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German Pages 167 [172] Year 1950
Entscheidungen des
Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone
H e r a u s g e g e b e n von den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof
Entscheidungen in Strafsachen 3. Band
Berlin 1950
Walter de Gruyter & Co. vermals G. J . Göschensche Verlagshandlung - J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit 1 Comp.
Entscheidungen des
Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone
in Strafsachen
3. B a n d
Berlin 1950
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschensche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit t Comp.
1. Brandstiftung. Ursächlichkeit erkennbarer zur Tat. Versicherungsbetrug.
Zustimmung
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1.
1. Tatbeitrag durch psychische Verursachung. 2. Teilnahme an Brandstiftung nach beendeter Brandlegung. Versuch und Vollendung der Brandstiftung (§ 306 StGB.), 3. Pflicht zur Schadenabwendung aus vorangegangenem, wenn auch schuldlosem Handeln und auf Grand der ehelichen Treupflicht. 4. Versicherungsbetrug (§ 265 StGB.) setzt Beteiligung des Versicherten voraus. 5. Die Anzeigepflicht aus § 139 StGB, trifft auch die nächsten Angehörigen. StGB. §§ 46 Ziff. 2, 139, 265, 306, 310. II. Strafsenat. Urt. v. 20. März 1950 g. G. StS 407/49. I. Schwurgericht Flensburg.
Aus den G r ü n d e n : Der Sohn der Angeklagten hat zwecks Erlangung der Versicherungssumme die baufälligen Wohn- und Stallgebäude des im Eigentum seines Vaters stehenden Bauernhofes in Brand gesetzt. Er stellte auf den Boden des Wohnhauses in der Nähe des Rethdaches zwischen alte Säcke und Papier eine brennende Kerze. Nach etwa einer halben Stunde rief er seine Mutter aus der Küche, teilte ihr mit, daß es noch in dieser Nacht brennen werde tind verließ dann den Hof. Die Angeklagte kehrte in die Küche zurück und stopfte Strümpfe. Etwa eine halbe Stunde später schlugen die Flammen aus dem Dach und vernichteten sämtliche Gebäude. Monate vorher hatte die Angeklagte mit ihrem Sohn die hoffnungslose Lage des Hofes besprochen; beide waren darüber einig gewesen, daß auf dem Hof „etwas geschehen" müsse. Das Schwurgericht hat die wegen Brandstiftung und Versicherungsbetruges unter Verfolgung gesetzte Ange1 EnUch. in Strafe. Heft l/III
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1. Brandstiftung. Ursächlichkeit erkennbarer zur Tat. Versicherungsbetrug.
Zustimmung
klagte freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Das Schwurgericht hat einen Tatbeitrag der Angeklagten im Sinne der Anklageschrift aus folgenden Gründen verneint: Unwiderlegbar habe der Sohn den Entschluß zur Tat allein gefaßt. Er habe der Angeklagten nichts davon gesagt, wie und wann er die Tat ausführen wolle. Die Angeklagte habe weder durch eigene Handlungen an der Brandstiftung teilgenommen, noch ihren Sohn bei dessen Tun geistig unterstützt. Sie habe unwiderlegbar erst von der Tat erfahren, als ihr Sohn bereits alles zur Verwirklichung des Plans Erforderliche getan hatte. Das bloße Wissen der Angeklagten um die bereits abgeschlossene Handlung und eine etwaige nachträgliche Billigung der Tat reiche aber zur Feststellung der Mittäterschaft oder Beihilfe nicht aus. Diese Ausführungen vermögen indes einen strafbaren Tatbeitrag der Angeklagten nicht auszuschließen. Denn die ihnen zu Grunde liegenden Feststellungen lassen die Möglichkeit offen, daß die Angeklagten an der Tat v o r dem Tatentschluß des Sohnes und n a c h Abschluß seines Handelns schuldhaft teilgenommen hat. Auch wenn der Sohn den Entschluß zur Tat allein gefaßt hat, kann die Angeklagte eine nicht wegdenkbare Bedingung zu eben diesem Tatentschluß des Sohnes gesetzt haben. In diese Richtung deutet das Gespräch, das sie einige Monate vor der Tat mit ihrem Sohn hatte. Wenn dieses Gespräch, wie naheliegt und festzustellen sein wird, etwa den Sinn hatte, daß eine Brandstiftung das einzige Mittel zur Verbesserung der Lage sei, so kann eine erkennbare Billigung dieses Gedankens durch die mit mütterlicher Autorität bekleidete Angeklagte dazu beigetragen haben, den Plan bei dem Sohn reifen zu lassen und seine etwaigen Hemmungsvorstellungen zu überwinden. Die psychische Verursachung steht, der körperlichen gleich, und die Ursachenkette würde durch die vorsätzliche Tat des Sohnes nicht unterbrochen, sondern fortgesetzt worden sein (Bd. 64 S. 317; Schneidewin, 50 Jahre RG. S. 272). Es würde sich hier, auch wenn die Angeklagte ihre Billigung stillschweigend erklärt haben sollte, um eine für die konkrete Tatausführung mitursächliche, a k t i v e Tätigkeit der Angeklagten handeln.
1. Brandstiftung. Ursächlichkeit erkennbarer zur Tat. Versicherungsbetrug.
Zustimmung
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Das Schwurgericht geht ersichtlich davon aus, daß die Angeklagte, als der Sohn wegging, von dessen bereits abgeschlossener Brandlegung wußte. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Feuer nach Annahme des Schwurgerichts zwar schon das am Boden liegende Papier und die Säcke erfaßt, aber die Flammen schlugen erst eine halbe Stunde später durch das Rethdach; die Inbrandsetzung des Gebäudes selbst war also beim Weggang des Sohnes noch zu verhüten. Als die Angeklagte durch ihren Sohn von der erfolgten Brandlegung unterrichtet wurde, war die Tat somit erst v e r s u c h t und harrte ihrer Vollendung durch das selbständige Fortwirken der in Bewegung gesetzten Naturgewalt. Auch in diesem Zeitpunkt kann die Angeklagte noch an der Tat handelnd als Mittäterin oder Gehilfin teilgenommen und sogar den verbrecherischen Erfolg durch pflichtwidrige Unterlassung selbst verursacht haben. Nach der heimlichen Mitteilung des Sohnes, es werde noch in dieser Nacht brennen, kehrte die Angeklagte ohne ein Zeichen der Mißbilligung in das Haus zurück. Diese stillschweigende Zustimmung kann den Sohn auch jetzt noch in seinem Entschluß, den Erfolg herbeizuführen, bestärkt und ihm insbesondere eine Abstandnahme von nachträglichem eigenem Löschen (§§ 46 Ziff. 2, 310 StGB.) erleichtert haben. Teilnahme (Mittäterschaft oder Beihilfe) an der Tat eines anderen aber ist nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts sogar über die (damals noch nicht einmal eingetretene) V o l l e n d u n g der Tat hinaus bis zu ihrer tatsächlichen B e e n d i g u n g möglich (RGSt. Bd. 71 S. 194; RG. JW. 1934 S. 837 Nr. 8; RG. HRR. 1940 Nr. 469). Die Angeklagte war aber auch z u e i g e n e m T ä t i g w e r d e n zwecks Verhütung einer weiteren Ausbreitung des Brandes v e r p f l i c h t e t . Diese Verpflichtung ergab sich einmal dann, wenn die Angeklagte durch, erklärte Billigung des Gedankens der Brandstiftung die Gefahr mit herbeigeführt hatte. Denn wer die Gefahr einer Straftat schafft, ist nach einem anerkannten Rechtssatz verpflichtet, den aus dieser Gefahr schädlichen Erfolg abzuwenden (RGSt. Bd. 46 S. 343, Bd. 68 S. 104, Bd. 72 S. 23). Das würde selbst dann gelten, wenn die Angeklagte bei Erklärung ihrer Billigung mit
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1. Brandstiftung. Ursächlichkeit erkennbarer Zustimmung zur Tat. Versicherungsbetrug,
einer solchen Wirkung gar nicht gerechnet haben sollte oder auch nur hätte rechnen können (RGSt. Bd. 58 S. 132). Die Verpflichtung zur Verhütung weiterer Folgen der Brandstiftung ergab sich für die Angeklagte jedenfalls aber aus ihrqr Stellung als Ehefrau des Hofeigentümers. Denn in dieser Eigenschaft war sie durch ihre Treupflicht, die sich aus dem allgemeinen Wesen, der Ehe ergibt, zur Abwendung des drohenden Feuerschadens gehalten (RGSt. Bd. 64 S. 278). Dabei ist es ohne Belang, ob sie selbst es für wirtschaftlich vorteilhaft hielt, daß der Hof abbrannte und dafür die Versicherungssumme zur Auszahlung gelangte. Wenn nach alledem die Angeklagte, was festzustellen sein wird, und wofür eben ihre Untätigkeit spricht, die Brandstiftung sei es als eigene Tat, sei es als Tat ihres Sohnes gewollt und wissentlich entweder durch ihre Zustimmung gefördert oder aber trotz gegebener Einwirkungsmöglichkeit nicht gehindert hat, so war sie je nach ihrer Willensrichtung Mittäterin oder Gehilfin (vgl. RGSt. Bd. 64 S. 273, Bd. 71 S. 193). Eines tateinheitlichen Versicherungsbetruges (§ 265 StGB.) kann die Angeklagte sich dann schuldig gemacht haben, wenn der Anspruch auf die Versicherungsleistung — sei es auch nur hinsichtlich der Hausratsversicherung — aus eigenem Recht auch ihr zustand (RGSt. Bd. 62 S. 298 f.; RG. JW. 1935 S. 941 Nr. 25). Auch die Gründe, aus denen das angefochtene Urteil den subsidiär zu prüfenden Tatbestand des § 139 StGB, als nicht verwirklicht erachtet, halten der rechtlichen Uberprüfung nicht stand. Die Urteilsfeststellungen ergeben entgegen der Auffassung des Schwurgerichts nicht, daß die Brandstiftung zu der Zeit, als die Angeklagte durch ihren Sohn über die Brandlegung unterrichtet wurde, schon vollendet gewesen wäre. Denn damit, daß das Feuer auf das am Boden liegende Papier und die Säcke übergegriffen hatte, war das G e b ä u d e noch nicht in Brand gesetzt; das war vielmehr erst dann der Fall, wenn d a s G e b ä u d e s e l b s t derart vom Feuer ergriffen war, daß es auch nach Entfernung von Kerze, Säcken und Papier selbständig weitergebrannt hätte (RGSt. Bd. 64 5. 273, Bd. 71 S. 194). Rechtsirrig ist weiter die Auffas-
2. Zum 5 267 Abs. 1 StPO. Tatsachengrundlage de» Schuldspruch».
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sung des Schwurgerichts, daß die Angeklagte infolge Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit keine Möglichkeit mehr gehabt habe, das Verbrechen vor der Vollendung anzuzeigen. Denn der in § 139 StGB, ebenfalls als Adressat der Anzeige bezeichnete unmittelbar Bedrohte, ihr Ehetnann, weilte sofort erreichbar im Hause. Da sie die Anzeige noch rechtzeitig zu machen verpflichtet war, mußte sie diesen sogar in erster Linie unterrichten. Daß der Brandstifter ihr Sohn war, berührte die Anzeigepflicht nicht (RG. JW. 1932 S. 57 Nr. 16)-. Auf dieser Grundlage wird gegebenen Falles erneut zu prüfen sein, ob die Angeklagte eine ihr obliegende Anzeigepflicht verletzt hat. Die Entscheidung entspricht dem Antrage des Generalstaatsanwalts. 2. Auch wenn das Gericht von einer weitergehenden Beteiligung des Angeklagten Uberzeugt ist, dürfen dem Schuldspruch nur die im Urteil festgestellten Tatsachen zugrunde gelegt werden. StPO. § 267 Abs. 1. II. Strafsenat. Urt. v. 3. April 1950 g. Sch, StS 55/49. I. Schwurgericht Hannover.
Aus d e n G r ü n d e n : Der Angeklagte i s t . . . nach den bisherigen Feststellungen eines in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen begangenen Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig. Dennoch kann das Urteil keinen Bestand haben. Denn das Schwurgericht legt ihm nicht nur die Festnahme und Mißhand' lung der fünf Reichsbannerangehörigen zugrunde, sondern ausdrücklich die g e s a m t e damalige Aktion, bei der noch weitere Personen festgenommen und mißhandelt sein s o l l e n . Es hebt deshalb hervor, daß der Angeklagte eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung von Reichsbannerangehörigen, ,,u. a." des Kr., He., Hi., Sch. und Dr., und der Freiheitsberaubung und der gefährlichen Körperverletzung „insbesondere", oder an anderer Stelle „u. a." gegenüber diesen fünf Reichsbannermitgliedern schuldig sei. Diese Formulierungen ergeben, daß das Schwurgericht auch a n d e r e Fälle von
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3. Vermeintliche Vollstreckung eines Todesurteils an einem Strafgefangenen.
Festnahmen und Mißhandlungen in/ den Schuldspruch einbezogen hat. Das Urteil enthält jedoch hierzu keine tatsächlichen Feststellungen. Der Umfang, in dem der Angeklagte sich nach Auffassung des Schwurgerichts schuldig gemacht hat, ist also in tatsächlicher Hinsicht nicht voll dargetan. Der Schuldspruch entbehrt deshalb, soweit er über die fünf festgestellten Einzelfälle hinausreicht, der Begründung und ist damit in diesem Punkte mangelhaft. Dieser Mangel macht den Schuldspruch wegen seiner Unteilbarkeit im ganzen f e h l e r h a f t . . . . 3. 1. Zum Sachverhaltsirrtum bei vermeintlicher Vollstreckung eines Todesurteils an einem Strafgefangenen. 2. Liegt ein Sachverhaltsirrtum (§ 59 StGB.) nicht vor, so hängt die Wirkung des bloßen Rechtsirrtums auf die Schuld davon ab, ob der Täter nach seiner Einsicht und allen Umständen fähig gewesen ist, sein Tun mit den Geboten der Rechtsordnung in Einklang zu bringen. Für mangelnde Sorgfalt hierbei haftet er als Vorsatztäter. StGB. §§ 59, 212. I. Strafsenat. Urt. v. 4. April 1950 g. St. u. a. StS 416/49. I. Schwurgericht Essen.
Aus den Gründen: Den Angeklagten, ehemaligen langjährigen Kriminalbeamten in B., wird Totschlag vorgeworfen, begangen am 28. März 1945 an dem Strafgefangenen Vö. Sie sind freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Angeklagten sind geständig, Vö., der wegen Rückfalldiebstahls mit Zuchthaus bestraft, aus der Strafhaft zweimal entwichen und nach Plünderungen wieder verhaftet und ins Gerichtsgefängnis in B. gebracht worden war, am Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner aus dem Gefängnis geholt und auf dem Friedhof vorsätzlich erschossen zu haben. Sie berufen sich aber darauf, nach einer Äußerung des damaligen Amtsgerichtsrats W. in B. angenommen zu haben, daß ihnen die Vollstreckung eines rechtskräftigen Todesurteils des Sondergerichts in
3. Vermeintliche Vollstreckung eines Todesurteils an einem Strafgefangenen.
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E. an Vö. übertragen sei, wobei der Angeklagte Fr. nur vom Angeklagten St. unterrichtet worden ist. Das Schwurgericht hält dies nicht für widerlegt und hat daher angenommen, den Angeklagten habe bei der Tötung das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gefehlt. Diese Begründung vermag keinen der Freisprüche zu tragen. Sie läßt e'rstens nicht erkennen, welchen Sachverhalt das Schwurgericht für erwiesen hält und bietet der rechtlichen Beurteilung daher keine genügende Grundlage. Außerdem ergeben die Urteilsgründe auch nicht, auf welcher Rechtsgrundlage das Schwurgericht den Sachverhalt würdigt, insbesondere nicht, ob § 59 StGB, dabei richtig beachtet ist. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung. Der Sachverwalt ist nach zwei Richtungen zu prüfen. Die Angeklagten oder einer von ihnen könnten bei der Tat über Tatumstände geirrt haben, die zum gesetzlichen Tatbestande gehören (§ 59 StGB.). Sie könnten aber auch, sofern sie überhaupt einem Irrtum erlegen sind, ohne einen S a c h v e r h a l t s irrtum nur darüber geirrt haben, daß ihr Tun Unrecht und strafbar sei. Beide Fälle sind verschieden zu beurteilen. 1. Zum Sachverhaltsirrtum (§ 59 StGB.) ist auf Grund der bisherigen Tatfeststellungen zu bemerken: Der Angeklagte St. hat sich dahin verteidigt, er habe dem damaligen Amtsgerichtsrat W. geglaubt, daß Vö. zum Tode verurteilt sei. Die ,,Worte W.s, Vö. müsse erschossen werden, habe er als eine Anweisung an sich a u f g e f a ß t , das Urteil zu vollstrecken". Das Schwurgericht führt dazu aus, das widersprüchliche Ergebnis der Beweisaufnahme reiche nicht aus, nachzuweisen, daß diese Einlassung des Angeklagten unrichtig sei. Es sagt aber weiter, es sei „nicht unglaubhaft, daß die Angeklagten einen anderen Weg, die Bevölkerung vor weiteren Straftaten Vö.s im Falle von dessen Freilassung zu schützen, nicht gesehen hätten", und an anderer Stelle, es sei möglich, daß die Angeklagten, von einem falsch verstandenen Pflichtgefühl geleitet, die Tat „mit dem Gedanken an die Sicherheit der Bevölkerung" begangen hätten. Fest steht hiernach nur, daß St. ein rechtskräftiges Todesurteil des Sondergerichts gegen Vö. irrig für vorliegend gehalten hat. I n s o w e i t hätte er zwar über einen Tatumstand geirrt. Damit entfiele jedoch noch nicht sein Vorsatz. Dies
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3. Vermeintliche Vollstreckung eines Todesurteils an einem Strafgefangenen.
wäre erst dann der Fall, wenn der Angeklagte sich außerdem irrig für befugt gehalten hätte, dieses vermeintliche Urteil zu v o l l s t r e c k e n . Dazu würde aber — von dem noch zu erörternden Fall des übergesetzlichen Notstandes abgesehen — gehört haben, daß er sich die ordnungsmäßige Anordnung der Vollstreckungsbehörde hierzu vorstellte. Auf b e i d e s z u s a m m e n hätte sich der etwaige Sachverhaltsirrtum des Angeklagten beziehen müssen, um den Vorsatz der rechtswidrigen Tötung auszuschließen. Insoweit sind die Urteilsfeststellungen aber unklar. Sie lassen sich einerseits dahin verstehen, der Angeklagte St. habe geglaubt, von W. als dem unter den damaligen Zusammenbruchsverhältnissen zuständigen Strafvollstreckungsbeamten mit der „Urteilsvollstrekkung" beauftragt zu sein und habe lediglich etwaige Bedenken dagegen damit beschwichtigt, daß die Ausführung dieses Auftrages z u g l e i c h auch dem Schutze der Bevölkerung diene. Eine derartige Vorstellung des Angeklagten St. würde allerdings einen Sachverhaltsirrtum (§ 59 StGB.) ergeben, der den Tötungsvorsatz ausschlösse, so daß lediglich noch zu prüfen bliebe, ob dieser Irrtum fahrlässig war. Denn St. hätte dann irrig angenommen, von der unter den damaligen, ungeordneten Verhältnissen zuständigen Amtsperson angewiesen zu sein, ein rechtskräftiges Todesurteil formlos zu vollstrecken. Ob die gesetzlichen Vollstreckungsvorschriften (§§ 453, 454 StPO.) beachtet waren, als der vermeintliche Auftrag an ihn erging, wäre Sache der Vollstreckungsbehörde gewesen und hätte er als Vollstreckungsorgan nicht zu prüfen gehabt, sofern er nicht etwa gewußt hätte, daß der Vollstreckungsauftrag ungesetzlich war, was einen entschuldigenden Sachverhaltsirrtum von vornherein ausschlösse. 2. Das Urteil kann aber auch dahin zu verstehen sein, daß der Angeklagte St. die angebliche Äußerung W.s nur als A n l a ß benutzt hat, den Vö. aus eigenem Entschluß zu erschießen, um die Bevölkerung vor ihm zu schützen. In einem solchen Falle läge — wiederum abgesehen vom übergesetzlichen Notstande, der noch zu erörtern ist — kein Irrtum über den S a c h v e r h a l t nach § 59 StGB, vor, sondern ein bloßer Rechtsirrtum über das Erlaubtsein einer vorsätzlichen Tötung unter bestimmten Umständen
3. Vermeintliche Vollstreckung eines Todesurteils an einem Strafgefangenen.
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a u ß e r h a l b einer Urteilsvollstreckung. Das Schwurgericht wird zunächst klarstellen müssen, welcher Sachverhalt nach der Vorstellung des Angeklagten vorgelegen hat. 3. Sollte sich danach ein Sachverhaltsirrtum (§ 59 StGB.) ergeben, wie er zu 1 dargelegt ist, so kommt keine vorsätzliche, sondern nur fahrlässige Tötung (§ 222 StGB.) in Betracht, nämlich dann, wenn der Angeklagte diesen Irrtum bei Anwendung der ihm möglichen Sorgfalt hätte vermeiden können. Dafür bieten schon die bisherigen Tatfeststellungen selbst auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten St. erheblichen Anhalt. Mit Recht hat der Generalstaatsanwalt hervorgehoben, daß das Verhalten St.s nach seiner eigenen Einlassung nicht nur fahrlässig, sondern leichtfertig anmutet. Das Urteil schildert _St. als einen guten und gewissenhaften, langjährigen Kriminalbeamten ohne nationalsozialistische Haltung. Um so erstaunlicher ist es, daß er nach den Tatfeststellungen nichts unternommen hat und nichts unternommen zu haben behauptet, die selbst angesichts des Zusammenbruchs höchst ungewöhnliche, angebliche „Anweisung" W.s, die nach dem Urteil und der eigenen Einlassung St.s ja nicht ausdrücklich und mit klaren Worten gegeben worden ist, sofort klarzustellen. Es widerspricht aller Erfahrung, auch unter den Verhältnissen des Zusammenbruchs, daß ein langjähriger,, pflichtbewußter Kriminalbeamter, der — nach dem Urteil — den nationalsozialistischen Vernichtungsplänen innerlich fernstand, die nach eigener Einlassung derart allgemein gehaltene und z u m i n d e s t mißverständliche Äußerung eines Amtsgerichtsrats, der nicht sein Vorgesetzter war, o h n e j e d e w e i t e r e A u f k l ä r u n g des Sachverhalts als Auftrag auffaßte, zwecks abgekürzter Urteilsvollstreckung einen Menschen zu töten. Die Umstände und die Erfahrung sprechen vielmehr dafür, daß er sich bei auch nur durchschnittlicher Sorgfalt angesichts einer so schwerwiegenden Anweisung, wenn er wirklich eine solche annahm, zunächst nach Einzelheiten des angeblichen Urteils erkundigen, es sich vorweisen lassen, einen schriftlichen „Vollstreckungsbefehl" fordern, sich m i n d e s t e n s aber über Inhalt und Tragweite der mündlichen „Anweisung" sofort Gewißheit verschaffen oder seinen Dienstvorgesetzten befragen würde, be-
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3. Vermeintliche Vollstreckung eines Todesurteils an einem Strafgefangenen.
vor er etwas Unabänderliches tat. Alles das war ihm nach dem Urteil zur Tatzeit noch immer möglich und ist bei einem derart schwerwiegenden Sachverhalt jedem durchschnittlich gebildeten und lebenserfahrenen Menschen zuzumuten. Würde das Schwurgericht bei einem solchen Sachverhalt Fahrlässigkeit des Angeklagten St. in bezug auf den etwaigen Irrtum verneinen wollen, so würde es ganz besondere Gründe und Umstände dafür anzuführen haben . . . 4. Sollte die neue Hauptverhandlung dagegen ergeben, daß der Angeklagte St. die Äußerung W.s nur als Anlaß benutzt, den Vö. aber a u s e i g e n e m E n t s c h l u ß deshalb erschossen hat, um die Bevölkerung vor ihm zu schützen, so bestünden noch geringere Zweifel an seiner Schuld. Denn ein strafrechtlicher Rechtsirrtum könnte den Angeklagten St. nur dann entschuldigen, wenn er zur Tatzeit nach seinen persönlichen Umständen und nach der Sachlage überhaupt a u ß e r s t a n d e gewesen ist, das Unrechte seines auf einer solchen Vorstellung beruhenden Tuns zu erkennen (OGHSt. Bd. 2 S. 129). Fahrlässigkeit h i e r b e i vermöchte den Vorsatz n i c h t auszuschließen. Zumindest im Bereich derjenigen Strafgesetze, deren Verbote sich mit den sittlichen decken, wozu auch das Tötungsverbot gehört, ist von jedem Rechtsgenossen nicht nur die Unterlassung offensichtlich verbotener und strafbarer Handlungen zu fordern, sondern auch solcher, die sich auf dem Gebiete des sittlich Unerlaubten bewegen. Die Rechtsgemeinschaft darf verlangen, daß jeder seine Handlungen nach dem Maß seiner Einsichtsfähigkeit mit den Geboten der Rechtsordnung in Einklang bringt und für mangelnde Sorgfalt hierbei strafrechtlich als Vorsatztäter einsteht. Fehlt es hieran, so ist der Rechtsirrtum unbeachtlich. Auf die Ausführungen OGHSt. Bd. 2 S. 129 wird verwiesen. Daß in einem solchen Falle aber kaum eine unvermeidbarer Rechtsirrtum gegeben sein könnte, ist unter den bisher festgestellten Umständen offensichtlich. Denn ein solcher Rechtsirrtum bezöge sich nur auf das vermeintliche Recht eines Kriminalbeamten, einen zum Tode Verurteilten beim Herannahen feindlicher Streitkräfte zu töten; er könnte daher kaum entschuldbar sein.
3. Vermeintliche Vollstreckung eines Todesurteils an einem Strafgefangenen.
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5. Die Ausführungen zu 3 und 4 gelten auch für den Fall, daß sich einer der Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung auf übergesetzlichen Notstand berufen sollte. Ein Sachverhaltsirrtum (vgl. 3) wäre auch in diesem Falle nur gegeben, soweit sich einer der Angeklagten etwa einen S a c h v e r h a l t irrig «vorgestellt hätte, der übergesetzlichen Notstand, wie er in der Rechtsprechung anerkannt ist, begründen würde. Die allgemeine Annahme dagegen, unter den Tatumständen sei die Erschießung Vo.s zum Schutze der Bevölkerung erlaubt und Ausübung übergesetzlichen Notstandes, wäre nicht ein Sachverhalts-, sondern nur ein Rechtsirrtum (vgl. 4). Zum ersteren Falle ist noch zu bemerken: Zwar sind die bisherigen Urteilsfeststellungen zur Schuldseite lückenhaft und nicht eindeutig. Sie ergeben aber doch mit großer Wahrscheinlichkeit, daß sich "keiner der Angeklagten eine übergesetzlichen Notstand begründende Sachlage vorgestellt haben kann. Entscheidend dafür wären die Umstände, die die Angeklagten gekannt haben. Sie ergeben nicht das geringste dafür, daß die Angeklagten, wie beim übergesetzlichen Notstande erforderlich, eine z u t r e f f e n d e Güterabwägung oder eine Güterabwägung überhaupt auch nur versucht hätten. Ebensowenig ist bisher ersichtlich, daß und welche Erwägungen etwa in der Richtung angestellt worden sind, ob die Tötung Vö.s nach den Umständen wirklich der e i n z i g e zumutbare und gangbare Weg aus der vermeintlichen Notstandslage war. Denn es liegt auf der Hand, daß er auch in Haft behalten und den Feindtruppen übergeben werden konnte. Schon aus diesen Gründen wird für einen Sachverhaltsirrtum insoweit kein Raum sein. Daher braucht nur noch darauf hingewiesen zu werden, daß ein solcher Sachverhaltsirrtum, selbst wenn er bestanden hätte, sehr wahrscheinlich fahrlässig wäre. Denn Vö. war nach den Urteilsfeststellungen kein „Gewaltverbrecher", sondern ein rückfälliger, aus der Strafhaft entwichener Dieb, der sich nach dem Entweichen durch Einbrüche und wohl auch durch Trümmerplünderung ernährte. Daß bei seiner Entlassung G e w a l t t a t e n oder Tötungen von ihm zu befürchten waren, ist nicht ersichtlich. Die Angeklagten, denen alles das bekannt gewesen zu sein scheint, könnten unter solchen Umständen nicht
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4. Aussageerpressung. KRG. 10. Binheltstat nur bei einheitlichem Lebentvorgang.
gut ohne Fahrlässigkeit zu der Uberzeugung gekommen sein, die Tötung Vö.s sei das e i n z i g e Mittel, die Bevölkerung vor ihm zu schützen. Denn das hätte, wenn überhaupt, vorausgesetzt, daß auch von Vö. im Falle seiner Freilassung Tötungsverbrechen drohten, wofür kein Anhalt besteht. Hätten die» Angeklagten das nicht erwogen, dann fiele ihnen selbst bei irriger Annahme des S a c h v e r h a l t s eines übergesetzlichen Notstandes noch eine fahrlässige Tötung zur Last (vgl. 3). Alle diese Gründe zwingen zur Zurückweisung. Für den Angeklagten Fr. gilt dasselbe, wobei die Verschiedenheit des Hergangs ins Auge zu fassen ist, die nach den Urteilsfeststellungen darin zu bestehen scheint, daß Fr. nicht mit W. verhandelt, sondern seine Anweisungen allein von seinem Dienstvorgesetzten, dem , Angeklagten St. erhalten hat. Nötigenfalls wird daher festzustellen sein, was St. dem Fr. über die angebliche Grundlage der Tötung Vö.s gesagt und was Fr. etwa unternommen, sich vorgestellt und erwogen hiat, bevor er seinen Tatbeitrag leistete, 4. 1. Zur amtlichen Mitwirkung bei der Untersuchung (§ 343 StGB.). 2. Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit vermag nur einen einheitlichen Lebensvorgang zu erfassen, nicht dagegen gleichartige Taten desselben Täters, die durch lange Zeiträume voneinander getrennt sind, für die eine ebensolche Betätigung des Täters nicht festgestellt ist KRG. 10 Art. II lc ; StGB. § 343. I. Strafsenat. Urt. v. 11. April 1950 g. V. StS 514/49. I. Schwurgericht Bochum.
Aus den G r ü n d e n : . . . . Die Urteilsfeststellungen zur ä u ß e r e n Tatseite des § 343 StGB, sind nicht zu beanstanden. Täter einer Aussageerpressung kann zwar nur ein Beamter sein, der an der Untersuchung, innerhalb deren die Tat begangen ist, amtlich mitgewirkt hat. Das trifft aber bereits dann zu, wenn der Beamte, ohne gerade für d i e s e Untersuchung unmittelbar zuständig zu sein, jedenfalls a l l -
4. Aussageerjuessung. KRG. 10. Einheitstat nur bei einheitlichem Lebensvorgarxg.
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g e m e i n zu Untersuchungshandlungen berufen ist. Nimmt ein solcher Beamter an der Untersuchung teil, auch ohne an sich dafür zuständig zu sein, so nimmt er ein Amtsgeschäft wahr und wirkt mithin an der Untersuchung amtlich mit. Das Urteil führt zutreffend aus, als Polizeibeamter sei der Angeklagte „auch funktionell für Untersuchungen, also Ermittlungen und Vernehmungen zuständig" gewesen, so daß er zu den Beamten im Sinne des § 343 zähle, die amtlich bei Untersuchungen mitzuwirken haben. Dagegen ist rechtlich nichts einzuwenden . . . . Auch die Verurteilung wegen e i n e s einheitlichen Verbrechens gegen die Menschlichkeit ist nicht zu billigen. Das Schwurgericht hat sie nicht näher begründet. Von den festgestellten Mißhandlungsfällen liegen drei im April/Mai 1933, fünf im Februar/März 1936 und einer Anfang 1945. Die erheblichen Zeitabstände zwischen diesen Fallgruppen schlössen die Annahme eines einheitlichen Verbrechens gegen die Menschlichkeit nur dann n i c h t aus, wenn trotzdem — was kaum anzunehmen ist — noch ein einheitlicher Lebensvorgang gegeben wäre. Die langen Zeitabstände zwischen den einzelnen Fallgruppen, besonders der letzte vor neun Jahren, für den nichts festgestellt ist, schließen eine solche Annahme hier aber so gut wie aus. Es ist nicht einzusehen, warum gerade beim Verbrechen gegen die Menschlichkeit zeitlich weit a u s e i n a n d e r l i e g e n d e , wenn auch derselben Haltung entspringende gleichartige Taten desselben Angeklagten gegen verschiedene Opfer eine einheitliche Tat sein sollen. Dieser Gedanke ist nur dort am Platze, wo er nach der nun einmal gegebenen Sachlage unausweichlich ist, nämlich bei Massenverbrechen, die zahlreiche, im einzelnen n i c h t m e h r a u f k l ä r b a r e Fälle umfassen (vgl. OGHSt. Bd. 2 S. i33, 134). Hier dagegen besteht diese Gefahr keineswegs, so daß mehrere, verschiedenen Lebensvorgängen zugehörige Tatakte ebensoviele einzelne Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein können, wie es auch deutschrechtlicher Betrachtung entspricht.
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5. Benutzung des verschafften Abtreibungswerkzeugs. Beihilfe zur Selbstabtreibung.
5. 1. Zur fahrlässigen Tötung durch Verschaffung eines tauglichen Abtreibungswerkzeuges und Ratschläge für dessen Anwendung. 2. Wer einer Schwangeren ein taugliches Abtreibungswerkzeug zur Abtreibung ihrer Leibesfrucht verschafft, ist auch dann nach Absatz 4 des § 218 zu bestrafen, wenn die Schwangere das Werkzeug benutzt. 3. Der Verschaffende kann der Schwangeren außerdem noch durch andere Handlungen Beihilfe zur Selbstabtreibung (§§ 218 Abs. 1, 49 StGB.) leisten. Die Ansicht, daß Beihilfe zur Selbstabtreibung nach den §§ 218 Abs. 3, 49 zu bestrafen sei, ist abzulehnen. StGB. §§ 218 Abs. 1, 3, 4, 222, 49, 73. I. Strafsenat. Urt. v. 18. April 1950 g. Sch. u. a. StS 490/49. I. Strafkammer Arnsberg. II. Oberlandesgericht Hamm.
Die Ehefrau Be. war Anfang 1949 vom Angeklagten Sch. schwanger. Sie beabsichtigte, die Frucht abzutreiben und bat Sch. um Hilfe. Diesem gelang es schließlich, den Angeklagten Ho. zu bewegen, eine zur Abtreibung geeignete Spritze zu beschaffen und ihm auszuhändigen. Ho. und Sch. wußten, daß die Spritze alsbald zur Abtreibung benutzt werden sollte. Ho. versuchte, Sch. ihre Anwendung zu erklären und war auch bereit, sie der Schwangeren unmittelbar zu erläutern. Sch. übergab die Spritze der Frau Be. An demselben Tage, unmittelbar vor dem geplanten Eingriff, machte er Ho. mit ihr bekannt und entfernte sich dann. Ho. gab der Be. die gewünschten Erläuterungen und half ihr beim Füllen der Spritze. Während des Selbsteingriffs der Be. wartete er nebenan, erkundigte sich nach dem Gelingen und antwortete auf ihr Rufen, ob sie — nach zwei Einspritzungen -— noch eine dritte machen solle, er wisse es nicht, es könne aber wohl nicht schaden. Bei dieser dritten Einspritzung zog sich die Be. eine tödliche Luftembolie zu. Die Angeklagten sind wegen Beihilfe zur Selbstabtreibung (§§ 218 Abs. 1, 49 StGB.) verurteilt. Fahrlässige Tötung hat die Strafkammer verneint, weil nach dem Hergang nur straflose
5. Benutzung des verschafften Abtreibungswerkzeugs. Beihilfe zur Selbstabtreibung.
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„fahrlässige Beihilfe zur fahrlässigen Selbsttötung" vorliege. Das Oberlandesgericht will der Sachrüge der Staatsanwaltschaft stattgeben, hat die Sache aber vorgelegt, weil es dabei von dem Urteil des OLG. Hamburg Ss 68/47 vom 30. Juli 1947 (HESt. 1, 95) abweichen müßte und weil die Stellung des Absatzes 4 innerhalb des § 218 in der ab 30. März 1943 geltenden Fassung und im strafrechtlichen System überhaupt grundsätzliche Bedeutung habe. Das OLG. nimmt auch eine fahrlässige Tötung und beim Angeklagten Ho. außerdem Beihilfe zur Selbstabtreibung an. Der OGH. hat die Angeklagten nach den §§ 222, 218, Abs. 1, 4, 49, 73 StGB, verurteilt und die Sache zur Straffestsetzung zurückverwiesen. Aus den Gründen: Die Verurteilung wegen B e i h i l f e zur Selbstabtreibung (§§ 218 Abs. 1, 49 StGB.) trifft nach den Tatfeststellungen im Ergebnis zwar bei beiden Angeklagten zu, aber aus anderen Gründen, als die Strafkammer annimmt. Die Strafkammer hält den Absatz 4 des § 218 StGB, dann für unanwendbar, wenn die Schwangere das beschaffte Mittel zur Abtreibung b e n u t z t hat. Diese von ihr nicht näher begründete Ansicht ist unrichtig. Abzulehnen ist auch die Meinung des OLG. Hamburg (HESt. 1, 97), der. Absatz 4 betreffe nur V o r b e r e i t u n g s handlungen, die nicht zur Tat geführt hätten; benutze die Schwangere das verschaffte Mittel, so liege Beihilfe zur Selbstabtreibung vor, in der die Tat nach Abs. 4 aufgehe. Richtig daran ist, daß es für den Tatbestand des Absatzes 4 auf die B e n u t z u n g des verschafften Mittels durch die Schwangere nicht ankommt; es genügt die tatbestandsmäßige Verschaffung eines zur Abtreibung geeigneten Mittels (Olshausen Anm. 14d). Insbesondere ist es aber unzutreffend, daß derjenige, der der Schwangeren etwa ein u n taugliches „Abtreibungsmittel" verschafft, a l l e i n d e s w e g e n schon der Beihilfe zur Selbstabtreibung (§§ 218 Abs. 1, 49 StGB.) schuldig und daß daraus abzuleiten sei, daß es bei Verschaffung eines t a u g l i c h e n Mittels ebenso sein müsse. Denn solange die Schwangere das verschaffte u n taugliche Mittel nicht benutzt, die Abtreibung also nicht versucht, ist die Ver-
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5. Benutzung des verschafften Abtreibungswerkzeugs. Beihilfe zur Selbstabtreibung.
Schaffung des untauglichen Mittels straflos, weil eine Beihilfe ohne Haupttat nicht möglich ist. Dagegen ist schon die bloße Verschaffung eines t a u g l i c h e n Mittels in Erwartung der Verwendung eine rechtpolitisch besonders gefährliche, typische Erleichterung der geplanten Tat, so daß sie, anders als beim u n tauglichen Mittel, schon für sich allein Strafe verdient. Der Wortlaut des Absatzes 4 des § 218 läßt denn auch keinen Zweifel, daß diese Vorschrift einen besonders häufigen und gefährlichen Fall sowohl der „Vorbereitung" wie der „Beihilfe" zur Abtreibimg als Sondertatbestand s e l b s t ä n d i g erfaßt, unabhängig davon, ob das verschaffte, t a u g l i c h e Mittel oder Werkzeug Verwendung findet. Soweit es bei der bloßen Verschaffung bleibt, ist damit eine V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g selbständig mit Strafe bedroht. Wird das verschaffte fylittel oder Werkzeug dagegen von der Schwangeren benutzt, so stellt sich die Verschaffung als v e r s e l b s t ä n d i g t e , nach Absatz 4 strafbare B e i h i l f e dar. Der rechtsvergleichende Hinweis des OLG. Hamburg auf die §§ 49a und 151 StGB, überzeugt schon deshalb nicht, weil diese Vorschriften, verglichen mit der jeweils zugehörigen Haupttat, mildere Strafen vorsehen, was bei § 218 Abs. 4 im Verhältnis zu den §§ 218 Abs. 1, 3 und 49 StGB, gerade n i c h t zutrifft. Diese Auffassung hätte die seltsame und unannehmbare Folge, daß die an sich mit der Verschaffung eines tauglichen Mittels v o l l e n d e t e Tat, die nach § 218 Abs. 4 mit Gefängnis, im besonders schweren Falle mit Zuchthaus zu bestrafen ist, bei Gebrauch des Mittels durch die Schwangere trotz des H i n z u t r i t t s dieses Umstandes nunmehr als B e i h i l f e zur Abtreibung, also nach Maßgabe des § 49 StGB, milder bestraft werden könnte, als bei unterlassenem Gebrauch. Dies kann nicht rechtens sein. Absatz 4 ist daher auch bei Gebrauch des verschafften, tauglichen Mittels ein Sondertatbestand (so auch Ophausen Anm. 16b und Schönke Anm, X). Schröder (MDR. 1949 S. 391) hält den Absatz 4 des § 218 ebenfalls für unanwendbar, wenn das verschaffte Mittel von der Schwangeren benutzt wird. Dies deshalb, weil Absatz 1 allein die Schwangere privilegiere; j e d e Beteiligung eines anderen an der Abtreibung, also auch das Verschaffen eines tauglichen Mittels oder Werkzeugs,
5. Benutzung des verschilften Abtreibungswerkzeugs. Beihilfe zur Selbstabtreibung
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sei im Benutzungsfalle nach Absatz 3 des § 218 zu bestrafen. Wäre Beihilfe zur Tat nach Absatz 1 möglich, so würde sich nach Schröder der Absatz 4 nicht als e r s c h w e r t e r Fall der Beihilfe darstellen, wie das Gesetz ihn meint, sondern sinnwidrig als deren Privilegierung. Auch gegen diese Auffassung bestehen Bedenken. Wer zur S e l b s t abtreibung hilft, leistet schon begrifflich nicht Hilfe zur F r e m d abtreibung. Die Rechtsprechung hat beide Fälle stets scharf getrennt, und der Aufbau des § 218 StGB, zwingt zu dieser Trennung und läßt den Vergleich mit den §§ 211 ff. StGB, nicht zu. Mit Recht macht das OLG. Hamm außerdem dagegen geltend, die Auslegung Schröders verletze den Grundsatz, daß der Gehilfe nach § 49 StGB, milder bestraft werden könne als der Täter. Diese Erwägung des OLG. trifft zwar den vorliegenden Fall nicht unmittelbar. Denn die AAR. Nr. 1 Ziffer 8b, die hier noch anzuwenden ist, läßt Bestrafung nur nach Maßgabe der Strafdrohungen vom 30. Januar 1933 zu. Damals war aber in den Absätzen 1 und 2 (jetzt 3) des § 218 gleichmäßig Gefängnis angedroht. Derselbe Strafrahmen würde in Verbindung mit den §§ 49, 44 StGB, hier also nach b e i d e n Absätzen auch für den Gehilfen gelten. Hier würde daher ausnahmsweise nicht gegen den Grundsatz des § 49 StGB, verstoßen. Aber dem OLG. ist dennoch zuzustimmen. Denn die AAR. Nr. 1 hatte nur vorübergehende Bedeutung. Sie hat das deutsche Strafrecht nicht geändert (OGHSt. Bd. 1 S. 126). Inzwischen ist sie aufgehoben. Die Auslegung strafrechtlicher Tatbestände kann gich aber nicht nach einer ihrem Wesen nach vorübergehenden Strafralimenbeschränkung richten, sondern nur nach dem inneren Zusammenhang der Vorschriften und dem Gesetzeszweck im Rahmen des Wortlauts. Die Auslegung Schröders würde daher gegenwärtig und künftig in'der Tat die vom OLG. hervorgehobene Wirkung haben, weil Absatz 1 im Verhältnis zum Absatz 3 j e t z t wieder mildere Strafe erlaubt. Weiter ist entgegen Schröder nicht einzusehen, warum der Absatz 4 seinen Zweck als rechtspolitisch wichtiger Sondertatbestand nicht dadurch soll erreichen können, daß er einerseits gewisse, sonst straflose Vorbereitungshandlungen selbständig erfaßt, andererseits — bei Benutzung des Mittels oder Werkzeugs — Verschaffungs2 Entsch. in S t r a f s . Heft l/III
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5. Benutzung des verschafften Abtreibungswerkzeugs. Beihilfe zur Selbstabtreibung.
handlungen, die sonst Beihilfe wären, als selbständige Tat o h n e die Strafmilderungsmöglichkeit des § 49 StGB, mit Strafe bedroht. Sodann ist zu berücksichtigen, daß Beihilfe zur Abtreibung in verschiedener Form möglich ist, als Beihilfe bei der Selbstabtreibung der Schwangeren (Abs. 1) wie auch bei der Fremdabtreibung (Abs. 3), aber auch bei der Verschaffung von Abtreibungsmitteln nach Absatz 4. Gerade der Grundsatz des § 50 StGB., daß jeder Tatteilnehmer nach seiner Schuld strafbar sei, auf den sich auch Schröder beruft, spricht mehr dafür, die Absätze 1 und 3 des § 218 hinsichtlich der Beihilfe so auszulegen, daß es möglich bleibt, jeder Schuldabstufung auch beim Gehilfen gerecht zu werden. Das ist nach Lage des Gesetzes nur bei solcher Auslegung möglich. An der herrschenden Meinung ist daher festzuhalten. Nach den unangegriffenen Tatfeststellungen besteht kein Zweifel daran, daß die Angeklagten Sch. und Ho. der Frau Be. auf ihren Wunsch und in der Erwartung, daß sie es alsbald benutzen werde, ein zur Abtreibung taugliches Werkzeug verschafft haben. Sch. hat ihr die voij Ho. erhaltene Spritze zu diesem Zweck ausgehändigt, Ho. hat die Spritze dem Sch. als Mittelsperson gegeben und sie dadurch in den Verfügungsbereich der Be. gebracht. Beide sind daher der Verschaffung eines Abtreibungswerkzeuges (§ 218 Abs. 4 StGB.) schuldig. Den Schuldspruch hat das Revisionsgericht entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. selbst zu fällen. Zur fahrlässigen Tötung besteht bei beiden Angeklagten Tateinheit (§ 73 StGB.). Der Angeklagte Ho. hat sich nach den Tatfeststellungen a u ß e r d e m noch bereit erklärt, der Be. die Anwendung der Spritze zu erläutern, offensichtlich, weil seine Sch. gegebenen Erläuterungen nicht ausreichend schienen. Sch. hat Ho. der Schwangeren zugeführt und ihn ihr vorgestellt. Ünmittelbar vor dem Selbsteingriff der Be. hat Ho. dieser dann Anweisungen gegeben, ihr beim Füllen der Spritze geholfen und sich auch während des Eingriffs nebenan bereitgehalten. Es kann dahinstehen, ob dieses Bereithalten eine seelische Unterstützung der Be. bei der Tat war — das Urteil stellt darüber ausdrücklich nichts fest — denn Ho. hat die Spritze mit gefüllt und auf das Rufen der Be., ob sie noch eine dritte Einspritzung vornehmen solle, immerhin erklärt,
6. Schuldloser Zomaflekt. § 51 StGB.
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er wisse es nicht, es könne aber nichts schaden. Dieser Sachverhalt ergibt bei beiden Angeklagten — neben der Verschaffung der Spritze — w e i t e r e tätige Hilfe bei der Abtreibung und eine wesentliche Bestärkung der Be., in ihrem Vorhaben fortzufahren. In alledem ist, wie auch das OLG. für Ho. ausführt, Beihilfe zur Selbstabtreibung (§§ 218 Abs. 1, 49 StGB.) zu erblicken. Denn insoweit wird die Beteiligung der Angeklagten an der Haupttat vom Absatz 4 des § 218 n i c h t erfaßt. Diese weitere Beihilfe steht mit der fahrlässigen Tötung in T a t e i n h e i t (§ 73 StGB.). Das Urteil stellt hierzu auf S. 3 fest: Ho. übergab die Spritze Sch., versuchte, diesem den Gebrauch zu erläutern und erklärte sich bereit, ihn auch der Schwangeren selber zu erklären. Dies hat Sch. dann vermittelt, wonach es zu der festgestellten weiteren Beteiligung Ho.s gekommen ist, die sich danach als Beihilfe zur Selbstabtreibüng und damit z u g 1 e i c h als weiterer Tatbeitrag zur fahrlässigen Tötung darstellt. Ebenso liegt es, soweit das Zuführen des Ho. in Betracht kommt, beim Angeklagten Sch. Auch insoweit war der Schuldspruch vom Senat zu fällen (§ 354 Abs. 1 StPO.). Die Sache war hiernach nur noch zur Straffestsetzung zurückzuverweisen. Die Entscheidung entspricht dem Antrage des Generalstaatsanwalts. 6. Wann kann auf starkem Zorn beruhende Bewufitseinsstörung nach § 51 StGB, als schuldmindernd anzuerkennen sein? StGB. §§ 51, 224, 226. I. Strafsenat. Urt. v. 25. April 1950 g. Z. StS 359/49. I. S c h w u r g e r i c h t
Köln,
AusdenGründen: Der Angeklagte ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge und wegeh schwerer Körperverletzung (§§ 224, 226, 74 StGB.) verurteilt. Seine Sachrüge hat Erfolg. (Es folgen Ausführungen zu den §§ 224, 226 StGB.) Dagegen ist der § 51 StGB, verletzt. Das Schwurgericht führt aus, nach den ärztlichen Gutachten, denen 2«
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6. Schuldloser Zornaffekt. § 51 StGB.
es beitrete, sei der Angeklagte ein „geistig gesunder Durchschnittsmensch, bei welchem die Voraussetzungen des § 51 in beiden Absätzen nicht vorliegen". Damit ist der § 51 verkannt. Zurechnungsunfähig oder beschränkt zurechnungsfähig ist ein Täter dann, wenn er z u r T a t z e i t wegen einer der dort angegebenen Ursachen, zu denen auch die B e w u ß t s e i n s s t ö r u n g gehört, unfähig oder doch erheblich gehindert war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Das ist nicht nur bei geistiger Erkrankung möglich, wie das Schwurgericht offenbar annimmt. Eine ausreichende Bewußtseinsstörung, die hier allein in Frage steht, kann auch auf körperlichen oder seelischen Zuständen beruhen (Übermüdung, Trunkenheit, Angst, Schreck), die n i c h t krankhafter Art sind. Das ist allgemein anerkannt. Mit Bejahung der geistigen Gesundheit des Angeklagten wird der § 51 also noch nicht unanwendbar. Der Sachverhalt drängte bei richtiger Auslegung des § 51 vielmehr zu der Prüfung, ob der Angeklagte zur Tatzeit einer ausreichend starken Bewußtseinsstörung mit einer der im § 51 bezeichneten Folgen unterlegen war, und zwar umso mehr, als das Schwurgericht ausführt, zur Tatzeit habe der Angeklagte den Eindruck gemacht, „als ob er von Sinnen sei". Beides zwingt zur Zurückverweisung. In der neuen Hauptverhandlung ist zum § 51 zu berücksichtigen: Die bisherigen Urteilsfeststellungen zur Vorgeschichte der Tat und zum Tathergang legen eine Bewußtseinsstörung des Angeklagten im Sinjie des § 51 bei der Tat sehr nahe. Das Urteil schildert ihn als einen ruhigen, bescheidenen und arbeitsamen Mann, der seinen Arbeitsverdienst regelmäßig abgab, keine besonderen Ansprüche stellte und dem allgemein, von Nachbarn und Arbeitgebern, das beste Zeugnis ausgestellt wird. Er hat alle Lebensmittel, die er gelegentlich bekam oder durch Nebenarbeit erhielt, trotz eigenen Hungerns regelmäßig seiner Frau abgeliefert und auch ohne Rechtspflicht für deren uneheliches Kind regelmäßig gesorgt. Das Schwurgericht stellt weiter fest, die Frau des Angeklagten sei seit 1945/46 mehr und mehr unter den Einfluß ihrer Mutter, der Frau Rö., geraten, die zunehmend gegen den Angeklagten, den sie nicht mochte, „gehetzt" hat. Das habe zu ständigem Streit zwischen den Frauen einerseits uiid
6. Schuldloser Zornaflekt. 5 51 StGB.
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dem Angeklagten andererseits geführt, der nach den Urteilsfeststellungen aber a l l e i n darin seinen Grund hatte, daß die berechtigten Wünsche und Vorstellungen des Angeklagten wegen angemessener Ernährung im Rahmen des damals Möglichen von beiden Frauen bewußt mißachtet wurden. Das Schwurgericht stellt fest, daß der Angeklagte, obwohl er der Ernährer der Familie war, von 1945 bis 1948 trotz seiner immer wiederholten Vorstellungen nur ganz unzulänglich ernährt worden ist, und zwar a b g e s e h e n von der an sich ungünstigen Ernährungslage. Die Frauen seien vielmehr mehr und mehr dazu übergegangen, während der Arbeitsabwesenheit des Angeklagten für sich gesondert zu kochen und zu essen und den Angeklagten mit fettlosen Suppen, Gemüse und unbestrichenem oder ganz unzulänglich belegtem Brot in geringer Menge abzuspeisen, so daß es allgemein auffiel, daß er ü b e r m ä ß i g abmagerte. Der Angeklagte hat sich nach dem Urteil immer mit Vorhaltungen begnügt. Bei diesen Auseinandersetzungen ist er, obwohl im Recht, stets unterlegen. Er hat, wie das Schwurgericht sagt, den Arger über diese unverständige Behandlung jahrelang ,,in sich hineingefressen". Seine Ehefrau begann 1948 schließlich, auf eine Trennung hinzuarbeiten. W a h r h e i t s w i d r i g brachte sie beim Arbeitsamt vor, ihr Mann gehe keiner geregelten Arbeit nach; im Kriege sei er Wachmann im Konzentrationlager Dachau gewesen . . . Anfang August 1948, kurz vor der Tat, nahm sie ferner in Abwesenheit des Mannes und gegen dessen Willen den Kleiderschrank aus dessen Mansarde, ließ ihm nur die notwendigsten Sachen zurück und warf seine Kleidung auf den Tisch und das Sofa. Die Küche wurde ihm verschlossen. Der Angeklagte brach sie auf. Endlich erwirkte die Ehefrau auf zweifelhafte Weise eine vorläufige Anordnung des Landgerichts gegen den Angeklagten, die ihn auf die Benutzung der Mansarde beschränkte, ihm aber nicht mehr zugestellt worden ist. Das Schwurgericht faßt die Vorgeschichte der Tat dahin zusammen, beide Frauen, die Ehefrau unter dem „verhängnisvollen" Einfluß der Schwiegermutter, hätten dem Angeklagten das Leben „seit langer Zeit zur Hölle gemacht" und ihn ,,in unvorstellbarer Weise behandelt". Sie hätten ihn erheblich abmagern lassen, ihm schließlich
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6. Schuldloser Zornqffekt. 5 51 StGB.
den Stuhl vor die Tür gesetzt und ihn aus dem Familienkreis verbannt. Alles das habe beim Angeklagten „notwendig zur Explosion" führen müssen, wobei die Ereignisse vor dem 15. August 1948 „den letzten Anstoß" gegeben hätten. Am 15. August 1948 morgens wurde der Angeklagte nach dem Urteil von den Frauen in schreiendem Tone aus der Küche verwiesen. Hierbei geriet er so in Erregung, daß er „mit schloddernden Knien, am Körper zitternd und kreidebleich" dastand. Etwas später begann der Streit aufs neue, wobei die Rö. dem Angeklagten zuschrie: ,,Du wirst noch barfuß gelaufen kommen, und das in kurzer Zeit". Hierauf geriet der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen in höchste Erregung, ergriff ein naheliegendes Küchenmesser und versetzte der Rö. „mit geringer Kraft" wahllos Stiche und Schläge, so daß sie hinfiel, mit dem Kopf aufschlug und infolge des Aufschlagens an Hirnblutung später verstarb. Ferner schlug er auf seine Frau ein, so daß sie blutete und floh. Als sie kurz darauf zurückkehrte, griff er sie mit dem Messer an, zerrte sie an den Haaren, verfolgte sie in den Keller und rang dort mit ihr, wobei sie das Messer abbrach und entstellende Verletzungen im Gesicht, an einer Hand und am Hals erlitt. Darauf ging der Angeklagte in seine Mansarde und erhängte sich, wurde jedoch gerettet. Wenige Sekunden später gelang es dem völlig verwirrten Angeklagten aber, sich durch das Fenster aus neun Meter Höhe auf die Straße zu stürzen, wobei er sich schwer verletzte. Der Angeklagte hat keine Erinnerung an die Tat. Es besteht eine echte Gedächtnislücke. Hiernach hat der Angeklagte beide Taten' in höchstem Affekt begangen, so daß wenig Zweifel daran bestehen werden, daß auch sein Bewußtsein im Sinne des § 51 mehr oder weniger gestört gewesen ist. Die Frage kann nur sein, wieweit höchster, „sinnloser" Zorn und Zorn überhaupt als Affektgrundlage entschuldigend wirken kann. Nach dem W o r t l a u t des § 51, der j e d e Bewußtseinsstörung umfaßt, würde an sich auch das zu bejahen sein. Das würde aber zu unannehmbaren Folgen führen, so daß der § 51 insoweit einschränkend ausgelegt werden muß. Nicht jede auf n i c h t krankhaftem Affekt beruhende
6. Schuldloser Zornsffekt. 5 51 StGB.
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Bewußtseinsstörung, sfelbst erheblicher Art, darf rechtlich schuldausschließend oder auch nur schuldmindernd wirken können. Das würde wesentliche Grundlagen des Strafrechts gefährden. Denn die Rechtsgemeinschaft muß und darf von jedem die Beherrschung seiner Leidenschaften und Triebe im Rahmen des ihm Möglichen nach strengem Maßstabe verlangen, weil die strafrechtliche Verantwortlichkeit sonst durch den § 51 in unerträglichem Umfange beseitigt würde. Diese rechtspolitisch notwendige, einschränkende Auslegung des Merkmals der Bewußtseinsstörung im § 51 zwingt dazu, jedenfalls den n i c h t krankhaften, schweren Zornaffekt als schuldmindernd in der Regel auszuschließen. Völlig auszuschließen ist er aber nicht. Der vorliegende Fall zeigt, daß er ausnahmsweise als schuldausschließend oder schuldmindernd anerkannt werden muß, wenn auch zweifellos nur höchst selten. Denn die erwähnte einschränkende Auslegung des § 51 ist nur dort zulässig und geboten, wo sie dem rechtspolitisch notwendigen Schutz der Gemeinschaft dient, vor allem also in den zahlreichen Fällen, wo an sich beherrschb^re und vermeidbare Charakterfehler und moralische Entgleisungen zur Tat führen. Die Fälle dagegen, in denen ein ersichtlich tadelfreier Mensch lange Zeit hindurch grundlos schwer gereizt, seelisch gepeinigt und ohne jede greifbare Schuld mangels robuster Widerstandsfähigkeit schließlich zur „Explosion" getrieben wird, sind sehr selten. Zwar bedürfen auch sie eines strengen Maßstabes. Aber selbst dann bestehen hier nach den b i s h e r i g e n Tatfeststellungen keine Bedenken gegen eine Ausnahme von der an sich gebotenen einschränkenden Auslegung. Das Schwurgericht wird den Sachverhalt daraufhin nochmals zu prüfen haben. Daß die Verantwortlichkeit des Angeklagten nach den bisherigen Tatfeststellungen zur Tatzeit wesentlich gemindert gewesen sein wird (§51 Abs. 2), unterliegt kaum einem Zweifel. Für den hohen Grad des Affekts, in dem sich der Angeklagte befunden hat, könnte bereits die in solchen Fällen typische Erinnerungslücke sprechen. Ist nach den Gutachten eine k ö r p e r l i c h e Ursache dieser Lücke (Erhängen, Sturz) auch nicht auszuschließen, so können doch mehrere Ur-
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Unmittelbarkeit der Beweiserhebung. Polizeiliche Niederschriften.
Sachen zusammentreffen. Im Zweifel ist die dem Angeklagten günstigste Annahme zugrundezulegen. Aber auch die Anwendung des § 51 A b s . 1 ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie hängt von der körperlich-seelischen Wirkung der zweifellos hohen Erregung ab, in der sich der Angeklagte befunden hat. Das körperliche Bild, das er unmittelbar vor der Tat geboten hat und sein völlig kopfloses Verhalten nach der Tat deuten darauf hin, daß durchaus der Punkt erreicht gewesen sein kann, in welchem der Angeklagte weder mehr einsichts-, noch bewußt handlungsfähig war. Möglicherweise ist insoweit auch zwischen beiden Taten, zwischen denen ein geringer Zeitabstand zu liegen scheint, zu unterscheiden. Gegebenenfalls kann ein psychologischer oder ärztlicher Sachverständiger bei der Prüfung des Grades der Verantwortlichkeit heranzuziehen sein . . . . 7. Unzulässige Benutzung polizeilicher Protokolle über die Aussagen Mitangeklagter. StPO. § 254. II. Strafsenat. Urt. v. 17. April 1950 g. C. u. a. StS 239/49. I. S c h w u r g e r i c h t
M.Gladbach.
Aus den G r ü n d e n : . . . . Der Angeklagte Ca. rügt die Verwertung von polizeilichen Aussagen Mitangeklagter, von denen diese abgerückt seien. Ausweislich der Urteilsgründe handelt es sich hierbei um die Protokolle über die Erklärungen, welche die inzwischen aus dem Verfahren ausgeschiedenen Mitangeklagten Pa. und Ti. vor der Polizei abgegeben haben. Die Rüge ist begründet. Aus dem Umstände, daß Ti. und Pa. unabhängig voneinander bei ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben haben sollen, sie hätten es abgelehnt, sich für ihren Zellenbereich an der Aktion (Synagogenzerstörung) zu beteiligen, hat das angefochtene Urteil den Schluß gezogen, daß die ihnen vom Angeklagten Ca. erteilte Weisung den Sinn gehabt haben müsse, sich an der Aktion gegen die Juden aktiv zu beteiligen und nicht, wie Ca.
7. Unmittelbarkeit der Beweiserhebung. Polizeiliche Niederschriften.
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behauptete, die Aktion einzudämmen. Diese Schlußfolgerung lediglich auf Grund der polizeilichen Protokolle zu ziehen, war verfahrensrechtlich unzulässig. Wie bereits ausgeführt, wird die sonstige allgemeine Zulässigkeit des Urkundenbeweises im Strafverfahren durch § 254 StPO. für Geständnisse und andere frühere Aussagen eines Angeklagten, wenn sie nur p o l i z e i l i c h beurkundet sind, c|ahin eingeschränkt, daß das Vorhandensein einer solchen Urkunde, auch wenn sie verlesen ist, nicht als Beweismittel dafür verwertet werden darf, daß der Angeklagte bei seiner polizeilichen Vernehmung die beurkundeten Erklärungen wirklich abgegeben hat. Die Beachtung dieses Grundsatzes muß sich aus den Urteilsgründen zweifelsfrei ergeben (RGSt. Bd. 61 S. 74). Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, auf welchem Wege sich das Schwurgericht die Uberzeugung verschafft hat, daß die früheren Mitangeklagten Pa. und Ti. die in den polizeilichen Protokollen beurkundeten Erklärungen wirklich abgegeben haben. Daß beide in der Hauptverhandlung die Richtigkeit der polizeilichen Protokolle zugegeben hätten, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Vielmehr führt das Urteil aus, daß Ti. „demgegenüber in der Hauptverhandlung erstmalig erklärt habe, er könne sich vielleicht am Telefon verhört und Ca. unrichtig verstanden haben"; Ti. hat also gerade hinsichtlich des entscheidenden Punktes, nämlich des von Ca. erteilten Befehls, eine von seiner früheren abweichende Darstellung gegeben . . . Pa. hat nach dem Sitzungsprotokoll erklärt, daß er die Niederschrift der Dolizeilichen Vernehmung sofort moniert habe. Seine Verhörsperson, der Polizeibeamte Bä., hat das als Zeuge bestätigt. Die Verhörsperson des Angeklagten Ti. ist nicht vernommen worden. Da dem Urteil dementsprechend nicht entnommen werden kann, daß das Schwurgericht seine Überzeugung von der tatsächlichen Abgabe der polizeilich beurkundeten Erklärungen der Angeklagten Ti. und Pa. auf ausdrückliche Zugeständnisse, dieser Angeklagten in der Hauptverhandlung oder auf Zeugenaussagen der verhörenden Polizeibeamten gründete, so ist es möglich — und nach der nur die polizeilichen Protokolle erwähnenden Urteilsfassung sogar wahrscheinlich —, daß das
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8. Verwertung von Urkunden in der
Hauptverhandlung.
Schwurgericht den Beweis für die tatsächliche Abgabe der bei den polizeilichen Vernehmungen beurkundeten Erklärungen der Mitangeklagten Ti. und Pa. unter Verletzung des § 254 StPO. als durch die verlesenen Protokolle selbst geführt erachtet hat. Auf diesem Verfahrensfehler kann das Urteil zum Nachteil des Angeklagten Ca. beruhen . . . 8. Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit durch Verwertung eines nicht zum Verhandlungsgegenstand gemachten, selbstverfafiten Lebenslaufs des Angeklagten. StPO. §§ 249, 261. II. Strafsenat. Urt. v. 3. April 1950 g. K. u. a. StS 475/49. I. Schwurgericht Hildesheim.
AusdenGründen: Der Angeklagte Ka. rügt, es seien für seine Beurteilung ein früher von ihm geschriebener Lebenslauf und ein anläßlich des Reichstagsbrandes von ihm verfaßter Aufsatz verwendet worden, die von der StA, auszugsweise überreicht und nicht zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden seien. Das angefochtene Urteil legt in den Strafzumessungsgründen dar, die in dem Lebenslauf enthaltene Schilderung, wonach er nach dem Reichstagsbrande ein „aus den Verwegensten der Verwegenen gebildetes Rollkommando" geführt habe, beweise, daß der Angeklagte Ka. nicht nur Anordnungen ausgeführt, sondern sich in eigener Verantwortung aktiv betätigt habe. Ausweislich des Sitzungsprotokolls sind Lebenslauf und Aufsatz in der Hauptverhandlung weder verlesen, noch dem Angeklagten vorgehalten worden. Die Feststellung des Schwurgerichts über den Inhalt des Lebenslaufs m u ß zwar — trotz des wörtlichen Zitates — nicht auf einer Verwertung der ihn enthaltenden Urkunde, sondern k a n n auf anderen Erkenntnisquellen, etwa den eigenen Angaben des Angeklagten, beruhen. Die Behauptung der Verteidigung, die Feststellung des Schwurgerichts beruhe auf dem Lebenslauf selbst, k a n n indes richtig sein und muß daher der verfahrensrechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Trifft diese Behauptung aber zu,
9. Nat.-ioz. Erziehungseinflüsse als Strafmilderungsgrund.
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so hat das Schwurgericht den Grundsatz der Mündlichkeit verletzt, indem es zur Urteilsgrundlage ein Beweismittel gemacht hat, über das die ProzeßbeteiUgten nicht verhandeln koniiten (§§ 249, 261 StPO.). Die vielleicht auf Grund des Lebenslaufs getroffene Feststellung ist für das Schwurgericht indes nicht zur Beurteilung der Schuld, sondern lediglich für die Strafzumessung von Bedeutung gewesen und kann daher nur das Strafmaß, nicht auch den Schuldspruch, zu Ungunsten des Angeklagten beeinflußt haben. Der somit möglicherweise auf einem Verfahrensfehler beruhende Strafausspruch gegen den Angeklagten Ka. kann daher keinen Bestand haben . . . 9. Die gesetzgeberischen Gründe, auf denen das KRG. 10 beruht, verhindern es nicht, den Einfluß der nationalsozialistischen. Erziehung auf die Gewissensbildung junger Menschen strafmildernd zu berücksichtigen, wenn infolge eines solchen Einflusses der Schuldvorwurf gemindert wird.. Fehlerhaft ist nur die einseitige Berücksichtigung unter Vernachlässigung der sonst anerkannten Strafzwecke. KRG. 10 Art. II 1 c. I. Strafsenat. Urt. v. 2. Mai 1950 g. W. u. a. StS 414/49. I. Schwurgericht Hamburg.
A u s d e n Gr ü n d e n : Das Schwurgericht hat dafür, daß es zugunsten der Angeklagten hat Milde walten lassen, ihre bisherige Unbestraftheit, ihre Jugend und den Einfluß der nationalsozialistischen Erziehung auf ihre Gewissensbildung angeführt. Gegen diesen zuletzt angeführten Grund wendet sich die Revision. Sie ist der Auffassung, daß das Schwurgericht die „propagandistische Beeinflussung durch den Nationalsozialismus" in rechtlich fehlerhafter Weise strafmildernd berücksichtigt habe. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Der Senat hat mehrfach, so vor allem in der Entscheidung OGHSt. Bd. 2 S