt. III Nr. 15 und 110000 Jt mit 4°/0 Zinsen für M. in Abt. III Nr. 16, zu gleichen Rechten mit Nr. 15, eingetragen worden. W. konnte sich auf dem Gute nicht halten und geriet am 22. Juli 1911 in Konkurs. Schon vorher aber, im April und Mai 1911, soll er den größten Teil des lebenden und toten Inventars an die in dem Nebenprozeß Ansiedlungsbank gegen D. und Genossen beklagten Personen und an den Beklagten des vorliegenden Prozesses veräußert und verschoben haben. Dem hier Beklagten verkaufte er am 1. Mai 1911 die ganze Kuhherde von 77 Stück zum Preise von noch nicht 350 Jt das Stück, der Beklagte konnte aber wegen Mangels an Eisenbahnwagen nur 64 Stück fortschaffen, während der Rest von 13 Stück zurückblieb und später an D. veräußert wurde. Die Klägerin erwirkte am 14. Juli 1911 wegen ihrer Hypotheken forderung von 40000 Jt einen dinglichen und persönlichen Voll streckungstitel (Versäumnisurteil) und M. am 11. Juli 1911 einen eben solchen Titel wegen eines Teilbetrages seiner Hypothekenforderung, in Höhe von 60000 Jt. M. trat dann am 1. Mai 1912 alle seine Ansprüche aus diesem Schuldtitel in beglaubigter Form der Klägerin ab. In der auf seinen Antrag betriebenen Zwangsversteigerung des Gutes war inzwischen, am 13. November 1911, seine ganze Forderung ausgefallen, die Hypothekenforderung der Klägerin, die mit Zinsen und Kosten auf 40986,67 Jt berechnet wurde, nur in Höhe von 422,oi Jt zur Hebung gelangt. Die Klägerin hat als absonderungsberechtigte Hypothekengläubigerin wegen Beeinträchtigung ihres und des M. Hypothekenrechts die Veräuße rung der Kühe auf Grund des ß 3 Nr. 1 AnsG. angefochten. Sie be rechnet den Wert der Kühe, die der Beklagte inzwischen anderweit ver kauft hat, auf 450 Jt das Stück, zusammen für 64 Kühe rund 28000 Jt, und hat mit der Klage Zahlung der 28000 Jt nebst Zinsen gefordert.
Der Beklagte wandte ein. durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren seien die Hypothekenrechte erloschen, auch habe die Klägerin dadurch, daß sie in dem Anfechtungsprozesse, den der Konkursverwalter gegen den Beklagten erhob, diesem als Streit gehilfin beigetreten sei, auf ihr Sonderrecht verzichtet. Im übrigen fehle es sowohl an der Benachteiligung der Klägerin als auch an der Absicht W.s, seine Gläubiger zu benachteiligen, und an deren Kenntnis auf Seiten des Beklagten. Die Klägerin habe das Gut für 305000 M erstanden und durch Veräußerung der einzelnen Teile zusammen 496000 dl eingenommen, sonach einen Gewinn von fast 200 000 dl erzielt. W. habe nicht die Absicht gehabt, seine Gläubiger zu benach teiligen, sondern habe die Viehherde veräußert, weil in der Gegend die Maul- und Klauenseuche geherrscht und er, wie andere Nachbarn, zu viehloser Wirtschaft habe übergehen wollen. Das Landgericht wies die Klage ab, weil es den Anspruch durch den Zuschlag für erledigt erachtete. Das Kammergericht aber erließ ein Teilurteil, worin es unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zur Zahlung von 22400 dl nebst 4°/0 Zinsen seit Zu stellung der Klage verurteilte. Es war dies der unstreitige Wert der 64 Kühe mit 350 dl das Stück. Die hiergegen vom Beklagten ein gelegte Revision ist zurückgewiesen worden. Aus den Gründen: ... Die gegen das Kl'agerecht der Klägerin gerichteten Ein wendungen hat der Berufungsrichter mit Recht verworfen. Dadurch, daß die Klägerin in dem Anfechtungsprozesie des Konkursverwalters diesem als Streitgehilfin beigetreten ist, wurde sie nicht Streitgenossin im Sinne der §§ 69, 61 ZPO. (IW. 1889 S. 203 Nr. 1), so daß von einer Rechtshängigkeit schon aus diesem Grunde nicht gesprochen werden kann. Der hier geltend gemachte, das Absonderungsrecht der Klägerin verfolgende Anspruch ist aber auch ein ganz anderer als der Anfechtungsanspruch des Konkursverwalters, der für die Klägerin nur dann und nur insoweit in Betracht kommt, als sie mit dem Ab sonderungsanspruch nicht zum Ziele gelangt. Wegen dieser ver schiedenen Natur der Ansprüche kann auch, wie der Berufungsrichter mit Recht angenommen hat, in der dem Konkursverwalter geleisteten Streithilfe kein Verzicht auf das Absonderungsrecht gefunden werden (RGZ. Bd. 16 S. 36, 70). Nicht zu bezweifeln ist, daß die Ver äußerung und Entfernung von Zubehörstücken, wenngleich sie nach § 1121 BGB. das Hypothekenrecht des Gläubigers insoweit zum Er löschen bringt, beim Vorhandensein der Voraussetzungen des Anfech tungsgesetzes vom Hypothekengläubiger als ihm gegenüber unwirksam angefochten werden kann (Gruchot Bd. 57 S. 1005). Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß in der Zwangsversteigerung,
die veräußerte und entfernte Gegenstände nicht erfaßt, durch die Ver steigerung und den Zuschlag.des Grundstücks das Hypothekenrecht an diesem erlischt. Die vorgängige Inanspruchnahme des Grundstücks ist nach § 2 AnfG. Voraussetzung der Anfechtung, seine Verwirklichung kann die Anfechtung unerlaubter, vom Zwangsversteigerungsverfahren nicht berührter Veräußerungen seitens des benachteiligten Hypotheken gläubigers nicht beeinträchtigen (vgl. IW. 1917 S. 478 Nr. 21). Daß die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 AnfG. vorliegen, hat der Berufungsrichter festgestellt. (Wird näher ausgeführt.) Die hier gegen von der Revision erhobenen Angriffe bewegen sich auf tatsäch lichem Gebiet.... Zu erwähnen wäre nur der vom Berufungsrichter nicht erörterte Einwand des Beklagten, daß die Klägerin durch die vorteilhafte Ersteigerung des Gutes wegen aller ihrer Nachteile ab gefunden sei. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts läßt allerdings bei Schadensersatzansprüchen die Vorteilsausgleichung zu, wenn der Vorteil auch nur die mittelbare, aber adäquate Folge des schädigenden Ereignisses ist (vgl. RGZ. Bd. 84 S. 388). Aber zunächst handelt es sich hier nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen Anfechtungsanspruch, der mit jenem nicht zusammenfällt (RGZ. Bd. 74 S. 224), und sodann ist der ursächliche Zusammenhang der vorteil haften Ersteigerung mit der Beiseiteschaffung der Kuhherde nicht er sichtlich. Endlich aber konnte der Einwgnd schon deshalb nicht durch greifen, weil der Klägerin nicht bloß der eigene, sondern auch der abgetretene Anspruch des Hypothekengläubigers M. zur Seite steht.
24. Uber Seeversicherung aus veränderter SchiitzuugSgruudlage uud Versicherung von imaginärem Gewinn sowie über die Bezeichnung des versicherten Jutereffes. I. Zivilsenat. Urt. v. 2. Oktober 1920 l S. Teutsche Rückvers. Aktienges. (Bekl.) w. I. W. W. (Kl.). I 88/20. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. —II. Oberlandesgericht daselbst.
Es handelt sich um die in RGZ. Bd. 94 S. 268 flg. abgedruckte Sache. Nach der weiteren Verhandlung vor dem Berufungsgericht hatte der von der Klägerin mit der Liberianischen Regierung geschloffene Vertrag folgenden Inhalt: In Liberia sollten neue Briefmarken von neuer Zeichnung eingeführt werden. Die Klägerin verpflichtete sich, die Marken Herstellen zu laffen und der Regierung kostenfrei zu liefern. Dafür erhielt sie das Recht, weitere Mengen der Marken von den Postbehörden in Liberia abstempeln zu lassen und außerhalb Liberias
die veräußerte und entfernte Gegenstände nicht erfaßt, durch die Ver steigerung und den Zuschlag.des Grundstücks das Hypothekenrecht an diesem erlischt. Die vorgängige Inanspruchnahme des Grundstücks ist nach § 2 AnfG. Voraussetzung der Anfechtung, seine Verwirklichung kann die Anfechtung unerlaubter, vom Zwangsversteigerungsverfahren nicht berührter Veräußerungen seitens des benachteiligten Hypotheken gläubigers nicht beeinträchtigen (vgl. IW. 1917 S. 478 Nr. 21). Daß die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 AnfG. vorliegen, hat der Berufungsrichter festgestellt. (Wird näher ausgeführt.) Die hier gegen von der Revision erhobenen Angriffe bewegen sich auf tatsäch lichem Gebiet.... Zu erwähnen wäre nur der vom Berufungsrichter nicht erörterte Einwand des Beklagten, daß die Klägerin durch die vorteilhafte Ersteigerung des Gutes wegen aller ihrer Nachteile ab gefunden sei. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts läßt allerdings bei Schadensersatzansprüchen die Vorteilsausgleichung zu, wenn der Vorteil auch nur die mittelbare, aber adäquate Folge des schädigenden Ereignisses ist (vgl. RGZ. Bd. 84 S. 388). Aber zunächst handelt es sich hier nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen Anfechtungsanspruch, der mit jenem nicht zusammenfällt (RGZ. Bd. 74 S. 224), und sodann ist der ursächliche Zusammenhang der vorteil haften Ersteigerung mit der Beiseiteschaffung der Kuhherde nicht er sichtlich. Endlich aber konnte der Einwgnd schon deshalb nicht durch greifen, weil der Klägerin nicht bloß der eigene, sondern auch der abgetretene Anspruch des Hypothekengläubigers M. zur Seite steht.
24. Uber Seeversicherung aus veränderter SchiitzuugSgruudlage uud Versicherung von imaginärem Gewinn sowie über die Bezeichnung des versicherten Jutereffes. I. Zivilsenat. Urt. v. 2. Oktober 1920 l S. Teutsche Rückvers. Aktienges. (Bekl.) w. I. W. W. (Kl.). I 88/20. I. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. —II. Oberlandesgericht daselbst.
Es handelt sich um die in RGZ. Bd. 94 S. 268 flg. abgedruckte Sache. Nach der weiteren Verhandlung vor dem Berufungsgericht hatte der von der Klägerin mit der Liberianischen Regierung geschloffene Vertrag folgenden Inhalt: In Liberia sollten neue Briefmarken von neuer Zeichnung eingeführt werden. Die Klägerin verpflichtete sich, die Marken Herstellen zu laffen und der Regierung kostenfrei zu liefern. Dafür erhielt sie das Recht, weitere Mengen der Marken von den Postbehörden in Liberia abstempeln zu lassen und außerhalb Liberias
zu verkaufen, insbesondere an Sammler. Sie hatte dafür 2000 en Einwirkungen von Amtshandlungen auszusetzen, mit deren Urheber er in einen unmittel baren Verkehr überhaupt nicht getreten ist. Es ist daher nur recht und billig und deshalb selbstverständlich, daß, soweit es nötig wird, der Staat, der ja seine Beamten kennt, dem durch ihr Verhalten Ge schädigten Auskunft über die Persönlichkeit der beteiligten Beamten gibt, nicht umgekehrt der Geschädigte dem Staate. Und wenn es im einzelnen Falle ausnahmsweise unmöglich ist, die Person des Beamten festzustellen, dann muß einen hierdurch begründeten Nachteil nicht der außerhalb der Beamteneinrichtung stehende Dritte, sondern der Staat tragen, dessen Einrichtung diese Unmöglichkeit verursacht hat. Auch das Gesetz selbst fordert nach seinem Wortlaut für die Haftung des Staates nur, daß „ein unmittelbarer Staatsbeamter", also irgendeiner, sich im Sinne des § 839 BGB. verantwortlich gemacht habe (§ 1 Ges. v. 1. Aug. 1909). Der Staat kann deshalb seine Haftung nicht aus dem Grunde ablehnen, daß ihm durch die Unmöglichkeit, die Person des schuldigen Beamten festzustellen, die Verteidigung erschwert und die Möglichkeit eines Rückgriffes genommen werde. In diesem Sinne ist die Bestimmung des Gesetzes schon bei den gesetzgeberischen Ver handlungen (vgl. Kommiss. Bericht S. 3) verstanden worden, und in dem gleichen Sinne wird sie auch von der Rechtsprechung angewendet. Daß aber die Schuld einen unmittelbaren Staatsbeamten, nicht etwa einen Privatbediensteten oder sonstigen Nichtbeamten trifft, stellt das Berufungsgericht mit der Begründung einwandfrei fest, daß eine Be teiligung von Nichtbeamten nach der erfahrungs- und regelmäßigen Art der Personalzusammensetzung der Katasterämter nicht anzunehmen und ein Ausnahmefall vom Beklagten nicht behauptet worden sei. Das Berufungsgericht durfte bis zum Beweise des Gegenteils durch dm Beklagten vom Regelfälle ausgehen. Es hatte auch keinen Anlaß zur Ausübung des Fragerechts.. ..
28. Hat die Eisenbahn bei Verlust des Frachtguts den gemeine« Handelswert oder den gemeinen Wert auch dann zu ersetzen, wenn der Berechtigte dadurch einen Gewinn erzielt, der die in der BBO. gegen Preistreiberei vom 8. Mai 1918 gezogenen Grenzen über schreitet? I. Zivilsenat. Urt. v. 6. Oktober 1920 i.S. L.-B.-Eisenbahnges. (Bekl.) w. K. (Kl.). I 135/20. I. Landgericht Lübeck, Kammer für Handelssachen.—II. Oberlandesgericht Hamburg.
Die Klägerin verlangt von der beklagten Eisenbahngesellschaft Schadensersatz für 1859 Liter Moselwein, die während der Beförderung mit der Bahn Ende August 1918 in Verlust geraten sind. Der Be rechnung des Schadens legt sie den gemeinen Handelswert zugrunde. Die Beklagte erklärt diese Berechnung für unzulässig, weil der Wein dreiviertel Jahr vor dem Verluste für die Hälfte des jetzt verlangten Preises eingekauft worden sei, mithin die Klägerin bei ihrer Schadens berechnung einen Gewinn erzielen würde, der durch die Bundesrats verordnung gegen Preistreiberei vom 8. Mai 1918 verboten sei. DieBeklagte hat deshalb nur einen Teil des eingeklagten Betrags bezahlt. Das Landgericht gab der Klage in vollem Umfange statt. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Gründe: § 430 HGB. bestimmt, daß, wenn ein Frachtführer für gänz lichen oder teilweisen Verlust des Frachtguts Ersatz leisten muß, der gemeine Handelswert oder der gemeine Wert zu ersetzen ist, den derartiges Gut am Ort und zur Zeit der Ablieferung hatte. Nach § 457 HGB., § 88 EVO. sind statt desien für die Ersatzpflicht der Eisenbahn Ort und Zeit der Absendung maßgebend. Diese Bestimmung ist getroffen, um höhere Schadensersatzforderungen, die sich auf ein weitergehendes subjektives Interesse des Schadensersatzberechtigten gründen, auszuschließen. Es soll nicht ein individueller, sondern ein objektiver Maßstab angelegt werden (vgl. Lutz, Protokolle Teil 9 S. 4708 bis 4716). Aus der Bestimmung folgt, daß es anderseits auch nicht in Betracht kommt, wenn das subjektive Interesse des Schadensersatz berechtigten ein geringeres ist (vgl. ROHG. Bd. 13 S. 393). Während des Krieges ist nun durch die BVO. vom 8. Mai 1918derjenige für strafbar erklärt worden, welcher sich vorsätzlich für Gegen stände des täglichen Bedarfs Preise versprechen läßt, die einen über mäßigen Gewinn enthalten. Das Berufungsgericht hat sestgestellt, daß die Klägerin das Fracht gut dreiviertel Jahr vor dem Verlust um mehr als 100 °/0 billiger eingekauft hatte und somit bei Berechnung des Schadensersatzes nach dem gemeinen Handelswert, der zur Zeit der Absendung bestand, einen Gewinn machen würde, den sie nach der genannten Verordnung durch Wiederverkauf nicht machen durste. Die zu entscheidende Frage spitzt sich also darauf zu, ob durch jene Verordnung der objektive Maßstab des § 457 HGB. eine Einschränkung erfahren hat. Diese Frage ist zu verneinen. Die Verordnung spricht nur von dem Falle, daß jemand für Gegenstände des täglichen Bedarfs Preise fordert oder sich ver sprechen läßt, hat also nur den Fall einer Veräußerung derartiger Gegenstände im Auge. Bei einer Veräußerung soll kein übermäßiger-
Gewinn erzielt werden.
Da die Übermäßigkeit des Gewinns das Ver
hältnis von Einkaufspreis und Verkaufsförderung zur Grundlage hat, so sind also bei einer Veräußerung subjektive Gründe (die Höhe des Einkaufspreises im einzelnen Falle) ausschlaggebend oder jedenfalls be deutungsvoll. Aber diese gesetzliche Anordnung ist eben nur für den Kreis derjenigen Rechtsbeziehungen oder Rechtsgeschäfte getroffen, in denen gegen Entgelt eine Veräußerung erfolgt. Die sämtlichen Nummern des § 1 der Verordnung haben Bezug entweder unmittelbar auf Veräußerüngsgeschäfte oder auf Vermittelung solcher Geschäfte oder auf die Zurückhaltung von Waren zum Zwecke späterer Veräußerung zu übermäßigem Preise oder auf Steigerung des Marktpreises. Die Ver ordnung will verhindern, daß der einzelne durch Veräußerung über mäßigen Gewinn macht und daß der Preisstand künstlich getrieben wird. Das ist der Zweck des Gesetzgebers. Dann aber kann man diese Bestimmungen nicht entsprechend auf einen ganz anders gelagerten Fall anwenden, wie er hier gegeben ist. Hier handelt es sich um eine Schadensersatzforderung, die sich nicht gegen den Vertragsgegner bei einem Veräußerungsgeschäft, sondern gegen einen Dritten richtet, die auf den Preisstand ohne allen Einfluß und außerdem dsr Höhe nach anderweit nach anderen Gesichtspunkten gesetzlich geregelt ist. Unter solchen Umständen kann nicht angenommen werden, daß die BVO. auch nur ihrem Sinne nach diese andere gesetzliche Regelung habe einschränken oder umgestalten wollen. Vielmehr verbleibt es bei der im § 430 HGB. vorgeschriebenen Bestimmung der Schadensersatz forderung nach objektiven Grundsätzen, und es kann auch nicht in Be tracht kommen, ob der derzeitige Preisstand des Handelswerts etwa durch Geschäfte mit beeinflußt ist, die gegen die angeführte BVO. ver stoßen haben. Diesen Ausführungen steht die bisherige Rechtsprechung des Reichs gerichts nicht entgegen. Allerdings ist anerkannt (RGZ. Bd. 90 S. 305), daß der Käufer von seinem säumigen Verkäufer im Wege der abstrakten Schadensberechnung nicht einen Schadensersatz fordern kann, der einen unzulässigen Gewinn enthält, während bei konkreter Berechnung im Falle eines Deckungskauss gegenteilig entschieden worden ist (RGZ. Bd. 93 S. 133). Aber die Entscheidung im Falle der abstrakten Berechnung beruhte eben darauf, daß der Käufer von seinem Verkäufer nicht Ersatz eines entgangenen Gewinns verlangen darf, den er bei einem Weiter verkäufe nicht erzielen konnte, weil er angesichts seines niedrigen EinkaufsPreises nicht zum Marktpreise Weiterverkäufen durfte. Die Entscheidung bezieht sich also nur auf die Ansprüche aus einem Veräußerungs geschäfte. Sie kann nicht entsprechend auf Schadensersatzforderungen aus einem Frachtverträge angewandt werden, weil für einen solchen die Höhe der Forderung andersartig, nämlich nach objektivem Maßstabe geregelt ist.
29, 1. Inwiefern kann bei der Scheidungsklage wegen Geistes krankheit nach § 1569 BGB. zur Frage der Wiederherstellung der geistigen Gemeinschaft berücksichtigt werden, daß der Kläger die Geisteskrankheit verschuldet hat'? 2. Zur Anwendung der §§ 616, 623 ZPO. VI. Zivilsenat. Urt. v. 7. Oktober 1920 i. S. Frau Q. (Bekl.) w. ihren Mann (Kl.). VI 283/20. I. Landgericht Dresden. — IL Oberlandesgericht daselbst.
Die Parteien haben 1893 geheiratet, leben aber seit 1909 von einander getrennt. Im Februar 1912 erhob der Mann gegen die Frau Klage auf Scheidung der Ehe wegen Geisteskrankheit im Sinne des § 1569 BGB. Das Landgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Frau wies aber das Oberlandesgericht durch Urteil vom 7. Januar 1915 die Scheidungsklage wegen Geisteskrankheit sowie das nach der Beweisaufnahme gestellte Scheidungsbegehren wegen Ver fehlungen nach § 1568 BGB. ab. Es erklärte, daß die Gutachten des Dr. O., des Dr. Bü. und des Dr. Be. bei der Annahme, daß die Eifersucht der Frau einer bloßen Wahnidee entsprungen sei, von un zutreffenden Voraussetzungen ausgingen, vielmehr hätten alle Vorgänge, die ihre geistige Erkrankung belegen sollen, ihren Grund in ihrer Eifersucht gehabt, sie habe unter der Untreue ihres Mannes schwer gelitten und ihm dies durch bloßstellende Beschimpfungen entgolten, nach dem Gutachten des Psychiaters Dr. Ga. sei die Frau, die keine Schwäche des Denkvermögens aufweise und ihrem Erwerbe nachgehe, nicht in Geisteskrankheit verfallen, ihr Verhalten sei nur die Folge ihrer Eifersucht und der daraus sich ergebenden seelischen Erregtheit, ihre Verfehlungen seien daher nicht als schwere im Sinne des § 1568 zu bewerten. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden. Im März 1916 hat der Mann neue Scheidungsklage erhoben und sie ursprünglich nur auf Verfehlungen im Sinne des § 1568 BGB. gestützt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In dem Berufuogsversahren hat der Dr. O. nach einer Untersuchung der Be klagten in seinem Gutachten vom 28 April 1919 erklärt, daß die Beklagte wegen ihrer abnormen Geistes- und Gemütsverfassung, die im wesentlichen eine gleiche wie vor annähernd 10 Jahren sei, für ihre Verfehlungen nicht verantwortlich gemacht werden könne. Daraufhin hat der Kläger beantragt, die Ehe in erster Linie wegen Geistes krankheit der Beklagten nach § 1569 zu scheiden, und seinen Schei dungsantrag aus § 1568 nur in zweiter Linie aufrecht erhalten. Auf den Antrag des Klägers ist ferner der Beklagten vom Amtsgericht der Rechtsanwalt Justizrat Sch. als Pfleger nach § 1910 Abs. 2 BGB.
bestellt worden. Nach Erstattung des weiteren Gutachtens des Dr. O. vom 26. November 1919 hat dann das Oberlandesgericht die Ehe wegen Geisteskrankheit nach § 1569 geschieden, ohne auf den Schei dungsantrag aus § 1568 noch besonders einzugehen. Auf die Revision der durch ihren Pfleger vertretenen Beklagten hat das Reichsgericht die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gründe: 1. Soweit das Berufungsurteil angenommen hat, daß die Beklagte schon mindestens drei Jahre vor der letzten Berufungsverhandlung am 4. März 1920 in Geisteskrankheit verfallen war, besiehen keine durch greifenden Bedenken. Das Berufungsgericht folgt dem letzten Gut achten des Dr. O. vom 26. November 1919. Damit ist der Vorschrift des § 623 ZPO. genügt, wonach erst auf Scheidung wegen Geistes krankheit erkannt werden darf, wenn das Gericht „einen oder mehrere Sachverständige" gehört hat. Es stand danach im Ermessen des Ge richts, sich auf das Gutachten eines einzigen Sachverständigen zu be schränken, hier des Dr. O., der auch die Beklagte am 15. April 1919 persönlich untersucht hat. Eine nochmalige Vernehmung des Dr. Ga., die die Revision verlangt, war nach § 623 ZPO. in keiner Weise ge boten. Übrigens hat das Berufungsgericht die abweichende Auffassung
des Dr. Ga. ausdrücklich mitberücksichtigt, aber erklärt, sie würde, wenn Dr. Ga. an ihr festhalten würde, die Darlegungen des Dr. O. nicht entkräften; das ist eine nach § 286 ZPO nicht zu beanstandende Be weiswürdigung. — Ebensowenig ist die Rüge wegen Verletzung des § 616 ZPO. begründet. Nach dieser Vorschrift kann der mit seiner früheren Scheidungsklage aus §§ 1568, 1569 abgewiesene Kläger das Recht, die Scheidung zu verlangen, allerdings nicht mehr auf Tatsachen gründen, die er in dem früheren Rechtsstreite geltend gemacht hat oder geltend machen konnte. Aber das Gutachten des Dr. O. vom 26. No vember 1919 beruht keineswegs auf denselben Tatsachen, die nach dem früheren Urteile vom 7. Januar 1915 zur Bejahung einer Geistes krankheit nicht für ausreichend befunden worden sind. Vielmehr legt der Sachverständige, indem er in zulässiger Weise dabei von dem früheren Geisteszustände der Beklagten ausgeht, das entscheidende Ge wicht auf die neue Tatsache, daß der damalige Zustand der Beklagten sich seit 1915 derart verschlimmert habe, daß er nunmehr als Geistes krankheit bezeichnet werden müsse: ihr Querulieren richte sich jetzt mit erhöhter Reizbarkeit und Erregung gegen eine größere Anzahl von Personen und ihre krankhaften Vorstellungen zeigten das Bild einer Verallgeneinerung. Dieser Auffassung des Sachverständigen konnte sich das Berufungsgericht nach § 286 ZPO. ohne weiteres anschließen, und zwar ohne durch die Vorschrift des § 616 ZPO. daran gehindert zu sein.
2. Eine andere Frage ist aber, ob diese Geisteskrankheit, wie es § 1569 verlangt, auch einen solchen Grad erreicht hat, daß die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben, auch jede Aussicht auf Wiederherstellung dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist. Das Berufungsgericht glaubt diese Frage mit den Worten des Gesetzes bejahen zu dürfen, indem es hierfür, statt eine selbständige Begründung zu geben, sich lediglich die Darlegungen in dem Gut achten des Dr. O. zu eigen macht. Aber dieses Gutachten kann in keiner Weise jenen den Gesetzesworten entsprechenden Ausspruch ches Berufungsgerichts rechtlich begründen. Zwar spricht der Sachverständige eingangs des Gutachtens von der Aufhebung der geistigen Gemein schaft zwischen den Eheleuten; er versteht aber unter der geistigen Ge meinschaft nach seinen weiteren Ausführungen anscheinend bloß ein erneutes „Zusammenleben", eine „Wiederaufnahme der ehelichen Ge meinschaft", ein „friedlich gemeinschaftliches Eheleben", und hält bloß dieses infolge der Geisteskrankheit der Beklagten für aufgehoben. Darin würde eine Verkennung des im § 1569 erforderten Grades der Geistes krankheit liegen, der nicht schon dann erreicht ist, wenn infolge der Geisteskrankheit die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft auf gehoben erscheint. Vielmehr ist unter der Aufhebung der geistigen Gemeinschaft im Sinne des § 1569 die Unfähigkeit des geisteskranken Ehegatten zu verstehen, an dem, was das Leben der Eheleute erfüllt, geistigen Anteil zu nehmen und sich in dieser Hinsicht durch Hand lungen, die sich als Ausfluß des gemeinsamen Denkens und Fühlens der Ehegatten darstellen, auch zu betätigen (Urteil des Senats vom 8. Januar 1920 VI 329/19 in Leipz. Z. 1920 Sp. 649 Nr. 11). Hierüber gibt aber das Gutachten keine zuverlässige Aufklärung, um daraufhin feststellen zu können, daß die Beklagte, obwohl sie ihrerseits am Bestände der Ehe festzuhalten und sich die Stellung einer Ehefrau zu wahren sucht, infolge ihrer Geisteskrankheit jedes geistige Verständnis und Empfinden für die gemeinsamen Angelegenheiten des Ehelebens eingebüßt haben sollte. Zudem fehlt für die Annahme, daß bei der Beklagten jede Aus sicht auf Wiederherstellung der geistigen Gemeinschaft ausgeschlossen ist, eine ausreichende tatsächliche Grundlage und eine erschöpfende Wür digung des hier besonders eigenartig gelegenen Sachverhalts. Den Ausgangspunkt für die Beurteilung dieses Scheidungserfordernisses hat die von der Beklagten behauptete und auch von Dr. Ga. bestätigte Tatsache zu bilden, daß der krankhafte Zustand der Beklagten, der in den letzten drei Jahren zur Geisteskrankheit fortgeschritten ist, sich unter dem Einfluß ihrer begründeten Eifersucht über ihren ungetreuen Mann und der sich daraus ergebenden seelischen Erregung entwickelt habe. Die Revision ist der Meinung, daß dem Kläger deswegen, weil er die
Geisteskrankheit der Beklagten durch sein ehebrecherisches Verhalten verschuldet habe, das Recht, auf Scheidung aus § 1569 zu klagen, überhaupt zu versagen sei; gebe auch der § 1569 selbst, der die Geisteskrankheit als absoluten Scheidungsgrund behandelt, dazu keine unmittelbare Handhabe, so sei doch zu erwägen, ob nicht der Grund gedanke des § 1565 Abs. 2, wonach die Scheidungsklage wegen Ehe bruchs im Falle schuldhafter Beteiligung des Scheidungsklägers an jenem Ehebruch ausgeschlossen werde, wenigstens entsprechend an zuwenden sei, oder ob nicht sogar dem Kläger hier die auf allen Rechts gebieten anerkannte Einrede der Arglist entgegenstehe. Diese Er wägungen können aber auf sich beruhen bleiben, da das Scheidungs begehren des Klägers aus § 1569 hier aus anderen Gründen, die allerdings auch mit dem ehewidrigen Verhalten des Klägers eng Zu sammenhängen, beanstandet werden muß. Denn die Beklagte hat dem Kläger entgegengehalten, daß sich zwischen ihnen wohl ein Einvernehmen wiederherstellen lasse, wenn der Kläger sein ehewidriges Verhalten ändern und für sie in gehöriger Weise sorgen werde. Dieser Einwand muß nach Lage der Sache durchgreifen. Dr. O. führt ausdrücklich aus, durch eine solche Umkehr des Klägers zur Beklagten könnten ihre Wahnideen, wenn auch erst nach langer Zeit, zum Einschläfern gebracht werden, sie würden aber gerade durch das Zusammenleben beider sehr bald aufs neue ent flammen; und am Schluffe seines Gutachtens meint er, durch ein ge ändertes Verhalten des Klägers könne die Krankheit der Beklagten nicht völlig geheilt werden. Diese ärztliche Begutachtung, die daS Berufungsgericht seinen Feststellungen zugrunde legt, kann jedoch die Annahme, daß danach jede Aussicht auf Wiederherstellung einer geistigm Gemeinschaft zwischen den Ehegatten ausgeschlossen sei, nicht rechtfertigen. Das Berufungsgericht nimmt selbst an, daß, wenn der Kläger sich der Beklagten in ehelicher Gesinnung wieder zuwenden würde, wenigstens eine Besserung ihres Krankheitszustandes nicht aus geschlossen erscheint- wenn auch bei einem erneuten Zusammenleben mit Rückfällen zu rechnen und völlige Heilung nicht zu erwarten sei. Dabei wird aber übersehen, daß die geistige Gemeinschaft zwischen dm Ehegatten, auf die es allein nach § 1569 ankommt, keineswegs mit einem beiderseitigen Zusammenleben zusammenzufallen braucht und an sich auch zwischen getrennt lebenden Ehegatten bestehen kann. Sodann verkennt das Berufungsgericht, daß zur Wiederherstellung der geistigen Gemeinschaft nicht notwendig eine völlige Heilung erforderlich ist, sondern daß auch schon eine gewisse Abschwächung des Grades der Geisteskrankheit der Beklagten ausreichen würde. Vor allem aber — und diese Erwägung gibt hier den Ausschlag — muß dem Kläger auch vom sittlichen, dem Wesen der Ehe entsprechenden Standpunkt
auferlegt werden, daß er, bevor seinem Scheidungsbegehren aus § 1560 stattgegeben werden könnte, seinerseits alles versucht hat, mit der durch seine eheliche Untreue schwer gekränkten und infolgedessen aus Eifer sucht seelisch erkrankten Beklagten wieder ein erträgliches eheliches Ver hältnis wiederherzustellen. Erst wenn diese Versuche scheitern sollten, kann zuverlässig beurteilt werden, ob wirklich jede Aussicht auf Wieder herstellung einer geistigen Gemeinschaft zwischen beiden ausgeschlossen erscheint. Hiernach war die Sache, da auch das weitere Scheidungsbegehren des Klägers aus § 1568 noch aussteht, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Zum Begriff der Kostbarkeit im Sinne des § 467 HGB., 88 96, 54 EVO. 2. Wie sind die Bestimmungen zu 1 anzuwenden, wenn in einem Frachtstück Gegenstände, auf die der Begriff Kostbarkeit zu trifft, vereinigt find mit solchen, auf die er nicht zutrifft?
30.
I. Zivilsenat. Urt. v. 9. Oktober 1920 i. S. Kl. u. Sch. (Kl.) w. Preuß. Eisenbahnfiskus (Bell.). 1131/20. I. Landgericht Köln. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Laut Frachtbrief voni 9. Oktober 1918 wurden in Er. der Eisen bahn 2 Kisten (KS. 1163/1164) „Seidenwaren" im Gewicht von 117 kg als Frachtgut zur Versendung nach Station Sk. übergeben. Die Kiste 1164 ist, angekommen, die Kiste 1163 nicht. Die Klägerin verlangt auf Grund des Frachtvertrags den Wert des Inhalts der Kiste, der 29667,25 Jt betragen habe, als Schadensersatz nebst Zinsen seit 9. Oktober 1918. Das Landgericht erklärte den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Auf die Berufung des Beklagten erkannte das Oberlandesgericht auf Abweisung der Klage. Die ReVision wurde zurückgewiesen. Gründe: Der Beklagte lehnt seine Haftpflicht aus dem Eisenbahnfrachtvertrage unter Berufung auf § 467 HGB, § 96 EVO. in Verb, mit § 54 (2) B Nr. 1 und Ausführungsbestimmung III 1 zu § 54 ab, weil es sich bei dem verlorrngegangenen Frachtgut um Kostbar keiten gehandelt habe und unterlassen sei, diese Eigenschaft und den Wert im Frachtbrief zu bezeichnen. Daß letzteres nicht geschehen ist, ergibt der vorgelegte Frachtbrief. Das Oberlandesgericht hat im Gegensatz zum Landgericht den Standpunkt des Beklagten gebilligt
auferlegt werden, daß er, bevor seinem Scheidungsbegehren aus § 1560 stattgegeben werden könnte, seinerseits alles versucht hat, mit der durch seine eheliche Untreue schwer gekränkten und infolgedessen aus Eifer sucht seelisch erkrankten Beklagten wieder ein erträgliches eheliches Ver hältnis wiederherzustellen. Erst wenn diese Versuche scheitern sollten, kann zuverlässig beurteilt werden, ob wirklich jede Aussicht auf Wieder herstellung einer geistigen Gemeinschaft zwischen beiden ausgeschlossen erscheint. Hiernach war die Sache, da auch das weitere Scheidungsbegehren des Klägers aus § 1568 noch aussteht, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Zum Begriff der Kostbarkeit im Sinne des § 467 HGB., 88 96, 54 EVO. 2. Wie sind die Bestimmungen zu 1 anzuwenden, wenn in einem Frachtstück Gegenstände, auf die der Begriff Kostbarkeit zu trifft, vereinigt find mit solchen, auf die er nicht zutrifft?
30.
I. Zivilsenat. Urt. v. 9. Oktober 1920 i. S. Kl. u. Sch. (Kl.) w. Preuß. Eisenbahnfiskus (Bell.). 1131/20. I. Landgericht Köln. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Laut Frachtbrief voni 9. Oktober 1918 wurden in Er. der Eisen bahn 2 Kisten (KS. 1163/1164) „Seidenwaren" im Gewicht von 117 kg als Frachtgut zur Versendung nach Station Sk. übergeben. Die Kiste 1164 ist, angekommen, die Kiste 1163 nicht. Die Klägerin verlangt auf Grund des Frachtvertrags den Wert des Inhalts der Kiste, der 29667,25 Jt betragen habe, als Schadensersatz nebst Zinsen seit 9. Oktober 1918. Das Landgericht erklärte den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Auf die Berufung des Beklagten erkannte das Oberlandesgericht auf Abweisung der Klage. Die ReVision wurde zurückgewiesen. Gründe: Der Beklagte lehnt seine Haftpflicht aus dem Eisenbahnfrachtvertrage unter Berufung auf § 467 HGB, § 96 EVO. in Verb, mit § 54 (2) B Nr. 1 und Ausführungsbestimmung III 1 zu § 54 ab, weil es sich bei dem verlorrngegangenen Frachtgut um Kostbar keiten gehandelt habe und unterlassen sei, diese Eigenschaft und den Wert im Frachtbrief zu bezeichnen. Daß letzteres nicht geschehen ist, ergibt der vorgelegte Frachtbrief. Das Oberlandesgericht hat im Gegensatz zum Landgericht den Standpunkt des Beklagten gebilligt
und deshalb die Klage abgewiesen. Dem Oberlandesgericht war im Ergebnis beizutreten. Maßgeblich für den Begriff Kostbarkeit ist lediglich der eisenbahn rechtliche Gesichtspunkt. Die in Betracht kommenden Bestimmungen sind zu dem Zwecke getroffen, damit die Eisenbahn bei ihrer weit gehenden Haftung aus dem Frachtverträge in die Lage versetzt werden soll, die vorgesehenen Sicherungsmaßregeln anzuwenden, um nicht mit Schadensansprüchen belastet zu werden, die ungewöhnlich hoch sein können und zur Zeit der Versendung nach Umfang und Gewicht des Frachtguts nicht ohne weiteres zu erwarten sind. Es kommt demnach im eisenbahnrechtlichen Sinne für den Begriff Kostbarkeit darauf an, ob das betreffende Frachtgut im Vergleich zu anderen gewöhnlichen Sendungen von gleichem oder annähernd gleichem Umfang und Gewicht einen ungewöhnlich hohen Wert hatte. Im gegenwärtigen Falle handelt es sich um eine Sendung Seidenwaren, deren Gesamtwert nach der von der Klägerin als Anlage zur Klage mitgeteilten Rechnungs aufstellung zur Zeit der Versendung 29667,25 Jt betrug. Wie diese Rechnungsaufstellung ferner ergibt, setzte sich der Gesamtwert von 29667,25 Jl zusammen aus 1528,90 Jl für 1011ji Meter Satin und 28138,35 Jl für 4011/4 Meter Cachemire. Das Gewicht der Kiste 1163 mit diesen beiden Sorten Seide war, wie sich aus dem vor gelegten Frachtbrief ergibt, 44 kg. Der Umfang der Kiste war 1 Meter im Geviert. Ihre Höhe ergibt sich nicht ziffermäßig aus den Akten, kann aber keine erhebliche gewesen sein, da bei den in Betracht kommenden 502 J/2 Meter dünner Seide von etwa 1 Meter Breite die Kiste nur eine geringe Höhe zu haben brauchte. Es handelte sich danach bei der Kiste 1163 um ein Frachtstück von 1 Meter im Geviert von geringer Höhe und 44 kg Gewicht, das einen Wert von 29667,25 M hatte. In Betracht zu ziehen für die Frage, ob der Begriff Kost barkeit gegeben, ist nur das Frachtstück als solches, und es ist nicht, wie im Schrifttum vertreten wird (Eger EVO. Anm. zu § 96, Rundnagel § 67 Anm. 5, Staub § 467 HGB. Anm. 5), ein Unter schied dahin zu machen, daß in einem Falle, wo in einem Frachtstück Gegenstände, die für sich nicht den Begriff der Kostbarkeit erfüllen, mit Kostbarkeiten zusammen verpackt und versandt sind, die Bestim mungen des § 467 HGB, §§ 96, 54 EVO. die Haftpflicht nur be züglich der letzteren ausschlössen. Vielmehr ist die Haftpflicht in solchem Falle ganz ausgeschlossen, sofern der Begriff Kostbarkeit für das Fracht stück als solches zutrifft. Es kann daher im gegenwärtigen Falle nicht darauf ankommen, daß die 1011J4 Meter Satin für sich wohl den Begriff der Kostbarkeit nicht erfüllen könnten, vielmehr steht nur zur Entscheidung, ob der Begriff Kostbarkeit für das ganze Frachtstück als solches zu bejahen ist. Dies ist aber der Fall. Es ergibt sich bei
einem Gewicht des Frachtstücks von 44 kg und einem Gesamtwerte von 29667,25 Jl für das Kilogramm ein Wert .von etwa 650 dabei hatte das Frachtstück nur den geringen Umfang einer flachen Kiste von 1 Meter im Geviert. Der Umstand, daß dieser außer ordentliche Wertsatz sich nur durch die Valutaverhältnisse gebildet hat, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Es ist mit Rücksicht hierauf jetzt allerdings zu fragen, ob dieser hohe Wertsatz im Vergleich zu den Sendungen anderer Waren von gleichem oder annähernd gleichem Umfang und Gewicht, die aus demselben Grunde ebenfalls eine große Preisverschiebung aufweisen, gleichwohl noch als ein so außergewöhn licher angesehen werden muß, daß er auch in Berücksichtigung der Preisverschiebung bei Absendung nicht ohne weiteres zu erwarten war. Diese Frage mußte für das hier in Betracht kommende Frachtstück be jaht werden.
31. 1. Ist gegenüber dem Käufer, der Schadensersatz wegen Nicht erfüllung des Vertrags fordert und den Schaden abstrakt berechnen will, der Einwand zulässig, daß er unter den besonderen Umständen des Falles tatsächlich keinen Schaden erlitten habe? 2. Kann der Käufer in die Schadensrechnung eine« Gewinn als entgangen einstellen, den er nur durch eiue gegen die guten .Sitten verstoßende Handlung hätte machen können? II. Zivilsenat. Urt. v. 12. Oktober 1920 i. S. St. & I. (Bekl.) w. Rohstoff-Handelsgesellschaft m. b. H. (Kl.). II 157/20. I. Landgericht Köln, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Klägerin hatte 5000 Paar Militärstiefel für 17 Jt das Paar verkauft und kaufte, um sich einzudecken, von der Beklagten die gleiche Anzahl für 18,75 M das Paar. Die Beklagte hat nicht geliefert,
auch nicht, nachdem ihr unter Androhung des Rücktritts Nachfrist gesetzt war. Die Klägerin fordert Ersatz des Schadens, den sie abstrakt berechnet mit der Behauptung, daß der gängige Preis 22 Jl das Paar gewesen sei. Während das Landgericht die Klage abwies, erklärte das Ober landesgericht den Anspruch dem Grunde nach für berechtigt. Auf die Revision hat das Reichsgericht das Urteil erster Instanz wieder hergestellt. Aus den Gründen: ... Es steht fest, daß die Klägerin, als sie das gegenwärtige Geschäft abschloß, an die Gesellschaft für Heeresbedarf 5000 Paar Stiefel für 17 Jl das Paar verkauft hatte, und daß sie, um sich hier-
einem Gewicht des Frachtstücks von 44 kg und einem Gesamtwerte von 29667,25 Jl für das Kilogramm ein Wert .von etwa 650 dabei hatte das Frachtstück nur den geringen Umfang einer flachen Kiste von 1 Meter im Geviert. Der Umstand, daß dieser außer ordentliche Wertsatz sich nur durch die Valutaverhältnisse gebildet hat, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Es ist mit Rücksicht hierauf jetzt allerdings zu fragen, ob dieser hohe Wertsatz im Vergleich zu den Sendungen anderer Waren von gleichem oder annähernd gleichem Umfang und Gewicht, die aus demselben Grunde ebenfalls eine große Preisverschiebung aufweisen, gleichwohl noch als ein so außergewöhn licher angesehen werden muß, daß er auch in Berücksichtigung der Preisverschiebung bei Absendung nicht ohne weiteres zu erwarten war. Diese Frage mußte für das hier in Betracht kommende Frachtstück be jaht werden.
31. 1. Ist gegenüber dem Käufer, der Schadensersatz wegen Nicht erfüllung des Vertrags fordert und den Schaden abstrakt berechnen will, der Einwand zulässig, daß er unter den besonderen Umständen des Falles tatsächlich keinen Schaden erlitten habe? 2. Kann der Käufer in die Schadensrechnung eine« Gewinn als entgangen einstellen, den er nur durch eiue gegen die guten .Sitten verstoßende Handlung hätte machen können? II. Zivilsenat. Urt. v. 12. Oktober 1920 i. S. St. & I. (Bekl.) w. Rohstoff-Handelsgesellschaft m. b. H. (Kl.). II 157/20. I. Landgericht Köln, Kammer für Handelssachen. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Klägerin hatte 5000 Paar Militärstiefel für 17 Jt das Paar verkauft und kaufte, um sich einzudecken, von der Beklagten die gleiche Anzahl für 18,75 M das Paar. Die Beklagte hat nicht geliefert,
auch nicht, nachdem ihr unter Androhung des Rücktritts Nachfrist gesetzt war. Die Klägerin fordert Ersatz des Schadens, den sie abstrakt berechnet mit der Behauptung, daß der gängige Preis 22 Jl das Paar gewesen sei. Während das Landgericht die Klage abwies, erklärte das Ober landesgericht den Anspruch dem Grunde nach für berechtigt. Auf die Revision hat das Reichsgericht das Urteil erster Instanz wieder hergestellt. Aus den Gründen: ... Es steht fest, daß die Klägerin, als sie das gegenwärtige Geschäft abschloß, an die Gesellschaft für Heeresbedarf 5000 Paar Stiefel für 17 Jl das Paar verkauft hatte, und daß sie, um sich hier-
für einzudecken, mit der Beklagten abschloß. Sie hat, da die Beklagte nicht lieferte, auch ihrerseits ihrer Abnehmerin nicht geliefert, ist von dieser auf Schadensersatz belangt und zur Zahlung von 7500 Jl (1,50 Jl das Paar Stiefel) verurteilt worden. Mit der Mehrforderung ist die damalige Klägerin abgewiesen worden. Die Entscheidung ist vor Erhebung der gegenwärtigen Klage ergangen und ist rechtskräftig geworden. Den Standpunkt der Beklagten, daß danach die Klägerin aus der Nichterfüllung nicht nur keinen Schaden erlitten, sondern Vorteil gehabt habe, lehnt der Vorderrichter ab. Die Voraussetzungen ab strakter Schadensberechnung — so führt er aus — lägen vor; der Besteller sei nicht darauf beschränkt, den Schaden ersetzt zu verlangen, den er durch Nichtlieferung in seinem Geschäfte gehabt habe, er könne allgemein und als Mindestmaß die Anwendung der abstrakten Be rechnung verlangen, es sei denn, daß besondere Umstände vorgelegen hätten, die einen Verkauf der Ware zum Marktpreise unmöglich gemacht hätten, was hier nicht dargetan sei. Das greift die Revision mit Recht an. Richtig ist, daß an und für sich der Käufer freie Hand hat, ob er den Schaden konkret oder abstrakt berechnen will. Der Gegner hat keinen Anspruch auf die eine oder die andere Berechnungsart. Aber das ist ein allgemeiner Grundsatz, der Ausnahmen zuläßt und fordert. Denn immer bleibt es dabei, daß nur der wirtliche nachweisbare Schaden zu ersetzen ist und daß die Vertragsverletzung nicht zur Folge haben darf, daß ein ungerechtfertigter Gewinn gemacht wird. Die Zulassung abstrakter Berechnung beruht auf dem Gedanken einer Erleichterung des mit absoluter Sicherheit überhaupt nicht zu erbringenden und auf Unter stellungen größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeiten angewiesenen Nachweises des Schadens (vgl. RGZ. Bd. 90 S. 425). Ein solcher Beweis muß zurücktreten, wenn auf Grund feststehender Tatsachen ein positives Ergebnis sich mit Sicherheit erzielen läßt. Hier steht fest, daß die Klägerin die Stiefel für 18,75 Jl das Paar gekauft hat, um sie auf Grund eines voraufgegangenen Abschlusses ihrem Abnehmer für 17 Jl zn liefern, und es steht ferner fest, daß sie durch die Nicht erfüllung dieses letzteren Vertrags einen Schaden von nur l,so Jl das Paar erlitten hat, während bei Erfüllung der Verträge ihr Schaden 1,75 Jl das Paar betragen haben würde. Allerdings war anscheinend inzwischen die Konjunktur gestiegen, und vielleicht hätte Klägerin, wenn die Beklagte geliefert hätte, die Stiefel unter Verletzung ihrer Ver tragspflicht gegenüber ihrer Abnehmerin anderweit mit Vorteil verkaufen können. Aber ein solches Verfahren wäre ein gröblicher Verstoß gegen die guten Sitten gewesen, und wenn auch selbstverständlich die Be klagte keinen Anspruch darauf hatte, daß die Klägerin mit den geEntsch. in Zivils. N.F. 80 (100).
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kauften Stiefeln in einer bestimmten Art und Weise verfuhr, so fällt es hier doch entscheidend in das Gewicht, weil von Rechts wegen niemand die Einbuße eines Gewinns geltend machen kann, den er nur durch ein sittenwidriges Verhalten hätte erzielen können.
32. VII. Zivilsenat.
Zur Auslegung des § 1566 BGB. Urt. v. 12. Oktober 1920 i.S. H. (Kl.) w. H. (Bekl.). VII 152/20.
I. Landgericht Verden. — II. Oberlandesgericht Celle.
Der Kläger verlangte mit der Klage auf Grund des § 1565 BGB., die Beklagte mit der Widerklage auf Grund der §§ 1568 und 1566 Scheidung ihrer Ehe. Das Landgericht hat unter Ab weisung der Widerklage die Ehe wegen Ehebruchs der Beklagten ge schieden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Kläger auf Grund des § 1566 für gleichfalls an der Ehescheidung schuldig erklärt. Seine Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: Die Revision bemängelt nicht, daß der Berufungsrichter als erwiesen angesehen hat, daß der Kläger am 9. April 1919 bei dem Vorfall im Gerichtsgebäude des Amtsgerichts zu Hagen den Schuß, der die Beklagte gestreift hat, absichtlich auf die Beklagte gerichtet und bei dieser Tat sich nicht in einem feine Verantwortlichkeit ausschließenden Zustand befunden hat. Die Revision vermißt aber eine Feststellung, daß der Kläger diesen Schuß in der Absicht die Beklagte zu töten abgegeben hat, und sie sucht weiter darzulegen, daß, auch wenn eine solche Feststellung in dem Berufungsurteil enthalten sein sollte, der Tatbestand des § 1566 um deswillen nicht vorliegen würde, weil in dem festgestellten, auf eine plötzliche leidenschaftliche Erregung zurück zuführenden Angriff auf das Leben des anderen Ehegatten ein „Trachten nach dem Leben" im Sinne des Gesetzes nicht zu finden sein würde. In beiden Richtungen ist der Revision nicht zuzustimmen. Allerdings ist im Berufungsurteil nicht ausdrücklich ausgesprochen, daß der Kläger, als er den gezielten Schuß auf die in seiner Nähe befindliche Beklagte abgab, die Absicht gehabt hat, sie zu töten, allein die Urteilsausführungen lassen fn ihrem Zusammenhänge darüber keinen berechtigten Zweifel, daß das Vorhandensein dieser Tötungsabsicht als erwiesen angesehen ist. Ist aber daran festzuhallen, daß der Kläger durch die Abgabe des Schusses auf die Beklagte die ernstliche Absicht, sie zu töten, betätigt hat, so hat der Berufungsrichter auch mit Recht
kauften Stiefeln in einer bestimmten Art und Weise verfuhr, so fällt es hier doch entscheidend in das Gewicht, weil von Rechts wegen niemand die Einbuße eines Gewinns geltend machen kann, den er nur durch ein sittenwidriges Verhalten hätte erzielen können.
32. VII. Zivilsenat.
Zur Auslegung des § 1566 BGB. Urt. v. 12. Oktober 1920 i.S. H. (Kl.) w. H. (Bekl.). VII 152/20.
I. Landgericht Verden. — II. Oberlandesgericht Celle.
Der Kläger verlangte mit der Klage auf Grund des § 1565 BGB., die Beklagte mit der Widerklage auf Grund der §§ 1568 und 1566 Scheidung ihrer Ehe. Das Landgericht hat unter Ab weisung der Widerklage die Ehe wegen Ehebruchs der Beklagten ge schieden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den Kläger auf Grund des § 1566 für gleichfalls an der Ehescheidung schuldig erklärt. Seine Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: Die Revision bemängelt nicht, daß der Berufungsrichter als erwiesen angesehen hat, daß der Kläger am 9. April 1919 bei dem Vorfall im Gerichtsgebäude des Amtsgerichts zu Hagen den Schuß, der die Beklagte gestreift hat, absichtlich auf die Beklagte gerichtet und bei dieser Tat sich nicht in einem feine Verantwortlichkeit ausschließenden Zustand befunden hat. Die Revision vermißt aber eine Feststellung, daß der Kläger diesen Schuß in der Absicht die Beklagte zu töten abgegeben hat, und sie sucht weiter darzulegen, daß, auch wenn eine solche Feststellung in dem Berufungsurteil enthalten sein sollte, der Tatbestand des § 1566 um deswillen nicht vorliegen würde, weil in dem festgestellten, auf eine plötzliche leidenschaftliche Erregung zurück zuführenden Angriff auf das Leben des anderen Ehegatten ein „Trachten nach dem Leben" im Sinne des Gesetzes nicht zu finden sein würde. In beiden Richtungen ist der Revision nicht zuzustimmen. Allerdings ist im Berufungsurteil nicht ausdrücklich ausgesprochen, daß der Kläger, als er den gezielten Schuß auf die in seiner Nähe befindliche Beklagte abgab, die Absicht gehabt hat, sie zu töten, allein die Urteilsausführungen lassen fn ihrem Zusammenhänge darüber keinen berechtigten Zweifel, daß das Vorhandensein dieser Tötungsabsicht als erwiesen angesehen ist. Ist aber daran festzuhallen, daß der Kläger durch die Abgabe des Schusses auf die Beklagte die ernstliche Absicht, sie zu töten, betätigt hat, so hat der Berufungsrichter auch mit Recht
in diesem Verhalten ein „Trachten nach dem Leben" im Sinne des § 1566 erblickt. Da weder in dieser gesetzlichen Vorschrift noch auch an der anderen Stelle, an der das BGB. an das „Trachten nach dem Leben" eines anderen eine rechtliche Folge knüpft (vgl. § 2333), näher gesagt wird, was das Gesetz unter einem solchen „Trachten nach dem Leben" verstanden wissen will, so ist von dem allgemeinen Sprach gebrauch auszugehen. Danach trachtet nach dem Leben eines anderen, wer dessen Tod durch sein Tun „erstrebt", wer sich den Tod des anderen als „Ziel" seines Tuns gesetzt hat. Das tut aber auch der jenige, der nicht auf Grund vorbedachter Überlegung, sondern auf
Grund eines plötzlichen, durch Erregung hervorgerufenen Entschlusses, den Tod eines anderen herbeizuführen, dazu übergeht, Handlungen vorzunehmen, die auf die Herbeiführung dieses Todes abzielen. Auch der gesetzgeberische Gedanke, der der Aufnahme der Lebens nachstellung unter die absoluten Scheidungsgründe zugrunde liegt, rechtfertigt keineswegs, wie die Revision meint, eine verschiedene Be urteilung des mit Vorbedacht ausgeführten Mordversuchs und des in Erregung verübten Totschlagsversuchs. Als leitender Gedanke wird in der Begründung zum Entwurf des BGB. angegeben, daß ein ernstlich auf die Vernichtung des Lebens des anderen Ehegatten ab zielendes Tätigwerden eines Gatten sich objektiv als eine so schwere und unmittelbare Verletzung der ehelichen Pflichten darstellt, daß in diesen Fällen die Scheidung nicht erst davon abhängig gemacht werden dürfe, ob der Richter die Überzeugung gewinnt, daß im gegebenen Falle die Fortsetzung der Ehe dem verletzten Gatten in der Tat unerträglich geworden ist (vgl. Motive Bd. 4 S. 575). Die Betätigung des ernst lichen Willens, das Leben des anderen Ehegatten zu vernichten, wird als in einem so großen Widersprüche mit der rechten ehelichen Ge sinnung stehend erachtet, daß ein solches Tätigwerden als ein zur Scheidung unter allen Umständen berechtigender Grund in das Gesetz ausgenommen worden ist. Nichts weist darauf hin, daß noch ein Mehreres, ein eine gewisse Beharrlichkeit zeigendes, vorbedachtes Handeln vorliegen müsse, um ein „Trachten nach dem Leben" im Sinne des Gesetzes als gegeben ansehen zu können. Die abweichende Ansicht der Revision hat denn auch weder in der Rechtsprechung noch in der Wissen schaft Vertretung gefunden. Allgemein wird als entscheidend bezeichnet die in die äußere Erscheinung getretene Betätigung der ernstlichen Absicht, den Tod des anderen Ehegatten herbeizuführen, und eine solche Betätigung der ernstlichen Tötungsabsicht wird auch im Falle des Totschlagsversuchs von allen den Schriftstellern als vorliegend bezeichnet, die überhaupt bei ihrer Erörterung der Vorschrift des § 1566 den Fall des Totschlagsversuchs mit heranziehen.
33. Verpflichtung des Deutschen Reichs durch Warenbestellungen, die ein Kreischef im Bereiche der Kreisordnung für das General gouvernement Warschau vom 22. Januar 1916 bei einem in Deutsch land ansässigen Lieferanten gemacht hat. II. Zivilsenat.
Urt. v. 12. Oktober 1920 i. S. Reichsfiskus (Bekl.) w. G. (Kl.). II 176/20.
I. Landgericht I Berlin. — II. Kammergericht daselbst.
Unter dem 17. September 1918 übersandte der Kreischef des Kreisamtes Wielun in Polen dem Kläger einen Bestellzettel, inhaltlich dessen die Lieferung von 10000 Papiersäcken zum Stückpreise von 1 verlangt wurde. Der Kläger brachte die Papiersäcke am 15. Ok tober 1918, wie vorgeschrieben, durch den Spediteur T. in Z. zur Ablieferung, erhielt aber keine Bezahlung und wurde deshalb gegen den Reichsfiskus, der seiner Behauptung nach der Besteller war, mit dem Anträge klagbar, den Beklagten zur Zahlung von 10 000 M nebst 4°/o Zinsen feit- dem 15. Oktober 1918 zu verurteilen. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, weil nicht er, sondern der Kommunalverband des Kreises Wielun die Papiersäcke bestellt und geliefert erhalten habe. Unstreitig waren die Säcke für die Salz interessengemeinschaft Wielun bestimmt, an die sie auch gelangt sind. Das Landgericht wies die Klage ab, das Kammergericht verurteilte den Beklagten nach dem Klagantrage. Die Revision wurde zurückewiesen.
Aus den Gründen: ... Gegen die Annahme des Kammergerichts, daß der Kreischef des Kreises Wielun Beamter des Deutschen Reichs und als solcher be fugt gewesen sei, Bestellungen wie die in dem Schreiben vom 17. Sep tember 1918 enthaltene namens des Deutschen Reichs zu machen, sind Bedenken von der Revision nicht erhoben worden und auch von Amts wegen nicht zu erheben. Die Revision richtet sich allein gegen die Feststellung, daß der genannte Kreischef die Bestellung vom 17. Sep tember 1918 namens des Deutschen Reichs gemacht habe. Diese Fest stellung ist aber gleichfalls nicht zu beanstanden. Der beklagte Reichs fiskus hat zwar behauptet und S. als Zeugen dafür benannt, daß die Bestellung der 10000 Papiersäcke „für die Salzinteressengemeinschaft Wielun, d. h. für den Kreiskommunalverband" erfolgt sei, er hat jedoch gegenüber der Erklärung des Klägers, es solle nicht bestritten werden, daß die bestellten Papierfäcke für die Salzinteressengemeinschaft Wielun bestimmt gewesen und an diese gelangt seien, nichts geltend gemacht, was die Feststellung rechtfertigte, daß der Kreischef dem Kläger gegen-
über als im Namen der Salzinteressengemeinschaft oder in dem des Kreiskommunalverbandes handelnd aufgetreten sei. Vielmehr hat der Beklagte letzteres lediglich daraus gefolgert wissen wollen, daß das Bestellschreiben vom 17. September 1918 den Aufdruck „Der Kreis chef des Kreisamtes Wielun" und über der Namensunterschrift den Vermerk „Der Kreischef" getragen habe. Diese Folgerung ist indes abzulehnen. Gemäß Art. IV der Kreisordnung für das General gouvernement Warschau vom 22. Januar 1916 (Nr. 20 des Ver ordnungsblattes) wurde die Kreiskorporation (der Kommunalverband) durch den Kreischef und die Kreisversammlung vertreten, und wenn nach außen hin die Vertretung dem Kreischef allein zustand, so mußten doch die den Kreis verpflichtenden Urkunden „im Namen der Kreis korporation" gezeichnet werden (Art. V a. a. O.), ein Erfordernis, dem das Schreiben vom 17. September 1918 weder dem Wortlaute noch dem Sinne nach genügte; das Schreiben bringt in keiner Weise zum Ausdruck, daß der Kreischef in seiner Eigenschaft als Vertreter des Kreiskommunalverbandes die Papiersäcke bestelle. Wie die Verhältnisse lagen, hätte aber auf alle Fälle dem Kläger deutlich erkennbar gemacht werden mästen, daß die Bestellung nicht für das Deutsche Reich erfolge. Als in Deutschland ansässiger Lieferant konnte und durfte der Kläger sich darauf verlassen, daß der Kreischef die Papiersäcke, auch wenn sie für Eingesessene des Kreises Wielun bestimmt waren, als zuständiger Beamter der deutschen Zivilverwaltung im Interesse des Deutschen Reichs bestellte und daß ihm, dem Kläger, gegenüber der Reichsfiskus berechtigt und verpflichtet werden sollte. Nach Treu und Glauben im Verkehr hat daher der Beklagte als Vertragspartei zu gelten (§ 157 BGB.). Ob das Kammergericht mit Recht darauf das entscheidende Gewicht gelegt hat, daß die (ein anderes Geschäft betreffenden) Briefe des Kreischefs vom 12. September und 11. Oktober 1918 im Aufdrucke den Zusatz „Kaiserlich Deutsche" getragen haben, kann dahingestellt bleiben, da dem Fehlen dieses Zusatzes im Aufdrucke des Bestellschreibens vom 17. September 1918 eine dem Beklagten günstige Bedeutung keinesfalls beizumessen ist. Der Aufdruck lautete ursprünglich „Kauf männische Abteilung des Kreisamtes Wielun", und die Worte „Kauf männische Abteilung" sind mit Maschinenschrift durchstrichen und das eine Mal durch die Worte „Der Kreischef", die beiden anderen Male durch die Worte „Der Kaiserlich Deutsche Kreischef" ersetzt worden. Auch aus der Bezeichnung „Kreisamt" läßt sich zugunsten des Be klagten nichts herleiten (Art. VII Nr. 4, X Nr. 4 der Kreisordnung).
34. Wird ein Schadensersatzanspruch, der an sich einer kurzfristigen Verjährung unterliegt, dadurch der dreißigjährigen Verjährung unter worfen, daß ihn ein Schiedsgericht, dessen Aufgabe darauf beschränkt ist, über den Grund des Anspruchs zu entscheiden, dem Grunde nach als gerechtfertigt feststellt? VII. Zivilsenat. Urt. v. 12. Oktober 1920 i.S. R. (Kl.) w. F. (Bekl.). VII 168/20. I. Landgericht Köln. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Klägerin hat auf ihre Bestellung im Jahre 1909 von der Beklagten zunächst eine und sodann eine zweite Trennbandsäge geliefert erhalten und um die Zeit der ersten Lieferung 4000 M an die Be klagte gezahlt. Für den Fall von Mängelrügen war die Bildung eines Schiedsgerichts vorgesehen. Schon nach Lieferung der ersten Maschine kam es zu Mängelrügm der Klägerin, die zu weiteren Ver handlungen führten. Am 12. Februar 1910 übernahm die Klägerin die Bandsägen zum Betrieb. Im März dess. Jahres rügte sie wiederum gewisse Mängel und stellte der Beklagten beide Bandsägen mit dem Verlangen der Nachlieferung mängelfreier Maschinen zur Verfügung. Die Beklagte erkannte die Rügen nicht an und lehnte das Lieferungsverlangen ab. Die Parteien beriefen sodann ein Schiedsgericht. In dessen erster Sitzung am 3. Mai 1910 erklärten sie zu Protokoll, daß die ordentlichen Gerichte ausschließlich über die Höhe der sich aus dem zu fällenden Schiedsspruch ergebenden Geld forderungen entscheiden sollten und daß für den Tatbestand und alle übrigen (Streitfragen das einberufene Schiedsgericht zuständig sei; der Schiedsspruch habe auch die sämtlichen Erhebungen technischer Art, soweit sie im Bereiche des Wissens der Schiedsrichter liegen, zu ent halten. Am 28. April 1911 erließen die Schiedsrichter den mit Gründen versehenen Schiedsspruch, in dessen Formel
unter I die Mängelrüge der Klägerin hinsichtlich einer Reihe von Punkten für berechtigt erklärt,
unter II bis V die Verurteilung der Beklagten ausgesprochen wurde, der Klägerin die ihr entstandenen Auslagen für Zoll, Fracht, Abladen, Montage, Beihilfe bei den verschiedenen Änderungen, Demontage,
Ausladen und etwaige Versicherung für die gelieferten Trennband sägen und Bandsägeblätter zu vergüten, der Klägerin die Auslagen für die Aufführung und den Abbruch der für die beiden Sägen erforderlich gewesenen Fundamente zu vergüten,
die Kosten, welche der Klägerin für die Umänderung der Trans missionen, d. i. der Wellen, Lager, Befestigungsteile, Kuppelungen, Stellringe, Riemenscheiben, Ausrücker und Fundamente der Lager entstanden waren, um die 2 Ersatz Bolinder Bandsägen betreiben zu können, zu ersetzen, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der infolge mangel haften Arbeitens der Trennbandsägen durch Wertminderung des bis zum 14. Mai 1910 geschnittenen Holzes entstanden war, wobei zu jedem der vier Posten der von den Schiedsrichtern für angemessen erachtete Betrag angegeben und unter VII über die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens erkannt wurde. Inzwischen hatte Klägerin mit der im Mai 1910 erhobenen Klage des vorliegenden Rechtsstreites 23250 Jt beansprucht, und zwar 3250 M als Rückgewähr des für die erste Säge gezahlten Kaufpreises und 20000 Jl Schadensersatz für zunächst 20 Tage. Zu einer streitigen sachlichen Verhandlung ist es in diesem Prozeß jahrelang nicht ge kommen. Vom 8. März 1911 an hat der Prozeß geruht, bis Klägerin mittels Schriftsatzes vom 13. November dess. Jahres den Antrag ankündigte, die Beklagte zur Zahlung von 24" 774,n M zu verurteilen, und mit Schriftsatz vom 30. November 1911 Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins beantragte. In der ersten streitigen Ver handlung vom 9. Juli 1912 verlas Klägerin den im Schriftsätze vom 13. November 1911 an gekündigten Antrag und bezog sich zur Be gründung auf eine Rechnungsaufstellung. Die Beklagte beantragte Klagabweisung. Nachdem das Landgericht durch Zwischenurteil die Einwände der unzulässigen Klagänderung und der Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs verworfen hatte, verurteilte es die Beklagte, Zug um Zug gegen Rücknahme der der Klägerin gelieferten beiden Trennbandsägen 19295,45 an sie zu zahlen, und wies die Mehrforderung ab. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Durch Teilurteil des Berufungsgerichts wurde die Klage in Höhe von 16045,45 JH abgewiesen. Die Revision der Klägerin, mit der diese das Urteil anfocht, soweit es die Klage für mehr als 3931,50 M abwies, führte zur Aufhebung. Gründe: Die im angefochtenen Berufungsteilurteile der Klägerin abge sprochenen 16045,45 Jft umfassen die ihr vom Landgerichte zuerkannten 19295,45 JH mit Ausschluß des schon in der Klageschrift enthaltenen besonderen Rechnungspostens von 3250 Jl und setzen sich aus den in erster Instanz als crstattungspflichtig berechneten Schiedsgerichtskosten von 3931,50 M sowie aus den in erster Instanz auf Grund der Nummern II bis V des Schiedsspruchs unter Aufrechnung gewisser
Gegenforderungen zugesprocheneu Beträgen zusammen. Die Revision fügt sich dem Entscheidungsgrunde des Berufungsrichtcrs hinsichtlich der Schiedsgerichtskosten, daß insoweit Erstattungsansprüche vor dem Schiedsgerichte geltend zu machen seien, und greift nur die vorinstanz liche Abweisung der auf die schiedsrichterliche Entscheidung zu II bis V mitgestützten Klagansprüche als unberechtigt an. Nach Ansicht des Berufungsrichters sind die letzterwähnten Ansprüche, wenn sie ent standen sein sollten, durch Verjährung untergegangen. Das angefochtene Urteil legt eingehend dar, daß es sich insoweit um Ansprüche handelt, die an und für sich — abgesehen vom Schiedssprüche — der sechs monatigen Verjährung des § 477 BGB. unterlagen, daß sie nicht schon in der Klageschrift des vorliegenden Prozesses, sondern als nach träglich neu erhoben wirksam erst in der gerichtlichen Verhandlung vom 9. Juli 1912 geltend gemacht seien, damals aber die sechs monatige Verjährungsfrist — deren Lauf zwar durch das schieds gerichtliche Verfahren und zufolge Verhandlungen der Parteien auch noch für geraume Zeit nach Abschluß jenes Verfahrens hinausgeschoben sei, indes spätestens am 3. November 1911 begonnen habe — schon ab gelaufen gewesen sei. Die mit Hinweis auf die §§ 209, 218, 220 BGB. begründete Replik der Klägerin, daß hier die dreißigjährige Verjährung Platz greife, ist im Berufungsurteile mit der Erwägung verworfen, die Entscheidung des Schiedsgerichts stehe einem nur über den Grund ent scheidenden gerichtlichen Urteile gleich, und gegen ein solches laufe nicht die dreißigjährige, sondern die ursprüngliche Verjährungsfrist (vgl. hierzu RGZ. Bd. 66 S. 10). Die Revision zieht in Zweifel, ob sich der Berufungsrichter mit der Verjährungseinrede überhaupt befassen durfte.... (Es folgen Erwägungen, mit denen das Bedenken zurück gewiesen wird.) Sodann können Bedenken beiseite bleiben, die von der Revision gegen die Ansicht des Berufungsrichters entwickelt werden, die von ihm als verjährt befundenen Klagansprüche seien noch nicht mit der ursprünglichen Klage, sondern erst am 9. Juli 1912 rechtshängig gemacht worden. Von grundlegender Bedeutung für die Annahme der Verjährung mit Bemessung der Verjährungsfrist auf 6 Monate und nicht, wie Klägerin wollte, auf 30 Jahre war die Auffassung des Berufungsrichters, daß die in betreff jener Ansprüche ergangene Ent scheidung des Schiedsgerichts nicht einem gerichtlichen Feststellungsurteile (ZPO. § 256), sondern einem nach § 304 ZPO. erlassenen gerichtlichen Zwischenurteil entspreche. Diese Auffassung wird von der Revision mit Recht bekämpft. Vorweg ist der Standpunkt der Revisionsbeantwortung abzulehnen, welche in den Aussprüchen unter II bis V der Schiedsspruchformel Zwischenentscheidungen finden will, die einem gerichtlichen Urteile nach § 303 ZPO. gleichzustellen sind. Jene Aussprüche entscheiden nicht
über einzelne Angriffsmittel, sondern über das Bestehen gewiffer voll ständig umschriebener Ansprüche im ganzen bis auf deren Geldbetrag, hinsichtlich dessen sich die Schiedsrichter nur gutachtlich geäußert haben. Für solche Entscheidung kann nur die Gleichstellung mit einem Zwischen urteil nach § 804 ZPO. oder mit einem Feststellungsurteil in Frage kommen. Für die Auffassung im ersteren Sinne, die das angefochtene Urteil vertritt, könnte man auf Bemerkungen im Kommentar zur ZPO. von Struckmann und Koch § 1040 Sinnt. 1 und in Dauben specks Schrift: „Die Schiedsgerichte für Regulierung der Bergschäden" S. 83 Hinweisen. Überzeugende Gründe lassen jedoch die angedeuteten Bemerkungen nicht ersehen. Insbesondere ist für den in jenem Kom mentar aufgestellten Satz, ein Schiedsspruch, der sich vertragsmäßig auf den Grund des Anspruchs beschränke, habe die Kraft eines Zwischen urteils nach § 304, aus der ebendort angezogenen Entscheidung RGZ. Bd. 69 S. 52 eine irgendwie beweiskräftige Stütze nicht zu entnehmen. Man muß von vornherein beachten, daß sich Grundurteile nach § 304 und Feststellungsurteile nach § 256 ZPO. inhaltlich sehr nahe stehen. Dabei ist zu der Frage, welcher der beiden Arten von Urteilen ein gewisser Schiedsspruch entspricht, nicht einmal verwertbar, daß Klagen auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses ein rechtliches Interesse des Klägers daran erfordern, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Denn bei der freien Stellung, die einem Schiedsgerichte für die Gestaltung seines Verfahrens im all gemeinen einzuräumen und grundsätzlich auch im vorliegenden Falle eingeräumt ist, kann dafür, welcher der beiden fraglichen Entscheidungs arten ein Schiedsspruch zuzuweisen ist, der — wie hier — bestimmte einzelne Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien feststellt, nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob auf feiten der klagenden Partei ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 bestand. Wichtiger könnte sein, welchen Inhalt und welche Fassung der Sachvortrag der Klägerin vor dem Schiedsgerichte hatte, da es nicht denkbar erscheint, die in Betracht kommenden schiedsrichterlichen Aussprüche auch in dem Falle, wenn und soweit von der Klägerin im Schiedsverfahren noch nicht bestimmte Geldansprüche vorgebracht waren, als eine Zwischen entscheidung zu beurteilen (vgl. RGZ. Bd. 97 S. 120). Es mag indes, wiewohl in der Begründung des Berufungsurteils bestimmte Fest stellungen nach der Richtung nicht getroffen sind, unterstellt werden (vgl. auch die Formel des Schiedsspruchs zu II bis V), daß Klägerin ihre Ersatzansprüche schon im Schiedsverfahren dem Betrage nach bezeichnet hat. Daraus folgt aber nach Lage des Falles noch keines wegs, daß dem Berufungsrichter beizustimmen sei. Als ein Zwischen urteil nach § 304 ist nur ein Urteil anzusehen, das im Lause eines einheitlich auch zur Entscheidung über den streitigen Betrag des Klag-
anspruchs anhängig gemachten und auf letztere Entscheidung mit gerichteten Prozeßverfahrens ergeht und lediglich den Charakter einer das Endurteil vorbereitenden Entscheidung hat (vgl. IW. 1904 S. 493 Nr. 2; RGZ. Bd. 66 S. 10, auch Bd. 21 S. 387, 388). Bei Über tragung der Erwägung auf ein Schiedsverfahren setzt die Beurteilung eines Schiedsspruchs als einer dem § 304 entsprechenden Zwischen entscheidung notwendig voraus, daß die Schiedsrichter über den Grund eines bei ihnen anhängig gemachten, auch dem Betrage nach streitigen Anspruchs entschieden haben, um damit eine vorbereitende Grundlage für einen Endschiedsspruch, den sie gleichfalls zu fällen berufen und gewillt sind, zu schaffen (vgl. IW. 1918 S. 137 Nr. 12). Hier kam für die Schiedsrichter nach ihrem Spruche vom 28. April 1911 eine Fortsetzung ihres Verfahrens und ein späterer Endschiedsspruch über den Anspruchsbetrag nicht in Frage. Der von ihnen gefällte Spruch hat die Bedeutung einer ganz selbständigen Entscheidung, mit der das anhängig gemachte Schiedsverfahren in der Hauptsache endgültig seinen Abschluß fand. Die Entscheidung über den Betrag der Ansprüche gehörte nach dem Abkommen der Parteien vom 3. Mai 1910 nicht zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Sie konnte nur in einem be sonderen, bei dem ordentlichen Richter anhängig gemachten Prozesse herbeigeführt werden und erfolgen. Wenn sich die Schiedsrichter, denen in jenem Abkommen Aufgaben von untereinander verschiedener Natur und Tragweite mit vorzugsweiser Berücksichtigung der technischen Fragen zugewiesen sind, über den angemessenen Geldbetrag der An sprüche äußerten, so gaben sie insoweit nur Gutachten ab, und die Angaben, welche die Parteien selbst den Schiedsrichtern über die An spruchsbeträge unterbreiteten, konnten nur auf Erreichung günstiger Gutachten zielen. Soweit aber die Schiedsrichter in den Nummern II bis V Entscheidungen getroffen haben, steht mit der Beurteilung ihres Spruches als End- und nicht als Zwischenentscheidung in vollem Ein klänge, daß sie auch über die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens entschieden haben und, wie das Berufungsurteil mit Grund annimmt, nach dem Willen der Parteien über diese Kosten entscheiden sollten. Denn bei Erlaß von Zwischenurteilen und diesen gleichzustellenden Entscheidungen ist über die Kosten des Verfahrens nicht zu befinden (vgl. RGZ. Bd. 16 S. 316, Bd. 40 S. 369, Bd. 66 S. 10). Nach alledem bleibt nur übrig, den Schiedsspruch vom 28. April 1911 in seinen Entscheidungen zu II bis V als einen einem gerichtlichen Fest stellungsurteil entsprechenden Endschiedsspruch zu beurteilen. Kann sonach die im Berufungsurteile vertretene abweichende Beurteilung des Schiedsspruchs nicht bestehen bleiben, so muß auch die in Anlehnung an RGZ. Bd. 66 S. 10 gezogene Folgerung jenes Urteils, daß die vom Schiedsgericht im Grunde als berechtigt festgestellten Schadens-
ersatzansprüche der Klägerin nach wie vor der ursprünglichen kurzen Verjährungsfrist unterlagen, als hinfällig erscheinen. Vom Stand punkte der vorstehenden Erörterungen aus ist vielmehr unbedenklich anzunehmen, daß jene Ansprüche nur noch der dreißigjährigen Ver jährung unterworfen sind (BGB. §§ 218, 220; ZPO. § 1040).
1. Bedeutung des Antrags, die Hauptsache für erledigt zu erklären. 2. Fällt das Interesse an der negativen Feststellnugsklage weg, wenn während ihrer Anhängigkeit der Beklagte mit der gleichen Behauptung, der sie entgegentritt, Bollstreckungsgegenklage gegen den Kläger erhebt?
35.
VI. Zivilsenat, litt. v. 14. Oktober 1920 i. S. Sch. (Bekl.) w. B. (Kl.). VI 315/20. I. Landgericht Köln. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Klägerin hat in den abgetretenen Rechten des Kaufmanns Paul G. für eine auf einer Provisionsforderung des G. beruhende Wechselschuld der Beklagten von 15400 Jl im November 1915 Zah lungs- und am 6. Dezember 1915 Vollstreckungsbefehl gegen sie er wirkt, auch auf Grund des letzteren, der rechtskräftig geworden ist, mehrfach Vollstreckungshandlungen gegen sie vorgenommen. Im Jahre 1918 behaupteten die Beklagten, daß ihnen gegen die Klägerin eine Gegenforderung von 4360 Jt zustehe; am 1. Dezember 1915 habe nämlich G., als die Kantine, die die Beklagten gepachtet hatten, durch seine Vermittlung auf einen neuen Pächter überging, ihnen Papiergeld im Mindestbetrage von jener Summe weggenommen. Die Klägerin habe die Handlung des G., mit dem sie in wilder Ehe lebe und der ihr Generalvertreter gewesen sei, zu vertreten. Daraufhin hat Klägerin Anfang 1919 Klage auf Feststellung erhoben, daß die Beklagten eine solche Forderung nicht haben und auf ihre Schuld an die Klägerin nicht verrechnen können. Nach Erhebung dieser Klage haben die Beklagten Vollstreckungs gegenklage gegen die Klägerin angestellt mit dem Antrag, die Voll streckung aus dem Vollstreckungsbefehl vom 6. Dezember 1915 für un zulässig zu erklären. Nach diesem Prozeß sind die Gegenforderung von 4360 M, aber auch noch andere angeblichen Zahlungen und Gegenforderungen der Beklagten streitig. Im gegenwärtigen Prozeß beantragte nun die Klägerin im land gerichtlichen Termin vom 30. April 1919 mit Rücksicht auf die Voll-
ersatzansprüche der Klägerin nach wie vor der ursprünglichen kurzen Verjährungsfrist unterlagen, als hinfällig erscheinen. Vom Stand punkte der vorstehenden Erörterungen aus ist vielmehr unbedenklich anzunehmen, daß jene Ansprüche nur noch der dreißigjährigen Ver jährung unterworfen sind (BGB. §§ 218, 220; ZPO. § 1040).
1. Bedeutung des Antrags, die Hauptsache für erledigt zu erklären. 2. Fällt das Interesse an der negativen Feststellnugsklage weg, wenn während ihrer Anhängigkeit der Beklagte mit der gleichen Behauptung, der sie entgegentritt, Bollstreckungsgegenklage gegen den Kläger erhebt?
35.
VI. Zivilsenat, litt. v. 14. Oktober 1920 i. S. Sch. (Bekl.) w. B. (Kl.). VI 315/20. I. Landgericht Köln. — II. Oberlandesgericht daselbst.
Die Klägerin hat in den abgetretenen Rechten des Kaufmanns Paul G. für eine auf einer Provisionsforderung des G. beruhende Wechselschuld der Beklagten von 15400 Jl im November 1915 Zah lungs- und am 6. Dezember 1915 Vollstreckungsbefehl gegen sie er wirkt, auch auf Grund des letzteren, der rechtskräftig geworden ist, mehrfach Vollstreckungshandlungen gegen sie vorgenommen. Im Jahre 1918 behaupteten die Beklagten, daß ihnen gegen die Klägerin eine Gegenforderung von 4360 Jt zustehe; am 1. Dezember 1915 habe nämlich G., als die Kantine, die die Beklagten gepachtet hatten, durch seine Vermittlung auf einen neuen Pächter überging, ihnen Papiergeld im Mindestbetrage von jener Summe weggenommen. Die Klägerin habe die Handlung des G., mit dem sie in wilder Ehe lebe und der ihr Generalvertreter gewesen sei, zu vertreten. Daraufhin hat Klägerin Anfang 1919 Klage auf Feststellung erhoben, daß die Beklagten eine solche Forderung nicht haben und auf ihre Schuld an die Klägerin nicht verrechnen können. Nach Erhebung dieser Klage haben die Beklagten Vollstreckungs gegenklage gegen die Klägerin angestellt mit dem Antrag, die Voll streckung aus dem Vollstreckungsbefehl vom 6. Dezember 1915 für un zulässig zu erklären. Nach diesem Prozeß sind die Gegenforderung von 4360 M, aber auch noch andere angeblichen Zahlungen und Gegenforderungen der Beklagten streitig. Im gegenwärtigen Prozeß beantragte nun die Klägerin im land gerichtlichen Termin vom 30. April 1919 mit Rücksicht auf die Voll-
streckungsgegenklage, die Hauptsache für erledigt zu erklären und den Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Beklagten, die die Abweisung der Klage beantragt hatten, stellten hierzu keinen Antrag. Das Ge richt vertagte die Verkündigung einer Entscheidung. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 1919 focht die Klägerin ihre Erklärung, daß die Haupt sache erledigt sei, wegen Irrtums an und hielt ihren ursprünglichen Klagantrag in der wieder eröffneten Verhandlung aufrecht. Das Landgericht wies die Klage ab, weil der Klägerin, nachdem die Vollstreckungsgegenklage erhoben war, das rechtliche Interesse an der beantragten Feststellung fehle. Das Oberlandesgericht gab der Klage statt. Die Revision der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Gründe: Das Berufungsgericht hält die Behauptung der Beklagten, daß G. ihnen Geld entwendet oder veruntreut habe, für unerwiesen, daher die Klage für sachlich begründet. Dies wird von der Revision nicht angefochten. Zu prüfen ist mithin nur, ob der Antrag der Klägerin, die Hauptsache für erledigt zu erklären, der Fortführung der Klage entgegenstand, und ob die Klägerin kein rechtliches Interesse an der Klage mehr hatte, als die Beklagten die Vollstreckungsgegenklage er hoben. Beides ist zu verneinen. 1. Das Berufungsgericht stellt den Vorgang im Termine vom 30. April 1919, woraus die Beklagten den Verlust des Klagerechts ableiten wollen, des näheren wie folgt fest: Der Anwalt der Klägerin habe nach Verlesung des Klagantrags Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Bollstreckungsgegenklage beantragt. Die Beklagten hätten der Aussetzung widersprochen und Abweisung der Klage beantragt. Nach Verhandlung zur Sache habe Klägerin Ver tagung beantragt, und als die Beklagten der Vertagung widersprachen, erklärt, die Hauptsache sei erledigt, worauf die Sache zum Spruch vertagt worden sei. Die Erklärung der Klägerin sei durch die Be merkung des Vorsitzenden veranlaßt worden, daß durch die Voll streckungsgegenklage und den rechtskräftigen Titel der Klägerin die negative Feststellungsklage wohl erledigt sei. Das Berufungsgericht untersucht die Bedeutung der Erklärung der Klägerin, die wegen Irrtums nicht angefochten werden könne, und kommt zu dem Ergebnis, daß die Klägerin keinesfalls das Bestreiten der Gegenforderung habe aufgeben wollen, daher auf den Klaganspruch nicht verzichtet habe. Ebensowenig bilde die Erklärung eine wirksame Klagerücknahme. Zwar bedeute sie, daß die Klägerin den Anspruch nicht mehr mit der erhobenen Klage verfolgen, also diese Klage zurück nehmen wollte. Die Beklagten hätten jedoch weder ausdrücklich noch durch schlüssige Handlungen in die Rücknahme eingewilligt, sondern
die Abweisung der Klage Beantragt. Der Prozeß habe also seinen Fortgang genommen, als hätte Klägerin die Erklärung nicht ab gegeben, und sie sei in der Lage gewesen, den fallen gelassenen Klage antrag wieder aufzunehmen, was sie auch getan habe. Auch dem hätten die Beklagten nicht widersprochen. Diese Ausführungen sind rechtlich einwandfrei. Der Antrag einer Partei, die Hauptsache für erledigt zu erklären, findet in der ZPO. nur eine ganz beschränkte Unterlage (so in §§ 98, 99 Abs. 2, § 628). Er bedarf daher der Auslegung und ist zumeist als Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch (§ 306) oder als Rücknahme der Klage aufzusassen; letzteres auch dann, wenn der Kläger den Antrag stellt, weil er befriedigt worden sei oder sich mit dem Beklagten verglichen habe oder dergleichen. Beantragt der Kläger zugleich, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, so kann es zweifelhaft sein, ob er von dem Prozeß abstehrn will. Wenn hier das Berufungsgericht trotz dieses Antrags eine Klagerücknahme annimmt, so ist dies nach Lage des Falles nicht zu beanstanden. Daß die Klägerin auf ihren Anspruch nicht verzichten wollte, ergibt sich ohne weiteres daraus, daß sie der Meinung war, er müsse in dem Vollstreckungsprozeß zum Austrag kommen. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an, daß die in dem Antrag enthaltene Klagerücknahme mangels Einwilligung der Beklagten gemäß § 271 ZPO. wirkungslos geblieben sei und von der Klägerin durch Aufnahme des Klagantrags beseitigt werden konnte. Die Revision ist der Ansicht, das Berufungsgericht verneine mit Unrecht, daß Klägerin auf den geltend gemachten Anspruch verzichtet habe. Dabei sei nicht beachtet, daß sie keine Leistungs-, sondern Fest stellungsklage angestrengt habe, und daß die Erklärung, diese sei in der Hauptsache erledigt, nur bedeuten konnte, daß der Feststellungsanspruch, weil infolge der Vollstreckungsgegenklage das Interesse daran weg gefallen sei, seine Erledigung gefunden habe. Die Rüge geht fehl. Der Unterschied zwischen Klagerücknahme und Verzicht auf den An spruch im Sinne des § 306 ZPO. besteht gerade darin, daß mit jener der eingeschlagene Prozeßweg, mit dem Verzicht aber das verfolgte (materielle) Recht aufgegeben wird. Bei der negativen Feststellungs klage, wie sie hier erhoben wurde, handelte es sich darum, ob die Gegenforderung den Beklagten zustand oder nicht zustand. Der Ver zicht der Klägerin auf den geltend gemachten Anspruch konnte also nur in dem Anerkenntnis der Gegenforderung bestehen. Der Verzicht auf Feststellung in dem gegenwärtigen Prozeß, weil Klägerin nach Erhebung der Vollstreckungsgegenklage kein Interesse mehr daran habe, würde kein Verzicht auf den Anspruch, sondern nur ein Abstehen von der Rechtsverfolgung in diesem Prozeß, m. a. W. ein Rückzug der Klage gewesen sein, der der Einwilligung der Beklagten bedurfte.
2. Ob die Klägerin ein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung noch in dem maßgebenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hatte, ist von Amts wegen zu prüfen, unabhängig davon, daß die Revision in diesem Punkt das Be rufungsurteil nicht bemängelt. Bedenkenfrei hält das Berufungsgericht das rechtliche Interesse der Klägerin, dessen ursprüngliches Vorhanden sein außer Streit ist, nicht dadurch für weggefallen, daß die Beklagten nachträglich die Vollstreckungsgegenklage angestrengt haben. Die Frage, ob grundsätzlich und schlechthin das rechtliche Interesse des Klägers an der negativen Feststellungsklage um deswillen erlischt und sie abgewiesen werden muß, weil der Beklage mit der gleichen Behauptung, der sie entgegentritt, eine Vollstreckungsgegenklage erhebt, ist zu verneinen. Der gegenteiligen Ansicht steht schon entgegen, daß die Vollstreckungs gegenklage ein anderes Ziel hat als die Feststellungsklage; daß ihre Voraussetzungen unter Umständen eine weitläufige, den Prozeß in große Länge ziehende Prüfung erfordern; daß ohne zwingende Gründe dem Gläubiger sein Klagerecht, mit dem er zuerst auf den Plan tritt, nicht ohne weiteres durch eine spätere Klage des Schuldners entwunden werden sollte. Wohl vermag, wie der Senat in der Entscheidung RGZ. Bd. 71 S. 68 ausgesprochen hat, die Leistungsklage die negative Feststellungsklage aus den Angeln zu heben. Die Erwägungen, auf denen dieses Urteil beruht, treffen aber nur zum kleineren Teil auf das Verhältnis der negativen Feststellungsklage zur Vollstreckungs gegenklage zu. Daher ist nach der Lage des Einzelfalls, wonach sich überhaupt beurteilt, ob ein rechtliches Jntereffe an der Erhebung und Weiterverfolgung der Feststellungsklage vorhanden ist, zu untersuchen, ob die negative Feststellungsklage trotz der Anstellung der Vollstreckungs gegenklage ihre Berechtigung behält. Hier hat die Klage aus § 767 ZPO. nicht bloß das Bestehen der streitigen, sondern auch das anderer Gegenforderungen und Zahlungen zum Gegenstände. Der Klägerin kann nicht zugemutet werden, sich bis zum Austrag des Streites über alle diese Posten die Berühmung der Beklagten gefallen zu lassen, die den Makel auf sie wirft, daß sie mit einem Diebe unter einer Decke stecke und sich mit seiner Beute bereichert habe. Zudem war nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Klage bereits zur Entscheidung reif, als die Beklagten in der Vollstreckungsgegenklage erstmalig streitig verhandelten, und auch deswegen konnte durch letztere das rechtliche Interesse der Klägerin nicht ausgeräumt werden (vgl. IW. 1909 S. 417; Warneyer 1916 Nr. 106).
36. Werden von dem den Bundesstaaten in § 24 der Gebühren ordnung für Gerichtsvollzieher eiugeräumten Vorbehalte sämtliche Gebühren und Auslagen, insbesondere auch die Auslagen in Armen sachen bettoffen? III. Zivilsenat.
Urt. v. 15. Oktober 1920 i. S. H. (Kl.), w. Volks staat Reuß (Bekl.). III 97/20.
I. Landgericht Gera. — II. Oberlandesgericht Jena.
Der beklagte Staat hat von dem in § 24 Abs. 1 Nr. 2 GVGebO. den Bundesstaaten eingeräumten Vorbehalte, den Gerichtsvollziehern an Stelle der reichsgesetzlichen Gebühren und Auslagen eine anderweite Vergütung zu gewähren, Gebrauch gemacht und in der reuß. Gerichts vollzieherordnung vom 2. September 1879 und einer weiteren die Ge richtsvollzieher in Gera betreffenden Verordnung vom 29. Dezember 1880 bestimmt, daß die Gerichtsvollzieher ein festes Gehalt, einen Ge bührenanteil sowie die ihnen gesetzlich zukommenden Schreibgebühren, Reisekosten und baren Auslagen erhalten sollen, soweit dieselben ein« gehm. Durch die weitere reußische Ministerialverfügung vom 23. Februar 1918 ist den Gerichtsvollziehern in Armensachen der Ersatz ihrer baren, vom Ersatzpflichtigen nicht beitreibbaren Auslagen aus der Staatskasse eingeräumt worden, jedoch nur vom 1. April 1918 an und mit dem Vorbehalt anderer Verfügung. Der Kläger ist der Auffassung, daß ihm ein unbeschränkter An spruch auf diesen Auslagenersatz in Armensachen auf Grund des Reichsrechts (§ 21 GVGebO.) und im Sinne der Ablösung der reichs gesetzlichen Bezüge durch den Beklagten zustehe, und verlangt die Fest stellung dieses Anspruchs. Die Klage ist in beiden Rechtszügen ab gewiesen worden. Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: Eine Verletzung reichsgesetzlicher Normen läßt das angefochtene Urteil nicht erkennen. § 24 Abs. 2 Nr. 2 GVGebO. räumt den Bundesstaaten die Befugnis ein, an Stelle von Gebühren und Aus lagen, die die Gerichtsvollzieher auf Grund dieses Gesetzes zu be anspruchen haben, ihnen eine anderweite Vergütung zu gewähren. Die Revision ist der Auffassung, daß sich diese Vorschrift nur auf die Auslagen beziehe, die die Gerichtsvollzieher von den Parteien zu fordern haben, nicht aber auf die Auslagen, die ihnen gegenüber der Staats kasse zukommen, und daß deshalb der Auslagenersatz in Armensachen, wie er in § 21 geregelt ist, von § 24 nicht betroffen werde. Diese Auffassung ist unzutteffend. Nach dem unzweideutigen Wortlaute des § 24 betrifft der Vorbehalt die Gebühren und Auslagen, die die Ge richtsvollzieher „auf Grund dieses Gesetzes" zu beanspruchen haben.
Er ist also ganz allgemeiner Art und umfaßt sämtliche in der Deutschen Gebührenordnung behandelten Gebühren und Auslagen. An dieser klaren Gesetzesfassung scheitert der durchaus willkürliche und dem Wortlaute widersprechende Versuch der Revision, die Auslagen in Armen sachen von dem Vorbehalt auszunehmen. Eine solche Einschränkung des § 24 ist auch weder durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes noch durch innere Gründe gerechtfertigt.
37. Welcher Zeitpunkt ist nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. maß gebend für die Frage, ob der Verletzte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag? III. Zivilsenat. Urt. v. 15. Oktober 1920 i. S. preuß. Staat (Bekl. w. G. (Kl.). III 136/20. I. Landgericht II Berlin. — II. Kammergericht daselbst.
Der Kläger forderte von dem Beklagten auf Grund des § 839 BGB. und des Gesetzes vom 1. August 1909 Ersatz des Schadens, der ihm durch das Verschulden eines Gerichtsvollziehers entstanden war. Der Beklagte wendete im Berufungsverfahren u. a. ein, daß der Kläger „jetzt" in der Lage sei, einen Geigenhändler H., der in erster Reihe zum Ersätze des dem Kläger entstandenen Schadens verpflichtet sei, mit Erfolg in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht ver warf diesen Einwand und erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt. Die Revision wurde zurückgewiesen. Aus den Gründen: ___ Die Rüge einer Verletzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht begründet. Der Beklagte hatte im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß der Kläger „jetzt" in der Lage sei, den H. wegen seiner Darlehnsforderung mit Erfolg in Anspruch zu nehmen, weil dieser durch Kriegsgewinne in eine bessere Vermögenslage gekommen sei. Das Berufungsgericht erklärt diese Behauptung für unerheblich, da es nicht auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung ankomme, sondern auf den Zeitpunkt, in dem der Verletzte Kenntnis von dem Eintritte des Schadens erlangt habe. In diesem Zeitpunkt aber — dem Juni 1915 — sei es aussichtslos gewesen, die Forderung von H. beizutreiben, da dieser im Jahre 1912 den Offenbarungseid geleistet habe und noch bis April 1916 von Gläubigern bedrängt worden sei. Diesen Ausführungen kann allerdings darin nicht beigetreten werden, daß es für die Frage, ob der durch das Verschulden eines Beamten Verletzte auf andere Weise als von dem Beamten oder der für ihn eintretenden öffentlichrechtlichen Körperschaft Ersatz zu erlangen
Er ist also ganz allgemeiner Art und umfaßt sämtliche in der Deutschen Gebührenordnung behandelten Gebühren und Auslagen. An dieser klaren Gesetzesfassung scheitert der durchaus willkürliche und dem Wortlaute widersprechende Versuch der Revision, die Auslagen in Armen sachen von dem Vorbehalt auszunehmen. Eine solche Einschränkung des § 24 ist auch weder durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes noch durch innere Gründe gerechtfertigt.
37. Welcher Zeitpunkt ist nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. maß gebend für die Frage, ob der Verletzte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag? III. Zivilsenat. Urt. v. 15. Oktober 1920 i. S. preuß. Staat (Bekl. w. G. (Kl.). III 136/20. I. Landgericht II Berlin. — II. Kammergericht daselbst.
Der Kläger forderte von dem Beklagten auf Grund des § 839 BGB. und des Gesetzes vom 1. August 1909 Ersatz des Schadens, der ihm durch das Verschulden eines Gerichtsvollziehers entstanden war. Der Beklagte wendete im Berufungsverfahren u. a. ein, daß der Kläger „jetzt" in der Lage sei, einen Geigenhändler H., der in erster Reihe zum Ersätze des dem Kläger entstandenen Schadens verpflichtet sei, mit Erfolg in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht ver warf diesen Einwand und erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt. Die Revision wurde zurückgewiesen. Aus den Gründen: ___ Die Rüge einer Verletzung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht begründet. Der Beklagte hatte im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß der Kläger „jetzt" in der Lage sei, den H. wegen seiner Darlehnsforderung mit Erfolg in Anspruch zu nehmen, weil dieser durch Kriegsgewinne in eine bessere Vermögenslage gekommen sei. Das Berufungsgericht erklärt diese Behauptung für unerheblich, da es nicht auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung ankomme, sondern auf den Zeitpunkt, in dem der Verletzte Kenntnis von dem Eintritte des Schadens erlangt habe. In diesem Zeitpunkt aber — dem Juni 1915 — sei es aussichtslos gewesen, die Forderung von H. beizutreiben, da dieser im Jahre 1912 den Offenbarungseid geleistet habe und noch bis April 1916 von Gläubigern bedrängt worden sei. Diesen Ausführungen kann allerdings darin nicht beigetreten werden, daß es für die Frage, ob der durch das Verschulden eines Beamten Verletzte auf andere Weise als von dem Beamten oder der für ihn eintretenden öffentlichrechtlichen Körperschaft Ersatz zu erlangen
Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts, erläutert von den Reichsgerichtsräten Busch, ve. Ebbecke, Erler, Kiehl, Dr. Lobe, Dr. Mansfeld, Michaelis, Schaffeld, Schliewen, Seyffarth. Dritte, völlig neubearb. Auflage. 1920. Groß-Oktav. 3 Bde. Erscheint in Kürze.
Plancks Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Einsührungsgesetz. Bisher herausgegeben von Dr. E. Strohal, weiland o. Prof, in Leipzig. Bearbeitet von Dr. F. Andr6, o. Prof., Geh. Justizrat, E. Brodmann, Reichsgerichtsrat, Dr. F. FlaV, Reichs gerichtsrat, M. Greiff, Wirkt. Geh. Öber-Justizrat, Oberlandesgerpräs., Dr. K. Gunkel, Reichsgerichtsrat, Dr. P. Knoke, Wirkl. Geh. Rat, Dr. H. Kreß, Prof., Dr. A. Lobe, Reichsgerichtsrat, F. Oegg, Reichsgerichts rat, Dr. H. Tiber, Professor, Dr. O. Strecker, Reichsgerichtsrat, Dr. K. v. Unzner, Präsident des Obersten Landesgerichts. Vierte, neu bearbeitete Auflage. Bisher, sind erschienen: I. Band. Allgemeiner Teil. II. Band. 1. Halbband. Recht der Schuldverhältnisse (Allgemeiner Teil). III. Band.^! Sachenrecht.
Das deutsche Seerecht nebst Erläuterungen zu den seerechtl. Nebengesetzen von Reichsgerichtsrat Dr. Georg Schaps-j-. Zweite, vollständig umgearbeitete Auflage. Nach dem Tode "des Verfassers fertiggestellt und herausgegeben von Dr. Max Mittelstein, Senatspräsident am Hanseatischen Oberlandesgericht, Vor sitzender des Prisengerichts Hamburg, und Dr. Julius Sebba, Rechts anwalt am Oberlandesgericht Königsberg. Erster Band. (Handelsgesetzbuch: Viertes Buch.) 1920. Groß-Oktav. M. 160.—, geb. M. 175.—.
Staubs Kommentar zum Handelsgesetzbuch. Zehnte, neubearbeitete Auslage von Heinrich Könige, Senatspräsident am Reichsgericht in Leipzig, Albert Pinner, Justizrat in Berlin, Dr. Felix Bondi, Justizrat in Dresden. I. Band. 1. Halbband M. 48.—, 2. Halbband M. 58.—. II. Band. 1. Halbband M. 45.—, 2. Halbband M. 70.—. Das Werk liegt jetzt vollständig vor bis auf den Registerband, der später erscheinen wird.
Pateutgesetz und Gesetz, betreffend den Schutz vo« Gebrauchs muster». Erläutert von Justizrat Dr. Arnold Seligsohn in Berlin. Sechste, völlig neu bearbeitete Auflage. 1920. Oktav. Preis M. 85.—, geb. M. 95.—.
Reichsgesetz über de» Versicherungsvertrag nebst dem zugehörigen Einführungsgesetze vom 30. Mai 1908 von Dr. P. Hager, Reg.-Rat, Generaldirektor der Lebensversicherungs-A.-G., und Dr. E. Bruck, Professor an der Universität Hamburg. Vierte, vermehrte und verbefferte Auflage. Taschenformat. Preis M. 38.—. (Guttentagsche Sammlung Deutscher Reichsgesetzc Nr. 83)
Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co. — vormals G. 3. Göschen'sche VerlagsHandlung — 3- Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl 3. Trübner — Veit & Comp. — Berlin W. 10 und Leipzig
Gutteutagsche Sammlung Deutscher Reichs- und Preußischer Gesetze Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz. Mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister nach dem Tode Dr. A. Achilles, in Verbindung mit Prof. Dr. Andre, Senatpsräsident Meyer, Reichsgerichtsrat Dr. Strecker, Prä sident und Staatsrat Dr. von Anzner, herausgegeben von Greiff, Oberlandesgerichtspräsident in Breslau. Neunte, vermehrte und verbesserte Auflage. Nebst einem Anhänge. 1920. Oktav. Preis geb. M. 42.—. Handelsgesetzbuch lohne Seerecht). Mit den ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetz buchs und einem Anhang, nebst Erläuterungen. Begründet von F. Litthauer. Neubearbeitet von Geh. IustizratDr. A. M o sse. 16. A u fla g e. Anter Mitwirkung von Gerichts assessor Friedrich Caro. 1920. Oktav. Preis geb. M. 30.—. Patentgefetz vom 7. April i89i. Nebst Ausführungsbestimmungen, völkerrechtlichen Ver trägen und Patentanwaltsgesetz, unter eingehender Berück sichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Praxis des Patentamts von R. Lutter, Geh. Negierungs rat im Neichspatentamt. Achte, völlig neubearbeitete Auflage. 1920. Taschenformat. Preis geb. M. 27.—. Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz. Von R. Syd 0 w. Fortgeführt von Reichsger.Nat L. B usch und Landger.-Nat Dr. Krantz. 16. Aust. Anveränderter Abdruck. 1920. Groß-Oktav. Preis M. 35.-. Umsatzsteuergesetz vom 24. Dezember 1919 mit den Ausführungsbestimmungen. Erläutert von Geh. Oberjustizrat Otto Lindemann, Vortr. Rat im Justiz ministerium. Zweite, völlig neu bearbeitete Auf lage. 1920. Taschenformat. Preis M. 32.—.
Gesetzgebung über Steuer- und Kapitalflucht bearbeitet von Dr. jur., Dr. oec. publ. E.L. Meyer, Rechts anwalt, Syndikus des allg. Verbandes der deutschen Er werbs- und Wirtschaftsgenoffenschaften. 1920. Taschen format. Preis M. 7.—. Das Reichsausgleichsgesetz vom 24. siprti 1920 nebst Bekanntmachungen des Wiederaufbauministers vom 30. April 1920. Erläutert von Rechtsanwalt Dr. Ernst Decke. 1920. Taschenformat. Preis M. 9.—. Das Taöaksteuergesktz vom 2. September 1919 nebst Ausführungsbestimmungen vom 26. Februar 1920Erläutert vonIustizrat Dr. jur. Friedr. Wündisch. 1920. Taschenformat. Preis M. 17.—
Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Waller de Gruyter & Co. — vormals G. I. Göschen'sche Verlags handlung — I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit H Comp. — Berlin W. 10 und Leipzig