Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Strafsachen: Band 63 [Reprint 2022 ed.] 9783112636589


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Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Strafsachen: Band 63 [Reprint 2022 ed.]
 9783112636589

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I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München, Berlin, Leipzig

Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik Von Hans Krotz 7. umgearbeitete Auflage. 1922, Mit zahlr. Abbildungen. Bon Dr. G. Höpler, (SeneralftaatSanwalt in Wien.

2 Bände. Gr. 8°, 1197 S. Geh. RM. 22.-, Geb. RM. 24.—. Für den Strafrechtspraktiker ein unentbehrliches Handbuch.

Strafgesetzbuch mit Einführungsgesetz und den

ergänzenden Gesetzen

Mit Anmerkungen von

OLGRat Professor Dr. Friedrich Doerr in München. 4. Auflage/ 0927. 12°. 267 6. Leinen jgcb. RM. 4.60. Die Anmerkungen bieten in knappster, schlagwortartiger Form alles, was der Praktiker bei seiner täglichen Arbeit braucht. Außer dem MStGB. sind 27 strafr. Nebengesetze abgedruckt, letztere jeweils bei den entsprechenden Paragraphen des StGB. Die einschlägigen Bestim­ mungen des GDG., der Reichsabgabenordnung und des Vereinszoll­ gesetzes sind ausgenommen.

Die Erforschung des Sachverhalts strafbarer Handlungen Ein Leitfaden für Beamte des Polizei-n. Sicherheitsdienstes Von Hans Groß. 6. erg. Ausl, v Generalstaatsanwalt Dr. E. Höpler, Wien. Mit zahlreichen Abbildungen. 1921 gr. 8°. XI, 232 Seiten. Gebunden RM. 3.50.

Die polizeiliche Untersuchung von Kraftfahrzeugunfällen Von Polizeihauptmann Max Julier Letter des Einzeldienstes der Schutzpolizei Würzburg.

Mit zahlreichen Abbildungen. 8». 72 S. Geheftet RM. 2 80.

ReichsgerichtsEntscheidungen in kurzen Auszügen Herausgegeben vom

Deutschen Richterbund

Strafsachen — Band 63

19 3 0 München, Berlin und Leipzig

2. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Printed in Germany Druck von Dr. F. P. Datterer & Cie., Freising-München

Von liefet Sammlung erschienen folgende Bündchen: I. Zivilsachen:

Serien:

Bd. 76-100 . . . „ 101-109 ... „ 110—126 ...

„ „ „

je RM. 0.80 je RM. 1je RM. 2.—

76-1261 zns.RM. 49.81-126 l SReg. zns.RM. 46.— 91-126 J83-119 zus. RM. 39.—

„ 101—126 zns.RM. 32.Gesamtregister zu Band 83—119 .... RM. 6 —

II. Strafsachen: Bd. „ „ Serie: , Gesamtregister zu Band Gesamtregister zu Band

45-55 56- 60 61-63 45—63 45—60 45—60

. . . je RM. 0.80 ... je RM. 1.... je RM. 2.mit . . . zus. RM. 20.— .... RM. 3.70

Jede- Bändchen entspricht einem Bande der amtlichen Sammlung.

1. Zeugenvernehmung. Beeidigung. Hauptverhand­ lung. Entlassung. (StPO. § 67.) Nachdem sämtliche Zeugen

nach Leistung des Voreides vernommen worden waren, wurde ein Zeuge entlassen. Das Gericht beschloß, ihn nochmals zu vernehmen und ließ ihn durch Fernsprecher wieder laden. Ohne neuerdings vereidigt worden zu sein, wurde er weiter vernommen. Das Reichsgericht erkannte das als zulässig an. Die Hauptverhandlung bildet ohne Rücksicht auf ihre Dauer ein in sich geschlossenes Ganzes; sie verliert ihre Einheitlichkeit durch eine bloße Unter­ brechung nicht und faßt darum auch grundsätzlich die in ihr erstattete Aussage eines Zeugen, mag sie auch auf Grund einer mehrfachen Befragung abgegeben worden sein, zu einer einheitlichen zusammen. Der von einem Zeugen in der Hauptverhandlung vor der Vernehmung geleistete Eid deckt demgemäß in der Reg^l die sämt­ lichen von dem Zeugen in derselben Hauptverhandlung abgegebenen Bekundungen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Vernehmung des Zeugen noch während des Laufes der Hauptverhandlung erkennbar endgültig ab­ geschlossen wird. Ob diese Ausnahme jeweils gegeben ist, ob also die spätere Anhörung des Zeugen als etwas völlig Neues oder nur als Fortsetzung der früheren Ver­ nehmung erscheint, ist unter Berücksichtigung der gesam­ ten Umstände des Falles zu prüfen. Der Gebrauch der Wendung, der Zeuge wird entlassen, ist nicht schlechthin entscheidend; es kommt darauf an, ob die Entlassung den endgültigen Verzicht auf eine Fortsetzung seiner Befragung zum Ausdruck bringen wM. Im vorliegenden Fall war für die Entlassung des Zeugen der Umstand maßgebend gewesen, daß er jederzeit leicht wieder erreichbar war und es darum nicht nötig erschien, ihn an der Gerichtsstelle festzuhalten. Es konnte daher nicht angenommen werden, daß das Gericht oder die Prozeßbeteiligten oder auch der Zeuge selbst seine Vernehmung am folgenden Tag als eine selbständige, durch den vor Beginn der Vernehmung geleisteten Eid nicht mehr gedeckte neue Vernehmung an­ sahen. (II, 15. März 1928.) Amtl. Sammlg. S. 1—4. Vgl. Bd. 19 S. 27; Bd. 46 S. 196. 2. Polizeiwache. Beamter. Obhut. (StGB. § 174.)

Eine Frau fand sich mit der Erklärung, sie sei obdachlos,

1. Zeugenvernehmung. Beeidigung. Hauptverhand­ lung. Entlassung. (StPO. § 67.) Nachdem sämtliche Zeugen

nach Leistung des Voreides vernommen worden waren, wurde ein Zeuge entlassen. Das Gericht beschloß, ihn nochmals zu vernehmen und ließ ihn durch Fernsprecher wieder laden. Ohne neuerdings vereidigt worden zu sein, wurde er weiter vernommen. Das Reichsgericht erkannte das als zulässig an. Die Hauptverhandlung bildet ohne Rücksicht auf ihre Dauer ein in sich geschlossenes Ganzes; sie verliert ihre Einheitlichkeit durch eine bloße Unter­ brechung nicht und faßt darum auch grundsätzlich die in ihr erstattete Aussage eines Zeugen, mag sie auch auf Grund einer mehrfachen Befragung abgegeben worden sein, zu einer einheitlichen zusammen. Der von einem Zeugen in der Hauptverhandlung vor der Vernehmung geleistete Eid deckt demgemäß in der Reg^l die sämt­ lichen von dem Zeugen in derselben Hauptverhandlung abgegebenen Bekundungen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Vernehmung des Zeugen noch während des Laufes der Hauptverhandlung erkennbar endgültig ab­ geschlossen wird. Ob diese Ausnahme jeweils gegeben ist, ob also die spätere Anhörung des Zeugen als etwas völlig Neues oder nur als Fortsetzung der früheren Ver­ nehmung erscheint, ist unter Berücksichtigung der gesam­ ten Umstände des Falles zu prüfen. Der Gebrauch der Wendung, der Zeuge wird entlassen, ist nicht schlechthin entscheidend; es kommt darauf an, ob die Entlassung den endgültigen Verzicht auf eine Fortsetzung seiner Befragung zum Ausdruck bringen wM. Im vorliegenden Fall war für die Entlassung des Zeugen der Umstand maßgebend gewesen, daß er jederzeit leicht wieder erreichbar war und es darum nicht nötig erschien, ihn an der Gerichtsstelle festzuhalten. Es konnte daher nicht angenommen werden, daß das Gericht oder die Prozeßbeteiligten oder auch der Zeuge selbst seine Vernehmung am folgenden Tag als eine selbständige, durch den vor Beginn der Vernehmung geleisteten Eid nicht mehr gedeckte neue Vernehmung an­ sahen. (II, 15. März 1928.) Amtl. Sammlg. S. 1—4. Vgl. Bd. 19 S. 27; Bd. 46 S. 196. 2. Polizeiwache. Beamter. Obhut. (StGB. § 174.)

Eine Frau fand sich mit der Erklärung, sie sei obdachlos,

auf der Polizeiwache eines Bahnhofes ein und ersuchte, dort bleiben zu dürfen. Das wurde ihr gestattet. Ein dort anwesender Beamter nahm eine unzüchtige Hand­ lung mit ihr vor. Seine Verurteilung wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Da die Frau nur auf Grund ihrer eigenen, freien Entschließung sich auf der Polizeiwache aufhielt, war sie der Obhut des Beamten nicht anvertraut. Unter Obhut ist ein Sachverhalt zu ver­ stehen, bei dem die Person, mit der die Unzuchtshandlung vorgenommen worden ist, durch eine sie betreffende rechtmäßige oder unrechtmäßige Amtsausübung zur Zeit der Tat in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zu dem Beamten versetzt worden ist,das diesem im entsprechenden Umfang die mit der Pflicht der Aufsicht verknüpfte Für­ sorge über sie auferlegt. Die dem Beamten übertragene Obhut über die Person reicht nur soweit, als diese in­ folge der Amtsausübung seinem Willen unterworfen ist. Das traf hier nicht zu, da die Frau sich freiwillig in der Polizeiwache äufhielt. (II, 1. Oktober 1928.) Amtl. Sammlg. S. 4—5. 3. Tötung im Zweikampf. Bestimmungsmensur. Er­

folg. Verursachung. (StGB. §§ 201, 206.) Bei einer ver­ abredeten Schlägermensur, die zwischen Studenten unter den üblichen Bedingungen und Schutzmaßnahmen aus­ gefochten wurde, verfingen sich die Schläger ineinander; beim Bestreben, sie wieder freizubekommen, verletzte sich einer der Kämpfer an dem Schläger seines Gegners. In­ folge Blutvergiftung starb er drei Wochen später. Das Landgericht verurteilte wegen Zweikamps, nahm aber nicht an, daß der Tod durch den Kampf verursacht worden sei. Die Revisionen des Staatsanwalts und des Angeklagten waren damit begründet, daß ein Zweikampf überhaupt nicht gegeben gewesen sei, da es sich nicht um die Erlan­ gung von Genugtuung für eine erlittene Ehrenkränkung gehandelt habe. Das Reichsgericht erklärte, daß das nicht zum Wesen des Zweikampfes gehöre. Zweikampf bedeutet weiter nichts als einen Kampf zwischen zwei Personen. Ein Kampf liegt allerdings nicht vor, wenn die schein­ baren Gegner es lediglich darauf absehen, durch die Kraft oder Anmut ihrer Bewegungen den Zuschauern ein Schau­ spiel zu bieten; dagegen kann ein ernstlicher Kampf auch aus dem Grunde vor sich gehen, um die beiderseitige

auf der Polizeiwache eines Bahnhofes ein und ersuchte, dort bleiben zu dürfen. Das wurde ihr gestattet. Ein dort anwesender Beamter nahm eine unzüchtige Hand­ lung mit ihr vor. Seine Verurteilung wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Da die Frau nur auf Grund ihrer eigenen, freien Entschließung sich auf der Polizeiwache aufhielt, war sie der Obhut des Beamten nicht anvertraut. Unter Obhut ist ein Sachverhalt zu ver­ stehen, bei dem die Person, mit der die Unzuchtshandlung vorgenommen worden ist, durch eine sie betreffende rechtmäßige oder unrechtmäßige Amtsausübung zur Zeit der Tat in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zu dem Beamten versetzt worden ist,das diesem im entsprechenden Umfang die mit der Pflicht der Aufsicht verknüpfte Für­ sorge über sie auferlegt. Die dem Beamten übertragene Obhut über die Person reicht nur soweit, als diese in­ folge der Amtsausübung seinem Willen unterworfen ist. Das traf hier nicht zu, da die Frau sich freiwillig in der Polizeiwache äufhielt. (II, 1. Oktober 1928.) Amtl. Sammlg. S. 4—5. 3. Tötung im Zweikampf. Bestimmungsmensur. Er­

folg. Verursachung. (StGB. §§ 201, 206.) Bei einer ver­ abredeten Schlägermensur, die zwischen Studenten unter den üblichen Bedingungen und Schutzmaßnahmen aus­ gefochten wurde, verfingen sich die Schläger ineinander; beim Bestreben, sie wieder freizubekommen, verletzte sich einer der Kämpfer an dem Schläger seines Gegners. In­ folge Blutvergiftung starb er drei Wochen später. Das Landgericht verurteilte wegen Zweikamps, nahm aber nicht an, daß der Tod durch den Kampf verursacht worden sei. Die Revisionen des Staatsanwalts und des Angeklagten waren damit begründet, daß ein Zweikampf überhaupt nicht gegeben gewesen sei, da es sich nicht um die Erlan­ gung von Genugtuung für eine erlittene Ehrenkränkung gehandelt habe. Das Reichsgericht erklärte, daß das nicht zum Wesen des Zweikampfes gehöre. Zweikampf bedeutet weiter nichts als einen Kampf zwischen zwei Personen. Ein Kampf liegt allerdings nicht vor, wenn die schein­ baren Gegner es lediglich darauf absehen, durch die Kraft oder Anmut ihrer Bewegungen den Zuschauern ein Schau­ spiel zu bieten; dagegen kann ein ernstlicher Kampf auch aus dem Grunde vor sich gehen, um die beiderseitige

Waffentüchtigkeit auszubilden, zu erproben oder zu be­ weisen. Die Bestimmungsmensur, bei der jeder der beiden Kämpfer den ernstlichen Willen hegt, den vereinbarten Kampf zu einer Niederlage des Gegners zu gestalten, ist hiernach ein wirklicher Zweikampf im Sinne des Straf­ gesetzes. Die schwere Strafe wegen Tötung im Zweikampf setzt nicht voraus, daß die Tötung mit Vorsatz begangen worden ist, auch nicht, daß der Tod noch im Laufe des Zweikampfes eingetreten ist- es genügt, daß der Tod durch eine zur Ausführung des Zweikampfes vorgenommene Kampfhandlung herbeigeführt worden ist. Das traf auf den gegebenen Fall nicht zu. Zu der Zeit, da die Ver­ letzung erfolgte, ruhte der Zweikampf- die Verletzung wurde zwar bei Gelegenheit des Zweikampfes, aber nicht im Zweikampf zugesügt. (II, 4. Oktober 1928.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 7 S. 29; Bd. 8 S. 87; Bd. 60 S. 257. 4. Berufung. Hauptverhandlung. Ausbleiben des Angeklagten. Zustellungsvollmacht. (StPO. §§ 233, 329.) Die Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht fand in Abwesenheit des Angeklagten statt, der von der Verpflich­ tung zum Erscheinen entbunden worden war. Sie endete mit einem Beschluß, durch den das persönliche Erscheinen des Angeklagten zum neuen Termin angeordnet wurde. Die Ladung des Angekl-agten zu diesem Termin erwies sich als unbestellbar; sie wurde darauf seinem Verteidiger zugestellt, der Vollmacht zur Annahme von Zustellungen hatte. Im Termin gab der Verteidiger eine Zuschrift des Angeklagten bekannt, worin dieser die Benachrichtigung von -dem Termin bestätigte, aber erklärte, wegen Krank­ heit und Mangels an Reisegeld nicht kommen zu können. Das Landgericht verwarf die Berufung sofort (StPO. § 329). Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Die Anwendung des § 329 StPO, war schon deshalb aus­ geschlossen, weil sie nur auf den Beginn des Verfahrens vor dem Berufungsgericht zu beziehen ist, also nicht mehr Platz greift, wenn die Sache schon in einem früheren Termin zur Verhandlung gekommen ist, auch wenn hiebei der Angeklagte nicht anwesend war. Für die sofortige Verwerfung der Berufung ist aber auch Voraussetzung, daß die Ladung zu der Hauptverhandlung dem Ange­ klagten selbst, nicht nur seinem Zustellungsbevollmächtig-

Waffentüchtigkeit auszubilden, zu erproben oder zu be­ weisen. Die Bestimmungsmensur, bei der jeder der beiden Kämpfer den ernstlichen Willen hegt, den vereinbarten Kampf zu einer Niederlage des Gegners zu gestalten, ist hiernach ein wirklicher Zweikampf im Sinne des Straf­ gesetzes. Die schwere Strafe wegen Tötung im Zweikampf setzt nicht voraus, daß die Tötung mit Vorsatz begangen worden ist, auch nicht, daß der Tod noch im Laufe des Zweikampfes eingetreten ist- es genügt, daß der Tod durch eine zur Ausführung des Zweikampfes vorgenommene Kampfhandlung herbeigeführt worden ist. Das traf auf den gegebenen Fall nicht zu. Zu der Zeit, da die Ver­ letzung erfolgte, ruhte der Zweikampf- die Verletzung wurde zwar bei Gelegenheit des Zweikampfes, aber nicht im Zweikampf zugesügt. (II, 4. Oktober 1928.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 7 S. 29; Bd. 8 S. 87; Bd. 60 S. 257. 4. Berufung. Hauptverhandlung. Ausbleiben des Angeklagten. Zustellungsvollmacht. (StPO. §§ 233, 329.) Die Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht fand in Abwesenheit des Angeklagten statt, der von der Verpflich­ tung zum Erscheinen entbunden worden war. Sie endete mit einem Beschluß, durch den das persönliche Erscheinen des Angeklagten zum neuen Termin angeordnet wurde. Die Ladung des Angekl-agten zu diesem Termin erwies sich als unbestellbar; sie wurde darauf seinem Verteidiger zugestellt, der Vollmacht zur Annahme von Zustellungen hatte. Im Termin gab der Verteidiger eine Zuschrift des Angeklagten bekannt, worin dieser die Benachrichtigung von -dem Termin bestätigte, aber erklärte, wegen Krank­ heit und Mangels an Reisegeld nicht kommen zu können. Das Landgericht verwarf die Berufung sofort (StPO. § 329). Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Die Anwendung des § 329 StPO, war schon deshalb aus­ geschlossen, weil sie nur auf den Beginn des Verfahrens vor dem Berufungsgericht zu beziehen ist, also nicht mehr Platz greift, wenn die Sache schon in einem früheren Termin zur Verhandlung gekommen ist, auch wenn hiebei der Angeklagte nicht anwesend war. Für die sofortige Verwerfung der Berufung ist aber auch Voraussetzung, daß die Ladung zu der Hauptverhandlung dem Ange­ klagten selbst, nicht nur seinem Zustellungsbevollmächtig-

ten, zugestellt worden ist. Die Anwendung des § 329 StPO, schließt jede sachliche Erörterung aus und nimmt dem Angeklagten zugleich die letzte Tatsacheninstanz; diese Sachlage erheischt, daß er auf diese Gefahr durch unmittel­ bare Ladung hingewiesen wird. Der in der Zustellung der Ladung an den Zustellungsbevollmächtigten liegende Mangel wurde dadurch, daß der Angeklagte durch diesen rechtzeitig Kenntnis vom Termin erhielt, nicht beseitigt. (II, 5. November 1928.) Amtl. Sammlg. S. 10—12. Vgl. Bd. 43 S. 321; Bd. 44 S. 47; Bd. 61 S. 278; Bd. 62 S. 259.

5. Unzucht mit Kindern. Erziehungsrecht. Irrtum. (StGB. §§ 59, 176.) Die Mutter eines dreizehnjährigen Mädchens hatte Verdacht, daß ihr Ehemann, der Stief­ vater und Vormund des Kindes, sich an diesem geschlecht­ lich vergangen habe. Sie ersuchte ihren Bruder zu er­ proben, ob das Mädchen noch unberührt sei; dieser führte den Auftrag in der Weise aus, daß er dem Mädchen an die Brust und an den Geschlechtsteil griff, um festzu­ stellen, ob das dem Mädchen etwas Neues sei. Seine Verurteilung wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Der äußere Tatbestand lag vor. In früheren Entscheidungen ist allerdings verlangt, daß der Täter aus Geilheit ge­ handelt habe; damit sollte aber nur ausgesprochen wer­ den, daß ein Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung und seinem Willen in jedem Betracht der ge­ schlechtlichen Beziehung entbehrte, nicht als unzüchtige Handlung angesehen werden könne. Dagegen ist es ohne rechtliche Erheblichkeit, ob die Handlung des Täters nach seinem Willen nur bei ihm allein oder auch bei der vom Gesetz geschützten Person oder lediglich bei dieser ein Woll­ lustgefühl auslösen soll. Der Zweck des Gesetzes, die sitt­ liche Reinheit der Kinder auf geschlechtlichem Gebiet zu schützen unb sie vor den Gefahren zu bewahren, die eine verfrühte Erregung ihrer Sinne für sie mit sich bringt, wird durch die eigene geschlechtliche Erregung des Kindes ebenso gefährdet wie durch jene des Täters, der sich an ihm vergreift. Dagegen war zu prüfen, ob nicht die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Angeklagten durch den ihm von der Mutter des Kindes erteilten Auftrag ausgeschlossen wurde. Dieser stand das Recht und die Pflicht zu, für die Person des Kindes zu sorgen, also auch

ten, zugestellt worden ist. Die Anwendung des § 329 StPO, schließt jede sachliche Erörterung aus und nimmt dem Angeklagten zugleich die letzte Tatsacheninstanz; diese Sachlage erheischt, daß er auf diese Gefahr durch unmittel­ bare Ladung hingewiesen wird. Der in der Zustellung der Ladung an den Zustellungsbevollmächtigten liegende Mangel wurde dadurch, daß der Angeklagte durch diesen rechtzeitig Kenntnis vom Termin erhielt, nicht beseitigt. (II, 5. November 1928.) Amtl. Sammlg. S. 10—12. Vgl. Bd. 43 S. 321; Bd. 44 S. 47; Bd. 61 S. 278; Bd. 62 S. 259.

5. Unzucht mit Kindern. Erziehungsrecht. Irrtum. (StGB. §§ 59, 176.) Die Mutter eines dreizehnjährigen Mädchens hatte Verdacht, daß ihr Ehemann, der Stief­ vater und Vormund des Kindes, sich an diesem geschlecht­ lich vergangen habe. Sie ersuchte ihren Bruder zu er­ proben, ob das Mädchen noch unberührt sei; dieser führte den Auftrag in der Weise aus, daß er dem Mädchen an die Brust und an den Geschlechtsteil griff, um festzu­ stellen, ob das dem Mädchen etwas Neues sei. Seine Verurteilung wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Der äußere Tatbestand lag vor. In früheren Entscheidungen ist allerdings verlangt, daß der Täter aus Geilheit ge­ handelt habe; damit sollte aber nur ausgesprochen wer­ den, daß ein Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung und seinem Willen in jedem Betracht der ge­ schlechtlichen Beziehung entbehrte, nicht als unzüchtige Handlung angesehen werden könne. Dagegen ist es ohne rechtliche Erheblichkeit, ob die Handlung des Täters nach seinem Willen nur bei ihm allein oder auch bei der vom Gesetz geschützten Person oder lediglich bei dieser ein Woll­ lustgefühl auslösen soll. Der Zweck des Gesetzes, die sitt­ liche Reinheit der Kinder auf geschlechtlichem Gebiet zu schützen unb sie vor den Gefahren zu bewahren, die eine verfrühte Erregung ihrer Sinne für sie mit sich bringt, wird durch die eigene geschlechtliche Erregung des Kindes ebenso gefährdet wie durch jene des Täters, der sich an ihm vergreift. Dagegen war zu prüfen, ob nicht die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Angeklagten durch den ihm von der Mutter des Kindes erteilten Auftrag ausgeschlossen wurde. Dieser stand das Recht und die Pflicht zu, für die Person des Kindes zu sorgen, also auch

über sein sittliches Wohl zu wachen. Allerdings bedeutete die Erteilung des Auftrags an den Angeklagten, der da­ mals noch unverheiratet war und in den zwanziger Jahren stand, eine völlige Mißachtung der dem geschlechtlichen Schamgefühl des Kindes geschuldeten Rücksicht und ver­ mochte daher in objektiver Hinsicht den Angeklagten nicht zu rechtfertigen; in subjektiver Hinsicht konnte aber die feste Überzeugung von der Berechtigung des Auftrags ihn entschuldigen. Nach dieser Richtung war die Sache noch nicht geprüft worden. (II, 7. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 12—15. Vgl. Bd. 10 S. 159; Bd. 23 S. 233; Bd. 28 S. 79; Bd. 57 S. 239. 6. Steuerstrafverfahren. Sprungrevision. Abschrift. Ausfertigung. (StPO. §§ 340, 349; RAbgO. §§ 394, 428.) Ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung wurde vom Schöffengericht mit der Begründung eingestellt, daß dem Angeklagten nur eine einfache Abschrift des Steuerstrafbescheides, nicht aber eine Ausfertigung zugestellt worden sei und daß darum der Antrag auf gerichtliche Entschei­ dung als verfrüht erachtet werden müsse. Die Revisio­ nen des Staatsanwalts und des Finanzamts wurden ver­ worfen. Die Sprungrevision unterliegt den gleichen Ein­ schränkungen wie die regelmäßige Revision; demgemäß hat das Revisionsgericht vorab die Zulässigkeit des Rechts­ mittels nach dem Inhalt der Revisionsbegründung zu prüfen. Es kommt dabei nicht darauf an, was hätte vor­ gebracht werden können, sondern nur darauf, was wirklich vorgebracht ist. Die beiden Revisionen hatten nicht gel­ tend gemacht, daß das Schöffengericht sich in unzulässiger Weise mit der Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung des Strafbescheides befaßt habe; sie hatten nur ausgeführt, daß die Ablehnung einer Sachentscheidung durch das Schöffengericht auf einer unrichtigen Auslegung des § 394 RAbgO. beruhe. Demgemäß war ausschließlich die Ver­ letzung eines für das gerichtliche Steuerstrafverfahren gel­ tenden Vorschrift gerügt. Hierauf kann eine Sprung­ revision nicht gestützt werden. (II, 24. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 15—18. Vgl. Bd. 57 S. 388. 7. Kraftwagenführer. Fluchtversuch. Notstand. Irr­ tum. (StGB. 88 54, 59; KrastfahrzG. 8 22.) Ein Kraft-

über sein sittliches Wohl zu wachen. Allerdings bedeutete die Erteilung des Auftrags an den Angeklagten, der da­ mals noch unverheiratet war und in den zwanziger Jahren stand, eine völlige Mißachtung der dem geschlechtlichen Schamgefühl des Kindes geschuldeten Rücksicht und ver­ mochte daher in objektiver Hinsicht den Angeklagten nicht zu rechtfertigen; in subjektiver Hinsicht konnte aber die feste Überzeugung von der Berechtigung des Auftrags ihn entschuldigen. Nach dieser Richtung war die Sache noch nicht geprüft worden. (II, 7. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 12—15. Vgl. Bd. 10 S. 159; Bd. 23 S. 233; Bd. 28 S. 79; Bd. 57 S. 239. 6. Steuerstrafverfahren. Sprungrevision. Abschrift. Ausfertigung. (StPO. §§ 340, 349; RAbgO. §§ 394, 428.) Ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung wurde vom Schöffengericht mit der Begründung eingestellt, daß dem Angeklagten nur eine einfache Abschrift des Steuerstrafbescheides, nicht aber eine Ausfertigung zugestellt worden sei und daß darum der Antrag auf gerichtliche Entschei­ dung als verfrüht erachtet werden müsse. Die Revisio­ nen des Staatsanwalts und des Finanzamts wurden ver­ worfen. Die Sprungrevision unterliegt den gleichen Ein­ schränkungen wie die regelmäßige Revision; demgemäß hat das Revisionsgericht vorab die Zulässigkeit des Rechts­ mittels nach dem Inhalt der Revisionsbegründung zu prüfen. Es kommt dabei nicht darauf an, was hätte vor­ gebracht werden können, sondern nur darauf, was wirklich vorgebracht ist. Die beiden Revisionen hatten nicht gel­ tend gemacht, daß das Schöffengericht sich in unzulässiger Weise mit der Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung des Strafbescheides befaßt habe; sie hatten nur ausgeführt, daß die Ablehnung einer Sachentscheidung durch das Schöffengericht auf einer unrichtigen Auslegung des § 394 RAbgO. beruhe. Demgemäß war ausschließlich die Ver­ letzung eines für das gerichtliche Steuerstrafverfahren gel­ tenden Vorschrift gerügt. Hierauf kann eine Sprung­ revision nicht gestützt werden. (II, 24. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 15—18. Vgl. Bd. 57 S. 388. 7. Kraftwagenführer. Fluchtversuch. Notstand. Irr­ tum. (StGB. 88 54, 59; KrastfahrzG. 8 22.) Ein Kraft-

über sein sittliches Wohl zu wachen. Allerdings bedeutete die Erteilung des Auftrags an den Angeklagten, der da­ mals noch unverheiratet war und in den zwanziger Jahren stand, eine völlige Mißachtung der dem geschlechtlichen Schamgefühl des Kindes geschuldeten Rücksicht und ver­ mochte daher in objektiver Hinsicht den Angeklagten nicht zu rechtfertigen; in subjektiver Hinsicht konnte aber die feste Überzeugung von der Berechtigung des Auftrags ihn entschuldigen. Nach dieser Richtung war die Sache noch nicht geprüft worden. (II, 7. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 12—15. Vgl. Bd. 10 S. 159; Bd. 23 S. 233; Bd. 28 S. 79; Bd. 57 S. 239. 6. Steuerstrafverfahren. Sprungrevision. Abschrift. Ausfertigung. (StPO. §§ 340, 349; RAbgO. §§ 394, 428.) Ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung wurde vom Schöffengericht mit der Begründung eingestellt, daß dem Angeklagten nur eine einfache Abschrift des Steuerstrafbescheides, nicht aber eine Ausfertigung zugestellt worden sei und daß darum der Antrag auf gerichtliche Entschei­ dung als verfrüht erachtet werden müsse. Die Revisio­ nen des Staatsanwalts und des Finanzamts wurden ver­ worfen. Die Sprungrevision unterliegt den gleichen Ein­ schränkungen wie die regelmäßige Revision; demgemäß hat das Revisionsgericht vorab die Zulässigkeit des Rechts­ mittels nach dem Inhalt der Revisionsbegründung zu prüfen. Es kommt dabei nicht darauf an, was hätte vor­ gebracht werden können, sondern nur darauf, was wirklich vorgebracht ist. Die beiden Revisionen hatten nicht gel­ tend gemacht, daß das Schöffengericht sich in unzulässiger Weise mit der Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung des Strafbescheides befaßt habe; sie hatten nur ausgeführt, daß die Ablehnung einer Sachentscheidung durch das Schöffengericht auf einer unrichtigen Auslegung des § 394 RAbgO. beruhe. Demgemäß war ausschließlich die Ver­ letzung eines für das gerichtliche Steuerstrafverfahren gel­ tenden Vorschrift gerügt. Hierauf kann eine Sprung­ revision nicht gestützt werden. (II, 24. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 15—18. Vgl. Bd. 57 S. 388. 7. Kraftwagenführer. Fluchtversuch. Notstand. Irr­ tum. (StGB. 88 54, 59; KrastfahrzG. 8 22.) Ein Kraft-

Wagenführer, der mehrere Personen überfahren hatte, setzte seine Fahrt beschleunigt fort, obwohl er zum Halten ausgefordert wurde. Am andern Tag fand er sich auf Vorladung bei der Polizeibehörde ein und gab den Her­ gang zu. Seine Verurteilung wegen Fluchtversuchs wurde bestätigt. Er hatte sich darauf berufen, daß er gefürchtet habe, mißhandelt zu werden. Das mochte aus dem Ge­ sichtspunkt des Notstandes oder doch des vermeintlichen Notstandes das sofortige Wegfahren vom Unfallort inso­ weit entschuldigen, als es den Angeklagten aus dem Be­ reich der Menschenmenge brachte, von der ihm Angriffe auf seine Person drohten. Dazu war aber nicht nötig, daß er sich der alsbaldigen Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person gänzlich entzog. Daß er sich am folgenden Tag bei der Polizeibehörde einfand, konnte ihn nicht straflos machen, da er nur einer Vorladung gehorcht hatte. (II, 17. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 18—19

8. Beschimpfung einer Einrichtung einer Religions­ gesellschaft. Wahrheitsbeweis. Politische Beweggründe. Amnestie. (StGB. § 166; AmnG. vom 14. Juli 1928.) In einer Zeitung war behauptet worden, daß der Vatikan aus dem Spielbetrieb in Monaco Geld beziehe. Das Ver­ fahren wegen Beschimpfung einer Einrichtung der katho­ lischen Kirche wurde auf Grund des Amnestiegesetzes vom 14. Juli 1928 eingestellt. Die Revision des Staatsanwalts hatte keinen -Erfolg. Der Angeklagte hatte sich darauf berufen, daß sein Blatt ein Gegengewicht gegen die in Bayern übermächtige katholische Presse bilden solle, daß er einen Kampf gegen den politischen Katholizismus, den Ultramontanismus, die Einmischung des Papstes in das deutsche öffentliche Leben führe. All diese Fragen, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche betreffen, sind Fragen politischer Art, können es wenigstens sein; es kann nicht bezweifelt werden, daß es sich bei Aus­ einandersetzungen über die grundsätzlichen Fragen dieses Verhältnisses um politische Erörterungen handelt. Selbst wenn der Angeklagte von diesen Dingen eine unklare und verschwommene Kenntnis und Meinung hatte, mußte auch ein nur aus allgemeine politische Feindschaft sich grün­ dender Zeitungskampf als aus politischen Beweggründen geschehen angesehen werden. Zur Hauptsache selbst be­ merkte das Reichsgericht, daß der gute Glaube an die

Wagenführer, der mehrere Personen überfahren hatte, setzte seine Fahrt beschleunigt fort, obwohl er zum Halten ausgefordert wurde. Am andern Tag fand er sich auf Vorladung bei der Polizeibehörde ein und gab den Her­ gang zu. Seine Verurteilung wegen Fluchtversuchs wurde bestätigt. Er hatte sich darauf berufen, daß er gefürchtet habe, mißhandelt zu werden. Das mochte aus dem Ge­ sichtspunkt des Notstandes oder doch des vermeintlichen Notstandes das sofortige Wegfahren vom Unfallort inso­ weit entschuldigen, als es den Angeklagten aus dem Be­ reich der Menschenmenge brachte, von der ihm Angriffe auf seine Person drohten. Dazu war aber nicht nötig, daß er sich der alsbaldigen Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person gänzlich entzog. Daß er sich am folgenden Tag bei der Polizeibehörde einfand, konnte ihn nicht straflos machen, da er nur einer Vorladung gehorcht hatte. (II, 17. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 18—19

8. Beschimpfung einer Einrichtung einer Religions­ gesellschaft. Wahrheitsbeweis. Politische Beweggründe. Amnestie. (StGB. § 166; AmnG. vom 14. Juli 1928.) In einer Zeitung war behauptet worden, daß der Vatikan aus dem Spielbetrieb in Monaco Geld beziehe. Das Ver­ fahren wegen Beschimpfung einer Einrichtung der katho­ lischen Kirche wurde auf Grund des Amnestiegesetzes vom 14. Juli 1928 eingestellt. Die Revision des Staatsanwalts hatte keinen -Erfolg. Der Angeklagte hatte sich darauf berufen, daß sein Blatt ein Gegengewicht gegen die in Bayern übermächtige katholische Presse bilden solle, daß er einen Kampf gegen den politischen Katholizismus, den Ultramontanismus, die Einmischung des Papstes in das deutsche öffentliche Leben führe. All diese Fragen, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche betreffen, sind Fragen politischer Art, können es wenigstens sein; es kann nicht bezweifelt werden, daß es sich bei Aus­ einandersetzungen über die grundsätzlichen Fragen dieses Verhältnisses um politische Erörterungen handelt. Selbst wenn der Angeklagte von diesen Dingen eine unklare und verschwommene Kenntnis und Meinung hatte, mußte auch ein nur aus allgemeine politische Feindschaft sich grün­ dender Zeitungskampf als aus politischen Beweggründen geschehen angesehen werden. Zur Hauptsache selbst be­ merkte das Reichsgericht, daß der gute Glaube an die

Richtigkeit einer behaupteten ehrenrührigen Tatsache nicht ohne weiteres den Tatbestand der Beschimpfung aus­ schließt, daß dieser aber beim Bestehen einer besonderen Sachlage zu verneinen sein kann und daß im vorliegenden Fall der Angeklagte einen Umstand behauptet hatte, der möglicherweise eine solche Ausnahme zu begründen ver­ mochte; er hatte vorgebvacht, daß er die Nachricht einer gedruckten Quelle entnommen habe, die auch in katho­ lischen Kreisen bekannt war, und daß fünf Monate lang in der katholischen Presse keine Berichtigung dieser Nach­ richt erschienen sei. (I, 25. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 20—23. Vgl. Bd. 23 S. 403; Bd. 58 S. 414.

9. Steuerstrafverfahren. Einziehung. Nebenbeteiligte. Rechtskraft. (RAbgO. §§ 361, 368, 379, 380, 386, 413; BranntwMonG. §§ 128, 147; StPO. § 432.) Ein Fabrik­ besitzer entzog Branntwein, der ihm durch die Monopol­ verwaltung für technische Zwecke zu ermäßigtem Preise geliefert worden war, die Vergällung und verkaufte ihn weiter. Ein Kaufmann erhielt von ihm 525 Liter geliefert. Vom Schöffengericht wurden beide wegen Vergehens gegen das Branntweinmonopolgesetz zu Geldstrafen verur­ teilt; außerdem wurde die Einziehung des vom Haupt­ zollamt beschlagnahmten Branntweins angeordnet. Vom Landgericht wurde der Kaufmann freigesprochen. Das Hauptzollamt erließ gegen ihn einen neuen Strafbescheid des Inhalts, daß er als Eigentümer der bei ihm be­ schlagnahmten 300 Liter Branntwein und als Nebenbetei­ ligter im Verfahren gegen den ^Fabrikanten die Einziehung dieses Branntweins gegen sich gelten lassen müsse. Er beantragte gerichtliche Entscheidung. Das Schöffengericht erkannte auf Einstellung des Verfahrens, weil die Rechts­ kraft des früheren Urteils einer neuen Verurteilung ent­ gegenstehe. Die Revision des Hauptzollamts hatte keinen Erfolg. Bei Verurteilung wegen Hinterziehung der Branntweinmonopolabgabe ist neben der Geld- oder Frei­ heitsstrafe auf Einziehung des Branntweins, hinsichtlich dessen die Hinterziehung begangen worden ist, zu erkennen, gleichviel, wem er gehört; mit der Rechtskraft des Ur­ teils geht das Eigentum daran auf das Reich über. Diese Wirkung tritt auch gegenüber dem gutgläubigen Eigen­ tümer ein; er ist deshalb als Nebenbeteiligter zu behan-

Richtigkeit einer behaupteten ehrenrührigen Tatsache nicht ohne weiteres den Tatbestand der Beschimpfung aus­ schließt, daß dieser aber beim Bestehen einer besonderen Sachlage zu verneinen sein kann und daß im vorliegenden Fall der Angeklagte einen Umstand behauptet hatte, der möglicherweise eine solche Ausnahme zu begründen ver­ mochte; er hatte vorgebvacht, daß er die Nachricht einer gedruckten Quelle entnommen habe, die auch in katho­ lischen Kreisen bekannt war, und daß fünf Monate lang in der katholischen Presse keine Berichtigung dieser Nach­ richt erschienen sei. (I, 25. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 20—23. Vgl. Bd. 23 S. 403; Bd. 58 S. 414.

9. Steuerstrafverfahren. Einziehung. Nebenbeteiligte. Rechtskraft. (RAbgO. §§ 361, 368, 379, 380, 386, 413; BranntwMonG. §§ 128, 147; StPO. § 432.) Ein Fabrik­ besitzer entzog Branntwein, der ihm durch die Monopol­ verwaltung für technische Zwecke zu ermäßigtem Preise geliefert worden war, die Vergällung und verkaufte ihn weiter. Ein Kaufmann erhielt von ihm 525 Liter geliefert. Vom Schöffengericht wurden beide wegen Vergehens gegen das Branntweinmonopolgesetz zu Geldstrafen verur­ teilt; außerdem wurde die Einziehung des vom Haupt­ zollamt beschlagnahmten Branntweins angeordnet. Vom Landgericht wurde der Kaufmann freigesprochen. Das Hauptzollamt erließ gegen ihn einen neuen Strafbescheid des Inhalts, daß er als Eigentümer der bei ihm be­ schlagnahmten 300 Liter Branntwein und als Nebenbetei­ ligter im Verfahren gegen den ^Fabrikanten die Einziehung dieses Branntweins gegen sich gelten lassen müsse. Er beantragte gerichtliche Entscheidung. Das Schöffengericht erkannte auf Einstellung des Verfahrens, weil die Rechts­ kraft des früheren Urteils einer neuen Verurteilung ent­ gegenstehe. Die Revision des Hauptzollamts hatte keinen Erfolg. Bei Verurteilung wegen Hinterziehung der Branntweinmonopolabgabe ist neben der Geld- oder Frei­ heitsstrafe auf Einziehung des Branntweins, hinsichtlich dessen die Hinterziehung begangen worden ist, zu erkennen, gleichviel, wem er gehört; mit der Rechtskraft des Ur­ teils geht das Eigentum daran auf das Reich über. Diese Wirkung tritt auch gegenüber dem gutgläubigen Eigen­ tümer ein; er ist deshalb als Nebenbeteiligter zu behan-

dein und zum Strafverfahren gegen den Beschuldigten unter den gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise beizuziehen wie im selbständigen Einziehungsver­ fahren. Ist die Zuziehung des Nebenbeteiligten im Ver­ fahren gegen den Beschuldigten unterblieben, so können gegen ihn auf Grund der gegen den Beschuldigten aus­ gesprochenen Einziehung Rechte nur hergeleitet werden, wenn in einem besonderen Verfahren ausgesprochen wird, daß er die Einziehung gegen sich gelten lassen muß; war er aber beigezogen und hat er das die Einziehung aus­ sprechende Urteil gegen den Beschuldigten, gegen das er ein Rechtsmittel hätte einlegen können, rechtskräftig wer­ den lassen, so wirkt es ohne weiteres auch gegen ihn. Eine solche Beiziehung war im vorliegenden Fall erfolgt, wenn auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nebenbe­ teiligung, sondern der Teilnahme; der Angeklagte konnte auch jene Einwendungen erheben, die gegen die Ein­ ziehung für den Fall seiner Freisprechung vorzubringen waren; er konnte im Falle seiner Freisprechung auch die gegen den Hinterzieher ausgesprochene Verurteilung an­ fechten. Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte „gegen seine Verurteilung" Berufung eingelegt; das konnte dahin ausgelegt werden, daß er das Urteil an­ focht, soweit es gegen ihn Rechtswirkungen äußern konnte. Das Berufungsgericht bezog aber das Rechtsmittel nur auf seine Verurteilung und beseitigte nur diese; über den Einziehungsausspruch erging, keine Entscheidung. Hätte der Angeklagte auch eine solche erstrebt, so hätte er gegen das Berufungsurteil Revision einlegen müssen. Da er das nicht tat, wurde die Einziehung auch in der Richtung gegen ihn rechtskräftig und der bei ihm beschlagnahmte Branntwein blieb dem Reich verfallen. Für ein neues Strafverfahren war kein Raum. (I, 29. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 23—31. Vgl. Bd. 62 S. 49.

10. Auslieferung. Spezialität. Altenbeseitigung. An­ stiftung. Ehrennotwehr. Notstand. (StGB. §§ 48, 53, 54, 133, 348; BGB. §§ 228, 904.) Ein Strafverfahren wurde eingestellt. Der Beschuldigte, der befürchtete, daß der In­ halt der Akten zu Angriffen gegen ihn verwendet werden tömie, stiftete einen Beamten an, die Akten wegzuneh­ men und ihm auszuliefern. Er wurde wegen Bestechung,

dein und zum Strafverfahren gegen den Beschuldigten unter den gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise beizuziehen wie im selbständigen Einziehungsver­ fahren. Ist die Zuziehung des Nebenbeteiligten im Ver­ fahren gegen den Beschuldigten unterblieben, so können gegen ihn auf Grund der gegen den Beschuldigten aus­ gesprochenen Einziehung Rechte nur hergeleitet werden, wenn in einem besonderen Verfahren ausgesprochen wird, daß er die Einziehung gegen sich gelten lassen muß; war er aber beigezogen und hat er das die Einziehung aus­ sprechende Urteil gegen den Beschuldigten, gegen das er ein Rechtsmittel hätte einlegen können, rechtskräftig wer­ den lassen, so wirkt es ohne weiteres auch gegen ihn. Eine solche Beiziehung war im vorliegenden Fall erfolgt, wenn auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nebenbe­ teiligung, sondern der Teilnahme; der Angeklagte konnte auch jene Einwendungen erheben, die gegen die Ein­ ziehung für den Fall seiner Freisprechung vorzubringen waren; er konnte im Falle seiner Freisprechung auch die gegen den Hinterzieher ausgesprochene Verurteilung an­ fechten. Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte „gegen seine Verurteilung" Berufung eingelegt; das konnte dahin ausgelegt werden, daß er das Urteil an­ focht, soweit es gegen ihn Rechtswirkungen äußern konnte. Das Berufungsgericht bezog aber das Rechtsmittel nur auf seine Verurteilung und beseitigte nur diese; über den Einziehungsausspruch erging, keine Entscheidung. Hätte der Angeklagte auch eine solche erstrebt, so hätte er gegen das Berufungsurteil Revision einlegen müssen. Da er das nicht tat, wurde die Einziehung auch in der Richtung gegen ihn rechtskräftig und der bei ihm beschlagnahmte Branntwein blieb dem Reich verfallen. Für ein neues Strafverfahren war kein Raum. (I, 29. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 23—31. Vgl. Bd. 62 S. 49.

10. Auslieferung. Spezialität. Altenbeseitigung. An­ stiftung. Ehrennotwehr. Notstand. (StGB. §§ 48, 53, 54, 133, 348; BGB. §§ 228, 904.) Ein Strafverfahren wurde eingestellt. Der Beschuldigte, der befürchtete, daß der In­ halt der Akten zu Angriffen gegen ihn verwendet werden tömie, stiftete einen Beamten an, die Akten wegzuneh­ men und ihm auszuliefern. Er wurde wegen Bestechung,

Anstiftung eines Beamten zur Beseitigung ihm amtlich zugänglicher Akten und Hehlerei verurteilt. Seine Re­ vision hatte keinen Erfolg. Die Akten waren allerdings schon weggelegt, aber noch nicht zum Einstampfen be­ stimmt; erst durch eine Vernichtungsverfügung hätten sie die Eigenschaft als Akten verloren. Sie befanden sich auch zur amtlichen Aufbewahrung an dem dafür bestimmten Orte. Daß dem Angeklagten ein gegenwärtiger rechts­ widriger Angriff drohte, zu dessen Abwendung die Weg­ nahme der Akten erforderlich war, hatte sich nicht fest­ stellen lassen. Damit entfiel auch die Möglichkeit, auf Grund der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Notwehr und über das Recht des Eingriffs in frem­ des Eigentum das Vorgehen des Angeklagten als nicht rechtswidrig erscheinen zu lassen. Ob diese Vorschriften auf Fälle der vorstehenden Art, wo es sich um Verletzung eines im Interesse der öffentlichen Ordnung erlassenen Verbotsgesetzes handelt, überhaupt anwendbar sind, blieb dahingestellt. Die Voraussetzungen des Notstands waren vollends nicht gegeben. Da der Angeklagte als Nicht­ beamter einen Beamten dazu angestiftet hatte, ihm amt­ lich zugängliche Akten aus Gewinnsucht zu beseitigen (StGB. § 348 Abs. 2) kam gegen ihn § 133 Abs. 2 zur An­ wendung, auch wenn er selbst nicht aus Gewinnsucht ge­ handelt hatte. Der Angeklagte war aus Frankreich aus­ geliefert worden; im Auslieferungsbeschluß waren als Straftaten nur Beamtenbestechung und Hehlerei ange­ führt. Der Auslieferung lag aber ein Haftbefehl zu­ grunde, worin dem Angeklagten auch die Anstiftung von Beamten zur Beiseiteschaffung von Akten zur Last gelegt war. Diese Handlung ist auch nach französischem Recht strafbar. Es konnte kein Zweifel bestehen, daß sich die Auslieferung auch hieraus erstreckte. (II, 31. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 31—35. Vgl. Bd. 2 S. 425; Bd. 55 S. 286; Bd. 57 S. 268; Bd. 60 S. 89; NGZ. Bd. 88 S. 211. 11.

Jagdvergehen.

Hehlerei.

Abgeleiteter Erwerb.

(StGB. 88 259, 292; BGB. 8 958.) Ein Förster, der im Dienste eines Gutsbesitzers stand, schoß mit dessen Ermäch­ tigung auf seinem Jagdgebiet einen Hirsch; dieser flüch­ tete sich in das benachbarte Jagdgebiet und verendete dort. Der Kopf mit dem Geweih wurde durch einen Wilderer

Anstiftung eines Beamten zur Beseitigung ihm amtlich zugänglicher Akten und Hehlerei verurteilt. Seine Re­ vision hatte keinen Erfolg. Die Akten waren allerdings schon weggelegt, aber noch nicht zum Einstampfen be­ stimmt; erst durch eine Vernichtungsverfügung hätten sie die Eigenschaft als Akten verloren. Sie befanden sich auch zur amtlichen Aufbewahrung an dem dafür bestimmten Orte. Daß dem Angeklagten ein gegenwärtiger rechts­ widriger Angriff drohte, zu dessen Abwendung die Weg­ nahme der Akten erforderlich war, hatte sich nicht fest­ stellen lassen. Damit entfiel auch die Möglichkeit, auf Grund der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Notwehr und über das Recht des Eingriffs in frem­ des Eigentum das Vorgehen des Angeklagten als nicht rechtswidrig erscheinen zu lassen. Ob diese Vorschriften auf Fälle der vorstehenden Art, wo es sich um Verletzung eines im Interesse der öffentlichen Ordnung erlassenen Verbotsgesetzes handelt, überhaupt anwendbar sind, blieb dahingestellt. Die Voraussetzungen des Notstands waren vollends nicht gegeben. Da der Angeklagte als Nicht­ beamter einen Beamten dazu angestiftet hatte, ihm amt­ lich zugängliche Akten aus Gewinnsucht zu beseitigen (StGB. § 348 Abs. 2) kam gegen ihn § 133 Abs. 2 zur An­ wendung, auch wenn er selbst nicht aus Gewinnsucht ge­ handelt hatte. Der Angeklagte war aus Frankreich aus­ geliefert worden; im Auslieferungsbeschluß waren als Straftaten nur Beamtenbestechung und Hehlerei ange­ führt. Der Auslieferung lag aber ein Haftbefehl zu­ grunde, worin dem Angeklagten auch die Anstiftung von Beamten zur Beiseiteschaffung von Akten zur Last gelegt war. Diese Handlung ist auch nach französischem Recht strafbar. Es konnte kein Zweifel bestehen, daß sich die Auslieferung auch hieraus erstreckte. (II, 31. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 31—35. Vgl. Bd. 2 S. 425; Bd. 55 S. 286; Bd. 57 S. 268; Bd. 60 S. 89; NGZ. Bd. 88 S. 211. 11.

Jagdvergehen.

Hehlerei.

Abgeleiteter Erwerb.

(StGB. 88 259, 292; BGB. 8 958.) Ein Förster, der im Dienste eines Gutsbesitzers stand, schoß mit dessen Ermäch­ tigung auf seinem Jagdgebiet einen Hirsch; dieser flüch­ tete sich in das benachbarte Jagdgebiet und verendete dort. Der Kopf mit dem Geweih wurde durch einen Wilderer

in das Jagdgebiet des Gutsbesitzers zurückgebracht und dort versteckt. Der Förster fand ihn und lieferte ihn an den Gutsbesitzer ab; dieser nahm ihn entgegen. Der För­ ster wurde wegen unberechtigter Jagdausübung, der Gutsbesitzer wegen Hehlerei angeklagt. In allen Rechts­ zügen erfolgte Freisprechung. Ein Jagdvergehen des För­ sters kam schon deshalb nicht in Frage, weil er an dem Orte, wo er den Hirschkopf an sich nahm, als Vertreter des jagdberechtigten Gutsbesitzers die Jagd ausüben durfte, insbesondere auch durch kein Verbot gehindert war, den Hirsch zu erlegen. Die Besitzergreifung von dem Hirschkopf war überhaupt keine Jagdausübung. Eine solche ist nicht mehr möglich, wenn das jagdbare Tier in den Besitz einer berechtigten oder unberechtigten Person gelangt ist; das war hier damit geschehen, daß ein Wil­ derer den Kopf des Hirsches abtrennte und in ein Ver­ steck brachte. Gegenstand des Jagdrechts sind wilde herren­ lose Tiere in lebendem oder totem Zustand, auch imtür«liche Erzeugnisse solcher Tiere, wie Eier von Federwild oder abgeworfene Geweihe; dagegen gilt das nicht von Teilen solcher Tiere, die künstlich vom Tierkörper abge­ trennt und von ihm räumlich soweit entfernt sind, daß die Zugehörigkeit zum Tierkörper als Ganzes aufgegeben ist. Auch aus diesem Grunde war also die Wegnahme des Hirschkopfes durch den Förster keine Ausübung der Jagd. Der Kopf war nicht in das Eigentum des Wilderers über­ gegangen, weil dieser durch die Besitzergreifung das Ent­ eignungsrecht des Gutsbesitzers verletzte; er war also herrenlos. Demzufolge konnte das Verhalten des Försters auch nicht als Diebstahl oder Unterschlagung angesehen werden. Auch Hehlerei lag auf seiner Seite nicht vor, da er weder seines Vorteils wegen den Hirschkopf an sich brachte, noch auch ihn verheimlichte. Ebenso war dem Gutsbesitzer Hehlerei mit Unrecht zur Last gelegt. Eine solche wäre gegeben gewesen, wenn der Förster in Kennt­ nis des Jagdfrevels des Wilderers den Hirschkopf von diesem für seinen Dienstherrn erworben und dieser ihn in Kenntnis des Sachverhalts angenommen hätte; der Förster wäre dann wegen Beihilfe zur Hehlerei zu bestrafen gewesen. (II, 31. Januar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 35—39. Vgl. Bd. 3 S. 226; Bd. 4 S. 261; Bd. 9 S. 199; Bd. 12

S. 305; Bd. 13 S. 84; Bd. 15 S. 268; Bd. 18 S. 303 ; Bd. 20 S. 98; Bd. 23 S. 89; Bd. 39 S. 365; Bd. 55 S. 220, 281; Bd. 56 S. 335. 12. Blankettfälschung. (StGB. §§ 267, 268, 269.) Der Geschäftsführer einer G. m. b. H. übergab dem Ge­ schäftsführer einer anderen G. m. b. H. zwei Blanko­ akzepte mit dem Auftrag, Waren für die erste Gesellschaft einzukaufen und die ausgefüllten Akzepte dem Verkäufer zu behändigen. Der Kauf kam nicht zustande. Die zweite Gesellschaft hatte gegen die erste eine Forderung ; ihr Ge­ schäftsführer füllte nun die ihm übergebenen Akzepte mit entsprechenden Beträgen aus und begab sie weiter. Er wurde wegen Urkundenfälschung verurteilt. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die Anordnung des Geschäftsführers der ersten Gesellschaft ging dahin, die Akzepte mit einer dem Preis der anzukaufenden Waren entsprechenden Summe auszufüllen; die vorgenommene Ausfüllung war dieser Anordnung zuwider. Zu prüfen war aber, ob von den fälschlich ausgefüllten Blankoakzep­ ten zum Zwecke der Täuschung Gebrauch gemacht worden war; der Gebrauch mußte, ebenso wie die fälschliche An­ fertigung, in rechtswidriger Absicht geschehen, d. h. der Täter mußte beabsichtigen, den Empfänger in einen Irr­ tum über Rechte oder Rechtsverhältnisse zu versetzen und dadurch zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu be­ stimmen. (III, 7. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 39—41. Vgl. Bd, 42 S. 406. 13. Mietvertrag. Pachtvertrag. Raumwucher. Son­ dervergütung. (MSchG. § 49a; BGB. ßß 535, 581.) Ein Hausverwalter verpachtete eine Wirtschaft; er erklärte da­ bei, daß ihm von anderer Seite für die Überlassung der Wirtschaft eine Sondervergütung von 800 RM. geboten worden sei. Der Pächter ließ sich hierdurch zur Zahlung einer Sondervergütung von 600 RM. bestimmen. Das Landgericht sprach von der Anklage des Raumwuchers frei, weil das Mieterschutzgesetz auf Pachtverträge keine Anwendung finde. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Wegen Wuchers mit Räumen wird bestraft, wer für die mietweise oder auf Grund eines sonstigen Rechtsverhältnisses erfolgende Überlassung von Räumen oder im Zusammenhang damit für sich oder einen ande-

S. 305; Bd. 13 S. 84; Bd. 15 S. 268; Bd. 18 S. 303 ; Bd. 20 S. 98; Bd. 23 S. 89; Bd. 39 S. 365; Bd. 55 S. 220, 281; Bd. 56 S. 335. 12. Blankettfälschung. (StGB. §§ 267, 268, 269.) Der Geschäftsführer einer G. m. b. H. übergab dem Ge­ schäftsführer einer anderen G. m. b. H. zwei Blanko­ akzepte mit dem Auftrag, Waren für die erste Gesellschaft einzukaufen und die ausgefüllten Akzepte dem Verkäufer zu behändigen. Der Kauf kam nicht zustande. Die zweite Gesellschaft hatte gegen die erste eine Forderung ; ihr Ge­ schäftsführer füllte nun die ihm übergebenen Akzepte mit entsprechenden Beträgen aus und begab sie weiter. Er wurde wegen Urkundenfälschung verurteilt. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die Anordnung des Geschäftsführers der ersten Gesellschaft ging dahin, die Akzepte mit einer dem Preis der anzukaufenden Waren entsprechenden Summe auszufüllen; die vorgenommene Ausfüllung war dieser Anordnung zuwider. Zu prüfen war aber, ob von den fälschlich ausgefüllten Blankoakzep­ ten zum Zwecke der Täuschung Gebrauch gemacht worden war; der Gebrauch mußte, ebenso wie die fälschliche An­ fertigung, in rechtswidriger Absicht geschehen, d. h. der Täter mußte beabsichtigen, den Empfänger in einen Irr­ tum über Rechte oder Rechtsverhältnisse zu versetzen und dadurch zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu be­ stimmen. (III, 7. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 39—41. Vgl. Bd, 42 S. 406. 13. Mietvertrag. Pachtvertrag. Raumwucher. Son­ dervergütung. (MSchG. § 49a; BGB. ßß 535, 581.) Ein Hausverwalter verpachtete eine Wirtschaft; er erklärte da­ bei, daß ihm von anderer Seite für die Überlassung der Wirtschaft eine Sondervergütung von 800 RM. geboten worden sei. Der Pächter ließ sich hierdurch zur Zahlung einer Sondervergütung von 600 RM. bestimmen. Das Landgericht sprach von der Anklage des Raumwuchers frei, weil das Mieterschutzgesetz auf Pachtverträge keine Anwendung finde. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Wegen Wuchers mit Räumen wird bestraft, wer für die mietweise oder auf Grund eines sonstigen Rechtsverhältnisses erfolgende Überlassung von Räumen oder im Zusammenhang damit für sich oder einen ande-

S. 305; Bd. 13 S. 84; Bd. 15 S. 268; Bd. 18 S. 303 ; Bd. 20 S. 98; Bd. 23 S. 89; Bd. 39 S. 365; Bd. 55 S. 220, 281; Bd. 56 S. 335. 12. Blankettfälschung. (StGB. §§ 267, 268, 269.) Der Geschäftsführer einer G. m. b. H. übergab dem Ge­ schäftsführer einer anderen G. m. b. H. zwei Blanko­ akzepte mit dem Auftrag, Waren für die erste Gesellschaft einzukaufen und die ausgefüllten Akzepte dem Verkäufer zu behändigen. Der Kauf kam nicht zustande. Die zweite Gesellschaft hatte gegen die erste eine Forderung ; ihr Ge­ schäftsführer füllte nun die ihm übergebenen Akzepte mit entsprechenden Beträgen aus und begab sie weiter. Er wurde wegen Urkundenfälschung verurteilt. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die Anordnung des Geschäftsführers der ersten Gesellschaft ging dahin, die Akzepte mit einer dem Preis der anzukaufenden Waren entsprechenden Summe auszufüllen; die vorgenommene Ausfüllung war dieser Anordnung zuwider. Zu prüfen war aber, ob von den fälschlich ausgefüllten Blankoakzep­ ten zum Zwecke der Täuschung Gebrauch gemacht worden war; der Gebrauch mußte, ebenso wie die fälschliche An­ fertigung, in rechtswidriger Absicht geschehen, d. h. der Täter mußte beabsichtigen, den Empfänger in einen Irr­ tum über Rechte oder Rechtsverhältnisse zu versetzen und dadurch zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu be­ stimmen. (III, 7. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 39—41. Vgl. Bd, 42 S. 406. 13. Mietvertrag. Pachtvertrag. Raumwucher. Son­ dervergütung. (MSchG. § 49a; BGB. ßß 535, 581.) Ein Hausverwalter verpachtete eine Wirtschaft; er erklärte da­ bei, daß ihm von anderer Seite für die Überlassung der Wirtschaft eine Sondervergütung von 800 RM. geboten worden sei. Der Pächter ließ sich hierdurch zur Zahlung einer Sondervergütung von 600 RM. bestimmen. Das Landgericht sprach von der Anklage des Raumwuchers frei, weil das Mieterschutzgesetz auf Pachtverträge keine Anwendung finde. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Wegen Wuchers mit Räumen wird bestraft, wer für die mietweise oder auf Grund eines sonstigen Rechtsverhältnisses erfolgende Überlassung von Räumen oder im Zusammenhang damit für sich oder einen ande-

ren einen Mietzins oder eine sonstige Vergütung fordert, einnimmt oder sich versprechen läßt, die unter Berück­ sichtigung der gesamten Verhältnisse unangemessen ist. Auch bei der Pachtung von eingerichteten Wirtschaftsräumen werden diese dem Pächter überlassen. Daß die Räume nicht der alleinige Gegenstand des Vertrags sind, ist unerheblich; auch in Mietverträgen sind vielfach Ne­ benleistungen vereinbart. Die Entscheidung der Frage, ob ein Mietvertrag oder Pachtvertrag vorliegt, hängt in solchen Fällen davon ab, ob sich die Bedeutung der über­ lassenen Räume darauf beschränkt, daß sie dem Inhaber als örtlicher Mittelpunkt seines Gewerbes dienen und ihm geeignete Gelegenheit geben sollen, seine gewinnbringende Tätigkeit auszuüben, oder ob die Räume selbst als die eigentliche Quelle der damit zu erzielenden Erträge an­ zusehen sind. So wird in der Überlassung leerer Räume, in denen der Unternehmer den Gewerbebetrieb erst auf­ bauen muß, eine bloße Gewährung des Gebrauchs und damit ein Mietverhältnis, in der Überlassung der für einen bestimmten Gewerbebetrieb, etwa eine Gastwirt­ schaft, völlig eingerichteten Räume, mit der meist auch die Überlassung der Kundschaft, des Rufes usw. verbunden ist, eine Überlassung des Gebrauchs und des Genusses der Früchte und damit ein Pachtverhältnis gefunden. Immer aber bildet die Raumüberlassung einen Haupt­ gegenstand des Vertrags. Im Pachtzins steckt neben der Vergütung für die Überlassung der Einrichtung, der Kund­ schaft usw. als wesentlicher Bestandteil auch die Vergütung für die Überlassung der Räume. Daß der Gesetzgeber auch die Pachtverträge gegen Überforderungen schützen wollte, ergibt sich daraus, daß er der Überlassung auf Grund eines Mietvertrags jene auf Grund eines sonstigen Rechts­ verhältnisses gleichgestellt hat. (I, 12. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 42—43. Vgl. Bd. 61 S. 130, 146, 346; Bd. 62 S. 235; RGZ. Bd. 81 S. 23; Bd. 114 S. 243. 14. Glücksspiel. Betrug. (StGB. § 285.) Zwei Per­ sonen, die wiederholt wegen Glücksspiel vorbestraft waren, versuchten während einer Eisenbahnfahrt einen Reisen­ den zum Glücksspiel zu bestimmen, indem sie zunächst unter sich zum Schein mehrere Spiele führten und ihn dann zur Beteiligung aufforderten. Er lehnte ab und brachte sie

ren einen Mietzins oder eine sonstige Vergütung fordert, einnimmt oder sich versprechen läßt, die unter Berück­ sichtigung der gesamten Verhältnisse unangemessen ist. Auch bei der Pachtung von eingerichteten Wirtschaftsräumen werden diese dem Pächter überlassen. Daß die Räume nicht der alleinige Gegenstand des Vertrags sind, ist unerheblich; auch in Mietverträgen sind vielfach Ne­ benleistungen vereinbart. Die Entscheidung der Frage, ob ein Mietvertrag oder Pachtvertrag vorliegt, hängt in solchen Fällen davon ab, ob sich die Bedeutung der über­ lassenen Räume darauf beschränkt, daß sie dem Inhaber als örtlicher Mittelpunkt seines Gewerbes dienen und ihm geeignete Gelegenheit geben sollen, seine gewinnbringende Tätigkeit auszuüben, oder ob die Räume selbst als die eigentliche Quelle der damit zu erzielenden Erträge an­ zusehen sind. So wird in der Überlassung leerer Räume, in denen der Unternehmer den Gewerbebetrieb erst auf­ bauen muß, eine bloße Gewährung des Gebrauchs und damit ein Mietverhältnis, in der Überlassung der für einen bestimmten Gewerbebetrieb, etwa eine Gastwirt­ schaft, völlig eingerichteten Räume, mit der meist auch die Überlassung der Kundschaft, des Rufes usw. verbunden ist, eine Überlassung des Gebrauchs und des Genusses der Früchte und damit ein Pachtverhältnis gefunden. Immer aber bildet die Raumüberlassung einen Haupt­ gegenstand des Vertrags. Im Pachtzins steckt neben der Vergütung für die Überlassung der Einrichtung, der Kund­ schaft usw. als wesentlicher Bestandteil auch die Vergütung für die Überlassung der Räume. Daß der Gesetzgeber auch die Pachtverträge gegen Überforderungen schützen wollte, ergibt sich daraus, daß er der Überlassung auf Grund eines Mietvertrags jene auf Grund eines sonstigen Rechts­ verhältnisses gleichgestellt hat. (I, 12. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 42—43. Vgl. Bd. 61 S. 130, 146, 346; Bd. 62 S. 235; RGZ. Bd. 81 S. 23; Bd. 114 S. 243. 14. Glücksspiel. Betrug. (StGB. § 285.) Zwei Per­ sonen, die wiederholt wegen Glücksspiel vorbestraft waren, versuchten während einer Eisenbahnfahrt einen Reisen­ den zum Glücksspiel zu bestimmen, indem sie zunächst unter sich zum Schein mehrere Spiele führten und ihn dann zur Beteiligung aufforderten. Er lehnte ab und brachte sie

zur Anzeige. Sie wurden wegen Bereitstellung von Ein­ richtungen zum öffentlichen Glückspiel und gewerbsmäßi­ gen Glückspiels verurteilt. Ihre Revisionen hatten Erfolg. Es fehlte an dem Merkmal der Öffentlichkeit der beab­ sichtigten Veranstaltung. Dieses Merkmal ist nur erfüllt, wenn die Veranstaltung dem Publikum als solchem, also einem unbestimmten, nicht festgeschlossenen Personenkreis zugänglich gemacht wird. Das trifft nicht zu, wenn das Spiel in dem geschlossenen Eisenbahnabteil eines fahren­ den Zuges vor sich gehen soll, soferne weder vom Zug aus selbst die Möglichkeit besteht, in das Abteil zu ge­ langen, noch auch der Zutritt von Reisenden von anderen Stationen aus erfolgen konnte, und weitere Personen, abgesehen von den Spielveranstaltern und dem einen Rei­ senden, nicht anwesend waren. Um gewerbsmäßiges Glückspiel anzunehmen, hätte wenigstens ein Fall begon­ nenen Glückspiels nachgewiesen werden müssen. Die zum Schein vorgenommenen Glückspiele waren keine Glück­ spiele. Die Aufforderung an den Reisenden erfüllte höch­ stens den Tatbestand des Versuchs; dieser ist nicht straf­ bar. Die Sache wurde zurückverwiesen zum Zwecke der Prüfung, ob Betrugsversuch vorlag. (III, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 44—46. Vgl. Bd. 57 S. 190. 15. Freie Willensbestimmung. Selbstverschuldete Trunkenheit. (MStGB. §§ 2, 49, 97; StGB. § 51.) Bei einer militärischen Feier war stark getrunken worden. Ein Soldat, der ziemlich berauscht war, wurde von zwei Vor­ gesetzten nach Hause begleitet. Ohne ersichtlichen Grund griff er sie mit dem Seitengewehr an. Er wurde verur­ teilt, obwohl der zugezogene Sachverständige die Ansicht vertrat, daß er sich mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Rauschzustand befunden habe. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Rach dem Militärstraf­ gesetzbuch bildet selbstverschuldete Trunkenheit bei straf­ baren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung keinen Strafmilderung gründ; dagegen ist auch für militärische Verbrechen unb Vergehen die Vor­ schrift des allgemeinen Strafrechts anwendbar, wonach eine strafbare Handlung nicht vorhanden ist, wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem RGC. Strafsachen Dd. 63

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zur Anzeige. Sie wurden wegen Bereitstellung von Ein­ richtungen zum öffentlichen Glückspiel und gewerbsmäßi­ gen Glückspiels verurteilt. Ihre Revisionen hatten Erfolg. Es fehlte an dem Merkmal der Öffentlichkeit der beab­ sichtigten Veranstaltung. Dieses Merkmal ist nur erfüllt, wenn die Veranstaltung dem Publikum als solchem, also einem unbestimmten, nicht festgeschlossenen Personenkreis zugänglich gemacht wird. Das trifft nicht zu, wenn das Spiel in dem geschlossenen Eisenbahnabteil eines fahren­ den Zuges vor sich gehen soll, soferne weder vom Zug aus selbst die Möglichkeit besteht, in das Abteil zu ge­ langen, noch auch der Zutritt von Reisenden von anderen Stationen aus erfolgen konnte, und weitere Personen, abgesehen von den Spielveranstaltern und dem einen Rei­ senden, nicht anwesend waren. Um gewerbsmäßiges Glückspiel anzunehmen, hätte wenigstens ein Fall begon­ nenen Glückspiels nachgewiesen werden müssen. Die zum Schein vorgenommenen Glückspiele waren keine Glück­ spiele. Die Aufforderung an den Reisenden erfüllte höch­ stens den Tatbestand des Versuchs; dieser ist nicht straf­ bar. Die Sache wurde zurückverwiesen zum Zwecke der Prüfung, ob Betrugsversuch vorlag. (III, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 44—46. Vgl. Bd. 57 S. 190. 15. Freie Willensbestimmung. Selbstverschuldete Trunkenheit. (MStGB. §§ 2, 49, 97; StGB. § 51.) Bei einer militärischen Feier war stark getrunken worden. Ein Soldat, der ziemlich berauscht war, wurde von zwei Vor­ gesetzten nach Hause begleitet. Ohne ersichtlichen Grund griff er sie mit dem Seitengewehr an. Er wurde verur­ teilt, obwohl der zugezogene Sachverständige die Ansicht vertrat, daß er sich mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Rauschzustand befunden habe. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Rach dem Militärstraf­ gesetzbuch bildet selbstverschuldete Trunkenheit bei straf­ baren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung keinen Strafmilderung gründ; dagegen ist auch für militärische Verbrechen unb Vergehen die Vor­ schrift des allgemeinen Strafrechts anwendbar, wonach eine strafbare Handlung nicht vorhanden ist, wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem RGC. Strafsachen Dd. 63

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Zustand von Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand, durch welche seine freie Willens­ bestimmung ausgeschlossen war. Bewußtlosigkeit war nicht gegeben, da der Angeklagte nicht nur seine Vorgesetzten, gegen die er tätlich wurde, als solche kannte, sondern sich auch seiner Handlungsweise bewußt war und sie wollte; daß er am folgenden Tag sich der Vorfälle nicht mehr erinnerte, wie er unwiderlegt angab, stand dem nicht notwendig entgegen. Bedenken ergaben sich aber gegen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht eine die freie Willensbestimmung ausschließende krankhafte Störung der Geistestätigkeit ablehnte. Es hatte hervor­ gehoben, daß der Angeklagte weder erblich belastet oder sonst pathologisch veranlagt, sondern körperlich und geistig gesund, ein großer, starker Mensch sei, von dem in keiner Weise feststehe, daß er stärker angetrunken gewesen sei als seine Kameraden. Auch bei großen und starken, körper­ lich und geistig gesunden Menschen kann ein übermäßiger Genuß geistiger Getränke einen Rauschzustand erzeugen, der sich in einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit äußert, ohne daß sinnlose Trunkenheit vorzuliegen braucht. Bor allem hatte sich das Berufungsgericht nicht aus­ reichend mit der Frage befaßt, wie weit die freie Willens­ bestimmung des Angeklagten durch seinen Rauschzustand ausgeschlossen war. Es genügte nicht, daß der Angeklagte die von ihm entfaltete körperliche Betätigung wollte; er mußte fähig sein, sie trotz der durch seine Trunkenheit beeinträchtigten Geistestätigkeit vernunftgemäß zu wol­ len, seine Entschließungen und sein Handeln also der ihm verbliebenen verstandesmäßigen Einsicht gemäß einzurich­ ten. An der freien Willensbestimmung fehlt es, wenn infolge einer Störung der Geistestätigkeit bestimmte Vor­ stellungen oder Empfindungen oder Einflüsse derart über­ mäßig den Willen beherrschen, daß eine Bestimmbarkeit des Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen ist. Sind sowohl Anreize zu einem bestimmten Handeln als auch Hemmungsvorstellungen vorhanden, so ist der Wille des Handelnden nur dann frei, wenn er fähig ist, beide gegeneinander abzuwägen und darnach seinen Wil­ lensentschluß zu bilden; liegt ein krankhafter Anreiz vor, der so stark ist, daß ihm gegenüber etwaige Hemmungs­ vorstellungen, auch wenn sie vorhanden sind, nicht zur

Geltung kommen können, so ist die Bestimmbarkeit des Willens durch vernünftige Erwägungen und damit die freie Bestimmung ausgeschlossen. Hiernach wäre im vor­ liegenden Fall insbesondere zu prüfen gewesen, in wel­ chem Maß beim Angeklagten unter dem Einfluß einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit diejenigen Hem­ mungen fortgefallen waren, die ihn in nüchternem Zu­ stand von der Begehung seiner Ausschreitungen abgehal­ ten haben würden. Der Sachverständige hatte darauf hin­ gewiesen, daß es von Wichtigkeit sei, ob der Angeklagte bei seinem Tun ein völlig unmotiviertes Handeln an den Tag gelegt habe. War das der Fall, so lag der Schluß nahe, daß er nicht nur unvernünftig gehandelt hatte (was auch bei freier Willensbestimmung geschehen kann), son­ dern daß er, worauf es entscheidend ankam, infolge seines Zustandes nicht in der Lage war, vernünftigen Erwägun­ gen Raum zu geben. Das war auch bei scheinbar plan­ mäßigem Handeln nicht ausgeschlossen. (II, 14. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 46—49. Vgl. Bd. 57 S. 76; RGZ. Bd. 103 S. 399. 16. Parteieid. Meineid. Nebenpuntt. (StGB. §§ 153, 154.) Anfangs Februar 1923 verkaufte ein Bauer einen Stier. Der Kauf reute ihn und er verweigerte die Über­ gabe. Im Rechtsstreit wurde ihm ein Eid zugeschoben über die Tatsache, daß er am 1. Februar 1923 einen zweijährigen Stier um eine bestimmte Summe verkauft habe. Er leistete den Eid. Wegen Meineids angeklagt berief er sich darauf, daß der Kauf nicht am 1. Februar abgeschlossen und daß der Stier 'nicht zwei Jahre alt ge­ wesen sei. Seine Revision hatte keinen Erfolg. In dem Rechtsstreit, in dem der Eid geschworen wurde, stand fest, daß die Parteien miteinander wegen des Verkaufs eines Stieres verhandelt hatten und um welchen Stier es sich handelte, da der Angeklagte überhaupt nur einen Stier besaß; das Alter des Tieres war in der Klage auf unge­ fähr zwei Jahre angegeben. Ob der in der Klage an­ gegebene Tag des angeblichen Vertragsschlusses stimmte, kam nicht zur Sprache. Streitig war nur, ob es zu einem Vertragsschluß gekommen war; nur hierüber hatte der Kläger Beweis zu erbringen und nur diese Tatsache bil­ dete den Gegenstand des dem Angeklagten zugeschobenen Eides. Die näheren Angaben über Zeitpunkt des Ver2*

Geltung kommen können, so ist die Bestimmbarkeit des Willens durch vernünftige Erwägungen und damit die freie Bestimmung ausgeschlossen. Hiernach wäre im vor­ liegenden Fall insbesondere zu prüfen gewesen, in wel­ chem Maß beim Angeklagten unter dem Einfluß einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit diejenigen Hem­ mungen fortgefallen waren, die ihn in nüchternem Zu­ stand von der Begehung seiner Ausschreitungen abgehal­ ten haben würden. Der Sachverständige hatte darauf hin­ gewiesen, daß es von Wichtigkeit sei, ob der Angeklagte bei seinem Tun ein völlig unmotiviertes Handeln an den Tag gelegt habe. War das der Fall, so lag der Schluß nahe, daß er nicht nur unvernünftig gehandelt hatte (was auch bei freier Willensbestimmung geschehen kann), son­ dern daß er, worauf es entscheidend ankam, infolge seines Zustandes nicht in der Lage war, vernünftigen Erwägun­ gen Raum zu geben. Das war auch bei scheinbar plan­ mäßigem Handeln nicht ausgeschlossen. (II, 14. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 46—49. Vgl. Bd. 57 S. 76; RGZ. Bd. 103 S. 399. 16. Parteieid. Meineid. Nebenpuntt. (StGB. §§ 153, 154.) Anfangs Februar 1923 verkaufte ein Bauer einen Stier. Der Kauf reute ihn und er verweigerte die Über­ gabe. Im Rechtsstreit wurde ihm ein Eid zugeschoben über die Tatsache, daß er am 1. Februar 1923 einen zweijährigen Stier um eine bestimmte Summe verkauft habe. Er leistete den Eid. Wegen Meineids angeklagt berief er sich darauf, daß der Kauf nicht am 1. Februar abgeschlossen und daß der Stier 'nicht zwei Jahre alt ge­ wesen sei. Seine Revision hatte keinen Erfolg. In dem Rechtsstreit, in dem der Eid geschworen wurde, stand fest, daß die Parteien miteinander wegen des Verkaufs eines Stieres verhandelt hatten und um welchen Stier es sich handelte, da der Angeklagte überhaupt nur einen Stier besaß; das Alter des Tieres war in der Klage auf unge­ fähr zwei Jahre angegeben. Ob der in der Klage an­ gegebene Tag des angeblichen Vertragsschlusses stimmte, kam nicht zur Sprache. Streitig war nur, ob es zu einem Vertragsschluß gekommen war; nur hierüber hatte der Kläger Beweis zu erbringen und nur diese Tatsache bil­ dete den Gegenstand des dem Angeklagten zugeschobenen Eides. Die näheren Angaben über Zeitpunkt des Ver2*

tragsschlusses und über das Alter des Tieres, hatten nach der vom Schwurgericht vorgenommenen Auslegung nur dazu zu dienen, den Gegenstand der Eidesleistung näher zu bestimmen, ohne daß jedoch diese Merkmale der Kenn­ zeichnung selbst den 'Gegenstand einer des Beweises bedürf­ tigen und daher von der Partei zu beschwörenden Tat­ sache gebildet hätten. (I, 19. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 49—53. Vgl. Bd. 59 S. 343; Bd. 60 S. 78. 17. Nebenkläger. Berufung. (StPO. §§ 391, 397, 400, 402; RAbgO. §§ 385, 432.) Gegen ein schöffen­ gerichtliches Urteil, durch das der Angeklagte wegen Steuergefährdung verurteilt worden war, legte sowohl das Finanzamt als der Angeklagte Berufung ein. Im Verlauf der Berufungsverhandlung kam es zwischen dem Vertreter des Finanzamts und dem Vorsitzenden zu einer Auseinandersetzung; darauf entfernte sich der Vertreter des Finanzamts aus dem Sitzungssaal. Der Staatsanwalt erklärte, er nehme die Berufung des Finanzamts auf. Der Angeklagte beantragte die Berufung des Finanzamts als zurückgenommen zu behandeln. Das Landgericht gab dem Antrag statt. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg. Die für das Privatklageverfahren gegebenen Ver­ säumnisvorschriften finden auf die Nebenklage keine An­ wendung. Sie haben den Zweck, den pünktlichen Betrieb des Privatklageverfahrens zu sichern. Einer solchen Siche­ rung bedarf es gegenüber dem Nebenkläger, der sich ledig­ lich der öffentlichen Klage anschließt, deshalb nicht, weil der Betrieb des Verfahrens der Staatsanwaltschaft ob­ liegt. Auch im Fall eines vom Nebenkläger ergriffenen Rechtsmittels scheidet nicht etwa die Staatsanwaltschaft einstweilen aus dem Verfahren aus und tritt erst dann wieder ein, wenn das Rechtsmittel Erfolg gehabt hat; vielmehr wirkt sie im Verfahren des höheren Rechtszuges ebenso mit wie im Falle eines von ihr selbst eingelegten Rechtsmittels. Der Staatsanwalt ist allerdings in seinen Anträgen vom Standpunkt des Nebenklägers unabhängig und nicht verpflichtet, das Rechtsmittel des nicht erschie­ nenen und nicht vertretenen Nebenklägers aufzunehmen; es ist bestritten, ob er hiezu überhaupt befugt ist. Das Ausbleiben des Nebenklägers hindert die Durchführung der Hauptverhandlung nicht; es bildet also keinen Grund,

tragsschlusses und über das Alter des Tieres, hatten nach der vom Schwurgericht vorgenommenen Auslegung nur dazu zu dienen, den Gegenstand der Eidesleistung näher zu bestimmen, ohne daß jedoch diese Merkmale der Kenn­ zeichnung selbst den 'Gegenstand einer des Beweises bedürf­ tigen und daher von der Partei zu beschwörenden Tat­ sache gebildet hätten. (I, 19. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 49—53. Vgl. Bd. 59 S. 343; Bd. 60 S. 78. 17. Nebenkläger. Berufung. (StPO. §§ 391, 397, 400, 402; RAbgO. §§ 385, 432.) Gegen ein schöffen­ gerichtliches Urteil, durch das der Angeklagte wegen Steuergefährdung verurteilt worden war, legte sowohl das Finanzamt als der Angeklagte Berufung ein. Im Verlauf der Berufungsverhandlung kam es zwischen dem Vertreter des Finanzamts und dem Vorsitzenden zu einer Auseinandersetzung; darauf entfernte sich der Vertreter des Finanzamts aus dem Sitzungssaal. Der Staatsanwalt erklärte, er nehme die Berufung des Finanzamts auf. Der Angeklagte beantragte die Berufung des Finanzamts als zurückgenommen zu behandeln. Das Landgericht gab dem Antrag statt. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg. Die für das Privatklageverfahren gegebenen Ver­ säumnisvorschriften finden auf die Nebenklage keine An­ wendung. Sie haben den Zweck, den pünktlichen Betrieb des Privatklageverfahrens zu sichern. Einer solchen Siche­ rung bedarf es gegenüber dem Nebenkläger, der sich ledig­ lich der öffentlichen Klage anschließt, deshalb nicht, weil der Betrieb des Verfahrens der Staatsanwaltschaft ob­ liegt. Auch im Fall eines vom Nebenkläger ergriffenen Rechtsmittels scheidet nicht etwa die Staatsanwaltschaft einstweilen aus dem Verfahren aus und tritt erst dann wieder ein, wenn das Rechtsmittel Erfolg gehabt hat; vielmehr wirkt sie im Verfahren des höheren Rechtszuges ebenso mit wie im Falle eines von ihr selbst eingelegten Rechtsmittels. Der Staatsanwalt ist allerdings in seinen Anträgen vom Standpunkt des Nebenklägers unabhängig und nicht verpflichtet, das Rechtsmittel des nicht erschie­ nenen und nicht vertretenen Nebenklägers aufzunehmen; es ist bestritten, ob er hiezu überhaupt befugt ist. Das Ausbleiben des Nebenklägers hindert die Durchführung der Hauptverhandlung nicht; es bildet also keinen Grund,

eine von ihm eingelegte Berufung sofort zu verwerfen. Aber auch wenn das an sich zulässig wäre, hätte das Weg­ gehen des Vertreters des Finanzamts während der Ver­ handlung die sofortige Verwerfung der Berufung nicht gerechtfertigt. Es ist selbst für die Privatklage bestritten, ob eine Verpflichtung des Klägers oder seines Anwalts zu dauernder Anwesenheit besteht; um so weniger kann das für den Nebenkläger gelten. (I, 22. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 53—57. Vgl. Bd. 7 S. 376; Bd. 60 S. 273; Bd. 61 S. 280.

18. TllbaksteuerzeichLn. Verfälschung. (TabStG. § 66.) Ein Tabakhändler änderte den auf den Steuerbanderolen ausgedruckten Verkaufspreis in der Weise ab, daß er höhere Preise einsetzte; er wollte die Zigarren an Kun­ den verschenken und bei diesen die Vorstellung eines höhe­ ren Wertes des Geschenkes erwecken. Er wurde von der Anklage einer Hinterziehung der Tabaksteuer sreigesprochen; die Revision des Staatsanwalts wurde verworfen. Die vorgenommene Änderung der Banderolen war straf­ bar, wenn sie absichtlich vorgenommen wurde. Die Ab­ sicht, einen höheren Steuerwert vorzutäuschen, wird regelmäßig auf eine vom Täter selbst oder von dritten Personen zu bewirkende Steuerunehrlichkeit hinauslaufen; darum ist die Handlung unter Strafe gestellt. Nach ihrem aus dem Zusammenhang des Gesetzes sich ergebenden Zweck erfordert die Vorschrift ein Jngebrauchnehmen des fälschen Steuerzeichens, durch das dieses in rechtswidriger Ab­ sicht in seiner Eigenschaft als bestimmungsgemäß zu ver­ wendendes Steuerzeichen in den äußeren Rechtsverkehr gebracht wird. Eine Verwendung im bloßen gesellschaft­ lichen Verkehr genügt nicht, um die Vorschrift zur An­ wendung zu bringen. (III, 25. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 57—60. Vgl. Bd. 6 S. 387; Bd. 56 S. 275. 19, Verfälschung von LebensNntteln. (NahrMG. §10; LebMG. § 4.) Zur Herstellung einer Schokoladenüberzugmasse wurde nicht, wie das üblich ist, Haselnußöl, sondern Mineralöl verwendet. Haselnußöl hat den Nachteil, daß die Masse mit der Zeit ranzig wird, grau anläuft und einen seifigen Geschmack bekommt; bei Anwendung des Mineralöls tritt das nicht ein. Das freisprechende Urteil des Landgerichts wurde vom Reichsgericht aufgehoben.

eine von ihm eingelegte Berufung sofort zu verwerfen. Aber auch wenn das an sich zulässig wäre, hätte das Weg­ gehen des Vertreters des Finanzamts während der Ver­ handlung die sofortige Verwerfung der Berufung nicht gerechtfertigt. Es ist selbst für die Privatklage bestritten, ob eine Verpflichtung des Klägers oder seines Anwalts zu dauernder Anwesenheit besteht; um so weniger kann das für den Nebenkläger gelten. (I, 22. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 53—57. Vgl. Bd. 7 S. 376; Bd. 60 S. 273; Bd. 61 S. 280.

18. TllbaksteuerzeichLn. Verfälschung. (TabStG. § 66.) Ein Tabakhändler änderte den auf den Steuerbanderolen ausgedruckten Verkaufspreis in der Weise ab, daß er höhere Preise einsetzte; er wollte die Zigarren an Kun­ den verschenken und bei diesen die Vorstellung eines höhe­ ren Wertes des Geschenkes erwecken. Er wurde von der Anklage einer Hinterziehung der Tabaksteuer sreigesprochen; die Revision des Staatsanwalts wurde verworfen. Die vorgenommene Änderung der Banderolen war straf­ bar, wenn sie absichtlich vorgenommen wurde. Die Ab­ sicht, einen höheren Steuerwert vorzutäuschen, wird regelmäßig auf eine vom Täter selbst oder von dritten Personen zu bewirkende Steuerunehrlichkeit hinauslaufen; darum ist die Handlung unter Strafe gestellt. Nach ihrem aus dem Zusammenhang des Gesetzes sich ergebenden Zweck erfordert die Vorschrift ein Jngebrauchnehmen des fälschen Steuerzeichens, durch das dieses in rechtswidriger Ab­ sicht in seiner Eigenschaft als bestimmungsgemäß zu ver­ wendendes Steuerzeichen in den äußeren Rechtsverkehr gebracht wird. Eine Verwendung im bloßen gesellschaft­ lichen Verkehr genügt nicht, um die Vorschrift zur An­ wendung zu bringen. (III, 25. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 57—60. Vgl. Bd. 6 S. 387; Bd. 56 S. 275. 19, Verfälschung von LebensNntteln. (NahrMG. §10; LebMG. § 4.) Zur Herstellung einer Schokoladenüberzugmasse wurde nicht, wie das üblich ist, Haselnußöl, sondern Mineralöl verwendet. Haselnußöl hat den Nachteil, daß die Masse mit der Zeit ranzig wird, grau anläuft und einen seifigen Geschmack bekommt; bei Anwendung des Mineralöls tritt das nicht ein. Das freisprechende Urteil des Landgerichts wurde vom Reichsgericht aufgehoben.

eine von ihm eingelegte Berufung sofort zu verwerfen. Aber auch wenn das an sich zulässig wäre, hätte das Weg­ gehen des Vertreters des Finanzamts während der Ver­ handlung die sofortige Verwerfung der Berufung nicht gerechtfertigt. Es ist selbst für die Privatklage bestritten, ob eine Verpflichtung des Klägers oder seines Anwalts zu dauernder Anwesenheit besteht; um so weniger kann das für den Nebenkläger gelten. (I, 22. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 53—57. Vgl. Bd. 7 S. 376; Bd. 60 S. 273; Bd. 61 S. 280.

18. TllbaksteuerzeichLn. Verfälschung. (TabStG. § 66.) Ein Tabakhändler änderte den auf den Steuerbanderolen ausgedruckten Verkaufspreis in der Weise ab, daß er höhere Preise einsetzte; er wollte die Zigarren an Kun­ den verschenken und bei diesen die Vorstellung eines höhe­ ren Wertes des Geschenkes erwecken. Er wurde von der Anklage einer Hinterziehung der Tabaksteuer sreigesprochen; die Revision des Staatsanwalts wurde verworfen. Die vorgenommene Änderung der Banderolen war straf­ bar, wenn sie absichtlich vorgenommen wurde. Die Ab­ sicht, einen höheren Steuerwert vorzutäuschen, wird regelmäßig auf eine vom Täter selbst oder von dritten Personen zu bewirkende Steuerunehrlichkeit hinauslaufen; darum ist die Handlung unter Strafe gestellt. Nach ihrem aus dem Zusammenhang des Gesetzes sich ergebenden Zweck erfordert die Vorschrift ein Jngebrauchnehmen des fälschen Steuerzeichens, durch das dieses in rechtswidriger Ab­ sicht in seiner Eigenschaft als bestimmungsgemäß zu ver­ wendendes Steuerzeichen in den äußeren Rechtsverkehr gebracht wird. Eine Verwendung im bloßen gesellschaft­ lichen Verkehr genügt nicht, um die Vorschrift zur An­ wendung zu bringen. (III, 25. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 57—60. Vgl. Bd. 6 S. 387; Bd. 56 S. 275. 19, Verfälschung von LebensNntteln. (NahrMG. §10; LebMG. § 4.) Zur Herstellung einer Schokoladenüberzugmasse wurde nicht, wie das üblich ist, Haselnußöl, sondern Mineralöl verwendet. Haselnußöl hat den Nachteil, daß die Masse mit der Zeit ranzig wird, grau anläuft und einen seifigen Geschmack bekommt; bei Anwendung des Mineralöls tritt das nicht ein. Das freisprechende Urteil des Landgerichts wurde vom Reichsgericht aufgehoben.

Da es keine bindenden Vorschriften für die Zusammen­ setzung von Schokoladenüberzugmasse gibt, entscheidet die allgemeine Verkehrsauffassung darüber, von welcher Be­ schaffenheit sie sein muß. Die Verbraucherschaft ist gegen­ über einer bisher nicht üblichen Verwendung von Stoffen zur Bereitung von Nahrungsmitteln meist sehr zurück­ haltend; sie hat insbesondere eine gefühlsmäßige Abnei­ gung gegen Stosse, die nicht in einer bisher üblichen Weise aus Tieren oder Pflanzen gewonnen wird. Bei der breiten Menge, auf deren Auffassung es im Bereich des Nahrungsmittelgesetzes ankommt, ist mit einem Wider­ willen gegen den Gedanken zu rechnen, Mineralöl als Zu­ satz zu Nahrungs- und Genußmitteln in sich ausnehmen zu sollen. Allerdings sind technische Fortschritte erschwert, wenn solchen Gefühlsregungen der Verbraucherschast eine entscheidende Bedeutung beigemessen werden muß; auf dem Gebiete des Lebensmittelverkehrs kann aber diesen Bedenken kein Gewicht beigelegt werden. Dazu kommt, daß die Verwendung von Haselnußöl es hindert, Waren, die damit überzogen sind, allzulange auszubewahren. Wenn durch den Zusatz von Mineralöl erreicht würde, daß der Überzug nicht mehr ranzig würde und grau anliefe, würde dadurch unter Umständen eine Frische des Kerns vorgetäuscht, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Die Sache wurde zurückverwiesen. (I, 26. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 60—64.

20. Vorentscheidung des Reichsfinanzhofs. (RAbgO. §§ 210, 433.) Die Umsatzsteuer eines Geschäfts wurde auf Grund eines im Wege der Schätzung ermittelten Umsatzes von 52000 RM. festgesetzt; der Steuerbescheid wurde rechtskräftig. In der Steuererklärung war nur ein Um­ satz von 41000 RM. angegeben gewesen. Das Landgericht lehnte eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ab mit der Begründung, daß dem Angeklagten ein höherer Umsatz, als in der Steuererklärung angegeben, nicht nach­ gewiesen werden könne. Das war unzulässig; das Land­ gericht hätte vor Erlaß des Urteils die Entscheidung des Reichsfinanzhofes einholen müssen, ob eine Steuerver­ kürzung stattgesunden hatte. Dem stand nicht entgegen, daß gegen den Steuerbescheid, weil er die Höhe der Steuer wegen der mangelhaften Buchführung des An­ geklagten im Wege der Schätzung festgesetzt hatte, eine

Da es keine bindenden Vorschriften für die Zusammen­ setzung von Schokoladenüberzugmasse gibt, entscheidet die allgemeine Verkehrsauffassung darüber, von welcher Be­ schaffenheit sie sein muß. Die Verbraucherschaft ist gegen­ über einer bisher nicht üblichen Verwendung von Stoffen zur Bereitung von Nahrungsmitteln meist sehr zurück­ haltend; sie hat insbesondere eine gefühlsmäßige Abnei­ gung gegen Stosse, die nicht in einer bisher üblichen Weise aus Tieren oder Pflanzen gewonnen wird. Bei der breiten Menge, auf deren Auffassung es im Bereich des Nahrungsmittelgesetzes ankommt, ist mit einem Wider­ willen gegen den Gedanken zu rechnen, Mineralöl als Zu­ satz zu Nahrungs- und Genußmitteln in sich ausnehmen zu sollen. Allerdings sind technische Fortschritte erschwert, wenn solchen Gefühlsregungen der Verbraucherschast eine entscheidende Bedeutung beigemessen werden muß; auf dem Gebiete des Lebensmittelverkehrs kann aber diesen Bedenken kein Gewicht beigelegt werden. Dazu kommt, daß die Verwendung von Haselnußöl es hindert, Waren, die damit überzogen sind, allzulange auszubewahren. Wenn durch den Zusatz von Mineralöl erreicht würde, daß der Überzug nicht mehr ranzig würde und grau anliefe, würde dadurch unter Umständen eine Frische des Kerns vorgetäuscht, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Die Sache wurde zurückverwiesen. (I, 26. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 60—64.

20. Vorentscheidung des Reichsfinanzhofs. (RAbgO. §§ 210, 433.) Die Umsatzsteuer eines Geschäfts wurde auf Grund eines im Wege der Schätzung ermittelten Umsatzes von 52000 RM. festgesetzt; der Steuerbescheid wurde rechtskräftig. In der Steuererklärung war nur ein Um­ satz von 41000 RM. angegeben gewesen. Das Landgericht lehnte eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ab mit der Begründung, daß dem Angeklagten ein höherer Umsatz, als in der Steuererklärung angegeben, nicht nach­ gewiesen werden könne. Das war unzulässig; das Land­ gericht hätte vor Erlaß des Urteils die Entscheidung des Reichsfinanzhofes einholen müssen, ob eine Steuerver­ kürzung stattgesunden hatte. Dem stand nicht entgegen, daß gegen den Steuerbescheid, weil er die Höhe der Steuer wegen der mangelhaften Buchführung des An­ geklagten im Wege der Schätzung festgesetzt hatte, eine

Anrufung des Reichsfinanzhofs im ordentlichen Rechts­ mittelverfahren ausgeschlossen war; die Vorentscheidung erläßt der Reichsfinanzhof nicht als Rechtsmittelbehörde, sondern in der ihm zuerkannten besonderen Eigenschaft einer Behörde zur endgültigen Austragung einer zwischen dem ordentlichen Strafgericht und einem Steuergericht oder einer Steuerbehörde entstandenen Meinungsverschie­ denheit über das Bestehen oder die Verkürzung eines Steueranspruchs. Zulässig wäre die Abweichung von dem Steuerbescheid gewesen, wenn es sich nur um die Höhe der Steuerverkürzung gehandelt hätte, einerlei, ob die Besteuerungsgrundlagen durch die angestellten Ermitte­ lungen festgestellt oder nur geschätzt waren; da bei der Umsatzsteuer die Strafe nicht zwingend von der Höhe der Steuerverkürzung abhängt, sind hier die Gerichte in ihrer Entscheidung auch hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen frei. (II, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 64—66. Vgl. Bd. 59 S. 258; Bd. 61 S. 115; Bd. 52 S. 322.

21. Branntweinmonopol. Hehlerei. Nebenklage. Recht­ licher Zusammenfluß. Gesetzeskonkurrenz. (StGB. § 259; BranntwMonG. §§ 147, 368.) Branntwein, der unter amtlicher Überwachung stand, wurde gestohlen und ver­ kauft. Der Erwerber wurde wegen Hehlerei im rechtlichen Zusammenfluß mit Monopolhehlerei angeklagt, vom Schöffengericht aber nur wegen Monopolhehlerei verur­ teilt. Auf die Berufung des Hauptzollamts wurde der Angeklagte auch der Hehlerei für schuldig befunden, die Verhängung einer Strafe hiewegen aber abgelehnt. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Da die Befugnis des Nebenklägers zur Einlegung der Berufung sich nur auf das Monopolvergehen, nicht auf die damit im rechtlichen Zusammenfluß stehende gemeine Hehlerei erstreckte, hätte eine Verurteilung hiewegen nicht erfolgen können, auch wenn die Berufung zu diesem Zweck eingelegt gewesen wäre. Das Rechtsmittel hatte allerdings die Wirkung, daß die von ihm betroffene Tat uneingeschränkt, ins­ besondere nach allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden konnte; der Feststellung, daß gemeine Hehlerei in rechtlichem Zusammenfluß mit Monopolhehlerei gegeben war, stand also nichts im Wege. Durch die besondere Regelung der Monopolhehlerei wird

Anrufung des Reichsfinanzhofs im ordentlichen Rechts­ mittelverfahren ausgeschlossen war; die Vorentscheidung erläßt der Reichsfinanzhof nicht als Rechtsmittelbehörde, sondern in der ihm zuerkannten besonderen Eigenschaft einer Behörde zur endgültigen Austragung einer zwischen dem ordentlichen Strafgericht und einem Steuergericht oder einer Steuerbehörde entstandenen Meinungsverschie­ denheit über das Bestehen oder die Verkürzung eines Steueranspruchs. Zulässig wäre die Abweichung von dem Steuerbescheid gewesen, wenn es sich nur um die Höhe der Steuerverkürzung gehandelt hätte, einerlei, ob die Besteuerungsgrundlagen durch die angestellten Ermitte­ lungen festgestellt oder nur geschätzt waren; da bei der Umsatzsteuer die Strafe nicht zwingend von der Höhe der Steuerverkürzung abhängt, sind hier die Gerichte in ihrer Entscheidung auch hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen frei. (II, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 64—66. Vgl. Bd. 59 S. 258; Bd. 61 S. 115; Bd. 52 S. 322.

21. Branntweinmonopol. Hehlerei. Nebenklage. Recht­ licher Zusammenfluß. Gesetzeskonkurrenz. (StGB. § 259; BranntwMonG. §§ 147, 368.) Branntwein, der unter amtlicher Überwachung stand, wurde gestohlen und ver­ kauft. Der Erwerber wurde wegen Hehlerei im rechtlichen Zusammenfluß mit Monopolhehlerei angeklagt, vom Schöffengericht aber nur wegen Monopolhehlerei verur­ teilt. Auf die Berufung des Hauptzollamts wurde der Angeklagte auch der Hehlerei für schuldig befunden, die Verhängung einer Strafe hiewegen aber abgelehnt. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Da die Befugnis des Nebenklägers zur Einlegung der Berufung sich nur auf das Monopolvergehen, nicht auf die damit im rechtlichen Zusammenfluß stehende gemeine Hehlerei erstreckte, hätte eine Verurteilung hiewegen nicht erfolgen können, auch wenn die Berufung zu diesem Zweck eingelegt gewesen wäre. Das Rechtsmittel hatte allerdings die Wirkung, daß die von ihm betroffene Tat uneingeschränkt, ins­ besondere nach allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden konnte; der Feststellung, daß gemeine Hehlerei in rechtlichem Zusammenfluß mit Monopolhehlerei gegeben war, stand also nichts im Wege. Durch die besondere Regelung der Monopolhehlerei wird

auch die Annahme eines rechtlichen Zusammenflusses zwi­ schen diesem Vergehen und gemeiner Hehlerei nicht aus­ geschlossen; Branntwein, für den die Monopoleinnahmen hinterzogen sind, braucht nicht mittels einer strafbaren Handlung erlangt zu sein und für den durch eine straf­ bare Handlung erlangten Branntwein brauchen keine Mo­ nopoleinnahmen hinterzogen zu sein. (II, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 66—68. Vgl. Bd. 56 S. 6; Bd. 57 S. 105; Bd. 61 S. 349;. Bd. 62 S. 407. 22. Waffenvergehen. Milderes Strafgesetz. Zeilgesetz. Zurückverweisung. (StGB. § 2; WasfBO. 1919 § 3; SchußwaffG. 1928 §§ 10, 17, 25, 31.) Das Schußwaffen­ gesetz verbietet den Erwerb von Waffen ohne vorherige Erwirkung eines Erwerbscheins, es untersagt den Per­ sonen, denen weder ein Erwerbschein noch ein Waffen­ schein ausgestellt werden darf, den Besitz von Waffen und verpflichtet sie zur Ablieferung der Waffen, die sie be­ sitzen, an die zuständige Behörde; Zuwiderhandlungen sind unter Strafe gestellt, aber unter mildere Strafe, als sie in der Waffenverordnung für den Besitz von Waffen vor­ gesehen war. Die Waffenverordnung war ein Zeitgesetz; das schließt aber nicht aus, daß nach dem Willen des Gesetzgebers auf die während ihrer Gültigkeit begangenen und nachher zur Aburteilung gelangten Verfehlungen die milderen Vorschriften des Schußwaffengesetzes zur An­ wendung kommen. Nach dem Schußwaffengesetz kann unter bestimmten Voraussetzungen die Bestrafung abge­ wendet werden; damit wäre es unvereinbar, daß ein nur nach der Waffenverodnung strafbarer, nach dem Schußwasfengesetz aber straflos gewordener Waffenbesitz gleich­ wohl noch nach dem früheren Gesetz gesühnt werden müßte. Das mildere Gesetz ist demgemäß auch anzuwenden, wenn die Verfehlung sowohl nach dem früheren wie nach dem neuen Gesetz strafbar ist. (III, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 68—71. Vgl. Bd. 50 S. 399; Bd. 55 S. 172; Bd. 56 S. 147: Bd. 61 S. 130. 23. Waffenvergehen. Milderes Gesetz. Zeitgesetz. Zurückverweisung. (StGB. § 2; WaffVO. 1919 § 3; SchußwaffG. 1928 § 34; StPO. § 354.) In einem Straf­ verfahren wegen Mordverdachts, Widerstands, gewerbs-

auch die Annahme eines rechtlichen Zusammenflusses zwi­ schen diesem Vergehen und gemeiner Hehlerei nicht aus­ geschlossen; Branntwein, für den die Monopoleinnahmen hinterzogen sind, braucht nicht mittels einer strafbaren Handlung erlangt zu sein und für den durch eine straf­ bare Handlung erlangten Branntwein brauchen keine Mo­ nopoleinnahmen hinterzogen zu sein. (II, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 66—68. Vgl. Bd. 56 S. 6; Bd. 57 S. 105; Bd. 61 S. 349;. Bd. 62 S. 407. 22. Waffenvergehen. Milderes Strafgesetz. Zeilgesetz. Zurückverweisung. (StGB. § 2; WasfBO. 1919 § 3; SchußwaffG. 1928 §§ 10, 17, 25, 31.) Das Schußwaffen­ gesetz verbietet den Erwerb von Waffen ohne vorherige Erwirkung eines Erwerbscheins, es untersagt den Per­ sonen, denen weder ein Erwerbschein noch ein Waffen­ schein ausgestellt werden darf, den Besitz von Waffen und verpflichtet sie zur Ablieferung der Waffen, die sie be­ sitzen, an die zuständige Behörde; Zuwiderhandlungen sind unter Strafe gestellt, aber unter mildere Strafe, als sie in der Waffenverordnung für den Besitz von Waffen vor­ gesehen war. Die Waffenverordnung war ein Zeitgesetz; das schließt aber nicht aus, daß nach dem Willen des Gesetzgebers auf die während ihrer Gültigkeit begangenen und nachher zur Aburteilung gelangten Verfehlungen die milderen Vorschriften des Schußwaffengesetzes zur An­ wendung kommen. Nach dem Schußwaffengesetz kann unter bestimmten Voraussetzungen die Bestrafung abge­ wendet werden; damit wäre es unvereinbar, daß ein nur nach der Waffenverodnung strafbarer, nach dem Schußwasfengesetz aber straflos gewordener Waffenbesitz gleich­ wohl noch nach dem früheren Gesetz gesühnt werden müßte. Das mildere Gesetz ist demgemäß auch anzuwenden, wenn die Verfehlung sowohl nach dem früheren wie nach dem neuen Gesetz strafbar ist. (III, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 68—71. Vgl. Bd. 50 S. 399; Bd. 55 S. 172; Bd. 56 S. 147: Bd. 61 S. 130. 23. Waffenvergehen. Milderes Gesetz. Zeitgesetz. Zurückverweisung. (StGB. § 2; WaffVO. 1919 § 3; SchußwaffG. 1928 § 34; StPO. § 354.) In einem Straf­ verfahren wegen Mordverdachts, Widerstands, gewerbs-

auch die Annahme eines rechtlichen Zusammenflusses zwi­ schen diesem Vergehen und gemeiner Hehlerei nicht aus­ geschlossen; Branntwein, für den die Monopoleinnahmen hinterzogen sind, braucht nicht mittels einer strafbaren Handlung erlangt zu sein und für den durch eine straf­ bare Handlung erlangten Branntwein brauchen keine Mo­ nopoleinnahmen hinterzogen zu sein. (II, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 66—68. Vgl. Bd. 56 S. 6; Bd. 57 S. 105; Bd. 61 S. 349;. Bd. 62 S. 407. 22. Waffenvergehen. Milderes Strafgesetz. Zeilgesetz. Zurückverweisung. (StGB. § 2; WasfBO. 1919 § 3; SchußwaffG. 1928 §§ 10, 17, 25, 31.) Das Schußwaffen­ gesetz verbietet den Erwerb von Waffen ohne vorherige Erwirkung eines Erwerbscheins, es untersagt den Per­ sonen, denen weder ein Erwerbschein noch ein Waffen­ schein ausgestellt werden darf, den Besitz von Waffen und verpflichtet sie zur Ablieferung der Waffen, die sie be­ sitzen, an die zuständige Behörde; Zuwiderhandlungen sind unter Strafe gestellt, aber unter mildere Strafe, als sie in der Waffenverordnung für den Besitz von Waffen vor­ gesehen war. Die Waffenverordnung war ein Zeitgesetz; das schließt aber nicht aus, daß nach dem Willen des Gesetzgebers auf die während ihrer Gültigkeit begangenen und nachher zur Aburteilung gelangten Verfehlungen die milderen Vorschriften des Schußwaffengesetzes zur An­ wendung kommen. Nach dem Schußwaffengesetz kann unter bestimmten Voraussetzungen die Bestrafung abge­ wendet werden; damit wäre es unvereinbar, daß ein nur nach der Waffenverodnung strafbarer, nach dem Schußwasfengesetz aber straflos gewordener Waffenbesitz gleich­ wohl noch nach dem früheren Gesetz gesühnt werden müßte. Das mildere Gesetz ist demgemäß auch anzuwenden, wenn die Verfehlung sowohl nach dem früheren wie nach dem neuen Gesetz strafbar ist. (III, 28. Februar 1929.) Amtl. Sammlg. S. 68—71. Vgl. Bd. 50 S. 399; Bd. 55 S. 172; Bd. 56 S. 147: Bd. 61 S. 130. 23. Waffenvergehen. Milderes Gesetz. Zeitgesetz. Zurückverweisung. (StGB. § 2; WaffVO. 1919 § 3; SchußwaffG. 1928 § 34; StPO. § 354.) In einem Straf­ verfahren wegen Mordverdachts, Widerstands, gewerbs-

mäßigen Wilderns und verbotenen Besitzes von Schuß­ waffen sprach das Schwurgericht von den ersten Anklagen frei, verurteilte aber wegen gewerbsmäßigen Wilderns und verbotenen Waffenbesitzes. Auf die Revision des An­ geklagten verwies das Reichsgericht die Anklage wegen gewerbsmäßigen Wilderns an das erweiterte Schöffen­ gericht zurück und sprach von der Anklage wegen ver­ botenen Waffenbesitzes frei. Nach dem Schußwaffengesetz von 1928 ist der bloße Besitz von Schußwaffen nicht straf­ bar. Das Schwurgericht hatte den Angeklagten auf Grund der Waffenverordnung von 1919 verurteilt, weil diese als Zeitgesetz für die während ihres Bestehens begangenen Straftaten auch nach ihrer Aufhebung noch anwendbar sei. Das wäre dann richtig gewesen, wenn für die Auf­ hebung der Waffenverordnung die Änderung der außer­ gewöhnlichen Verhältnisse ausschlaggebend gewesen wäre, die zu ihrem Erlaß geführt hatten. Das war nicht der Fall. Dem Gesetzgeber war wohl bekannt, daß ungeachtet der Vorschriften der Waffenverordnung sich noch beträcht­ liche Mengen von Schußwaffen in unbefugtem Besitz be­ fanden; er sah von einer Strafandrohung gegen den bloßen Waffenbesitz nur deshalb ab, weil sich ergeben hatte, daß eine solche Strafandrohung undurchführbar und deshalb zwecklos war. Diese bewußte Abwehr von den grundlegenden Maßnahmen der Waffenverordnung stellte eine veränderte Rechtsauffassung des Gesetzgebers dar. In der Begründung des Schußwasfengesehes wurde darum auch ausdrücklich hervorgehoben, daß Bestrafungen wegen der bisher noch nicht rechtskräftig abgeurteilten Zuwider­ handlungen gegen die Waffenverordnung nur dann noch stattfinden können, wenn sie auch nach dem neuen Gesetz strafbar sind. Hinsichtlich der Zurückverweisung der Sache an das erweiterte Schöffengericht wurde hervorgehoben, daß dies für zulässig erachtet wurde, obwohl bei Ein­ reichung der Anklageschrift ein Antrag auf Zuziehung eines zweiten Amtsrichters nach Lage der Sache gar nicht in Betracht gekommen war. (II, 21. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 71—74. Vgl. Bd. 58 S. 44. 24. öffentliche Urkunde. (StGB. §§ 267, 268.) Ein Beamter eines Versorgungsamtes fertigte eine an eine Geldverleihstelle gerichtete Bescheinigung über seine Ge-

mäßigen Wilderns und verbotenen Besitzes von Schuß­ waffen sprach das Schwurgericht von den ersten Anklagen frei, verurteilte aber wegen gewerbsmäßigen Wilderns und verbotenen Waffenbesitzes. Auf die Revision des An­ geklagten verwies das Reichsgericht die Anklage wegen gewerbsmäßigen Wilderns an das erweiterte Schöffen­ gericht zurück und sprach von der Anklage wegen ver­ botenen Waffenbesitzes frei. Nach dem Schußwaffengesetz von 1928 ist der bloße Besitz von Schußwaffen nicht straf­ bar. Das Schwurgericht hatte den Angeklagten auf Grund der Waffenverordnung von 1919 verurteilt, weil diese als Zeitgesetz für die während ihres Bestehens begangenen Straftaten auch nach ihrer Aufhebung noch anwendbar sei. Das wäre dann richtig gewesen, wenn für die Auf­ hebung der Waffenverordnung die Änderung der außer­ gewöhnlichen Verhältnisse ausschlaggebend gewesen wäre, die zu ihrem Erlaß geführt hatten. Das war nicht der Fall. Dem Gesetzgeber war wohl bekannt, daß ungeachtet der Vorschriften der Waffenverordnung sich noch beträcht­ liche Mengen von Schußwaffen in unbefugtem Besitz be­ fanden; er sah von einer Strafandrohung gegen den bloßen Waffenbesitz nur deshalb ab, weil sich ergeben hatte, daß eine solche Strafandrohung undurchführbar und deshalb zwecklos war. Diese bewußte Abwehr von den grundlegenden Maßnahmen der Waffenverordnung stellte eine veränderte Rechtsauffassung des Gesetzgebers dar. In der Begründung des Schußwasfengesehes wurde darum auch ausdrücklich hervorgehoben, daß Bestrafungen wegen der bisher noch nicht rechtskräftig abgeurteilten Zuwider­ handlungen gegen die Waffenverordnung nur dann noch stattfinden können, wenn sie auch nach dem neuen Gesetz strafbar sind. Hinsichtlich der Zurückverweisung der Sache an das erweiterte Schöffengericht wurde hervorgehoben, daß dies für zulässig erachtet wurde, obwohl bei Ein­ reichung der Anklageschrift ein Antrag auf Zuziehung eines zweiten Amtsrichters nach Lage der Sache gar nicht in Betracht gekommen war. (II, 21. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 71—74. Vgl. Bd. 58 S. 44. 24. öffentliche Urkunde. (StGB. §§ 267, 268.) Ein Beamter eines Versorgungsamtes fertigte eine an eine Geldverleihstelle gerichtete Bescheinigung über seine Ge-

Haltsverhältnisse an, worin er bestätigte, daß gegen ihn kein Gehaltsabzugsverfahren schwebe und daß er die Ge­ haltsüberweisung auf die Bank beantragt habe; der Be­ scheinigung war der Stempelausdruck „Versorgungsamt R-, Abteilung Verwaltung" sowohl im Schreiben als neben der Unterschrift, die gefälscht war, beigefügt. Die Verurteilung wegen schwerer öffentlicher Urkundenfäl­ schung wurde vom Reichsgericht nicht aufrechterhalten. Der Begriff der öffentlichen Urkunde erfordert nicht nur, daß sie von einer öffentlichen Behörde ausgenommen oder ausgestellt ist, sondern auch, daß diese innerhalb der Gren­ zen ihrer Amtsbefugnisse gehandelt hat. Das trifft stets dann zu, wenn die Behörde in dem ihr besonders zuge­ wiesenen, anderen Behörden verschlossenen, engeren Wir­ kungskreis tätig geworden ist; dieses besondere Aufgaben­ gebiet braucht der Behörde nicht durch ausdrückliche Vor­ schrift zugewiesen zu sein, vielmehr genügt, daß es sich um Obliegenheiten handelt, zu deren Erfüllung die Behörde schon ihrem Wesen nach unmittelbar berufen ist. Abge­ sehen hievon fallen in den Pflichtenkreis einer öffenblichen Behörde auch Aufgaben, zu deren Erfüllung sie ohne Rücksicht auf ihr eigentlich es Geschäfts gebiet allgemein kraft ihres Amtes berechtigt und verpflichtet ist. So muß jede Behörde als befugt erachtet werden, über die dienst­ lichen Verhältnisse ihrer Beamten Bescheinigungen mit Beweiskraft für und gegen jedermann auszustellen. Hie­ von verschieden sind dienstliche Bescheide der Behörde an den Beamten oder amtliche Auskünfte an andere Per­ sonen oder Stellen. Solche Mitteilungen sind nur für den bestimmt, an den sie gerichtet sind, aber nicht geeignet, über die in ihnen bezeugten Tatsachen Beweis zum öffent­ lichen Glauben zu erbringen; ihnen kann daher nur die Bedeutung beweiserheblicher Privaturkunden zukommen. Ob die Behörde das eine oder das andere tun will, hängt von den Umständen ab. Will sie eine mit voller Beweis­ kraft nach außen wirkende Bescheinigung ausstellen, so muß sie auch die vorgeschriebene Form oder die für solche Fälle übliche Form wahren; daraus kann auf den Willen der Behörde, eine Tatsache zum öffentlichen Glauben zu bezeugen, geschlossen werden. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 11. März 1929.) Ämtl. Sammlg. S. 74—76.

Vgl. Bd.. 4 S. 246; Bd. 18 S. 76; Bd. 30 S. 118; Bd. 60 S. 152, 209. 25. Strafantrag. (StGB. 88 61, 303; BGB. 88 94, 946.) Eine Firma hatte den Auftrag, an einem Haus eine Fassadenbekleidung in Marmor anzubringen. Bei einem Lohnkampf wurde ein Teil der Platten abgerissen und zerstört. Die Firma steUte Strafantrag. Er wurde als rechtswirksam anerkannt. Wenn auch eine Sachbeschädi­ gung in der Regel den Eigentümer der beschädigten Sache trifft, so kommt doch nicht diesem ausschließlich das Recht zu, Strafantrag zu stellen. So ist dem Mieter, der ein Firmenschild auf die Wand des gemieteten Hauses hat malen lassen, das Antragsrecht bei einer Beschädigung zuerkannt worden, weil er ein persönliches Recht an dem Gebrauch der beschädigten Sache habe und genötigt sei, sie auf seine Kosten wieder herstellen zu lassen. Ebenso ist bei Beschädigung einer geliehenen Sache der Leihbesitzer als unmittelbar betroffen und darum antragsberechtigt angesehen worden. Diese Auffassung muß erst recht da als zutreffend gelten, wo von der Beschädigung der Eigentümer der Sache wirtschaftlich überhaupt nicht ge­ schädigt wird. So ist der Käufer antragsberechtigt, wenn eine Sache, für die er die Bersendungsgefahr trägt, wäh­ rend der Reise beschädigt wird. Entsprechend war der hier gegebene Fall. Bis zur Abnahme der Fassade trug die Firma als Unternehmerin die Gefahr; sie hatte die zer­ schlagenen Platten auf ihre Kosten neu anzubringen. Der Schaden traf also nur sie. Die Tat hatte auch den Zweck, sie zu schädigen und im Lohnkampf zum Nachgeben zu zwingen. (I, 15. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 76-78. Vgl. Bd. 1 S. 306; Bd. 4 S. 326. 26. Sittenwidriqkeit. Gläubigerbegünstigrmg. Irrtum. (KO. 88 239, 241; BGB. 88 134, 138, 262, 315.) Ein Kaufmann ersuchte einen Geschäftsfreund, ihm seine Unterschrift auf einem Wechsel zu geben. Dieser verlangte, daß der Kaufmann, wenn er die Wechsel nicht würde ein­ lösen können, ihm Waren geben solle. Der Kaufmann war einverstanden und führte das Versprechen auch aus. Bald darnach geriet er in Konkurs. Die Verurteilung wegen Gläubigerbegünstigung wurde vom Reichsgericht nicht be­ stätigt. Das Forderungsrecht des Geschäftsfreundes ging

Vgl. Bd.. 4 S. 246; Bd. 18 S. 76; Bd. 30 S. 118; Bd. 60 S. 152, 209. 25. Strafantrag. (StGB. 88 61, 303; BGB. 88 94, 946.) Eine Firma hatte den Auftrag, an einem Haus eine Fassadenbekleidung in Marmor anzubringen. Bei einem Lohnkampf wurde ein Teil der Platten abgerissen und zerstört. Die Firma steUte Strafantrag. Er wurde als rechtswirksam anerkannt. Wenn auch eine Sachbeschädi­ gung in der Regel den Eigentümer der beschädigten Sache trifft, so kommt doch nicht diesem ausschließlich das Recht zu, Strafantrag zu stellen. So ist dem Mieter, der ein Firmenschild auf die Wand des gemieteten Hauses hat malen lassen, das Antragsrecht bei einer Beschädigung zuerkannt worden, weil er ein persönliches Recht an dem Gebrauch der beschädigten Sache habe und genötigt sei, sie auf seine Kosten wieder herstellen zu lassen. Ebenso ist bei Beschädigung einer geliehenen Sache der Leihbesitzer als unmittelbar betroffen und darum antragsberechtigt angesehen worden. Diese Auffassung muß erst recht da als zutreffend gelten, wo von der Beschädigung der Eigentümer der Sache wirtschaftlich überhaupt nicht ge­ schädigt wird. So ist der Käufer antragsberechtigt, wenn eine Sache, für die er die Bersendungsgefahr trägt, wäh­ rend der Reise beschädigt wird. Entsprechend war der hier gegebene Fall. Bis zur Abnahme der Fassade trug die Firma als Unternehmerin die Gefahr; sie hatte die zer­ schlagenen Platten auf ihre Kosten neu anzubringen. Der Schaden traf also nur sie. Die Tat hatte auch den Zweck, sie zu schädigen und im Lohnkampf zum Nachgeben zu zwingen. (I, 15. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 76-78. Vgl. Bd. 1 S. 306; Bd. 4 S. 326. 26. Sittenwidriqkeit. Gläubigerbegünstigrmg. Irrtum. (KO. 88 239, 241; BGB. 88 134, 138, 262, 315.) Ein Kaufmann ersuchte einen Geschäftsfreund, ihm seine Unterschrift auf einem Wechsel zu geben. Dieser verlangte, daß der Kaufmann, wenn er die Wechsel nicht würde ein­ lösen können, ihm Waren geben solle. Der Kaufmann war einverstanden und führte das Versprechen auch aus. Bald darnach geriet er in Konkurs. Die Verurteilung wegen Gläubigerbegünstigung wurde vom Reichsgericht nicht be­ stätigt. Das Forderungsrecht des Geschäftsfreundes ging

Vgl. Bd.. 4 S. 246; Bd. 18 S. 76; Bd. 30 S. 118; Bd. 60 S. 152, 209. 25. Strafantrag. (StGB. 88 61, 303; BGB. 88 94, 946.) Eine Firma hatte den Auftrag, an einem Haus eine Fassadenbekleidung in Marmor anzubringen. Bei einem Lohnkampf wurde ein Teil der Platten abgerissen und zerstört. Die Firma steUte Strafantrag. Er wurde als rechtswirksam anerkannt. Wenn auch eine Sachbeschädi­ gung in der Regel den Eigentümer der beschädigten Sache trifft, so kommt doch nicht diesem ausschließlich das Recht zu, Strafantrag zu stellen. So ist dem Mieter, der ein Firmenschild auf die Wand des gemieteten Hauses hat malen lassen, das Antragsrecht bei einer Beschädigung zuerkannt worden, weil er ein persönliches Recht an dem Gebrauch der beschädigten Sache habe und genötigt sei, sie auf seine Kosten wieder herstellen zu lassen. Ebenso ist bei Beschädigung einer geliehenen Sache der Leihbesitzer als unmittelbar betroffen und darum antragsberechtigt angesehen worden. Diese Auffassung muß erst recht da als zutreffend gelten, wo von der Beschädigung der Eigentümer der Sache wirtschaftlich überhaupt nicht ge­ schädigt wird. So ist der Käufer antragsberechtigt, wenn eine Sache, für die er die Bersendungsgefahr trägt, wäh­ rend der Reise beschädigt wird. Entsprechend war der hier gegebene Fall. Bis zur Abnahme der Fassade trug die Firma als Unternehmerin die Gefahr; sie hatte die zer­ schlagenen Platten auf ihre Kosten neu anzubringen. Der Schaden traf also nur sie. Die Tat hatte auch den Zweck, sie zu schädigen und im Lohnkampf zum Nachgeben zu zwingen. (I, 15. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 76-78. Vgl. Bd. 1 S. 306; Bd. 4 S. 326. 26. Sittenwidriqkeit. Gläubigerbegünstigrmg. Irrtum. (KO. 88 239, 241; BGB. 88 134, 138, 262, 315.) Ein Kaufmann ersuchte einen Geschäftsfreund, ihm seine Unterschrift auf einem Wechsel zu geben. Dieser verlangte, daß der Kaufmann, wenn er die Wechsel nicht würde ein­ lösen können, ihm Waren geben solle. Der Kaufmann war einverstanden und führte das Versprechen auch aus. Bald darnach geriet er in Konkurs. Die Verurteilung wegen Gläubigerbegünstigung wurde vom Reichsgericht nicht be­ stätigt. Das Forderungsrecht des Geschäftsfreundes ging

allerdings nur auf Geld, nicht auf Ware; der Schuldner hatte aber das Recht, bei der Leistung das Geld durch Ware zu ersetzen. Die rechtliche Gültigkeit einer solchen Vereinbarung setzt voraus, daß die Waren als einzelne Stücke oder doch der Gattung nach bezeichnet werden. Eine Ersatzleistung, die der Gläubiger annehmen muß, kann als eine dem Gläubiger in dieser Art geschuldete angesehen werden. In Frage kam aber, ob die Vereinbarung als rechtsgültig angesehen werden konnte. Wurde zu der Zeit, als sie getroffen wurde, schon mit der Möglichkeit des Konkurses des Kaufmanns gerechnet, so ging die Verein­ barung darauf, daß das Schuldverhältnis in einer Weise seine Lösung finden sollte, die dem geschäftlichen An­ stand und der durch die Konkursordnung geregelten an­ teiligen Befriedigung aller Gläubiger zuwiderlief. Eine Abmachung dieser Art mußte als gesetzwidrig und sitten­ widrig und demgemäß als nichtig angesehen werden. Traf das zu, hatte aber der Angeklagte geglaubt, zur Hingabe von Waren verpflichtet oder doch berechtigt zu sein, so kam in Frage, ob er sich auf einen Irrtum dieser Art berufen konnte. (I, 15. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 78—81. Vgl. Bd. 71 S. 89. 27. Verlesbare Niederschriften. Entgällung von Branntwein. (BranntwMonG. §§ 17, 19, 120, 148; RAbgO. § 406; StPO. §§ 188, 254.) In einer Hauptver­ handlung wegen Vergehens gegen das Branntweinmonopolgeseh wurden zollamtliche Niederschriften zur Beweis­ aufnahme über ein Geständnis verlesen. Das war zu­ lässig. Den richterlichen Protokollen sind Niederschriften gleichgestellt, die ein Finanzamt unter Zuziehung eines Schriftführers ausgenommen hat. Die Zollbehörden sind berufen, bei der Verwaltung des Branntweinmonopols und seinem Schutz mitzuwirken; für sie gilt also dasselbe, was für die Finanzämter bestimmt ist. In der Nieder­ schrift war zwar nicht besonders hervorgehoben, daß sie un­ ter Zuziehung eines Schriftführers ausgenommen worden war, doch ergab sich das aus der Zuziehung eines zweiten Beamten, der die Niederschrift anfertigte. Zu entscheiden war die Frage, ob in der Entgällung von vergälltem Branntwein schon eine Verwendung zu erblicken ist. Sie

allerdings nur auf Geld, nicht auf Ware; der Schuldner hatte aber das Recht, bei der Leistung das Geld durch Ware zu ersetzen. Die rechtliche Gültigkeit einer solchen Vereinbarung setzt voraus, daß die Waren als einzelne Stücke oder doch der Gattung nach bezeichnet werden. Eine Ersatzleistung, die der Gläubiger annehmen muß, kann als eine dem Gläubiger in dieser Art geschuldete angesehen werden. In Frage kam aber, ob die Vereinbarung als rechtsgültig angesehen werden konnte. Wurde zu der Zeit, als sie getroffen wurde, schon mit der Möglichkeit des Konkurses des Kaufmanns gerechnet, so ging die Verein­ barung darauf, daß das Schuldverhältnis in einer Weise seine Lösung finden sollte, die dem geschäftlichen An­ stand und der durch die Konkursordnung geregelten an­ teiligen Befriedigung aller Gläubiger zuwiderlief. Eine Abmachung dieser Art mußte als gesetzwidrig und sitten­ widrig und demgemäß als nichtig angesehen werden. Traf das zu, hatte aber der Angeklagte geglaubt, zur Hingabe von Waren verpflichtet oder doch berechtigt zu sein, so kam in Frage, ob er sich auf einen Irrtum dieser Art berufen konnte. (I, 15. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 78—81. Vgl. Bd. 71 S. 89. 27. Verlesbare Niederschriften. Entgällung von Branntwein. (BranntwMonG. §§ 17, 19, 120, 148; RAbgO. § 406; StPO. §§ 188, 254.) In einer Hauptver­ handlung wegen Vergehens gegen das Branntweinmonopolgeseh wurden zollamtliche Niederschriften zur Beweis­ aufnahme über ein Geständnis verlesen. Das war zu­ lässig. Den richterlichen Protokollen sind Niederschriften gleichgestellt, die ein Finanzamt unter Zuziehung eines Schriftführers ausgenommen hat. Die Zollbehörden sind berufen, bei der Verwaltung des Branntweinmonopols und seinem Schutz mitzuwirken; für sie gilt also dasselbe, was für die Finanzämter bestimmt ist. In der Nieder­ schrift war zwar nicht besonders hervorgehoben, daß sie un­ ter Zuziehung eines Schriftführers ausgenommen worden war, doch ergab sich das aus der Zuziehung eines zweiten Beamten, der die Niederschrift anfertigte. Zu entscheiden war die Frage, ob in der Entgällung von vergälltem Branntwein schon eine Verwendung zu erblicken ist. Sie

wurde verneint; die Entgällung ist höchstens ein Mittel für die künftige Verwendung. (II, 7. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 81—84. Vgl. Bd. 62 S. 175. 28. Beglaubigungsvermerk. Urkundenfälschung. Fäl­ schung von Legitimationspapieren. (StGB. §§ 267, 363.) Ein Büroangestellter, der bei einer Polizeidirektion be­ schäftigt war, fertigte dort eine Abschrift seines Militär­ passes und versah sie mit dem üblichen, die Richtigkeit bestätigenden Vermerk. Er unterschrieb den Vermerk mit dem Namen des zuständigen Beamten und fügte dessen Amtsbezeichnung und den Dienststempel bei. Das Schrift­ stück legte er seiner Behörde vor. Das Schöffengericht sah die Handlung als Fälschung von Legitimationspapieren an und stellte das Verfahren wegen Verjährung ein. Das Landgericht verurteilte wegen Urkundenfälschung. Die Re­ vision wurde verworfen. Gefälscht war nicht der Paß, son­ dern nur der Beglaubigungsvermerk; dieser gehört nicht zu den Urkunden, deren Fälschung im § 363 StGB, ge­ regelt ist. (III, 11. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 84-85. 29. Behandlung von Geschlechtskrankheiten. (Geschl.KrankhG. § 7.) Eine Frau wandte sich wegen Unter­ leib sbeschwerden an einen Naturheilkundigen. Dieser er­ klärte auf Grund seiner Untersuchung, daß sie an einem Blutwulst leide, den er wegbekommen werde; er verschrieb ihr harmlose homöopathische Mittel. In Wirklichkeit war die Frau schwanger. Die Verurteilung wegen Verfehlung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrank­ heiten, das die Behandlung von Geschlechtskrankheiten oder Krankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane nur approbierten Ärzten gestattet, wurde vom Reichsgericht bestätigt. Das Schwurgericht hatte eine solche Behandlung darin gefunden, daß der Angeklagte der Frau Mittel ver­ ordnet hatte, um die Schwangerschaftsschmerzen zu lin­ dern. Die Annahme, daß die Schwangerschaft eine Krank­ heit oder ein Leiden der Geschlechtsorgane ist, bezeichnete das Reichsgericht als rechtsirrig; auch wenn damit Schmerzen verbunden sind, ist die Schwangerschaft ein natürlicher Vorgang. Der Begriff der Behandlung war schon dadurch erfüllt, daß der Angeklagte die Frau unter­ suchte und eine Heilbehandlung in Aussicht nahm. Der

wurde verneint; die Entgällung ist höchstens ein Mittel für die künftige Verwendung. (II, 7. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 81—84. Vgl. Bd. 62 S. 175. 28. Beglaubigungsvermerk. Urkundenfälschung. Fäl­ schung von Legitimationspapieren. (StGB. §§ 267, 363.) Ein Büroangestellter, der bei einer Polizeidirektion be­ schäftigt war, fertigte dort eine Abschrift seines Militär­ passes und versah sie mit dem üblichen, die Richtigkeit bestätigenden Vermerk. Er unterschrieb den Vermerk mit dem Namen des zuständigen Beamten und fügte dessen Amtsbezeichnung und den Dienststempel bei. Das Schrift­ stück legte er seiner Behörde vor. Das Schöffengericht sah die Handlung als Fälschung von Legitimationspapieren an und stellte das Verfahren wegen Verjährung ein. Das Landgericht verurteilte wegen Urkundenfälschung. Die Re­ vision wurde verworfen. Gefälscht war nicht der Paß, son­ dern nur der Beglaubigungsvermerk; dieser gehört nicht zu den Urkunden, deren Fälschung im § 363 StGB, ge­ regelt ist. (III, 11. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 84-85. 29. Behandlung von Geschlechtskrankheiten. (Geschl.KrankhG. § 7.) Eine Frau wandte sich wegen Unter­ leib sbeschwerden an einen Naturheilkundigen. Dieser er­ klärte auf Grund seiner Untersuchung, daß sie an einem Blutwulst leide, den er wegbekommen werde; er verschrieb ihr harmlose homöopathische Mittel. In Wirklichkeit war die Frau schwanger. Die Verurteilung wegen Verfehlung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrank­ heiten, das die Behandlung von Geschlechtskrankheiten oder Krankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane nur approbierten Ärzten gestattet, wurde vom Reichsgericht bestätigt. Das Schwurgericht hatte eine solche Behandlung darin gefunden, daß der Angeklagte der Frau Mittel ver­ ordnet hatte, um die Schwangerschaftsschmerzen zu lin­ dern. Die Annahme, daß die Schwangerschaft eine Krank­ heit oder ein Leiden der Geschlechtsorgane ist, bezeichnete das Reichsgericht als rechtsirrig; auch wenn damit Schmerzen verbunden sind, ist die Schwangerschaft ein natürlicher Vorgang. Der Begriff der Behandlung war schon dadurch erfüllt, daß der Angeklagte die Frau unter­ suchte und eine Heilbehandlung in Aussicht nahm. Der

wurde verneint; die Entgällung ist höchstens ein Mittel für die künftige Verwendung. (II, 7. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 81—84. Vgl. Bd. 62 S. 175. 28. Beglaubigungsvermerk. Urkundenfälschung. Fäl­ schung von Legitimationspapieren. (StGB. §§ 267, 363.) Ein Büroangestellter, der bei einer Polizeidirektion be­ schäftigt war, fertigte dort eine Abschrift seines Militär­ passes und versah sie mit dem üblichen, die Richtigkeit bestätigenden Vermerk. Er unterschrieb den Vermerk mit dem Namen des zuständigen Beamten und fügte dessen Amtsbezeichnung und den Dienststempel bei. Das Schrift­ stück legte er seiner Behörde vor. Das Schöffengericht sah die Handlung als Fälschung von Legitimationspapieren an und stellte das Verfahren wegen Verjährung ein. Das Landgericht verurteilte wegen Urkundenfälschung. Die Re­ vision wurde verworfen. Gefälscht war nicht der Paß, son­ dern nur der Beglaubigungsvermerk; dieser gehört nicht zu den Urkunden, deren Fälschung im § 363 StGB, ge­ regelt ist. (III, 11. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 84-85. 29. Behandlung von Geschlechtskrankheiten. (Geschl.KrankhG. § 7.) Eine Frau wandte sich wegen Unter­ leib sbeschwerden an einen Naturheilkundigen. Dieser er­ klärte auf Grund seiner Untersuchung, daß sie an einem Blutwulst leide, den er wegbekommen werde; er verschrieb ihr harmlose homöopathische Mittel. In Wirklichkeit war die Frau schwanger. Die Verurteilung wegen Verfehlung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrank­ heiten, das die Behandlung von Geschlechtskrankheiten oder Krankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane nur approbierten Ärzten gestattet, wurde vom Reichsgericht bestätigt. Das Schwurgericht hatte eine solche Behandlung darin gefunden, daß der Angeklagte der Frau Mittel ver­ ordnet hatte, um die Schwangerschaftsschmerzen zu lin­ dern. Die Annahme, daß die Schwangerschaft eine Krank­ heit oder ein Leiden der Geschlechtsorgane ist, bezeichnete das Reichsgericht als rechtsirrig; auch wenn damit Schmerzen verbunden sind, ist die Schwangerschaft ein natürlicher Vorgang. Der Begriff der Behandlung war schon dadurch erfüllt, daß der Angeklagte die Frau unter­ suchte und eine Heilbehandlung in Aussicht nahm. Der

Gesetzgeber will mit bent Verbot die Gefahren bekämpfen, die der Volksgesundheit durch die Verbreitung der Ge­ schlechtskrankheiten drohen; dieser Zweck würde nur un­ vollkommen erreicht werden, wenn die auf Heilbehandlung gerichtete Untersuchung durch nichtapprobierte Behandler von der Bestrafung ausgeschlossen wäre. (II, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 85—88. 30. Kuppelei. Zuhälterei. Ausbeulung. (StGB. §§ 180,

181a.) Ein Mann gewährte zwei Dirnen längere Zeit in seiner aus einem großen Kellerraum bestehenden Woh­ nung Unterkunft und Verpflegung für je 6 RM. täglich. Er wurde wegen Kuppelei und Zuhälterei verurteilt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Die Verurteilung wegen Kuppelei war unbedenklich, da der Angeklagte durch die unangemessen hohe Miete, die er sich für die Gewährung der Wohnung zum Betrieb der Unzucht geben ließ, den unsittlichen Erwerb der Dirnen ausbeutete. Die Zu­ hälterei hatte das Landgericht darin gefunden, daß der Angeklagte seinen Lebensunterhalt aus den Vergütungen bestritt, die er von den Dirnen bekam. Das genügte nicht zur Erfüllung des Tatbestandes der ausbeuterischen Zu­ hälterei. Als Zuhälter ist ein Mann anzusehen, der zu einer der gewerbsmäßigen Unzucht ergebenen Person in einem auf eine gewisse Dauer berechneten Verhältnis steht und entweder seine persönliche Beziehung zu der Dirne ausnützt, um an dem Ertrag ihres unsittlichen Gewerbes beteiligt zu sein, oder doch gewohnheitsmäßig aus Grund seiner persönlichen Beziehungen den Unzuchtsbetrieb der Dirne fördert. Sonst würde jeder Mann, der an Dirnen Zimmer zu einem übermäßigen Preis vermietet, auch wenn er sich sonst nicht um sie kümmerte, als Zuhälter zu strafen sein, während eine Frau, die unter den gleichen Umständen Zimmer vermietete, nur den milderen Vor­ schriften über Kuppelei unterläge. (II, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 88—91. Vgl. Bd. 34 S. 72; Bd. 35 S. 56; Bd. 39 S. 29. 31. üble Nachrede. Wahrnehmung berechtigter In­ teressen. Presse. (StGB. §§ 186, 193.) In einer Zeitung

war über ein Wohnungsamt behauptet, dort herrsche eine Sau-Wirtschaft, unter amtlicher Aufsicht finde dort ein Verkauf von Berechtigungsscheinen statt. Das Landgericht stellte -fest, daß die Behauptungen nicht nur unwahr.

Gesetzgeber will mit bent Verbot die Gefahren bekämpfen, die der Volksgesundheit durch die Verbreitung der Ge­ schlechtskrankheiten drohen; dieser Zweck würde nur un­ vollkommen erreicht werden, wenn die auf Heilbehandlung gerichtete Untersuchung durch nichtapprobierte Behandler von der Bestrafung ausgeschlossen wäre. (II, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 85—88. 30. Kuppelei. Zuhälterei. Ausbeulung. (StGB. §§ 180,

181a.) Ein Mann gewährte zwei Dirnen längere Zeit in seiner aus einem großen Kellerraum bestehenden Woh­ nung Unterkunft und Verpflegung für je 6 RM. täglich. Er wurde wegen Kuppelei und Zuhälterei verurteilt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Die Verurteilung wegen Kuppelei war unbedenklich, da der Angeklagte durch die unangemessen hohe Miete, die er sich für die Gewährung der Wohnung zum Betrieb der Unzucht geben ließ, den unsittlichen Erwerb der Dirnen ausbeutete. Die Zu­ hälterei hatte das Landgericht darin gefunden, daß der Angeklagte seinen Lebensunterhalt aus den Vergütungen bestritt, die er von den Dirnen bekam. Das genügte nicht zur Erfüllung des Tatbestandes der ausbeuterischen Zu­ hälterei. Als Zuhälter ist ein Mann anzusehen, der zu einer der gewerbsmäßigen Unzucht ergebenen Person in einem auf eine gewisse Dauer berechneten Verhältnis steht und entweder seine persönliche Beziehung zu der Dirne ausnützt, um an dem Ertrag ihres unsittlichen Gewerbes beteiligt zu sein, oder doch gewohnheitsmäßig aus Grund seiner persönlichen Beziehungen den Unzuchtsbetrieb der Dirne fördert. Sonst würde jeder Mann, der an Dirnen Zimmer zu einem übermäßigen Preis vermietet, auch wenn er sich sonst nicht um sie kümmerte, als Zuhälter zu strafen sein, während eine Frau, die unter den gleichen Umständen Zimmer vermietete, nur den milderen Vor­ schriften über Kuppelei unterläge. (II, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 88—91. Vgl. Bd. 34 S. 72; Bd. 35 S. 56; Bd. 39 S. 29. 31. üble Nachrede. Wahrnehmung berechtigter In­ teressen. Presse. (StGB. §§ 186, 193.) In einer Zeitung

war über ein Wohnungsamt behauptet, dort herrsche eine Sau-Wirtschaft, unter amtlicher Aufsicht finde dort ein Verkauf von Berechtigungsscheinen statt. Das Landgericht stellte -fest, daß die Behauptungen nicht nur unwahr.

Gesetzgeber will mit bent Verbot die Gefahren bekämpfen, die der Volksgesundheit durch die Verbreitung der Ge­ schlechtskrankheiten drohen; dieser Zweck würde nur un­ vollkommen erreicht werden, wenn die auf Heilbehandlung gerichtete Untersuchung durch nichtapprobierte Behandler von der Bestrafung ausgeschlossen wäre. (II, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 85—88. 30. Kuppelei. Zuhälterei. Ausbeulung. (StGB. §§ 180,

181a.) Ein Mann gewährte zwei Dirnen längere Zeit in seiner aus einem großen Kellerraum bestehenden Woh­ nung Unterkunft und Verpflegung für je 6 RM. täglich. Er wurde wegen Kuppelei und Zuhälterei verurteilt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Die Verurteilung wegen Kuppelei war unbedenklich, da der Angeklagte durch die unangemessen hohe Miete, die er sich für die Gewährung der Wohnung zum Betrieb der Unzucht geben ließ, den unsittlichen Erwerb der Dirnen ausbeutete. Die Zu­ hälterei hatte das Landgericht darin gefunden, daß der Angeklagte seinen Lebensunterhalt aus den Vergütungen bestritt, die er von den Dirnen bekam. Das genügte nicht zur Erfüllung des Tatbestandes der ausbeuterischen Zu­ hälterei. Als Zuhälter ist ein Mann anzusehen, der zu einer der gewerbsmäßigen Unzucht ergebenen Person in einem auf eine gewisse Dauer berechneten Verhältnis steht und entweder seine persönliche Beziehung zu der Dirne ausnützt, um an dem Ertrag ihres unsittlichen Gewerbes beteiligt zu sein, oder doch gewohnheitsmäßig aus Grund seiner persönlichen Beziehungen den Unzuchtsbetrieb der Dirne fördert. Sonst würde jeder Mann, der an Dirnen Zimmer zu einem übermäßigen Preis vermietet, auch wenn er sich sonst nicht um sie kümmerte, als Zuhälter zu strafen sein, während eine Frau, die unter den gleichen Umständen Zimmer vermietete, nur den milderen Vor­ schriften über Kuppelei unterläge. (II, 14. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 88—91. Vgl. Bd. 34 S. 72; Bd. 35 S. 56; Bd. 39 S. 29. 31. üble Nachrede. Wahrnehmung berechtigter In­ teressen. Presse. (StGB. §§ 186, 193.) In einer Zeitung

war über ein Wohnungsamt behauptet, dort herrsche eine Sau-Wirtschaft, unter amtlicher Aufsicht finde dort ein Verkauf von Berechtigungsscheinen statt. Das Landgericht stellte -fest, daß die Behauptungen nicht nur unwahr.

sondern vollkommen aus der Lust gegriffen und in leicht­ fertigster Weise aufgestellt waren; es versagte darum auch den Schutz des § 193 StGB. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Der Angeklagte hatte eigene Belange in der Sache nicht zu wahren; ein besonderes Recht des Schrift­ leiters einer Zeitung zur Wahrnehmung stemder oder zur Erörterung öffentlicher Angelegenheiten besteht nicht. Es war ihm allerdings ein Fall mitgeteilt worden, der Grund zu der Annahme gab, daß ein bezahlter Wohnungsver­ mittler beim Wohnungsamt rascher als andere Personen zum Ziele komme. Ob der Angeklagte, wenn dieser Fall ihn selbst betroffen hätte, berechtigt gewesen wäre, das in geeigneter Weise öffentlich zur Sprache zu bringen, blieb dahingestellt; er hatte sich nicht begnügt, den verrneintrlichen Mißstand zu rügen, sondern weit darüber hinaus­ gehend die schwersten Vorwürfe gegen das Wohnungsamt und dessen Leiter aufgestellt, ohne sich über die wirkliche Sachlage irgendwie zu erkundigen. Eine Jnteressenwahrung als berechtigt anzuerkennen ist in der Regel nicht nur dann ausgeschlossen, wenn sie durch das Vorbringen von wissentlich unwahren, ehrenkränkenden Behauptungen unternommen wird, sondern namentlich auch dann, wenn jemand zur Wahrung der eigenen Interessen den Anforde­ rungen von Recht und Sittlichkeit zuwider leichtfertig, nur auf haltlose Vermutungen hin, durch die Behauptung un­ wahrer Tatsachen die Ehre eines anderen gröblich antastet. Auch der Umstand, daß die Behauptung öffentlich ver­ breitet wurde, wirkte in der gleichen Richtung. So wenig einer Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Presse entgegenzutreten ist, so liegt doch auf der Hand, daß einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften be­ gangenen Beleidigung eine besondere Tragweite und eine besonders starke ehrenkränkende Wirkung beizumefsen ist. (II, 21. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 92-94. Vgl. Bd.56 S. 380; Bd.58 S. 39; Bd.59 S. 414; Bd. 62 S. 83, 92. 32. Lohnsteuerhinterziehung. Betriebsabgabe. Steuer­ unehrlichkeit. Ordnungsstrafe. (RAbgO. 88 1, 84, 87, 90,

359, 367, 377, 384, 435; BetrStG. Art. I §§ 22, 23, Art. IV § 6; 2. StNVO. Art. I §§ 16, 27, Art. XIX § 2; 3. StNVO. Art. VIII §§ 56, 57.) Der Geschäftsführer einer G.m.b.H. wurde angeklagt, die für ihn selbst und die

sondern vollkommen aus der Lust gegriffen und in leicht­ fertigster Weise aufgestellt waren; es versagte darum auch den Schutz des § 193 StGB. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Der Angeklagte hatte eigene Belange in der Sache nicht zu wahren; ein besonderes Recht des Schrift­ leiters einer Zeitung zur Wahrnehmung stemder oder zur Erörterung öffentlicher Angelegenheiten besteht nicht. Es war ihm allerdings ein Fall mitgeteilt worden, der Grund zu der Annahme gab, daß ein bezahlter Wohnungsver­ mittler beim Wohnungsamt rascher als andere Personen zum Ziele komme. Ob der Angeklagte, wenn dieser Fall ihn selbst betroffen hätte, berechtigt gewesen wäre, das in geeigneter Weise öffentlich zur Sprache zu bringen, blieb dahingestellt; er hatte sich nicht begnügt, den verrneintrlichen Mißstand zu rügen, sondern weit darüber hinaus­ gehend die schwersten Vorwürfe gegen das Wohnungsamt und dessen Leiter aufgestellt, ohne sich über die wirkliche Sachlage irgendwie zu erkundigen. Eine Jnteressenwahrung als berechtigt anzuerkennen ist in der Regel nicht nur dann ausgeschlossen, wenn sie durch das Vorbringen von wissentlich unwahren, ehrenkränkenden Behauptungen unternommen wird, sondern namentlich auch dann, wenn jemand zur Wahrung der eigenen Interessen den Anforde­ rungen von Recht und Sittlichkeit zuwider leichtfertig, nur auf haltlose Vermutungen hin, durch die Behauptung un­ wahrer Tatsachen die Ehre eines anderen gröblich antastet. Auch der Umstand, daß die Behauptung öffentlich ver­ breitet wurde, wirkte in der gleichen Richtung. So wenig einer Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Presse entgegenzutreten ist, so liegt doch auf der Hand, daß einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften be­ gangenen Beleidigung eine besondere Tragweite und eine besonders starke ehrenkränkende Wirkung beizumefsen ist. (II, 21. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 92-94. Vgl. Bd.56 S. 380; Bd.58 S. 39; Bd.59 S. 414; Bd. 62 S. 83, 92. 32. Lohnsteuerhinterziehung. Betriebsabgabe. Steuer­ unehrlichkeit. Ordnungsstrafe. (RAbgO. 88 1, 84, 87, 90,

359, 367, 377, 384, 435; BetrStG. Art. I §§ 22, 23, Art. IV § 6; 2. StNVO. Art. I §§ 16, 27, Art. XIX § 2; 3. StNVO. Art. VIII §§ 56, 57.) Der Geschäftsführer einer G.m.b.H. wurde angeklagt, die für ihn selbst und die

Angestellten der Gesellschaft zu entrichtende Lohnsteuer und die Betriebsabgabe hinterzogen zu haben. Das Land­ gericht nahm mit Rücksicht darauf, daß sich die Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten befand, und die Steuer nicht ohne Gefährdung ihres Bestandes zahlen konnte, weder eine vorsätzliche noch eine fahrlässige Steuerverkürzung an und sprach nur eine Ordnungsstrafe nach RAbgO. § 377 aus, weil der Angeklagte seiner Verpflichtung zur Zahlung der Steuer drei Vierteljahre lang nicht nachge­ kommen war, ohne um Stundung zu ersuchen. Die Re­ vision des Finanzamtes führte zur Zurückverweisung. Zu­ widerhandlungen gegen das Gesetz über die Besteuerung der Betriebe unterliegen nicht den Strafbestimmungen der Reichsabgabenordnung, sondern den hievon abweichenden eigenen Strafvorschriften des Gesetzes. Daran hat die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Steuerstrafrechts durch die 3. StNBO. nichts geändert, denn das Gesetz über die Besteuerung der Betriebe war mit Wirkung vom 1. Januar 1924 an schon aufgehoben, als die 3. StNBO. erging. In dem Gesetz über die Besteuerung der Betriebe ist aber eine Ordnungsstrafe nicht vorgesehen. Hinsicht­ lich der Lohnsteuer war zu unterscheiden zwischen den eigenen Bezügen des Angeklagten und jenen der Ange­ stellten. Bei den eigenen Bezügen war zu prüfen, ob sie als Arbeitslohn im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu gelten hatten oder ob ihm nur ein als Einkommen aus Kapitalvermögen zu versteuernder Anteil am Reingewinn der Gesellschaft zustand. Als Geschäftsführer der Gesell­ schaft hatte der Angeklagte auch für die Erfüllung der Steuerpflichten zu sorgen, die der Gesellschaft als Auftrag­ geberin hinsichtlich des Steuerabzugs vom Arbeitslohn der Angestellten oblagen. Dieser Verpflichtung kam er insoferne nach, als er die entsprechenden Beträge in Abzug brachte; dagegen unterblieb ihre rechtzeitige Abführung an das Finanzamt. Der Arbeitgeber ist kraft Gesetzes berechtigt und verpflichtet, den Steuerabzug vom Arbeits­ lohn einzubehalten und ihn an das Reich abzuführen. In der Höhe der Abzüge wird der Arbeitnehmer von seiner Steuerschuld befreit; seine Verpflichtung zur Zahlung der Einkommensteuer vom Arbeitslohn geht insoweit auf den Arbeitgeber über, der dafür haftbar ist, daß die einbehal­ tenen Beträge vorschriftsmäßig verwendet werden. Der

Angeklagte mußte deshalb Vorsorge treffen, daß zur Be­ zahlung der für die Finanzverwaltung erhobenen Steuer ausreichende Mittel zurückbehalten und zur Zahlung der Steuern verwendet wurden. Daß er dazu bei pflichtge­ mäßer Sorgfalt nicht in der Lage gewesen wäre, war im Urteil nicht ausreichend begründet; die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung oder Steuergefährdung war nicht ausgeschlossen. Das Unterbleiben der rechtzeitigen Ab­ führung der einbehaltenen Lohnsteuerbeträge hatte eine Steuerverkürzung zur Folge; es konnte sich daher nur fragen, ob der Angeklagte diese Steuerverkürzung vorsätz­ lich und zu seinem oder seiner Gesellschaft Vorteil oder fahrlässig bewirkt hatte. Hierfür genügt nicht, daß die rechtzeitige Entrichtung unterlassen wird, vielmehr muß eine für diesen Erfolg ursächliche Steuerunehrlichkeit, ins­ besondere ein Verschweigen der Steuerpflicht oder, soweit eine bloße Steuergefährdung in Betracht kommt, ein Han­ deln oder Unterlassen hinzutreten, durch das die Steuer­ behörde über das Bestehen oder die Höhe der Steuerschuld in Unkenntnis gehalten wird. Diese Voraussetzungen kön­ nen sich je nach Lage der Sache auch aus den Umständen ergeben, unter denen die Steuerentrichtung unterlassen wird. Da sowohl die Zahl der Arbeitnehmer wie auch die Höhe der Entlohnung vielfach wechselt, wird die Steuer­ behörde oft nicht in der Lage sein, aus -en vorhergegan­ genen Lohnsteuerzahlungen mit Sicherheit die Höhe der weiter fällig werdenden Zahlungen zu entnehmen. Es ent­ spricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, daß dem Arbeitgeber, der den einbehaltenen Steuerabzug vom Arbeitslohn rechtzeitig abzuführen unterläßt, eine Verletzung seiner steuerrechtlichen Eröffnungspflicht zur Last fällt, wenn er nicht auf andere Weise, insbesondere durch ein Stundungsgesuch, dem Finanzamt von seiner Steuerschuld Kenntnis gibt. Es hätte also geprüft werden müssen, ob der Angeklagte bei der ohne irgendwelche Auf­ klärung des Finanzamts unterlassenen Abführung der ein­ behaltenen Lohnsteuerbeträge damit gerechnet hatte oder damit rechnen konnte, daß hierdurch über seine Steuer­ pflicht oder deren Höhe beim Finanzamt eine Unklarheit entstehen und infolgedessen die alsbaldige Beitreibung der jeweils fällig werdenden Steuerbeträge unterbleiben werde. Dabei wäre allerdings zu berücksichtigen gewesen, RGE. Strafsachen Dd. 63

3

daß wenigstens eine vorsätzlich bewirkte Steuerverkürzung immerhin ausgeschlossen sein konnte, wenn der Angeklagte angenommen und sich darauf verlassen hätte, daß seine Steuerpflicht dem Finanzamt bekannt und daß in dem Unterbleiben weiterer Maßnahmen eine stillschweigende Stundung der fällig gewordenen Beträge zu erblicken sei. Zu beanstanden war schließlich auch, daß das Landgericht die Festsetzung einer Freiheitsstrafe abgelehnt hatte, die im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle zu treten hatte; nur im Strafbescheid des Finanz­ amts ist eine solche Festsetzung unzulässig. (II, 21. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 95—101. Vgl. Bd.58 S. 417; Bd. 61 S. 81, 186, 259. 33. Mittäterschaft. Mittelbare Täterschaft. Vorsatz. Schuldausschlietzungsgründe. Irrtum. Raubmord. (StGB. i§§ 47, 51, 211, 249, 251.) Zwei Männer vereinbarten, einen dritten zu töten und zu berauben. Der eine von ihnen begab sich in dessen Geschäftslokal und führte dort die Tötung aus; der andere stand indessen außen Wache. Alsdann nahmen sie gemeinsam das im Geschäftslokal auf­ bewahrte Geld weg. Der eine Täter, der die Tötung aus­ geführt hatte, wurde als nicht zurechnungsfähig erkannt und außer Verfolgung gesetzt. Der andere wurde wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub verurteilt. Seine Revision blieb ohne Erfolg. Wäre der erste Täter zurechnungsfähig gewesen, so wäre Mittäterschaft gegeben ?gewesen. Zur Annahme von Mittäterschaft ist nur erorderlich, daß jemand irgendwie zur Verwirklichung des äußeren Tatbestandes einer strafbaren Handlung beige­ tragen hat mit dem Vorsatz, eine als eigene gewollte Tat zugleich als die Tat eines anderen, des Mittäters, zur Vollendung zu bringen. Der Mittätervorsatz ist aber nur dann gegeben, wenn nicht lediglich die Unterstützung einer fremden Tat, also die Herbeiführung eines verbotenen Erfolges gewollt ist, den nur der andere als eigenen er­ zielen will und soll; die Verwirklichung dieses Erfolges muß vielmehr das gemeinsame Ziel sein, das im Verein mit dem anderen und mit vereinten Kräften erreicht wer­ den soll. Liegt diese Voraussetzung vor, so kommt es auf das Maß der Mitwirkung zur Vollendung der gemein­ samen Tat nicht an; ausreichend ist selbst die geringste Mitwirkung zu ihrer Ausführung, sogar eine solche, die für

daß wenigstens eine vorsätzlich bewirkte Steuerverkürzung immerhin ausgeschlossen sein konnte, wenn der Angeklagte angenommen und sich darauf verlassen hätte, daß seine Steuerpflicht dem Finanzamt bekannt und daß in dem Unterbleiben weiterer Maßnahmen eine stillschweigende Stundung der fällig gewordenen Beträge zu erblicken sei. Zu beanstanden war schließlich auch, daß das Landgericht die Festsetzung einer Freiheitsstrafe abgelehnt hatte, die im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle zu treten hatte; nur im Strafbescheid des Finanz­ amts ist eine solche Festsetzung unzulässig. (II, 21. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 95—101. Vgl. Bd.58 S. 417; Bd. 61 S. 81, 186, 259. 33. Mittäterschaft. Mittelbare Täterschaft. Vorsatz. Schuldausschlietzungsgründe. Irrtum. Raubmord. (StGB. i§§ 47, 51, 211, 249, 251.) Zwei Männer vereinbarten, einen dritten zu töten und zu berauben. Der eine von ihnen begab sich in dessen Geschäftslokal und führte dort die Tötung aus; der andere stand indessen außen Wache. Alsdann nahmen sie gemeinsam das im Geschäftslokal auf­ bewahrte Geld weg. Der eine Täter, der die Tötung aus­ geführt hatte, wurde als nicht zurechnungsfähig erkannt und außer Verfolgung gesetzt. Der andere wurde wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub verurteilt. Seine Revision blieb ohne Erfolg. Wäre der erste Täter zurechnungsfähig gewesen, so wäre Mittäterschaft gegeben ?gewesen. Zur Annahme von Mittäterschaft ist nur erorderlich, daß jemand irgendwie zur Verwirklichung des äußeren Tatbestandes einer strafbaren Handlung beige­ tragen hat mit dem Vorsatz, eine als eigene gewollte Tat zugleich als die Tat eines anderen, des Mittäters, zur Vollendung zu bringen. Der Mittätervorsatz ist aber nur dann gegeben, wenn nicht lediglich die Unterstützung einer fremden Tat, also die Herbeiführung eines verbotenen Erfolges gewollt ist, den nur der andere als eigenen er­ zielen will und soll; die Verwirklichung dieses Erfolges muß vielmehr das gemeinsame Ziel sein, das im Verein mit dem anderen und mit vereinten Kräften erreicht wer­ den soll. Liegt diese Voraussetzung vor, so kommt es auf das Maß der Mitwirkung zur Vollendung der gemein­ samen Tat nicht an; ausreichend ist selbst die geringste Mitwirkung zu ihrer Ausführung, sogar eine solche, die für

sich allein betrachtet nur eine Vorbereitungshandlung dar­ stellen würde. Die Rollen der Mittäter können deshalb auch in der Weise verteilt sein, daß die Ausführung der Tat in der Hauptsache einem der Täter allein überlassen und den anderen nur eine unterstützende Tätigkeit über­ tragen ist. Jeder von ihnen ist, auch soweit er bei solchem Zusammenwirken keine unmittelbare eigene Tätigkeit ent­ faltet, doch wenigstens mittelbarer Täter, der durch das Tun des oder der anderen zugleich seinen eigenen Willen als Urheber verwirklicht. Jnsoferne wird jeder Mittäter zum Werkzeug des anderen zur Ausführung der mit ver­ einten Kräften gewollten und vollbrachten Tat. Das Tun jedes Mittäters ist eine Kraft, deren sich der andere be­ dient, um den auch von ihm gewollten Erfolg herbeizu­ führen. Ein solcher Mittätervorsatz des Angeklagten war einwandfrei festgestellt. Sowohl er als der andere Täter waren schon bei den Vorbesprechungen zu der Überzeugung gekommen, daß sich die Wegnahme des Geldes nur durch die Tötung des Eigentümers ermöglichen lasse; dieser war für die Erbeutung des Geldes ein Hindernis, das sie beide durch seine Ermordung beseitigen wollten. Der Mord und der Raub sollten als einheitliche Tat mit dem gleichen Tätervorsatz ausgeführt werden. Ebenso war einwand­ frei festgestellt, daß der Angeklagte sich zur Verwirklichung des Planes an der Ausführung der Tat beteiligte. Da der andere Täter nicht zurechnungsfähig war, konnte aller­ dings von einer Mittäterschaft des Angeklagten keine Rede sein. Die Tatsachen, aus denen sich der Schuldausschlies­ sungsgrund für den anderen Täter ergab, waren dem An­ geklagten nicht bekannt; seine eigene strafrechtliche Ver­ antwortlichkeit wurde aber hierdurch nicht berührt. Wie zum Tätervorsatz nicht das Bewußtsein der Strafbarkeit des eigenen Tuns gehört, so braucht der Mittätervorsatz nicht die Tatsache oder die Art der Strafbarkeit des wirk­ lichen oder vermeintlichen Mittäters, sondern nur die Tat­ sache und die Art der von diesem erwarteten Mitwirkung zur Ausführung der Tat zu umfassen. Ein etwaiger Irr­ tum über die Strafbarkeit eines wirklichen oder vermeint­ lichen Mittäters ist ohne strafrechtlich erheblichen Einfluß auf die Vorstellung, auf Grund deren der eigene Tatbei­ trag geleistet und die eigene Mitwirkung zur Verwirk­ lichung der Tat unternommen wird. Gelangt diese mit 3»

Hilfe der erwarteten Beteiligung des anderen zur Voll­ endung, so kann jener, der als Mittäter zu handeln glaubte, aus dem Umstand, daß er nur als Alleintäter in Betracht kommt, keine Entlastung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit herleiten. Ohne Rechtsirrtum war weiter angenommen worden, daß der Angellagte die Tötung mit Überlegung ausgesührt hatte und daß die Tötung schon eine Gewaltanwendung war, durch welche die beabsichtigte Wegnahme der zu erbeutenden Geldbe­ träge zum Anfang der Ausführung gelangte. (II, 25. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 101—105. Vgl. Bd. 54 S.152; Bd.56 S. 329; Bd.57 S. 144, 307; Bd. 58 S. 207, 279; Bd. 60 S. 51, 163. 34. Brandstiftung. Anzeigepflicht. Meineid. Strafer­ mäßigung. (StGB. §§ 139, 157.) In einem Verfahren wegen Brandstiftung beschwor ein Zeuge der Wahrheit zuwider, er habe nicht gesehen, daß aus dem Hause Rauch herauskam. In dem Verfahren wegen Meineids berief er sich darauf, daß ihm bei Angabe der Wahrheit eine Strafverfolgung wegen Unterlassung der Anzeige der Brandstiftung gedroht habe. Das traf nicht zu. Wenn der Zeuge die Wahrheit angab, konnte daraus kein Ver­ dacht abgeleitet werden, daß er von dem Vorhaben einer Brandstiftung schon zu einer Zeit, da die Verhütung des Verbrechens noch möglich war, glaubhaft Kenntnis er­ halten und die Anzeige unterlassen habe. Wenn eine Brandstiftung schon vollendet ist, kann sie nicht mehr ver­ hütet werden. Anders kann es beim Vorhaben eines Ver­ brechens liegen, das unerachtet seiner Vollendung als Verbrechen fortdauert, wie das schon für Eisenbahntrans­ portgefährdung und ähnliche Gefährdungsdelikte ausge­ sprochen ist. Bei ihnen tritt mit der Vollendung des gesetzlichen Tatbestandes noch keine Verletzung des Rechts­ guts ein, das geschützt werden soll; solange die durch die Tat bewirkte Gefährdung andauert, ist die Anwendung der vom Gesetzgeber mißbilligten Folge noch möglich und besteht darum auch die Anzeigepflicht fort. Für Brand­ stiftungen trifft das nicht zu. (II, 8. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 105—107. Vgl. Bd. 14 S. 214. 35. Unlauterer Wettbewerb. Ausverkauf. Öffentliche Bekanntmachung. Konsumverein. Irrtum. (UnlWG. §§4,

Hilfe der erwarteten Beteiligung des anderen zur Voll­ endung, so kann jener, der als Mittäter zu handeln glaubte, aus dem Umstand, daß er nur als Alleintäter in Betracht kommt, keine Entlastung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit herleiten. Ohne Rechtsirrtum war weiter angenommen worden, daß der Angellagte die Tötung mit Überlegung ausgesührt hatte und daß die Tötung schon eine Gewaltanwendung war, durch welche die beabsichtigte Wegnahme der zu erbeutenden Geldbe­ träge zum Anfang der Ausführung gelangte. (II, 25. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 101—105. Vgl. Bd. 54 S.152; Bd.56 S. 329; Bd.57 S. 144, 307; Bd. 58 S. 207, 279; Bd. 60 S. 51, 163. 34. Brandstiftung. Anzeigepflicht. Meineid. Strafer­ mäßigung. (StGB. §§ 139, 157.) In einem Verfahren wegen Brandstiftung beschwor ein Zeuge der Wahrheit zuwider, er habe nicht gesehen, daß aus dem Hause Rauch herauskam. In dem Verfahren wegen Meineids berief er sich darauf, daß ihm bei Angabe der Wahrheit eine Strafverfolgung wegen Unterlassung der Anzeige der Brandstiftung gedroht habe. Das traf nicht zu. Wenn der Zeuge die Wahrheit angab, konnte daraus kein Ver­ dacht abgeleitet werden, daß er von dem Vorhaben einer Brandstiftung schon zu einer Zeit, da die Verhütung des Verbrechens noch möglich war, glaubhaft Kenntnis er­ halten und die Anzeige unterlassen habe. Wenn eine Brandstiftung schon vollendet ist, kann sie nicht mehr ver­ hütet werden. Anders kann es beim Vorhaben eines Ver­ brechens liegen, das unerachtet seiner Vollendung als Verbrechen fortdauert, wie das schon für Eisenbahntrans­ portgefährdung und ähnliche Gefährdungsdelikte ausge­ sprochen ist. Bei ihnen tritt mit der Vollendung des gesetzlichen Tatbestandes noch keine Verletzung des Rechts­ guts ein, das geschützt werden soll; solange die durch die Tat bewirkte Gefährdung andauert, ist die Anwendung der vom Gesetzgeber mißbilligten Folge noch möglich und besteht darum auch die Anzeigepflicht fort. Für Brand­ stiftungen trifft das nicht zu. (II, 8. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 105—107. Vgl. Bd. 14 S. 214. 35. Unlauterer Wettbewerb. Ausverkauf. Öffentliche Bekanntmachung. Konsumverein. Irrtum. (UnlWG. §§4,

Hilfe der erwarteten Beteiligung des anderen zur Voll­ endung, so kann jener, der als Mittäter zu handeln glaubte, aus dem Umstand, daß er nur als Alleintäter in Betracht kommt, keine Entlastung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit herleiten. Ohne Rechtsirrtum war weiter angenommen worden, daß der Angellagte die Tötung mit Überlegung ausgesührt hatte und daß die Tötung schon eine Gewaltanwendung war, durch welche die beabsichtigte Wegnahme der zu erbeutenden Geldbe­ träge zum Anfang der Ausführung gelangte. (II, 25. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 101—105. Vgl. Bd. 54 S.152; Bd.56 S. 329; Bd.57 S. 144, 307; Bd. 58 S. 207, 279; Bd. 60 S. 51, 163. 34. Brandstiftung. Anzeigepflicht. Meineid. Strafer­ mäßigung. (StGB. §§ 139, 157.) In einem Verfahren wegen Brandstiftung beschwor ein Zeuge der Wahrheit zuwider, er habe nicht gesehen, daß aus dem Hause Rauch herauskam. In dem Verfahren wegen Meineids berief er sich darauf, daß ihm bei Angabe der Wahrheit eine Strafverfolgung wegen Unterlassung der Anzeige der Brandstiftung gedroht habe. Das traf nicht zu. Wenn der Zeuge die Wahrheit angab, konnte daraus kein Ver­ dacht abgeleitet werden, daß er von dem Vorhaben einer Brandstiftung schon zu einer Zeit, da die Verhütung des Verbrechens noch möglich war, glaubhaft Kenntnis er­ halten und die Anzeige unterlassen habe. Wenn eine Brandstiftung schon vollendet ist, kann sie nicht mehr ver­ hütet werden. Anders kann es beim Vorhaben eines Ver­ brechens liegen, das unerachtet seiner Vollendung als Verbrechen fortdauert, wie das schon für Eisenbahntrans­ portgefährdung und ähnliche Gefährdungsdelikte ausge­ sprochen ist. Bei ihnen tritt mit der Vollendung des gesetzlichen Tatbestandes noch keine Verletzung des Rechts­ guts ein, das geschützt werden soll; solange die durch die Tat bewirkte Gefährdung andauert, ist die Anwendung der vom Gesetzgeber mißbilligten Folge noch möglich und besteht darum auch die Anzeigepflicht fort. Für Brand­ stiftungen trifft das nicht zu. (II, 8. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 105—107. Vgl. Bd. 14 S. 214. 35. Unlauterer Wettbewerb. Ausverkauf. Öffentliche Bekanntmachung. Konsumverein. Irrtum. (UnlWG. §§4,

7, 10; StGB. § 59.) Ein Konsumverein kündigte in einer Zeitung eine Räumungswoche an. Der Geschäftsführer wurde wegen unlauteren Wettbewerbs angeklagt, weil er einen Ausverkauf veranstaltet habe, ohne hievon der Han­ delskammer Mitteilung zu machen. Das Schöffengericht sprach ihn frei, weil er keinerlei Wettbewerbsabsicht ge­ genüber anderen Geschäften gleicher oder ähnlicher Art verfolgt oder auch nur an die Möglichkeit der Gefährdung anderer Geschäftsinhaber gedacht habe. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Richtig ist, daß durch das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vor allem die Gewerbsgenossen des Täters, nicht das Publikum ge­ gen die aus unredlichem Geschäftsgebaren drohenden Nach­ teile geschützt werden sollen; mittelbar will das Gesetz aber den Auswüchsen des Wettbewerbs auch im öffentlichen In­ teresse entgegentreten. Solche Auswüchse hatten sich gerade auf dem Gebiete des Ausverkausswesens gezeigt. Der Be­ griff des Ausverkaufs umfaßt entweder den Verkauf aller noch vorhandenen Waren bei Aufgabe des ganzen Ge­ schäfts oder den Verkauf einer bestimmten einzelnen Wa­ rengattung bei Aufgabe des entsprechenden Geschäftszwei­ ges oder die Aufgabe eines bestimmten Warenvorrats, um diesen aus dem gesamten vorhandenen Warenbestand völlig auszuscheiden. Jeder Verkauf, bei dem diese Merk­ male verwirÜicht sind, unterliegt der Anmeldepflicht; da­ für, daß diese nur Platz griffe, wenn mit dem Ausverkauf die Absicht einer Schädigung oder Gefährdung der In­ haber von Geschäften gleicher oder ähnlicher Art verfolgt wird oder der Ausverkauf doch zu einer solchen Schädi­ gung oder Gefährdung geeignet ist, bietet das Gesetz keinen Anhalt. Für Konsumvereine gilt keine Ausnahme. Die Anzeige von dem Räumungsverkauf wandte sich an das breite Publikum und damit an die Öffentlichkeit, wenn in ihr auch zum Ausdruck gebracht war, daß die Waren­ abgabe nur an Mitglieder erfolge. Sie konnte auch über den Kreis der Vereinsmitglieder hinausgehende Wirkungen haben, indem sie Nichtmitglieder veranlaßte, dem Verein beizutreten oder durch Vermittlung ihnen bekannter Mit­ glieder Waren aus dem Ausverkauf zu erwerben. Für den inneren Tatbestand genügte es, daß der Angeklagte sich bewußt war, einen die erwähnten Begrifssmerkmale des Ausverkaufs erfüllenden Verkauf zu veranstalten; wenn

er trotzdem glaubte, zu einer Anzeige nicht verpflichtet zu sein, etwa deshalb, weil er die Bekanntmachung nicht für eine öffentliche hielt, befand er sich in einem unbe­ achtlichen strafrechtlichen Irrtum. (I, 9. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 107—111. Bgl. Bd. 38 S. 369; Bd. 40 S. 122, 129; Bd. 45 S. 16, 25, 189, 194; Bd. 47 S. 280; Bd. 120 S. 47. 36. Beleidigung. Rechtsbeugung. Wahrnehmung be­ rechtigter Interessen. Mehrdeutige Erklärung. (StGB. § 193.) In der Zeitschrift eines Haus- und Grundbesitzer­ vereins war der Vorsitzende des Mieteinigungsamtes einer Stadt angegriffen; es war behauptet, eine Fülle seiner Entscheidungen stellte geradezu eine Rechtsverletzung dar. Das Landgericht fand hierin den Vorwurf der Rechts­ beugung. Diese Auffassung wurde vom Reichsgericht nicht gebilligt. Eine richterliche Entscheidung, bei der Billigkeitserwägungen mitsprechen, kann von dem einen Teil als Härte oder gar als Unrichtigkeit empfunden werden und doch sich innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenze halten; sie kann aber auch diese Grenze über­ schreiten und dann in der Tat eine Rechtsverletzung ent­ halten. Dann liegt die Sache an sich nicht anders, als wenn sonst ein Gericht eine Sache in gewissem Sinn ent­ schieden hat und das Berufungsgericht nun anders ent­ scheidet; die eine der beiden Entscheidungen wird hier in der Regel eine Rechtsverletzung darstellen. Das Land­ gericht hatte seine Auslegung darauf gestützt, daß un­ mittelbar vorher von unserem in hervorragendem Maße als objektiv und gerecht anerkannten Richterstand gespro­ chen war und daß der angegriffene Richter dazu in Gegen­ satz gestellt wurde; war aber auch hieraus zu entnehmen, daß er als ein Richter bezeichnet wurde, dem jene guten Eigenschaften fehlten, so war doch damit nicht behauptet, daß er in seiner richterlichen Tätigkeit bewußt entgegen dem Gesetz sich auf die Seite der Mieter gestellt hätte. Auch der in dem Aufsatz enthaltene Borwurf einseitiger Ein­ stellung gegen den Hausbesitz reichte nicht hin, den Vor­ wurf der Rechtsbeugung als gegeben anzunehmen. Für die neue Verhandlung bemerkte das Reichsgericht, daß der Aufsatz immerhin als ein Borwurf der Rechtsbeugung ausgelegt werden konnte. War der Angeklagte sich dessen bewußt, so hatte er, wenigstens mit bedingtem Vorsatz

er trotzdem glaubte, zu einer Anzeige nicht verpflichtet zu sein, etwa deshalb, weil er die Bekanntmachung nicht für eine öffentliche hielt, befand er sich in einem unbe­ achtlichen strafrechtlichen Irrtum. (I, 9. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 107—111. Bgl. Bd. 38 S. 369; Bd. 40 S. 122, 129; Bd. 45 S. 16, 25, 189, 194; Bd. 47 S. 280; Bd. 120 S. 47. 36. Beleidigung. Rechtsbeugung. Wahrnehmung be­ rechtigter Interessen. Mehrdeutige Erklärung. (StGB. § 193.) In der Zeitschrift eines Haus- und Grundbesitzer­ vereins war der Vorsitzende des Mieteinigungsamtes einer Stadt angegriffen; es war behauptet, eine Fülle seiner Entscheidungen stellte geradezu eine Rechtsverletzung dar. Das Landgericht fand hierin den Vorwurf der Rechts­ beugung. Diese Auffassung wurde vom Reichsgericht nicht gebilligt. Eine richterliche Entscheidung, bei der Billigkeitserwägungen mitsprechen, kann von dem einen Teil als Härte oder gar als Unrichtigkeit empfunden werden und doch sich innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenze halten; sie kann aber auch diese Grenze über­ schreiten und dann in der Tat eine Rechtsverletzung ent­ halten. Dann liegt die Sache an sich nicht anders, als wenn sonst ein Gericht eine Sache in gewissem Sinn ent­ schieden hat und das Berufungsgericht nun anders ent­ scheidet; die eine der beiden Entscheidungen wird hier in der Regel eine Rechtsverletzung darstellen. Das Land­ gericht hatte seine Auslegung darauf gestützt, daß un­ mittelbar vorher von unserem in hervorragendem Maße als objektiv und gerecht anerkannten Richterstand gespro­ chen war und daß der angegriffene Richter dazu in Gegen­ satz gestellt wurde; war aber auch hieraus zu entnehmen, daß er als ein Richter bezeichnet wurde, dem jene guten Eigenschaften fehlten, so war doch damit nicht behauptet, daß er in seiner richterlichen Tätigkeit bewußt entgegen dem Gesetz sich auf die Seite der Mieter gestellt hätte. Auch der in dem Aufsatz enthaltene Borwurf einseitiger Ein­ stellung gegen den Hausbesitz reichte nicht hin, den Vor­ wurf der Rechtsbeugung als gegeben anzunehmen. Für die neue Verhandlung bemerkte das Reichsgericht, daß der Aufsatz immerhin als ein Borwurf der Rechtsbeugung ausgelegt werden konnte. War der Angeklagte sich dessen bewußt, so hatte er, wenigstens mit bedingtem Vorsatz

handelnd, sich der Beleidigung schuldig gemacht. Dabei mußte beachtet werden, daß Kundgebungen der Tages­ presse von dem größten Teil der Leser nur flüchtig ge­ lesen werden; mit dieser Tatsache hatte der Angeklagte zu rechnen. In der Presse des politischen und wirtschaft­ lichen Kampfes besteht eine allgemeine Neigung zur Schärfe, so daß tadelnde Kundgebungen von den einseitig einge­ stellten Lesern leicht schärfer und einseitiger aufgefaßt werden, als sie gemeint sind und als sich ihr Inhalt und Sinn dem ruhig und sorgsam die Kundgebung in ihrer Gesamtheit würdigenden unbeteiligten Beurteiler darstellt. Wer solchen Äußerungen eine Form gibt, die eine mehr­ fache Deutung zuläßt, und sich dabei bewußt ist, daß seine Leser die Verfehlungen in einem strafrechtlich zu wertenden Sinne verstehen werden, der überschreitet da­ mit die Grenze der zulässigen Äußerung und wird in der Regel das sagen wollen, wovon er weiß, daß der Leser es aus der Kundgebung entnehmen wird. Der Tatbestand einer Beleidigung konnte übrigens auch gegeben sein, wenn der Vorwurf der Rechtsbeugung in dem Vorwurf nicht enthalten war; er konnte auch in der Behauptung liegen, daß der angegriffene Richter gegen die Hausbesitzer vor­ eingenommen und für sein Amt unfähig sei. Die Straf­ barkeit einer solchen Kundgebung konnte sich, auch wenn an sich die Voraussetzungen des § 193 StGB, vorlagen, auf Grund der Annahme ergeben, daß die Form besonders scharf, gehässig und rücksichtslos sei. (I, 9. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 112—115.

37. Beamtenurtterschlagung. Kirchenrechner. (StGB. §§ 350, 359.) Der Kirchenrechner einer katholischen Filial­ kirchengemeinde in Baden entnahm der von ihm geführten Kasse Geld und verwendete es für sich. Das Schöffen­ gericht verurteilte ihn wegen einfacher Unterschlagung, indem es annahm, daß er nach dem Kirchenvermögens­ gesetz vom 7. April 1927 nicht als Beamter im Sinne des Strafgesetzbuchs anzusehen sei. Die Unterschlagungen sie­ len aber schon in die Zeit vor diesem Gesetz und es' war darum zu prüfen, ob er zu jener Zeit Beamter gewesen war. Die Annahme des Schöffengerichts war auch aus einem anderen Grunde rechtsirrig. Nach dem neuen Gesetz regelt allerdings jede Religionsgesellschaft ihre Vermö­ gensangelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken

handelnd, sich der Beleidigung schuldig gemacht. Dabei mußte beachtet werden, daß Kundgebungen der Tages­ presse von dem größten Teil der Leser nur flüchtig ge­ lesen werden; mit dieser Tatsache hatte der Angeklagte zu rechnen. In der Presse des politischen und wirtschaft­ lichen Kampfes besteht eine allgemeine Neigung zur Schärfe, so daß tadelnde Kundgebungen von den einseitig einge­ stellten Lesern leicht schärfer und einseitiger aufgefaßt werden, als sie gemeint sind und als sich ihr Inhalt und Sinn dem ruhig und sorgsam die Kundgebung in ihrer Gesamtheit würdigenden unbeteiligten Beurteiler darstellt. Wer solchen Äußerungen eine Form gibt, die eine mehr­ fache Deutung zuläßt, und sich dabei bewußt ist, daß seine Leser die Verfehlungen in einem strafrechtlich zu wertenden Sinne verstehen werden, der überschreitet da­ mit die Grenze der zulässigen Äußerung und wird in der Regel das sagen wollen, wovon er weiß, daß der Leser es aus der Kundgebung entnehmen wird. Der Tatbestand einer Beleidigung konnte übrigens auch gegeben sein, wenn der Vorwurf der Rechtsbeugung in dem Vorwurf nicht enthalten war; er konnte auch in der Behauptung liegen, daß der angegriffene Richter gegen die Hausbesitzer vor­ eingenommen und für sein Amt unfähig sei. Die Straf­ barkeit einer solchen Kundgebung konnte sich, auch wenn an sich die Voraussetzungen des § 193 StGB, vorlagen, auf Grund der Annahme ergeben, daß die Form besonders scharf, gehässig und rücksichtslos sei. (I, 9. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 112—115.

37. Beamtenurtterschlagung. Kirchenrechner. (StGB. §§ 350, 359.) Der Kirchenrechner einer katholischen Filial­ kirchengemeinde in Baden entnahm der von ihm geführten Kasse Geld und verwendete es für sich. Das Schöffen­ gericht verurteilte ihn wegen einfacher Unterschlagung, indem es annahm, daß er nach dem Kirchenvermögens­ gesetz vom 7. April 1927 nicht als Beamter im Sinne des Strafgesetzbuchs anzusehen sei. Die Unterschlagungen sie­ len aber schon in die Zeit vor diesem Gesetz und es' war darum zu prüfen, ob er zu jener Zeit Beamter gewesen war. Die Annahme des Schöffengerichts war auch aus einem anderen Grunde rechtsirrig. Nach dem neuen Gesetz regelt allerdings jede Religionsgesellschaft ihre Vermö­ gensangelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken

des für alle geltenden Gesetzes; die früheren Vorschriften gelten aber weiter, bis eine solche Regelung erfolgt ist. Für Baden ist das noch nicht geschehen. Das ordentliche Kirchenvermögen wird hiernach auf Grund der früheren Vorschriften durch einen Stiftungsrat verwaltet; der Rechner wird vom Stiftungsrat gewählt und bedarf der Bestätigung nicht nur des erzbischöflichen Dekans, sondern auch der staatlichen Verwaltungsbehörde. Demnach waren dem Angeklagten dienstliche Verrichtungen übertragen, die aus der Staatsgewalt abzuleiten waren und staatlichen Zwecken dienten. Das Gleiche galt, wenn der Angeklagte als Kirchensteuererheber bestellt war. (I, 12. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 116—119. 38. Unlauterer Wettbewerb. Unwahre Angaben. Irre­ führung. Irrtum. (UnlWG. § 4.) Minderwertige Schuhe wurden als Qualitätsschuhe angepriesen. Das Schwur­ gericht hatte die Bestrafung wegen unlauteren Wettbe­ werbs mit der Begründung abgelehnt, daß in einer Zeit, in der die Reklame einen fast erschreckenden Umfang ange­ nommen hat, das hierdurch ermüdete, aber auch in der Bewertung von Reklamesprüchen vorsichtiger gewordene Publikum solche Bezeichnungen als Reklame und nichts weiter ansehe. Damit war dem Mißbrauch der Reklame eine Wirkung beigelegt, die zuletzt darauf hinauslief, ihn dem Gesetz zu entziehen. Allerdings beantwortet sich die Frage, ob Angaben über die geschäftlichen Verhältnisse zur Irreführung geeignet sind, nach der durchschnittlichen Auffassung des Personenkreises, an den sie sich wenden. Bei der Prüfung der Frage darf aber nicht unbeachtet bleiben, worauf nach der Auffassung des Gesetzes die Irreführung sich beziehen und in welcher Richtung ihre Wirkung zu fürchten sein soll. Zum Tatbestand gehört, daß dies in der Richtung des Anscheins eines besonders günstigen Angebots liegt. Da, der redliche Mitbewerber geschützt werden soll, liegt diese Eignung schon vor, wenn das Angebot infolge der unwahren Angaben sich anderen Angeboten gegenüber im allgemeinen als günstiger dar­ stellt und so den Kunden in den Glauben versetzen kann, er kaufe hier besser als im Geschäft des Mitbewerbers; außerordentliche Vorteile brauchen nicht in Aussicht ge­ stellt zu werden. Belanglos ist, ob das Angebot in der Tat

des für alle geltenden Gesetzes; die früheren Vorschriften gelten aber weiter, bis eine solche Regelung erfolgt ist. Für Baden ist das noch nicht geschehen. Das ordentliche Kirchenvermögen wird hiernach auf Grund der früheren Vorschriften durch einen Stiftungsrat verwaltet; der Rechner wird vom Stiftungsrat gewählt und bedarf der Bestätigung nicht nur des erzbischöflichen Dekans, sondern auch der staatlichen Verwaltungsbehörde. Demnach waren dem Angeklagten dienstliche Verrichtungen übertragen, die aus der Staatsgewalt abzuleiten waren und staatlichen Zwecken dienten. Das Gleiche galt, wenn der Angeklagte als Kirchensteuererheber bestellt war. (I, 12. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 116—119. 38. Unlauterer Wettbewerb. Unwahre Angaben. Irre­ führung. Irrtum. (UnlWG. § 4.) Minderwertige Schuhe wurden als Qualitätsschuhe angepriesen. Das Schwur­ gericht hatte die Bestrafung wegen unlauteren Wettbe­ werbs mit der Begründung abgelehnt, daß in einer Zeit, in der die Reklame einen fast erschreckenden Umfang ange­ nommen hat, das hierdurch ermüdete, aber auch in der Bewertung von Reklamesprüchen vorsichtiger gewordene Publikum solche Bezeichnungen als Reklame und nichts weiter ansehe. Damit war dem Mißbrauch der Reklame eine Wirkung beigelegt, die zuletzt darauf hinauslief, ihn dem Gesetz zu entziehen. Allerdings beantwortet sich die Frage, ob Angaben über die geschäftlichen Verhältnisse zur Irreführung geeignet sind, nach der durchschnittlichen Auffassung des Personenkreises, an den sie sich wenden. Bei der Prüfung der Frage darf aber nicht unbeachtet bleiben, worauf nach der Auffassung des Gesetzes die Irreführung sich beziehen und in welcher Richtung ihre Wirkung zu fürchten sein soll. Zum Tatbestand gehört, daß dies in der Richtung des Anscheins eines besonders günstigen Angebots liegt. Da, der redliche Mitbewerber geschützt werden soll, liegt diese Eignung schon vor, wenn das Angebot infolge der unwahren Angaben sich anderen Angeboten gegenüber im allgemeinen als günstiger dar­ stellt und so den Kunden in den Glauben versetzen kann, er kaufe hier besser als im Geschäft des Mitbewerbers; außerordentliche Vorteile brauchen nicht in Aussicht ge­ stellt zu werden. Belanglos ist, ob das Angebot in der Tat

besonders günstig ist. Marktschreierische Anpreisungen kön­ nen zwar als bloße Übertretungen straflos sein, wenn sie als solche sofort und allgemein erkannt werden, aber An­ gaben über die Beschaffenheit von Waren sind regelmäßig nicht unter diesen Begriff zu nehmen. Die durch das Ge­ setz beabsichtigte Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs durch Schwindelreklame darf nicht dadurch vereitelt wer­ den, daß von der Gewöhnung an Reklameschwindel aus­ gegangen wird. Das Schwurgericht hätte prüfen müssen, ob die unwahren Angaben des Angeklagten in dem Durch­ schnitt der Personen, an die sie sich richteten, den Glauben erwecken konnten, die Schuhe gerade auch mit Rücksicht auf den geforderten Preis beim Angeklagten besser zu be­ kommen als bei seinen redlichen Gewerbsgenossen. Waren die unwahren Angaben des Angeklagten zur Irreführung in diesem Sinne geeignet und wußte er das oder rechnete er nur mit dieser naheliegenden Möglichkeit, so schützte ihn auch seine Annahme nicht, daß dieses Vorgehen er­ laubt sei; es lag dann nur ein nicht zu beachtender Irr­ tum über das Strafgesetz vor. (I, 12. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 120—122. Vgl. Bd. 36 S. 377; Bd. 40 S. 442; Bd. 47 S. 280, 422; RGZ. Bd. 96 S. 243.

39. Reichsbank. Behörde. Gutachten. (StPO. § 256; RBankG. 1924 § 1.) Das Reichsbankdirektorium ist auch nach dem jetzigen Bankgesetz als eine öffentliche Behörde anzusehen. Die Reichsbank hat die Aufgabe, den Geld­ umlauf im gesamten Reichsgebiet zu regeln und für die Aufrechterhaltung der Reichswährung zu sorgen; ihr ist das Hoheitsrecht der Banknotenausgabe verliehen. Daß infolge der völkerrechtlichen Bindungen der Einfluß der Reichsregierung auf die Bankleitung eingeschränkt ist, macht nichts aus; immerhin ist das Reichsbankdirektorium eine in den Organismus der Staatsbehörden eingegliederte, ihrem Bestand nach von der natürlichen Person der Leiter und Beamten unabhängige Amtsstelle, der die Zuständig­ keit innewohnt, nach eigenem Ermessen und unter staat­ licher Autorität öffentliche Rechte auszuüben. Ein von dem technischen Beirat der Reichsbank verfaßtes Gutach­ ten, das von dem Reichsbankdirektorium übersandt und damit als von ihm herrührend anerkannt wurde, konnte

besonders günstig ist. Marktschreierische Anpreisungen kön­ nen zwar als bloße Übertretungen straflos sein, wenn sie als solche sofort und allgemein erkannt werden, aber An­ gaben über die Beschaffenheit von Waren sind regelmäßig nicht unter diesen Begriff zu nehmen. Die durch das Ge­ setz beabsichtigte Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs durch Schwindelreklame darf nicht dadurch vereitelt wer­ den, daß von der Gewöhnung an Reklameschwindel aus­ gegangen wird. Das Schwurgericht hätte prüfen müssen, ob die unwahren Angaben des Angeklagten in dem Durch­ schnitt der Personen, an die sie sich richteten, den Glauben erwecken konnten, die Schuhe gerade auch mit Rücksicht auf den geforderten Preis beim Angeklagten besser zu be­ kommen als bei seinen redlichen Gewerbsgenossen. Waren die unwahren Angaben des Angeklagten zur Irreführung in diesem Sinne geeignet und wußte er das oder rechnete er nur mit dieser naheliegenden Möglichkeit, so schützte ihn auch seine Annahme nicht, daß dieses Vorgehen er­ laubt sei; es lag dann nur ein nicht zu beachtender Irr­ tum über das Strafgesetz vor. (I, 12. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 120—122. Vgl. Bd. 36 S. 377; Bd. 40 S. 442; Bd. 47 S. 280, 422; RGZ. Bd. 96 S. 243.

39. Reichsbank. Behörde. Gutachten. (StPO. § 256; RBankG. 1924 § 1.) Das Reichsbankdirektorium ist auch nach dem jetzigen Bankgesetz als eine öffentliche Behörde anzusehen. Die Reichsbank hat die Aufgabe, den Geld­ umlauf im gesamten Reichsgebiet zu regeln und für die Aufrechterhaltung der Reichswährung zu sorgen; ihr ist das Hoheitsrecht der Banknotenausgabe verliehen. Daß infolge der völkerrechtlichen Bindungen der Einfluß der Reichsregierung auf die Bankleitung eingeschränkt ist, macht nichts aus; immerhin ist das Reichsbankdirektorium eine in den Organismus der Staatsbehörden eingegliederte, ihrem Bestand nach von der natürlichen Person der Leiter und Beamten unabhängige Amtsstelle, der die Zuständig­ keit innewohnt, nach eigenem Ermessen und unter staat­ licher Autorität öffentliche Rechte auszuüben. Ein von dem technischen Beirat der Reichsbank verfaßtes Gutach­ ten, das von dem Reichsbankdirektorium übersandt und damit als von ihm herrührend anerkannt wurde, konnte

demgemäß in der Hauptverhandlung über ein Münz­ verbrechen verlesen werden. (III, 15. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 122—125. Vgl. Bd. 57 S. 323. 40. Urkundenfälschung. Falschbeurkundung. Unvoll­ ständige Urkunde. Vollstreckungsprotokoll. (StGB. §§ 267, 348; ZPO. §§ 415, 762.) Ein Gerichtsvollzieher errich­ tete über eine erfolglos versuchte Zwangsvollstreckung ein Protokoll in der Weise, daß er auf der ersten Seite des Vordrucks den Ort und die Zeit der Aufnahme, die Parteien, den SchuLdtitel und Schuldbetrag und die Angabe einsetzte, daß er sich in die Wohnung des Schuldners be­ geben, dort aber nur dessen Ehefrau angetrosfen habe; auf der letzten Seite fand sich unter dem Vermerk „Vor­ gelesen, genehmigt und unterschrieben" die Unterschrift der Ehefrau des Schuldners und unter dem weiteren Vermerk „Geschehen wie oben" die Unterschrift des Ge­ richtsvollziehers. Im übrigen war im Vordruck weder etwas ausgefüllt noch durchstrichen. Als der Aufsichtsrichter das Protokoll beanstandete, fügte der Gerichtsvollzieher einen Nachtrag bei, worin er die Erklärungen der Ehefrau des Schuldners und die Gründe der Fruchtlosigkeit der versuchten Pfändung angab und die Unvollständigkeit des Protokolls damit entschuldigte, daß er wegen seiner er­ starrten Hände die sofortige Ausfüllung unterlassen habe. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Falschbeurkun­ dung; das Reichsgericht sprach ihn frei. Zum Tatbestand der Falschbeurkundung gehört, daß über die inhaltlich falsch beurkundeten Tatsachen eine öffentliche Urkunde er­ richtet worden ist, daß sie also nicht nur von einem dafür zuständigen Beamten, sondern auch in der dafür vorge­ schriebenen Form ausgenommen ist und darum öffentlichen Glauben hat. Sind Formerfordernisse nicht beachtet, die als wesentlich anzusehen sind, so liegt eine Beurkundung überhaupt nicht vor und kann darum auch eine Bestrafung wegen Falschbeurkundung nicht erfolgen. Im vorliegenden Fall fehlte jede Beurkundung des Verlaufs der versuchten Zwangsvollstreckung; das Protokoll enthielt nichts über die Erklärungen der Ehefrau des Schuldners, über den Grund der Fruchtlosigkeit des Vollstreckungsversuchs, über die Mittel, die angewendet wurden, um den Mißerfolg abzuwenden. Das waren so wesentliche Vorgänge und

demgemäß in der Hauptverhandlung über ein Münz­ verbrechen verlesen werden. (III, 15. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 122—125. Vgl. Bd. 57 S. 323. 40. Urkundenfälschung. Falschbeurkundung. Unvoll­ ständige Urkunde. Vollstreckungsprotokoll. (StGB. §§ 267, 348; ZPO. §§ 415, 762.) Ein Gerichtsvollzieher errich­ tete über eine erfolglos versuchte Zwangsvollstreckung ein Protokoll in der Weise, daß er auf der ersten Seite des Vordrucks den Ort und die Zeit der Aufnahme, die Parteien, den SchuLdtitel und Schuldbetrag und die Angabe einsetzte, daß er sich in die Wohnung des Schuldners be­ geben, dort aber nur dessen Ehefrau angetrosfen habe; auf der letzten Seite fand sich unter dem Vermerk „Vor­ gelesen, genehmigt und unterschrieben" die Unterschrift der Ehefrau des Schuldners und unter dem weiteren Vermerk „Geschehen wie oben" die Unterschrift des Ge­ richtsvollziehers. Im übrigen war im Vordruck weder etwas ausgefüllt noch durchstrichen. Als der Aufsichtsrichter das Protokoll beanstandete, fügte der Gerichtsvollzieher einen Nachtrag bei, worin er die Erklärungen der Ehefrau des Schuldners und die Gründe der Fruchtlosigkeit der versuchten Pfändung angab und die Unvollständigkeit des Protokolls damit entschuldigte, daß er wegen seiner er­ starrten Hände die sofortige Ausfüllung unterlassen habe. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Falschbeurkun­ dung; das Reichsgericht sprach ihn frei. Zum Tatbestand der Falschbeurkundung gehört, daß über die inhaltlich falsch beurkundeten Tatsachen eine öffentliche Urkunde er­ richtet worden ist, daß sie also nicht nur von einem dafür zuständigen Beamten, sondern auch in der dafür vorge­ schriebenen Form ausgenommen ist und darum öffentlichen Glauben hat. Sind Formerfordernisse nicht beachtet, die als wesentlich anzusehen sind, so liegt eine Beurkundung überhaupt nicht vor und kann darum auch eine Bestrafung wegen Falschbeurkundung nicht erfolgen. Im vorliegenden Fall fehlte jede Beurkundung des Verlaufs der versuchten Zwangsvollstreckung; das Protokoll enthielt nichts über die Erklärungen der Ehefrau des Schuldners, über den Grund der Fruchtlosigkeit des Vollstreckungsversuchs, über die Mittel, die angewendet wurden, um den Mißerfolg abzuwenden. Das waren so wesentliche Vorgänge und

Förmlichkeiten, daß von einer vollständig aufgenommenen, also sormgerechten öffentlichen Urkunde keine Rede sein konnte. Da das Protokoll auch schon in der äußeren Form sich als unfertige Beurkundung zu erkennen gab und den Schein der Vollständigkeit nicht für sich tn An­ spruch nahm, konnte auch nicht von einer Falschbeur­ kundung gesprochen werden. Auch der innere Tatbestand einer solchen fehlte, da der Gerichtsvollzieher vor hatte, das Protokoll nachträglich zu ergänzen, es also selbst nicht für eine fertige Urkunde ansah. Es lag also höchstens ein Ver­ such der Falschbeurkundung vor, der nicht strafbar ist. In dem Nachtrag war allerdings die Angabe unrichtig, daß die Fertigstellung des Protokolls wegen Kälte unterblieben sei; dieser Nachtrag hatte aber nicht die Form eines Proto­ kolls und entbehrte des öffentlichen Glaubens. (II, 18. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 125—129. Vgl. Bd. 60 S. 270; Bd. 61 S. 161. 41. Straßenverkehr. (StGB. § 360.) Nach einer zum Schutz des Straßenverkehrs erlassenen Polizeiverordnung hatten sich Fuhrwerke, die ein Gleis der Straßenbahn kreuzen sollten, davon zu überzeugen, ob sich ein Zug oder Wagen der Straßenbahn näherte, und in diesem Fall in angemessener Entfernung von der Bahn zu halten. Ein Lastkraftwagen suchte das Gleis zu überqueren, als ein Straßenbahnwagen noch 50 bis 80 m entfernt war. Das Landgericht nahm an, daß bei diesem Abstand nicht gesagt werden konnte, der Straßenbahnwagen habe sich genähert. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Für die Frage, ob der Straßenbahnwagen sich näherte, kam es nicht nur auf die räumliche Entfernung, sondern wesentlich darauf an, welcher Art der Lastkraftwagen war, der das Straßenbahngleis überqueren wollte, in welcher Weise und mit welcher Geschwindigkeit er sich bewegte. Bei Berücksichtigung all dieser Umstände wäre das Land­ gericht vielleicht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Angeklagte nicht befugt war, Berechnungen darüber anzu­ stellen, ob er gerade noch reibungslos vor dem Straßen­ bahnwagen über das Gleis hinüberkommen konnte. (III, 18. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 129—130. 42. AmtSunterschlagung. Porlohinterziehung. Irr­ tum. (StGB. 88 276, 350; PostG. 8 27.) Ein Postbe­ amter, der Einschreibebriefe zu behandeln hatte, verwen-

Förmlichkeiten, daß von einer vollständig aufgenommenen, also sormgerechten öffentlichen Urkunde keine Rede sein konnte. Da das Protokoll auch schon in der äußeren Form sich als unfertige Beurkundung zu erkennen gab und den Schein der Vollständigkeit nicht für sich tn An­ spruch nahm, konnte auch nicht von einer Falschbeur­ kundung gesprochen werden. Auch der innere Tatbestand einer solchen fehlte, da der Gerichtsvollzieher vor hatte, das Protokoll nachträglich zu ergänzen, es also selbst nicht für eine fertige Urkunde ansah. Es lag also höchstens ein Ver­ such der Falschbeurkundung vor, der nicht strafbar ist. In dem Nachtrag war allerdings die Angabe unrichtig, daß die Fertigstellung des Protokolls wegen Kälte unterblieben sei; dieser Nachtrag hatte aber nicht die Form eines Proto­ kolls und entbehrte des öffentlichen Glaubens. (II, 18. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 125—129. Vgl. Bd. 60 S. 270; Bd. 61 S. 161. 41. Straßenverkehr. (StGB. § 360.) Nach einer zum Schutz des Straßenverkehrs erlassenen Polizeiverordnung hatten sich Fuhrwerke, die ein Gleis der Straßenbahn kreuzen sollten, davon zu überzeugen, ob sich ein Zug oder Wagen der Straßenbahn näherte, und in diesem Fall in angemessener Entfernung von der Bahn zu halten. Ein Lastkraftwagen suchte das Gleis zu überqueren, als ein Straßenbahnwagen noch 50 bis 80 m entfernt war. Das Landgericht nahm an, daß bei diesem Abstand nicht gesagt werden konnte, der Straßenbahnwagen habe sich genähert. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Für die Frage, ob der Straßenbahnwagen sich näherte, kam es nicht nur auf die räumliche Entfernung, sondern wesentlich darauf an, welcher Art der Lastkraftwagen war, der das Straßenbahngleis überqueren wollte, in welcher Weise und mit welcher Geschwindigkeit er sich bewegte. Bei Berücksichtigung all dieser Umstände wäre das Land­ gericht vielleicht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Angeklagte nicht befugt war, Berechnungen darüber anzu­ stellen, ob er gerade noch reibungslos vor dem Straßen­ bahnwagen über das Gleis hinüberkommen konnte. (III, 18. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 129—130. 42. AmtSunterschlagung. Porlohinterziehung. Irr­ tum. (StGB. 88 276, 350; PostG. 8 27.) Ein Postbe­ amter, der Einschreibebriefe zu behandeln hatte, verwen-

Förmlichkeiten, daß von einer vollständig aufgenommenen, also sormgerechten öffentlichen Urkunde keine Rede sein konnte. Da das Protokoll auch schon in der äußeren Form sich als unfertige Beurkundung zu erkennen gab und den Schein der Vollständigkeit nicht für sich tn An­ spruch nahm, konnte auch nicht von einer Falschbeur­ kundung gesprochen werden. Auch der innere Tatbestand einer solchen fehlte, da der Gerichtsvollzieher vor hatte, das Protokoll nachträglich zu ergänzen, es also selbst nicht für eine fertige Urkunde ansah. Es lag also höchstens ein Ver­ such der Falschbeurkundung vor, der nicht strafbar ist. In dem Nachtrag war allerdings die Angabe unrichtig, daß die Fertigstellung des Protokolls wegen Kälte unterblieben sei; dieser Nachtrag hatte aber nicht die Form eines Proto­ kolls und entbehrte des öffentlichen Glaubens. (II, 18. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 125—129. Vgl. Bd. 60 S. 270; Bd. 61 S. 161. 41. Straßenverkehr. (StGB. § 360.) Nach einer zum Schutz des Straßenverkehrs erlassenen Polizeiverordnung hatten sich Fuhrwerke, die ein Gleis der Straßenbahn kreuzen sollten, davon zu überzeugen, ob sich ein Zug oder Wagen der Straßenbahn näherte, und in diesem Fall in angemessener Entfernung von der Bahn zu halten. Ein Lastkraftwagen suchte das Gleis zu überqueren, als ein Straßenbahnwagen noch 50 bis 80 m entfernt war. Das Landgericht nahm an, daß bei diesem Abstand nicht gesagt werden konnte, der Straßenbahnwagen habe sich genähert. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Für die Frage, ob der Straßenbahnwagen sich näherte, kam es nicht nur auf die räumliche Entfernung, sondern wesentlich darauf an, welcher Art der Lastkraftwagen war, der das Straßenbahngleis überqueren wollte, in welcher Weise und mit welcher Geschwindigkeit er sich bewegte. Bei Berücksichtigung all dieser Umstände wäre das Land­ gericht vielleicht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Angeklagte nicht befugt war, Berechnungen darüber anzu­ stellen, ob er gerade noch reibungslos vor dem Straßen­ bahnwagen über das Gleis hinüberkommen konnte. (III, 18. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 129—130. 42. AmtSunterschlagung. Porlohinterziehung. Irr­ tum. (StGB. 88 276, 350; PostG. 8 27.) Ein Postbe­ amter, der Einschreibebriefe zu behandeln hatte, verwen-

bete zu deren Freimachung schon entwertete Marken; bas empfangene Gelb legte er in die Kasse ein. Er behauptete, baß er den auf diese Weise sich ergebenden Überschuß dazu verwenden wollte, um Fehlbeträge, die er aus eigenen Mitteln hätte ersetzen müssen, zu decken. Das 'Landgericht erblickte in diesem Verhalten nur eine unzulässige Ver­ wendung entwerteter Marken, nicht auch eine Amtsunter­ schlagung. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Angeklagte wollte die Geldbeträge, die mit der Zah­ lung Eigentum der Postverwaltung geworden waren, dieser vorenthalten, sich aneignen und als eigenes Geld zur Be­ zahlung einer etwaigen Fehlbetragsschuld in die Kasse legen. Hierin konnte der Tatbestand der Amtsunrerschlagung auch schon dann gefunden werden, wenn das Vor­ handensein von Fehlbeträgen in der Kasse nicht nachweis­ bar war. Zum inneren Tatbestand genügte, daß dem An­ geklagten die sämtlichen äußeren Tatumstände bekannt waren; es war nicht notwendig, daß er seine Handlung als Unterschlagung ansah. Wenn trotz des Vorgehens des Angeklagten die Kasse stimmte, lag die Annahme nahe, daß er entweder den Überschuß aus ihr entnahm, oder die dem Überschuß entsprechende Anzahl von Marken ab­ trennte und sich zueignete; in beiden Fällen lag zweifellos eine Amtsunterschlagung vor. Eine Hinterziehungsstrafe nach dem Postgesetz kam nicht in Frage. Die Vorschrift richtet sich nur gegen den zur Zahlung des Portos ver­ pflichteten Auflieferer einer Sendung, der durch Verwen­ dung entwerteter Marken sich der Portohinterziehung schuldig gemacht hat; sie findet aber keine Anwendung, wenn ein Postbeamter auf eine Sendung, für die der Ab­ sender die Gebühr bei der Auflieferung in barem Geld ent­ richtet hat, entwertete Marken aufgeklebt und den ge­ zahlten Betrag unterschlägt. (I, 19. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 130—133. Vgl. Bd. 22 S. 175.

43. Vollstreckungsvereitelung. Scheinhypothek. Bei­ hilfe. Gesetzeskonkurrenz. (StGB. § 288.) Eine Frau be­ stellte, um einer ihr drohenden Zwangsvollstreckung zu entgehen, im Einverständnis mit ihrem Sohn für diesen auf ihrem Grundstück eine Scheinhypothek und veräußerte dann das Grundstück an einen gutgläubigen Erwerber. Bei der Auflassung bewilligte der Sohn die Löschung eines

bete zu deren Freimachung schon entwertete Marken; bas empfangene Gelb legte er in die Kasse ein. Er behauptete, baß er den auf diese Weise sich ergebenden Überschuß dazu verwenden wollte, um Fehlbeträge, die er aus eigenen Mitteln hätte ersetzen müssen, zu decken. Das 'Landgericht erblickte in diesem Verhalten nur eine unzulässige Ver­ wendung entwerteter Marken, nicht auch eine Amtsunter­ schlagung. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Angeklagte wollte die Geldbeträge, die mit der Zah­ lung Eigentum der Postverwaltung geworden waren, dieser vorenthalten, sich aneignen und als eigenes Geld zur Be­ zahlung einer etwaigen Fehlbetragsschuld in die Kasse legen. Hierin konnte der Tatbestand der Amtsunrerschlagung auch schon dann gefunden werden, wenn das Vor­ handensein von Fehlbeträgen in der Kasse nicht nachweis­ bar war. Zum inneren Tatbestand genügte, daß dem An­ geklagten die sämtlichen äußeren Tatumstände bekannt waren; es war nicht notwendig, daß er seine Handlung als Unterschlagung ansah. Wenn trotz des Vorgehens des Angeklagten die Kasse stimmte, lag die Annahme nahe, daß er entweder den Überschuß aus ihr entnahm, oder die dem Überschuß entsprechende Anzahl von Marken ab­ trennte und sich zueignete; in beiden Fällen lag zweifellos eine Amtsunterschlagung vor. Eine Hinterziehungsstrafe nach dem Postgesetz kam nicht in Frage. Die Vorschrift richtet sich nur gegen den zur Zahlung des Portos ver­ pflichteten Auflieferer einer Sendung, der durch Verwen­ dung entwerteter Marken sich der Portohinterziehung schuldig gemacht hat; sie findet aber keine Anwendung, wenn ein Postbeamter auf eine Sendung, für die der Ab­ sender die Gebühr bei der Auflieferung in barem Geld ent­ richtet hat, entwertete Marken aufgeklebt und den ge­ zahlten Betrag unterschlägt. (I, 19. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 130—133. Vgl. Bd. 22 S. 175.

43. Vollstreckungsvereitelung. Scheinhypothek. Bei­ hilfe. Gesetzeskonkurrenz. (StGB. § 288.) Eine Frau be­ stellte, um einer ihr drohenden Zwangsvollstreckung zu entgehen, im Einverständnis mit ihrem Sohn für diesen auf ihrem Grundstück eine Scheinhypothek und veräußerte dann das Grundstück an einen gutgläubigen Erwerber. Bei der Auflassung bewilligte der Sohn die Löschung eines

Teils der Hypothek und trat deren Rest von 1600 SRJlt ge­ gen Zahlung von 800 9Uh die er der Mutter überließ, anderweit ab. Er wurde wegen Beihilfe zu einem Ver­ gehen der Vollstreckungsvereitelung im rechtlichen Zu­ sammenfluß mit einem eigenen Vergehen der Vollstrekkungsvereitelung verurteilt. Das Reichsgericht verurteilte ihn lediglich wegen Beihilfe zu dem Vergehen der Mutter. Eine und dieselbe Tat kann nicht zugleich mit Täter- und Gehilfenvorsatz begangen werden; der Gehilsenvorsatz geht in einem solchen Fall im Tätervorsatz auf. Die Annahme eines Tätervorsatzes beruhte aber auf einem Rechtsirrtum. Täter einer Vollstreckungsvereitelung kann nur sein, wer vor einer seinem Vermögen drohenden Zwangsvollstreckung seine Vermögensstücke veräußert oder beiseiteschafft. Nicht nötig ist, daß ein persönliches Schuld­ verhältnis besteht; es genügt, daß eine Vollstreckung in das Vermögen droht, sei es auch nur auf Grund ding­ licher oder ehemännlicher Haftung. Aus dem etwa zu er­ wartenden Erbrecht des Sohnes an dem Nachlaß der Müt­ ter ließ sich eine Rechtsstellung als Vollstreckungsschuldner gegenüber den Gläubigern nicht herleiten. In der Ver­ silberung der Hypothek hätte eine Bollstreckungsvereite­ lung nur gefunden werden können, wenn diese Hypothek zu seinem Vermögen gehört und er eine Vollstreckung darin zu befürchten gehabt hätte. Das kam aber nicht in Frage, da die Hypothek nur zum Schein bestellt war, der Sohn durch sie also kein der Vollstreckung gegen ihn zu­ gängliches Vermögen erworben hatte. Die mit der Teil­ abtretung der Scheinhypothek an einen gutgläubigen Drit­ ten bewirkte Vermögensverschiebung traf also nur das Vermögen der Mutter, nicht das des Sohnes. Hier wie bei der Bestellung der Hypothek hatte dieser die Mutter mit einheitlichem Gehilfenvorsatz unterstützt und sich demnach einer fortgesetzten Beihilfe zu ihrem Vergehen schuldig ge­ macht. Zur anderweitigen Straffestsetzung wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 15. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 133—136. Vgl. Bd. 13 S. 140. 44. Versammlung. (RepSchG. § 8.) In einer nicht öffentlichen Sitzung eines Schulvorstandes, die von drei Personen besucht war, erklärte einer der Teilnehmer die Reichsfahne als Mostrichfahne. Er wurde wegen Be-

Teils der Hypothek und trat deren Rest von 1600 SRJlt ge­ gen Zahlung von 800 9Uh die er der Mutter überließ, anderweit ab. Er wurde wegen Beihilfe zu einem Ver­ gehen der Vollstreckungsvereitelung im rechtlichen Zu­ sammenfluß mit einem eigenen Vergehen der Vollstrekkungsvereitelung verurteilt. Das Reichsgericht verurteilte ihn lediglich wegen Beihilfe zu dem Vergehen der Mutter. Eine und dieselbe Tat kann nicht zugleich mit Täter- und Gehilfenvorsatz begangen werden; der Gehilsenvorsatz geht in einem solchen Fall im Tätervorsatz auf. Die Annahme eines Tätervorsatzes beruhte aber auf einem Rechtsirrtum. Täter einer Vollstreckungsvereitelung kann nur sein, wer vor einer seinem Vermögen drohenden Zwangsvollstreckung seine Vermögensstücke veräußert oder beiseiteschafft. Nicht nötig ist, daß ein persönliches Schuld­ verhältnis besteht; es genügt, daß eine Vollstreckung in das Vermögen droht, sei es auch nur auf Grund ding­ licher oder ehemännlicher Haftung. Aus dem etwa zu er­ wartenden Erbrecht des Sohnes an dem Nachlaß der Müt­ ter ließ sich eine Rechtsstellung als Vollstreckungsschuldner gegenüber den Gläubigern nicht herleiten. In der Ver­ silberung der Hypothek hätte eine Bollstreckungsvereite­ lung nur gefunden werden können, wenn diese Hypothek zu seinem Vermögen gehört und er eine Vollstreckung darin zu befürchten gehabt hätte. Das kam aber nicht in Frage, da die Hypothek nur zum Schein bestellt war, der Sohn durch sie also kein der Vollstreckung gegen ihn zu­ gängliches Vermögen erworben hatte. Die mit der Teil­ abtretung der Scheinhypothek an einen gutgläubigen Drit­ ten bewirkte Vermögensverschiebung traf also nur das Vermögen der Mutter, nicht das des Sohnes. Hier wie bei der Bestellung der Hypothek hatte dieser die Mutter mit einheitlichem Gehilfenvorsatz unterstützt und sich demnach einer fortgesetzten Beihilfe zu ihrem Vergehen schuldig ge­ macht. Zur anderweitigen Straffestsetzung wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 15. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 133—136. Vgl. Bd. 13 S. 140. 44. Versammlung. (RepSchG. § 8.) In einer nicht öffentlichen Sitzung eines Schulvorstandes, die von drei Personen besucht war, erklärte einer der Teilnehmer die Reichsfahne als Mostrichfahne. Er wurde wegen Be-

schimpfung der Reichsfarben in einer Versammlung ver­ urteilt. Das Reichsgericht sprach ihn frei. Mit der Äuße­ rung waren die Reichsfarben beschimpft worden; doch war das nicht in einer Versammlung geschehen. Unter einer solchen kann nur das Zusammensein und Zusammenhalten einer größeren Personenmehrheit verstanden werden, die sich an einem bestimmten Ort zu bewußt gemeinsamen Zwecken eingefunden hat. Nichts spricht dafür, daß für das Gebiet des Republikschutzgesetzes der Begriff anders aus­ zulegen sei. Nach diesem Gesetz sollen beschimpfende Äuße­ rungen nur strafbar sein, wenn sie öffentlich oder in einer Versammlung getan werden. Die Gleichstellung beruht ersichtlich auf dem Gedanken, daß den beiden Äußerungs­ weisen eine gleich große Verwerflichkeit und Gefährlichkeit zukomme, weil sie einer größeren Zahl von Personen zu­ gänglich werden und dadurch den öffentlichen Frieden und die Staatssicherheit in besonders hohem Maße ge­ fährden. (II, 22. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 136—138. Vgl. Bd. 21 S. 71; Bd. 46 S. 32; Bd. 57 S. 343. 45. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Betrug. Falschbeurkundung. Tateinheit. Gesetzeseinheit. (StGB. §§ 355, 359, 361.) Ein Zollbeamter, der die Ausgabe hatte, Branntwein, der zu ermäßigtem Preis abgegeben worden war, zu vergällen, unterließ das in einem Fall und bescheinigte in den darüber zu führenden Büchern fälschlich eine ordnungsgemäße Vornahme. Er wurde we­ gen Falschbeurkundung, Beihilfe zur Branntweinhinter­ ziehung und Beihilfe zum Betrug, alle Vergehen in Tat­ einheit, verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug auf. Der Betrug war darin gefunden worden, daß den für die Abgabe von verbil­ ligtem Branntwein zuständigen Stellen vorgespiegelt wor­ den war, dieser werde nur zur Herstellung von Lack ver­ wendet werden. Damit wurde allerdings der Tatbestand des Betrugs erfüllt; die Strafvorschrift für Branntwein­ hinterziehung ist aber als reichsgesehliches Sonderrecht anzusehen, das in seinem Bereich dem allgemeinen Straf­ recht vorgeht und dessen gleichzeitige Anwendung aus­ schließt. Schon das Strafgesetzbuch (§ 2) sieht vor, daß die Vorschriften des Zoll- und Steuerstrasrechts seinen eige-

schimpfung der Reichsfarben in einer Versammlung ver­ urteilt. Das Reichsgericht sprach ihn frei. Mit der Äuße­ rung waren die Reichsfarben beschimpft worden; doch war das nicht in einer Versammlung geschehen. Unter einer solchen kann nur das Zusammensein und Zusammenhalten einer größeren Personenmehrheit verstanden werden, die sich an einem bestimmten Ort zu bewußt gemeinsamen Zwecken eingefunden hat. Nichts spricht dafür, daß für das Gebiet des Republikschutzgesetzes der Begriff anders aus­ zulegen sei. Nach diesem Gesetz sollen beschimpfende Äuße­ rungen nur strafbar sein, wenn sie öffentlich oder in einer Versammlung getan werden. Die Gleichstellung beruht ersichtlich auf dem Gedanken, daß den beiden Äußerungs­ weisen eine gleich große Verwerflichkeit und Gefährlichkeit zukomme, weil sie einer größeren Zahl von Personen zu­ gänglich werden und dadurch den öffentlichen Frieden und die Staatssicherheit in besonders hohem Maße ge­ fährden. (II, 22. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 136—138. Vgl. Bd. 21 S. 71; Bd. 46 S. 32; Bd. 57 S. 343. 45. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Betrug. Falschbeurkundung. Tateinheit. Gesetzeseinheit. (StGB. §§ 355, 359, 361.) Ein Zollbeamter, der die Ausgabe hatte, Branntwein, der zu ermäßigtem Preis abgegeben worden war, zu vergällen, unterließ das in einem Fall und bescheinigte in den darüber zu führenden Büchern fälschlich eine ordnungsgemäße Vornahme. Er wurde we­ gen Falschbeurkundung, Beihilfe zur Branntweinhinter­ ziehung und Beihilfe zum Betrug, alle Vergehen in Tat­ einheit, verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug auf. Der Betrug war darin gefunden worden, daß den für die Abgabe von verbil­ ligtem Branntwein zuständigen Stellen vorgespiegelt wor­ den war, dieser werde nur zur Herstellung von Lack ver­ wendet werden. Damit wurde allerdings der Tatbestand des Betrugs erfüllt; die Strafvorschrift für Branntwein­ hinterziehung ist aber als reichsgesehliches Sonderrecht anzusehen, das in seinem Bereich dem allgemeinen Straf­ recht vorgeht und dessen gleichzeitige Anwendung aus­ schließt. Schon das Strafgesetzbuch (§ 2) sieht vor, daß die Vorschriften des Zoll- und Steuerstrasrechts seinen eige-

nen Vorschriften vorgehen. Nach der Reichsabgabenord­ nung (§ 355) gilt das Strafgesetzbuch nur, soweit das Steuergesetz nichts abweichendes vorschreibt. Hiernach wird die Anwendung des Strafgesetzbuchs ausgeschlossen, soweit die Steuergesetze Sondervorschriften enthalten. Tatein­ heit zwischen Steuerhinterziehung und Betrug kann hier­ nach nur in Frage kommen, wenn eine Zuwiderhandlung vorliegt, die über den Rahmen des eigentlichen Hinter­ ziehungstatbestandes hinausgeht; ist das nicht der Fall, wird vielmehr lediglich der unmittelbare Hinterziehungs­ tatbestand verwirklicht, so ist ungeachtet einer darin etwa zugleich liegenden Verwirklichung des Tatbestandes des Betrugs die Annahme von Tateinheit ausgeschlossen. Diese ausschließliche Anwendbarkeit des Steuerstrafrechts ist nicht auf Gesetzeseinheit zurückzusühren, wie sie vorliegt, wenn von zwei Strafgesetzen von gleich starker Geltung das Zuwiderhandeln gegen das eine Gesetz in der nach dem anderen Gesetz strafbaren Handlung aufgeht und von ihr aufgezehrt wird, weil seine Begehung ein Tatbestands­ merkmal der anderen Straftat bildet und bei deren Ver­ übung dem regelmäßigen Verlauf der Dinge entspricht (wie Hausfriedensbruch im Verhältnis zum Einbruchdieb­ stahl). Vielmehr handelt es sich hier um Strafgesetze, von denen das eine als Sondergesetz innerhalb des im vor­ erwähnten Gebiete dem anderen (allgemeinen) Strafgesetz vorgeht und dessen Anwendung ausschließt. Das gilt auch für das Gebiet des Branntweinmonopolgesetzes. Seine Strafvorschriften stellen ein Sonderstrafrecht dar, das zwar so wenig erschöpfend ist, wie jenes der Reichsab­ gabenordnung, aber, ebenso wie dieses, kraft seiner Eigen­ schaft als reichsgesetzliches Sonderstrafrecht für sein Gebiet die Anwendung des allgemeinen Strafrechts ausschließt. Obwohl die Einnahmen aus dem Branntweinmonopol nicht zu den Steuern und sonstigen Abgaben im Sinne der Reichsabgabenordnung gehören, hat das Branntwein­ monopolgesetz doch seine Vorschriften, namentlich bezüg­ lich des Hinterziehungstatbestandes, denen der Reichsab­ gabenordnung nicht nur angepaßt, sondern sich auch die grundlegenden Vorschriften der Reichsabgabenordnung in weitem Umfange einverleibt, so daß sie zum Bestandteil des Monopolstrafrechts geworden sind. Dadurch hat es unzweideutig zu erkennen gegeben, daß sein Sonderstraf-

recht, ebenso wie jenes der Reichsabgabenordnung, dem gemeinen Strafrecht vorgeht und dessen Anwendung aus­ schließt. (II, 25. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 139-144. Vgl. Bd. 2 S. 405; Bd. 4 S. 50; Bd. 20 S. 305; Bd.46 S. 186; Bd.51 S. 256; Bd. 56 S. 12, 65, 335; Bd. 60 S. 97, 161, 237; Bd. 62 S. 410. 46. Einfuhrbewilligung. Besetztes Gebiet. (EinfBO. 1924.) Nach dem Rheinlandabkommen von 1919 genießen Vorräte aller Art, die für den Verbrauch der besetzten Ge­ biete bestimmt sind, völlige Freiheit von Fracht und Einfuhrzoll. Beim Abzug der belgischen Besatzung wurden zwei Armeekraftwagen verkauft; der Erwerber veräußerte einen davon weiter. Sowohl er als sein Abnehmer wurden wegen Nichteinholung der Einfuhrbewilligung verurteilt. Die Revision des zweiten Erwerbers wurde als begründet anerkannt. Aus dem Zweck des Rheinlandabkommens und aus der Natur der Sache ergab sich, daß, soweit die Frei­ heit von Fracht und Einfuhrzoll reichte, auch eine Einfuhr­ bewilligung nicht in Frage kam; wie aber die Zölle und Steuern zu entrichten waren, wenn die Waren in den freien Jnlandsverkehr übergingen, so war für diesen Fall auch die nachträgliche Einfuhrbewilligung einzuholen, wenn es sich um Gegenstände handelte, für deren Ein­ führung an sich eine Bewilligung notwendig war. Wenn auch, wörtlich genommen, in einem solchen Fall keine Ein­ fuhr vorlag, hatte doch der Erwerb als Einfuhr zu gelten. Der erste Erwerber war demgemäß mit Recht verurteilt worden; beim zweiten Erwerb war dagegen die (ange­ nommene) Einfuhr schon vollendet und es konnte ein neues Einfuhrvergehen nicht mehr begangen werden. Da auch der Tatbestand der Beihilfe, der Begünstigung und der Hehlerei nicht nachgewiesen waren, erfolgte Frei­ sprechung. (III, 22. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 145-148. Vgl. Bd. 53 S. 30; Bd. 55 S. 286. 47. Öffentliche Urkunde. Beglaubigung. Gemeinde­ behörde. Irrtum. Falschbeurkundung. Gewinnsucht. (StGB. 88 267, 271, 272, 348, RheinLGO. §§ 66, 108.) Der kommissarische Bürgermeister einer rheinischen Ge­ meinde fertigte eine falsche Protokollabschrift aus dem Beschlußbuch der Gemeinde über einen seine Wähl zum

recht, ebenso wie jenes der Reichsabgabenordnung, dem gemeinen Strafrecht vorgeht und dessen Anwendung aus­ schließt. (II, 25. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 139-144. Vgl. Bd. 2 S. 405; Bd. 4 S. 50; Bd. 20 S. 305; Bd.46 S. 186; Bd.51 S. 256; Bd. 56 S. 12, 65, 335; Bd. 60 S. 97, 161, 237; Bd. 62 S. 410. 46. Einfuhrbewilligung. Besetztes Gebiet. (EinfBO. 1924.) Nach dem Rheinlandabkommen von 1919 genießen Vorräte aller Art, die für den Verbrauch der besetzten Ge­ biete bestimmt sind, völlige Freiheit von Fracht und Einfuhrzoll. Beim Abzug der belgischen Besatzung wurden zwei Armeekraftwagen verkauft; der Erwerber veräußerte einen davon weiter. Sowohl er als sein Abnehmer wurden wegen Nichteinholung der Einfuhrbewilligung verurteilt. Die Revision des zweiten Erwerbers wurde als begründet anerkannt. Aus dem Zweck des Rheinlandabkommens und aus der Natur der Sache ergab sich, daß, soweit die Frei­ heit von Fracht und Einfuhrzoll reichte, auch eine Einfuhr­ bewilligung nicht in Frage kam; wie aber die Zölle und Steuern zu entrichten waren, wenn die Waren in den freien Jnlandsverkehr übergingen, so war für diesen Fall auch die nachträgliche Einfuhrbewilligung einzuholen, wenn es sich um Gegenstände handelte, für deren Ein­ führung an sich eine Bewilligung notwendig war. Wenn auch, wörtlich genommen, in einem solchen Fall keine Ein­ fuhr vorlag, hatte doch der Erwerb als Einfuhr zu gelten. Der erste Erwerber war demgemäß mit Recht verurteilt worden; beim zweiten Erwerb war dagegen die (ange­ nommene) Einfuhr schon vollendet und es konnte ein neues Einfuhrvergehen nicht mehr begangen werden. Da auch der Tatbestand der Beihilfe, der Begünstigung und der Hehlerei nicht nachgewiesen waren, erfolgte Frei­ sprechung. (III, 22. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 145-148. Vgl. Bd. 53 S. 30; Bd. 55 S. 286. 47. Öffentliche Urkunde. Beglaubigung. Gemeinde­ behörde. Irrtum. Falschbeurkundung. Gewinnsucht. (StGB. 88 267, 271, 272, 348, RheinLGO. §§ 66, 108.) Der kommissarische Bürgermeister einer rheinischen Ge­ meinde fertigte eine falsche Protokollabschrift aus dem Beschlußbuch der Gemeinde über einen seine Wähl zum

recht, ebenso wie jenes der Reichsabgabenordnung, dem gemeinen Strafrecht vorgeht und dessen Anwendung aus­ schließt. (II, 25. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 139-144. Vgl. Bd. 2 S. 405; Bd. 4 S. 50; Bd. 20 S. 305; Bd.46 S. 186; Bd.51 S. 256; Bd. 56 S. 12, 65, 335; Bd. 60 S. 97, 161, 237; Bd. 62 S. 410. 46. Einfuhrbewilligung. Besetztes Gebiet. (EinfBO. 1924.) Nach dem Rheinlandabkommen von 1919 genießen Vorräte aller Art, die für den Verbrauch der besetzten Ge­ biete bestimmt sind, völlige Freiheit von Fracht und Einfuhrzoll. Beim Abzug der belgischen Besatzung wurden zwei Armeekraftwagen verkauft; der Erwerber veräußerte einen davon weiter. Sowohl er als sein Abnehmer wurden wegen Nichteinholung der Einfuhrbewilligung verurteilt. Die Revision des zweiten Erwerbers wurde als begründet anerkannt. Aus dem Zweck des Rheinlandabkommens und aus der Natur der Sache ergab sich, daß, soweit die Frei­ heit von Fracht und Einfuhrzoll reichte, auch eine Einfuhr­ bewilligung nicht in Frage kam; wie aber die Zölle und Steuern zu entrichten waren, wenn die Waren in den freien Jnlandsverkehr übergingen, so war für diesen Fall auch die nachträgliche Einfuhrbewilligung einzuholen, wenn es sich um Gegenstände handelte, für deren Ein­ führung an sich eine Bewilligung notwendig war. Wenn auch, wörtlich genommen, in einem solchen Fall keine Ein­ fuhr vorlag, hatte doch der Erwerb als Einfuhr zu gelten. Der erste Erwerber war demgemäß mit Recht verurteilt worden; beim zweiten Erwerb war dagegen die (ange­ nommene) Einfuhr schon vollendet und es konnte ein neues Einfuhrvergehen nicht mehr begangen werden. Da auch der Tatbestand der Beihilfe, der Begünstigung und der Hehlerei nicht nachgewiesen waren, erfolgte Frei­ sprechung. (III, 22. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 145-148. Vgl. Bd. 53 S. 30; Bd. 55 S. 286. 47. Öffentliche Urkunde. Beglaubigung. Gemeinde­ behörde. Irrtum. Falschbeurkundung. Gewinnsucht. (StGB. 88 267, 271, 272, 348, RheinLGO. §§ 66, 108.) Der kommissarische Bürgermeister einer rheinischen Ge­ meinde fertigte eine falsche Protokollabschrift aus dem Beschlußbuch der Gemeinde über einen seine Wähl zum

Bürgermeister betreffenden Gemeinderatsbeschluß und veranlaßte den Beigeordneten, sie zu beglaubigen und der Aufsichtsbehörde einzusenden. In einem zweiten Fall setzte er selbst den Beglaubigungsvermerk unter eine un­ richtige Abschrift eines Beschlusses des Gemeinderats über die Aufnahme eines Darlehens der Gemeinde bei der Gemeindesparkasse und reichte die Urkunde beim Kreisaus­ schuß zur Erlangung der vorgeschriebenen Genehmigung ein. Das Schöffengericht sprach ihn frei mit der Begrün­ dung, daß die beglaubigten Protokollauszüge keine öffent­ lichen Urkunden seien. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Beglaubigungsformel „Für die Richtigkeit des Auszugs" bedeutet die Feststellung der Tatsache, daß die Abschrift mit der Urschrift verglichen und mit ihr über­ einstimmend befunden worden ist. Ob sie besagt, daß der beurkundende Beamte selbst die Übereinstimmung festge­ stellt hat, ist eine Frage der Auslegung. Wenn im ersten Fall der Beigeordnete annahm, daß der Angeklagte die Übereinstimmung geprüft und festgestellt habe, lag bei ihm keine wissentliche Beurkundung einer unwahren Tatsache vor; er handelte dann nur als gutgläubiges Werkzeug des Angeklagten. Als öffentliche Urkunden waren die Ab­ schriften anzusehen. Unter diesen Begriff fallen die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Ge­ schäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenom­ menen Urkunden. Unter Ausnahme einer Urkunde ist jede Tätigkeit eines Beamten zu verstehen, durch die er von ihm oder von anderen abgegebene ErÜärungen oder von ihm als Beamten gemachte Wahrnehmungen oder voll­ zogene Tatsachen zum Zwecke des Beweises feststellt. Die Zuständigkeit wird durch reichs- und landesrechtliche Vor­ schriften geregelt. Die weitverbreitete Übung von Amts­ stellen, die ein Dienstsiegel führen, private Personenunterschriften oder Abschriften zu beglaubigen, verleiht solchen Urkundsakten, soferne sie nicht zu dem der Amtsstelle zugewiesenen Geschäftskreis gehören, keinen öffentlichen Glauben im Rechtssinne; insbesondere steht den Polizei­ verwaltungen und Gemeindebehörden in Preußen ein der­ artiges Beglaubigungsrecht allgemein nicht zu. Aus­ nahmsweise kann aber eine solche Beglaubigung in den RGE.'Strafsachen Dd. 63.

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Geschäftsbereich der Gemeindebehörden fallen. Der Bür­ germeister im Gebiete der Landesgemeindeordnung für die rheinischen Provinzen gehört zu den mit öffentlichem Glauben versehenen Personen; es war also nur zu prüfen, ob die in Betracht kommenden Beglaubigungen in den Rahmen seiner Zuständigkeit fielen. Er ist nach der Landgemeindeordnung die allein ausführende Behörde. Schon daraus ergibt sich ohne weiteres seine Befugnis zur Beurkundung von Ausfertigungen von Gemeinderatsbe­ schlüssen, soferne deren Ausführung das erfordert, und folglich auch von beglaubigten Abschriften solcher Be­ schlüsse, da die Ausfertigung sachlich nur eine mit beson­ derer rechtlicher Bedeutung ausgestattete, zu öffentlichem Glauben hergestellte Abschrift ist. Für Einzelfätle ist eine derartige Betätigung des Bürgermeisters ausdrücklich vor­ gesehen (Urkunden, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll und die ihnen beizufügenden oder die sonst als Berechtigungsausweis des Bürgermeisters dienenden Ausfertigungen von Beschlüssen des Gemeinderats). Für diese Sonderfälle der Beurkundung sind strengere Formen vorgeschrieben (Mitwirkung des Vorstehers oder zweier Gemeinderatsmitglieder), in allen anderen Fällen, wo es der Beurkundung von Gemeinderatsbeschlüssen in beglau­ bigter Form bedarf, ist dafür der Bürgermeister allein zu­ ständig und gilt als Form hiefür die eigenhändige Unter­ schrift unter Beifügung des Amtscharakters und des Dienstsiegels. Da der Begriff der öffentlichen Urkunde strafrechtlicher Natur ist, kann ein Irrtum in dieser Hin­ sicht nicht von Schuld befreien; zur Feststellung des Täter­ vorsatzes genügt vielmehr die Kenntnis der Tatumstände, aus denen sich die Eigenschaft der beglaubigten Abschriften als öffentliche Urkunden ergibt. In Frage kam auch, ob der Angeklagte aus Gewinnsucht gehandelt hatte. Das war anzunehmen, wenn er im ersten Fall darauf abzielte, durch seine endgültige Anstellung als Bürgermeister die damit verbundenen Bezüge zu erlangen. Im zweiten Falle ge­ nügte es, wenn die Gemeinde aus der Genehmigung der Anleihe einen Vorteil hatte. Das Schöffengericht hatte das mit der Begründung verneint, daß die Sparkasse nur eine Veranstaltung der Gemeinde, kein selbständiges Rechtssubjekt darstÄle. Aus der Rechtsstellung der Ge­ meinde als Eigentümerin des Sparkassenvermögens folgte

aber noch nicht ihre Befugnis, über dieses Vermögen frei zu verfügen; die Erlangung der freien Verfügung über den dem Anleihebetrag entsprechenden Teil des Sparkassen­ vermögens konnte für die Gemeinde daher ebenso einen Vermögensvorteil bedeuten wie die Erlangung eines Dar­ lehens von anderer Seite. (III, 29. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 148-153. Vgl. Bd.4 S. 246; Bd. 9 S. 240; Bd. 11 S. 257; Bd. 13 S. 52; Bd. 22 S. 151; Bd. 27 S. 100; Bd. 41 S. 189; Bd. 42 S. 233; Bd.58 S. 280; Bd. 60 S. 209. 48. Notbetrug. Geringwertiger Gegenstand. (StGB. §§ 248 a, 264 a.) Durch unwahre Behauptungen erzielte jemand, daß ihm freie Wohnung eingeräumt wurde. Das Landgericht erachtete den Tatbestand des Notbetrugs des­ wegen nicht für gegeben, weil dieser nur dann zutrifst, wenn jemand aus Not sich oder einem Dritten gering­ wertige Gegenstände zum Schaden eines anderen durch Täuschung verschafft, eine Wohnung aber nicht als Gegen­ stand im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden sönne. Das Reichsgericht trat mit ausführlicher, aus die ge­ schichtliche Entwicklung gestützter Begründung dieser Aus­ legung bei. Der Begriff der geringwertigen Gegenstände findet sich sowohl beim Tatbestand des Notdiebstahls wie des Notbetrugs. Da ein Diebstahl nur an beweglichen Sachen begangen werden kann, steht außer Zweifel, daß dort unter geringwertigen Gegenständen nur bewegliche Sachen zu verstehen sind. Die Vorschrift über den Not­ betrug wurde durch das gleiche Gesetz geschaffen wie jene über den Notdiebstahl; daraus ist zu folgern, daß der Be­ griff der geringwertigen Gegenstände in den beiden Be­ stimmungen im gleichen Sinne gebraucht wurde. (I, 30. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 153—157. 49. Versuch. Rücktritt. Tätige Neue. (StGB. § 46.) Ein Rechtsanwalt zog für einen Kaufmann Geldbeträge von dessen Schuldner ein. Der Kaufmann geriet in Kon­ kurs; der Konkursverwalter verlangte von dem Rechts­ anwalt eine Abrechnung darüber, welche Beträge er noch in seinem Besitz hatte. Der Rechtsanwalt verschwieg einen Betrag von 100 RM. in der Absicht, dieses Geld dem Kaufmann zuzuwenden und erklärte wahrheitswidrig, der Betrag sei vom Schuldner unmittelbar an den Kaufmann gezahlt worden. Auf eine nochmalige Anfrage des Kon-

aber noch nicht ihre Befugnis, über dieses Vermögen frei zu verfügen; die Erlangung der freien Verfügung über den dem Anleihebetrag entsprechenden Teil des Sparkassen­ vermögens konnte für die Gemeinde daher ebenso einen Vermögensvorteil bedeuten wie die Erlangung eines Dar­ lehens von anderer Seite. (III, 29. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 148-153. Vgl. Bd.4 S. 246; Bd. 9 S. 240; Bd. 11 S. 257; Bd. 13 S. 52; Bd. 22 S. 151; Bd. 27 S. 100; Bd. 41 S. 189; Bd. 42 S. 233; Bd.58 S. 280; Bd. 60 S. 209. 48. Notbetrug. Geringwertiger Gegenstand. (StGB. §§ 248 a, 264 a.) Durch unwahre Behauptungen erzielte jemand, daß ihm freie Wohnung eingeräumt wurde. Das Landgericht erachtete den Tatbestand des Notbetrugs des­ wegen nicht für gegeben, weil dieser nur dann zutrifst, wenn jemand aus Not sich oder einem Dritten gering­ wertige Gegenstände zum Schaden eines anderen durch Täuschung verschafft, eine Wohnung aber nicht als Gegen­ stand im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden sönne. Das Reichsgericht trat mit ausführlicher, aus die ge­ schichtliche Entwicklung gestützter Begründung dieser Aus­ legung bei. Der Begriff der geringwertigen Gegenstände findet sich sowohl beim Tatbestand des Notdiebstahls wie des Notbetrugs. Da ein Diebstahl nur an beweglichen Sachen begangen werden kann, steht außer Zweifel, daß dort unter geringwertigen Gegenständen nur bewegliche Sachen zu verstehen sind. Die Vorschrift über den Not­ betrug wurde durch das gleiche Gesetz geschaffen wie jene über den Notdiebstahl; daraus ist zu folgern, daß der Be­ griff der geringwertigen Gegenstände in den beiden Be­ stimmungen im gleichen Sinne gebraucht wurde. (I, 30. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 153—157. 49. Versuch. Rücktritt. Tätige Neue. (StGB. § 46.) Ein Rechtsanwalt zog für einen Kaufmann Geldbeträge von dessen Schuldner ein. Der Kaufmann geriet in Kon­ kurs; der Konkursverwalter verlangte von dem Rechts­ anwalt eine Abrechnung darüber, welche Beträge er noch in seinem Besitz hatte. Der Rechtsanwalt verschwieg einen Betrag von 100 RM. in der Absicht, dieses Geld dem Kaufmann zuzuwenden und erklärte wahrheitswidrig, der Betrag sei vom Schuldner unmittelbar an den Kaufmann gezahlt worden. Auf eine nochmalige Anfrage des Kon-

aber noch nicht ihre Befugnis, über dieses Vermögen frei zu verfügen; die Erlangung der freien Verfügung über den dem Anleihebetrag entsprechenden Teil des Sparkassen­ vermögens konnte für die Gemeinde daher ebenso einen Vermögensvorteil bedeuten wie die Erlangung eines Dar­ lehens von anderer Seite. (III, 29. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 148-153. Vgl. Bd.4 S. 246; Bd. 9 S. 240; Bd. 11 S. 257; Bd. 13 S. 52; Bd. 22 S. 151; Bd. 27 S. 100; Bd. 41 S. 189; Bd. 42 S. 233; Bd.58 S. 280; Bd. 60 S. 209. 48. Notbetrug. Geringwertiger Gegenstand. (StGB. §§ 248 a, 264 a.) Durch unwahre Behauptungen erzielte jemand, daß ihm freie Wohnung eingeräumt wurde. Das Landgericht erachtete den Tatbestand des Notbetrugs des­ wegen nicht für gegeben, weil dieser nur dann zutrifst, wenn jemand aus Not sich oder einem Dritten gering­ wertige Gegenstände zum Schaden eines anderen durch Täuschung verschafft, eine Wohnung aber nicht als Gegen­ stand im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden sönne. Das Reichsgericht trat mit ausführlicher, aus die ge­ schichtliche Entwicklung gestützter Begründung dieser Aus­ legung bei. Der Begriff der geringwertigen Gegenstände findet sich sowohl beim Tatbestand des Notdiebstahls wie des Notbetrugs. Da ein Diebstahl nur an beweglichen Sachen begangen werden kann, steht außer Zweifel, daß dort unter geringwertigen Gegenständen nur bewegliche Sachen zu verstehen sind. Die Vorschrift über den Not­ betrug wurde durch das gleiche Gesetz geschaffen wie jene über den Notdiebstahl; daraus ist zu folgern, daß der Be­ griff der geringwertigen Gegenstände in den beiden Be­ stimmungen im gleichen Sinne gebraucht wurde. (I, 30. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 153—157. 49. Versuch. Rücktritt. Tätige Neue. (StGB. § 46.) Ein Rechtsanwalt zog für einen Kaufmann Geldbeträge von dessen Schuldner ein. Der Kaufmann geriet in Kon­ kurs; der Konkursverwalter verlangte von dem Rechts­ anwalt eine Abrechnung darüber, welche Beträge er noch in seinem Besitz hatte. Der Rechtsanwalt verschwieg einen Betrag von 100 RM. in der Absicht, dieses Geld dem Kaufmann zuzuwenden und erklärte wahrheitswidrig, der Betrag sei vom Schuldner unmittelbar an den Kaufmann gezahlt worden. Auf eine nochmalige Anfrage des Kon-

kursverwalters schickte der Rechtsanwalt diesem den Be­ trag und bat, das Versehen zu entschuldigen. Er wurde wegen Betrugsversuch verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Zu der Zeit, da der Angeklagte das zurück­ behaltene Geld übersandte, war allerdings der Sachver­ halt noch nicht entdeckt, wohl aber glaubte der Ange­ klagte, daß der Konkursverwalter Kenntnis davon habe. Für einen Rücktritt vom Versuch ist kein Raum, wenn der Täter, zutreffend oder fälschlich, sein Unternehmen schon für gescheitert hält. (III, 6. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 158—160.

50. Kuppelei. Veränderung des rechtlichen Gesichts­ punkts. (StGB. § 180; StPO. § 265.) Das Verfahren war wegen Vergehens nach § 180 Abs. 1 StGB, eröffnet worden; verurteilt wurde wegen Vergehens nach § 180 Abs. 2. Ein Hinweis auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes war unterblieben. Das Reichsgericht er­ klärte das für unschädlich. § 180 Abs. 2 ist im Verhältnis zum Abs. 1 nicht als ein anderes Strafgesetz anzusehen. Entscheidend ist freilich nicht, daß die beiden Vorschriften in einem Paragraphen des Strafgesetzbuchs zusammen­ gefaßt sind; vielmehr kommt es darauf an, ob es sich um zwei in ihrer tatsächlichen und rechtlichen Gestaltung ver­ schiedene Tatbestände handelt. Das traf hier nicht zu. Abs. 2 steht mit Abs. 1 im engsten Zusammenhang und führt nur ein besonders wichtiges Beispiel der im Abs. 1 unter Strafe gestellten Handlung an. (III, 13. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 160. Vgl. Bd. 36 S. 23, 266; Bd. 40 S. 114; Bd. 62 S. 339.

51. Rauschgift. Inverkehrbringen. Lieferungsvermitt­ lung. (OpiumG. §§ 2, 8.) Für eine chemische Fabrik, welche die Erlaubnis zum Handel mit Opium besaß, wurde ein Kauf von Opium vermittelt. Der Vermittler wurde wegen Vergehens gegen das Opiumgesetz angeklagt, aber freigesprochen; das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Das Opiumgesetz (§ 2) gestattet den Handel mit Opium und ähnlichen Rauschgiften nur den Personen, denen hiezu die Eüaubnis erteilt worden ist. Zu diesen gehörte der Angeklagte nicht. Der unerlaubte Handel ist aber nicht in vollem Umfang unter Strafe gestellt. Vielmehr sind in der Strafvorschrift (§ 8) nur ganz bestimmte Handlungen und darüber hinaus allgemein das Inverkehrbringen der

kursverwalters schickte der Rechtsanwalt diesem den Be­ trag und bat, das Versehen zu entschuldigen. Er wurde wegen Betrugsversuch verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Zu der Zeit, da der Angeklagte das zurück­ behaltene Geld übersandte, war allerdings der Sachver­ halt noch nicht entdeckt, wohl aber glaubte der Ange­ klagte, daß der Konkursverwalter Kenntnis davon habe. Für einen Rücktritt vom Versuch ist kein Raum, wenn der Täter, zutreffend oder fälschlich, sein Unternehmen schon für gescheitert hält. (III, 6. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 158—160.

50. Kuppelei. Veränderung des rechtlichen Gesichts­ punkts. (StGB. § 180; StPO. § 265.) Das Verfahren war wegen Vergehens nach § 180 Abs. 1 StGB, eröffnet worden; verurteilt wurde wegen Vergehens nach § 180 Abs. 2. Ein Hinweis auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes war unterblieben. Das Reichsgericht er­ klärte das für unschädlich. § 180 Abs. 2 ist im Verhältnis zum Abs. 1 nicht als ein anderes Strafgesetz anzusehen. Entscheidend ist freilich nicht, daß die beiden Vorschriften in einem Paragraphen des Strafgesetzbuchs zusammen­ gefaßt sind; vielmehr kommt es darauf an, ob es sich um zwei in ihrer tatsächlichen und rechtlichen Gestaltung ver­ schiedene Tatbestände handelt. Das traf hier nicht zu. Abs. 2 steht mit Abs. 1 im engsten Zusammenhang und führt nur ein besonders wichtiges Beispiel der im Abs. 1 unter Strafe gestellten Handlung an. (III, 13. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 160. Vgl. Bd. 36 S. 23, 266; Bd. 40 S. 114; Bd. 62 S. 339.

51. Rauschgift. Inverkehrbringen. Lieferungsvermitt­ lung. (OpiumG. §§ 2, 8.) Für eine chemische Fabrik, welche die Erlaubnis zum Handel mit Opium besaß, wurde ein Kauf von Opium vermittelt. Der Vermittler wurde wegen Vergehens gegen das Opiumgesetz angeklagt, aber freigesprochen; das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Das Opiumgesetz (§ 2) gestattet den Handel mit Opium und ähnlichen Rauschgiften nur den Personen, denen hiezu die Eüaubnis erteilt worden ist. Zu diesen gehörte der Angeklagte nicht. Der unerlaubte Handel ist aber nicht in vollem Umfang unter Strafe gestellt. Vielmehr sind in der Strafvorschrift (§ 8) nur ganz bestimmte Handlungen und darüber hinaus allgemein das Inverkehrbringen der

kursverwalters schickte der Rechtsanwalt diesem den Be­ trag und bat, das Versehen zu entschuldigen. Er wurde wegen Betrugsversuch verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Zu der Zeit, da der Angeklagte das zurück­ behaltene Geld übersandte, war allerdings der Sachver­ halt noch nicht entdeckt, wohl aber glaubte der Ange­ klagte, daß der Konkursverwalter Kenntnis davon habe. Für einen Rücktritt vom Versuch ist kein Raum, wenn der Täter, zutreffend oder fälschlich, sein Unternehmen schon für gescheitert hält. (III, 6. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 158—160.

50. Kuppelei. Veränderung des rechtlichen Gesichts­ punkts. (StGB. § 180; StPO. § 265.) Das Verfahren war wegen Vergehens nach § 180 Abs. 1 StGB, eröffnet worden; verurteilt wurde wegen Vergehens nach § 180 Abs. 2. Ein Hinweis auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes war unterblieben. Das Reichsgericht er­ klärte das für unschädlich. § 180 Abs. 2 ist im Verhältnis zum Abs. 1 nicht als ein anderes Strafgesetz anzusehen. Entscheidend ist freilich nicht, daß die beiden Vorschriften in einem Paragraphen des Strafgesetzbuchs zusammen­ gefaßt sind; vielmehr kommt es darauf an, ob es sich um zwei in ihrer tatsächlichen und rechtlichen Gestaltung ver­ schiedene Tatbestände handelt. Das traf hier nicht zu. Abs. 2 steht mit Abs. 1 im engsten Zusammenhang und führt nur ein besonders wichtiges Beispiel der im Abs. 1 unter Strafe gestellten Handlung an. (III, 13. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 160. Vgl. Bd. 36 S. 23, 266; Bd. 40 S. 114; Bd. 62 S. 339.

51. Rauschgift. Inverkehrbringen. Lieferungsvermitt­ lung. (OpiumG. §§ 2, 8.) Für eine chemische Fabrik, welche die Erlaubnis zum Handel mit Opium besaß, wurde ein Kauf von Opium vermittelt. Der Vermittler wurde wegen Vergehens gegen das Opiumgesetz angeklagt, aber freigesprochen; das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Das Opiumgesetz (§ 2) gestattet den Handel mit Opium und ähnlichen Rauschgiften nur den Personen, denen hiezu die Eüaubnis erteilt worden ist. Zu diesen gehörte der Angeklagte nicht. Der unerlaubte Handel ist aber nicht in vollem Umfang unter Strafe gestellt. Vielmehr sind in der Strafvorschrift (§ 8) nur ganz bestimmte Handlungen und darüber hinaus allgemein das Inverkehrbringen der

Rauschgifte angeführt. Daraus folgt, daß die Vermittler­ tätigkeit, die dem Begriff des Handels zuzurechnen ist, nur dann unter Strafe fällt, wenn sie ein Inverkehrbringen darstellt. Die bloße Vermittlung des Verkaufs an eine Person, welche die Erlaubnis zum Handel mit Opium besitzt, kann nicht strafbar sein; das Gesetz will nur ver­ hindern, daß die Rauschgifte in die Hand von Personen gelangen, deren Zuverlässigkeit nicht durch die besondere Erlaubnis gesichert ist. Der Angeklagte hatte auch bei der Erfüllung des Vertrags in keiner Weise mitgewirkt. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 161—164. Vgl. Bd. 50 S. 272; Bd. 51 S. 380; Bd. 52 S. 177; Bd. 53 S. 80, 316; Bd.54 S. 94; Bd.60 S. 369. 52. Erpressung. (StGB. § 253.) Ein Rechtsanwalt leistete einer Frau Beistand beim Abschluß eines Ver­ trags. Da sie nicht auf die Übernahme einer Verbindlich­ keit eingehen wollte, sprach der Vertragsgegner eine Drohung gegen den Rechtsanwalt aus. Er wurde wegen Erpressungsversuch verurteilt. Es ist allerdings notwen­ dig, daß sich die Drohung gegen die Person richtet, von welcher der VermögensvorteU erzwungen werden soll; es genügt aber, daß der Bedrohte in der Lage ist, die Willensbestimmung dieser Person wesentlich zu beein­ flussen, so daß, wenn er dies unter dem Zwang der Drohung tut, die von ihm beeinflußte Willensbestimmung als unter diesem Zwang gefaßt angesehen werden muß. Da der Angeklagte wußte, daß die Frau auf den Rat ihres Rechtsbeistandes entscheidenden Wert legte und zur Über­ nahme der Verpflichtung, wenn er ihr dazu riet, bereit war, so war ursächlicher Zusammenhang zwischen der Drohung und der erstrebten Willensentschließung der Frau gegeben. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 164-166. Vgl. Bd. 3 S. 426; Bd. 25 S. 254; Bd. 53 S. 281. 53. Wohnungskuppelei.

Ausbeulung.

Raumwucher.

(StGB. § 180; MSchG. § 49 a.) Für die Frage der An­ gemessenheit einer Miete ist in erster Reihe der objektive Nutzungswert maßgebend; bei der Feststellung der Ge­ stehungskostenberechnung sind die unwirtschaftlichen und vermeidbaren Kosten selbst dann auszuscheiden, wenn der Vermieter im Augenblick ihrer Aufwendung sich ihrer Un­ wirtschaftlichkeit und Vermeidbarkeit nicht bewußt war.

Rauschgifte angeführt. Daraus folgt, daß die Vermittler­ tätigkeit, die dem Begriff des Handels zuzurechnen ist, nur dann unter Strafe fällt, wenn sie ein Inverkehrbringen darstellt. Die bloße Vermittlung des Verkaufs an eine Person, welche die Erlaubnis zum Handel mit Opium besitzt, kann nicht strafbar sein; das Gesetz will nur ver­ hindern, daß die Rauschgifte in die Hand von Personen gelangen, deren Zuverlässigkeit nicht durch die besondere Erlaubnis gesichert ist. Der Angeklagte hatte auch bei der Erfüllung des Vertrags in keiner Weise mitgewirkt. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 161—164. Vgl. Bd. 50 S. 272; Bd. 51 S. 380; Bd. 52 S. 177; Bd. 53 S. 80, 316; Bd.54 S. 94; Bd.60 S. 369. 52. Erpressung. (StGB. § 253.) Ein Rechtsanwalt leistete einer Frau Beistand beim Abschluß eines Ver­ trags. Da sie nicht auf die Übernahme einer Verbindlich­ keit eingehen wollte, sprach der Vertragsgegner eine Drohung gegen den Rechtsanwalt aus. Er wurde wegen Erpressungsversuch verurteilt. Es ist allerdings notwen­ dig, daß sich die Drohung gegen die Person richtet, von welcher der VermögensvorteU erzwungen werden soll; es genügt aber, daß der Bedrohte in der Lage ist, die Willensbestimmung dieser Person wesentlich zu beein­ flussen, so daß, wenn er dies unter dem Zwang der Drohung tut, die von ihm beeinflußte Willensbestimmung als unter diesem Zwang gefaßt angesehen werden muß. Da der Angeklagte wußte, daß die Frau auf den Rat ihres Rechtsbeistandes entscheidenden Wert legte und zur Über­ nahme der Verpflichtung, wenn er ihr dazu riet, bereit war, so war ursächlicher Zusammenhang zwischen der Drohung und der erstrebten Willensentschließung der Frau gegeben. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 164-166. Vgl. Bd. 3 S. 426; Bd. 25 S. 254; Bd. 53 S. 281. 53. Wohnungskuppelei.

Ausbeulung.

Raumwucher.

(StGB. § 180; MSchG. § 49 a.) Für die Frage der An­ gemessenheit einer Miete ist in erster Reihe der objektive Nutzungswert maßgebend; bei der Feststellung der Ge­ stehungskostenberechnung sind die unwirtschaftlichen und vermeidbaren Kosten selbst dann auszuscheiden, wenn der Vermieter im Augenblick ihrer Aufwendung sich ihrer Un­ wirtschaftlichkeit und Vermeidbarkeit nicht bewußt war.

Rauschgifte angeführt. Daraus folgt, daß die Vermittler­ tätigkeit, die dem Begriff des Handels zuzurechnen ist, nur dann unter Strafe fällt, wenn sie ein Inverkehrbringen darstellt. Die bloße Vermittlung des Verkaufs an eine Person, welche die Erlaubnis zum Handel mit Opium besitzt, kann nicht strafbar sein; das Gesetz will nur ver­ hindern, daß die Rauschgifte in die Hand von Personen gelangen, deren Zuverlässigkeit nicht durch die besondere Erlaubnis gesichert ist. Der Angeklagte hatte auch bei der Erfüllung des Vertrags in keiner Weise mitgewirkt. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 161—164. Vgl. Bd. 50 S. 272; Bd. 51 S. 380; Bd. 52 S. 177; Bd. 53 S. 80, 316; Bd.54 S. 94; Bd.60 S. 369. 52. Erpressung. (StGB. § 253.) Ein Rechtsanwalt leistete einer Frau Beistand beim Abschluß eines Ver­ trags. Da sie nicht auf die Übernahme einer Verbindlich­ keit eingehen wollte, sprach der Vertragsgegner eine Drohung gegen den Rechtsanwalt aus. Er wurde wegen Erpressungsversuch verurteilt. Es ist allerdings notwen­ dig, daß sich die Drohung gegen die Person richtet, von welcher der VermögensvorteU erzwungen werden soll; es genügt aber, daß der Bedrohte in der Lage ist, die Willensbestimmung dieser Person wesentlich zu beein­ flussen, so daß, wenn er dies unter dem Zwang der Drohung tut, die von ihm beeinflußte Willensbestimmung als unter diesem Zwang gefaßt angesehen werden muß. Da der Angeklagte wußte, daß die Frau auf den Rat ihres Rechtsbeistandes entscheidenden Wert legte und zur Über­ nahme der Verpflichtung, wenn er ihr dazu riet, bereit war, so war ursächlicher Zusammenhang zwischen der Drohung und der erstrebten Willensentschließung der Frau gegeben. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 164-166. Vgl. Bd. 3 S. 426; Bd. 25 S. 254; Bd. 53 S. 281. 53. Wohnungskuppelei.

Ausbeulung.

Raumwucher.

(StGB. § 180; MSchG. § 49 a.) Für die Frage der An­ gemessenheit einer Miete ist in erster Reihe der objektive Nutzungswert maßgebend; bei der Feststellung der Ge­ stehungskostenberechnung sind die unwirtschaftlichen und vermeidbaren Kosten selbst dann auszuscheiden, wenn der Vermieter im Augenblick ihrer Aufwendung sich ihrer Un­ wirtschaftlichkeit und Vermeidbarkeit nicht bewußt war.

Die das gewöhnliche Maß übersteigenden Erwerbskosten eines Hauses, die ihren Grund in der Verwendung der Räume zu unsittlichen Zwecken haben, können keinesfalls in Ansatz gebracht werden. Im Falle der Vermietung an Dirnen, die in den Mieträumen die Unzucht ausüben, wird das Fordern und Sichgewährenlassen einer unange­ messenen Miete regelmäßig zugleich eine Ausbeutung im Sinne der Vorschrift über Wohnungskuppelei enthalten. Vorausgesetzt wird, daß der den angemessenen Betrag übersteigende Teil der Miete mit dem Betrieb der Unzucht in ursächlichen Zusammenhang steht, sei es, daß er sich als besondere Belohnung für die Zulassung des Unzucht­ betriebs darstellt, sei es, daß er von den Dirnen durch Steigerung des Unzuchtsbetriebs ausgebracht werden muß. Eine hohe Miete wird vielfach einen Anreiz zur Steige­ rung des Einkommens aus der Unzucht bilden; schon wegen dieser Wechselwirkung geht es nicht an, bei der Prüfung der Frage der Unangemessenheit der Miete und der Frage der Ausbeutung auf die Leistungsfähigkeit der Dirnen ein irgendwie nennenswertes Gewicht zu legen. (I, 14. Mai 1929.) Llmtl. Sammlg. S. 166—167. Vgl. Bd. 62 S. 228, 341. 54. Unzulässige Strafvollstreckung. Richterliche Ent­ scheidung. (StGB. § 345; StPO. §§ 451, 458.) Neben einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren wurde auf eine Ge­ fängnisstrafe von einem Jahr erkannt. Vor Ablauf der Zuchthausstrafe ersuchte der Amtsrichter um Vollstreckung der Gefängnisstrafe. Der Strafanstaltsdirektor war der Auffassung, daß eine Gesamtstrafe zu bilden sei, und rich­ tete eine entsprechende Vorstellung an den Amtsrichter. Dieser antwortete telegraphisch, eine Gesamtstrafe sei nicht zu bilden, das Ersuchen um Vollstreckung der Gefängnis­ strafe gehe in Ordnung. In Wirklichkeit lagen die Voraus­ setzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe vor. Der Amtsrichter wurde wegen unzulässiger Strafvollstreckung angeklagt, aber freigesprochen; die Revision des Staats­ anwalts wurde verworfen. Entscheidend kam es darauf an, ob der Angeklagte das Telegramm an den Strafan­ staltsdirektor als Strafvollstreckungsbeamter oder als Richter absandte. Im ersten Fall konnte eine Strafe wegen fahrlässiger Vollstreckung einer Strafe in Frage kommen; im zweiten Fall war die Entscheidung des Voll-

Die das gewöhnliche Maß übersteigenden Erwerbskosten eines Hauses, die ihren Grund in der Verwendung der Räume zu unsittlichen Zwecken haben, können keinesfalls in Ansatz gebracht werden. Im Falle der Vermietung an Dirnen, die in den Mieträumen die Unzucht ausüben, wird das Fordern und Sichgewährenlassen einer unange­ messenen Miete regelmäßig zugleich eine Ausbeutung im Sinne der Vorschrift über Wohnungskuppelei enthalten. Vorausgesetzt wird, daß der den angemessenen Betrag übersteigende Teil der Miete mit dem Betrieb der Unzucht in ursächlichen Zusammenhang steht, sei es, daß er sich als besondere Belohnung für die Zulassung des Unzucht­ betriebs darstellt, sei es, daß er von den Dirnen durch Steigerung des Unzuchtsbetriebs ausgebracht werden muß. Eine hohe Miete wird vielfach einen Anreiz zur Steige­ rung des Einkommens aus der Unzucht bilden; schon wegen dieser Wechselwirkung geht es nicht an, bei der Prüfung der Frage der Unangemessenheit der Miete und der Frage der Ausbeutung auf die Leistungsfähigkeit der Dirnen ein irgendwie nennenswertes Gewicht zu legen. (I, 14. Mai 1929.) Llmtl. Sammlg. S. 166—167. Vgl. Bd. 62 S. 228, 341. 54. Unzulässige Strafvollstreckung. Richterliche Ent­ scheidung. (StGB. § 345; StPO. §§ 451, 458.) Neben einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren wurde auf eine Ge­ fängnisstrafe von einem Jahr erkannt. Vor Ablauf der Zuchthausstrafe ersuchte der Amtsrichter um Vollstreckung der Gefängnisstrafe. Der Strafanstaltsdirektor war der Auffassung, daß eine Gesamtstrafe zu bilden sei, und rich­ tete eine entsprechende Vorstellung an den Amtsrichter. Dieser antwortete telegraphisch, eine Gesamtstrafe sei nicht zu bilden, das Ersuchen um Vollstreckung der Gefängnis­ strafe gehe in Ordnung. In Wirklichkeit lagen die Voraus­ setzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe vor. Der Amtsrichter wurde wegen unzulässiger Strafvollstreckung angeklagt, aber freigesprochen; die Revision des Staats­ anwalts wurde verworfen. Entscheidend kam es darauf an, ob der Angeklagte das Telegramm an den Strafan­ staltsdirektor als Strafvollstreckungsbeamter oder als Richter absandte. Im ersten Fall konnte eine Strafe wegen fahrlässiger Vollstreckung einer Strafe in Frage kommen; im zweiten Fall war die Entscheidung des Voll-

streckungsgerichts für den Angeklagten als Strasvollstreckungsbeamten auch dann bindend, wenn er sieselbst erlassen hatte und eine Strafe wegen fahrlässiger Straf­ vollstreckung war ausgeschlossen. Der Angeklagte hatte schon bald nach der Erlassung des Urteils einen Beschluß gefaßt, daß die Gefängnisstrafe mit der Zuchthausstrafe nicht zu einer Gesamtstrafe zu verbinden fei; auf Grund der durch die Vorstellung des Strafanstaltsdirektors ver­ anlaßten Nachprüfung gab er in seinem Telegramm eine Auslegung dieses Beschlusses dahin, daß für die Bildung einer Gesamtstrafe die Voraussetzungen fehlten. Jnfoferne war das Telegramm eine richterliche Tätigkeit. Daß das Telegramm an den Verurteilten und die Staatsanwalt­ schaft nicht zugestellt wurde, war nicht von ausschlag­ gebender Bedeutung. (II, 30. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 167—170. 55. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Steuerstreik. Aufforderung. Anregung. (StGB. §§ 110, 111,112; BO. vom 15. September 1923 § 1.) In einer Zeitung wurde mitgeteilt, daß die anhaltischen Landwirte Steuerstreik machten und im Anschluß daran ausgeführt: „Ein Volk in verzweifelter Lage ist zu allem fähig. Es wartet nur auf den, der den Anfang macht. Die anhaltischen Bauern werden den Anfang machen, sie wollen die Steuern ver­ weigern und Gewalt mit Gewalt vertreiben." Der Haupt­ schriftleiter der Zeitung wurde wegen Aufforderung zum Steuerstreik verurteilt; die Verurteilung wegen Wider­ stands gegen die Staatsgewalt wurde abgelehnt, weil eine Aufforderung zur Begehung einer strafbaren Handlung nicht vorliege. Die Revision des Staatsanwalts und des Angeklagten wurden verworfen. Die Revision des Ange­ klagten machte geltend, daß die während der Inflation er­ lassene Verordnung des Reichspräsidenten vom 15. Sep­ tember 1923 nicht mehr rechtswirksam sei, da sich die Ver­ hältnisse seitdem völlig geändert hätten. Das Reichsge­ richt erklärte, daß die Verordnung ihre Rechtswirksamkeit behielt, bis sie aufgehoben werde. Die Gefahr, der sie begegnen wollte, ist noch keineswegs völlig beseitigt; auch der Entwurf eines allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs enthält eine Strafdrohung gegen die öffentliche Aufforde­ rung oder Anreizung zum Steuerstreik. Es war auch der Begriff der Anreizung nicht verkannt; die Mitteilung der

streckungsgerichts für den Angeklagten als Strasvollstreckungsbeamten auch dann bindend, wenn er sieselbst erlassen hatte und eine Strafe wegen fahrlässiger Straf­ vollstreckung war ausgeschlossen. Der Angeklagte hatte schon bald nach der Erlassung des Urteils einen Beschluß gefaßt, daß die Gefängnisstrafe mit der Zuchthausstrafe nicht zu einer Gesamtstrafe zu verbinden fei; auf Grund der durch die Vorstellung des Strafanstaltsdirektors ver­ anlaßten Nachprüfung gab er in seinem Telegramm eine Auslegung dieses Beschlusses dahin, daß für die Bildung einer Gesamtstrafe die Voraussetzungen fehlten. Jnfoferne war das Telegramm eine richterliche Tätigkeit. Daß das Telegramm an den Verurteilten und die Staatsanwalt­ schaft nicht zugestellt wurde, war nicht von ausschlag­ gebender Bedeutung. (II, 30. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 167—170. 55. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Steuerstreik. Aufforderung. Anregung. (StGB. §§ 110, 111,112; BO. vom 15. September 1923 § 1.) In einer Zeitung wurde mitgeteilt, daß die anhaltischen Landwirte Steuerstreik machten und im Anschluß daran ausgeführt: „Ein Volk in verzweifelter Lage ist zu allem fähig. Es wartet nur auf den, der den Anfang macht. Die anhaltischen Bauern werden den Anfang machen, sie wollen die Steuern ver­ weigern und Gewalt mit Gewalt vertreiben." Der Haupt­ schriftleiter der Zeitung wurde wegen Aufforderung zum Steuerstreik verurteilt; die Verurteilung wegen Wider­ stands gegen die Staatsgewalt wurde abgelehnt, weil eine Aufforderung zur Begehung einer strafbaren Handlung nicht vorliege. Die Revision des Staatsanwalts und des Angeklagten wurden verworfen. Die Revision des Ange­ klagten machte geltend, daß die während der Inflation er­ lassene Verordnung des Reichspräsidenten vom 15. Sep­ tember 1923 nicht mehr rechtswirksam sei, da sich die Ver­ hältnisse seitdem völlig geändert hätten. Das Reichsge­ richt erklärte, daß die Verordnung ihre Rechtswirksamkeit behielt, bis sie aufgehoben werde. Die Gefahr, der sie begegnen wollte, ist noch keineswegs völlig beseitigt; auch der Entwurf eines allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs enthält eine Strafdrohung gegen die öffentliche Aufforde­ rung oder Anreizung zum Steuerstreik. Es war auch der Begriff der Anreizung nicht verkannt; die Mitteilung der

Tatsache, daß die Bauern eines bestimmten Kreises die Steuer verweigern wollen, kann mittelbar eine Erregung der Wünsche und Leidenschaften zur Folge haben, die dann den eigenen Entschluß der Leser zum gleichen Handeln auslöst. Dagegen war eine Aufforderung nicht anzu­ nehmen. Dem Begriff der Aufforderung ist eine Kund­ gebung eigen, die den Willen des Auffordernden erkenn­ bar macht, daß von dem Anderen ein bestimmt bezeich­ netes Tun oder Lassen gefordert werde. Die Aufforderung will nicht einen Reiz zum Handeln erwecken, sondern sie fordert ein Tun oder Lassen und deshalb wendet sie sich an den Intellekt, der von der Richtigkeit und Zweckmäßig­ keit des geforderten Tuns oder Unterlassens überzeugt werden soll. Der Anreizung dagegen eignet eine Beein­ flussung, eine Wirkung auf Sinne und Leidenschaften, die einen Reiz zum Handeln erweckt und den Angereizten kraft eigenen Entschlusses zum Handeln bringt. Dem entsprachen die Ausführungen des Angeklagten. (I, 31. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 170—174. Vgl. Bd. 47 S. 413; Bd. 50 S. 149. 56. Meineidsversuch. Strafermäßigung. (StGB. § 157.) Auch bei versuchtem Meineid kann Notstand vor­ liegen, der zur Aufstellung der Strafermäßigung geführt hat; Grund und Zweck dieser Vorschrift treffen also auch für den versuchten Meineid zu. (I, 31. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 174—175. 57. Unzulässige Strafvollstreckung. (StGB. § 345.) Ein Justizinspektor, der bei der Staatsanwaltschaft tätig war, legte dem zuständigen Staatsanwalt den Entwurf eines Strafvollstreckungsersuchens zur Unterschrift vor; dieser, der wegen Übernahme von Vertretungen mit Arbeit überlastet war, unterzeichnete den Entwurf ohne nähere Prüfung. Der Entwurf war unrichtig. Die Strafkammer sprach den Justizinspektor von der Anklage fahrlässiger Strafvollstreckung frei mit der Begründung, daß der An­ geklagte nur eine Hilfstätigkert ohne erkennbare äußer­ liche Verantwortlichkeit ausgeübt habe und darum zur Mitwirkung bei der Strafvollstreckung nicht berufen ge­ wesen sei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Mit Strafe sind Beamte bedroht, welche aus Fahrlässig­ keit eine Strafe vollstrecken lassen, die überhaupt nicht oder nicht in der Art oder dem Maß nach vollstreckt

Tatsache, daß die Bauern eines bestimmten Kreises die Steuer verweigern wollen, kann mittelbar eine Erregung der Wünsche und Leidenschaften zur Folge haben, die dann den eigenen Entschluß der Leser zum gleichen Handeln auslöst. Dagegen war eine Aufforderung nicht anzu­ nehmen. Dem Begriff der Aufforderung ist eine Kund­ gebung eigen, die den Willen des Auffordernden erkenn­ bar macht, daß von dem Anderen ein bestimmt bezeich­ netes Tun oder Lassen gefordert werde. Die Aufforderung will nicht einen Reiz zum Handeln erwecken, sondern sie fordert ein Tun oder Lassen und deshalb wendet sie sich an den Intellekt, der von der Richtigkeit und Zweckmäßig­ keit des geforderten Tuns oder Unterlassens überzeugt werden soll. Der Anreizung dagegen eignet eine Beein­ flussung, eine Wirkung auf Sinne und Leidenschaften, die einen Reiz zum Handeln erweckt und den Angereizten kraft eigenen Entschlusses zum Handeln bringt. Dem entsprachen die Ausführungen des Angeklagten. (I, 31. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 170—174. Vgl. Bd. 47 S. 413; Bd. 50 S. 149. 56. Meineidsversuch. Strafermäßigung. (StGB. § 157.) Auch bei versuchtem Meineid kann Notstand vor­ liegen, der zur Aufstellung der Strafermäßigung geführt hat; Grund und Zweck dieser Vorschrift treffen also auch für den versuchten Meineid zu. (I, 31. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 174—175. 57. Unzulässige Strafvollstreckung. (StGB. § 345.) Ein Justizinspektor, der bei der Staatsanwaltschaft tätig war, legte dem zuständigen Staatsanwalt den Entwurf eines Strafvollstreckungsersuchens zur Unterschrift vor; dieser, der wegen Übernahme von Vertretungen mit Arbeit überlastet war, unterzeichnete den Entwurf ohne nähere Prüfung. Der Entwurf war unrichtig. Die Strafkammer sprach den Justizinspektor von der Anklage fahrlässiger Strafvollstreckung frei mit der Begründung, daß der An­ geklagte nur eine Hilfstätigkert ohne erkennbare äußer­ liche Verantwortlichkeit ausgeübt habe und darum zur Mitwirkung bei der Strafvollstreckung nicht berufen ge­ wesen sei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Mit Strafe sind Beamte bedroht, welche aus Fahrlässig­ keit eine Strafe vollstrecken lassen, die überhaupt nicht oder nicht in der Art oder dem Maß nach vollstreckt

Tatsache, daß die Bauern eines bestimmten Kreises die Steuer verweigern wollen, kann mittelbar eine Erregung der Wünsche und Leidenschaften zur Folge haben, die dann den eigenen Entschluß der Leser zum gleichen Handeln auslöst. Dagegen war eine Aufforderung nicht anzu­ nehmen. Dem Begriff der Aufforderung ist eine Kund­ gebung eigen, die den Willen des Auffordernden erkenn­ bar macht, daß von dem Anderen ein bestimmt bezeich­ netes Tun oder Lassen gefordert werde. Die Aufforderung will nicht einen Reiz zum Handeln erwecken, sondern sie fordert ein Tun oder Lassen und deshalb wendet sie sich an den Intellekt, der von der Richtigkeit und Zweckmäßig­ keit des geforderten Tuns oder Unterlassens überzeugt werden soll. Der Anreizung dagegen eignet eine Beein­ flussung, eine Wirkung auf Sinne und Leidenschaften, die einen Reiz zum Handeln erweckt und den Angereizten kraft eigenen Entschlusses zum Handeln bringt. Dem entsprachen die Ausführungen des Angeklagten. (I, 31. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 170—174. Vgl. Bd. 47 S. 413; Bd. 50 S. 149. 56. Meineidsversuch. Strafermäßigung. (StGB. § 157.) Auch bei versuchtem Meineid kann Notstand vor­ liegen, der zur Aufstellung der Strafermäßigung geführt hat; Grund und Zweck dieser Vorschrift treffen also auch für den versuchten Meineid zu. (I, 31. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 174—175. 57. Unzulässige Strafvollstreckung. (StGB. § 345.) Ein Justizinspektor, der bei der Staatsanwaltschaft tätig war, legte dem zuständigen Staatsanwalt den Entwurf eines Strafvollstreckungsersuchens zur Unterschrift vor; dieser, der wegen Übernahme von Vertretungen mit Arbeit überlastet war, unterzeichnete den Entwurf ohne nähere Prüfung. Der Entwurf war unrichtig. Die Strafkammer sprach den Justizinspektor von der Anklage fahrlässiger Strafvollstreckung frei mit der Begründung, daß der An­ geklagte nur eine Hilfstätigkert ohne erkennbare äußer­ liche Verantwortlichkeit ausgeübt habe und darum zur Mitwirkung bei der Strafvollstreckung nicht berufen ge­ wesen sei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Mit Strafe sind Beamte bedroht, welche aus Fahrlässig­ keit eine Strafe vollstrecken lassen, die überhaupt nicht oder nicht in der Art oder dem Maß nach vollstreckt

werden darf. Der Tatbestand setzt eine innerhalb der amtlichen Befugnisse sich bewegende Mitwirkung voraus, durch welche dieser Erfolg herbeigeführt wird. Unter den Begriff des Vollstreckenlassens fällt jedes Tun oder Unter­ lassen, welches einen solchen Erfolg verursacht; ob das unmittelbar oder mittelbar geschieht, ist ohne rechtliche Bedeutung. So ist die Vorschrift angewendet worden auf einen Hilfsbeamten einer Gefangenenanstalt, der durch Unterlassung der ihm obliegenden Eintragung des Ent­ lassungstages im Terminkalender eine längere als die urteilsmäßige Festhaltung eines Gefangenen herbeigeführt hatte; ebenso ist sie für anwendbar erklärt worden, wenn ein Registraturbeamter durch Unterdrückung eines Schrift­ satzes, durch den ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, oder wenn ein Urkundsbeamter über die Zurücknahme eines Rechtsmittels eine Falschbeurkundung trifft oder wenn ein Gerichtsschreiber das Urteil im Protokoll un­ richtig wiedergibt, gleichviel, ob sie auch mit der Straf­ vollstreckung befaßt sind oder nicht. Hienach haftete der Angellagte für die unzulässige Strafvollstreckung, wenn er nach den für ihn in Betracht kommenden Dienstvor­ schriften in verantwortlicher Weise dabei mitwirkte. Nach der allgemeinen Verfügung des preußischen Justiz­ ministers über die Entlastung der höheren und mittleren Justtzbeamten vom 9. November 1910, die durch § 1 der allgemeinen Verfügung vom 28. Mai 1923 ausdrücklich aufrechterhalten ist, haben die Gerichtsschreiber und die Sekretäre bei den dem Richter und dem Staatsanwalt obliegenden schriftlichen Arbeiten durch Anfertigung der Entwürfe Hilfe zu leisten; sie sind für die ihnen obliegende Tätigkeit verantwortlich. Das traf für den Angeklagten zu. Ohne Bedeutung war, ob seine Verantwortlichkeit nach außen erkennbar war; ebensowenig wurde seine Ver­ antwortlichkeit dadurch beseitigt, daß der von ihm ge­ fertigte Entwurf erst durch die Unterschrift des Staats­ anwalts seine volle Wirkung erlangte. Ein fahrlässiges Verschulden kam dann in Frage, wenn der Ange­ llagte bei Anwendung der gebotenen und nach seinen per­ sönlichen Verhältnissen ihm möglichen Aufmerksamkeit vor­ aussehen konnte, daß nach der allgemeinen Erfahrung unter den obwaltenden Verhältnissen durch die Vorlegung eines unrichtigen Entwurfs die Möglichkeit einer unzu-

lässigen Strafvollstreckung eröffnet wurde. Nach dieser Richtung war der Tatbestand noch zu prüfen. (II, 6. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 175-177. Vgl. Bd. 5 S. 332; Bd. 19 S. 345. 58. Ehrenrechtsverlust. Berechnung. Bedingte Be­ gnadigung. (StGB. §§ 23, 26, 36.) Wegen Landesverrats wurde auf eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren und auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zehn Jahren erkannt. Die Freiheitsstrafe wäre am 29. April 1928 verbüßt gewesen; der Angeklagte wurde aber am 20. Februar 1926 unter Bewilligung einer Be­ währungsfrist von drei Jahren aus der Strafhaft ent­ lassen. Da er sich während der Bewährungsfrist straffrei führte, wurde der Erlaß des Restes der Freiheitsstrafe am 19. Februar 1929 endgültig. Die Dauer des Ehrver­ lustes war auf drei Jahre ermäßigt worden. Es entstan­ den Zweifel, von wann an sie zu berechnen sei. Das Reichsgericht entschied, daß die Nebenstrafe zwar erst nach Eintritt der Bedingung, dann aber vom Tag der tatsäch­ lichen Entlassung an zu berechnen sei. Eine zweifelsfreie Bestimmung darüber, wie lange im Falle einer bedingten Begnadigung die Wirkung des Ehrenrechtsverlustes zu be­ rechnen ist, enthält das Strafgesetzbuch nicht. Sie ist auch aus der Regelung der vorläufigen Entlassung nicht zu entnehmen, da bei dieser die Frist, binnen deren ein Widerruf zulässig ist, nur während der Dauer der im Urteil festgestellten Strafzeit läuft, eine Verlängerung der Wirkung des Ehrenrechtsverlustes also nicht in Frage kommen kann. Entgegengesetzt liegt die Sache bei der be­ dingten Begnadigung, bei der die Entscheidung, ob ein endgültiger Straferlaß eintritt, durch die angeordnete Be­ währungsfrist um Jahre hinausgeschoben werden kann. Durch einen Gnadenakt, der dem Verurteilten eine Rechts­ wohltat gewähren will, darf aber die Wirkung einer Nebenstrafe nicht verlängert werden. Es entspricht der Billigkeit, daß dem bedingt aus der Strafhaft Entlassenen, der sich während der Bewährungsfrist straffrei geführt hat, diese auf die Nebenstrafe des Ehrenrechtsverlustes an­ gerechnet wird. So ordnet auch das Reichsgesetz über be­ schränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Til­ gung von Strafvermerken an, daß, wenn die Strafe nach einer Probezeit erlassen ist, deren Dauer auf die zehn-

lässigen Strafvollstreckung eröffnet wurde. Nach dieser Richtung war der Tatbestand noch zu prüfen. (II, 6. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 175-177. Vgl. Bd. 5 S. 332; Bd. 19 S. 345. 58. Ehrenrechtsverlust. Berechnung. Bedingte Be­ gnadigung. (StGB. §§ 23, 26, 36.) Wegen Landesverrats wurde auf eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren und auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zehn Jahren erkannt. Die Freiheitsstrafe wäre am 29. April 1928 verbüßt gewesen; der Angeklagte wurde aber am 20. Februar 1926 unter Bewilligung einer Be­ währungsfrist von drei Jahren aus der Strafhaft ent­ lassen. Da er sich während der Bewährungsfrist straffrei führte, wurde der Erlaß des Restes der Freiheitsstrafe am 19. Februar 1929 endgültig. Die Dauer des Ehrver­ lustes war auf drei Jahre ermäßigt worden. Es entstan­ den Zweifel, von wann an sie zu berechnen sei. Das Reichsgericht entschied, daß die Nebenstrafe zwar erst nach Eintritt der Bedingung, dann aber vom Tag der tatsäch­ lichen Entlassung an zu berechnen sei. Eine zweifelsfreie Bestimmung darüber, wie lange im Falle einer bedingten Begnadigung die Wirkung des Ehrenrechtsverlustes zu be­ rechnen ist, enthält das Strafgesetzbuch nicht. Sie ist auch aus der Regelung der vorläufigen Entlassung nicht zu entnehmen, da bei dieser die Frist, binnen deren ein Widerruf zulässig ist, nur während der Dauer der im Urteil festgestellten Strafzeit läuft, eine Verlängerung der Wirkung des Ehrenrechtsverlustes also nicht in Frage kommen kann. Entgegengesetzt liegt die Sache bei der be­ dingten Begnadigung, bei der die Entscheidung, ob ein endgültiger Straferlaß eintritt, durch die angeordnete Be­ währungsfrist um Jahre hinausgeschoben werden kann. Durch einen Gnadenakt, der dem Verurteilten eine Rechts­ wohltat gewähren will, darf aber die Wirkung einer Nebenstrafe nicht verlängert werden. Es entspricht der Billigkeit, daß dem bedingt aus der Strafhaft Entlassenen, der sich während der Bewährungsfrist straffrei geführt hat, diese auf die Nebenstrafe des Ehrenrechtsverlustes an­ gerechnet wird. So ordnet auch das Reichsgesetz über be­ schränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Til­ gung von Strafvermerken an, daß, wenn die Strafe nach einer Probezeit erlassen ist, deren Dauer auf die zehn-

jährige Frist, nach deren Ablauf beschränkt Auskunft aus dem Strafregister zu erteilen ist, angerechnet wird. (IV, 6. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 177—181.

59. Warenhaus. Kaufspareinrichtung. Depositenge­ schäft. (DepositG. §§ 2, 8.) Eine Aktiengesellschaft, die Warenhäuser betrieb, führte eine Kaufspareinrichtung ein, die darin bestand, daß verzinsliche Geldeinlagen ange­ nommen wurden, deren Rückzahlung in Waren erfolgen sollte. Das Schöffengericht nahm an, daß die Einrichtung nicht unter das Depositengesetz falle. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Bei der Entgegennahme der Einlagen handelte es sich nicht um die Zahlung von Kaufpreis­ schulden, weil zu dieser Zeit weder über den Kaufgegen­ stand noch über den Preis eine Einigung vorlag; die Gesellschaft behielt sich nur das Recht vor, für den Fall der Kündigung der Einlage Waren zu liefern und für dieses Erfüllungsgeschäft galten dann die Grundsätze des Kaufes. Auch durch die vertragliche Ausschließung der Barrückzahlung wurde die Geldannahme ihrer Eigenschaft als Depositengeschäft nicht entkleidet; diese Nebenab­ machung sollte die Erreichung des von der Gesellschaft ver­ folgten wirtschaftlichen Endzweckes sicherstellen, konnte aber an der Tatsache nichts ändern, daß sie die Geld­ beträge zur Verwahrung, Verwaltung und Verzinsung annähm. Verwahrung und Verwaltung im Sinne des Depo­ sitengesetzes bedingen nicht, daß das eingezahlte Geld im Besitz des Empfängers verbleibt; er kann und muß es, wenn er die Verzinsung übernommen hat, zur Befriedigung seiner geschäftlichen Belange verwenden. Es fehlt jeder gesetzgeberische Grund dafür, dem Sparkunden, der sich ein nicht auf Waren, sondern auf Geld lautendes Konto anlegen läßt, sich aber durch den Verzicht auf spätere Barrückzahlung wirtschaftlich in besonders hohem Grad fesselt, den gesetzlichen Schutz zu versagen, der an­ deren Sparern gewährt wird. (III, 6. Juni,1929.) Amtl. Sammlg. S. 181—184.

60. Rechtsmittel. Urteil.

Urleilsgründe.

(StPO.

§§ 337, 344.) Das Schöffengericht hatte wegen fortge­ setzten Vergehens der Steuerzeichenfälschung zu einer Ge­ fängnisstrafe und zur Einziehung der gefälschten Steuer­ zeichen verurteilt und in den Gründen festgestellt, daß die Fälschung an 7 Freisteuerzeichen über je 10 Stück Zigaret-

jährige Frist, nach deren Ablauf beschränkt Auskunft aus dem Strafregister zu erteilen ist, angerechnet wird. (IV, 6. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 177—181.

59. Warenhaus. Kaufspareinrichtung. Depositenge­ schäft. (DepositG. §§ 2, 8.) Eine Aktiengesellschaft, die Warenhäuser betrieb, führte eine Kaufspareinrichtung ein, die darin bestand, daß verzinsliche Geldeinlagen ange­ nommen wurden, deren Rückzahlung in Waren erfolgen sollte. Das Schöffengericht nahm an, daß die Einrichtung nicht unter das Depositengesetz falle. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Bei der Entgegennahme der Einlagen handelte es sich nicht um die Zahlung von Kaufpreis­ schulden, weil zu dieser Zeit weder über den Kaufgegen­ stand noch über den Preis eine Einigung vorlag; die Gesellschaft behielt sich nur das Recht vor, für den Fall der Kündigung der Einlage Waren zu liefern und für dieses Erfüllungsgeschäft galten dann die Grundsätze des Kaufes. Auch durch die vertragliche Ausschließung der Barrückzahlung wurde die Geldannahme ihrer Eigenschaft als Depositengeschäft nicht entkleidet; diese Nebenab­ machung sollte die Erreichung des von der Gesellschaft ver­ folgten wirtschaftlichen Endzweckes sicherstellen, konnte aber an der Tatsache nichts ändern, daß sie die Geld­ beträge zur Verwahrung, Verwaltung und Verzinsung annähm. Verwahrung und Verwaltung im Sinne des Depo­ sitengesetzes bedingen nicht, daß das eingezahlte Geld im Besitz des Empfängers verbleibt; er kann und muß es, wenn er die Verzinsung übernommen hat, zur Befriedigung seiner geschäftlichen Belange verwenden. Es fehlt jeder gesetzgeberische Grund dafür, dem Sparkunden, der sich ein nicht auf Waren, sondern auf Geld lautendes Konto anlegen läßt, sich aber durch den Verzicht auf spätere Barrückzahlung wirtschaftlich in besonders hohem Grad fesselt, den gesetzlichen Schutz zu versagen, der an­ deren Sparern gewährt wird. (III, 6. Juni,1929.) Amtl. Sammlg. S. 181—184.

60. Rechtsmittel. Urteil.

Urleilsgründe.

(StPO.

§§ 337, 344.) Das Schöffengericht hatte wegen fortge­ setzten Vergehens der Steuerzeichenfälschung zu einer Ge­ fängnisstrafe und zur Einziehung der gefälschten Steuer­ zeichen verurteilt und in den Gründen festgestellt, daß die Fälschung an 7 Freisteuerzeichen über je 10 Stück Zigaret-

jährige Frist, nach deren Ablauf beschränkt Auskunft aus dem Strafregister zu erteilen ist, angerechnet wird. (IV, 6. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 177—181.

59. Warenhaus. Kaufspareinrichtung. Depositenge­ schäft. (DepositG. §§ 2, 8.) Eine Aktiengesellschaft, die Warenhäuser betrieb, führte eine Kaufspareinrichtung ein, die darin bestand, daß verzinsliche Geldeinlagen ange­ nommen wurden, deren Rückzahlung in Waren erfolgen sollte. Das Schöffengericht nahm an, daß die Einrichtung nicht unter das Depositengesetz falle. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Bei der Entgegennahme der Einlagen handelte es sich nicht um die Zahlung von Kaufpreis­ schulden, weil zu dieser Zeit weder über den Kaufgegen­ stand noch über den Preis eine Einigung vorlag; die Gesellschaft behielt sich nur das Recht vor, für den Fall der Kündigung der Einlage Waren zu liefern und für dieses Erfüllungsgeschäft galten dann die Grundsätze des Kaufes. Auch durch die vertragliche Ausschließung der Barrückzahlung wurde die Geldannahme ihrer Eigenschaft als Depositengeschäft nicht entkleidet; diese Nebenab­ machung sollte die Erreichung des von der Gesellschaft ver­ folgten wirtschaftlichen Endzweckes sicherstellen, konnte aber an der Tatsache nichts ändern, daß sie die Geld­ beträge zur Verwahrung, Verwaltung und Verzinsung annähm. Verwahrung und Verwaltung im Sinne des Depo­ sitengesetzes bedingen nicht, daß das eingezahlte Geld im Besitz des Empfängers verbleibt; er kann und muß es, wenn er die Verzinsung übernommen hat, zur Befriedigung seiner geschäftlichen Belange verwenden. Es fehlt jeder gesetzgeberische Grund dafür, dem Sparkunden, der sich ein nicht auf Waren, sondern auf Geld lautendes Konto anlegen läßt, sich aber durch den Verzicht auf spätere Barrückzahlung wirtschaftlich in besonders hohem Grad fesselt, den gesetzlichen Schutz zu versagen, der an­ deren Sparern gewährt wird. (III, 6. Juni,1929.) Amtl. Sammlg. S. 181—184.

60. Rechtsmittel. Urteil.

Urleilsgründe.

(StPO.

§§ 337, 344.) Das Schöffengericht hatte wegen fortge­ setzten Vergehens der Steuerzeichenfälschung zu einer Ge­ fängnisstrafe und zur Einziehung der gefälschten Steuer­ zeichen verurteilt und in den Gründen festgestellt, daß die Fälschung an 7 Freisteuerzeichen über je 10 Stück Zigaret-

ten und an einem Geldsteuerzeichen über 10 Zigarren be­ gangen worden sei. Das Landgericht verwarf die Beru­ fung des Angeklagten, führte aber in der Begründung des Urteils aus, daß in der Veränderung der Freisteuerzeichen keine Fälschung zu erblicken sei. Hiegegen richteten sich die Revisionen des Staatsanwalts und der Finanzbehörde. Sie hatten keinen Erfolg. Ein Rechtsmittel, das lediglich die Begründung eines Urteils angreift, und hierdurch eine Rechtsfrage zu erneuter Entscheidung bringen will, ist un­ zulässig. Der Umstand, daß auf die Revision des Staats­ anwalts das Urteil auch zugunsten des Angeklagten ab­ geändert werden kann, vermochte hieran nichts zu ändern, denn diese Wirkung kann nur einem zulässigen Rechts­ mittel zukommen. (I, 7. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 184—186. Vgl. Bd. 43 S. 297.

61. Bestechung. Urkundenfälschung. Betrug. Untreue. Nachtal. (StGB. §§ 263, 266, 267, 268, 331.) Ein Be­ amter, der Warenlieferungen für das Amt zu vergeben hatte, übertrug sie einem Kaufmann, ohne vorher, wie vorgeschrieben war, andere Preisangebote einzuholen. Er erhielt lOo/o des Kaufpreises als Provision. Als das Rechnungsamt die Vorlegung der Lieferungsangebote an­ derer Firmen verlangte, ließ der Kaufmann solche fälschlich herstellen und der Beamte legte sie dem Rechnungsamt vor. Beide wurden wegen Bestechung und Urkundenfäl­ schung verurteilt. Auf die Revision des Staatsanwalts wurde die Sache zurückverwiesen zum Zwecke der Prü­ fung, ob nicht auch der Tatbestand des Betrugs oder der Untreue in dem Verhalten der Angeklagten zu erblicken war. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte sich nicht nachweisen lassen, daß der Kaufmann in die von ihm berechneten Verkaufspreise außer dem üblichen Handels­ gewinn noch die auf Grund seiner Abmachung mit dem Beamten zu zahlende Provision einbezogen hatte. Das Landgericht hatte hienach angenommen, daß der Fiskus durch die dem Amte berechneten und von diesem an den Kaufmann gezahlten Preise nicht geschädigt worden sei. Diese Auffassung wurde vom Reichsgericht nicht gebilligt. Die Vermögenslage des Fiskus konnte schon dadurch, daß das Amt nur dem einen durch die Provisionsverpflichtung beschwerten Angebote des Kaufmanns gegenüberstand, un-

ten und an einem Geldsteuerzeichen über 10 Zigarren be­ gangen worden sei. Das Landgericht verwarf die Beru­ fung des Angeklagten, führte aber in der Begründung des Urteils aus, daß in der Veränderung der Freisteuerzeichen keine Fälschung zu erblicken sei. Hiegegen richteten sich die Revisionen des Staatsanwalts und der Finanzbehörde. Sie hatten keinen Erfolg. Ein Rechtsmittel, das lediglich die Begründung eines Urteils angreift, und hierdurch eine Rechtsfrage zu erneuter Entscheidung bringen will, ist un­ zulässig. Der Umstand, daß auf die Revision des Staats­ anwalts das Urteil auch zugunsten des Angeklagten ab­ geändert werden kann, vermochte hieran nichts zu ändern, denn diese Wirkung kann nur einem zulässigen Rechts­ mittel zukommen. (I, 7. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 184—186. Vgl. Bd. 43 S. 297.

61. Bestechung. Urkundenfälschung. Betrug. Untreue. Nachtal. (StGB. §§ 263, 266, 267, 268, 331.) Ein Be­ amter, der Warenlieferungen für das Amt zu vergeben hatte, übertrug sie einem Kaufmann, ohne vorher, wie vorgeschrieben war, andere Preisangebote einzuholen. Er erhielt lOo/o des Kaufpreises als Provision. Als das Rechnungsamt die Vorlegung der Lieferungsangebote an­ derer Firmen verlangte, ließ der Kaufmann solche fälschlich herstellen und der Beamte legte sie dem Rechnungsamt vor. Beide wurden wegen Bestechung und Urkundenfäl­ schung verurteilt. Auf die Revision des Staatsanwalts wurde die Sache zurückverwiesen zum Zwecke der Prü­ fung, ob nicht auch der Tatbestand des Betrugs oder der Untreue in dem Verhalten der Angeklagten zu erblicken war. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte sich nicht nachweisen lassen, daß der Kaufmann in die von ihm berechneten Verkaufspreise außer dem üblichen Handels­ gewinn noch die auf Grund seiner Abmachung mit dem Beamten zu zahlende Provision einbezogen hatte. Das Landgericht hatte hienach angenommen, daß der Fiskus durch die dem Amte berechneten und von diesem an den Kaufmann gezahlten Preise nicht geschädigt worden sei. Diese Auffassung wurde vom Reichsgericht nicht gebilligt. Die Vermögenslage des Fiskus konnte schon dadurch, daß das Amt nur dem einen durch die Provisionsverpflichtung beschwerten Angebote des Kaufmanns gegenüberstand, un-

günstiger sein, als wenn es unter einer Anzahl von Ange­ boten wählen konnte und dabei die Wahrscheinlichkeit bestand, daß darunter ein günstigeres als jenes des Kauf­ manns sein würde; das konnte genügen, um eine Bermögensbeschädigung des Fiskus anzunehmen. Mindestens würde der Vermögensschaden für den Fiskus dadurch zur Tatsache geworden sein, daß das Amt Waren von dem Kaufmann bezog und sich nachweisen ließ, daß bei der pflichtmäßigen Einholung einer Mehrzahl von Angeboten ein vorteilhafterer Einkauf zu erzielen gewesen wäre. Ob schon auf der Stufe der Vergebung der Lieferungen eine Täuschungshandlung gegenüber anderen Beamten auf Seiten der Angeklagten vorlag, konnte dahingestellt blei­ ben, da der ganze weitere Verlauf des amtlichen Liefe­ rungswesens zu beachten war. Vorschriftsgemäß waren alle Unterlagen der Lieferungen durch das Rechnungsamt nachzuprüfen. Solange das nicht geschah, war der Bestand der geschehenen Lieferungen noch in einer gewissen tatsäch­ lichen Schwebe und mußte damit gerechnet werden, daß die Nachprüfung zu einem Anspruch des Fiskus auf Er­ stattung zu hoch angesehter Kaufpreise führen würde. Hier­ nach konnte schon darin, daß der Beamte die von dem Kaufmann ausgestellten Rechnungen, mit seinem Prü­ fungvermerk versehen, beim Rechnungsamt zur Auszah­ lung anwies, ein Beginn des auf Täuschung gerichteten Vorgehens zu finden sein. Nachdem das Rechnungsamt die Vorlegung der Lieferungsangebote verlangte, war die Gefahr einer Aufdeckung der Unterschleife in die Erschei­ nung getreten. Ihr suchten die Angeklagten durch die Herstellung und nachträgliche Vorlegung der falschen An­ gebote zu begegnen. Wäre es gelungen, das Rechnungsamt durch die vorgelegten falschen Angebote zu täuschen, so wäre die durch die vorhergegangenen Handlungen eingeleitete Schädigung des Fiskus zu einer dauernden gestaltet wor­ den. Auch wenn man aber von den früheren Vorgängen absah oder annahm, daß die Angeklagten sich eines solchen Zusammenhanges der Herstellung und Vorlegung falscher Angebote mit den früheren Vorgängen nicht bewußt waren, konnte doch der Tatbestand des Betrugs darin gefunden werden, daß das Streben der Angeklagten dar­ auf gerichtet war, durch die Herstellung und Vorlegung der falschen Angebote von dem Beamten die Gefahr einer

Herausgabe der Bestechungsgelder abzuwenden. Eine Ver­ pflichtung hiezu konnte nicht nur auf Grund der Ver­ urteilung wegen Bestechung, sondern auch aus dem Ge­ sichtspunkt der unerlaubten Handlung in Frage kommen. Wurde das Rechnungsamt über die wirkliche Sachlage durch Vorlegung der falschen Urkunden getäuscht, um es von der Verfolgung dieses Ersatzanspruchs abzuhalten, so war die Möglichkeit eines Betrugstatbestandes ohne weiteres gegeben. Auch soweit die Erstattungspflicht als Nebenstrafe ausgesprochen wurde, hatte dasselbe zu gelten. Merdings ist die Entscheidung einer Behörde darüber, ob eine Strafanzeige wegen Bestechung zu erstatten und da­ mit die erste Grundlage für die Verwirklichung des Her­ ausgabeanspruchs zu schaffen ist, nicht unmittelbar eine Verfügung über ein Vermögensrecht. Das Merkmal einer Bermögensbeschädigung ist aber nicht deshalb zu ver­ neinen, weil der gesetzliche Anspruch, dessen Durchsetzung das täuschende Vorgehen des Betroffenen verhindert, selbst unverletzt weiterbesteht; es liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Berechtigte durch die Täuschung über das Be­ stehen seines Anspruchs in Zweifel versetzt und dadurch veranlaßt wird, von der Durchsetzung des Anspruchs, wenn auch nur zeitweise abzusehen. An einer Vermögens­ beschädigung fehlte es auch insoferne nicht, als der Tatbe­ stand des Betrugs einen schon bestehenden Vermögens­ wert vorausfetzt. Wenn auch nicht schon eine nur allge­ meine, unbestimmte Aussicht oder eine bloße Hoffnung, einen Vermögensvorteil zu erlangen, einen Vermögens­ wert bildet, dessen Nichterzielung als Vermögensnachteil zu werten wäre, so wird doch anderseits nicht erfordert, daß bereits ein rechtlich begründeter Anspruch vorliegt, vielmehr genügt das Bestehen einer Sachlage, vermöge deren das Zuwachsen eines Bermögenswertes mit Wahr­ scheinlichkeit zu erwarten ist. Ein Sachverhalt dieser Art war aber im angefochtenen Urteil festgestellt. Das Rech­ nungsamt hatte die Ordnungswidrigkeit: aufgegriffen und damit war für den Beamten die Gefahr gegeben, die Be­ stechungsgelder in irgendeiner Form herausgeben zu müssen, sei es, daß eine Strafanzeige erstattet, sei es, daß lediglich die Vergütung dieser Beträge an die Kasse ver­ langt wurde. Indem die Behörde gehindert wurde oder gehindert werden sollte, den für sie in irgendeiner Form

in naher Aussicht stehenden Vermögensvorteil weiter zu verfolgen, lag ein durch die Angeklagten herbeigeführtes oder doch erstrebtes Unterlassen vor, das unmittelbar oder mittelbar jene nachteilige Gestaltung der Vermögens­ lage des Fiskus zur Folge hatte oder haben sollte. Auf der ersten Stufe des Handelns des Beamten konnte auch Untreue vorgelegen haben; mit dieser konnte, falls der Beamte zur Durchführung seiner ungetreuen Verfügung der Mitwirkung eines anderen Beamten, etwa eines Kassenbeamten bedurfte und diese durch eine Täuschung erreichte, Betrug in Tateinheit anzunehmen sein. Wenn das zutraf, konnte nicht ein mit diesem Betrug in Tat­ einheit stehender weiterer, mit der erschwerten Urkunden­ fälschung tateinheitlich zusammentresfender Betrug ange­ nommen werden, denn insoweit handelte es sich nur dar­ um, daß der Beamte den durch den Betrug zum Nachteil des Fiskus erlangten Vermögenswert zu erhalten suchte und es lag nur eine straflose Nachtat vor. Wenn aber das Verhalten des Beamten auf der früheren Stufe nur als Untreue zu beurteilen war, traf der Gesichtspunkt der straflosen Nachtat nicht zu. Die den Tatbestand der Untreue begründende Handlung bestand darin, daß der Beamte die Auszahlung eines zu hohen Betrages an den Kaufmann veranlaßte; der Vorteil, der ihm dafür zufloß, war aus dem Vermögen des Kaufmanns gewährt. Das spätere, auf Erhaltung dieses Betrages gerichtete be­ trügerische Vorgehen sollte ihm also nicht einen auf Kosten des Fiskus erlangten Vermögensvorteil erhalten, sondern verhüten, daß der Betrag an den Fiskus herauszugeben war, um dessen Schadenersatzanspruch auszugleichen. Wird ein solcher Schadenersatzanspruch, der einen Bestandteil des Vermögens des Geschädigten bildet, vereitelt, so kann damit ein strafbarer Betrug begangen werden, soferne nicht bereits die Schadenzufügung selbst als Betrug zu ahnden ist und sich darum die betrügerische Vereitelung des Ersatzanspruchs als straflose Nachtat darstellt. (I, 7. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 186—193. Vgl. 93b. 18 S. 443; Bd. 33 S. 333; Bd.38 S.108; 93b. 39 S. 243; 93b. 41 S. 373; 93b. 48 S. 290; 93b. 58 S. 213; 93b. 62 S. 61.

62. Berufung. Sprungrevifion. Beteiligung. (StPO. § 335.) Zwei Angeklagte wurden wegen eines gemeinsam

in naher Aussicht stehenden Vermögensvorteil weiter zu verfolgen, lag ein durch die Angeklagten herbeigeführtes oder doch erstrebtes Unterlassen vor, das unmittelbar oder mittelbar jene nachteilige Gestaltung der Vermögens­ lage des Fiskus zur Folge hatte oder haben sollte. Auf der ersten Stufe des Handelns des Beamten konnte auch Untreue vorgelegen haben; mit dieser konnte, falls der Beamte zur Durchführung seiner ungetreuen Verfügung der Mitwirkung eines anderen Beamten, etwa eines Kassenbeamten bedurfte und diese durch eine Täuschung erreichte, Betrug in Tateinheit anzunehmen sein. Wenn das zutraf, konnte nicht ein mit diesem Betrug in Tat­ einheit stehender weiterer, mit der erschwerten Urkunden­ fälschung tateinheitlich zusammentresfender Betrug ange­ nommen werden, denn insoweit handelte es sich nur dar­ um, daß der Beamte den durch den Betrug zum Nachteil des Fiskus erlangten Vermögenswert zu erhalten suchte und es lag nur eine straflose Nachtat vor. Wenn aber das Verhalten des Beamten auf der früheren Stufe nur als Untreue zu beurteilen war, traf der Gesichtspunkt der straflosen Nachtat nicht zu. Die den Tatbestand der Untreue begründende Handlung bestand darin, daß der Beamte die Auszahlung eines zu hohen Betrages an den Kaufmann veranlaßte; der Vorteil, der ihm dafür zufloß, war aus dem Vermögen des Kaufmanns gewährt. Das spätere, auf Erhaltung dieses Betrages gerichtete be­ trügerische Vorgehen sollte ihm also nicht einen auf Kosten des Fiskus erlangten Vermögensvorteil erhalten, sondern verhüten, daß der Betrag an den Fiskus herauszugeben war, um dessen Schadenersatzanspruch auszugleichen. Wird ein solcher Schadenersatzanspruch, der einen Bestandteil des Vermögens des Geschädigten bildet, vereitelt, so kann damit ein strafbarer Betrug begangen werden, soferne nicht bereits die Schadenzufügung selbst als Betrug zu ahnden ist und sich darum die betrügerische Vereitelung des Ersatzanspruchs als straflose Nachtat darstellt. (I, 7. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 186—193. Vgl. 93b. 18 S. 443; Bd. 33 S. 333; Bd.38 S.108; 93b. 39 S. 243; 93b. 41 S. 373; 93b. 48 S. 290; 93b. 58 S. 213; 93b. 62 S. 61.

62. Berufung. Sprungrevifion. Beteiligung. (StPO. § 335.) Zwei Angeklagte wurden wegen eines gemeinsam

verübten Betrugs, der eine von ihnen außerdem noch wegen weiterer Vergehen d-es Betrugs verurteilt. Der eine legte Berüfung, der zweite Revision ein. Das Land­ gericht befaßte sich nur mit dem gemeinsam verübten Betrug, schied dagegen die übrigen Fälle aus, da sie nur der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterworfen seien. Das Reichsgericht entschied, daß das Landgericht auch über diese Fälle hätte entscheiden sollen. Legt gegen ein Urteil ein Beteiligter Berufung und ein anderer Be­ teiligter Revision ein, so wird die Revision als Berufung behandelt. Unter den anderen Beteiligten sind nicht die strafrechtlich als Teilnehmer in Betracht kommenden Personen zu verstehen, sondern alle Beschwerdeführer, die an dem angefochtenen Urteil verfahrensrechtlich be­ teiligt sind und die Wahl haben, es mit Berufung oder Revision anzufechten. Auch die Staatsanwaltschaft ist in diesem Sinne beteiligt und kann durch die Einlegung der Berufung verhindern, daß die von einem anderen Be­ teiligten eingelegte Revision als solche behandelt werden darf. Den Beteiligten ist die Wahl der Revision nicht neben der Berufung, sondern nur statt der -Berufung gestattet; das Urteil teils mit Berufung, teils mit Revi­ sion anzufechten, ist auch dann nicht zulässig, wenn es mehrere Straftaten umfaßt, deren Trennung im Rechts­ mittelverfahren begrifflich möglich wäre und bei der.Be­ schränkung des Rechtsmittels auf eines von ihnen als zu­ lässig anerkannt ist. Die Sprungrevision ist nur Msnahmsweise zugelassen und wird als solche nur dann durchgeführt, wenn für die Sachentscheidung eine von irgendwelcher anderer Seite eingelegte Berufung nicht oder nicht mehr in Betracht kommt. (II, 6. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 194—197. Vgl. Bd. 60 S. 355.

63. Geschlechtskrankheiten. Behandeln. Sicherbieten. (GeschlKrankhG. § 7.) Ein Naturheilkundiger hatte an dem Eingang des Hauses, in dem er wohnte, ein Schild angebracht, worauf das Erkennen der Krankheit durch Augendiagnose dargestellt war; unter den Krankheiten, die auf solche Weise festgestellt werden konnten, waren auch Gebärmuttererkrankung und weißer Fluß angeführt. In dem Sprechzimmer befand sich ein Anschlag, daß eine Heil­ behandlung von Krankheiten nach dem Geschlechtskrankheitengesetz nicht erfolge. Wegen Verfehlung gegen dieses

verübten Betrugs, der eine von ihnen außerdem noch wegen weiterer Vergehen d-es Betrugs verurteilt. Der eine legte Berüfung, der zweite Revision ein. Das Land­ gericht befaßte sich nur mit dem gemeinsam verübten Betrug, schied dagegen die übrigen Fälle aus, da sie nur der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterworfen seien. Das Reichsgericht entschied, daß das Landgericht auch über diese Fälle hätte entscheiden sollen. Legt gegen ein Urteil ein Beteiligter Berufung und ein anderer Be­ teiligter Revision ein, so wird die Revision als Berufung behandelt. Unter den anderen Beteiligten sind nicht die strafrechtlich als Teilnehmer in Betracht kommenden Personen zu verstehen, sondern alle Beschwerdeführer, die an dem angefochtenen Urteil verfahrensrechtlich be­ teiligt sind und die Wahl haben, es mit Berufung oder Revision anzufechten. Auch die Staatsanwaltschaft ist in diesem Sinne beteiligt und kann durch die Einlegung der Berufung verhindern, daß die von einem anderen Be­ teiligten eingelegte Revision als solche behandelt werden darf. Den Beteiligten ist die Wahl der Revision nicht neben der Berufung, sondern nur statt der -Berufung gestattet; das Urteil teils mit Berufung, teils mit Revi­ sion anzufechten, ist auch dann nicht zulässig, wenn es mehrere Straftaten umfaßt, deren Trennung im Rechts­ mittelverfahren begrifflich möglich wäre und bei der.Be­ schränkung des Rechtsmittels auf eines von ihnen als zu­ lässig anerkannt ist. Die Sprungrevision ist nur Msnahmsweise zugelassen und wird als solche nur dann durchgeführt, wenn für die Sachentscheidung eine von irgendwelcher anderer Seite eingelegte Berufung nicht oder nicht mehr in Betracht kommt. (II, 6. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 194—197. Vgl. Bd. 60 S. 355.

63. Geschlechtskrankheiten. Behandeln. Sicherbieten. (GeschlKrankhG. § 7.) Ein Naturheilkundiger hatte an dem Eingang des Hauses, in dem er wohnte, ein Schild angebracht, worauf das Erkennen der Krankheit durch Augendiagnose dargestellt war; unter den Krankheiten, die auf solche Weise festgestellt werden konnten, waren auch Gebärmuttererkrankung und weißer Fluß angeführt. In dem Sprechzimmer befand sich ein Anschlag, daß eine Heil­ behandlung von Krankheiten nach dem Geschlechtskrankheitengesetz nicht erfolge. Wegen Verfehlung gegen dieses

Gesetz angeklagt, erklärte er, daß er, falls er durch Augen­ diagnose Geschlechtskrankheiten oder Leiden der geschlecht­ lichen Organe festgestellt habe, die Kranken stets an die Fachärzte verwiesen habe. Das Vorbringen wurde nicht widerlegt. Trotzdem wurde er in zwei Rechtszügen ver­ urteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Frage, ob der Durchschnitt beim Anblick des Sch-ildes des Angeklagten zu der Auffassung gelangte, er erbiete sich auch hinsichtlich der dort ausgesührten Krankheiten und Leiden der Gefchlechtsorgane nicht nur zur Untersuchung, sondern auch zur Heilbehandlung, lag wesentlich auf tat­ sächlichem Gebiete. Aber der Eindruck, der durch das Schild bei den Beschauern hervorgerufen wurde, war nicht allein maßgebend. Mit Strafe ist int § 7 des Gesetzes über die Geschlechtskrankheiten nur ein ernstliches Sicherbieten zur Behandlung bedroht. Wer Krankheiten und Leiden dieser Art weder behandelt noch zu behandeln beabsichtigt und dies überdies im Sprechzimmer durch Anschlag zu er­ kennen gibt und den Kranken gegenüber durch Verweisung an den Arzt zum Ausdruck bringt, erfüllt den Tatbestand der genannten Vorschrift selbst dann nicht, wenn seine öffentlichen Ankündigungen den falschen Anschein er­ wecken, daß er sich zur Behandlung solcher Krankheiten und Leiden erbiete. Allerdings kann eine von einem nicht approbierten Heilbehandler vorgenommene Untersuchung unter den Begriff der Behandlung fallen, wenn der Unter­ suchende für den Fall der Feststellung einer solchen Krank­ heit oder eines solchen Leidens eine Heilbehandlung in Aussicht nimmt. Die Vorschrift sollte aber auch der Be­ seitigung der Gefahren dienen, die aus der nicht recht­ zeitigen Erkennung der Geschlechtskrankheiten durch nicht approbierte Heilbehandler drohen. Diese Gefahren wür­ den fortbestehen, wenn solchen Heilbehandlern gestattet würde, die bei ihnen vorsprechenden Personen auf Ge­ schlechtskrankheiten oder auf Krankheiten oder Leiden der Geschlechtsorgane zu untersuchen und sich zu solchen Unter­ suchungen zu erbieten. Die Anwendung der Strafvor­ schrift auf einen nicht approbierten Heilbehandler kann erst dann in Frage kommen, wenn er mit der Möglichkeit des Vorliegens einer solchen Krankheit oder eines solchen Leidens rechnen mußte, sei es, daß sich diese Möglichkeit schon aus den Erllärungen des Kunden ergab, sei es, daß RGE. Strafsachen Dd. 63

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sie im Laufe einer zunächst nicht auf Krankheiten solcher Art gerichtete Untersuchung zutage trat. In diesem Fall war die begonnene Untersuchung abzubrechen und der Untersuchte an den Arzt zu verweisen. (I, 7. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 197—202. Vgl. Bd. 60 S. 23; Bd. 63 S. 85.

64. üble Nachrede. Leichtsertige Behauptung. Presse. Wahrnehmung berechtigter Interessen. (StGB. §§ 186, 193). In einer Zeitung war behauptet, die Ärzte eines städtischen Krankenhauses seien bei der Einlieferung von Personen, die bei einem Krastwagenunfall verletzt worden waren, betrunken gewesen. Die Behauptungen erwiesen sich als unwahr. Der angeklagte Schriftleiter der Zeitung verteidigte sich mit Wahrnehmung berechtigter Interessen. Er wurde in allen Rechtszügen verurteilt. Allerdings war er, da er am Orte des Krankenhauses wohnte, an sich be­ rechtigt, Mißstände im Krankenhaus zur Sprache und zur Kenntnis der Aufsichtsorgane zu bringen, weil er selbst jederzeit in die Lage kommen konnte, die Hilfe des Kran­ kenhauses anrufen zu müssen. Zur Behandlung der Sache in der Öffentlichkeit bestand aber kein Grund, da dem An­ geklagten für eine Beschwerde andere Wege offen standen. Die Vorgänge waren auch schon in einer anderen Zeitung behandelt und von der Leitung des Krankenhauses unter­ sucht worden; diese Zeitung hatte eine Berichtigung der Krankenhausleitung bringen müssen, in der die schnelle und sachgemäße ärztliche Versorgung der Verletzten dar­ gelegt und mitgeteilt war, daß diese ihre Zufriedenheit mit den Ärzten zum Ausdruck gebracht hatten. Hiernach konnte die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den An­ geklagten nur in Frage kommen, wenn er in der Lage war, der Berichtigung der Krankenhausleitung entgegenzutreten und ihr gegenüber Interessen zu wahren. Seine Aus­ führungen wiederholten aber nur die schon widerlegten Behauptungen in grober Form. Der Angeklagte hatte sich auch nicht ernstlich bemüht, Auskunft über die Wahrheit der Behauptungen zu erhalten. Ein Angriff auf die Ehre anderer durch Behauptungen, deren Wahrheit dem Be­ haupteten selbst zweifelhaft ist, ohne genaue Prüfung und ohne Andeutung der bestehenden Zweifel, ist eine Leicht­ fertigkeit, für die der Schutz des § 193 StGB, nicht in Frage kommen kann. Die Rechtswidrigkeit einer Beleidi-

sie im Laufe einer zunächst nicht auf Krankheiten solcher Art gerichtete Untersuchung zutage trat. In diesem Fall war die begonnene Untersuchung abzubrechen und der Untersuchte an den Arzt zu verweisen. (I, 7. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 197—202. Vgl. Bd. 60 S. 23; Bd. 63 S. 85.

64. üble Nachrede. Leichtsertige Behauptung. Presse. Wahrnehmung berechtigter Interessen. (StGB. §§ 186, 193). In einer Zeitung war behauptet, die Ärzte eines städtischen Krankenhauses seien bei der Einlieferung von Personen, die bei einem Krastwagenunfall verletzt worden waren, betrunken gewesen. Die Behauptungen erwiesen sich als unwahr. Der angeklagte Schriftleiter der Zeitung verteidigte sich mit Wahrnehmung berechtigter Interessen. Er wurde in allen Rechtszügen verurteilt. Allerdings war er, da er am Orte des Krankenhauses wohnte, an sich be­ rechtigt, Mißstände im Krankenhaus zur Sprache und zur Kenntnis der Aufsichtsorgane zu bringen, weil er selbst jederzeit in die Lage kommen konnte, die Hilfe des Kran­ kenhauses anrufen zu müssen. Zur Behandlung der Sache in der Öffentlichkeit bestand aber kein Grund, da dem An­ geklagten für eine Beschwerde andere Wege offen standen. Die Vorgänge waren auch schon in einer anderen Zeitung behandelt und von der Leitung des Krankenhauses unter­ sucht worden; diese Zeitung hatte eine Berichtigung der Krankenhausleitung bringen müssen, in der die schnelle und sachgemäße ärztliche Versorgung der Verletzten dar­ gelegt und mitgeteilt war, daß diese ihre Zufriedenheit mit den Ärzten zum Ausdruck gebracht hatten. Hiernach konnte die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den An­ geklagten nur in Frage kommen, wenn er in der Lage war, der Berichtigung der Krankenhausleitung entgegenzutreten und ihr gegenüber Interessen zu wahren. Seine Aus­ führungen wiederholten aber nur die schon widerlegten Behauptungen in grober Form. Der Angeklagte hatte sich auch nicht ernstlich bemüht, Auskunft über die Wahrheit der Behauptungen zu erhalten. Ein Angriff auf die Ehre anderer durch Behauptungen, deren Wahrheit dem Be­ haupteten selbst zweifelhaft ist, ohne genaue Prüfung und ohne Andeutung der bestehenden Zweifel, ist eine Leicht­ fertigkeit, für die der Schutz des § 193 StGB, nicht in Frage kommen kann. Die Rechtswidrigkeit einer Beleidi-

gung ist ohne weiteres gegeben, wenn der Beleidiger in dem Bewußtsein, daß die Sache sich möglicherweise anders verhalten habe, seine Behauptungen aufstellt und ihnen noch durch die Presse größere Verbreitung gibt. (I, 11. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 202—205. Vgl. Bd. 25 S. 357; Bd. 62 S. 93; Bd. 63 S. 92.

65. Unlauterer Wettbewerb. Verwerten. Gesetzesauslegung. (UnlWG. § 17.) Ein Mann, der nach Amerika auszuwandern beabsichtigte, schrieb sich aus dem Auf­ zeichnungsbuch eines Angestellten einer chemischen Fabrik Vorschriften über die Herstellung von Lacken ab, um sie in Amerika an ein Konkurrenzunternehmen weiterzugeben; nachträglich übertrug er die Abschrift in sein Aufschreibe­ buch. Das Reichsgericht entschied, daß hierin ein Ver­ gehen des unlauteren Wettbewerbs noch nicht zu finden sei. Daß jene Herstellungsvorschristen ein Betriebsgeheim­ nis bildeten, daß der Angeklagte das wußte und daß er seine Kenntnis durch eine gegen die guten Sitten ver­ stoßende eigene Handlung erlangt hatte, stand außer Zweifel; dagegen war das Tatbestandsmerkmal einer un­ befugten Verwertung nicht gegeben. Die Revision wollte eine Verwertung darin finden, daß der Angeklagte eine durch die heimliche Abschrift gewonnene, zunächst nur flüchtige Kenntnis des Geheimnisses durch die Übertragung in sein Aufschreibebuch zu einer sicheren und dauernden gemacht habe. Darin lag noch kein Verwerten. Verwerten kann nichts anderes sein, als den Wert aus einer Sache ziehen, sie irgendwie wirtschaftlich nutzen, und das kann solange nicht der Fall sein, als der Täter nur die Kennt­ nis von dem Betriebsgeheimnis für sich hat, auch wenn sein Streben und Tun darauf gerichtet ist, die Kenntnis nicht schwinden zu lassen, um sie für eine spätere Ver­ wendung bereit zu haben. Im vorliegenden Fall war es aber nicht einmal zu einem Versuch der strafbaren Hand­ lung gekommen. Daß ein Tun wie das des Angeklagten schon eine starke Gefährdung des betroffenen gewerblichen Unternehmens bilden kann, erlaubt dem Richter nicht, dem Gesetz nachzuhelfen und entgegen dem klaren Sinne der Strafdrohung den vom Gesetzgeber geschaffenen Tat­ bestand durch die Auslegung auszuweiten. (I, 21. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 205—208. Vgl. Bd. 39 S. 85; Bd. 40 S. 408; Bd. 51 S. 184. 5*

gung ist ohne weiteres gegeben, wenn der Beleidiger in dem Bewußtsein, daß die Sache sich möglicherweise anders verhalten habe, seine Behauptungen aufstellt und ihnen noch durch die Presse größere Verbreitung gibt. (I, 11. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 202—205. Vgl. Bd. 25 S. 357; Bd. 62 S. 93; Bd. 63 S. 92.

65. Unlauterer Wettbewerb. Verwerten. Gesetzesauslegung. (UnlWG. § 17.) Ein Mann, der nach Amerika auszuwandern beabsichtigte, schrieb sich aus dem Auf­ zeichnungsbuch eines Angestellten einer chemischen Fabrik Vorschriften über die Herstellung von Lacken ab, um sie in Amerika an ein Konkurrenzunternehmen weiterzugeben; nachträglich übertrug er die Abschrift in sein Aufschreibe­ buch. Das Reichsgericht entschied, daß hierin ein Ver­ gehen des unlauteren Wettbewerbs noch nicht zu finden sei. Daß jene Herstellungsvorschristen ein Betriebsgeheim­ nis bildeten, daß der Angeklagte das wußte und daß er seine Kenntnis durch eine gegen die guten Sitten ver­ stoßende eigene Handlung erlangt hatte, stand außer Zweifel; dagegen war das Tatbestandsmerkmal einer un­ befugten Verwertung nicht gegeben. Die Revision wollte eine Verwertung darin finden, daß der Angeklagte eine durch die heimliche Abschrift gewonnene, zunächst nur flüchtige Kenntnis des Geheimnisses durch die Übertragung in sein Aufschreibebuch zu einer sicheren und dauernden gemacht habe. Darin lag noch kein Verwerten. Verwerten kann nichts anderes sein, als den Wert aus einer Sache ziehen, sie irgendwie wirtschaftlich nutzen, und das kann solange nicht der Fall sein, als der Täter nur die Kennt­ nis von dem Betriebsgeheimnis für sich hat, auch wenn sein Streben und Tun darauf gerichtet ist, die Kenntnis nicht schwinden zu lassen, um sie für eine spätere Ver­ wendung bereit zu haben. Im vorliegenden Fall war es aber nicht einmal zu einem Versuch der strafbaren Hand­ lung gekommen. Daß ein Tun wie das des Angeklagten schon eine starke Gefährdung des betroffenen gewerblichen Unternehmens bilden kann, erlaubt dem Richter nicht, dem Gesetz nachzuhelfen und entgegen dem klaren Sinne der Strafdrohung den vom Gesetzgeber geschaffenen Tat­ bestand durch die Auslegung auszuweiten. (I, 21. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 205—208. Vgl. Bd. 39 S. 85; Bd. 40 S. 408; Bd. 51 S. 184. 5*

66. Miete. Zurückbehaltungsrecht. Pfandbruch. (BGB. §§ 273, 559; StGB. § 289.) Ein Kraftwagen wurde einem Händler zum Zwecke des Verkaufs übergeben. Dieser stellte ihn bei einer ihm bekannten Frau ein und vereinbarte mit ihr eine Miete von monatlich 10 RM. Ms er vier Monate lang keine Miete bezahlt hatte, ließ die Frau den Wagen mit einer Kette derart anlegen, daß er nach ihrer Meinung nicht entfernt werden konnte. Der Händler nahm von dieser Sicherung Kenntnis, ohne zu wider­ sprechen. Als er dann Gelegenheit hatte, den Wagen zu verkaufen, schaffte er ihn heimlich weg. In zwei Rechts­ zügen wurde er wegen Pfandbruch verurteilt. Das Reichs­ gericht sprach ihn frei. Durch Vertrag zwischen dem Ver­ mieter und dem Mieter kann ein Zurückbehaltungsrecht auch hinsichtlich der Sachen begründet werden, die dem Pfandrecht des Vermieters nicht unterliegen. Ein solches Zurückbehaltungsrecht genießt den gleichen Schutz wie ein Pfandrecht. An Sachen, die dem Mieter nicht gehören, kann aber ein solches Zurückbehaltungsrecht mit ding­ licher Wirkung nicht geschaffen werden. Demgemäß kann der Eigentümer eine Sache, hinsichtlich der ein solches Zurückbehaltungsrecht von einem Nichtberochtigten einge­ räumt worden ist, wegnehmen, ohne sich strafbar zu machen, weil ihm gegenüber kein Zurückbehaltungsrecht besteht. Auch der Nichtberechtigte, der das Zurückbehal­ tungsrecht eingeräumt hat, kann zugunsten des Eigen­ tümers oder in seinem eigenen Interesse die Sache unge­ straft wegnehmen. (II, 18. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 209—210. 67. Fahrlässige Tötung. Ursächlicher Zusammenhang. Bearbeiten. (StGB. §§ 222; GewO. II 120 c, 147.) Ein Fabrikant bezog für seine Pinselfabrik chinesische Ziegen­ haare und ließ sie trotz der Mitteilung des Lieferanten, daß er sie desinfizieren müsse, ohne Desinfektion verar­ beiten. Vier Arbeiterinnen wurden durch Milzbrand­ bazillen, mit denen die Haare behaftet waren, angesteckt und starben. Das Landgericht sprach den Fabrikanten von der Anklage der fahrlässigen Tötung frei. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Das Landgericht hatte angenommen, daß der Angeklagte zwar fahrlässig gehan­ delt habe, indem er die Bearbeitung des Haares trotz der Mitteilung des Lieferanten ohne Desinfektion anordnete;

66. Miete. Zurückbehaltungsrecht. Pfandbruch. (BGB. §§ 273, 559; StGB. § 289.) Ein Kraftwagen wurde einem Händler zum Zwecke des Verkaufs übergeben. Dieser stellte ihn bei einer ihm bekannten Frau ein und vereinbarte mit ihr eine Miete von monatlich 10 RM. Ms er vier Monate lang keine Miete bezahlt hatte, ließ die Frau den Wagen mit einer Kette derart anlegen, daß er nach ihrer Meinung nicht entfernt werden konnte. Der Händler nahm von dieser Sicherung Kenntnis, ohne zu wider­ sprechen. Als er dann Gelegenheit hatte, den Wagen zu verkaufen, schaffte er ihn heimlich weg. In zwei Rechts­ zügen wurde er wegen Pfandbruch verurteilt. Das Reichs­ gericht sprach ihn frei. Durch Vertrag zwischen dem Ver­ mieter und dem Mieter kann ein Zurückbehaltungsrecht auch hinsichtlich der Sachen begründet werden, die dem Pfandrecht des Vermieters nicht unterliegen. Ein solches Zurückbehaltungsrecht genießt den gleichen Schutz wie ein Pfandrecht. An Sachen, die dem Mieter nicht gehören, kann aber ein solches Zurückbehaltungsrecht mit ding­ licher Wirkung nicht geschaffen werden. Demgemäß kann der Eigentümer eine Sache, hinsichtlich der ein solches Zurückbehaltungsrecht von einem Nichtberochtigten einge­ räumt worden ist, wegnehmen, ohne sich strafbar zu machen, weil ihm gegenüber kein Zurückbehaltungsrecht besteht. Auch der Nichtberechtigte, der das Zurückbehal­ tungsrecht eingeräumt hat, kann zugunsten des Eigen­ tümers oder in seinem eigenen Interesse die Sache unge­ straft wegnehmen. (II, 18. März 1929.) Amtl. Sammlg. S. 209—210. 67. Fahrlässige Tötung. Ursächlicher Zusammenhang. Bearbeiten. (StGB. §§ 222; GewO. II 120 c, 147.) Ein Fabrikant bezog für seine Pinselfabrik chinesische Ziegen­ haare und ließ sie trotz der Mitteilung des Lieferanten, daß er sie desinfizieren müsse, ohne Desinfektion verar­ beiten. Vier Arbeiterinnen wurden durch Milzbrand­ bazillen, mit denen die Haare behaftet waren, angesteckt und starben. Das Landgericht sprach den Fabrikanten von der Anklage der fahrlässigen Tötung frei. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Das Landgericht hatte angenommen, daß der Angeklagte zwar fahrlässig gehan­ delt habe, indem er die Bearbeitung des Haares trotz der Mitteilung des Lieferanten ohne Desinfektion anordnete;

da aber ein Sachverständiger erklärt hatte, daß die Des­ infektion keine genügende Gewähr für völlige Keimfreiheit der Haare geschaffen hätte, hatte es einen sicheren Nach­ weis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Fahr­ lässigkeit des Angeklagten und den eingetretenen Folgen nicht für gegeben erachtet. Damit hat es sich in Wider­ spruch mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts gesetzt. Nach der von den Strafsenaten des Reichsgerichts ver­ tretenen Bedingungs- oder Äquivalenztheorie gilt als Ur­ sache oder Mitursache eines rechtswidrigen Erfolgs im strafrechtlichen Sinne jede als Bedingung des Erfolgs sich darstellende Handlung oder Unterlassung, die nicht hinweg­ gedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele. Liegt aber im einzelnen Fall der Nachweis vor, daß ein schädi­ gendes Ereignis tatsächlich als Wirkung eines menschlichen Verhaltens eingetreten ist, so genügt zur Verneinung des ursächlichen Zusammenhanges nicht schon die bloße, schwer oder gar nicht zu beachtende Möglichkeit einer Ursache, welche die gleiche Wirkung hätte haben können, wenn jene tatsächlich wirksam gewordene Bedingung nicht vorhanden gewesen wäre. Nur wenn die Gewißheit oder eine an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür vorläge, daß das schädigende Ereignis auch eingetreten sein würde, wenn das schuldhafte Verhalten nicht vorausgegangen wäre, würde der Beweis geliefert sein, daß dieses Verhalten jenen Erfolg nicht verursacht hat. Aber auch wenn sich eine an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür er­ gab, daß eine Ansteckung auch ohne das schuldhafte Ver­ halten des Angeklagten eingetreten wäre, hätte noch weiter geprüft werden müssen, ob dieses nicht gleichwohl für den schwereren Verlauf ursächlich war. Die Ansteckung mit Milzbrandbazillen ist nicht immer tödlich. Es bestand die Möglichkeit, daß durch eine Desinfektion die an den Haaren haftenden Bazillen zwar nicht völlig beseitigt und die Ansteckung nicht vermieden worden wäre, daß aber die Krankheit einen milderen Verlauf genommen hätte. End­ lich war auch zu prüfen, ob in dem Verhalten des Ange­ klagten nicht ein Vergehen gegen die Gewerbeordnung 147 Nr. 4) zu finden war. Durch eine auf Grund des § 120e Gewerbeordnung erlassene Bekanntmachung vom 22. Oktober 1902 ist bestimmt, daß die aus dem Ausland stammenden Ziegenhaare erst in Bearbeitung genommen

werden dürfen, wenn sie desinfiziert sind. Das Be­ rufungsgericht hatte darauf Gewicht gelegt, daß die Haare nicht bearbeitet, sondern verarbeitet wurden; nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist aber der Begriff der Bearbeitung in einem weiteren, die Verarbeitung mit um­ fassenden Sinne auszulegen. (II, 23. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 211—214. Vgl. Bd. 15 S. 151. 68. Beihilfe zum Mord. Rechtswidrigkeit. Notstand. Notwehr. Irrtum. Auslieferung. Spezialität. Politisches Verbrechen. (StGB. §§ 48, 53, 54, 59, 211; MilStGB. § 47.) Ein Mann, der bei einem Arbeitskommando Dienst tat, wurde zu einer Streife kommandiert; hiebei wurde ihm mitgeteilt, daß ein Soldat, der an der Streife teil­ nehmen sollte, ein Spitzel der Entente sei und deshalb vom Feldwebel beseitigt werden würde; es wurde ihm aufgetragen, sich um nichts zu kümmern und die Leiche begraben zu helfen. Er handelte demgemäß. Das Schwur­ gericht verurteilte ihn wegen Beihilfe zum Mord. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Der Staatsanwalt hatte Revision eingelegt, weil nicht Beihilfe, sondern Mit­ täterschaft vorliege. Das Reichsgericht bemerkte dazu, daß die im angefochtenen Urteil gegebene Begründung, von einem bewußten und gewollten Zusammenwirken lasse sich nicht sprechen, nicht zutreffe, daß vielmehr zwischen dem Feldwebel und dem Angeklagten volles Einverständ­ nis bestand, gleichgültig, ob es durch gegenseitige Aus­ sprache oder durch Vermittlung dritter Personen herge­ stellt wurde. Durch ein solches Einverständnis wurde aber noch keine Mittäterschaft begründet; es kann und wird auch meistens zwischen dem Täter und dem Gehilfen bestehen. Entscheidend ist für die Teilnahmeform, wie sich der Teilnehmer innerlich zu der verübten Tat gestellt, ob er sie als eigene oder als die eines anderen gewollt hat. Hat er nun gehandelt, um zu einem Erfolg beizu­ tragen, den ausschließlich der andere als eigenen verwirk­ lichen wollte und sollte, so war er Gehilfe. Miltätervorsatz ist nur gegeben, wenn nicht lediglich die Unterstützung einer fremden Tat gewollt ist. Gegen eine solche Annahme sprach der festgestellte Sachverhalt. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß seine Handlung nicht rechts­ widrig gewesen sei, oder daß er sie doch nicht für rechts-

werden dürfen, wenn sie desinfiziert sind. Das Be­ rufungsgericht hatte darauf Gewicht gelegt, daß die Haare nicht bearbeitet, sondern verarbeitet wurden; nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist aber der Begriff der Bearbeitung in einem weiteren, die Verarbeitung mit um­ fassenden Sinne auszulegen. (II, 23. April 1929.) Amtl. Sammlg. S. 211—214. Vgl. Bd. 15 S. 151. 68. Beihilfe zum Mord. Rechtswidrigkeit. Notstand. Notwehr. Irrtum. Auslieferung. Spezialität. Politisches Verbrechen. (StGB. §§ 48, 53, 54, 59, 211; MilStGB. § 47.) Ein Mann, der bei einem Arbeitskommando Dienst tat, wurde zu einer Streife kommandiert; hiebei wurde ihm mitgeteilt, daß ein Soldat, der an der Streife teil­ nehmen sollte, ein Spitzel der Entente sei und deshalb vom Feldwebel beseitigt werden würde; es wurde ihm aufgetragen, sich um nichts zu kümmern und die Leiche begraben zu helfen. Er handelte demgemäß. Das Schwur­ gericht verurteilte ihn wegen Beihilfe zum Mord. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Der Staatsanwalt hatte Revision eingelegt, weil nicht Beihilfe, sondern Mit­ täterschaft vorliege. Das Reichsgericht bemerkte dazu, daß die im angefochtenen Urteil gegebene Begründung, von einem bewußten und gewollten Zusammenwirken lasse sich nicht sprechen, nicht zutreffe, daß vielmehr zwischen dem Feldwebel und dem Angeklagten volles Einverständ­ nis bestand, gleichgültig, ob es durch gegenseitige Aus­ sprache oder durch Vermittlung dritter Personen herge­ stellt wurde. Durch ein solches Einverständnis wurde aber noch keine Mittäterschaft begründet; es kann und wird auch meistens zwischen dem Täter und dem Gehilfen bestehen. Entscheidend ist für die Teilnahmeform, wie sich der Teilnehmer innerlich zu der verübten Tat gestellt, ob er sie als eigene oder als die eines anderen gewollt hat. Hat er nun gehandelt, um zu einem Erfolg beizu­ tragen, den ausschließlich der andere als eigenen verwirk­ lichen wollte und sollte, so war er Gehilfe. Miltätervorsatz ist nur gegeben, wenn nicht lediglich die Unterstützung einer fremden Tat gewollt ist. Gegen eine solche Annahme sprach der festgestellte Sachverhalt. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß seine Handlung nicht rechts­ widrig gewesen sei, oder daß er sie doch nicht für rechts-

widrig gehalten habe. Die Rechtswidrigkeit des Handelns bildet im Strafrecht auch dann eine Voraussetzung für die Bestrafung des Täters, wenn sie im Tatbestand nicht aus­ drücklich als Merkmal hervorgehoben ist. Regelmäßig ist die Verwirklichung eines vom Strafgesetz mit Strafe be­ drohten Tatbestandes ohne weiteres rechtswidrig; die Rechtswidrigkeit kann aber im einzelnen Fall ausge­ schlossen sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die der Tat die Rechtswidrigkeit nehmen. Solche Umstände können sich nicht nur aus den Normen des Strafrechts, sondern auch aus anderen Grundsätzen des geschriebenen und des ungeschriebenen Rechts ergeben. Der Ausschluß der Rechtswidrigkeit braucht auch nicht ausdrücklich be­ stimmt zu sein; es genügt, wenn er sich dem Zusammen­ hang der Rechtssätze auf Grund der allgemeinen Rechts­ anschauung entnehmen läßt. Beim Vorliegen solcher Vor­ aussetzungen entfällt die Strafbarkeit der Handlung. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehört regelmäßig nicht zum Vorsatz. Deshalb kann der allgemeine Irrtum des Täters über die Rechtswidrigkeit seines Tuns ihn von Strafe nicht befreien, sondern stellt ebenso einen unbeacht­ lichen strafrechtlichen Irrtum dar wie die Annahme eines vom Recht nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes. Ein dem Täter zugute kommender Tatsachenirrtum wäre aber gegeben und würde den Vorsatz ausschließen, wenn der Täter irrtümlicherweise einen Sachverhalt als vorhanden ansähe, der, wenn er wahr wäre, einen die Bestrafung des Täters ausschließenden Rechtfertigungsgrund bilden würde. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils lagen tatsächliche Gründe, welche für die Tat den Wegfall der Rechtswidrigkeit herbeisühren konnten, nicht vor; der getötete Soldat war in Wirklichkeit kein Spion der Entente gewesen. Zu prüfen war aber, ob nicht der Irrtum des Angeklagten hierüber die Rechtswidrigkeit seines Handelns ausschloß. Das Urteil hatte festgestellt, daß der Ange­ klagte glaubte, der getötete Soldat habe durch drohenden Verrat die Landesverteidigung gefährdet. Das Schwur­ gericht hatte die Anwendung des Notwehrbegriffs aus diesem Gesichtspunkt mit der Begründung abgelehnt, daß es sich nicht um einen dem Angeklagten oder einem ande­ ren drohenden Angriff gehandelt habe. Diese Auffassung bezeichnete das Reichsgericht als zu eng. Auch zugunsten

juristischer Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts kann Notwehr geübt werden, wenn rechtswidrige Angriffe gegen ihre geschützten Rechtsgüter erhoben wer­ den. Daraus ergibt sich, daß es auch ein Notwehrrecht jedes einzelnen Staatsbürgers gegenüber rechtswidrigen Angriffen auf die Lebensinteressen des Staates gibt, sei es, daß sich der Angriff gegen die Verfassung oder gegen Gebietsteile des Staates oder gegen die Landesverteidi­ gung richtet. Wenn der getötete Soldat ein Spion der Entente war urrd im Arbeitskommando Dienst tat, um dessen Einrichtung auszuspionieren und an das Ausland zu verraten, lag ein fortdauernder und insoferne auch gegenwärtiger Angriff zur Zeit der Tat vor. Die An­ nahme einer vermeintlichen Notwehr war aber dadurch ausgeschlossen, daß die Tötung des Soldaten nicht als die zur Abwehr des Angriffs erforderliche Verteidigung ange­ sehen werden konnte und auch vom Angeklagten nicht Äs solche angesehen wurde. Es war möglich, den Soldaten zu überwachen und sestnehmen zu lassen; dessen war sich auch der Angeklagte bewußt. Da er sich sonach nicht in einem tatsächlichen Irrtum über alle Voraussetzungen der Not­ wehr befand, schied auch der Gesichtspunkt der fahrlässigen Tötung aus. Die Voraussetzungen des Notstandes waren ebenfalls nicht gegeben. Der Angeklagte hatte selbst nicht behauptet, daß er durch unwiderstehliche Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Beteiligung am Mord gezwungen wurde. Es lag ihm gegenüber auch ein militärischer Befehl nicht vor, da er als Angehöriger eines Arbeitskommandos nicht Militärperson im Sinne des Militärstrafgesetzbuchs war. Die bloße psychische Zwangslage, in der er sich gegenüber dem an ihn gestellten Ansinnen befand, begründete für ihn noch keinen Notstand. Die Verteidigung hatte das Vorliegen eines Staatsnotstandes betont. Hiezu bemerkte das Reichs­ gericht, daß das deutsche Recht ein Handeln aus Vater­ landsliebe zum Schutze der bedrohten Staatsinteressen in dieser Allgemeinheit nicht als einen Grund anerkennt, der den Täter von der gesetzlichen Strafe zu befreien vermag. Ein Staatsnotstand war auch schon darum nicht anzu­ nehmen, weil in Wirklichkeit dem Deutschen Reich von dem getöteten Soldaten keine Gefahr für seine Landes­ verteidigung drohte. Hatte aber der Angeklagte tatsächlich

die Lage für so bedrohlich gehalten, daß der Bestand des Reiches erheblich gefährdet erschien, so lag dieser Irrtum auf tatsächlichem Gebiete und mußte dem Angeklagten zugute kommen. Das führte aber nicht zur Aufhebung des Urteils. Ob die Grundsätze über den übergesetzlichen Not­ stand auch auf den Fall des Staatsnotstandes anzu* wenden sind und dazu führen, unter gewissen Voraus­ setzungen ein strafbares Handeln einzelner Staatsbürger, wenn es zur Abwehr der aus solchem Notstand sich er­ gebenden gegenwärtigen Gefahr vorgenommen wird, als nicht rechtswidrig erscheinen zu lassen, ließ bas Reichs­ gericht dahingestellt. Einer solchen Ausdehnung des über­ gesetzlichen Notstandes steht entgegen, daß der Staat als Inhaber der öffentlichen Gewalt selbst die geeigneten Maß­ nahmen trifft und deshalb die Staatsbürger im allge­ meinen sich darauf zu beschränken haben, die Tätigkeit der Staatsorgane bei drohender Gefahr herbeizuführen. Namentlich muß es bedenklich erscheinen, dem Einzelnen die Befugnis einzuräumen, heimlich auf bloßen Verdacht des Verrats hin einen Menschen zu töten, ohne ihm die Möglich­ keit einer Verantwortung zu geben. Der Staat ist selbst in Kriegszeiten nicht so weit gegangen, sondern hat sich be­ schränkt, Personen, von denen eine Gefahr für die Sicher­ heit des Reiches drohte, in Schutzhaft zu nehmen. Aber auch wenn zugunsten des Angeklagten angenommen wurde, daß der Grundsatz der Güter- und Pflichtenab­ wägung auch beim Vorliegen eines Staatsnotstandes ent­ sprechend anzuwenden war und daß der Bestand des Staates und seiner Landesverteidigung das höhere Rechts­ gut ist gegenüber dem Leben des einzelnen, spricht gegen ihn, daß die Tötung des Soldaten nicht das ausschließliche Mittel zur Abwendung der dem Reich aus dem angeb­ lichen Verrat drohenden Gefahr war. — Der Angeklagte war aus Italien ausgeliefert worden; in der Ausliefe­ rungsnote war die Tat als vorbedachte Tötung, also als Mord im Sinne des deutschen Strafrechtes, bezeichnet. Die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord war hiernach zulässig, da nach dem deutsch-italienischen Auslieferungs­ vertrag auch Beihilfe zum Mord zu den Auslieferungs­ taten gehört. Ob die Handlung als politischer Stoff an­ zusehen war und deshalb die Auslieferung hätte ver­ weigert werden können, hatte das Reichsgericht nicht zu

prüfen. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 215—227. Vgl. Bd. 3 S. 1; Bd. 21 S.189; Bd. 29 S. 22, 63; Bd.33 S. 99; Bd. 42 S. 309; Bd. 54 S. 36; Bd. 60 S. 202; Bd. 61 S. 216, 242; Bd. 62 S. 35, 44, 137. 69. Sittlichkeitsverbrechen. Gewalt. (StGB. § 176.) Eine mit Gewalt verübte unzüchtige Handlung liegt nicht vor, wenn die Gewalttätigkeit selbst die unzüchtige Hand­ lung bildet, wie das bei der Betätigung sadistischer Triebe der Fall ist. Hierauf berief sich ein Angeklagter, der eine Frau in der Weise vergewaltigt hatte, daß er ihr die Beine auseinanderzwängte und dann mit seinem Knie heftig gegen ihren Geschlechtsteil stieß. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Die sinnliche Befriedigung hatte der Angeklagte nicht in der Überwindung des Widerstands oder in einem damit hervorgerufenen Schmerz seines Opfers gefunden, sondern in der fühlbaren Berührung des Ge­ schlechtsteils; dieser war eine gewaltsame Handlung vor­ hergegangen, die das Mittel dazu bildete. (II, 17. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 227—228.

70. Zeugenaussage. Verlesung. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung wurde die Aussage einer Zeu­ gin verlesen, die bei der Vernehmung vor dem Schöffen­ gericht noch nicht eidesmündig gewesen war. Das war ein Grund für die Aufhebung des Urteils. Die an der Stelle der unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen ge­ stattete Verlesung seiner Aussage seht voraus, daß bei seiner Vernehmung die Vorschriften über die Beeidigung und zwar nach Maßgabe der hiefür zur Zeit der Beru­ fungsverhandlung bestehenden Zulässigkeit und Möglich­ keit beachtet sind. (II, 24. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 228—229. Vgl. Bd. 12 S. 347. 71. Naturheilkundiger. Arzt. Beleidigung. Wahr­ nehmung berechtigter Interessen. Irrtum. (StGB. §§ 59, 185, 193.) Eine Frau ließ ihr krankes Kind durch einen Arzt und gleichzeitig auch durch einen Naturheilkundigen behandeln. Der Arzt verbat sich diese Kurpfuscherei und gab die Behandlung des Kindes auf. Der Naturheil­ kundige, der zugleich Geschäftsführer eines Volksheilv-ereins war, schrieb im Auftrag dieses Vereins an den Arzt einen Brief, worin er ihm entarteten krankhaften Standes-

prüfen. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 215—227. Vgl. Bd. 3 S. 1; Bd. 21 S.189; Bd. 29 S. 22, 63; Bd.33 S. 99; Bd. 42 S. 309; Bd. 54 S. 36; Bd. 60 S. 202; Bd. 61 S. 216, 242; Bd. 62 S. 35, 44, 137. 69. Sittlichkeitsverbrechen. Gewalt. (StGB. § 176.) Eine mit Gewalt verübte unzüchtige Handlung liegt nicht vor, wenn die Gewalttätigkeit selbst die unzüchtige Hand­ lung bildet, wie das bei der Betätigung sadistischer Triebe der Fall ist. Hierauf berief sich ein Angeklagter, der eine Frau in der Weise vergewaltigt hatte, daß er ihr die Beine auseinanderzwängte und dann mit seinem Knie heftig gegen ihren Geschlechtsteil stieß. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Die sinnliche Befriedigung hatte der Angeklagte nicht in der Überwindung des Widerstands oder in einem damit hervorgerufenen Schmerz seines Opfers gefunden, sondern in der fühlbaren Berührung des Ge­ schlechtsteils; dieser war eine gewaltsame Handlung vor­ hergegangen, die das Mittel dazu bildete. (II, 17. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 227—228.

70. Zeugenaussage. Verlesung. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung wurde die Aussage einer Zeu­ gin verlesen, die bei der Vernehmung vor dem Schöffen­ gericht noch nicht eidesmündig gewesen war. Das war ein Grund für die Aufhebung des Urteils. Die an der Stelle der unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen ge­ stattete Verlesung seiner Aussage seht voraus, daß bei seiner Vernehmung die Vorschriften über die Beeidigung und zwar nach Maßgabe der hiefür zur Zeit der Beru­ fungsverhandlung bestehenden Zulässigkeit und Möglich­ keit beachtet sind. (II, 24. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 228—229. Vgl. Bd. 12 S. 347. 71. Naturheilkundiger. Arzt. Beleidigung. Wahr­ nehmung berechtigter Interessen. Irrtum. (StGB. §§ 59, 185, 193.) Eine Frau ließ ihr krankes Kind durch einen Arzt und gleichzeitig auch durch einen Naturheilkundigen behandeln. Der Arzt verbat sich diese Kurpfuscherei und gab die Behandlung des Kindes auf. Der Naturheil­ kundige, der zugleich Geschäftsführer eines Volksheilv-ereins war, schrieb im Auftrag dieses Vereins an den Arzt einen Brief, worin er ihm entarteten krankhaften Standes-

prüfen. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 215—227. Vgl. Bd. 3 S. 1; Bd. 21 S.189; Bd. 29 S. 22, 63; Bd.33 S. 99; Bd. 42 S. 309; Bd. 54 S. 36; Bd. 60 S. 202; Bd. 61 S. 216, 242; Bd. 62 S. 35, 44, 137. 69. Sittlichkeitsverbrechen. Gewalt. (StGB. § 176.) Eine mit Gewalt verübte unzüchtige Handlung liegt nicht vor, wenn die Gewalttätigkeit selbst die unzüchtige Hand­ lung bildet, wie das bei der Betätigung sadistischer Triebe der Fall ist. Hierauf berief sich ein Angeklagter, der eine Frau in der Weise vergewaltigt hatte, daß er ihr die Beine auseinanderzwängte und dann mit seinem Knie heftig gegen ihren Geschlechtsteil stieß. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Die sinnliche Befriedigung hatte der Angeklagte nicht in der Überwindung des Widerstands oder in einem damit hervorgerufenen Schmerz seines Opfers gefunden, sondern in der fühlbaren Berührung des Ge­ schlechtsteils; dieser war eine gewaltsame Handlung vor­ hergegangen, die das Mittel dazu bildete. (II, 17. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 227—228.

70. Zeugenaussage. Verlesung. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung wurde die Aussage einer Zeu­ gin verlesen, die bei der Vernehmung vor dem Schöffen­ gericht noch nicht eidesmündig gewesen war. Das war ein Grund für die Aufhebung des Urteils. Die an der Stelle der unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen ge­ stattete Verlesung seiner Aussage seht voraus, daß bei seiner Vernehmung die Vorschriften über die Beeidigung und zwar nach Maßgabe der hiefür zur Zeit der Beru­ fungsverhandlung bestehenden Zulässigkeit und Möglich­ keit beachtet sind. (II, 24. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 228—229. Vgl. Bd. 12 S. 347. 71. Naturheilkundiger. Arzt. Beleidigung. Wahr­ nehmung berechtigter Interessen. Irrtum. (StGB. §§ 59, 185, 193.) Eine Frau ließ ihr krankes Kind durch einen Arzt und gleichzeitig auch durch einen Naturheilkundigen behandeln. Der Arzt verbat sich diese Kurpfuscherei und gab die Behandlung des Kindes auf. Der Naturheil­ kundige, der zugleich Geschäftsführer eines Volksheilv-ereins war, schrieb im Auftrag dieses Vereins an den Arzt einen Brief, worin er ihm entarteten krankhaften Standes-

prüfen. (II, 8. Mai 1929.) Amtl. Sammlg. S. 215—227. Vgl. Bd. 3 S. 1; Bd. 21 S.189; Bd. 29 S. 22, 63; Bd.33 S. 99; Bd. 42 S. 309; Bd. 54 S. 36; Bd. 60 S. 202; Bd. 61 S. 216, 242; Bd. 62 S. 35, 44, 137. 69. Sittlichkeitsverbrechen. Gewalt. (StGB. § 176.) Eine mit Gewalt verübte unzüchtige Handlung liegt nicht vor, wenn die Gewalttätigkeit selbst die unzüchtige Hand­ lung bildet, wie das bei der Betätigung sadistischer Triebe der Fall ist. Hierauf berief sich ein Angeklagter, der eine Frau in der Weise vergewaltigt hatte, daß er ihr die Beine auseinanderzwängte und dann mit seinem Knie heftig gegen ihren Geschlechtsteil stieß. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Die sinnliche Befriedigung hatte der Angeklagte nicht in der Überwindung des Widerstands oder in einem damit hervorgerufenen Schmerz seines Opfers gefunden, sondern in der fühlbaren Berührung des Ge­ schlechtsteils; dieser war eine gewaltsame Handlung vor­ hergegangen, die das Mittel dazu bildete. (II, 17. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 227—228.

70. Zeugenaussage. Verlesung. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung wurde die Aussage einer Zeu­ gin verlesen, die bei der Vernehmung vor dem Schöffen­ gericht noch nicht eidesmündig gewesen war. Das war ein Grund für die Aufhebung des Urteils. Die an der Stelle der unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen ge­ stattete Verlesung seiner Aussage seht voraus, daß bei seiner Vernehmung die Vorschriften über die Beeidigung und zwar nach Maßgabe der hiefür zur Zeit der Beru­ fungsverhandlung bestehenden Zulässigkeit und Möglich­ keit beachtet sind. (II, 24. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 228—229. Vgl. Bd. 12 S. 347. 71. Naturheilkundiger. Arzt. Beleidigung. Wahr­ nehmung berechtigter Interessen. Irrtum. (StGB. §§ 59, 185, 193.) Eine Frau ließ ihr krankes Kind durch einen Arzt und gleichzeitig auch durch einen Naturheilkundigen behandeln. Der Arzt verbat sich diese Kurpfuscherei und gab die Behandlung des Kindes auf. Der Naturheil­ kundige, der zugleich Geschäftsführer eines Volksheilv-ereins war, schrieb im Auftrag dieses Vereins an den Arzt einen Brief, worin er ihm entarteten krankhaften Standes-

dünkel zum Vorwurf machte, ihn zur Stellungnahme ausforderte und ihm für den Fall der Weigerung Bloß­ stellung in einem Flugblatt androhte. Er wurde wegen Beleidigung verurteilt. Wahrnehmung berechtigter Inter­ essen kam nach der Entscheidung des Reichsgerichts nicht in Frage. Ob der Angeklagte berechtigt gewesen wäre, den Vorwurf der Kurpfuscherei zurückzuweisen, blieb dahin­ gestellt. Nach der Annahme der Strafkammer handelte es sich beim beleidigenden Brief lediglich darum, den Arzt wegen seines Verhaltens zur Verantwortung zu ziehen und zwar unter Androhung öffentlicher Anprangerung für den Fall seiner Weigerung oder der Feststellung der erhobenen Vorwürfe. In dieser Richtung hatte der Ange­ klagte weder ein eigenes Interesse noch ein solches des kranken Kindes oder seiner Angehörigen wahrzunehmen, hatte auch gar nicht den Willen dazu. Eine solche Befug­ nis ergab sich auch nicht aus seiner Stellung als Geschäfts­ führer des Volksheilvereins. In dem Brief handelte es sich nicht um eine Frage der Volksgesundheit, sondern ausschließlich um die Beurteilung des Verhaltens des Arztes in einem einzelnen Fall. Die Befugnis, von einem Arzt hiewegen Rechenschaft zu fordern und ihm Mißbilli­ gung auszusprechen, kann nicht willkürlich durch Zusam­ menschluß mehrerer Unbeteiligter unter Aufstellung von Satzungen begründet werden. Berechtigt im Sinne des § 193 StGB, ist die Wahrnehmung fremder oder allge­ meiner Interessen sowohl für den Einzelnen wie für eine Personenmehrheit nur, wenn ihnen ein besonderes Recht zur Verfechtung dieser Belange zur Seite steht oder wenn eine so nahe persönliche Beziehung zu diesen Belangen besteht, daß es nach billiger und vernünftiger Beurteilung der Verhältnisse als gerechtfertigt erscheint, sich zu ihrem besonderen Verfechter aufzuwerfen. Eine Befugnis des Volksheilvereins oder des Angeklagten als seines Ge­ schäftsführers, die Berufsausübung der Ärzte im Einzel­ fall zu überwachen oder von ihnen Rechenschaft darüber zu fordern oder ihr Tun ihnen gegenüber abfällig zu kriti­ sieren, kam nicht in Frage. Ein Irrtum des Angeklagten hierüber wäre strafrechtlich unbeachtlich gewesen. (III, 24. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 229—231. Vgl. Bd. 40 S. 101; Bd. 41 S. 277; Bd. 42 S. 441; Bd. 46 S. 151; Bd. 47 S. 170; Bd. 59 S. 414.

72. Versicherung an Eides Statt. (StGB. § 156.1 Im Wege der Zwangsvollstreckung wurden Möbel ge­ pfändet. Die Tochter des Schuldners beantragte Einstel­ lung der Zwangsvollstreckung, weil sie als Erbin ihrer Mutter Eigentümerin der Möbel geworden sei. Der Schuldner reichte beim Amtsgericht eine Erklärung an Eides Statt ein, worin er die Angaben der Tochter be­ stätigte. Er wurde wegen falscher Versicherung verurteilt, weil er verschwiegen habe, daß die Tochter ihm nachträg­ lich die Möbel überlassen hatte. Seine Revision hatte Er­ folg. Die Grundsätze darüber, unter welchen Voraus­ setzungen in einer Zeugenaussage ein Meineid gesunden werden kann, dürfen ebensowenig, wie sie ohne weiteres für einen richterlichen Eid gelten, uneingeschränkt auf eine Versicherung an Eides Statt angewendet werden; immer­ hin ähneln solche Versicherungen doch ihrem Wesen nach einer Zeugenaussage. Es kann darum unter Umständen verlangt werden, daß ein für die Beurteilung des Sach­ verhalts entscheidender Umstand nicht verschwiegen wird. Die Zurückverweisung erfolgte, weil sich in der Versiche­ rung eine auf die nachträgliche Auseinandersetzung hin­ deutende Stelle fand, die vom Berufungsgericht nicht aus­ reichend gewürdigt worden war. (II, 27. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 232—233. Vgl. Bd. 59 S. 343. 73. Selbstbegünstigung. (StGB. § 157.) Zwei Ange­ stellte einer Aktiengesellschaft hatten Veruntreuungen be­ gangen. Um die Entdeckung zu verhüten und die erlangten Vorteile zu sichern, nahm einer von ihnen bei der Aufstel­ lung der Gesellschaftsbilanz eine Falschbuchung vor. Die Strafkammer nahm an, daß darin eine straflose Selbst­ begünstigung liege, soweit die Sache ihn betraf, verurteilte ihn aber wegen Begünstigung des anderen Angestellten. Das Reichsgericht erklärte diese Auffassung für nicht halt­ bar. Rach den Feststellungen des Urteils war der Ange­ klagte zu seinen Veruntreuungen zum Teil durch den an­ deren Angestellten angestiftet worden; dessen Entdeckung konnte also auch seine Entdeckung zur Folge haben und so konnte er zu seiner eigenen Sicherheit veranlaßt sein, den anderen Angestellten zu schützen. Handelte er mit diesem Willen und Bewußtsein, so stellte die Begünstigung des anderen Angestellten auch eine Selbstbegünstigung dar.

72. Versicherung an Eides Statt. (StGB. § 156.1 Im Wege der Zwangsvollstreckung wurden Möbel ge­ pfändet. Die Tochter des Schuldners beantragte Einstel­ lung der Zwangsvollstreckung, weil sie als Erbin ihrer Mutter Eigentümerin der Möbel geworden sei. Der Schuldner reichte beim Amtsgericht eine Erklärung an Eides Statt ein, worin er die Angaben der Tochter be­ stätigte. Er wurde wegen falscher Versicherung verurteilt, weil er verschwiegen habe, daß die Tochter ihm nachträg­ lich die Möbel überlassen hatte. Seine Revision hatte Er­ folg. Die Grundsätze darüber, unter welchen Voraus­ setzungen in einer Zeugenaussage ein Meineid gesunden werden kann, dürfen ebensowenig, wie sie ohne weiteres für einen richterlichen Eid gelten, uneingeschränkt auf eine Versicherung an Eides Statt angewendet werden; immer­ hin ähneln solche Versicherungen doch ihrem Wesen nach einer Zeugenaussage. Es kann darum unter Umständen verlangt werden, daß ein für die Beurteilung des Sach­ verhalts entscheidender Umstand nicht verschwiegen wird. Die Zurückverweisung erfolgte, weil sich in der Versiche­ rung eine auf die nachträgliche Auseinandersetzung hin­ deutende Stelle fand, die vom Berufungsgericht nicht aus­ reichend gewürdigt worden war. (II, 27. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 232—233. Vgl. Bd. 59 S. 343. 73. Selbstbegünstigung. (StGB. § 157.) Zwei Ange­ stellte einer Aktiengesellschaft hatten Veruntreuungen be­ gangen. Um die Entdeckung zu verhüten und die erlangten Vorteile zu sichern, nahm einer von ihnen bei der Aufstel­ lung der Gesellschaftsbilanz eine Falschbuchung vor. Die Strafkammer nahm an, daß darin eine straflose Selbst­ begünstigung liege, soweit die Sache ihn betraf, verurteilte ihn aber wegen Begünstigung des anderen Angestellten. Das Reichsgericht erklärte diese Auffassung für nicht halt­ bar. Rach den Feststellungen des Urteils war der Ange­ klagte zu seinen Veruntreuungen zum Teil durch den an­ deren Angestellten angestiftet worden; dessen Entdeckung konnte also auch seine Entdeckung zur Folge haben und so konnte er zu seiner eigenen Sicherheit veranlaßt sein, den anderen Angestellten zu schützen. Handelte er mit diesem Willen und Bewußtsein, so stellte die Begünstigung des anderen Angestellten auch eine Selbstbegünstigung dar.

Der einheitliche Akt der Falschbeurkurrdung ließ sich auch nicht in einen strafbaren und einen straflosen Bestandteil zerlegen. Die rechtliche Beschaffenheit der einheitlichen Tat als straflose Selbstbegünstigung umfaßte die Tat in ihrer Gesamtheit. Hieran wurde auch durch den Umstand nichts geändert, daß die Bortat des Angeklagten eine an­ dere war als jene des anderen Angestellten. Natürlich findet sich ein Zusammentreffen von Selbstbegünstigung und Fremdbegünstigung besonders häufig bei Gleichheit der dem Täter und dem anderen zur Last fallenden Bor­ tat; einen Grund für die Straflosigkeit der zur Fremd­ begünstigung ausartenden Selbstbegünstigung konnte aber die Gemeinsamkeit der Vortat bilden, wenn ihr Gegenstand die Begünstigung der Vortat wäre. Die Begünstigung wird aber nicht der Vortat, sondern dem Vortäter ge­ leistet und die Verschiedenheit der Person besteht sowohl bei gemeinsamer wie bei verschiedener Bortat. Die Straf­ losigkeit der Selbstbegünstigung beruht aus der Anerken­ nung des natürlichen Rechts jedes Straftäters zur Selbst­ verteidigung und auf dem Gesichtspunkt, daß dieses Recht ihm nicht schon deshalb bestritten werden darf, weil seine Selbstverteidigung sich zugleich auch zugunsten eines an­ deren Straftäters auswirkt. Ob der Angeklagte sich durch die Falschbuchung einer anderen Straftat (etwa eines Be­ trugs) schuldig gemacht hatte, war noch zu prüfen. (III, 27. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 233—237. Vgl. Bd.60 S. 101, 346; Bd. 63 S. 186. 74. Warenhaus. Kaufspareinrichtung. Depositengeschäft. Betrieb. Irrtum. (DepositG. §§ 2, 8, 9.) In einem Warenhaus sollte eine Spareinrichtung eingesührt werden, die darin bestand, daß verzinsliche Geldeinlagen entgegengenommen wurden, deren Rückzahlung in Waren erfolgen sollte. In Zeitungsankündigungen war darauf hingewiesen, auch waren die Sparbücher schon angeschafft; ehe es aber zur Durchführung der Einrichtung kam, wurde Anzeige erstattet. Es fragte sich, ob in den vorliegenden Handlungen schon ein Betreiben eines Depositengeschästs zu finden war. Die Frage war aus dem erkennbaren Zweck des Gesetzes und der Natur der Sache zu entscheiden. Das Betreiben eines Depositengeschäfts ist nicht anders aufzufassen als das Veranstalten einer Lotterie. Hier wie dort wird regelmäßig nicht erforderlich sein, daß es schon

Der einheitliche Akt der Falschbeurkurrdung ließ sich auch nicht in einen strafbaren und einen straflosen Bestandteil zerlegen. Die rechtliche Beschaffenheit der einheitlichen Tat als straflose Selbstbegünstigung umfaßte die Tat in ihrer Gesamtheit. Hieran wurde auch durch den Umstand nichts geändert, daß die Bortat des Angeklagten eine an­ dere war als jene des anderen Angestellten. Natürlich findet sich ein Zusammentreffen von Selbstbegünstigung und Fremdbegünstigung besonders häufig bei Gleichheit der dem Täter und dem anderen zur Last fallenden Bor­ tat; einen Grund für die Straflosigkeit der zur Fremd­ begünstigung ausartenden Selbstbegünstigung konnte aber die Gemeinsamkeit der Vortat bilden, wenn ihr Gegenstand die Begünstigung der Vortat wäre. Die Begünstigung wird aber nicht der Vortat, sondern dem Vortäter ge­ leistet und die Verschiedenheit der Person besteht sowohl bei gemeinsamer wie bei verschiedener Bortat. Die Straf­ losigkeit der Selbstbegünstigung beruht aus der Anerken­ nung des natürlichen Rechts jedes Straftäters zur Selbst­ verteidigung und auf dem Gesichtspunkt, daß dieses Recht ihm nicht schon deshalb bestritten werden darf, weil seine Selbstverteidigung sich zugleich auch zugunsten eines an­ deren Straftäters auswirkt. Ob der Angeklagte sich durch die Falschbuchung einer anderen Straftat (etwa eines Be­ trugs) schuldig gemacht hatte, war noch zu prüfen. (III, 27. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 233—237. Vgl. Bd.60 S. 101, 346; Bd. 63 S. 186. 74. Warenhaus. Kaufspareinrichtung. Depositengeschäft. Betrieb. Irrtum. (DepositG. §§ 2, 8, 9.) In einem Warenhaus sollte eine Spareinrichtung eingesührt werden, die darin bestand, daß verzinsliche Geldeinlagen entgegengenommen wurden, deren Rückzahlung in Waren erfolgen sollte. In Zeitungsankündigungen war darauf hingewiesen, auch waren die Sparbücher schon angeschafft; ehe es aber zur Durchführung der Einrichtung kam, wurde Anzeige erstattet. Es fragte sich, ob in den vorliegenden Handlungen schon ein Betreiben eines Depositengeschästs zu finden war. Die Frage war aus dem erkennbaren Zweck des Gesetzes und der Natur der Sache zu entscheiden. Das Betreiben eines Depositengeschäfts ist nicht anders aufzufassen als das Veranstalten einer Lotterie. Hier wie dort wird regelmäßig nicht erforderlich sein, daß es schon

zu einem vollständigen oder gar verbindlichen Abschluß eines Einzelgeschästs gekommen ist. Das Schöffengericht hatte ein Beitreiben als gegeben erachtet, weil der Ange­ klagte nicht erst Vorbereitungen getroffen hatte, sondern von seiner Seite alles geschehen war, um die Einrichtung, sobald sich die darauf hingewiesenen Kunden einfanden, in Gebrauch zu nehmen. Das Reichsgericht erklärte diese Auffassung für richtig. Eine irrige Annahme des Ange­ klagten, sein Betrieb habe nicht Depositengeschäfte zum Gegenstand, konnte als Irrtum über das Strafgesetz ihn nicht vor Verurteilung schützen. (I, 28. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 237—240. Vgl. Bd. 35 S. 44; Bd. 61 S. 55; Bd. 63 S. 181.

75. Begünstigung. Sel-stbegünstigung. Vortal. (St.­ GB. § 157.) Ein Beamter einer Strafanstalt beging dort einen Diebstahl, indem er Sachen aus der Altverwertungs­ stelle wegnahm. Nachdem über den Vorfall Redereien ent­ standen waren, ließ er sich von dem Werkmeister, der die Altverwertungsstelle unter sich hatte, eine Quittung aus­ stellen, wonach ein anderer Beamter rechtmäßig Waren von dieser Stelle gekauft hatte; in Wirklichkeit hatte dieser Beamte die Waren durch Hehlerei erworben. Daß er von der Quittung Gebrauch machte wurde nicht nachgewiesen. Seine Verurteilung wegen Begünstigung wurde aufge­ hoben. Die Vollendung der Begünstigungshandlung, die einen rechtswidrigen Eingriff in die staatliche Rechts­ pflege enthält oder darauf ausgeht, sie zu hemmen, er­ fordert zwar nicht, daß die Strafvereitelung erreicht wird, aber die Lage des Vortäters muß durch eine hiezu be­ stimmte und geeignete Handlung verbessert werden. Das traf nicht zu; durch den Besitz der Quittung allein wurde eine Besserstellung des Beamten, auf den sie sich bezog, nicht herbeigesührt. Der Versuch der Begünstigung ist nicht strafbar. Es war auch zweifelhaft, ob der Zweck des Angeklagten gerade darauf ging, den anderen Beamten der Strafverfolgung zu entziehen; vor allem war ihm wohl darum zu tun, ein Verfahren gegen sich selbst zu verhindern. Eine strafbare Begünstigung liegt aber nicht vor, wenn die Handlung darauf abzielt, zugleich den Täter und einen Teilnehmer der Vortat der Bestrafung zu ent­ ziehen. Im vorliegenden Fall standen zwar die Bortaten in keiner Beziehung zueinander, die Aufdeckung der Heh-

zu einem vollständigen oder gar verbindlichen Abschluß eines Einzelgeschästs gekommen ist. Das Schöffengericht hatte ein Beitreiben als gegeben erachtet, weil der Ange­ klagte nicht erst Vorbereitungen getroffen hatte, sondern von seiner Seite alles geschehen war, um die Einrichtung, sobald sich die darauf hingewiesenen Kunden einfanden, in Gebrauch zu nehmen. Das Reichsgericht erklärte diese Auffassung für richtig. Eine irrige Annahme des Ange­ klagten, sein Betrieb habe nicht Depositengeschäfte zum Gegenstand, konnte als Irrtum über das Strafgesetz ihn nicht vor Verurteilung schützen. (I, 28. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 237—240. Vgl. Bd. 35 S. 44; Bd. 61 S. 55; Bd. 63 S. 181.

75. Begünstigung. Sel-stbegünstigung. Vortal. (St.­ GB. § 157.) Ein Beamter einer Strafanstalt beging dort einen Diebstahl, indem er Sachen aus der Altverwertungs­ stelle wegnahm. Nachdem über den Vorfall Redereien ent­ standen waren, ließ er sich von dem Werkmeister, der die Altverwertungsstelle unter sich hatte, eine Quittung aus­ stellen, wonach ein anderer Beamter rechtmäßig Waren von dieser Stelle gekauft hatte; in Wirklichkeit hatte dieser Beamte die Waren durch Hehlerei erworben. Daß er von der Quittung Gebrauch machte wurde nicht nachgewiesen. Seine Verurteilung wegen Begünstigung wurde aufge­ hoben. Die Vollendung der Begünstigungshandlung, die einen rechtswidrigen Eingriff in die staatliche Rechts­ pflege enthält oder darauf ausgeht, sie zu hemmen, er­ fordert zwar nicht, daß die Strafvereitelung erreicht wird, aber die Lage des Vortäters muß durch eine hiezu be­ stimmte und geeignete Handlung verbessert werden. Das traf nicht zu; durch den Besitz der Quittung allein wurde eine Besserstellung des Beamten, auf den sie sich bezog, nicht herbeigesührt. Der Versuch der Begünstigung ist nicht strafbar. Es war auch zweifelhaft, ob der Zweck des Angeklagten gerade darauf ging, den anderen Beamten der Strafverfolgung zu entziehen; vor allem war ihm wohl darum zu tun, ein Verfahren gegen sich selbst zu verhindern. Eine strafbare Begünstigung liegt aber nicht vor, wenn die Handlung darauf abzielt, zugleich den Täter und einen Teilnehmer der Vortat der Bestrafung zu ent­ ziehen. Im vorliegenden Fall standen zwar die Bortaten in keiner Beziehung zueinander, die Aufdeckung der Heh-

lerei hätte aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch zur Aufdeckung des Diebstahls geführt und so erforderte das Bestreben der eigenen Sicherung auch jene des anderen Täters. (II, 1. Juli 1929.) Amtl. Sammlg. S. 240—242. Vgl. Bd. 50 S. 364; Bd. 55 S. 178; Bd. 58 S. 13; Bd. 60 S. 101; Bd. 63 S. 233.

76. Jugendlicher. Gesamtgefängnisstrafe. Höchst­ malz. (StGB. 8 74; JugGerG. § 9.) Das Jugendgerichts­ gesetz enthält Vorschriften über die Höhe der Einzelstrafen, die gegenüber Jugendlichen ausgesprochen werden dürfen, nicht aber über die Höhe der aus solchen Strafen zu bildenden Gesamtstrafe. Hiefür sind die allgemeinen Vor­ schriften des Strafgesetzbuchs maßgeberrd. Eine Gesamt­ strafe, die aus mehreren Einzelgefängnisstrafen zu bilden ist, darf also nicht mehr als 10 Jahre betragen. Dem steht nicht entgegen, daß unter Umständen gegen einen jugend­ lichen Täter wegen einer einzigen Straftat schon auf eine Gefängnisstrafe von 10 Jahren erkannt werden kann; Fälle dieser Art können sich auch bei einem strafmündigen Täter ereignen. (II, 8. Juli 1929.) Amtl. Sammlg. S. 242—244.

77. Republikschutzgesetz. Zeitgesetz. (StGB. § 2.) Auf Grund eines außer Kraft getretenen Gesetzes kann immer noch wegen einer während seiner Wirksamkeit dagegen begangenen Verfehlung eine Strafe ausgesprochen werden, wenn sich der bestehende Zustand nicht zufolge eines neuen gesetzgeberischen Aktes, sondern lediglich deshalb geändert hat, weil das Gesetz, das die Dauer seiner Wirksamkeit durch eigene Vorschriften an eine bestimmte Grenze ge­ bunden hatte, mit dem hienach bestimmten Zeitpunkt von selbst außer Kraft getreten ist. So lag der Fall bei dem am 22. Juni 1929 abgelaufenen Gesetz zum Schutz der Republik. Die für die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde aller­ dings nicht erreicht; doch konnte davon keine Rede sein, daß sich die Rechtsanschauung des Gesetzgebers dahin ge­ läutert habe, daß Verfehlungen der Art, wie sie in dem Gesetz mit Strafe bedroht sind, nicht mehr strafbar sein sollen und daß auf Bestrafung der unter der Geltungs-

lerei hätte aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch zur Aufdeckung des Diebstahls geführt und so erforderte das Bestreben der eigenen Sicherung auch jene des anderen Täters. (II, 1. Juli 1929.) Amtl. Sammlg. S. 240—242. Vgl. Bd. 50 S. 364; Bd. 55 S. 178; Bd. 58 S. 13; Bd. 60 S. 101; Bd. 63 S. 233.

76. Jugendlicher. Gesamtgefängnisstrafe. Höchst­ malz. (StGB. 8 74; JugGerG. § 9.) Das Jugendgerichts­ gesetz enthält Vorschriften über die Höhe der Einzelstrafen, die gegenüber Jugendlichen ausgesprochen werden dürfen, nicht aber über die Höhe der aus solchen Strafen zu bildenden Gesamtstrafe. Hiefür sind die allgemeinen Vor­ schriften des Strafgesetzbuchs maßgeberrd. Eine Gesamt­ strafe, die aus mehreren Einzelgefängnisstrafen zu bilden ist, darf also nicht mehr als 10 Jahre betragen. Dem steht nicht entgegen, daß unter Umständen gegen einen jugend­ lichen Täter wegen einer einzigen Straftat schon auf eine Gefängnisstrafe von 10 Jahren erkannt werden kann; Fälle dieser Art können sich auch bei einem strafmündigen Täter ereignen. (II, 8. Juli 1929.) Amtl. Sammlg. S. 242—244.

77. Republikschutzgesetz. Zeitgesetz. (StGB. § 2.) Auf Grund eines außer Kraft getretenen Gesetzes kann immer noch wegen einer während seiner Wirksamkeit dagegen begangenen Verfehlung eine Strafe ausgesprochen werden, wenn sich der bestehende Zustand nicht zufolge eines neuen gesetzgeberischen Aktes, sondern lediglich deshalb geändert hat, weil das Gesetz, das die Dauer seiner Wirksamkeit durch eigene Vorschriften an eine bestimmte Grenze ge­ bunden hatte, mit dem hienach bestimmten Zeitpunkt von selbst außer Kraft getreten ist. So lag der Fall bei dem am 22. Juni 1929 abgelaufenen Gesetz zum Schutz der Republik. Die für die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde aller­ dings nicht erreicht; doch konnte davon keine Rede sein, daß sich die Rechtsanschauung des Gesetzgebers dahin ge­ läutert habe, daß Verfehlungen der Art, wie sie in dem Gesetz mit Strafe bedroht sind, nicht mehr strafbar sein sollen und daß auf Bestrafung der unter der Geltungs-

lerei hätte aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch zur Aufdeckung des Diebstahls geführt und so erforderte das Bestreben der eigenen Sicherung auch jene des anderen Täters. (II, 1. Juli 1929.) Amtl. Sammlg. S. 240—242. Vgl. Bd. 50 S. 364; Bd. 55 S. 178; Bd. 58 S. 13; Bd. 60 S. 101; Bd. 63 S. 233.

76. Jugendlicher. Gesamtgefängnisstrafe. Höchst­ malz. (StGB. 8 74; JugGerG. § 9.) Das Jugendgerichts­ gesetz enthält Vorschriften über die Höhe der Einzelstrafen, die gegenüber Jugendlichen ausgesprochen werden dürfen, nicht aber über die Höhe der aus solchen Strafen zu bildenden Gesamtstrafe. Hiefür sind die allgemeinen Vor­ schriften des Strafgesetzbuchs maßgeberrd. Eine Gesamt­ strafe, die aus mehreren Einzelgefängnisstrafen zu bilden ist, darf also nicht mehr als 10 Jahre betragen. Dem steht nicht entgegen, daß unter Umständen gegen einen jugend­ lichen Täter wegen einer einzigen Straftat schon auf eine Gefängnisstrafe von 10 Jahren erkannt werden kann; Fälle dieser Art können sich auch bei einem strafmündigen Täter ereignen. (II, 8. Juli 1929.) Amtl. Sammlg. S. 242—244.

77. Republikschutzgesetz. Zeitgesetz. (StGB. § 2.) Auf Grund eines außer Kraft getretenen Gesetzes kann immer noch wegen einer während seiner Wirksamkeit dagegen begangenen Verfehlung eine Strafe ausgesprochen werden, wenn sich der bestehende Zustand nicht zufolge eines neuen gesetzgeberischen Aktes, sondern lediglich deshalb geändert hat, weil das Gesetz, das die Dauer seiner Wirksamkeit durch eigene Vorschriften an eine bestimmte Grenze ge­ bunden hatte, mit dem hienach bestimmten Zeitpunkt von selbst außer Kraft getreten ist. So lag der Fall bei dem am 22. Juni 1929 abgelaufenen Gesetz zum Schutz der Republik. Die für die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde aller­ dings nicht erreicht; doch konnte davon keine Rede sein, daß sich die Rechtsanschauung des Gesetzgebers dahin ge­ läutert habe, daß Verfehlungen der Art, wie sie in dem Gesetz mit Strafe bedroht sind, nicht mehr strafbar sein sollen und daß auf Bestrafung der unter der Geltungs-

dauer des Gesetzes begangenen strafbaren Handlungen zu verzichten sei. (Feriensenat, 5. August 1929.) Amtl. Sarnmlg. S. 244—246. Vgl. Bd. 21 S. 294; Bd. 32 S. 110; Bd. 50 S. 400; Bd. 53 S. 255; Bd. 57 S. 209; Bd. 61 S. 223. 78. Urteil. Beschlich. Bernsungsschrift. Namenstempel.

(StPO. 88 260, 314, 333.) Die gegen das Urteil des Schöffengerichts eingelegte Berufung der Staatsanwalt­ schaft wurde, nachdem der Angeklagte zur Sache vernom­ men worden war, durch Beschluß als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist nur mit einem Stempelabdruck des Namens des Staatsanwalts unterzeichnet war. Die hiegegen eingelegte Revision wurde für zulässig erklärt. Es stand nichts im Wege, die Entscheidung über die Zu­ lässigkeit der Berufung erst in der Verhandlung zu fällen; da sie sich aber nicht als eine unselbständige Zwischenent­ scheidung, sondern als Abschluß der Hauptverhandlung darstellte, hätte sie als Urteil bezeichnet werden müssen. Die Entscheidung war auch sachlich nicht richtig. Das all­ gemeine Erfordernis der Schriftlichkeit verlangt nur das Vorliegen einer Erklärung, aus der sich außer ihrem sach­ lichen Inhalt die Person, von der sie ausgeht, mit hin­ reichender Bestimmtheit ergibt. Auch wenn die Unterzeichnung mit dem Namen des Ausstellers für unerläßlich erachtet wird, fehlt es doch an einem ausreichenden Grund für das Verlangen, daß der Erklärende seine Unterschrift handschriftlich herstelle; es genügt, wenn er dazu einen die Unterschrift in der von ihm gebräuchlichen Form wie­ dergebenden Stempel verwendet. Die Revision wurde gleichwohl verworfen, weil die Staatsanwaltschaft in der Lage gewesen war, alles, was sie für angezeigt hielt, für ihre Berufung vorzubringen. (Feriensenat, 6. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 246—248. Vgl. Bd. 62 S. 53. 79. Notwendige Verteidigung. Unzeiliges Sichentfernen. (StPO. 88 141, 145, 338.) Der dem Angeklagten

bestellte Verteidiger entfernte sich während der Beratung des Gerichts. Bei der Verkündung des Urteils war er nicht anwesend. Das führte zur Aufhebung des Urteils.. Es handelte sich um einen Fall notwendiger Verteidigung, da Straftaten, die nicht nur wegen Rückfalls Verbrechen waren, den Gegenstand der Anklage bildeten. Die Per-

dauer des Gesetzes begangenen strafbaren Handlungen zu verzichten sei. (Feriensenat, 5. August 1929.) Amtl. Sarnmlg. S. 244—246. Vgl. Bd. 21 S. 294; Bd. 32 S. 110; Bd. 50 S. 400; Bd. 53 S. 255; Bd. 57 S. 209; Bd. 61 S. 223. 78. Urteil. Beschlich. Bernsungsschrift. Namenstempel.

(StPO. 88 260, 314, 333.) Die gegen das Urteil des Schöffengerichts eingelegte Berufung der Staatsanwalt­ schaft wurde, nachdem der Angeklagte zur Sache vernom­ men worden war, durch Beschluß als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist nur mit einem Stempelabdruck des Namens des Staatsanwalts unterzeichnet war. Die hiegegen eingelegte Revision wurde für zulässig erklärt. Es stand nichts im Wege, die Entscheidung über die Zu­ lässigkeit der Berufung erst in der Verhandlung zu fällen; da sie sich aber nicht als eine unselbständige Zwischenent­ scheidung, sondern als Abschluß der Hauptverhandlung darstellte, hätte sie als Urteil bezeichnet werden müssen. Die Entscheidung war auch sachlich nicht richtig. Das all­ gemeine Erfordernis der Schriftlichkeit verlangt nur das Vorliegen einer Erklärung, aus der sich außer ihrem sach­ lichen Inhalt die Person, von der sie ausgeht, mit hin­ reichender Bestimmtheit ergibt. Auch wenn die Unterzeichnung mit dem Namen des Ausstellers für unerläßlich erachtet wird, fehlt es doch an einem ausreichenden Grund für das Verlangen, daß der Erklärende seine Unterschrift handschriftlich herstelle; es genügt, wenn er dazu einen die Unterschrift in der von ihm gebräuchlichen Form wie­ dergebenden Stempel verwendet. Die Revision wurde gleichwohl verworfen, weil die Staatsanwaltschaft in der Lage gewesen war, alles, was sie für angezeigt hielt, für ihre Berufung vorzubringen. (Feriensenat, 6. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 246—248. Vgl. Bd. 62 S. 53. 79. Notwendige Verteidigung. Unzeiliges Sichentfernen. (StPO. 88 141, 145, 338.) Der dem Angeklagten

bestellte Verteidiger entfernte sich während der Beratung des Gerichts. Bei der Verkündung des Urteils war er nicht anwesend. Das führte zur Aufhebung des Urteils.. Es handelte sich um einen Fall notwendiger Verteidigung, da Straftaten, die nicht nur wegen Rückfalls Verbrechen waren, den Gegenstand der Anklage bildeten. Die Per-

dauer des Gesetzes begangenen strafbaren Handlungen zu verzichten sei. (Feriensenat, 5. August 1929.) Amtl. Sarnmlg. S. 244—246. Vgl. Bd. 21 S. 294; Bd. 32 S. 110; Bd. 50 S. 400; Bd. 53 S. 255; Bd. 57 S. 209; Bd. 61 S. 223. 78. Urteil. Beschlich. Bernsungsschrift. Namenstempel.

(StPO. 88 260, 314, 333.) Die gegen das Urteil des Schöffengerichts eingelegte Berufung der Staatsanwalt­ schaft wurde, nachdem der Angeklagte zur Sache vernom­ men worden war, durch Beschluß als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist nur mit einem Stempelabdruck des Namens des Staatsanwalts unterzeichnet war. Die hiegegen eingelegte Revision wurde für zulässig erklärt. Es stand nichts im Wege, die Entscheidung über die Zu­ lässigkeit der Berufung erst in der Verhandlung zu fällen; da sie sich aber nicht als eine unselbständige Zwischenent­ scheidung, sondern als Abschluß der Hauptverhandlung darstellte, hätte sie als Urteil bezeichnet werden müssen. Die Entscheidung war auch sachlich nicht richtig. Das all­ gemeine Erfordernis der Schriftlichkeit verlangt nur das Vorliegen einer Erklärung, aus der sich außer ihrem sach­ lichen Inhalt die Person, von der sie ausgeht, mit hin­ reichender Bestimmtheit ergibt. Auch wenn die Unterzeichnung mit dem Namen des Ausstellers für unerläßlich erachtet wird, fehlt es doch an einem ausreichenden Grund für das Verlangen, daß der Erklärende seine Unterschrift handschriftlich herstelle; es genügt, wenn er dazu einen die Unterschrift in der von ihm gebräuchlichen Form wie­ dergebenden Stempel verwendet. Die Revision wurde gleichwohl verworfen, weil die Staatsanwaltschaft in der Lage gewesen war, alles, was sie für angezeigt hielt, für ihre Berufung vorzubringen. (Feriensenat, 6. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 246—248. Vgl. Bd. 62 S. 53. 79. Notwendige Verteidigung. Unzeiliges Sichentfernen. (StPO. 88 141, 145, 338.) Der dem Angeklagten

bestellte Verteidiger entfernte sich während der Beratung des Gerichts. Bei der Verkündung des Urteils war er nicht anwesend. Das führte zur Aufhebung des Urteils.. Es handelte sich um einen Fall notwendiger Verteidigung, da Straftaten, die nicht nur wegen Rückfalls Verbrechen waren, den Gegenstand der Anklage bildeten. Die Per-

kündung des Urteils bildet einen wesentlichen Vorgang bet Hauptverhandlung; im Falle einer notwendigen Verteidi­ gung muß also bet Verteidiger anwesend sein. Es hätte ein anderer Verteidiger bestellt oder Aussetzung der Ver­ handlung beschlossen werden müssen. (Feriensenat, 14. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 248—250. Vgl. Bd. 38 S. 216; Bd. 44 S. 17; Bd. 54 S. 292; Bd. 57 S. 265. 80. Kraftfahrzeugverkehr. (KraftfahrzG. § 21; KraftFahrzVO. § 17.) § 17 der Kraftfahrzeugverordnung ent­ hält keine die Blankettvorschrift des § 21 des Kraftfahr­ zeuggesetzes ausfüllende Norm, sondern nur eine Sorg­ faltsmaßregel. Die Tatsache, daß hiernach selbst ein grob fahrlässiges Verhalten des Kraftfahrers, wenn es nicht zu einem Unfall geführt hat, straflos bleiben muß, kann es nicht rechtfertigen, daß das Gericht dem Strafgesetz einen Inhalt gibt, den ihm der Gesetzgeber vorenthalten hat; sie kann nur Anlaß geben, in die Verordnung neben ben schon in ihr enthaltenen blankettausfüllenden Normen weitere solche aufzunehmen, die sich aus den Erfahrungen des Verkehrs als erforderlich herausgestellt haben. (I, 17. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 250-251. 81. Unterschlagung. Untreue. Kommissionär. Ge­ schäftsführer. Gesetzesauslegung. (StGB. § 266; BörsG. § 95; HGB. 88 308, 406.) Ein'Kommissionär, dem eine Sache übergeben ist, um sie in eigenem Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers zu veräußern, kann sich schon dadurch der Untreue schuldig machen, daß er die Sache für eigene Rechnung, also in Ausführung der Absicht ver­ äußert, pflichtwidrig den Erlös dem Auftraggeber vorzu­ enthalten und, wenn auch nur bis auf weiteres, für sich selbst zu verwenden. Er verfügt dann über die ihm an­ vertraute fremde Sache nicht befugtermaßen als Bevoll­ mächtigter, sondern rechtswidrig, als sei er ihr Eigen­ tümer; er verwertet sie nicht dem Vertretungsverhältnis entsprechend wirtschaftlich für den Auftraggeber, sonbern für sich selbst und zu eigenen Zwecken. In einem solchen unbefugten Verfügen über eine frembe, dem Bevollmäch­ tigten nur zur wirtschaftlichen Verwertung für ben Auf­ traggeber anvertraute Sache kann auch eine mit bet Un­ treue in Tateinheit stehende Unterschlagung gefunben wer­ ben. Allerdings bleibt der rechtliche Inhalt bes Anspruchs RGE. Strafsachen Bd. 63

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kündung des Urteils bildet einen wesentlichen Vorgang bet Hauptverhandlung; im Falle einer notwendigen Verteidi­ gung muß also bet Verteidiger anwesend sein. Es hätte ein anderer Verteidiger bestellt oder Aussetzung der Ver­ handlung beschlossen werden müssen. (Feriensenat, 14. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 248—250. Vgl. Bd. 38 S. 216; Bd. 44 S. 17; Bd. 54 S. 292; Bd. 57 S. 265. 80. Kraftfahrzeugverkehr. (KraftfahrzG. § 21; KraftFahrzVO. § 17.) § 17 der Kraftfahrzeugverordnung ent­ hält keine die Blankettvorschrift des § 21 des Kraftfahr­ zeuggesetzes ausfüllende Norm, sondern nur eine Sorg­ faltsmaßregel. Die Tatsache, daß hiernach selbst ein grob fahrlässiges Verhalten des Kraftfahrers, wenn es nicht zu einem Unfall geführt hat, straflos bleiben muß, kann es nicht rechtfertigen, daß das Gericht dem Strafgesetz einen Inhalt gibt, den ihm der Gesetzgeber vorenthalten hat; sie kann nur Anlaß geben, in die Verordnung neben ben schon in ihr enthaltenen blankettausfüllenden Normen weitere solche aufzunehmen, die sich aus den Erfahrungen des Verkehrs als erforderlich herausgestellt haben. (I, 17. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 250-251. 81. Unterschlagung. Untreue. Kommissionär. Ge­ schäftsführer. Gesetzesauslegung. (StGB. § 266; BörsG. § 95; HGB. 88 308, 406.) Ein'Kommissionär, dem eine Sache übergeben ist, um sie in eigenem Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers zu veräußern, kann sich schon dadurch der Untreue schuldig machen, daß er die Sache für eigene Rechnung, also in Ausführung der Absicht ver­ äußert, pflichtwidrig den Erlös dem Auftraggeber vorzu­ enthalten und, wenn auch nur bis auf weiteres, für sich selbst zu verwenden. Er verfügt dann über die ihm an­ vertraute fremde Sache nicht befugtermaßen als Bevoll­ mächtigter, sondern rechtswidrig, als sei er ihr Eigen­ tümer; er verwertet sie nicht dem Vertretungsverhältnis entsprechend wirtschaftlich für den Auftraggeber, sonbern für sich selbst und zu eigenen Zwecken. In einem solchen unbefugten Verfügen über eine frembe, dem Bevollmäch­ tigten nur zur wirtschaftlichen Verwertung für ben Auf­ traggeber anvertraute Sache kann auch eine mit bet Un­ treue in Tateinheit stehende Unterschlagung gefunben wer­ ben. Allerdings bleibt der rechtliche Inhalt bes Anspruchs RGE. Strafsachen Bd. 63

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kündung des Urteils bildet einen wesentlichen Vorgang bet Hauptverhandlung; im Falle einer notwendigen Verteidi­ gung muß also bet Verteidiger anwesend sein. Es hätte ein anderer Verteidiger bestellt oder Aussetzung der Ver­ handlung beschlossen werden müssen. (Feriensenat, 14. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 248—250. Vgl. Bd. 38 S. 216; Bd. 44 S. 17; Bd. 54 S. 292; Bd. 57 S. 265. 80. Kraftfahrzeugverkehr. (KraftfahrzG. § 21; KraftFahrzVO. § 17.) § 17 der Kraftfahrzeugverordnung ent­ hält keine die Blankettvorschrift des § 21 des Kraftfahr­ zeuggesetzes ausfüllende Norm, sondern nur eine Sorg­ faltsmaßregel. Die Tatsache, daß hiernach selbst ein grob fahrlässiges Verhalten des Kraftfahrers, wenn es nicht zu einem Unfall geführt hat, straflos bleiben muß, kann es nicht rechtfertigen, daß das Gericht dem Strafgesetz einen Inhalt gibt, den ihm der Gesetzgeber vorenthalten hat; sie kann nur Anlaß geben, in die Verordnung neben ben schon in ihr enthaltenen blankettausfüllenden Normen weitere solche aufzunehmen, die sich aus den Erfahrungen des Verkehrs als erforderlich herausgestellt haben. (I, 17. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 250-251. 81. Unterschlagung. Untreue. Kommissionär. Ge­ schäftsführer. Gesetzesauslegung. (StGB. § 266; BörsG. § 95; HGB. 88 308, 406.) Ein'Kommissionär, dem eine Sache übergeben ist, um sie in eigenem Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers zu veräußern, kann sich schon dadurch der Untreue schuldig machen, daß er die Sache für eigene Rechnung, also in Ausführung der Absicht ver­ äußert, pflichtwidrig den Erlös dem Auftraggeber vorzu­ enthalten und, wenn auch nur bis auf weiteres, für sich selbst zu verwenden. Er verfügt dann über die ihm an­ vertraute fremde Sache nicht befugtermaßen als Bevoll­ mächtigter, sondern rechtswidrig, als sei er ihr Eigen­ tümer; er verwertet sie nicht dem Vertretungsverhältnis entsprechend wirtschaftlich für den Auftraggeber, sonbern für sich selbst und zu eigenen Zwecken. In einem solchen unbefugten Verfügen über eine frembe, dem Bevollmäch­ tigten nur zur wirtschaftlichen Verwertung für ben Auf­ traggeber anvertraute Sache kann auch eine mit bet Un­ treue in Tateinheit stehende Unterschlagung gefunben wer­ ben. Allerdings bleibt der rechtliche Inhalt bes Anspruchs RGE. Strafsachen Bd. 63

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des Auftraggebers auf Herausgabe dessen, was der Beauf­ tragte aus der Geschäftsführung erlangt, unverändert, ob dieser die Veräußerung auftragsgemäß für Rechnung des Auftraggebers vornimmt mit dem Willen, den Erlös an ihn abzuliefern, oder ob er sie auftragswidrig für eigene Rechnung ausführt mit dem Willen, den Erlös für sich zu verwenden. Eine Beeinträchtigung des Wertes des An­ spruchs und eine Benachteiligung des Auftraggebers darf aber ohne weiteres darin erblickt werden, daß der Beauf­ tragte das Geschäft unbefugt für eigene Rechnung ab­ schließt mit dem Willen, den Erlös für sich zu behalten und zu verwenden, zumal wenn er zur Erreichung dieses Zweckes dem Auftraggeber den Abschluß des Geschäfts verheimlicht und ihm dadurch die sofortige Geltendma­ chung des Anspruchs unmöglich macht. Dabei ist es nicht von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine dauernde oder nur eine zeitweilige Vorenthaltung des Verkaufserlöses ge­ wollt war und wie weit die schon in dem ungetreuen Ver­ kauf zu erblickende Benachteiligung des Auftraggebers nachher wieder gutgemacht werden sollte. Der Verurtei­ lung stand auch nicht entgegen, daß der Angeklagte den Verkauf nicht in eigenem Namen, sondern als Geschäfts­ führer einer G. m.b. H. auszuführen hatte; nach Lage der Sache kam er wenigstens als tatsächlicher Vollmacht­ träger allein in Betracht. Daß er nicht selbst Kaufmann und Kommissionär im Rechtssinne war, schloß nur die An­ wendung des § 95 BörsG. auf ihn aus. Gegenüber dem Einwand, daß das Reichsgericht früher den § 266 StGB, anders ansgelegt habe, wurde bemerkt, daß die Aus­ legung der Gesetze, auch der Strafgesetze, nicht starr und unbeweglich sein darf, sondern dem jeweiligen Stand der Erkenntnis und der Bedürfnisse des Lebens entsprechen und genügen muß. (II, 19. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 251—255. Vgl. Bd. 3 S. 150; Bd. 10 S. 385; Bd. 32 S. 165; ;Bd. 38 VS. 266; Bd. 56 S. 121; Bd. 61 S. 341; Bd. 62 S. 15, 31, 58. 82. Diebstahl. Betrug. (StGB. §§ 242, 263.) Ein staatlicher Förster beschloß, von einer größeren Menge Holz, das von den ihm unterstellten Waldarbeitern zu­ bereitet worden war, einen Teil sich rechtswidrig zuzu­ eignen. Um einer Entdeckung vorzubeugen, gab er die

des Auftraggebers auf Herausgabe dessen, was der Beauf­ tragte aus der Geschäftsführung erlangt, unverändert, ob dieser die Veräußerung auftragsgemäß für Rechnung des Auftraggebers vornimmt mit dem Willen, den Erlös an ihn abzuliefern, oder ob er sie auftragswidrig für eigene Rechnung ausführt mit dem Willen, den Erlös für sich zu verwenden. Eine Beeinträchtigung des Wertes des An­ spruchs und eine Benachteiligung des Auftraggebers darf aber ohne weiteres darin erblickt werden, daß der Beauf­ tragte das Geschäft unbefugt für eigene Rechnung ab­ schließt mit dem Willen, den Erlös für sich zu behalten und zu verwenden, zumal wenn er zur Erreichung dieses Zweckes dem Auftraggeber den Abschluß des Geschäfts verheimlicht und ihm dadurch die sofortige Geltendma­ chung des Anspruchs unmöglich macht. Dabei ist es nicht von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine dauernde oder nur eine zeitweilige Vorenthaltung des Verkaufserlöses ge­ wollt war und wie weit die schon in dem ungetreuen Ver­ kauf zu erblickende Benachteiligung des Auftraggebers nachher wieder gutgemacht werden sollte. Der Verurtei­ lung stand auch nicht entgegen, daß der Angeklagte den Verkauf nicht in eigenem Namen, sondern als Geschäfts­ führer einer G. m.b. H. auszuführen hatte; nach Lage der Sache kam er wenigstens als tatsächlicher Vollmacht­ träger allein in Betracht. Daß er nicht selbst Kaufmann und Kommissionär im Rechtssinne war, schloß nur die An­ wendung des § 95 BörsG. auf ihn aus. Gegenüber dem Einwand, daß das Reichsgericht früher den § 266 StGB, anders ansgelegt habe, wurde bemerkt, daß die Aus­ legung der Gesetze, auch der Strafgesetze, nicht starr und unbeweglich sein darf, sondern dem jeweiligen Stand der Erkenntnis und der Bedürfnisse des Lebens entsprechen und genügen muß. (II, 19. Sept. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 251—255. Vgl. Bd. 3 S. 150; Bd. 10 S. 385; Bd. 32 S. 165; ;Bd. 38 VS. 266; Bd. 56 S. 121; Bd. 61 S. 341; Bd. 62 S. 15, 31, 58. 82. Diebstahl. Betrug. (StGB. §§ 242, 263.) Ein staatlicher Förster beschloß, von einer größeren Menge Holz, das von den ihm unterstellten Waldarbeitern zu­ bereitet worden war, einen Teil sich rechtswidrig zuzu­ eignen. Um einer Entdeckung vorzubeugen, gab er die

Menge des zubereiteten Holzes zu niedrig an. Er wurde wegen Diebstahls und Betrugs in sachlichem Zusammensluß verurteilt. Seine Revision hatte Erfolg. Das Be­ rufungsgericht hatte einen rechtswidrigen Vermögensvor­ teil darin gesunden, daß der Angeklagte durch die unwahre Behauptung sich die Möglichkeit des Diebstahls erleichterte. Dem widersprach das Reichsgericht. Eine Vermögensver­ mehrung kann allerdings nicht nur durch den Erwerb von Rechten, sondern auch durch rein tatsächliche Vorgänge erfolgen; immer aber ist erforderlich, daß eine auch für das verständige Urteil anderer Personen erkennbare, wenn­ gleich möglicherweise nicht genau errechenbare günstigere Gestaltung des Verhältnisses zu den Aktiven und Passiven erfolgt. Die mit oder ohne Willen des Vermögensträgers eingetretene bloße Möglichkeit strafbarer Eingrisse in fremde Vermögensrechte ist kein hiebei in Betracht kom­ mender Rechnungsposten. Daß zufolge der unrichtigen Aufstellung den Waldarbeitern ein zu niedriger Lohn an­ gewiesen wurde, mußte darum unberücksichtigt bleiben. (III, 3. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 255-256.

83. Kraftfahrzeugverkehr. Unübersichtliche Wegstelle. (KraftFahrzG. §21; KraftFahrzVO. §§ 18, 23.) In einer großen Straße mit. starkem Verkehr überholte der Führer eines Kraftwagens einen aus Motorwagen und Anhänger bestehenden Lastzug. Zur gleichen Zeit kam aus einer kreuzenden Straße, in die der Einblick durch den Lastzug gehindert war, ein Motorradfahrer heraus. Infolge des Zusammenstoßes wurde er tödlich verletzt. Die Verurtei­ lung wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Übertretungen nach den §§ 18, 23 der Kraftfahrzeugver­ ordnung wurde bestätigt. Der Angeklagte bestritt, daß er den Lastzug an einer unübersichtlichen Wegstelle überholt habe. Die Unfallstelle war allerdings nach der festbe­ stimmten Beschaffenheit des Geländes nicht als unüber­ sichtlich anzusehen; sie war aber durch die augenblickliche Verkehrslage, durch den gerade in der Fahrbahn befind­ lichen und den überblick hemmenden Lastzug, zu einer un­ übersichtlichen Wegstelle geworden. (I, 4. Oktober 1929.) Amtl. Sammlung S. 256—259.

84. Depotbuch. Gesamturkunde. Verfälschung. (StGB. §§ 267, 268; DepositenG. § 1; KapFlVO. 1919 §§ 1, 3, 6; AnlAblG. § 12.) Ein Angestellter einer städtischen Spar-

Menge des zubereiteten Holzes zu niedrig an. Er wurde wegen Diebstahls und Betrugs in sachlichem Zusammensluß verurteilt. Seine Revision hatte Erfolg. Das Be­ rufungsgericht hatte einen rechtswidrigen Vermögensvor­ teil darin gesunden, daß der Angeklagte durch die unwahre Behauptung sich die Möglichkeit des Diebstahls erleichterte. Dem widersprach das Reichsgericht. Eine Vermögensver­ mehrung kann allerdings nicht nur durch den Erwerb von Rechten, sondern auch durch rein tatsächliche Vorgänge erfolgen; immer aber ist erforderlich, daß eine auch für das verständige Urteil anderer Personen erkennbare, wenn­ gleich möglicherweise nicht genau errechenbare günstigere Gestaltung des Verhältnisses zu den Aktiven und Passiven erfolgt. Die mit oder ohne Willen des Vermögensträgers eingetretene bloße Möglichkeit strafbarer Eingrisse in fremde Vermögensrechte ist kein hiebei in Betracht kom­ mender Rechnungsposten. Daß zufolge der unrichtigen Aufstellung den Waldarbeitern ein zu niedriger Lohn an­ gewiesen wurde, mußte darum unberücksichtigt bleiben. (III, 3. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 255-256.

83. Kraftfahrzeugverkehr. Unübersichtliche Wegstelle. (KraftFahrzG. §21; KraftFahrzVO. §§ 18, 23.) In einer großen Straße mit. starkem Verkehr überholte der Führer eines Kraftwagens einen aus Motorwagen und Anhänger bestehenden Lastzug. Zur gleichen Zeit kam aus einer kreuzenden Straße, in die der Einblick durch den Lastzug gehindert war, ein Motorradfahrer heraus. Infolge des Zusammenstoßes wurde er tödlich verletzt. Die Verurtei­ lung wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Übertretungen nach den §§ 18, 23 der Kraftfahrzeugver­ ordnung wurde bestätigt. Der Angeklagte bestritt, daß er den Lastzug an einer unübersichtlichen Wegstelle überholt habe. Die Unfallstelle war allerdings nach der festbe­ stimmten Beschaffenheit des Geländes nicht als unüber­ sichtlich anzusehen; sie war aber durch die augenblickliche Verkehrslage, durch den gerade in der Fahrbahn befind­ lichen und den überblick hemmenden Lastzug, zu einer un­ übersichtlichen Wegstelle geworden. (I, 4. Oktober 1929.) Amtl. Sammlung S. 256—259.

84. Depotbuch. Gesamturkunde. Verfälschung. (StGB. §§ 267, 268; DepositenG. § 1; KapFlVO. 1919 §§ 1, 3, 6; AnlAblG. § 12.) Ein Angestellter einer städtischen Spar-

Menge des zubereiteten Holzes zu niedrig an. Er wurde wegen Diebstahls und Betrugs in sachlichem Zusammensluß verurteilt. Seine Revision hatte Erfolg. Das Be­ rufungsgericht hatte einen rechtswidrigen Vermögensvor­ teil darin gesunden, daß der Angeklagte durch die unwahre Behauptung sich die Möglichkeit des Diebstahls erleichterte. Dem widersprach das Reichsgericht. Eine Vermögensver­ mehrung kann allerdings nicht nur durch den Erwerb von Rechten, sondern auch durch rein tatsächliche Vorgänge erfolgen; immer aber ist erforderlich, daß eine auch für das verständige Urteil anderer Personen erkennbare, wenn­ gleich möglicherweise nicht genau errechenbare günstigere Gestaltung des Verhältnisses zu den Aktiven und Passiven erfolgt. Die mit oder ohne Willen des Vermögensträgers eingetretene bloße Möglichkeit strafbarer Eingrisse in fremde Vermögensrechte ist kein hiebei in Betracht kom­ mender Rechnungsposten. Daß zufolge der unrichtigen Aufstellung den Waldarbeitern ein zu niedriger Lohn an­ gewiesen wurde, mußte darum unberücksichtigt bleiben. (III, 3. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 255-256.

83. Kraftfahrzeugverkehr. Unübersichtliche Wegstelle. (KraftFahrzG. §21; KraftFahrzVO. §§ 18, 23.) In einer großen Straße mit. starkem Verkehr überholte der Führer eines Kraftwagens einen aus Motorwagen und Anhänger bestehenden Lastzug. Zur gleichen Zeit kam aus einer kreuzenden Straße, in die der Einblick durch den Lastzug gehindert war, ein Motorradfahrer heraus. Infolge des Zusammenstoßes wurde er tödlich verletzt. Die Verurtei­ lung wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Übertretungen nach den §§ 18, 23 der Kraftfahrzeugver­ ordnung wurde bestätigt. Der Angeklagte bestritt, daß er den Lastzug an einer unübersichtlichen Wegstelle überholt habe. Die Unfallstelle war allerdings nach der festbe­ stimmten Beschaffenheit des Geländes nicht als unüber­ sichtlich anzusehen; sie war aber durch die augenblickliche Verkehrslage, durch den gerade in der Fahrbahn befind­ lichen und den überblick hemmenden Lastzug, zu einer un­ übersichtlichen Wegstelle geworden. (I, 4. Oktober 1929.) Amtl. Sammlung S. 256—259.

84. Depotbuch. Gesamturkunde. Verfälschung. (StGB. §§ 267, 268; DepositenG. § 1; KapFlVO. 1919 §§ 1, 3, 6; AnlAblG. § 12.) Ein Angestellter einer städtischen Spar-

lasse hatte 300 Ml Kriegsanleihe. Der Depotbuchsührer der Sparkasse, der mit ihm befreundet war, schenkte ihm weitere 200 SM Kriegsanleihe, um ihm zu einem Aus­ losungsrecht zu verhelfen. Auf dessen Rat trug er außer­ dem im Depositenbuch der Sparkasse ein, daß er die 500 SM Kriegsanleihe am 1. März 1920 der Sparkasse zur Aufbewahrung übergeben und am 20. November 1924 wieder abgehoben habe; er hatte vorerst mit der Führung dieses Buches nichts zu tun. Auf Grund dieses Eintrags wurde ihm eine Bescheinigung der Sparkasse ausgestellt, daß es sich um Altbesitzanleihe handle; diese legte er seiner Anmeldung bei. Es wurde ihm daraufhin ein Aus­ losungsrecht über 12,50 SM gewährt. Er wurde wegen Betrugs in Tateinheit mit schwerer Urkundenfälschung verurteilt, der Depotbuchsührer wegen Beihilfe hiezu. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Es konnte zweifelhaft sein, ob eine fälschliche Anfertigung einer Urkunde vorlag; jedenfalls war aber durch die Eintragung das Depot­ buch verfälscht worden. Daß das Depotbuch eine zum Beweis von Rechten und Rechtsverhältnissen erhebliche Privaturkunde war, ergab sich aus den Vorschriften der Kapitalfluchtverordnung von 1919. Hiernach galten die Sparkassen als Banken, waren zur Durchführung der Depotzwangsmaßnahmen ermächtigt und hatten deren Einhaltung den Prüfungsbeamten aus ihren Geschäfts­ büchern nachzuweisen; außerdem hatten sie zufolge der Anleiheablösungsgesetzgebung auf Grund ihrer Geschäfts­ bücher Altbesitzbescheinigungen auszustellen und zum Nach­ weis der Richtigkeit auf Erfordern die Geschäftsbücher vor­ zulegen. Hiernach waren die Depotbücher der Sparkassen nicht nur zum Beweis der aus den einzelnen Eintragun­ gen ersichtlichen Rechtsvorgänge geeignet und bestimmt; die Sammlung der Einträge sollte vielmehr darüber hi­ naus eine Gewähr für die Vollständigkeit der Aufzählung der in die Zeit ihrer Führung fallenden Wertpapierver­ wahrungsgeschäfte bieten. Durch das Depotbuch als Gan­ zes sollte und konnte bewiesen werden, daß nur die darin bezeichneten Personen ein Depot bei der Sparkasse hatten oder übertragen gehabt hatten, daß andere Wertpapiere als die dort aufgesührten von der Sparkasse nicht in Ver­ wahrung genommen und herausgegeben worden waren. Wie die Handelsbücher stellten also die Depotbücher zu-

folge der Geschlossenheit und dem Jneinandergreifen der Eintragungen zum Beweis von Rechten und Rechtsver­ hältnissen erhebliche Gesamturkunden vor. Als Gesamt­ urkunde war das Depotbuch durch die Eintragung ver­ fälscht worden; es war ihm durch sie der Schein gegeben worden, als habe es schon 1920 einen anderen Inhalt ge­ habt als den wirklichen. Ein Gebrauchmachen zum Zwecke der Täuschung lag darin, daß das Depotbuch nach der Ein­ tragung wieder in den Geschäftsverkehr gegeben wurde, sodaß Personen, welche die Eintragungen nachsahen, ins­ besondere Beauftragte der Altbesitzstelle, getäuscht werden sollten. Ob eine solche Täuschung wirklich gelang, war gleichgiltig. (II, 17. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 259—262. Vgl. Bd. 5 S. 430; Bd. 41 S. 144; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 49 S. 33; Bd. 50 S. 166; Bd. 52 S. 65; Bd. 116 S. 227. 85. Kraftwagenverkehr. Vorfahrt. (KraftFahrzG. § 21; KraftFahrzVO. §§ 17, 21, 24.) Der Lenker eines Kraftwagens wollte von der Straße, in der er aus der rechten Seite fuhr, in eine links davon abzweigende Sei­ tenstraße einbiegen. Er stellte seinen Richtungszeiger ent­ sprechend ein, gab Hupenzeichen und trieb mit mäßiger Geschwindigkeit, über nicht in weitem Bogen, seinen Wagen auf die andere Straßenseite hinüber. Zur gleichen Zeit kam auf dieser Seite ein Motorrad gefahren. Dieses stieß mit dem Wagen zusammen; der Lenker verletzte sich. Der Lenker des Kraftwagens wurde wegen fahrlässiger Körper­ verletzung in Tateinheit mit Übertretung der §§ 17, 21 der Kraftsahrzeugverordnung zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg; das Urteil wurde nur dahin abgeändert, daß an Stelle des § 17 der Kraft­ fahrzeugverordnung der § 24 als verletzt bezeichnet wurde. § 17 der Kraftfahrzeugverordnung enthält nur eine allge­ meine Sorgfaltsregel, nicht aber eine das Blankettgesetz des § 21 des Kraftfahrzeuggesetzes ausfüllende, einen selb­ ständigen Tatbestand schaffende Norm. Dagegen war § 24 der Kvaftfahrzeugverordnung als verletzt zu bezeichnen. Nach dieser Vorschrift hat an Straßenkreuzungen regel­ mäßig das auf dem Hauptverkehrsweg sich bewegende Fahrzeug die Vorfahrt gegenüber dem aus einem Seiten­ weg kommenden Fahrzeug, im übrigen aber das von

folge der Geschlossenheit und dem Jneinandergreifen der Eintragungen zum Beweis von Rechten und Rechtsver­ hältnissen erhebliche Gesamturkunden vor. Als Gesamt­ urkunde war das Depotbuch durch die Eintragung ver­ fälscht worden; es war ihm durch sie der Schein gegeben worden, als habe es schon 1920 einen anderen Inhalt ge­ habt als den wirklichen. Ein Gebrauchmachen zum Zwecke der Täuschung lag darin, daß das Depotbuch nach der Ein­ tragung wieder in den Geschäftsverkehr gegeben wurde, sodaß Personen, welche die Eintragungen nachsahen, ins­ besondere Beauftragte der Altbesitzstelle, getäuscht werden sollten. Ob eine solche Täuschung wirklich gelang, war gleichgiltig. (II, 17. Juni 1929.) Amtl. Sammlg. S. 259—262. Vgl. Bd. 5 S. 430; Bd. 41 S. 144; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 49 S. 33; Bd. 50 S. 166; Bd. 52 S. 65; Bd. 116 S. 227. 85. Kraftwagenverkehr. Vorfahrt. (KraftFahrzG. § 21; KraftFahrzVO. §§ 17, 21, 24.) Der Lenker eines Kraftwagens wollte von der Straße, in der er aus der rechten Seite fuhr, in eine links davon abzweigende Sei­ tenstraße einbiegen. Er stellte seinen Richtungszeiger ent­ sprechend ein, gab Hupenzeichen und trieb mit mäßiger Geschwindigkeit, über nicht in weitem Bogen, seinen Wagen auf die andere Straßenseite hinüber. Zur gleichen Zeit kam auf dieser Seite ein Motorrad gefahren. Dieses stieß mit dem Wagen zusammen; der Lenker verletzte sich. Der Lenker des Kraftwagens wurde wegen fahrlässiger Körper­ verletzung in Tateinheit mit Übertretung der §§ 17, 21 der Kraftsahrzeugverordnung zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg; das Urteil wurde nur dahin abgeändert, daß an Stelle des § 17 der Kraft­ fahrzeugverordnung der § 24 als verletzt bezeichnet wurde. § 17 der Kraftfahrzeugverordnung enthält nur eine allge­ meine Sorgfaltsregel, nicht aber eine das Blankettgesetz des § 21 des Kraftfahrzeuggesetzes ausfüllende, einen selb­ ständigen Tatbestand schaffende Norm. Dagegen war § 24 der Kvaftfahrzeugverordnung als verletzt zu bezeichnen. Nach dieser Vorschrift hat an Straßenkreuzungen regel­ mäßig das auf dem Hauptverkehrsweg sich bewegende Fahrzeug die Vorfahrt gegenüber dem aus einem Seiten­ weg kommenden Fahrzeug, im übrigen aber das von

rechts kommende Fahrzeug. Dies gilt auch dann, wenn ein auf einem Hauptverkehrsweg sich bewegendes Fahr­ zeug in einen Seitenweg einbiegen will und hiebei die Fahrtrichtung eines auf dem Hauptverkehrsweg von rechts kommenden Fahrzeuges schneiden muß. Ob der Ange­ klagte den Motorradfahrer gesehen hatte oder nicht, machte nichts aus; die Vorschriften über das Vorfahrtsrecht verpflichten den Kraftfahrzeugführer in allen Fällen, in denen nach den Umständen ein Vorfahrtsrecht in Frage kommen kann, sich rechtzeitig zu vergewissern, ob er nicht bei der Weiterfahrt die Fahrtrichtung eines sich annähern­ den Vorfahrtsberechtigten in gefährlicher Weise schneidet. Wenn der Angeklagte aus irgend einem Grunde nicht die volle Übersicht über die Straße hatte, hätte er anhalten oder so langsam fahren müssen, daß er beim plötzlichen Auftauchen eines von rechts kommenden Fahrzeuges auf der Stelle hätte halten können. (I, 4. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 263—266. Vgl. Bd. 62 S. 227. 86. Strafbefehl. Verbrauch der Strafklage. Arbeits­ zeit. Sonntagsruhe. Weiße Woche. Irrtum. Notfall. (ArbZVO. § 10; AngArbZVO. § 2; GewO. §§ 105b, 146 a; StPO. §§ 204, 210, 211, 411.) In einem Kaufhaus wurde eine weiße Woche veranstaltet. Mit der Herstellung der Innendekoration waren die ständigen Dekorateure und ein an den Arbeiten sich freiwillig beteiligender Ange­ stellter vom Freitag vormittag 1/29 Uhr bis Sonnabend nachts 3 Uhr, also nach Abrechnung der gewährten Ruhe­ pausen 141/2 Stunden beschäftigt. Am Sonnabend traten die Dekorateure und der Angestellte die Arbeit vormittags gegen 9 Uhr wieder an. Der Prokurist des Kaufhauses, dem die Aufsicht über die Arbeiten zukam, wußte hievon, hatte aber nicht zum Antritt der Arbeit um diese Zeit aufgefordert. Am folgenden Sonntag beschäftigte der Pro­ kurist einen Dekorateur, den Angestellten und einen Lehr­ ling von i/29 Uhr Vormittags bis 7 Uhr Nachmittags. Es wurde gegen ihn ein Strafbefehl wegen Beschäftigung von Angestellten über die erlaubte Arbeitszeit und wegen Zu­ widerhandlung gegen die Vorschriften über die Sonntags­ ruhe erlassen; auf seinen Einspruch hin wurde die Klage zurückgenommen. Aus Grund erneuter Prüfung der Sache wurde das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht er-

rechts kommende Fahrzeug. Dies gilt auch dann, wenn ein auf einem Hauptverkehrsweg sich bewegendes Fahr­ zeug in einen Seitenweg einbiegen will und hiebei die Fahrtrichtung eines auf dem Hauptverkehrsweg von rechts kommenden Fahrzeuges schneiden muß. Ob der Ange­ klagte den Motorradfahrer gesehen hatte oder nicht, machte nichts aus; die Vorschriften über das Vorfahrtsrecht verpflichten den Kraftfahrzeugführer in allen Fällen, in denen nach den Umständen ein Vorfahrtsrecht in Frage kommen kann, sich rechtzeitig zu vergewissern, ob er nicht bei der Weiterfahrt die Fahrtrichtung eines sich annähern­ den Vorfahrtsberechtigten in gefährlicher Weise schneidet. Wenn der Angeklagte aus irgend einem Grunde nicht die volle Übersicht über die Straße hatte, hätte er anhalten oder so langsam fahren müssen, daß er beim plötzlichen Auftauchen eines von rechts kommenden Fahrzeuges auf der Stelle hätte halten können. (I, 4. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 263—266. Vgl. Bd. 62 S. 227. 86. Strafbefehl. Verbrauch der Strafklage. Arbeits­ zeit. Sonntagsruhe. Weiße Woche. Irrtum. Notfall. (ArbZVO. § 10; AngArbZVO. § 2; GewO. §§ 105b, 146 a; StPO. §§ 204, 210, 211, 411.) In einem Kaufhaus wurde eine weiße Woche veranstaltet. Mit der Herstellung der Innendekoration waren die ständigen Dekorateure und ein an den Arbeiten sich freiwillig beteiligender Ange­ stellter vom Freitag vormittag 1/29 Uhr bis Sonnabend nachts 3 Uhr, also nach Abrechnung der gewährten Ruhe­ pausen 141/2 Stunden beschäftigt. Am Sonnabend traten die Dekorateure und der Angestellte die Arbeit vormittags gegen 9 Uhr wieder an. Der Prokurist des Kaufhauses, dem die Aufsicht über die Arbeiten zukam, wußte hievon, hatte aber nicht zum Antritt der Arbeit um diese Zeit aufgefordert. Am folgenden Sonntag beschäftigte der Pro­ kurist einen Dekorateur, den Angestellten und einen Lehr­ ling von i/29 Uhr Vormittags bis 7 Uhr Nachmittags. Es wurde gegen ihn ein Strafbefehl wegen Beschäftigung von Angestellten über die erlaubte Arbeitszeit und wegen Zu­ widerhandlung gegen die Vorschriften über die Sonntags­ ruhe erlassen; auf seinen Einspruch hin wurde die Klage zurückgenommen. Aus Grund erneuter Prüfung der Sache wurde das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht er-

öffnet und zwar sowohl wegen der vom Strafbefehl er­ faßten Handlungen als auch wegen Nichtgewährung der elfstündigen Ruhezeit. Das Landgericht verurteilte den Prokuristen wegen eines Vergehens gegen die Verordnung über die Atbeitszeit und gegen die Verordnung über die Regelung der Arbeitszeit der Angestellten, begangen durch Nichtgewährung einer ununterbrochenen Ruhezeit von 11 Stunden, und durch die Beschäftigung von Angestellten auf die Dauer von mehr als 10 Stunden an einem Tag, außerdem wegen eines Vergehens gegen die Gewerbeord­ nung, begangen durch unerlaubte Beschäftigung zweier Handlungsgehilfen und eines Handlungslehrlings an einem Sonntag. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Da­ durch, daß nach Einlegung des Einspruchs die Klage zu­ rückgenommen wurde, war die Strafklage nicht verbraucht worden. Nur einer rechtskräftigen strafrichterlichen Ent­ scheidung kommt eine solche Wirkung zu, also einem Urteil oder einem die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen­ den Beschluß. Daß das Amtsgericht nach der Zurücknahme der Klage das Verfahren einstellte, hatte keine Bedeutung, denn damit war nicht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, sondern nur die Tatsache festgestellt worden, daß sich das Gericht mangels einer öffentlichen Klage mit der Sache nicht weiter befassen könne. Für die Ruhezeit von 11 Stunden gelten allerdings die gleichen Ausnahme­ vorschriften wie für die Beschränkung der Arbeitszeit über­ haupt; der Angeklagte war aber nach seinem eigenen Vor­ bringen zu der Nichtgewährung der Ruhezeit nicht durch einen der in der Verordnung vorgesehenen Ausnahme­ fälle veranlaßt worden, sondern nur durch seine Unacht­ samkeit. Daß er die vorzeitige Wiederaufnahme der Ar­ beitszeit nicht angeordnet, sondern nur versehentlich ge­ duldet hatte, war unerheblich. Auch die Verurteilung we­ gen der Beschäftigung von Angestellten auf die Dauer von mehr als 10 Stunden war mit Recht erfolgt. Die Be­ schränkungen der Arbeitszeit finden keine Anwendung auf vorübergehende Arbeiten in Notfällen oder in außerge­ wöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen des Be­ troffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, besonders wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitserzeugnisse zu miß­ lingen drohen. Das traf nicht zu. Die dem Reklame-

zweck dienende, in regelmäßigen Zeitabschnitten wieder­ kehrende Veranstaltung einer weißen Woche ist nicht als Notfall, als ein unglückliches, widriges oder unvorherge­ sehenes, ein sofortiges Eingreifen erheischendes Ereignis anzusehen. Die Veranstaltung war auch nicht unabhängig vom Willen des Angeklagten; daß sie aus Gründen des ge­ schäftlichen Wettbewerbs geboten sein mochte, änderte nichts daran, daß sie auf seinem freien Willensentschluß beruhte und von ihm planmäßig herbeigeführt war. Da­ rum hätte die Mehrarbeit auch anders als durch Über­ schreitung der Zehnstundengrenze bewältigt werden kön­ nen. Es kam auch die Vorschrift nicht in Anwendung, daß die Beschränkungen der Arbeitszeit nicht Platz greifen, wenn eine geringere Zahl von Arbeitnehmern über 16 Jahren an einzelnen Tagen mit Arbeiten beschäftigt wird, deren Nichterledigung das Ergebnis der Arbeit gefährden oder einen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schaden zur Folge haben würde, denn diese Vorschrift setzt voraus, daß dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können. Daß dringende Gründe des Ge­ meinwohls die Überschreitung der Zehnstundengrenze er­ forderten, ließ sich ebensowenig behaupten; auch fiel die Arbeit nicht unter die Vorbereitungs- oder Ergänzungsar­ beiten, die nach den Ausführungsbestimmungen des Reichs­ arbeitsministers vom 9. April 1927 zugelassen sind. Daß zum Ausgleich für die am Freitag und Samstag geleistete Mehrarbeit in der nächsten Woche ein Feiertag gewährt wurde, änderte an der Strafbarkeit des Verhaltens nichts; eine solche Verschiebung ist nur zugelassen für den ganzen Betrieb oder eine Betriebsabteilung, nicht aber für ein­ zelne Arbeiter. Endlich bestand auch kein Bedenken gegen die Verurteilung des Angeklagten wegen Verletzung der Sonntagsruhe. Die Vorschriften hierüber finden zwar keine Anwendung auf Arbeiten, welche zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugnissen erforderlich sind, soferne diese Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Bei der am Sonntag geleisteten Arbeit handelte es sich nur darum, die Dekoration wirkungsvoller zu gestalten; wenn das nicht an einem Werktag möglich war, mußte auf die Sonderausstellung eben einstweilen verzichtet werden. Das Reichsgericht prüfte auch die Frage, ob auf die Verletzung

Lieser Vorschriften die Jrrtumsverordnung Anwendung finde. Abweichend von Entscheidungen der Oberlandes­ gerichte Karlsruhe und Dresden, des Bayerischen Ober­ sten Landesgerichts, und des Kammergerichts Berlin wurde diese Frage verneint. (I, 4. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 266—272. 87. Diebstahl. Mundraub. Fortsetzungszusammen­ hang. Urteilsbegründung. (StGB. §§ 242, 243, 370.) In

zwei Fällen wurde Holz unter Öffnung des Vorrats­ raumes mit einem falschen Schlüssel entwendet. Das Be­ rufungsgericht stellte fest, daß der Angeklagte von vorneherein die Absicht hatte, bei jeder sich bietenden Gelegen­ heit Holz auf diese Weise zu entwenden und verurteilte wegen fortgesetzten schweren Diebstahls. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Es war nach dem Sach­ verhalt nicht ausgeschlossen, daß das Holz zum alsbaldigen Verbrauch im Haushalt bestimmt war. Ob es sich um Holz in geringer Menge oder von unbedeutendem Wert handelte, war zwar Sache des tatrichterlichen Ermessens, doch mußten die bei der Prüfung maßgebenden Rechts­ gründe so angegeben werden, daß nachgeprüst werden konnte, ob sie auf zutreffenden Erwägungen beruhten. Auch die Ausführung, daß der Angeklagte von vorneherein den Vorsatz gehabt habe, bei jeder sich bietenden Ge­ legenheit Holz aus dem Vorratsraum zu stehlen, genügte nicht. Selbst wenn sich der Angeklagte von vorneherein irgendeine bestimmte Vorstellung über die Menge des zu entwendenden Holzes gemacht haben sollte, konnte doch der Wert dieser Menge nicht dafür maßgebend sein, ob es sich bei der aus zwei bestimmten Einzelhandlungen zusammengesetzten Entwendung um einen Diebstahl oder um einen Mundraub handelte; die Verwirklichung des weitergehenden Vorsatzes war in einem solchen Fall auf einer Stufe stehen geblieben, wo das, was geschehen ist, nur den Tatbestand des Mundraubes verkörperte, ohne daß der weitergehende Vorsatz auch nur Lurch eine Ver­ suchshandlung verwirklicht war. Bei der fortgesetzten strafbaren Handlung kann immer nur der Wert oder die Menge des wirklich Entwendeten in Betracht kommen, nicht aber ist hinzuzurechnen, was nach dem Vorsatz des Täters bei später in Aussicht genommenen Einzelhandlungen außerdem noch entwendet werden sollte. Ist bei

Lieser Vorschriften die Jrrtumsverordnung Anwendung finde. Abweichend von Entscheidungen der Oberlandes­ gerichte Karlsruhe und Dresden, des Bayerischen Ober­ sten Landesgerichts, und des Kammergerichts Berlin wurde diese Frage verneint. (I, 4. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 266—272. 87. Diebstahl. Mundraub. Fortsetzungszusammen­ hang. Urteilsbegründung. (StGB. §§ 242, 243, 370.) In

zwei Fällen wurde Holz unter Öffnung des Vorrats­ raumes mit einem falschen Schlüssel entwendet. Das Be­ rufungsgericht stellte fest, daß der Angeklagte von vorneherein die Absicht hatte, bei jeder sich bietenden Gelegen­ heit Holz auf diese Weise zu entwenden und verurteilte wegen fortgesetzten schweren Diebstahls. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Es war nach dem Sach­ verhalt nicht ausgeschlossen, daß das Holz zum alsbaldigen Verbrauch im Haushalt bestimmt war. Ob es sich um Holz in geringer Menge oder von unbedeutendem Wert handelte, war zwar Sache des tatrichterlichen Ermessens, doch mußten die bei der Prüfung maßgebenden Rechts­ gründe so angegeben werden, daß nachgeprüst werden konnte, ob sie auf zutreffenden Erwägungen beruhten. Auch die Ausführung, daß der Angeklagte von vorneherein den Vorsatz gehabt habe, bei jeder sich bietenden Ge­ legenheit Holz aus dem Vorratsraum zu stehlen, genügte nicht. Selbst wenn sich der Angeklagte von vorneherein irgendeine bestimmte Vorstellung über die Menge des zu entwendenden Holzes gemacht haben sollte, konnte doch der Wert dieser Menge nicht dafür maßgebend sein, ob es sich bei der aus zwei bestimmten Einzelhandlungen zusammengesetzten Entwendung um einen Diebstahl oder um einen Mundraub handelte; die Verwirklichung des weitergehenden Vorsatzes war in einem solchen Fall auf einer Stufe stehen geblieben, wo das, was geschehen ist, nur den Tatbestand des Mundraubes verkörperte, ohne daß der weitergehende Vorsatz auch nur Lurch eine Ver­ suchshandlung verwirklicht war. Bei der fortgesetzten strafbaren Handlung kann immer nur der Wert oder die Menge des wirklich Entwendeten in Betracht kommen, nicht aber ist hinzuzurechnen, was nach dem Vorsatz des Täters bei später in Aussicht genommenen Einzelhandlungen außerdem noch entwendet werden sollte. Ist bei

den schon begangenen Einzelhandlungen die Grenze des § 370 Nr. 5 StGB, nicht überschritten, so kann durch die Möglichkeit, daß bei einer weiteren Fortsetzung diese Grenze überschritten worden wäre, an dem Tatbestand des § 370 Nr. 5 StGB, nichts geändert werden. (II, 23. Sep­ tember 1929.) Amtl. Sammlg. S. 273—275.

88. Geschlechtskrankheiten. Behandlung. Ratschlag. (GeschKrankhG. §§ 7, 12.) Die Begriffe Behandlung und Erteilung von Ratschlägen zur Selbstbehandlung lassen sich nicht streng scheiden, gehen vielmehr ineinander über. Die Erteilung von Ratschlägen zur Selbstbehandlung ist ein besonderer Fall der Behandlung. Aus dem Gesetz er­ gibt sich, daß insbesondere auch Vorträge unter die Straf­ bestimmung fallen können, welche eine Behandlung durch andere Personen als approbierte Ärzte verbieten. (III, 14. Oktober 1929.) Amtl. Samml. S. 275. 89. Amtsbegünstigung. (StGB. §§ 257, 330, 346.) Ein Zollbeamter ertappte Radfahrer beim Schmuggeln. Obwohl er sie erkannte, erstattete er keine Anzeige gegen sie, lieferte vielmehr nur die weggenommene Schmuggel­ ware ab und fügte eine Anzeige gegen Unbekannt bei; die in seine Hand gelangten Ausweispapiere gab er ihnen zurück. Seine Verurteilung wegen Amtsbegünstigung wurde vom Reichsgericht bestätigt. Eine Unterlassung der Strafverfolgung liegt auch dann vor, wenn der Beamte zwar das strafbare Vorkommen an sich zur Kenntnis der Behörde bringt, aber trotz seiner Kenntnis von der Person der Beteiligten eine Anzeige gegen Unbekannt vorlegt, um damit eine Strafverfolgung zu vereiteln. In seiner Revision hatte der Angeklagte ausgeführt, daß er durch die Zurückgabe der Ausweispapiere sich selbst einer Begünstigung der Schmuggler schuldig gemacht habe und durch eine Anzeige sich selbst in die Gefahr einer Be­ strafung hiewegen gebracht hätte. Daß ein Beamter, nach­ dem er sich selbst der Begünstigung der Strashandlung schuldig gemacht hat, nicht wegen Unterlassung der Straf­ verfolgung gestraft werden kann, ist allerdings schon ent­ schieden worden; das trifft aber nur zu, wenn die dem Beamten zur Last fallende Begünstigung schon vor dem Zeitpunkt begangen ist, wo er seiner Verpflichtung zu­ widerhandelt, die strafbare Handlung zu verfolgen. Die irreführende Erstattung einer Anzeige gegen Unbekannt

den schon begangenen Einzelhandlungen die Grenze des § 370 Nr. 5 StGB, nicht überschritten, so kann durch die Möglichkeit, daß bei einer weiteren Fortsetzung diese Grenze überschritten worden wäre, an dem Tatbestand des § 370 Nr. 5 StGB, nichts geändert werden. (II, 23. Sep­ tember 1929.) Amtl. Sammlg. S. 273—275.

88. Geschlechtskrankheiten. Behandlung. Ratschlag. (GeschKrankhG. §§ 7, 12.) Die Begriffe Behandlung und Erteilung von Ratschlägen zur Selbstbehandlung lassen sich nicht streng scheiden, gehen vielmehr ineinander über. Die Erteilung von Ratschlägen zur Selbstbehandlung ist ein besonderer Fall der Behandlung. Aus dem Gesetz er­ gibt sich, daß insbesondere auch Vorträge unter die Straf­ bestimmung fallen können, welche eine Behandlung durch andere Personen als approbierte Ärzte verbieten. (III, 14. Oktober 1929.) Amtl. Samml. S. 275. 89. Amtsbegünstigung. (StGB. §§ 257, 330, 346.) Ein Zollbeamter ertappte Radfahrer beim Schmuggeln. Obwohl er sie erkannte, erstattete er keine Anzeige gegen sie, lieferte vielmehr nur die weggenommene Schmuggel­ ware ab und fügte eine Anzeige gegen Unbekannt bei; die in seine Hand gelangten Ausweispapiere gab er ihnen zurück. Seine Verurteilung wegen Amtsbegünstigung wurde vom Reichsgericht bestätigt. Eine Unterlassung der Strafverfolgung liegt auch dann vor, wenn der Beamte zwar das strafbare Vorkommen an sich zur Kenntnis der Behörde bringt, aber trotz seiner Kenntnis von der Person der Beteiligten eine Anzeige gegen Unbekannt vorlegt, um damit eine Strafverfolgung zu vereiteln. In seiner Revision hatte der Angeklagte ausgeführt, daß er durch die Zurückgabe der Ausweispapiere sich selbst einer Begünstigung der Schmuggler schuldig gemacht habe und durch eine Anzeige sich selbst in die Gefahr einer Be­ strafung hiewegen gebracht hätte. Daß ein Beamter, nach­ dem er sich selbst der Begünstigung der Strashandlung schuldig gemacht hat, nicht wegen Unterlassung der Straf­ verfolgung gestraft werden kann, ist allerdings schon ent­ schieden worden; das trifft aber nur zu, wenn die dem Beamten zur Last fallende Begünstigung schon vor dem Zeitpunkt begangen ist, wo er seiner Verpflichtung zu­ widerhandelt, die strafbare Handlung zu verfolgen. Die irreführende Erstattung einer Anzeige gegen Unbekannt

den schon begangenen Einzelhandlungen die Grenze des § 370 Nr. 5 StGB, nicht überschritten, so kann durch die Möglichkeit, daß bei einer weiteren Fortsetzung diese Grenze überschritten worden wäre, an dem Tatbestand des § 370 Nr. 5 StGB, nichts geändert werden. (II, 23. Sep­ tember 1929.) Amtl. Sammlg. S. 273—275.

88. Geschlechtskrankheiten. Behandlung. Ratschlag. (GeschKrankhG. §§ 7, 12.) Die Begriffe Behandlung und Erteilung von Ratschlägen zur Selbstbehandlung lassen sich nicht streng scheiden, gehen vielmehr ineinander über. Die Erteilung von Ratschlägen zur Selbstbehandlung ist ein besonderer Fall der Behandlung. Aus dem Gesetz er­ gibt sich, daß insbesondere auch Vorträge unter die Straf­ bestimmung fallen können, welche eine Behandlung durch andere Personen als approbierte Ärzte verbieten. (III, 14. Oktober 1929.) Amtl. Samml. S. 275. 89. Amtsbegünstigung. (StGB. §§ 257, 330, 346.) Ein Zollbeamter ertappte Radfahrer beim Schmuggeln. Obwohl er sie erkannte, erstattete er keine Anzeige gegen sie, lieferte vielmehr nur die weggenommene Schmuggel­ ware ab und fügte eine Anzeige gegen Unbekannt bei; die in seine Hand gelangten Ausweispapiere gab er ihnen zurück. Seine Verurteilung wegen Amtsbegünstigung wurde vom Reichsgericht bestätigt. Eine Unterlassung der Strafverfolgung liegt auch dann vor, wenn der Beamte zwar das strafbare Vorkommen an sich zur Kenntnis der Behörde bringt, aber trotz seiner Kenntnis von der Person der Beteiligten eine Anzeige gegen Unbekannt vorlegt, um damit eine Strafverfolgung zu vereiteln. In seiner Revision hatte der Angeklagte ausgeführt, daß er durch die Zurückgabe der Ausweispapiere sich selbst einer Begünstigung der Schmuggler schuldig gemacht habe und durch eine Anzeige sich selbst in die Gefahr einer Be­ strafung hiewegen gebracht hätte. Daß ein Beamter, nach­ dem er sich selbst der Begünstigung der Strashandlung schuldig gemacht hat, nicht wegen Unterlassung der Straf­ verfolgung gestraft werden kann, ist allerdings schon ent­ schieden worden; das trifft aber nur zu, wenn die dem Beamten zur Last fallende Begünstigung schon vor dem Zeitpunkt begangen ist, wo er seiner Verpflichtung zu­ widerhandelt, die strafbare Handlung zu verfolgen. Die irreführende Erstattung einer Anzeige gegen Unbekannt

und die Zurückgabe der Ausweispapiere ließen sich nicht auseinanderreißen; alles zusammen diente der Erreichung desselben Zieles, die Verfolgung der Täter hintanzu­ halten. (I, 15. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 276-277. 90. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Einzie­ hung. Werlersatz. Unbefugte Inbetriebnahme. Unausge­ setzter Betrieb. Vermutung. (BranntwMonG. §§ 76,101, 119, 120, 121, 122, 124, 128, 147; RAbgO. § 360.) Eine Brennerei war in der Weise eingerichtet, daß nur die Brennvorrichtungen für den Rauhbrand (die Herstellung des Rohbranntweins aus der Maische) nicht aber auch jene für den Feinbrand unter amtlichem Verschluß standen. Demgemäß durfte Rohbranntwein nur auf der Rauhbrandblase, nicht auf der Feinbrandblase hergestellt wer­ den. Gelegentlich einer Nachschau fand der Zollbeamte die Feinbrandblase mit 400 Liter Maische gefüllt; bei dem unter seiner Aufsicht vorgenommenen Abtrieb ergaben sich daraus 29,7 Liter Weingeist. Der Leiter der Brennerei wurde wegen versuchter Hinterziehung der Branntwein­ abgabe zu einer Geldstrafe und einer Gefängnis­ strafe von zwei Wochen verurteilt. Die Revision der Zollbehörde führte zur Zurückverweisung. Die durch den Zollbeamten festgestellte Handlung war aller­ dings für sich betrachtet mit Recht als versuchte Mono­ polhinterziehung beurteilt worden. Eine vollendete Hinter­ ziehung setzt das vorsätzliche Bewirken einer Verkür­ zung der Einnahmen aus dem Branntweinmonopol vor­ aus. Liegt einer der Tatbestände des § 120 Branntw.MonG. vor, so ist zwar zunächst die Vermutung einer vollendeten vorsätzlichen Hinterziehung begründet; diese ist aber widerlegbar nicht nur hinsichtlich des Hinterzie­ hungsvorsatzes, sondern auch hinsichtlich des Eintritts einer Monopoleinnahmeverkürzung. Der nach der Ver­ mutung als gegeben angesehene Erfolg ist ohne weiteres widerlegt, wenn nachgewiesen wird, daß das in Betracht kommende Tun eine solche Verkürzung nicht herbeigeführt hat und nicht herbeiführen konnte, insbesondere weil es die Steuerpflicht noch nicht zur Entstehung brachte. Der Angeklagte war von dem Zollbeamten überrascht wor­ den, ehe er mit dem Abtrieb von Rohbranntwein aus der Maische begann, also ehe er Branntwein hergestellt hatte.

und die Zurückgabe der Ausweispapiere ließen sich nicht auseinanderreißen; alles zusammen diente der Erreichung desselben Zieles, die Verfolgung der Täter hintanzu­ halten. (I, 15. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 276-277. 90. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Einzie­ hung. Werlersatz. Unbefugte Inbetriebnahme. Unausge­ setzter Betrieb. Vermutung. (BranntwMonG. §§ 76,101, 119, 120, 121, 122, 124, 128, 147; RAbgO. § 360.) Eine Brennerei war in der Weise eingerichtet, daß nur die Brennvorrichtungen für den Rauhbrand (die Herstellung des Rohbranntweins aus der Maische) nicht aber auch jene für den Feinbrand unter amtlichem Verschluß standen. Demgemäß durfte Rohbranntwein nur auf der Rauhbrandblase, nicht auf der Feinbrandblase hergestellt wer­ den. Gelegentlich einer Nachschau fand der Zollbeamte die Feinbrandblase mit 400 Liter Maische gefüllt; bei dem unter seiner Aufsicht vorgenommenen Abtrieb ergaben sich daraus 29,7 Liter Weingeist. Der Leiter der Brennerei wurde wegen versuchter Hinterziehung der Branntwein­ abgabe zu einer Geldstrafe und einer Gefängnis­ strafe von zwei Wochen verurteilt. Die Revision der Zollbehörde führte zur Zurückverweisung. Die durch den Zollbeamten festgestellte Handlung war aller­ dings für sich betrachtet mit Recht als versuchte Mono­ polhinterziehung beurteilt worden. Eine vollendete Hinter­ ziehung setzt das vorsätzliche Bewirken einer Verkür­ zung der Einnahmen aus dem Branntweinmonopol vor­ aus. Liegt einer der Tatbestände des § 120 Branntw.MonG. vor, so ist zwar zunächst die Vermutung einer vollendeten vorsätzlichen Hinterziehung begründet; diese ist aber widerlegbar nicht nur hinsichtlich des Hinterzie­ hungsvorsatzes, sondern auch hinsichtlich des Eintritts einer Monopoleinnahmeverkürzung. Der nach der Ver­ mutung als gegeben angesehene Erfolg ist ohne weiteres widerlegt, wenn nachgewiesen wird, daß das in Betracht kommende Tun eine solche Verkürzung nicht herbeigeführt hat und nicht herbeiführen konnte, insbesondere weil es die Steuerpflicht noch nicht zur Entstehung brachte. Der Angeklagte war von dem Zollbeamten überrascht wor­ den, ehe er mit dem Abtrieb von Rohbranntwein aus der Maische begann, also ehe er Branntwein hergestellt hatte.

In diesem Augenblick war eine Steuerpslicht noch nicht entstanden. Der aus Getreide hergestellte, nicht im Würze­ verfahren gewonnene Branntwein unterliegt der Abliefe­ rungspflicht nicht, wohl aber der Zahlung einer Abgabe, die erst mit der Gewinnung fällig wird. Die Geldstrafe für diesen Versuch betrug das Vierfache der Steuerver­ kürzung, die bei Vollendung der Tat eingetreten wäre; daneben war, da die Handlung in der Absicht der Hinter­ ziehung begangen worden war, auf eine Gefängnisstrafe zu erkennen. Auch im Falle des Versuchs kann auf Ein­ ziehung erkannt werden. Gegenstand der Einziehung konnte nur die Maische sein; da diese nicht mehr vorhan­ den war, kam nur der Ausspruch einer Wertersatzstrafe in Betracht. Der Ausspruch unterlag dem Ermessen des Ge­ richts. Die hinterzogene Monopoleinnahme und demge­ mäß die Strafe waren nach der Weingeistmenge zu berech­ nen, die bei unausgesetztem Betrieb während der dem Zeit­ punkt der Entdeckung vorausgegangenen drei Monate ge­ wonnen werden konnte, soferne nicht festgestellt wurde, daß die Brennvorrichtung in einem größeren oder einem geringeren Umfang benützt worden war. Durch die Rechts­ vermutungen des Branntweinmonopolgesetzes wird dem, gegen den sie sich richten, keine Beweislast zu ihrer Ent­ kräftigung aufgebürdet, vielmehr hat hier wie auch sonst im Strafverfahren der Strafrichter den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wenn auch der Angeklagte im eigenen Interesse durch eine entsprechende Verteidi­ gung, insbesondere durch Stellung geeigneter Beweisan­ träge, dem Strafrichter an die Hand gehen muß. Täterschafts- und Vorsatzvermutungen bilden in der vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrschten Straf­ rechtspflege einen Fremdkörper; der Gesetzgeber muß ihnen daher, soweit er sie aus fiskalischen Gründen nicht ent­ behren zu können glaubt, eine möglichst zweifelsfreie Fassung geben und mit einer engen Auslegung rechnen. Eine unbefugte Inbetriebnahme einer Brenn Vorrichtung liegt auch dann vor, wenn in einer Berschlußbrennerei, in der außer der Herstellung von Rohbranntwein auch dessen Reinigung betrieben wird, eine nicht unter amt­ lichem Verschluß stehende, nur für den Reinigungsbetrieb bestimmte Brennvorrichtung bestimmungswidrig zur Her­ stellung von Rohbranntwein benutzt wird. Unter unaus-

gesetztem Betrieb ist em Betrieb zu verstehen, bei bem die nach den Umständen mögliche Aufeinanderfolge der zum Betrieb gehörigen Handlungen nicht unterbrochen wird. Hienach war im gegebenen Fall eine Widerlegung der Ver­ mutung nicht schon darin zu erblicken, daß die Benutzung der Feinbrandblase nur an 57 Tagen möglich war, noch auch darin, daß die Feinbrandblase innerhalb des auf Herstellung und Reinigung des Branntweins gerichteten Gesamtbetriebs nur in dem hierdurch bedingten beschränk­ ten Umfang zur Herstellung von Rohbranntwein benutzt werden konnte; wohl aber wurde sie widerlegt durch die Feststellung, daß auch in dem durch die Art des Gesamt­ betriebs bedingten beschränkten Umfang kein unausgesetz­ ter Betrieb stattgefunden habe, weil der Angeklagte an vielen Tagen wegen der Gefahr der Entdeckung ein heim­ liches Abbrennen nicht habe bewerkstelligen können. Bei Zugrundelegung dieser Feststellung war wieder Raum ge­ geben für die freie richterliche Beweiswürdigung. Die Zu­ grundelegung eines bestimmten hinterzogenen Betrages und die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe des Vierfachen dieses Betrages wäre möglich gewesen, wenn und soweit das Gericht auf Grund freier Beweiswürdi­ gung, sei es auch im Wege der Schätzung, zu der ein­ wandfreien Feststellung gelangt wäre, daß der Angeklagte eine bestimmte Menge reinen Weingeist gewonnen habe; andernfalls hätte das Gericht die Strafe auf Grund des § 124 BranntwMonG. festzusetzen gehabt. Wäre ein be­ stimmter Mindestbetrag festzustellen und nur die Menge des darüber hinaus noch widerrechtlich gewonnenen Wein­ geistes nicht zu ermitteln gewesen, so hätte bei der Bemes­ sung der Geldstrafe das Vierfache des hinterzogenen Mindestbetrags zugrunde gelegt und der so gefundene Betrag nach § 124 erhöht werden müssen; auch bei der Be­ rechnung des Wertersatzes wäre von dem Wert der Mindestmenge auszugehen und eine entsprechende Geld­ summe dazuzuschlagen gewesen. Hätte endlich das Gericht eine feste richterliche Überzeugung davon, daß schon vor der Entdeckung eine Hinterziehung der fraglichen Art statt­ gefunden habe, nicht gewinnen können, so hätte es sich auf die Verurteilung wegen des festgestellten Hinterziehungs­ versuchs beschränken müssen. Es geht nicht an, eine wider­ legte Vermutung durch eine andere Vermutung zu ersetzen.

(I, 15. Oktober 1929.)

Amtl. Sammlg. S. 278—286. Vgl. Bb. 60 S. 389; Bd. 62 S. 175.

91. Fahnen. Autoritälszeichen. Hoheitszeichen. Be­ schimpfung. Grober Unfug. (StGB. § 135; RepSchG. § 8; StGB. § 360 Nr. 11.) Auf Grund einer Anordnung des zuständigen Landrates war auf dem Grundstück einer Volkshochschule die deutsche Reichsflagge aufgezogen wor­ den. Da ein Teil der Bevölkerung sich darüber aufregte, nahmen mehrere Männer die Flagge herunter und Über­ gaben sie dem Lehrer. Ihre Verurteilung wegen Weg­ nahme eines öffentlichen Zeichens der Autorität des Reiches wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Ob der preußische Minister, auf dessen Erlaß sich die Anordnung des Landrates stützte, berechtigt war, die Beflaggung des Gemeindeschulgebäudes in den Reichsfarben zu verfügen, konnte dahingestellt bleiben; für die Frage, ob die aufge­ zogene Reichsfahne ein öffentliches Zeichen der Autorität des Reiches war, hatte das keine ausschlaggebende Be­ deutung. Als öffentliches Zeichen der Autorität oder Hoheit eines Staates ist ein Zeichen nur dann anzusehen, wenn es im gegebenen Fall nach dem erkennbaren Willen der Regierung dazu bestimmt und verwendet ist, das Be­ stehen der Staatsgewalt öffentlich zum Ausdruck zu brin­ gen und kundzutun, daß der betreffende Ort oder die be­ treffende Sache der Staatsgewalt unterworfen sind. Als ein solches Zeichen kann die Flagge eines Staates in Be­ tracht kommen. Die Eigenschaft als Autoritätszeichen haftet ihr aber nicht ohne weiteres für alle Fälle an; es ist vielmehr immer zu prüfen, ob ihr im besonderen Falle nach der Art, dem Ort oder dem Zweck ihrer Verwendung diese Eigenschaft erkennbar zukommt oder zukommen soll. Die Eigenschaft der Flagge als öffentliches Autoritäts­ zeichen kann kei ihrer Verwendung im überstaatlichen Ver­ kehr besonders klar zutage liegen, so wenn ein Staat auf seinem ausländischen Besitz seine Flagge aufzieht, vor allem aber, wenn sie zum Zeichen der Besitzergreifung ge­ hißt wird. Ebenso erscheint aber die Flagge auch bei ihrer Verwendung im Heimatland vielfach als öffentliches Autoritätszeichen. Das wird in der Regel anzunehmen sein, wenn die Flagge eines Staates auf Anordnung seiner Behörden auf seinen eigenen Grundstücken aufgezogen wird. Im vorliegenden Fall wäre zu prüfen gewesen, ob

(I, 15. Oktober 1929.)

Amtl. Sammlg. S. 278—286. Vgl. Bb. 60 S. 389; Bd. 62 S. 175.

91. Fahnen. Autoritälszeichen. Hoheitszeichen. Be­ schimpfung. Grober Unfug. (StGB. § 135; RepSchG. § 8; StGB. § 360 Nr. 11.) Auf Grund einer Anordnung des zuständigen Landrates war auf dem Grundstück einer Volkshochschule die deutsche Reichsflagge aufgezogen wor­ den. Da ein Teil der Bevölkerung sich darüber aufregte, nahmen mehrere Männer die Flagge herunter und Über­ gaben sie dem Lehrer. Ihre Verurteilung wegen Weg­ nahme eines öffentlichen Zeichens der Autorität des Reiches wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Ob der preußische Minister, auf dessen Erlaß sich die Anordnung des Landrates stützte, berechtigt war, die Beflaggung des Gemeindeschulgebäudes in den Reichsfarben zu verfügen, konnte dahingestellt bleiben; für die Frage, ob die aufge­ zogene Reichsfahne ein öffentliches Zeichen der Autorität des Reiches war, hatte das keine ausschlaggebende Be­ deutung. Als öffentliches Zeichen der Autorität oder Hoheit eines Staates ist ein Zeichen nur dann anzusehen, wenn es im gegebenen Fall nach dem erkennbaren Willen der Regierung dazu bestimmt und verwendet ist, das Be­ stehen der Staatsgewalt öffentlich zum Ausdruck zu brin­ gen und kundzutun, daß der betreffende Ort oder die be­ treffende Sache der Staatsgewalt unterworfen sind. Als ein solches Zeichen kann die Flagge eines Staates in Be­ tracht kommen. Die Eigenschaft als Autoritätszeichen haftet ihr aber nicht ohne weiteres für alle Fälle an; es ist vielmehr immer zu prüfen, ob ihr im besonderen Falle nach der Art, dem Ort oder dem Zweck ihrer Verwendung diese Eigenschaft erkennbar zukommt oder zukommen soll. Die Eigenschaft der Flagge als öffentliches Autoritäts­ zeichen kann kei ihrer Verwendung im überstaatlichen Ver­ kehr besonders klar zutage liegen, so wenn ein Staat auf seinem ausländischen Besitz seine Flagge aufzieht, vor allem aber, wenn sie zum Zeichen der Besitzergreifung ge­ hißt wird. Ebenso erscheint aber die Flagge auch bei ihrer Verwendung im Heimatland vielfach als öffentliches Autoritätszeichen. Das wird in der Regel anzunehmen sein, wenn die Flagge eines Staates auf Anordnung seiner Behörden auf seinen eigenen Grundstücken aufgezogen wird. Im vorliegenden Fall wäre zu prüfen gewesen, ob

es sich darum handelte, auf dem Schulgrundstück die Autorität des Reiches kundzugeben. Dafür war erforder­ lich, daß durch das Aushängen der Reichsslagge zum Aus­ druck gebracht werden sollte und gebracht wurde, das Reich übe auf dem Grundstück der Gemeindeschule seine Staatshoheit aus, die Schule und das Grundstück seien der Reichsgewalt unmittelbar unterworfen. Das war aber mit der Rechtslage unvereinbar und konnte darum auch nicht der Wille der anordnenden Landesbehörde sein. Dem­ gemäß war die weggenommene Reichsfahne kein öffent­ liches Autoritätszeichen; sie diente nur der Ausschmückung des Schulhofes. Eine Beschimpfung der Reichsfahne oder der Reichssarben war in dem Verhalten der Angeklagten nicht zu finden. Endlich ließ sich die Verurteilung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des groben Unfugs aufrecht­ erhalten; es war tatsächlich festgestellt, daß das Herunter­ nehmen der Fahne unter den im Ort obwaltenden Ver­ hältnissen die Öffentlichkeit nicht belästigte, vielmehr be­ ruhigend wirkte. (II, 21. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 286—290. 92. Fleischbeschau. Tauglichkeitsstempel. Notschlachtung. Falschbeurkundung. (StGB. § 348.) Ein öffentlich bestellter Fleischbeschauer, der nicht als Tierarzt approbiert war, versah in vier Fällen Fleisch von geschlachteten Tieren mit dem Tauglichkeitsstempel, obwohl er in den ersten drei Fällen die Tiere vor der Schlachtung nicht ge­ sehen, im vierten Fall das Fleisch nicht untersucht hatte. Seine Verurteilung wegen Falschbeurkundung wurde nur für den letzten Fall gebilligt. Ein Fleischbeschauer, der nicht approbierter Tierarzt ist, darf eine Fleischbeschau nur vornehmen, wenn er das Tier in lebendem Zustand untersucht hat. Das gilt auch für die Fälle der Notschlach­ tung, obwohl für diese eine Schlachtviehbeschau nicht vor­ geschrieben ist. Der Angeklagte überschritt also seine Be­ fugnis, indem er in den ersten drei Fällen eine Fleisch­ beschau vornahm, er beging aber gleichwohl keine Falsch­ beurkundung, denn durch den Tauglichkeitsstempel beur­ kundete er nur, daß er bei der Fleischbeschau das Fleisch zum Genuß für Menschen als tauglich befunden habe. Daß der Stempel auch noch bezeugen sollte, er habe das Tier vor der Schlachtung untersucht, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Im vierten Fall brachte er aber durch den

es sich darum handelte, auf dem Schulgrundstück die Autorität des Reiches kundzugeben. Dafür war erforder­ lich, daß durch das Aushängen der Reichsslagge zum Aus­ druck gebracht werden sollte und gebracht wurde, das Reich übe auf dem Grundstück der Gemeindeschule seine Staatshoheit aus, die Schule und das Grundstück seien der Reichsgewalt unmittelbar unterworfen. Das war aber mit der Rechtslage unvereinbar und konnte darum auch nicht der Wille der anordnenden Landesbehörde sein. Dem­ gemäß war die weggenommene Reichsfahne kein öffent­ liches Autoritätszeichen; sie diente nur der Ausschmückung des Schulhofes. Eine Beschimpfung der Reichsfahne oder der Reichssarben war in dem Verhalten der Angeklagten nicht zu finden. Endlich ließ sich die Verurteilung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des groben Unfugs aufrecht­ erhalten; es war tatsächlich festgestellt, daß das Herunter­ nehmen der Fahne unter den im Ort obwaltenden Ver­ hältnissen die Öffentlichkeit nicht belästigte, vielmehr be­ ruhigend wirkte. (II, 21. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 286—290. 92. Fleischbeschau. Tauglichkeitsstempel. Notschlachtung. Falschbeurkundung. (StGB. § 348.) Ein öffentlich bestellter Fleischbeschauer, der nicht als Tierarzt approbiert war, versah in vier Fällen Fleisch von geschlachteten Tieren mit dem Tauglichkeitsstempel, obwohl er in den ersten drei Fällen die Tiere vor der Schlachtung nicht ge­ sehen, im vierten Fall das Fleisch nicht untersucht hatte. Seine Verurteilung wegen Falschbeurkundung wurde nur für den letzten Fall gebilligt. Ein Fleischbeschauer, der nicht approbierter Tierarzt ist, darf eine Fleischbeschau nur vornehmen, wenn er das Tier in lebendem Zustand untersucht hat. Das gilt auch für die Fälle der Notschlach­ tung, obwohl für diese eine Schlachtviehbeschau nicht vor­ geschrieben ist. Der Angeklagte überschritt also seine Be­ fugnis, indem er in den ersten drei Fällen eine Fleisch­ beschau vornahm, er beging aber gleichwohl keine Falsch­ beurkundung, denn durch den Tauglichkeitsstempel beur­ kundete er nur, daß er bei der Fleischbeschau das Fleisch zum Genuß für Menschen als tauglich befunden habe. Daß der Stempel auch noch bezeugen sollte, er habe das Tier vor der Schlachtung untersucht, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Im vierten Fall brachte er aber durch den

Stempel zum Ausdruck, daß er das Fleisch untersucht und auf Grund dieser Untersuchung für tauglich befunden habe; das traf nicht zu. Es machte nichts aus, ob das Fleisch wirklich tauglich war oder nicht. (II, 14. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 290—294. Vgl. Bd.38 S. 349; Bd.39 S.284; Bd.40 S.341.

93. Steuerrechtliche Haftung. Unterwerfung. Sprung­ revision. (RAbgO. 88 88, 89, 90, 95, 356, 381, 410; KapFlG. 88 2, 10; StPO. 88 335, 340, 442.) Gegen den Prokuristen eines Bankhauses wurde wegen einer Zu­ widerhandlung gegen das Kapitalsluchtgesetz ein Steuer­ strafverfahren eingeleitet; er unterwarf sich der Strafe. Der Inhaber des Bankhauses wurde für die Strafe und die Kosten haftbar gemacht. Das Schöffengericht sprach ihn frei, weil eine wirksame Unterwerfung des Proku­ risten nicht nachgewiesen sei; aus der Unterwerfungsniederschrist gehe nicht hervor, inwieferne sich der Proku­ rist gegen das Strafgesetz verstoßen habe. Die Sprung­ revision der Steuerbehörde hatte das Ergebnis, daß das Verfahren wegen Verjährung eingestellt wurde. Das Rechtsmittel war zulässig, denn es war auf unrichtige An­ wendung einer Vorschrift des Steuerstrafrechts (RAbgO. 8 381) gestützt. Die dabei in Betracht gezogene Frage, ob die dem Strafverfahren gegen den Angeklagten voraus­ gegangene- Unterwerfung des Prokuristen wegen unge­ nügender Beachtung der für das Unterwerfungsverfahren geltend gemachten Bestimmungen unwirksam sei, betraf nicht das dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Ver­ fahren des Schöffengerichts, sondern das ihm vorangega.ngene Verwaltungsstrasverfahren des Finanzamtes. Die Reichsabgabenordnung unterscheidet zwischen der steuerrechtlichen Haftung für eine Steuerschuld und der strafrechtlichen Haftung für Zuwiderhandlungen. Wenn ein Vertreter schuldhast die ihm obliegenden Pflichten verletzt, haftet neben ihm auch der Vertreter gesamtverbindlich für die verkürzten Steuereinnahmen. Dem Wesen der Ge­ samtverbindlichkeit entspricht es, daß es im Ermessen der Steuerbehörde steht, wen von den Verpflichteten sie in Anspruch nehmen will; sie kann sofort gegen den Ver­ tretenen vorgehen, ohne sich mit dem Vertreter zu be­ fassen. Anders verhält es sich mit der strafrechtlichen

Stempel zum Ausdruck, daß er das Fleisch untersucht und auf Grund dieser Untersuchung für tauglich befunden habe; das traf nicht zu. Es machte nichts aus, ob das Fleisch wirklich tauglich war oder nicht. (II, 14. Oktober 1929.) Amtl. Sammlg. S. 290—294. Vgl. Bd.38 S. 349; Bd.39 S.284; Bd.40 S.341.

93. Steuerrechtliche Haftung. Unterwerfung. Sprung­ revision. (RAbgO. 88 88, 89, 90, 95, 356, 381, 410; KapFlG. 88 2, 10; StPO. 88 335, 340, 442.) Gegen den Prokuristen eines Bankhauses wurde wegen einer Zu­ widerhandlung gegen das Kapitalsluchtgesetz ein Steuer­ strafverfahren eingeleitet; er unterwarf sich der Strafe. Der Inhaber des Bankhauses wurde für die Strafe und die Kosten haftbar gemacht. Das Schöffengericht sprach ihn frei, weil eine wirksame Unterwerfung des Proku­ risten nicht nachgewiesen sei; aus der Unterwerfungsniederschrist gehe nicht hervor, inwieferne sich der Proku­ rist gegen das Strafgesetz verstoßen habe. Die Sprung­ revision der Steuerbehörde hatte das Ergebnis, daß das Verfahren wegen Verjährung eingestellt wurde. Das Rechtsmittel war zulässig, denn es war auf unrichtige An­ wendung einer Vorschrift des Steuerstrafrechts (RAbgO. 8 381) gestützt. Die dabei in Betracht gezogene Frage, ob die dem Strafverfahren gegen den Angeklagten voraus­ gegangene- Unterwerfung des Prokuristen wegen unge­ nügender Beachtung der für das Unterwerfungsverfahren geltend gemachten Bestimmungen unwirksam sei, betraf nicht das dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Ver­ fahren des Schöffengerichts, sondern das ihm vorangega.ngene Verwaltungsstrasverfahren des Finanzamtes. Die Reichsabgabenordnung unterscheidet zwischen der steuerrechtlichen Haftung für eine Steuerschuld und der strafrechtlichen Haftung für Zuwiderhandlungen. Wenn ein Vertreter schuldhast die ihm obliegenden Pflichten verletzt, haftet neben ihm auch der Vertreter gesamtverbindlich für die verkürzten Steuereinnahmen. Dem Wesen der Ge­ samtverbindlichkeit entspricht es, daß es im Ermessen der Steuerbehörde steht, wen von den Verpflichteten sie in Anspruch nehmen will; sie kann sofort gegen den Ver­ tretenen vorgehen, ohne sich mit dem Vertreter zu be­ fassen. Anders verhält es sich mit der strafrechtlichen

Haftung. Diese stellt ihrem Wesen nach eine Strafe dar, die ihre innere Rechtfertigung in der Vermutung eines Mitverschuldens des Vertretenen findet. Diese Haftung ist im Steuerstrafrecht geregelt und die Entscheidung über sie erfolgt int Strafverfahren. Während die steuerschuld­ nerische Haftung eine Gesamtverbindlichkeit begründet, stellt die steuerstrasrechtliche Haftung des Vertretenen eine Nachhaftung dar. Der Vertretene kann in dieser Hinsicht erst in Anspruch genommen werden, wenn die Beitreibung aus dem beweglichen Vermögen des Vertreters unmöglich ist. Die Entscheidung über seine Haftung ist allerdings schon vorher zulässig; sie soll in der Regel zugleich mit dem Straferkenntnis gegen den Vertreter erfolgen. Zu diesem Zweck ist der haftbar zu machende Vertreter in dem Verfahren gegen den Beschuldigten als Nebenbe­ teiligter zuzuziehen. Ist das aus irgendwelchen Gründen unterblieben und kann daher die Haftbarkeit des Vertre­ tenen erst nachträglich ausgesprochen werden, so ist das nur statthaft, nachdem die Bestrafung des Vertreters rechtskräftig geworden ist. Tie Rechtskraft der gegen den Vertreter ergangenen Entscheidung hat nicht nur ver­ fahrensrechtliche, sondern auch strafrechtliche Bedeutung, da sie zugleich für den Inhalt und Umfang der strafrecht­ lichen Haftung des Vertretenen, also für die Umgrenzung des gegen ihn bestehenden Strasanspruchs maßgebend ist. Die Haftung gilt nur für die verwirkte Strafe; als solche ist die im Straferkenntnis ausgesprochene Strafe anzu­ sehen. Ihre Höhe ist für die Haftung des Vertretenen entscheidend, es sei denn, daß er mit Erfolg geltend machen kann, daß diese Strafe gegen den Vertreter überhaupt nicht oder nicht in dieser Höhe ausgesprochen werden durfte. Nach voraufgegangenen Unterwerfungsverfahren kann die Haftbarkeit des Vertretenen nur ausgesprochen werden, wenn die Unterwerfung des Vertreters den Vor­ aussetzungen genügt, unter denen sie einer rechtskräftigen Verurteilung gleichsteht. Ob hiezu eine Angabe der Straf­ tat in der Unterm ersungserklärung unerläßlich ist, brauchte nicht erörtert zu werden, da einer Wetterführung des Strafverfahrens gegen den Angeklagten die Verjährung seiner strafrechtlichen Haftung entgegenstand. Es handelte sich mir um Verfehlungen, die mit einer Ordnungsstrafe zu ahnden waren; die Haftung hiefür verjährt in einem RGE. Strafsachen Bd. 63.

7

Jahr. (II, 17. Okt. 1929.)

Amtl. Sammlg. S. 294-302. Vgl. Bd. 56 S. 409. 94. Zustimmung. Widerruf. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung stimmte der Angeklagte der Verlesung der Aussage eines trotz Ladung nicht erschiene­ nen Zeugen zu, widerrief aber nachher diese Zustimmung. Das war nicht zulässig. Die verfahrensrechtlichen Wir­ kungen sind formaler Art und einem Widerruf nur dann zugänglich, wenn ein solcher ausdrücklich zugelassen ist. Zulässig wäre es gewesen, trotz der Verlesung die neuer­ liche Ladung des Zeugen zu beantragen; ein solcher An­ trag hätte vom Gericht verbeschieden werden müssen. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 301—303. Vgl. Bd. 51 S. 20; Bd. 57 S. 322; Bd. 58 S. 80. 95. Depotgesetz. Bankverwahrungsgeschüfte. Nichtig­ keit. (DepotG. 88 1, 2; BGB. 8 134.) Hinterlegungs­ und Verwahrungsverträge mit Kaufleuten, die keine Be­ rechtigung zum Betrieb von Depotgeschästen besitzen, sind nicht nichtig. Das Depotgesetz ist ein gewerbepolizeiliches Schutzgesetz; sein Zweck ist, unlautere Elemente vom Ge­ schäft fernezuhalten. Es bedroht den gewerbsmäßigen Be­ trieb solcher Geschäfte durch hiezu nicht berechtigte Per­ sonen mit Strafe, spricht aber nirgends aus, daß die von solchen Personen abgeschlossenen Geschäfte nichtig sein sol­ len. Grundsätzlich sind Verträge wegen Verstoßes gegen ein Gesetz nur dann nichtig, wenn beide Beteiligte bewußt gegen dos Gesetz verstoßen haben. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 303—304. Vgl. RGZ. Bd. 78 S. 347; Bd. 105 S. 65; Bd. 106 S. 316. 96. Steuerstraffreiheit. Verwirkung. (RAbgO. 8 374.) Wegen unterlassener Einkommensteuer- und Umsatzsteuer­ voranmeldungen war eine Verurteilung erfolgt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Angeklagte hatte die Voranmeldungen nachgeholt. Hierdurch hatte er sich möglicherweise straffrei gemacht. Voraussetzung hiefür war, daß er die Nachholung vornahm, ohne daß er dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlaßt war, ohne daß er wegen seiner Zuwiderhandlungen schon angezeigt war und ohne daß eine Untersuchung hiewegen gegen ihn eingeleitet war, außerdem, daß zur Zeit des Eingangs der nachgeholten Steuererklärungen eine Steuer­ verkürzung noch nicht eingetreten war. Durch die recht-

Jahr. (II, 17. Okt. 1929.)

Amtl. Sammlg. S. 294-302. Vgl. Bd. 56 S. 409. 94. Zustimmung. Widerruf. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung stimmte der Angeklagte der Verlesung der Aussage eines trotz Ladung nicht erschiene­ nen Zeugen zu, widerrief aber nachher diese Zustimmung. Das war nicht zulässig. Die verfahrensrechtlichen Wir­ kungen sind formaler Art und einem Widerruf nur dann zugänglich, wenn ein solcher ausdrücklich zugelassen ist. Zulässig wäre es gewesen, trotz der Verlesung die neuer­ liche Ladung des Zeugen zu beantragen; ein solcher An­ trag hätte vom Gericht verbeschieden werden müssen. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 301—303. Vgl. Bd. 51 S. 20; Bd. 57 S. 322; Bd. 58 S. 80. 95. Depotgesetz. Bankverwahrungsgeschüfte. Nichtig­ keit. (DepotG. 88 1, 2; BGB. 8 134.) Hinterlegungs­ und Verwahrungsverträge mit Kaufleuten, die keine Be­ rechtigung zum Betrieb von Depotgeschästen besitzen, sind nicht nichtig. Das Depotgesetz ist ein gewerbepolizeiliches Schutzgesetz; sein Zweck ist, unlautere Elemente vom Ge­ schäft fernezuhalten. Es bedroht den gewerbsmäßigen Be­ trieb solcher Geschäfte durch hiezu nicht berechtigte Per­ sonen mit Strafe, spricht aber nirgends aus, daß die von solchen Personen abgeschlossenen Geschäfte nichtig sein sol­ len. Grundsätzlich sind Verträge wegen Verstoßes gegen ein Gesetz nur dann nichtig, wenn beide Beteiligte bewußt gegen dos Gesetz verstoßen haben. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 303—304. Vgl. RGZ. Bd. 78 S. 347; Bd. 105 S. 65; Bd. 106 S. 316. 96. Steuerstraffreiheit. Verwirkung. (RAbgO. 8 374.) Wegen unterlassener Einkommensteuer- und Umsatzsteuer­ voranmeldungen war eine Verurteilung erfolgt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Angeklagte hatte die Voranmeldungen nachgeholt. Hierdurch hatte er sich möglicherweise straffrei gemacht. Voraussetzung hiefür war, daß er die Nachholung vornahm, ohne daß er dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlaßt war, ohne daß er wegen seiner Zuwiderhandlungen schon angezeigt war und ohne daß eine Untersuchung hiewegen gegen ihn eingeleitet war, außerdem, daß zur Zeit des Eingangs der nachgeholten Steuererklärungen eine Steuer­ verkürzung noch nicht eingetreten war. Durch die recht-

Jahr. (II, 17. Okt. 1929.)

Amtl. Sammlg. S. 294-302. Vgl. Bd. 56 S. 409. 94. Zustimmung. Widerruf. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung stimmte der Angeklagte der Verlesung der Aussage eines trotz Ladung nicht erschiene­ nen Zeugen zu, widerrief aber nachher diese Zustimmung. Das war nicht zulässig. Die verfahrensrechtlichen Wir­ kungen sind formaler Art und einem Widerruf nur dann zugänglich, wenn ein solcher ausdrücklich zugelassen ist. Zulässig wäre es gewesen, trotz der Verlesung die neuer­ liche Ladung des Zeugen zu beantragen; ein solcher An­ trag hätte vom Gericht verbeschieden werden müssen. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 301—303. Vgl. Bd. 51 S. 20; Bd. 57 S. 322; Bd. 58 S. 80. 95. Depotgesetz. Bankverwahrungsgeschüfte. Nichtig­ keit. (DepotG. 88 1, 2; BGB. 8 134.) Hinterlegungs­ und Verwahrungsverträge mit Kaufleuten, die keine Be­ rechtigung zum Betrieb von Depotgeschästen besitzen, sind nicht nichtig. Das Depotgesetz ist ein gewerbepolizeiliches Schutzgesetz; sein Zweck ist, unlautere Elemente vom Ge­ schäft fernezuhalten. Es bedroht den gewerbsmäßigen Be­ trieb solcher Geschäfte durch hiezu nicht berechtigte Per­ sonen mit Strafe, spricht aber nirgends aus, daß die von solchen Personen abgeschlossenen Geschäfte nichtig sein sol­ len. Grundsätzlich sind Verträge wegen Verstoßes gegen ein Gesetz nur dann nichtig, wenn beide Beteiligte bewußt gegen dos Gesetz verstoßen haben. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 303—304. Vgl. RGZ. Bd. 78 S. 347; Bd. 105 S. 65; Bd. 106 S. 316. 96. Steuerstraffreiheit. Verwirkung. (RAbgO. 8 374.) Wegen unterlassener Einkommensteuer- und Umsatzsteuer­ voranmeldungen war eine Verurteilung erfolgt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Angeklagte hatte die Voranmeldungen nachgeholt. Hierdurch hatte er sich möglicherweise straffrei gemacht. Voraussetzung hiefür war, daß er die Nachholung vornahm, ohne daß er dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlaßt war, ohne daß er wegen seiner Zuwiderhandlungen schon angezeigt war und ohne daß eine Untersuchung hiewegen gegen ihn eingeleitet war, außerdem, daß zur Zeit des Eingangs der nachgeholten Steuererklärungen eine Steuer­ verkürzung noch nicht eingetreten war. Durch die recht-

Jahr. (II, 17. Okt. 1929.)

Amtl. Sammlg. S. 294-302. Vgl. Bd. 56 S. 409. 94. Zustimmung. Widerruf. (StPO. § 325.) In der Berufungsverhandlung stimmte der Angeklagte der Verlesung der Aussage eines trotz Ladung nicht erschiene­ nen Zeugen zu, widerrief aber nachher diese Zustimmung. Das war nicht zulässig. Die verfahrensrechtlichen Wir­ kungen sind formaler Art und einem Widerruf nur dann zugänglich, wenn ein solcher ausdrücklich zugelassen ist. Zulässig wäre es gewesen, trotz der Verlesung die neuer­ liche Ladung des Zeugen zu beantragen; ein solcher An­ trag hätte vom Gericht verbeschieden werden müssen. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 301—303. Vgl. Bd. 51 S. 20; Bd. 57 S. 322; Bd. 58 S. 80. 95. Depotgesetz. Bankverwahrungsgeschüfte. Nichtig­ keit. (DepotG. 88 1, 2; BGB. 8 134.) Hinterlegungs­ und Verwahrungsverträge mit Kaufleuten, die keine Be­ rechtigung zum Betrieb von Depotgeschästen besitzen, sind nicht nichtig. Das Depotgesetz ist ein gewerbepolizeiliches Schutzgesetz; sein Zweck ist, unlautere Elemente vom Ge­ schäft fernezuhalten. Es bedroht den gewerbsmäßigen Be­ trieb solcher Geschäfte durch hiezu nicht berechtigte Per­ sonen mit Strafe, spricht aber nirgends aus, daß die von solchen Personen abgeschlossenen Geschäfte nichtig sein sol­ len. Grundsätzlich sind Verträge wegen Verstoßes gegen ein Gesetz nur dann nichtig, wenn beide Beteiligte bewußt gegen dos Gesetz verstoßen haben. (I, 29. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 303—304. Vgl. RGZ. Bd. 78 S. 347; Bd. 105 S. 65; Bd. 106 S. 316. 96. Steuerstraffreiheit. Verwirkung. (RAbgO. 8 374.) Wegen unterlassener Einkommensteuer- und Umsatzsteuer­ voranmeldungen war eine Verurteilung erfolgt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Angeklagte hatte die Voranmeldungen nachgeholt. Hierdurch hatte er sich möglicherweise straffrei gemacht. Voraussetzung hiefür war, daß er die Nachholung vornahm, ohne daß er dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlaßt war, ohne daß er wegen seiner Zuwiderhandlungen schon angezeigt war und ohne daß eine Untersuchung hiewegen gegen ihn eingeleitet war, außerdem, daß zur Zeit des Eingangs der nachgeholten Steuererklärungen eine Steuer­ verkürzung noch nicht eingetreten war. Durch die recht-

zeitige Nachholung der unterbliebenen Erklärungen konnte der Eintritt der Straffreiheit nur angebahnt werden; end­ gültig wurde er erst, wenn auch die unterbliebene Zah­ lung der geschuldeten Steuer rechtzeitig nachgeholt wurde. Rechtzeitig war die Nachholung, wenn sie innerhalb der bei der Festsetzung der Steuer bestimmten Frist vorgenom­ men wurde. Das Gesetz macht in dieser Hinsicht zwischen zu veranlagenden und zwischen' vorauszuzahlenden Steuern keinen Unterschied; auch bei vorauszuzahlenden Steuern wird der Anspruch auf Straffreiheit, der durch rechtzeitige Nachholung der erforderlichen Erklärungen bedingt erlangt worden ist, erst dann verwirkt, wenn die geschuldete Steuer innerhalb der bei der Festsetzung bestimmten Frist nicht gezahlt wird. Bis zum Ablauf dieser Frist bleibt die Frage der Straffreiheit in Schwebe. Durch die Einleitung einer Untersuchung in der Zwischenzeit wird die Straffreiheit nicht verwirkt. (II, 30. Okt. 1929. Amtl. Sammlg. S. 305-308. Vgl. Bd. 58 S.186; Bd.59 S. 115, 401; Bd. 61 S. 42.

97. Kraftfahrzeugverkehr. Flucht. (KrastfahrzeugG. § 22.) Der Tatbestand des § 22 Abs. 1 des Gesetzes ist auch dann erfüllt, wenn der Führer eines Kraftwagens nach dem Unfall, von dem er zwar keine sichere Kenntnis hat, von dem er aber annimmt, er könnte eingetreten sein, es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen. (II, 30. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 308-309. 98. Hilfsschiöffe. (GBG. § 42.) Als Hilfsschöffe wurde ein Mann beigezogen, der zwar in der Reihenfolge der Liste nicht der nächste war, aber durch den Fernsprecher erreicht werden konnte. Das führte zur Aufhebung des Urteils. Die Hilssschöfsen sind nach der Reihenfolge der Jahresliste einzuberufen. Eine Ausnahme ist zulässig, wenn bei Einhaltung dieser Reihenfolge die Verhandlung vertagt werden müßte oder ihr Beginn verzögert würde; in diesem Falle sind die nicht am Sitz des Gerichts woh­ nenden Hilfsschöffen zu übergehen. Weitere Ausnahmen kennt das Gesetz nicht; sie dürfen auch nicht gemacht wer­ den, wenn sonst die Durchführung einer anberaumten Hauptverhandlung vereitelt würde. Die gesetzliche Rege­ lung will jede Willkür in der Besetzung des erkennenden

zeitige Nachholung der unterbliebenen Erklärungen konnte der Eintritt der Straffreiheit nur angebahnt werden; end­ gültig wurde er erst, wenn auch die unterbliebene Zah­ lung der geschuldeten Steuer rechtzeitig nachgeholt wurde. Rechtzeitig war die Nachholung, wenn sie innerhalb der bei der Festsetzung der Steuer bestimmten Frist vorgenom­ men wurde. Das Gesetz macht in dieser Hinsicht zwischen zu veranlagenden und zwischen' vorauszuzahlenden Steuern keinen Unterschied; auch bei vorauszuzahlenden Steuern wird der Anspruch auf Straffreiheit, der durch rechtzeitige Nachholung der erforderlichen Erklärungen bedingt erlangt worden ist, erst dann verwirkt, wenn die geschuldete Steuer innerhalb der bei der Festsetzung bestimmten Frist nicht gezahlt wird. Bis zum Ablauf dieser Frist bleibt die Frage der Straffreiheit in Schwebe. Durch die Einleitung einer Untersuchung in der Zwischenzeit wird die Straffreiheit nicht verwirkt. (II, 30. Okt. 1929. Amtl. Sammlg. S. 305-308. Vgl. Bd. 58 S.186; Bd.59 S. 115, 401; Bd. 61 S. 42.

97. Kraftfahrzeugverkehr. Flucht. (KrastfahrzeugG. § 22.) Der Tatbestand des § 22 Abs. 1 des Gesetzes ist auch dann erfüllt, wenn der Führer eines Kraftwagens nach dem Unfall, von dem er zwar keine sichere Kenntnis hat, von dem er aber annimmt, er könnte eingetreten sein, es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen. (II, 30. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 308-309. 98. Hilfsschiöffe. (GBG. § 42.) Als Hilfsschöffe wurde ein Mann beigezogen, der zwar in der Reihenfolge der Liste nicht der nächste war, aber durch den Fernsprecher erreicht werden konnte. Das führte zur Aufhebung des Urteils. Die Hilssschöfsen sind nach der Reihenfolge der Jahresliste einzuberufen. Eine Ausnahme ist zulässig, wenn bei Einhaltung dieser Reihenfolge die Verhandlung vertagt werden müßte oder ihr Beginn verzögert würde; in diesem Falle sind die nicht am Sitz des Gerichts woh­ nenden Hilfsschöffen zu übergehen. Weitere Ausnahmen kennt das Gesetz nicht; sie dürfen auch nicht gemacht wer­ den, wenn sonst die Durchführung einer anberaumten Hauptverhandlung vereitelt würde. Die gesetzliche Rege­ lung will jede Willkür in der Besetzung des erkennenden

zeitige Nachholung der unterbliebenen Erklärungen konnte der Eintritt der Straffreiheit nur angebahnt werden; end­ gültig wurde er erst, wenn auch die unterbliebene Zah­ lung der geschuldeten Steuer rechtzeitig nachgeholt wurde. Rechtzeitig war die Nachholung, wenn sie innerhalb der bei der Festsetzung der Steuer bestimmten Frist vorgenom­ men wurde. Das Gesetz macht in dieser Hinsicht zwischen zu veranlagenden und zwischen' vorauszuzahlenden Steuern keinen Unterschied; auch bei vorauszuzahlenden Steuern wird der Anspruch auf Straffreiheit, der durch rechtzeitige Nachholung der erforderlichen Erklärungen bedingt erlangt worden ist, erst dann verwirkt, wenn die geschuldete Steuer innerhalb der bei der Festsetzung bestimmten Frist nicht gezahlt wird. Bis zum Ablauf dieser Frist bleibt die Frage der Straffreiheit in Schwebe. Durch die Einleitung einer Untersuchung in der Zwischenzeit wird die Straffreiheit nicht verwirkt. (II, 30. Okt. 1929. Amtl. Sammlg. S. 305-308. Vgl. Bd. 58 S.186; Bd.59 S. 115, 401; Bd. 61 S. 42.

97. Kraftfahrzeugverkehr. Flucht. (KrastfahrzeugG. § 22.) Der Tatbestand des § 22 Abs. 1 des Gesetzes ist auch dann erfüllt, wenn der Führer eines Kraftwagens nach dem Unfall, von dem er zwar keine sichere Kenntnis hat, von dem er aber annimmt, er könnte eingetreten sein, es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen. (II, 30. Okt. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 308-309. 98. Hilfsschiöffe. (GBG. § 42.) Als Hilfsschöffe wurde ein Mann beigezogen, der zwar in der Reihenfolge der Liste nicht der nächste war, aber durch den Fernsprecher erreicht werden konnte. Das führte zur Aufhebung des Urteils. Die Hilssschöfsen sind nach der Reihenfolge der Jahresliste einzuberufen. Eine Ausnahme ist zulässig, wenn bei Einhaltung dieser Reihenfolge die Verhandlung vertagt werden müßte oder ihr Beginn verzögert würde; in diesem Falle sind die nicht am Sitz des Gerichts woh­ nenden Hilfsschöffen zu übergehen. Weitere Ausnahmen kennt das Gesetz nicht; sie dürfen auch nicht gemacht wer­ den, wenn sonst die Durchführung einer anberaumten Hauptverhandlung vereitelt würde. Die gesetzliche Rege­ lung will jede Willkür in der Besetzung des erkennenden

Gerichts und schon den Schein einer solchen verhüten. (I, 5. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 309—310. 99. Beschränkte Rechtsmittel. Kosten. Voller Erfolg. (StPO. § 473.) Eine allgemein eingelegte Berufung wurde noch vor der Verhandlung auf das Strafmaß be­ schränkt. Das Berufungsgericht setzte die Strafe von einem Jahr auf 9 Monate Gefängnis herab, legte aber dem An­ geklagten alle Kosten des Verfahrens auf. Seine Revision hatte Erfolg. Wenn ein Rechtsmittel auf einen Neben­ punkt beschränkt ist und insoweit vollen Erfolg hat, sind dem Rechtsmittelführer keine Kosten aufzuerlegen. Im Falle der Beschränkung des Rechtsmittels auf das Straf­ maß ist allerdings nicht jede Herabsetzung der Strafe unbe­ dingt als ein voller Erfolg anzusehen; wohl aber trifft das zu, wenn der Angeklagte den Umfang der Strafer­ mäßigung dem Gericht anheimstellt und eine nicht uner­ hebliche Ermäßigung erzielt. Maßgebend für die Beur­ teilung der Frage, ob ein Rechtsmittel vollen Erfolg hat, ist nicht die Einlegung des Rechtsmittels, sondern der Um­ fang, in dem es schließlich der Prüfung des Gerichts unter­ stellt wird. (I, 8. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 311—313. Vgl. Bd. 45 S. 268. 100. Steuerordnungswidrigkeit. Mittelbare Täter­ schaft. Anstiftung. Steuerverkürzung. (RAbgO. §§ 359, 367, 377, 433.) Fast alle Aktien einer Aktiengesellschaft waren in der Hand des Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Nach der Satzung hatte dieser den Vorstand zu ernennen und abzuberufen; der Vorstand hatte seinen Anordnun­ gen nachzukommen. Er ernannte einen Vorstand, der nur eine technische, keine kaufmännische Ausbildung hatte und über seine Rechten und Pflichten ganz im Unklaren war. Auf seine Weisung verwendete der Vorstand die Lohn­ steuerabzüge für Zwecke des Betriebs. Das Schöffengericht nahm an, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats als mittel­ barer Täter eine Steuerordnungswidrigkeit begangen habe und verurteilte ihn zu einer Ordnungsstrafe. Seine Re­ vision führte zur Zurückverweisung der Sache. Die Ver­ wertung der Rechtsform der mittelbaren Täterschaft war nicht haltbar. Mittelbarer Täter ist, wer vorsätzlich ver­ anlaßt, daß eine Straftat durch einen anderen zur Aus­ führung gelangt, der seinerseits nicht zurechnungsfähig

Gerichts und schon den Schein einer solchen verhüten. (I, 5. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 309—310. 99. Beschränkte Rechtsmittel. Kosten. Voller Erfolg. (StPO. § 473.) Eine allgemein eingelegte Berufung wurde noch vor der Verhandlung auf das Strafmaß be­ schränkt. Das Berufungsgericht setzte die Strafe von einem Jahr auf 9 Monate Gefängnis herab, legte aber dem An­ geklagten alle Kosten des Verfahrens auf. Seine Revision hatte Erfolg. Wenn ein Rechtsmittel auf einen Neben­ punkt beschränkt ist und insoweit vollen Erfolg hat, sind dem Rechtsmittelführer keine Kosten aufzuerlegen. Im Falle der Beschränkung des Rechtsmittels auf das Straf­ maß ist allerdings nicht jede Herabsetzung der Strafe unbe­ dingt als ein voller Erfolg anzusehen; wohl aber trifft das zu, wenn der Angeklagte den Umfang der Strafer­ mäßigung dem Gericht anheimstellt und eine nicht uner­ hebliche Ermäßigung erzielt. Maßgebend für die Beur­ teilung der Frage, ob ein Rechtsmittel vollen Erfolg hat, ist nicht die Einlegung des Rechtsmittels, sondern der Um­ fang, in dem es schließlich der Prüfung des Gerichts unter­ stellt wird. (I, 8. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 311—313. Vgl. Bd. 45 S. 268. 100. Steuerordnungswidrigkeit. Mittelbare Täter­ schaft. Anstiftung. Steuerverkürzung. (RAbgO. §§ 359, 367, 377, 433.) Fast alle Aktien einer Aktiengesellschaft waren in der Hand des Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Nach der Satzung hatte dieser den Vorstand zu ernennen und abzuberufen; der Vorstand hatte seinen Anordnun­ gen nachzukommen. Er ernannte einen Vorstand, der nur eine technische, keine kaufmännische Ausbildung hatte und über seine Rechten und Pflichten ganz im Unklaren war. Auf seine Weisung verwendete der Vorstand die Lohn­ steuerabzüge für Zwecke des Betriebs. Das Schöffengericht nahm an, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats als mittel­ barer Täter eine Steuerordnungswidrigkeit begangen habe und verurteilte ihn zu einer Ordnungsstrafe. Seine Re­ vision führte zur Zurückverweisung der Sache. Die Ver­ wertung der Rechtsform der mittelbaren Täterschaft war nicht haltbar. Mittelbarer Täter ist, wer vorsätzlich ver­ anlaßt, daß eine Straftat durch einen anderen zur Aus­ führung gelangt, der seinerseits nicht zurechnungsfähig

Gerichts und schon den Schein einer solchen verhüten. (I, 5. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 309—310. 99. Beschränkte Rechtsmittel. Kosten. Voller Erfolg. (StPO. § 473.) Eine allgemein eingelegte Berufung wurde noch vor der Verhandlung auf das Strafmaß be­ schränkt. Das Berufungsgericht setzte die Strafe von einem Jahr auf 9 Monate Gefängnis herab, legte aber dem An­ geklagten alle Kosten des Verfahrens auf. Seine Revision hatte Erfolg. Wenn ein Rechtsmittel auf einen Neben­ punkt beschränkt ist und insoweit vollen Erfolg hat, sind dem Rechtsmittelführer keine Kosten aufzuerlegen. Im Falle der Beschränkung des Rechtsmittels auf das Straf­ maß ist allerdings nicht jede Herabsetzung der Strafe unbe­ dingt als ein voller Erfolg anzusehen; wohl aber trifft das zu, wenn der Angeklagte den Umfang der Strafer­ mäßigung dem Gericht anheimstellt und eine nicht uner­ hebliche Ermäßigung erzielt. Maßgebend für die Beur­ teilung der Frage, ob ein Rechtsmittel vollen Erfolg hat, ist nicht die Einlegung des Rechtsmittels, sondern der Um­ fang, in dem es schließlich der Prüfung des Gerichts unter­ stellt wird. (I, 8. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 311—313. Vgl. Bd. 45 S. 268. 100. Steuerordnungswidrigkeit. Mittelbare Täter­ schaft. Anstiftung. Steuerverkürzung. (RAbgO. §§ 359, 367, 377, 433.) Fast alle Aktien einer Aktiengesellschaft waren in der Hand des Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Nach der Satzung hatte dieser den Vorstand zu ernennen und abzuberufen; der Vorstand hatte seinen Anordnun­ gen nachzukommen. Er ernannte einen Vorstand, der nur eine technische, keine kaufmännische Ausbildung hatte und über seine Rechten und Pflichten ganz im Unklaren war. Auf seine Weisung verwendete der Vorstand die Lohn­ steuerabzüge für Zwecke des Betriebs. Das Schöffengericht nahm an, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats als mittel­ barer Täter eine Steuerordnungswidrigkeit begangen habe und verurteilte ihn zu einer Ordnungsstrafe. Seine Re­ vision führte zur Zurückverweisung der Sache. Die Ver­ wertung der Rechtsform der mittelbaren Täterschaft war nicht haltbar. Mittelbarer Täter ist, wer vorsätzlich ver­ anlaßt, daß eine Straftat durch einen anderen zur Aus­ führung gelangt, der seinerseits nicht zurechnungsfähig

ist oder wegen Irrtums, Nötigung, Notstand oder aus einem anderen Grunde schuldlos oder zwar schuldhaft, aber nicht mit Tätervorsatz, sondern nur mit Gehilfen­ vorsatz handelt. Voraussetzung für die Annahme einer strafbaren mittelbaren Täterschaft ist jedoch, daß sich der mittelbare Täter durch die eigene Vornahme der Aus­ führungshandlung in gleicher Weise strafbar machen könnte. Sonderstraftaten, zu deren Tatbestand besondere Tätereigenschaften gehören (Beamteneigenschast beim Amtsverbrechen, Bevollmächtigteneigenschaft bei Untreue) können im Wege der mittelbaren Täterschaft nur von Personen begangen werden, bei denen solche Tätereigen­ schaften vorhanden sind. Nach RAbgO. § 377 wird bestraft, wer den im Interesse der Besteuerung erlassenen Vor­ schriften der Steuergesetzgebung oder den dazu erlassenen Verwaltungsbestimmungen durch andere als die in den Steuergesetzen unter Strafe gestellte Handlungen oder Unterlassungen zuwiderhandelt. Dieses Strafgesetz ist ein Blankettgesetz, das seinen näheren Inhalt erst durch die Vorschriften erhält, auf die es verweist. Soweit diese Vor­ schriften nur einem bestimmten Personenkreis Pflichten auferlegen, können nur Angehörige dieses Personenkreises oder solche, die ihnen rechtlich gleichgestellt sind, den Vor­ schriften zuwiderhandeln. Nach den Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn ist der Arbeitgeber ver­ pflichtet, die Steuer einzubehalten und an die Finanzkasse abzuführen. Arbeitgeber war im gegebenen Fall die Aktien­ gesellschaft; die ihr obliegenden Pflichten hatte der Vor­ stand als gesetzlicher Vertreter zu erfüllen. Diese Pflicht konnte durch den Gesellschaftsvertrag, durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung oder durch Anordnungen des Aufsichtsrates oder seines Vorsitzenden nicht beschränkt werden. Der Angeklagte war als Vorsitzender des Auf­ sichtsrates trotz der ihm eingeräumten weitgehenden Be­ fugnisse nicht gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft; er konnte also den für die Aktiengesellschaft geltenden Vor­ schriften nicht zuwiderhandeln. In der neuen Verhandlung war zu prüfen, ob der Angeklagte sich nicht einer Steuer­ verkürzung nach § 359 RAbgO. oder einer Steuergefähr­ dung nach § 367 RAbgO. oder einer Anstiftung der vom Vorstand begangenen Steuerordnungswidrigkeit nach § 377 RAbgO. schuldig gemacht hatte. Der Vorstand der Aktien-

gesellschaft hatte eine Ordnungsstrafe verwirkt, wenn nicht festgestellt wurde, daß Strafausschließungsgründe Vor­ lagen oder die Zuwiderhandlung auf einem unabwend­ baren Zufall beruhte. Weder die eine noch die andere Aus­ nahme traf zu. Der Umstand, daß er von dem Vorsitzen­ den des Aufsichtsrates wirtschaftlich vollkommen abhän­ gig war, konnte Veranlassung bieten, von der Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn abzusehen; ein Straf­ ausschließungsgrund war aber darin nicht zu erblicken. Der Anstiftung zu einer Straftat kann sich auch der schul­ dig machen, der die Sonderstraftat wegen Mangels der vorausgesetzten persönlichen Eigenschaft als Täter, Mit­ täter oder mittelbarer Täter nicht begehen kann. (I,8.Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 313—319. Vgl. Bd. 6 S. 414; Bd. 44 S. 69; Bd. 61 S. 186; Bd. 63 S. 95. 101. Abholzungsrecht. Unterschlagung. Untreue. Besttzvermittlung. (StGB. §§ 246, 266; BGB. §§ 868, 956.) Der Eigentümer eines Wald gründ stücks übertrug einem Unternehmer das Abholzungsrecht. Dieser übertrug das Recht weiter auf eine Holzhandlung. Der Besitz an dem Grundstück wurde nicht übertragen. Zwischen dem Unter­ nehmer und der Holzhandlung wurde vereinbart, daß der Unternehmer das Holz für sie zu fällen und zu verladen habe. Er verkaufte einen Teil des Holzes für sich. Das Berufungsgericht sprach ihn von der Anklage der Unter­ schlagung frei, weil er durch die Besitzergreifung Eigen­ tümer geworden sei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Vereinbarung legte die Frage nahe, ob nicht der Angeklagte als Besitzvermittler für die Holzhandlung tätig geworden war und damit für diese Eigentum an dem Holz begründet hatte. Auch aus dem Gesichtspunkt der Untreue war die Sache zu prüfen. (III, 11. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 319—320. Vgl. RGZ. Bd. 60 S. 317; Bd. 80 S. 229; Bd. 108 S. 269; Bd. 109 S. 192. 102. Verjährung. Unterbrechung. (StGB. § 68.) Der Vorsitzende der Strafkammer, deren Urteil angefochten wurde, setzte auf die Revisionsbegründung einen Sicht­ vermerk. Das genügte zur Unterbrechung der Verjährung. Der Vermerk hatte offensichtlich die Bedeutung, festzu­ stellen, daß der Vorsitzende die richterliche Prüfung, ob die

gesellschaft hatte eine Ordnungsstrafe verwirkt, wenn nicht festgestellt wurde, daß Strafausschließungsgründe Vor­ lagen oder die Zuwiderhandlung auf einem unabwend­ baren Zufall beruhte. Weder die eine noch die andere Aus­ nahme traf zu. Der Umstand, daß er von dem Vorsitzen­ den des Aufsichtsrates wirtschaftlich vollkommen abhän­ gig war, konnte Veranlassung bieten, von der Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn abzusehen; ein Straf­ ausschließungsgrund war aber darin nicht zu erblicken. Der Anstiftung zu einer Straftat kann sich auch der schul­ dig machen, der die Sonderstraftat wegen Mangels der vorausgesetzten persönlichen Eigenschaft als Täter, Mit­ täter oder mittelbarer Täter nicht begehen kann. (I,8.Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 313—319. Vgl. Bd. 6 S. 414; Bd. 44 S. 69; Bd. 61 S. 186; Bd. 63 S. 95. 101. Abholzungsrecht. Unterschlagung. Untreue. Besttzvermittlung. (StGB. §§ 246, 266; BGB. §§ 868, 956.) Der Eigentümer eines Wald gründ stücks übertrug einem Unternehmer das Abholzungsrecht. Dieser übertrug das Recht weiter auf eine Holzhandlung. Der Besitz an dem Grundstück wurde nicht übertragen. Zwischen dem Unter­ nehmer und der Holzhandlung wurde vereinbart, daß der Unternehmer das Holz für sie zu fällen und zu verladen habe. Er verkaufte einen Teil des Holzes für sich. Das Berufungsgericht sprach ihn von der Anklage der Unter­ schlagung frei, weil er durch die Besitzergreifung Eigen­ tümer geworden sei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Vereinbarung legte die Frage nahe, ob nicht der Angeklagte als Besitzvermittler für die Holzhandlung tätig geworden war und damit für diese Eigentum an dem Holz begründet hatte. Auch aus dem Gesichtspunkt der Untreue war die Sache zu prüfen. (III, 11. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 319—320. Vgl. RGZ. Bd. 60 S. 317; Bd. 80 S. 229; Bd. 108 S. 269; Bd. 109 S. 192. 102. Verjährung. Unterbrechung. (StGB. § 68.) Der Vorsitzende der Strafkammer, deren Urteil angefochten wurde, setzte auf die Revisionsbegründung einen Sicht­ vermerk. Das genügte zur Unterbrechung der Verjährung. Der Vermerk hatte offensichtlich die Bedeutung, festzu­ stellen, daß der Vorsitzende die richterliche Prüfung, ob die

gesellschaft hatte eine Ordnungsstrafe verwirkt, wenn nicht festgestellt wurde, daß Strafausschließungsgründe Vor­ lagen oder die Zuwiderhandlung auf einem unabwend­ baren Zufall beruhte. Weder die eine noch die andere Aus­ nahme traf zu. Der Umstand, daß er von dem Vorsitzen­ den des Aufsichtsrates wirtschaftlich vollkommen abhän­ gig war, konnte Veranlassung bieten, von der Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn abzusehen; ein Straf­ ausschließungsgrund war aber darin nicht zu erblicken. Der Anstiftung zu einer Straftat kann sich auch der schul­ dig machen, der die Sonderstraftat wegen Mangels der vorausgesetzten persönlichen Eigenschaft als Täter, Mit­ täter oder mittelbarer Täter nicht begehen kann. (I,8.Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 313—319. Vgl. Bd. 6 S. 414; Bd. 44 S. 69; Bd. 61 S. 186; Bd. 63 S. 95. 101. Abholzungsrecht. Unterschlagung. Untreue. Besttzvermittlung. (StGB. §§ 246, 266; BGB. §§ 868, 956.) Der Eigentümer eines Wald gründ stücks übertrug einem Unternehmer das Abholzungsrecht. Dieser übertrug das Recht weiter auf eine Holzhandlung. Der Besitz an dem Grundstück wurde nicht übertragen. Zwischen dem Unter­ nehmer und der Holzhandlung wurde vereinbart, daß der Unternehmer das Holz für sie zu fällen und zu verladen habe. Er verkaufte einen Teil des Holzes für sich. Das Berufungsgericht sprach ihn von der Anklage der Unter­ schlagung frei, weil er durch die Besitzergreifung Eigen­ tümer geworden sei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Vereinbarung legte die Frage nahe, ob nicht der Angeklagte als Besitzvermittler für die Holzhandlung tätig geworden war und damit für diese Eigentum an dem Holz begründet hatte. Auch aus dem Gesichtspunkt der Untreue war die Sache zu prüfen. (III, 11. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 319—320. Vgl. RGZ. Bd. 60 S. 317; Bd. 80 S. 229; Bd. 108 S. 269; Bd. 109 S. 192. 102. Verjährung. Unterbrechung. (StGB. § 68.) Der Vorsitzende der Strafkammer, deren Urteil angefochten wurde, setzte auf die Revisionsbegründung einen Sicht­ vermerk. Das genügte zur Unterbrechung der Verjährung. Der Vermerk hatte offensichtlich die Bedeutung, festzu­ stellen, daß der Vorsitzende die richterliche Prüfung, ob die

Förmlichkeiten der Revision gewahrt waren oder ob An­ laß zur Verwerfung des Rechtsmittels durch Beschluß be­ stand, vorgenommen habe. Mit dieser Prüfung war der Weg für das weitere Verfahren geöffnet. Die Verjährung wird durch jede richterliche Handlung unterbrochen, die bestimmt und geeignet ist, die Erledigung der Strafsache zu fördern. (I, 12. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 320—322. Vgl. Bd. 12 S. 434.

103.

Ausspielung.

Vorsatz.

Verjährung.

Irrtum.

(StGB. 88 59, 286; PreßG. § 22.) Ein Kaufmann bot in 10000 gedruckten Prospekten, die er versandte, Ferngläser zum Preise von 3,25 RM. zum Kauf an und sicherte jedem 50. Käufer Bücher, Uhren und andere Sachen als Prämien zu. Über die Zuteilung der Prämien sollte die Reihenfolge der einlaufenden Bestellungen entscheiden. Hierin lag eine öffentliche Ausspielung. Als solche ist ein Unternehmen anzusehen, bei dem nach einem im voraus festgesetzten Plan einer größeren Anzahl von Personen, die unter­ einander in keinerlei Beziehung stehen, gegen Entrich­ tung eines Einsatzes Gewinn ausgesetzt wird, über dessen Zuteilung der Zufall entscheiden soll. Der Einsatz war in dem Unterschied zwischen dem Kaufpreis der zu erwerben­ den Ferngläser und den um etwa 50 Pfg, geringeren Ge­ stehungskosten des Angeklagten zu erblicken. Die Reihen­ folge, in der die Bestellungen eingingen, hing lediglich vom Zufall ab. Um eine Erlaubnis hatte der Angeklagte nicht nachgesucht. Für die Annahme vorsätzlicher Be­ gehung genügte es, wenn der Angeklagte sich der Tatsachen bewußt war, aus denen sich der strafrecht­ liche Tatbestand der öffentlichen Ausspielung ergab, also wußte, daß die Erlangung eines Gewinnes vom Zu­ fall abhängig war und daß der Käufer dafür in Gestalt des Kaufpreises einen Einsatz leistete. Darauf, ob er das Unternehmen für eine erlaubnispflichtige Ausspielung hielt, kam es nicht an; ein Irrtum hierüber betraf die An­ wendung des Strafgesetzes und war darum unbeachtlich. In Frage kam, ob die Vorschriften des Preßgesetzes über die Verjährung anwendbar waren. Das Reichsgericht ver­ neinte das. Zwar hatte der Angeklagte schon durch die Versendung der Prospekte, in denen er den Spielplan be­ kannt gab und zur Teilnahme an der Ausspielung einlud,

Förmlichkeiten der Revision gewahrt waren oder ob An­ laß zur Verwerfung des Rechtsmittels durch Beschluß be­ stand, vorgenommen habe. Mit dieser Prüfung war der Weg für das weitere Verfahren geöffnet. Die Verjährung wird durch jede richterliche Handlung unterbrochen, die bestimmt und geeignet ist, die Erledigung der Strafsache zu fördern. (I, 12. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 320—322. Vgl. Bd. 12 S. 434.

103.

Ausspielung.

Vorsatz.

Verjährung.

Irrtum.

(StGB. 88 59, 286; PreßG. § 22.) Ein Kaufmann bot in 10000 gedruckten Prospekten, die er versandte, Ferngläser zum Preise von 3,25 RM. zum Kauf an und sicherte jedem 50. Käufer Bücher, Uhren und andere Sachen als Prämien zu. Über die Zuteilung der Prämien sollte die Reihenfolge der einlaufenden Bestellungen entscheiden. Hierin lag eine öffentliche Ausspielung. Als solche ist ein Unternehmen anzusehen, bei dem nach einem im voraus festgesetzten Plan einer größeren Anzahl von Personen, die unter­ einander in keinerlei Beziehung stehen, gegen Entrich­ tung eines Einsatzes Gewinn ausgesetzt wird, über dessen Zuteilung der Zufall entscheiden soll. Der Einsatz war in dem Unterschied zwischen dem Kaufpreis der zu erwerben­ den Ferngläser und den um etwa 50 Pfg, geringeren Ge­ stehungskosten des Angeklagten zu erblicken. Die Reihen­ folge, in der die Bestellungen eingingen, hing lediglich vom Zufall ab. Um eine Erlaubnis hatte der Angeklagte nicht nachgesucht. Für die Annahme vorsätzlicher Be­ gehung genügte es, wenn der Angeklagte sich der Tatsachen bewußt war, aus denen sich der strafrecht­ liche Tatbestand der öffentlichen Ausspielung ergab, also wußte, daß die Erlangung eines Gewinnes vom Zu­ fall abhängig war und daß der Käufer dafür in Gestalt des Kaufpreises einen Einsatz leistete. Darauf, ob er das Unternehmen für eine erlaubnispflichtige Ausspielung hielt, kam es nicht an; ein Irrtum hierüber betraf die An­ wendung des Strafgesetzes und war darum unbeachtlich. In Frage kam, ob die Vorschriften des Preßgesetzes über die Verjährung anwendbar waren. Das Reichsgericht ver­ neinte das. Zwar hatte der Angeklagte schon durch die Versendung der Prospekte, in denen er den Spielplan be­ kannt gab und zur Teilnahme an der Ausspielung einlud,

eine Tätigkeit entfaltet, die als Veranstaltung der Aus­ spielung anzusehen war und die ihn auch dann strafbar ge­ macht hätte, wenn es zu einer Verteilung der Gewinne nicht gekommen wäre. Die Begehung der Straftat um­ faßte aber auch alle weiter vom Angeklagten zur Durch­ führung des Spielunternehmens vorgenommenen Hand­ lungen, insbesondere die spielplanmäßige Ermittelung des Ausfalles der Ausspielung und die Zuteilung der Gewinne. Dieser Teil seiner Tätigkeit war keine Handlung, deren Strafbarkeit durch den Inhalt einer Druckschrift begrün­ det wurde. Die Vorschrift über die Verjährung der durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen gilt nur für solche Verbrechen und Vergehen, die ausschließlich durch Verbreitung von Druckschriften begangen werden. (II, 14. November 1929.) Amtl. Sammlg. S. 322—326. Bd. 55 S. 271.

104. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Obrigkeit­ liche Anordnung. Irrtum. (StGB. §§ 59, 110; RVerf. Art. 118,148.) Die Oberschulbehörde in Hamburg ordnete an, daß an der Feier des Versassungstages die Schüler und Schülerinnen des 7. und 8. Jahrganges der öffentli­ chen Volksschule teilzunehmen hätten. In einer Zeitung erschien ein Ausruf an die Kinder, der Anordnung nicht Folge zu leisten und an die Arbeitermütter, die Kinder am Berfassungstag nicht zur Schule zu schicken. Die Ver­ urteilung des verantwortlichen Schriftleiters wegen Auf­ forderung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt wurde bestätigt. Die Zuständigkeit der Oberschulbehörde zu der Anordnung war im Versassungsrecht der Stadt Hamburg begründet. Das Vorbringen des Angeklagten, daß durch die Teilnahme an der Feier das Recht der freien Mei­ nungsäußerung beeinträchtigt wurde und daß die Anord­ nung die Vorschrift verletzte, bei der Erteilung des Unter­ richts die Verletzung der Empfindungen Andersdenkender zu vermeiden, wurde vom Reichsgericht als unverständlich erklärt. Die Aufforderung zum Streik gegen eine Anord­ nung der Obrigkeit erfüllt den Tatbestand des Widerstands gegen die Staatsgewalt. Daß sich die Aufforderung nach ihrem Wortlaut nur an Arbeiterkinder und Arbeitermütter richtete, machte nichts aus. Wenn der Angeklagte sich über die Rechtsgiltigkeil der Anordnung geirrt hätte, wäre

eine Tätigkeit entfaltet, die als Veranstaltung der Aus­ spielung anzusehen war und die ihn auch dann strafbar ge­ macht hätte, wenn es zu einer Verteilung der Gewinne nicht gekommen wäre. Die Begehung der Straftat um­ faßte aber auch alle weiter vom Angeklagten zur Durch­ führung des Spielunternehmens vorgenommenen Hand­ lungen, insbesondere die spielplanmäßige Ermittelung des Ausfalles der Ausspielung und die Zuteilung der Gewinne. Dieser Teil seiner Tätigkeit war keine Handlung, deren Strafbarkeit durch den Inhalt einer Druckschrift begrün­ det wurde. Die Vorschrift über die Verjährung der durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen gilt nur für solche Verbrechen und Vergehen, die ausschließlich durch Verbreitung von Druckschriften begangen werden. (II, 14. November 1929.) Amtl. Sammlg. S. 322—326. Bd. 55 S. 271.

104. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Obrigkeit­ liche Anordnung. Irrtum. (StGB. §§ 59, 110; RVerf. Art. 118,148.) Die Oberschulbehörde in Hamburg ordnete an, daß an der Feier des Versassungstages die Schüler und Schülerinnen des 7. und 8. Jahrganges der öffentli­ chen Volksschule teilzunehmen hätten. In einer Zeitung erschien ein Ausruf an die Kinder, der Anordnung nicht Folge zu leisten und an die Arbeitermütter, die Kinder am Berfassungstag nicht zur Schule zu schicken. Die Ver­ urteilung des verantwortlichen Schriftleiters wegen Auf­ forderung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt wurde bestätigt. Die Zuständigkeit der Oberschulbehörde zu der Anordnung war im Versassungsrecht der Stadt Hamburg begründet. Das Vorbringen des Angeklagten, daß durch die Teilnahme an der Feier das Recht der freien Mei­ nungsäußerung beeinträchtigt wurde und daß die Anord­ nung die Vorschrift verletzte, bei der Erteilung des Unter­ richts die Verletzung der Empfindungen Andersdenkender zu vermeiden, wurde vom Reichsgericht als unverständlich erklärt. Die Aufforderung zum Streik gegen eine Anord­ nung der Obrigkeit erfüllt den Tatbestand des Widerstands gegen die Staatsgewalt. Daß sich die Aufforderung nach ihrem Wortlaut nur an Arbeiterkinder und Arbeitermütter richtete, machte nichts aus. Wenn der Angeklagte sich über die Rechtsgiltigkeil der Anordnung geirrt hätte, wäre

das strafrechtlich belanglos gewesen. (III, 18. Nov. 1929J Amtl. Sammlg. S. 326—329. Vgl. Bd. 21 S. 304, 355; Bd. 24 S. 189; Bd. 34 S. 121; Bd. 40 S. 55; Bd. 50 S. 146; Bd. 54 S. 264; Bd. 55 S. 8. 105. Untauglicher Zeuge. (StPO. §§ 244, 338.) In einem Rechtsstreit zwischen Ehegatten beschwor der Mann, die Behauptung seiner Frau, sie habe ihm 100 RM. zur Anschaffung von Möbeln gegeben, sei unwahr. Es wurde ein Verfahren wegen Meineids gegen ihn eingeleitet, das mit seiner Verurteilung eubigte. Der Schuldspruch stützte sich hauptsächlich auf die eidliche Aussage der Frau, daß sie das Geld gegeben habe. Sie hatte sich auch darauf be­ rufen, daß sie das alsbald nach der Hingabe der Mutter des Angeklagten geschrieben habe. Dieser bestritt, daß seine Mutter einen solchen Brief erhalten habe; die Schwester der Frau beschwor aber, einen solchen Brief bei der Mutter des Angeklagten gesehen zu haben. Die Ladung der Mut­ ter hatte das Schwurgericht mit der Begründung abge­ lehnt, die Beweistatsache sei unerheblich, außerdem könne im vorliegenden Fall der Wert der Aussage der Mutter schon jetzt abschließend beurteilt werden. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Ein Rechtsmittel kann nicht darauf gestützt werden, daß entgegen der Annahme des Tatrichters eine Beweisbehauptung für die Entscheidung tatsächlich erheblich sei. Hiernach hätte die Revision sich als hinfällig erwiesen, wenn das Schwurgericht wirklich davon ausgegangen wäre, die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung des Angeklagten sei für die Überzeugung des Gerichts von dessen Schuld ohne jede Bedeutung, da die Schuld auch dann bejaht werden müßte, wenn die Aussage der Schwägerin des Angeklagten unwahr gewesen wäre. Das Urteil ergab aber, daß das Gericht in der Be­ kundung der Schwägerin des Angeklagten einen wesent­ lichen Beweisgrund für die Aussage der Frau über die Hingabe des Geldes gefunden hatte. Das Gericht hatte also die Beweisbehauptung des Angeklagten nicht für unerheblich, sondern für sehr erheblich, aber durch die Aussagen der beiden Frauen als widerlegt erachtet. Der Beschluß des Gerichts war gleichwohl nicht zu billigen. Die Befugnis des Tatrichters, die Erhebung eines Zeugen­ beweises wegen Untauglichkeit des Beweismittels abzu­ lehnen, beruht auf dem allgemeinen Grundsatz, daß ihm

das strafrechtlich belanglos gewesen. (III, 18. Nov. 1929J Amtl. Sammlg. S. 326—329. Vgl. Bd. 21 S. 304, 355; Bd. 24 S. 189; Bd. 34 S. 121; Bd. 40 S. 55; Bd. 50 S. 146; Bd. 54 S. 264; Bd. 55 S. 8. 105. Untauglicher Zeuge. (StPO. §§ 244, 338.) In einem Rechtsstreit zwischen Ehegatten beschwor der Mann, die Behauptung seiner Frau, sie habe ihm 100 RM. zur Anschaffung von Möbeln gegeben, sei unwahr. Es wurde ein Verfahren wegen Meineids gegen ihn eingeleitet, das mit seiner Verurteilung eubigte. Der Schuldspruch stützte sich hauptsächlich auf die eidliche Aussage der Frau, daß sie das Geld gegeben habe. Sie hatte sich auch darauf be­ rufen, daß sie das alsbald nach der Hingabe der Mutter des Angeklagten geschrieben habe. Dieser bestritt, daß seine Mutter einen solchen Brief erhalten habe; die Schwester der Frau beschwor aber, einen solchen Brief bei der Mutter des Angeklagten gesehen zu haben. Die Ladung der Mut­ ter hatte das Schwurgericht mit der Begründung abge­ lehnt, die Beweistatsache sei unerheblich, außerdem könne im vorliegenden Fall der Wert der Aussage der Mutter schon jetzt abschließend beurteilt werden. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Ein Rechtsmittel kann nicht darauf gestützt werden, daß entgegen der Annahme des Tatrichters eine Beweisbehauptung für die Entscheidung tatsächlich erheblich sei. Hiernach hätte die Revision sich als hinfällig erwiesen, wenn das Schwurgericht wirklich davon ausgegangen wäre, die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung des Angeklagten sei für die Überzeugung des Gerichts von dessen Schuld ohne jede Bedeutung, da die Schuld auch dann bejaht werden müßte, wenn die Aussage der Schwägerin des Angeklagten unwahr gewesen wäre. Das Urteil ergab aber, daß das Gericht in der Be­ kundung der Schwägerin des Angeklagten einen wesent­ lichen Beweisgrund für die Aussage der Frau über die Hingabe des Geldes gefunden hatte. Das Gericht hatte also die Beweisbehauptung des Angeklagten nicht für unerheblich, sondern für sehr erheblich, aber durch die Aussagen der beiden Frauen als widerlegt erachtet. Der Beschluß des Gerichts war gleichwohl nicht zu billigen. Die Befugnis des Tatrichters, die Erhebung eines Zeugen­ beweises wegen Untauglichkeit des Beweismittels abzu­ lehnen, beruht auf dem allgemeinen Grundsatz, daß ihm

Beweiserhebungen, die nicht der Sachaufklärung dienen können, sondern mindestens objektiv auf eine bloße Ver­ schleppung hinauslaufen, nicht zugemutet werden dürfen. Anerkannten Rechtens aber ist, daß ein von vornherein gegebener, sei es auch schwerer Verdacht gegen die Glaub­ würdigkeit eines Zeugen, wie er häufig gegenüber nahen Verwandten des Angeklagten obwalten wird, in dieser Be­ ziehung nicht ausreicht. Die Verwandtschaft allein macht den Zeugen noch nicht zu einem untauglichen Beweismit­ tel, wenn sie auch in Verbindung mit besonderen Umstän­ den des Einzelfalles dazu führen kann; derartige Umstände müssen dann aber, um dem Revisionsgericht eine Nachprü­ fung des Ablehnungsbeschlusses in rechtlicher Beziehung zu ermöglichen, gekennzeichnet werden. An diesem Er­ fordernis fehlte es hier. Wenn das Schwurgericht, das nach der Eigenart des Falles gerade auf das Wissen der nächsten Angehörigen des Angeklagten angewiesen war, nach Bestätigung des Vorganges durch die dem Ange­ klagten verfeindete Ehefrau und deren Schwester, eine Widerlegung dieser Angaben durch die Mutter von vorneherein für schlechthin unmöglich hielt, weil ihr kein Glaube beizumessen sei, so erhellt daraus nicht mehr, als daß dieser Zeugin gegenüber einer bereits erwiesenen Tat­ sache kein Beweiswert beigelegt wird, eben weil sie die Mutter des Angeklagten sei. Das bedeutete eine Vorweg­ nahme des Beweisergebnisses, die nur zulässig wäre, wenn der q.llein angeführte Grund der Verwandtschaft dafür ausreichte. Ein Grund, weshalb in diesem Verwandten­ streit gerade der Mutter des Angeklagten von vorneherein jeder Glaube abzusprechen war, während andere Ange­ hörige, insbesondere die dem Angeklagten verfeindete Ehe­ frau und ihre Schwester, als taugliche Zeugen angesehen wurden, war vom Schwurgericht nicht ersichtlich gemacht. Lag aber ein solcher Grund nicht vor, so konnte das Zeug­ nis der Schwägerin des Angeklagten gegenüber dem seiner Mutter nur nach Anhörung beider abgewogen werden. (III, 21. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 329—333. Vgl. Bd.. 29 S. 368; Bd.46 S. 383; Bd.58 S. 378.

106. Geldstrafe. Ersaßfreihettsstrafe. Untersuchungs­ haft. (StGB. § 27.) Wegen Zollhinterziehung wurde eine Geldstrafe von 3512,40 RM., Hilfsweise eine Ge­ fängnisstrafe von 70 Tagen, ausgesprochen; von der Geld-

Beweiserhebungen, die nicht der Sachaufklärung dienen können, sondern mindestens objektiv auf eine bloße Ver­ schleppung hinauslaufen, nicht zugemutet werden dürfen. Anerkannten Rechtens aber ist, daß ein von vornherein gegebener, sei es auch schwerer Verdacht gegen die Glaub­ würdigkeit eines Zeugen, wie er häufig gegenüber nahen Verwandten des Angeklagten obwalten wird, in dieser Be­ ziehung nicht ausreicht. Die Verwandtschaft allein macht den Zeugen noch nicht zu einem untauglichen Beweismit­ tel, wenn sie auch in Verbindung mit besonderen Umstän­ den des Einzelfalles dazu führen kann; derartige Umstände müssen dann aber, um dem Revisionsgericht eine Nachprü­ fung des Ablehnungsbeschlusses in rechtlicher Beziehung zu ermöglichen, gekennzeichnet werden. An diesem Er­ fordernis fehlte es hier. Wenn das Schwurgericht, das nach der Eigenart des Falles gerade auf das Wissen der nächsten Angehörigen des Angeklagten angewiesen war, nach Bestätigung des Vorganges durch die dem Ange­ klagten verfeindete Ehefrau und deren Schwester, eine Widerlegung dieser Angaben durch die Mutter von vorneherein für schlechthin unmöglich hielt, weil ihr kein Glaube beizumessen sei, so erhellt daraus nicht mehr, als daß dieser Zeugin gegenüber einer bereits erwiesenen Tat­ sache kein Beweiswert beigelegt wird, eben weil sie die Mutter des Angeklagten sei. Das bedeutete eine Vorweg­ nahme des Beweisergebnisses, die nur zulässig wäre, wenn der q.llein angeführte Grund der Verwandtschaft dafür ausreichte. Ein Grund, weshalb in diesem Verwandten­ streit gerade der Mutter des Angeklagten von vorneherein jeder Glaube abzusprechen war, während andere Ange­ hörige, insbesondere die dem Angeklagten verfeindete Ehe­ frau und ihre Schwester, als taugliche Zeugen angesehen wurden, war vom Schwurgericht nicht ersichtlich gemacht. Lag aber ein solcher Grund nicht vor, so konnte das Zeug­ nis der Schwägerin des Angeklagten gegenüber dem seiner Mutter nur nach Anhörung beider abgewogen werden. (III, 21. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 329—333. Vgl. Bd.. 29 S. 368; Bd.46 S. 383; Bd.58 S. 378.

106. Geldstrafe. Ersaßfreihettsstrafe. Untersuchungs­ haft. (StGB. § 27.) Wegen Zollhinterziehung wurde eine Geldstrafe von 3512,40 RM., Hilfsweise eine Ge­ fängnisstrafe von 70 Tagen, ausgesprochen; von der Geld-

strafe sollte ein Teilbetrag von 1100 RM. als durch die Untersuchungshaft verbüßt angesehen werden. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Es bestand nur ein Geld­ strafenrest von 2412,40 RM. Nur für diesen Betrag konnte sich die Möglichkeit ergeben, daß wegen Unein­ bringlichkeit statt der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe zu verbüßen war; nur hiefür konnte also eine Ersatzfreiheits­ strafe ausgesprochen werden. (I, 22. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 333. 107. Untreue. Verwahrer. (StGB. § 266; BGB. 8 8 433, 455, 459, 688 930.) Zum Verkauf von Weihnachtsbäumen wurden Händler durch Zeitungsanzeigen gesucht. Die Gesellschaft, welche die Bäume verkaufen wollte, schloß mit den Personen, die sich meldeten, Verträge, wo­ durch sie sich verpflichtete, Weihnachtsbäume zu bestimm­ tem Preise zu liefern; die Händler hatten eine Anzahlung zu leisten, für den Restbetrag Akzepte zu geben. Das einge­ nommene Geld sollte Eigentum der Gesellschaft werden und an diese bis zu einem bestimmten Tage abgeliesert werden. Mehrere der Händler, die das Geld nicht abliefer­ ten, wurden wegen Untreue verurteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Nach dem Inhalt der Verträge war die Annahme, daß die Angeklagten den Berkaus der Bäume nur als Bevollmächtigte der Gesellschaft und für deren Rechnung, wenn auch in eigenem Namen, besorgen sollten, nicht völlig ausgeschlossen; näher lag aber die Annahme des Kaufes der Bäume durch die Angeklagten. Dem stand nicht entgegen, daß die Gesellschaft sich die Übertragung und Ablieferung des Erlöses aus den von den Angellagten vorgenommenen Verkäufen ausbedang. Waren aber die Angeklagten Käufer der Bäume, so han­ delten sie bei den Verkäufen nicht als Bevollmächtigte der Gesellschaft und hatten den Erlös auch nicht als deren Bevollmächtigte zu vereinnahmen. Eine Untreue durch Behalten des Erlöses kam selbst dann nicht in Betracht, wenn die Angeklagten vertragsgemäß den Willen hatten, das Eigentum für die Gesellschaft zu vereinnahmen und es für diese bis zur Ablieferung als Verwahrer zu besitzen, es aber dann für sich behielten. Allerdings hatten sie in die­ sem Fall Eigentum der Gesellschaft in ihrem Besitz, das allenfalls Gegenstand einer zu deren Nachteil begangenen Unterschlagung sein konnte. Untreue an diesen Vermögens-

strafe sollte ein Teilbetrag von 1100 RM. als durch die Untersuchungshaft verbüßt angesehen werden. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Es bestand nur ein Geld­ strafenrest von 2412,40 RM. Nur für diesen Betrag konnte sich die Möglichkeit ergeben, daß wegen Unein­ bringlichkeit statt der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe zu verbüßen war; nur hiefür konnte also eine Ersatzfreiheits­ strafe ausgesprochen werden. (I, 22. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 333. 107. Untreue. Verwahrer. (StGB. § 266; BGB. 8 8 433, 455, 459, 688 930.) Zum Verkauf von Weihnachtsbäumen wurden Händler durch Zeitungsanzeigen gesucht. Die Gesellschaft, welche die Bäume verkaufen wollte, schloß mit den Personen, die sich meldeten, Verträge, wo­ durch sie sich verpflichtete, Weihnachtsbäume zu bestimm­ tem Preise zu liefern; die Händler hatten eine Anzahlung zu leisten, für den Restbetrag Akzepte zu geben. Das einge­ nommene Geld sollte Eigentum der Gesellschaft werden und an diese bis zu einem bestimmten Tage abgeliesert werden. Mehrere der Händler, die das Geld nicht abliefer­ ten, wurden wegen Untreue verurteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Nach dem Inhalt der Verträge war die Annahme, daß die Angeklagten den Berkaus der Bäume nur als Bevollmächtigte der Gesellschaft und für deren Rechnung, wenn auch in eigenem Namen, besorgen sollten, nicht völlig ausgeschlossen; näher lag aber die Annahme des Kaufes der Bäume durch die Angeklagten. Dem stand nicht entgegen, daß die Gesellschaft sich die Übertragung und Ablieferung des Erlöses aus den von den Angellagten vorgenommenen Verkäufen ausbedang. Waren aber die Angeklagten Käufer der Bäume, so han­ delten sie bei den Verkäufen nicht als Bevollmächtigte der Gesellschaft und hatten den Erlös auch nicht als deren Bevollmächtigte zu vereinnahmen. Eine Untreue durch Behalten des Erlöses kam selbst dann nicht in Betracht, wenn die Angeklagten vertragsgemäß den Willen hatten, das Eigentum für die Gesellschaft zu vereinnahmen und es für diese bis zur Ablieferung als Verwahrer zu besitzen, es aber dann für sich behielten. Allerdings hatten sie in die­ sem Fall Eigentum der Gesellschaft in ihrem Besitz, das allenfalls Gegenstand einer zu deren Nachteil begangenen Unterschlagung sein konnte. Untreue an diesen Vermögens-

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Strafsachen Bd. 63

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stücken war aber ausgeschlossen, wenn die Angeklagten lediglich Kauspreisschuldner waren; weder aus dem Kauf­ vertrag noch aus dem Verwahrungsvertrug hatten sie die Stellung von Bevollmächtigten der Gesellschaft. (II, 25. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S 334—336. Vgl. Bd. 62 S. 31; Bd. 63 S. 251

108. Untersuchungsrichter. Erösfnungskammer. Ausschliestung vom Richteramt. (StPO. §§ 23, 202.) Nach Abschluß der Voruntersuchung nahm die Eröfsnungskammer die Vernehmung weiterer Zeugen vor. Der Vor­ sitzende der Erösfnungskammer wirkte in der Hauptver­ handlung als Beisitzer mit. Die hierauf gestützte Revision hatte keinen Erfolg. Die Eröffnungskammer hatte, wenn sie weitere Erhebungen für nötig hielt, einen doppelten Weg: Sie konnte eine Ergänzung der Voruntersuchung anordnen oder i>ie Erhebungen selbst pflegen. Der wesent­ liche Unterschied zwischen beiden Wegen liegt in der eigen­ artigen Stellung des Untersuchungsrichters gegenüber dem mit der Vornahme einzelner Erhebungen befaßten Richter; nur der Untersuchungsrichter ist vom Gesetz für ungeeignet erklärt, als Mitglied des erkennenden Gerichts tätig zu werden. (I, 21. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 337—338. Vgl. Bd. 60 S. 322.

109. Konkurs. Massebestandteil. Verstrickungsbruch. (StGB. § 137.) Der Konkursverwalter gab einem Händ­ ler den Auftrag, ein zur Konkursmasse gehöriges Motor­ rad zu veräußern. Dieser führte den Auftrag aus und verbrauchte den Erlös für sich. Die Verurteilung wegen Verstrickungsbruchs wurde bestätigt. Wenn Masjebestandteile im Auftrag des Konkursverwalters veräußert wer­ den, tritt der Erlös an deren Stelle; der Angeklagte ent­ zog ihn der Verstrickung, indem er ihn sür sich verbrauchte. (I, 22. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 338—340. Vgl. Bd. 41 S. 256; Bd. 53 ie Erhebungen selbst pflegen. Der wesent­ liche Unterschied zwischen beiden Wegen liegt in der eigen­ artigen Stellung des Untersuchungsrichters gegenüber dem mit der Vornahme einzelner Erhebungen befaßten Richter; nur der Untersuchungsrichter ist vom Gesetz für ungeeignet erklärt, als Mitglied des erkennenden Gerichts tätig zu werden. (I, 21. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 337—338. Vgl. Bd. 60 S. 322.

109. Konkurs. Massebestandteil. Verstrickungsbruch. (StGB. § 137.) Der Konkursverwalter gab einem Händ­ ler den Auftrag, ein zur Konkursmasse gehöriges Motor­ rad zu veräußern. Dieser führte den Auftrag aus und verbrauchte den Erlös für sich. Die Verurteilung wegen Verstrickungsbruchs wurde bestätigt. Wenn Masjebestandteile im Auftrag des Konkursverwalters veräußert wer­ den, tritt der Erlös an deren Stelle; der Angeklagte ent­ zog ihn der Verstrickung, indem er ihn sür sich verbrauchte. (I, 22. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 338—340. Vgl. Bd. 41 S. 256; Bd. 53 ie Erhebungen selbst pflegen. Der wesent­ liche Unterschied zwischen beiden Wegen liegt in der eigen­ artigen Stellung des Untersuchungsrichters gegenüber dem mit der Vornahme einzelner Erhebungen befaßten Richter; nur der Untersuchungsrichter ist vom Gesetz für ungeeignet erklärt, als Mitglied des erkennenden Gerichts tätig zu werden. (I, 21. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 337—338. Vgl. Bd. 60 S. 322.

109. Konkurs. Massebestandteil. Verstrickungsbruch. (StGB. § 137.) Der Konkursverwalter gab einem Händ­ ler den Auftrag, ein zur Konkursmasse gehöriges Motor­ rad zu veräußern. Dieser führte den Auftrag aus und verbrauchte den Erlös für sich. Die Verurteilung wegen Verstrickungsbruchs wurde bestätigt. Wenn Masjebestandteile im Auftrag des Konkursverwalters veräußert wer­ den, tritt der Erlös an deren Stelle; der Angeklagte ent­ zog ihn der Verstrickung, indem er ihn sür sich verbrauchte. (I, 22. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 338—340. Vgl. Bd. 41 S. 256; Bd. 53 ie Erhebungen selbst pflegen. Der wesent­ liche Unterschied zwischen beiden Wegen liegt in der eigen­ artigen Stellung des Untersuchungsrichters gegenüber dem mit der Vornahme einzelner Erhebungen befaßten Richter; nur der Untersuchungsrichter ist vom Gesetz für ungeeignet erklärt, als Mitglied des erkennenden Gerichts tätig zu werden. (I, 21. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 337—338. Vgl. Bd. 60 S. 322.

109. Konkurs. Massebestandteil. Verstrickungsbruch. (StGB. § 137.) Der Konkursverwalter gab einem Händ­ ler den Auftrag, ein zur Konkursmasse gehöriges Motor­ rad zu veräußern. Dieser führte den Auftrag aus und verbrauchte den Erlös für sich. Die Verurteilung wegen Verstrickungsbruchs wurde bestätigt. Wenn Masjebestandteile im Auftrag des Konkursverwalters veräußert wer­ den, tritt der Erlös an deren Stelle; der Angeklagte ent­ zog ihn der Verstrickung, indem er ihn sür sich verbrauchte. (I, 22. Nov. 1929.) Amtl. Sammlg. S. 338—340. Vgl. Bd. 41 S. 256; Bd. 53