Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Strafsachen: Band 60 [Reprint 2022 ed.] 9783112636527


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Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Strafsachen: Band 60 [Reprint 2022 ed.]
 9783112636527

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3 Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München, Berti«, Leipzig

Die Strafgesetzgebung -es Deutsche» Reichs. Bon Dr. Philipp Allfeld, Geheimrat, Univ.-Professor in Erlangen. Sammlung

aller Reichsgesetze strafrechtlichen und prozessualen Inhalts.

3. Auflage.

Gr. 8°.

XU, 1024 S.

straf­

Ganzl. geb. Mk. 23.—.

Was die Jaegersche Sammlung auf dem Gebiete des Zivllrechts ist die Allfeldsche für das Strafrecht.

In Schweitzers blauen Textausgaben erschien:

Strafprozeßordnung und Gerichtsverfafsungsgesetz mit Verweisungen und Sachregister. Herausgegeben von II. Staatsanwalt Dr. Kallenbach im Bayer. JustizMin.

12°.

17 Bg.

In Ganzleinen geb. Mk. 3.—.

Signalementslehre Handbuch der Personenbeschreibung für Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen.

Mit 4 Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text.

2. völlig umgearbeitete Auflage.

Bo« Dr. HS. Schuetckert

Leiter des Erkennungsdienstes beim Polizeipräsidium Berlin 1922. 8°. VI, 158 Seiten. Gebunden Mk. 3.—.

ReichsgerichtsEntscheidungen in kurzen Auszügen

Lerausgegeben vom

Deutschen Richterbund

Strafsachen — Band 60

1927

München, Berlin und Leipzig

3. Schweitzer Verlag (Arthm Sellier).

Druck von Dr. F. P. Datterer fr Cie., Freising-München

Bon dieser Sammlung erschienen folgende Bändchen:

I. Zivilsachen: Bd.

Serien:



n. Strafsachen: Bd.

Serie:

,

76-100 . . . je RM. 0.80 101-108 . . . je RM. 1 — 109—112 . . . je RM. 2 — 76-112 . 81-112 . 91-112 .

. . .

zus. RM. 28.— zus. RM. 26.zus. RM. 19.—

45-55 . . 56-57 . . 58-59 . .

. je RM. 0.80 . je RM. 1.. je RM. 2.-

.

zus. RM. 13.-

45-69 .

Jedes Bändchen entspricht einem Bande der amtlichen Sammlung.

1________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 1^2

1. Anstiftung zum Meineid. Fahrlässiger Falscheid. (StGB. §§ 48, 154.) Ein Bauer sprach zu seinem Nach­ barn wiederholt darüber, daß dieser beim Abschluß eines Kaufes, über den ein Rechtsstreit entstanden war, dabei gewesen fei; dieser glaubte schließlich wohl daran, daß der Abschluß stattgefunden habe, beschwor aber auch, daß er selbst dabei anwesend gewesen sei. Das Schwur­ gericht stellte fest, daß die wiederholte Erzählung den Zweck hatte, in dem Nachbarn die Vorstellung zu er­ wecken, er sei beim Kaufabschluß anwesend gewesen. Die Verurteilung wegen Anstiftung zum Meineid wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Der Tatbestand der Anstiftung setzt voraus, daß die strafbare Handlung, die der Täter begangen hat, sich mit jener deckt, zu der ihn der Anstifter bestimmen wollte. Anstiftung zum Mein­ eid ist somit nur gegeben, wenn der Witte des Anstifters darauf gerichtet war, den Täter zu einer wider besseres Wissen erstatteten Aussage zu veranlassen. Der Ange­ klagte wollte zwar den Zeugen dazu bringen, die Un­ wahrheit zu beschwören; dieses Ziel wottte er aber auf dem Weg erreichen, daß er ihn in den irrtümlichen Glauben versetzte, er sei bei dem Abschluß des Kaufes anwesend gewesen. Wäre ihm dieser Plan gelungen, so hätte der Zeuge zwar etwas objektiv Falsches, aber keine bewußte Unwahrheit beschworen, also auch keinen Meineid, sondern höchstens einen fahrlässigen Falscheid geleistet. Die Tat des Zeugen ging also über den Willen des Angeklagten hinaus; für diesen von ihm nicht gewottten Überschuß konnte der Angeklagte nicht verant­ wortlich gemacht werden. Eine Anstiftung zu einem Fahrlässigkeitsvergehen ist rechtlich ausgeschlossen. (II, 12. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 1—2. Vgl. Bd. 23 S. 175; Bd. 30 S. 292; Bd. 44 S. 429.

2. Reichsbahnbearnte. (StGB. § 359; RBahnPersG. § 1.) Die Deutsche Reichsbahngesellschaft übt ihre Be­ fugnis durch Beamte, Angestellte und Arbeiter aus. Diese Nebeneinanderstellung von Beamten und Ange­ stellten beweist, daß die Reichsbahnbeamten nicht Pri­ vatbeamte, sondern Beamte im Sinne des Strafgesetz­ buchs sind. (III, 19. November 1925.)

Amtl. Sammlg. S. 2—^3.

1________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 1^2

1. Anstiftung zum Meineid. Fahrlässiger Falscheid. (StGB. §§ 48, 154.) Ein Bauer sprach zu seinem Nach­ barn wiederholt darüber, daß dieser beim Abschluß eines Kaufes, über den ein Rechtsstreit entstanden war, dabei gewesen fei; dieser glaubte schließlich wohl daran, daß der Abschluß stattgefunden habe, beschwor aber auch, daß er selbst dabei anwesend gewesen sei. Das Schwur­ gericht stellte fest, daß die wiederholte Erzählung den Zweck hatte, in dem Nachbarn die Vorstellung zu er­ wecken, er sei beim Kaufabschluß anwesend gewesen. Die Verurteilung wegen Anstiftung zum Meineid wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Der Tatbestand der Anstiftung setzt voraus, daß die strafbare Handlung, die der Täter begangen hat, sich mit jener deckt, zu der ihn der Anstifter bestimmen wollte. Anstiftung zum Mein­ eid ist somit nur gegeben, wenn der Witte des Anstifters darauf gerichtet war, den Täter zu einer wider besseres Wissen erstatteten Aussage zu veranlassen. Der Ange­ klagte wollte zwar den Zeugen dazu bringen, die Un­ wahrheit zu beschwören; dieses Ziel wottte er aber auf dem Weg erreichen, daß er ihn in den irrtümlichen Glauben versetzte, er sei bei dem Abschluß des Kaufes anwesend gewesen. Wäre ihm dieser Plan gelungen, so hätte der Zeuge zwar etwas objektiv Falsches, aber keine bewußte Unwahrheit beschworen, also auch keinen Meineid, sondern höchstens einen fahrlässigen Falscheid geleistet. Die Tat des Zeugen ging also über den Willen des Angeklagten hinaus; für diesen von ihm nicht gewottten Überschuß konnte der Angeklagte nicht verant­ wortlich gemacht werden. Eine Anstiftung zu einem Fahrlässigkeitsvergehen ist rechtlich ausgeschlossen. (II, 12. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 1—2. Vgl. Bd. 23 S. 175; Bd. 30 S. 292; Bd. 44 S. 429.

2. Reichsbahnbearnte. (StGB. § 359; RBahnPersG. § 1.) Die Deutsche Reichsbahngesellschaft übt ihre Be­ fugnis durch Beamte, Angestellte und Arbeiter aus. Diese Nebeneinanderstellung von Beamten und Ange­ stellten beweist, daß die Reichsbahnbeamten nicht Pri­ vatbeamte, sondern Beamte im Sinne des Strafgesetz­ buchs sind. (III, 19. November 1925.)

Amtl. Sammlg. S. 2—^3.

3. Mißbrauch der Amtsgewalt. Polizeibeamter. Selbsthilfe. (StGB. § 339; BGB. §§ 227, 1631, 1632, 1634; PrALR. II 17 § 10.) Ein Mann, der sich von seiner Frau getrennt hatte, wollte dieser das gemeinsame Kind wegnehmen. Er wandte sich zu diesem Zweck an die Schutzpolizei. Ein Polizeibeamter begab sich zu der Frau, forderte sie auf, das Kind herauszugeben und erklärte ihr, sie mache sich strafbar, wenn sie nicht Folge leiste. Er wurde wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt verur­ teilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Nach dem am Dienstorte des Angeklagten geltenden preußischen Land­ recht gehören Beschwerden über Eingriffe in die Rechte der väterlichen Gewalt nicht zur Zuständigkeit der Poli­ zeibehörde, es sei denn, daß für das Kind oder den Vater durch das Verbleiben des Kindes an seinem derzeitigen Aufenthaltsort eine Gefahr obwaltet, die nur durch das Einschreiten der Polizeibehörde beseitigt werden kann. Eine solche Gefahr war hier nicht nachgewiesen. Diese Vorschrift ist auch durch die neue Gesetzgebung nicht außer Wirksamkeit gesetzt worden, gilt vielmehr sinn­ gemäß noch jetzt. Daß der Angeklagte sich bewußt war, die Herausgabe des Kindes durch Polizeigewalt nicht er­ zwingen zu dürfen, hatte das Landgericht festgestellt. (& hatte sich darauf berufen, daß er bei dem Vorgang nur seine Mütze, nicht den Helm getragen habe. Das machte nichts aus; wie für die Rechtmäßigkeit der Amtsaus­ übung ist es auch für den Mißbrauch der Amtsgewalt nicht entscheidend, ob die Vorschriften über den Dienst­ anzug befolgt werden. Unerheblich war auch, ob der Vater des Kindes berechtigt war, von seiner Frau die Herausgabe des Kindes zu verlangen und zu diesem Zweck zur Selbsthilfe zu schreiten. (II, 19. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 4—6. 4 Grunderwerbsteuer. Hinterziehung. Veräußerungs­ anzeige. Unrichtige Angabe des Kaufpreises. Notar. Versuch. Beihilfe. (GrundErwStG. §§ 1, 4, 24; RAbgO. §§ 355, 361; StGB. §§ 43, 49.) Zum Zwecke der Ersparung von Grunderwerbsteuer wurde in einem Kaufvertrag über ein Grundstück der Kaufpreis un­ richtig angegeben; der Notar, der den Vertrag beur­ kundete, hatte hiervon Kenntnis. Er wurde wegen Beihilfe zur Hinterziehung der Steuer verurteilt; seine

3. Mißbrauch der Amtsgewalt. Polizeibeamter. Selbsthilfe. (StGB. § 339; BGB. §§ 227, 1631, 1632, 1634; PrALR. II 17 § 10.) Ein Mann, der sich von seiner Frau getrennt hatte, wollte dieser das gemeinsame Kind wegnehmen. Er wandte sich zu diesem Zweck an die Schutzpolizei. Ein Polizeibeamter begab sich zu der Frau, forderte sie auf, das Kind herauszugeben und erklärte ihr, sie mache sich strafbar, wenn sie nicht Folge leiste. Er wurde wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt verur­ teilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Nach dem am Dienstorte des Angeklagten geltenden preußischen Land­ recht gehören Beschwerden über Eingriffe in die Rechte der väterlichen Gewalt nicht zur Zuständigkeit der Poli­ zeibehörde, es sei denn, daß für das Kind oder den Vater durch das Verbleiben des Kindes an seinem derzeitigen Aufenthaltsort eine Gefahr obwaltet, die nur durch das Einschreiten der Polizeibehörde beseitigt werden kann. Eine solche Gefahr war hier nicht nachgewiesen. Diese Vorschrift ist auch durch die neue Gesetzgebung nicht außer Wirksamkeit gesetzt worden, gilt vielmehr sinn­ gemäß noch jetzt. Daß der Angeklagte sich bewußt war, die Herausgabe des Kindes durch Polizeigewalt nicht er­ zwingen zu dürfen, hatte das Landgericht festgestellt. (& hatte sich darauf berufen, daß er bei dem Vorgang nur seine Mütze, nicht den Helm getragen habe. Das machte nichts aus; wie für die Rechtmäßigkeit der Amtsaus­ übung ist es auch für den Mißbrauch der Amtsgewalt nicht entscheidend, ob die Vorschriften über den Dienst­ anzug befolgt werden. Unerheblich war auch, ob der Vater des Kindes berechtigt war, von seiner Frau die Herausgabe des Kindes zu verlangen und zu diesem Zweck zur Selbsthilfe zu schreiten. (II, 19. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 4—6. 4 Grunderwerbsteuer. Hinterziehung. Veräußerungs­ anzeige. Unrichtige Angabe des Kaufpreises. Notar. Versuch. Beihilfe. (GrundErwStG. §§ 1, 4, 24; RAbgO. §§ 355, 361; StGB. §§ 43, 49.) Zum Zwecke der Ersparung von Grunderwerbsteuer wurde in einem Kaufvertrag über ein Grundstück der Kaufpreis un­ richtig angegeben; der Notar, der den Vertrag beur­ kundete, hatte hiervon Kenntnis. Er wurde wegen Beihilfe zur Hinterziehung der Steuer verurteilt; seine

Revision wurde verworfen. Die Beihilfehandlung war darin zu finden, daß der Angeklagte entsprechend dem Willen der Parteien, der auf eine Hinterziehung der Steuer ging, der Steuerbehörde eine Veräußerungs­ anzeige vorlegte, in welcher als Kaufpreis die im notariellen Vertrag benannte Summe angegeben war. Diese Anzeige bildete die Grundlage für die von der Steuerbehörde auszustellende Bescheinigung; der an­ gegebene Kaufpreis war auch ein Anhalt für die Wertermittlung. Es war allerdings damit zu rechnen, daß von den Parteien noch eine besondere Steuererklä­ rung eingefordert werde; der Erfolg der Steuerver­ kürzung sollte aber nach dem Willen der Parteien schon durch die Anzeige, unabhängig von einer späteren Steuererklärung, erreicht werden. Ein verwirklichter Versuch wird dadurch nicht aus der Welt geschafft, daß noch weitere Handlungen in Aussicht stehen oder beabsichtigt sind; für ihn kommt es nur darauf an, daß der Täter Handlungen vornimmt, die er für geeignet hält, den gewollten Erfolg herbeizuführen; ob diese Handlungen wirklich dazu tauglich sind und ob ein Eintritt des Erfolgs möglich ist, ist für die Strafbar­ feit des Versuchs nach feststehender Rechtsprechung des Reichsgerichts ohne Einfluß. Auch die Begrifssmerkmale der Beihilfe waren einwandfrei nachgewiesen. Zur Annahme einer wissentlichen Hilfeleistung gehört nicht bloß die Kenntnis des Gehilfen, der Haupttäter wolle die strafbare Handlung begehen; vielmehr muß auch sein Wille dahin gerichtet sein, die Vollbringung der vom Täter beabsichtigten Straftat zu fördern, also für den Fall, daß der Täter das Verbrechen oder Vergehen verübt, seinerseits einen Beitrag zur Tat zu leisten und in diesem Sinne die 'Ausführung der Haupttat zu erleichtern oder zu unterstützen. Diesen Anforderungen genügten die Feststellungen. Der An­ geklagte hatte die auf Steuerhinterziehung gerichtete Absicht der Vertragsparteien durchschaut und in Kennt­ nis dieses strafbaren Vorgehens ihnen durch seine Mitwirkung wissentlich Hilfe geleistet; er selbst hatte beabsichtigt, der Steuerbehörde zunächst einen zu niedri­ gen Kaufpreis anzugeben und sie über den Maßstab der Steuer zu täuschen. Damit war sein Bewußtsein, die

Vollendung der fremden Tat durch seine Berufstätig­ keit zu unterstützen, mithin sein auf diesen Erfolg gerichteter Wille erwiesen. (III, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 32 S. 353; Bd. 37 S. 321; Bd. 56 S. 168,394; Bd. 58 S. 54.

5. Preistreiberei.

Leistungswucher. Verzugszinsen.

(PreisTrVO. 1923 §4; StGB. § 302a; BGB. 88.241, 284, 288). Das Verlangen übermäßiger Verzugszinsen erfüllt den Begriff des Leistungswuchers nicht. Wegen Leistungswuchers wird bestraft, wer vorsätzlich für eine Leistung zur Befriedigung des täglichen Bedarfs eine Vergütung fordert, die unter Berücksichtigung der ge­ samten Verhältnisse einen übermäßigen Verdienst ent­ hält. Leistung ist alles, was Gegenstand eines Schuld­ verhältnisses sein kann, auch die Gewährung von Kredit; vorausgesetzt ist aber ein willkürliches Handeln des Leistenden im freien Verkehr. Im gegebenen Fall hatte sich die Schuldnerin einen wirtschaftlichen Vorteil eigen­ mächtig dadurch verschafft, daß sie die vereinbarte Zahlungsfrist nicht innehielt; dieser Vorteil beruhte nicht auf einer Leistung des Angeklagten, der mit der Verzögerung der Zahlung keineswegs einverstanden war. Seine Leistung war mit der Lieferung der Ware erfüllt. Die von ihm geforderten Verzugszinsen waren demgemäß kein vertragliches Entgelt für eine von ihm bewirkte Leistung. (II, 30. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 9—10. Vgl. Bd. 52 S. 314; Bd. 58 S. 321; Bd. 59 S. 233.

6. Amisunterschlagung. Postpaketverk.hr. Überwei­ sungskarte. Annahmebuch. Register. Unrichtige Buchung. (StGB. 88 350, 351.) Bei einer Postagentur ging ein Paket ein, das an eine andere Postanstalt hätte gesandt werden sollen. Der Leiter der Agentur füllte eine entsprechende Überweisungskarte aus und trug das auch in sein Annahmebuch ein, sandte aber das Paket nicht weiter, sondern behielt es für sich. Er wurde wegen schwerer Amtsunterfchlagung verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Sowohl die Überweisungskarte als auch das Annahmebuich waren als Register, Verzeich­ nisse und Bücher anzusehen, deren Führung durch den Postagenten zur Kontrolle der Einnahmen und

Vollendung der fremden Tat durch seine Berufstätig­ keit zu unterstützen, mithin sein auf diesen Erfolg gerichteter Wille erwiesen. (III, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 32 S. 353; Bd. 37 S. 321; Bd. 56 S. 168,394; Bd. 58 S. 54.

5. Preistreiberei.

Leistungswucher. Verzugszinsen.

(PreisTrVO. 1923 §4; StGB. § 302a; BGB. 88.241, 284, 288). Das Verlangen übermäßiger Verzugszinsen erfüllt den Begriff des Leistungswuchers nicht. Wegen Leistungswuchers wird bestraft, wer vorsätzlich für eine Leistung zur Befriedigung des täglichen Bedarfs eine Vergütung fordert, die unter Berücksichtigung der ge­ samten Verhältnisse einen übermäßigen Verdienst ent­ hält. Leistung ist alles, was Gegenstand eines Schuld­ verhältnisses sein kann, auch die Gewährung von Kredit; vorausgesetzt ist aber ein willkürliches Handeln des Leistenden im freien Verkehr. Im gegebenen Fall hatte sich die Schuldnerin einen wirtschaftlichen Vorteil eigen­ mächtig dadurch verschafft, daß sie die vereinbarte Zahlungsfrist nicht innehielt; dieser Vorteil beruhte nicht auf einer Leistung des Angeklagten, der mit der Verzögerung der Zahlung keineswegs einverstanden war. Seine Leistung war mit der Lieferung der Ware erfüllt. Die von ihm geforderten Verzugszinsen waren demgemäß kein vertragliches Entgelt für eine von ihm bewirkte Leistung. (II, 30. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 9—10. Vgl. Bd. 52 S. 314; Bd. 58 S. 321; Bd. 59 S. 233.

6. Amisunterschlagung. Postpaketverk.hr. Überwei­ sungskarte. Annahmebuch. Register. Unrichtige Buchung. (StGB. 88 350, 351.) Bei einer Postagentur ging ein Paket ein, das an eine andere Postanstalt hätte gesandt werden sollen. Der Leiter der Agentur füllte eine entsprechende Überweisungskarte aus und trug das auch in sein Annahmebuch ein, sandte aber das Paket nicht weiter, sondern behielt es für sich. Er wurde wegen schwerer Amtsunterfchlagung verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Sowohl die Überweisungskarte als auch das Annahmebuich waren als Register, Verzeich­ nisse und Bücher anzusehen, deren Führung durch den Postagenten zur Kontrolle der Einnahmen und

Vollendung der fremden Tat durch seine Berufstätig­ keit zu unterstützen, mithin sein auf diesen Erfolg gerichteter Wille erwiesen. (III, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 32 S. 353; Bd. 37 S. 321; Bd. 56 S. 168,394; Bd. 58 S. 54.

5. Preistreiberei.

Leistungswucher. Verzugszinsen.

(PreisTrVO. 1923 §4; StGB. § 302a; BGB. 88.241, 284, 288). Das Verlangen übermäßiger Verzugszinsen erfüllt den Begriff des Leistungswuchers nicht. Wegen Leistungswuchers wird bestraft, wer vorsätzlich für eine Leistung zur Befriedigung des täglichen Bedarfs eine Vergütung fordert, die unter Berücksichtigung der ge­ samten Verhältnisse einen übermäßigen Verdienst ent­ hält. Leistung ist alles, was Gegenstand eines Schuld­ verhältnisses sein kann, auch die Gewährung von Kredit; vorausgesetzt ist aber ein willkürliches Handeln des Leistenden im freien Verkehr. Im gegebenen Fall hatte sich die Schuldnerin einen wirtschaftlichen Vorteil eigen­ mächtig dadurch verschafft, daß sie die vereinbarte Zahlungsfrist nicht innehielt; dieser Vorteil beruhte nicht auf einer Leistung des Angeklagten, der mit der Verzögerung der Zahlung keineswegs einverstanden war. Seine Leistung war mit der Lieferung der Ware erfüllt. Die von ihm geforderten Verzugszinsen waren demgemäß kein vertragliches Entgelt für eine von ihm bewirkte Leistung. (II, 30. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 9—10. Vgl. Bd. 52 S. 314; Bd. 58 S. 321; Bd. 59 S. 233.

6. Amisunterschlagung. Postpaketverk.hr. Überwei­ sungskarte. Annahmebuch. Register. Unrichtige Buchung. (StGB. 88 350, 351.) Bei einer Postagentur ging ein Paket ein, das an eine andere Postanstalt hätte gesandt werden sollen. Der Leiter der Agentur füllte eine entsprechende Überweisungskarte aus und trug das auch in sein Annahmebuch ein, sandte aber das Paket nicht weiter, sondern behielt es für sich. Er wurde wegen schwerer Amtsunterfchlagung verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Sowohl die Überweisungskarte als auch das Annahmebuich waren als Register, Verzeich­ nisse und Bücher anzusehen, deren Führung durch den Postagenten zur Kontrolle der Einnahmen und

5________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 7

Ausgaben, b. h. der ein- und ausgehenden Postsen­ dungen bestimmt waren; die unrichtige Führung dieser Register oder Bücher bildet einen erschwerenden Um­ stand der Amtsunterschlagung, wenn sie in Beziehung auf die Unterschlagung geschehen ist, eine solche also verdecken soll. Im vorliegenden Fall bestand allerdings die Möglichkeit, daß der Angeklagte, als er die Eintra­ gungen machte, die Absicht der Unterschlagung des Pakets noch nicht hatte, demgemäß diese Eintragungen nicht in Beziehung auf die Unterschlagung vornahm; er beließ es aber bei diesen Eintragungen, als er das Paket, statt es weiter zu senden, unterschlug. Infolge­ dessen war die Eintragung unrichtig geworden und der Angeklagte wäre nach dem Zweck der von ihm zu führenden Nachweisungen verpflichtet gewesen, die un­ richtig gewordenen Eintragungen richtig zu stellen. Darin, daß er das unterließ, um von den unrichtig gewordenen Eintragungen zur Verdeckung seiner Unterschlagung Ge­ brauch zu machen, war ein vorsätzlich unrichtiges Führen der Nachweisungen zu erblicken. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 11—12.

7. Warenzeichen. Butze. Schadenersatz. Beweislast. (WZG. §§ 14, 18.) Der Antrag auf Zuerkennung einer Buße wegen Verletzung eines Warenzeichenrechts wurde wegen Unbestimmtheit und wegen mangelnden Beweises ab gelehnt. Die Revision des Neb enllägers hatte Erfolg. Er hatte die höchstzulässige Buße bean­ tragt; darnach konnte nicht zweifelhaft sein, worauf sein Begehren gerichtet war. Die Unmöglichkeit zu­ verlässiger Feststellung des Schadens bildete kein Hin­ dernis für Zuerkennung einer Buße. Eine solche kann allerdings nicht verlangt werden, wenn die Prüfung der Frage zu einer mit dem Zweck und Wesen des Strafverfahrens unvereinbaren Verzögerung des Ur­ teils führen würde oder wenn die Verhandlung keiner­ lei Unterlagen für das Bestehen oder die Höhe eines Schadens des Verletzten erbracht hat. Das Landgericht hatte darauf Wert gelegt, daß der Nebenkläger zur Zeit des Mißbrauchs seines Rechts mit Aufträgen über­ häuft war und nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Absatz zu steigern; dadurch war aber eine Schädigung nicht ausgeschlossen, konnte vielmehr sowohl durch bie

5________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 7

Ausgaben, b. h. der ein- und ausgehenden Postsen­ dungen bestimmt waren; die unrichtige Führung dieser Register oder Bücher bildet einen erschwerenden Um­ stand der Amtsunterschlagung, wenn sie in Beziehung auf die Unterschlagung geschehen ist, eine solche also verdecken soll. Im vorliegenden Fall bestand allerdings die Möglichkeit, daß der Angeklagte, als er die Eintra­ gungen machte, die Absicht der Unterschlagung des Pakets noch nicht hatte, demgemäß diese Eintragungen nicht in Beziehung auf die Unterschlagung vornahm; er beließ es aber bei diesen Eintragungen, als er das Paket, statt es weiter zu senden, unterschlug. Infolge­ dessen war die Eintragung unrichtig geworden und der Angeklagte wäre nach dem Zweck der von ihm zu führenden Nachweisungen verpflichtet gewesen, die un­ richtig gewordenen Eintragungen richtig zu stellen. Darin, daß er das unterließ, um von den unrichtig gewordenen Eintragungen zur Verdeckung seiner Unterschlagung Ge­ brauch zu machen, war ein vorsätzlich unrichtiges Führen der Nachweisungen zu erblicken. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 11—12.

7. Warenzeichen. Butze. Schadenersatz. Beweislast. (WZG. §§ 14, 18.) Der Antrag auf Zuerkennung einer Buße wegen Verletzung eines Warenzeichenrechts wurde wegen Unbestimmtheit und wegen mangelnden Beweises ab gelehnt. Die Revision des Neb enllägers hatte Erfolg. Er hatte die höchstzulässige Buße bean­ tragt; darnach konnte nicht zweifelhaft sein, worauf sein Begehren gerichtet war. Die Unmöglichkeit zu­ verlässiger Feststellung des Schadens bildete kein Hin­ dernis für Zuerkennung einer Buße. Eine solche kann allerdings nicht verlangt werden, wenn die Prüfung der Frage zu einer mit dem Zweck und Wesen des Strafverfahrens unvereinbaren Verzögerung des Ur­ teils führen würde oder wenn die Verhandlung keiner­ lei Unterlagen für das Bestehen oder die Höhe eines Schadens des Verletzten erbracht hat. Das Landgericht hatte darauf Wert gelegt, daß der Nebenkläger zur Zeit des Mißbrauchs seines Rechts mit Aufträgen über­ häuft war und nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Absatz zu steigern; dadurch war aber eine Schädigung nicht ausgeschlossen, konnte vielmehr sowohl durch bie

Schmälerung des guten Rufes der Erzeugnisse des Nebenklägers wie auch durch das Abgleiten der Nach­ frage nach anderer Richtung entstehen. Die Auffassung, daß eine Buße nur dann festgesetzt werden rann, wenn der volle Umfang des Schadens sich richtig ab­ messen läßt, ist irrig; die Wahrscheinlichkeit, bei der Bemessung des Schadens aus Mangel an Unterlagen hinter dessen wahrer Höhe zurückzubleiben, beseitigte nicht die Verpflichtung des Gerichts, dem Nebenkläger wenigstens den Schaden als Buße zuzusprechen, für dessen Berechnung die Hauptverhandlung eine brauch­ bare Grundlage ergeben hatte. Die Entscheidung über das Bestehen und die Höhe eines solchen Schadens ist dem freien Ermessen des Strafrichters anheimgestellt, das durch keine den Zivilrichter bindenden bürgerlich­ rechtlichen Normen über die Feststellung eines Ent­ schädigungsanspruchs eingeschränkt ist. Die Einrichtung der Buße bezweckt einerseits die Vermeidung der Füh­ rung nutzloser Zivilrechtsstreite, anderseits will sie der Gefahr vorbeugen, daß dem Verletzten wegen der Schwie­ rigkeit der ihm dort obliegenden Beweisführung über­ haupt kein Ersatz geboten wird. Es erschien dem Gesetz­ geber billiger, unter der Mißlichkeit des Schadens­ nachweises lieber den Schädiger als den Verletzten leiden zu lassen. Die Zuerkennung einer Buße steht auch nicht im Belieben des Gerichts; dieses ist dazu verpflichtet, wenn die Voraussetzungen gegeben sind und muß die hiefür erforderlichen Aufklärungen vorneh­ men. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 12—16. Vgl. Bd, 4 S. 264; Bd. 5 S. 251; Bd. 6 S. 161, 398; Bd. 17 S. 190; Bd. 30 S. 267; Bd. 37 S. 400; Bd. 42 S. 166; Bd. 44 S. 294; Bd. 45 S. 128.

8. Urteilsformel. Teilzahlung. Rechtsmittel. Kosten. (StGB. § 28; StPO. §§ 301, 473.) Die Bewilligung einer Frist zur Zahlung einer Geldstrafe oder die Ge­ stattung von Teilzahlungen gehört zum Inhalt der Strafe, muß also in der Urteilsformel selbst ausge­ sprochen werden, wenn das Gericht dazu in der Lage ist. Das Reichsgericht lehnte die Ergänzung des Ur­ teils ab mit der Begründung, daß es Sache des Tat­ richters sei, auch die Länge der Frist und die Höhe der Teilbeträge sestzusetzen- Der Staatsanwalt hatte

Schmälerung des guten Rufes der Erzeugnisse des Nebenklägers wie auch durch das Abgleiten der Nach­ frage nach anderer Richtung entstehen. Die Auffassung, daß eine Buße nur dann festgesetzt werden rann, wenn der volle Umfang des Schadens sich richtig ab­ messen läßt, ist irrig; die Wahrscheinlichkeit, bei der Bemessung des Schadens aus Mangel an Unterlagen hinter dessen wahrer Höhe zurückzubleiben, beseitigte nicht die Verpflichtung des Gerichts, dem Nebenkläger wenigstens den Schaden als Buße zuzusprechen, für dessen Berechnung die Hauptverhandlung eine brauch­ bare Grundlage ergeben hatte. Die Entscheidung über das Bestehen und die Höhe eines solchen Schadens ist dem freien Ermessen des Strafrichters anheimgestellt, das durch keine den Zivilrichter bindenden bürgerlich­ rechtlichen Normen über die Feststellung eines Ent­ schädigungsanspruchs eingeschränkt ist. Die Einrichtung der Buße bezweckt einerseits die Vermeidung der Füh­ rung nutzloser Zivilrechtsstreite, anderseits will sie der Gefahr vorbeugen, daß dem Verletzten wegen der Schwie­ rigkeit der ihm dort obliegenden Beweisführung über­ haupt kein Ersatz geboten wird. Es erschien dem Gesetz­ geber billiger, unter der Mißlichkeit des Schadens­ nachweises lieber den Schädiger als den Verletzten leiden zu lassen. Die Zuerkennung einer Buße steht auch nicht im Belieben des Gerichts; dieses ist dazu verpflichtet, wenn die Voraussetzungen gegeben sind und muß die hiefür erforderlichen Aufklärungen vorneh­ men. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 12—16. Vgl. Bd, 4 S. 264; Bd. 5 S. 251; Bd. 6 S. 161, 398; Bd. 17 S. 190; Bd. 30 S. 267; Bd. 37 S. 400; Bd. 42 S. 166; Bd. 44 S. 294; Bd. 45 S. 128.

8. Urteilsformel. Teilzahlung. Rechtsmittel. Kosten. (StGB. § 28; StPO. §§ 301, 473.) Die Bewilligung einer Frist zur Zahlung einer Geldstrafe oder die Ge­ stattung von Teilzahlungen gehört zum Inhalt der Strafe, muß also in der Urteilsformel selbst ausge­ sprochen werden, wenn das Gericht dazu in der Lage ist. Das Reichsgericht lehnte die Ergänzung des Ur­ teils ab mit der Begründung, daß es Sache des Tat­ richters sei, auch die Länge der Frist und die Höhe der Teilbeträge sestzusetzen- Der Staatsanwalt hatte

zuungunsten des Angeklagten Revision eingelegt; das Reichsgericht änderte das Urteil zugunsten des Ange­ klagten ab. Die Kosten wurden der Staatskasse aufer­ legt. Das Rechtsmittel hatte den beabsichtigten Erfolg nicht erreicht; insoferne war es erfolglos eingelegt. Daß es zugunsten des Angeklagten wirkte, konnte nicht dazu führen, diesem auch nur einen Teil der Kosten aufzuerlegen. (I, 4. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 16—17. 9. Urkundenfälschung. Gesantturkunde. Arbeitsver­ gebung. (StGB. 88 267, 348, 349.) Ein auf Kosten des Reiches auszuführender Bau wurde zur Bewerbung um die Arbeiten ausgeschrieben. Die Bewerber hatten ihre Angebote verschlossen einzureichen; in der Ver­ dingungsverhandlung, die bei der ausschreibenden Be­ hörde zu führen war, wurden die Angebote den Um­ schlägen entnommen, allgemein bekannt gegeben und dem über die Verhandlungen aufgenommenen Pro­ tokoll beigelegt. Der Zuschlag wurde durch das Reichs­ vermögensamt auf Grund eines Berichtes der ausschrei­ benden Behörde erteilt, dem das Protokoll beigefügt wurde. Ein Beamter dieser Behörde bot einem Be­ werber an, ihm den Zuschlag zu verschaffen, wenn er mit seinen Forderungen heruntergehe. Dieser reichte ein veues Angebot ein, das in den Einzelposten niedri­ gere Ansätze enthielt; die (hiernach unrichtige) Endsumme des früheren Angebots und dessen Zeitangabe waren beibehalten. Der Beamte wurde wegen amtlicher Ur­ kundenfälschung verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg; das Reichsgericht erklärte aber die Annahme, daß es sich um eine Gesamturkunde gehandelt habe, für unrichtig. Eine Mehrzahl von Schriftstücken, die zu einem Ganzen vereinigt worden sind, kann unter Umständen zusammengefaßt und als eine einheitliche, in sich geschlossene Urkunde betrachtet werden, die sich von den in den verschiedenen Schriftstücken verkörper­ ten Einzelurkunden als eine für sich bestehende Gedan­ kenäußerung abhebt. Es macht hierbei keinen Unter­ schied, ob der in Betracht kommende Rechtsverkehr privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Art ist. Soll kber einer Mehrheit von Schriftstücken die Eigenschaft einer Gesamturkunde zugefprochen werden, so kommt eS

zuungunsten des Angeklagten Revision eingelegt; das Reichsgericht änderte das Urteil zugunsten des Ange­ klagten ab. Die Kosten wurden der Staatskasse aufer­ legt. Das Rechtsmittel hatte den beabsichtigten Erfolg nicht erreicht; insoferne war es erfolglos eingelegt. Daß es zugunsten des Angeklagten wirkte, konnte nicht dazu führen, diesem auch nur einen Teil der Kosten aufzuerlegen. (I, 4. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 16—17. 9. Urkundenfälschung. Gesantturkunde. Arbeitsver­ gebung. (StGB. 88 267, 348, 349.) Ein auf Kosten des Reiches auszuführender Bau wurde zur Bewerbung um die Arbeiten ausgeschrieben. Die Bewerber hatten ihre Angebote verschlossen einzureichen; in der Ver­ dingungsverhandlung, die bei der ausschreibenden Be­ hörde zu führen war, wurden die Angebote den Um­ schlägen entnommen, allgemein bekannt gegeben und dem über die Verhandlungen aufgenommenen Pro­ tokoll beigelegt. Der Zuschlag wurde durch das Reichs­ vermögensamt auf Grund eines Berichtes der ausschrei­ benden Behörde erteilt, dem das Protokoll beigefügt wurde. Ein Beamter dieser Behörde bot einem Be­ werber an, ihm den Zuschlag zu verschaffen, wenn er mit seinen Forderungen heruntergehe. Dieser reichte ein veues Angebot ein, das in den Einzelposten niedri­ gere Ansätze enthielt; die (hiernach unrichtige) Endsumme des früheren Angebots und dessen Zeitangabe waren beibehalten. Der Beamte wurde wegen amtlicher Ur­ kundenfälschung verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg; das Reichsgericht erklärte aber die Annahme, daß es sich um eine Gesamturkunde gehandelt habe, für unrichtig. Eine Mehrzahl von Schriftstücken, die zu einem Ganzen vereinigt worden sind, kann unter Umständen zusammengefaßt und als eine einheitliche, in sich geschlossene Urkunde betrachtet werden, die sich von den in den verschiedenen Schriftstücken verkörper­ ten Einzelurkunden als eine für sich bestehende Gedan­ kenäußerung abhebt. Es macht hierbei keinen Unter­ schied, ob der in Betracht kommende Rechtsverkehr privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Art ist. Soll kber einer Mehrheit von Schriftstücken die Eigenschaft einer Gesamturkunde zugefprochen werden, so kommt eS

in erster Reihe darauf an, ob diese Schriftstücke nach ihrer Bereinigung rein äußerlich sich als ein Ganzes darstellen, etwa nach der Art eines Buches oder in ähnlicher Form; andernfalls besteht keine Gewähr da­ für, daß die im Begriff der Gesamturkunde liegende besondere, von jener der einzelnen Schriftstücke ver­ schiedene Gedankenäußerung erkennbar zutage tritt. Das lose Einlegen mehrerer Schriftstücke in einen Bogen Papier, auf dem ein amtliches Protokoll niedergeschrie­ ben ist, bringt diese Stücke weder unter sich, noch mit dem Protokoll in eine derartige äußere Verbindung, daß das Protokoll mit den Einlagen als die begriffliche erforderliche Verkörperung einer besonderen Gedanken­ äußerung bewertet werden könnte, selbst wenn das Protokoll nur im Zusammenhalt mit den Einlagen verständlich ist und auf sie hinweist. Zudem kommt eine Gesamturkunde in Buch- oder anderer Form nur dann in Frage, wenn ihre Einrichtung, Herstellung und Füh­ rung auf Gesetz, Geschäftsgebrauch oder Vereinbarung der Beteiligten beruht und wenn durch die Verbindung der einzelnen Schriftstücke zu einer Gesamtheit von den Beteiligten gerade bezweckt wird, gewisse, zwischen ihnen bestehende Geschäftsbeziehungen, die sich aus einer Reihe von Einzelgeschäften zusammensetzen, erschöpfend anzu­ geben und so ein einheitliches Bild der wechselseitigen Rechtsbeziehungen in bestimmter Richtung zu schaffen. Voraussetzung der Gesamturkunde ist ferner, daß sie nach ihrer Zweckbestimmung nicht nur über die einzelnen darin beurkundeten Geschäfte oder Vorgänge, sondern über einen großen Kreis von Geschäftsbeziehungen oder Rechtsverhältnissen vollständig und erschöpfend Aus­ kunft geben soll. Die bloß einseitige Anordnung eines der Beteiligten ist nicht geeignet, der Vereinigung meh­ rerer Schriftstücke miteinander die Eigenschaft einer Gesamturkunde beizulegen. Überdies ist erforderlich, daß jedem Beteiligten dadurch ein Anspruch auf Benutzung der neuen Gesamturkunde zu Beweiszwecken erwächst. Die bloße Tatsache des Zusammenlegens der einzelnen Angebote im Verdingungsprotokoll war insoweit be­ deutungslos, selbst wenn bei der ausschreibenden Be­ hörde ein derartiger Brauch bestand; daß eine dahin­ gehende amtliche Anordnung der maßgebenden Dienst-

stellen ergangen sei, war nicht festgestellt. Deshalb ent­ fiel hier der Gesichtspunkt, der unter Umständen die Bewertung dienstlicher Register und Verzeichnisse (Ko­ stenregister, Prozeßregister u. dgl.) als Gesamturkunde zuläßt. Es hatte auch keine Vereinbarung der Beteilig­ ten stattgefunden, daß ein jeder von ihnen einen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme in die Angebote (ein­ schließlich der Unterlagen) der übrigen Mitbewerber haben sollte. Darnach war die Annahme, daß eine Gesamturkunde gegeben sei, nicht haltbar. Es stand auch nur eine einzige Bauvergebung in Frage, über fortlaufende Beziehungen zwischen der Baubehörde und den einzelnen Bewerbern sollte und konnte die Ver­ einigung der nur für diesen Fall geltenden Angebote keine Auskunft geben, ebensowenig über irgendwelche Beziehungen der Mitbewerber zueinander; das Ange­ bot jedes der Bewerber.stand dem jedes der andern selbständig gegenüber. Es fehlte darum an dem Nach­ weis, daß die Vereinigung der Angebote miteinander und mit dem Berdingungsprotokoll dem Zweck dienen konnte und sollte, eine erschöpfende Angabe der geschäft­ lichen Beziehungen, sei es der Baubehörde zu den Bewerbern, sei es jedes einzelnen Bewerbers zu jedem der übrigen, zu geben und so ein einheitliches Bild der wechselseitigen Rechtsbeziehungen dieser Personengrup­ pen zu schaffen. Ebenso machte es nichts aus, daß die Endsummen der einzelnen Angebote in dem Verdin­ gungsprotokoll aufgeführt wurden. Allerdings ließ sich dadurch alsbald seststellen, welcher Bewerber der Min­ destfordernde war, aber diese Feststellung war das Er­ gebnis einer Vergleichung der Endsummen miteinander, einer durch Denken erzielten Schlußfolgerung, nicht eine selbständige, besondere Gedankenäußerung neben den in den einzelnen Angeboten verkörperten. Dabei blieb zu berücksichtigen, daß die Mindestforderung als solche keinen Anspruch auf Erteilung des Zuschlags begrün­ dete, daß vielmehr für diesen auch andere Gesichts­ punkte in Betracht kamen; deshalb erschien es auch ausgeschlossen, daß die Vereinigung der Angebote mit dem Verdingungsprotokoll von vorneherein den Zweck verfolgt habe, die Mindestforderung nachzuweisen und zu beurkunden. Die Verurteilung wurde aber schon

dadurch gerechtfertigt, daß das Protokoll mit seinen Anlagen zufolge der wechselseitigen Beziehungen zwi­ schen Protokoll und Anlagen eine einzige, allerdings zusammengesetzte, beweis erhebliche Privaturkunde bildete, indem es bewies, daß gewisse Angebote eingegangen waren und in der Verhandlung nach Entnahme aus den zugehörigen Umschlägen bekannt gegeben wurden. (III, 7. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 17—22. Vgl. Bd. 23 S. 236; Bd. 38 S. 46; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 51 S. 36. 10. Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts. Urteils­ gründe. (StPO. 88 265, 266.) Im Eröffnungsbeschluß war die Handlung des Angeklagten als Totschlag be­ trachtet; er wurde auch in diesem Sinne verurteilt. In der Verhandlung war daraus hingewiesen worden, daß auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen fahrlässiger Tötung in Betracht kommen könne. Die Urteilsgründe gingen hierauf nicht ein. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Er­ folg. Der Grundsatz, daß das Gericht im Falle einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes gleichwohl die erhobene Klage, wie sie im Eröffnungsbeschluß gefaßt ist, vollständig erschöpfen, dljo in den Entscheidungs­ gründen sich über das Vorhandensein oder Nichtvor­ handensein der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat­ bestandsmerkmale ausdrücklich aussprechen muß, dars nicht dahin erweitert werden, daß das Gericht, das bei seiner Entscheidung zu einer mit dem Eröffnungs­ beschluß übereinstimmenden rechtlichen Beurteilung ge­ langt ist, wegen eines in der Hauptverhandlung erfolg­ ten Hinweises auf die Möglichkeit einer anderen recht­ lichen Beurteilung genötigt wäre, sich auch hierüber ausdrücklich auszusprechen. (I, 8. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 22—23. 11. Abtreibung. Untauglicher Versuch. Beihilfe. Vor­ satz. Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens. (StGB. 88 43, 49, 49 a, 218.) Eine Frau ersuchte einen Arzt, ihr die Leibesfrucht abzutreiben. Er kam dem Ersuchen zum Scheine nach und machte eine Einspritzung, die für den Zweck völlig untauglich war. Die Unter­ gerichte sprachen ihn von der Anklage eines Verbrechens der Beihilfe zum Versuch der Kindsabtreibung frei.

dadurch gerechtfertigt, daß das Protokoll mit seinen Anlagen zufolge der wechselseitigen Beziehungen zwi­ schen Protokoll und Anlagen eine einzige, allerdings zusammengesetzte, beweis erhebliche Privaturkunde bildete, indem es bewies, daß gewisse Angebote eingegangen waren und in der Verhandlung nach Entnahme aus den zugehörigen Umschlägen bekannt gegeben wurden. (III, 7. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 17—22. Vgl. Bd. 23 S. 236; Bd. 38 S. 46; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 51 S. 36. 10. Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts. Urteils­ gründe. (StPO. 88 265, 266.) Im Eröffnungsbeschluß war die Handlung des Angeklagten als Totschlag be­ trachtet; er wurde auch in diesem Sinne verurteilt. In der Verhandlung war daraus hingewiesen worden, daß auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen fahrlässiger Tötung in Betracht kommen könne. Die Urteilsgründe gingen hierauf nicht ein. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Er­ folg. Der Grundsatz, daß das Gericht im Falle einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes gleichwohl die erhobene Klage, wie sie im Eröffnungsbeschluß gefaßt ist, vollständig erschöpfen, dljo in den Entscheidungs­ gründen sich über das Vorhandensein oder Nichtvor­ handensein der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat­ bestandsmerkmale ausdrücklich aussprechen muß, dars nicht dahin erweitert werden, daß das Gericht, das bei seiner Entscheidung zu einer mit dem Eröffnungs­ beschluß übereinstimmenden rechtlichen Beurteilung ge­ langt ist, wegen eines in der Hauptverhandlung erfolg­ ten Hinweises auf die Möglichkeit einer anderen recht­ lichen Beurteilung genötigt wäre, sich auch hierüber ausdrücklich auszusprechen. (I, 8. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 22—23. 11. Abtreibung. Untauglicher Versuch. Beihilfe. Vor­ satz. Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens. (StGB. 88 43, 49, 49 a, 218.) Eine Frau ersuchte einen Arzt, ihr die Leibesfrucht abzutreiben. Er kam dem Ersuchen zum Scheine nach und machte eine Einspritzung, die für den Zweck völlig untauglich war. Die Unter­ gerichte sprachen ihn von der Anklage eines Verbrechens der Beihilfe zum Versuch der Kindsabtreibung frei.

dadurch gerechtfertigt, daß das Protokoll mit seinen Anlagen zufolge der wechselseitigen Beziehungen zwi­ schen Protokoll und Anlagen eine einzige, allerdings zusammengesetzte, beweis erhebliche Privaturkunde bildete, indem es bewies, daß gewisse Angebote eingegangen waren und in der Verhandlung nach Entnahme aus den zugehörigen Umschlägen bekannt gegeben wurden. (III, 7. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 17—22. Vgl. Bd. 23 S. 236; Bd. 38 S. 46; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 51 S. 36. 10. Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts. Urteils­ gründe. (StPO. 88 265, 266.) Im Eröffnungsbeschluß war die Handlung des Angeklagten als Totschlag be­ trachtet; er wurde auch in diesem Sinne verurteilt. In der Verhandlung war daraus hingewiesen worden, daß auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen fahrlässiger Tötung in Betracht kommen könne. Die Urteilsgründe gingen hierauf nicht ein. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Er­ folg. Der Grundsatz, daß das Gericht im Falle einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes gleichwohl die erhobene Klage, wie sie im Eröffnungsbeschluß gefaßt ist, vollständig erschöpfen, dljo in den Entscheidungs­ gründen sich über das Vorhandensein oder Nichtvor­ handensein der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat­ bestandsmerkmale ausdrücklich aussprechen muß, dars nicht dahin erweitert werden, daß das Gericht, das bei seiner Entscheidung zu einer mit dem Eröffnungs­ beschluß übereinstimmenden rechtlichen Beurteilung ge­ langt ist, wegen eines in der Hauptverhandlung erfolg­ ten Hinweises auf die Möglichkeit einer anderen recht­ lichen Beurteilung genötigt wäre, sich auch hierüber ausdrücklich auszusprechen. (I, 8. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 22—23. 11. Abtreibung. Untauglicher Versuch. Beihilfe. Vor­ satz. Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens. (StGB. 88 43, 49, 49 a, 218.) Eine Frau ersuchte einen Arzt, ihr die Leibesfrucht abzutreiben. Er kam dem Ersuchen zum Scheine nach und machte eine Einspritzung, die für den Zweck völlig untauglich war. Die Unter­ gerichte sprachen ihn von der Anklage eines Verbrechens der Beihilfe zum Versuch der Kindsabtreibung frei.

Die

Revision des Staatsanwalts wurde verworfen. Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Be­ gehung des Verbrechens oder Vergehens wissentlich Hilfe geleistet hat. Zum Vorsatz des Gehilfen gehört also das Wissen und Wollen, daß die von ihm unter­ stützte ' Tat mit seiner Hilfe begangen wird; er muß die Hilfe mit dem Vorsatz leisten, die Vollendung der vom Täter gewollten Tat zu fördern und insoweit muß auch sein Wille auf diesen Erfolg gerichtet sein. An diesem Vorsatz fehlt es, wenn der Gehilfe weiß oder glaubt, daß sein Tun kein taugliches Mittel zur Förde­ rung der Vollendung der Tat ist, sondern höchstens dazu beitragen kann, dem Täter zu einem erfolglosen Versuch der Ausführung seines Vorhabens Hilfe zu leisten; denn dann entspricht es dem Wissen und Willen des Ge­ hilfen, nicht dazu mitzuwirken, daß das Verbrechen oder Vergehen, wie der Täter es vor hat, von diesem be­ gangen wird und zur Vollendung kommt. Der Ange­ klagte hatte sich auch nicht gegen § 49 a StGB, ver­ fehlt. Es kam nicht darauf an, ob in der Erllärung und Betätigung seiner Bereitwilligkeit zu der ihm zugemuteten Handlung eine Annahme einer Aufforde­ rung oder ein Erbieten zur Handlung zu erblicken war. Weder das Erbieten zur Handlung noch das An­ nehmen einer Aufforderung erfüllt den Tatbestand dieser Vorschrift, wenn es nicht ernstlich gemeint, son­ dern nur zum Schein geschehen ist. (II, 10. Dezember Amtl. Sammlg. S. 23—25. 1925.) Vgl. Bd. 56 S. 168; Bd. 57 S. 243.

12. Richter. Staatsanwalt. Rückwirkung der Er­ nennung. Versuch des Meineids. (StGB. 88 43,154: GVG. 8 151.) Ein Staatsanwalt in Hessen wurde im Juli 1925 zum Amtsgerichtsrat ernannt; der Ernennung wurde rück­ wirkende Kraft bis zum 12. Juni 1925 beigelegt. Am 26. Juni 1925 war er bereits als Richter tätig ge­ wesen und hatte eine Verhandlung geleitet. In dem Verfahren gegen eine Frau, die beschuldigt wurde, in dieser Verhandlung als Zeugin ihre Eidespflicht ver­ letzt zu haben, wurde festgestellt, daß der von ihr ge­ leistete Eid wirkungslos war. Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Die Tatsache, daß der Staatsanwalt am 26. Juni 1925 noch nicht

Die

Revision des Staatsanwalts wurde verworfen. Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Be­ gehung des Verbrechens oder Vergehens wissentlich Hilfe geleistet hat. Zum Vorsatz des Gehilfen gehört also das Wissen und Wollen, daß die von ihm unter­ stützte ' Tat mit seiner Hilfe begangen wird; er muß die Hilfe mit dem Vorsatz leisten, die Vollendung der vom Täter gewollten Tat zu fördern und insoweit muß auch sein Wille auf diesen Erfolg gerichtet sein. An diesem Vorsatz fehlt es, wenn der Gehilfe weiß oder glaubt, daß sein Tun kein taugliches Mittel zur Förde­ rung der Vollendung der Tat ist, sondern höchstens dazu beitragen kann, dem Täter zu einem erfolglosen Versuch der Ausführung seines Vorhabens Hilfe zu leisten; denn dann entspricht es dem Wissen und Willen des Ge­ hilfen, nicht dazu mitzuwirken, daß das Verbrechen oder Vergehen, wie der Täter es vor hat, von diesem be­ gangen wird und zur Vollendung kommt. Der Ange­ klagte hatte sich auch nicht gegen § 49 a StGB, ver­ fehlt. Es kam nicht darauf an, ob in der Erllärung und Betätigung seiner Bereitwilligkeit zu der ihm zugemuteten Handlung eine Annahme einer Aufforde­ rung oder ein Erbieten zur Handlung zu erblicken war. Weder das Erbieten zur Handlung noch das An­ nehmen einer Aufforderung erfüllt den Tatbestand dieser Vorschrift, wenn es nicht ernstlich gemeint, son­ dern nur zum Schein geschehen ist. (II, 10. Dezember Amtl. Sammlg. S. 23—25. 1925.) Vgl. Bd. 56 S. 168; Bd. 57 S. 243.

12. Richter. Staatsanwalt. Rückwirkung der Er­ nennung. Versuch des Meineids. (StGB. 88 43,154: GVG. 8 151.) Ein Staatsanwalt in Hessen wurde im Juli 1925 zum Amtsgerichtsrat ernannt; der Ernennung wurde rück­ wirkende Kraft bis zum 12. Juni 1925 beigelegt. Am 26. Juni 1925 war er bereits als Richter tätig ge­ wesen und hatte eine Verhandlung geleitet. In dem Verfahren gegen eine Frau, die beschuldigt wurde, in dieser Verhandlung als Zeugin ihre Eidespflicht ver­ letzt zu haben, wurde festgestellt, daß der von ihr ge­ leistete Eid wirkungslos war. Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Die Tatsache, daß der Staatsanwalt am 26. Juni 1925 noch nicht

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

und Körperverletzung wurde gebilligt. Es kam nicht darauf an, ob der Angeklagte in dem Augenblick, in dem der Tod und die Verletzung der Kinder emtfat, handlungsfähig war, sondern darauf, ob er zurechnungs­ fähig war, als er, obwohl ihn die Müdigkeit überkam, den Kraftwagen weiterführte und dadurch den Erfolg verursachte. Der Angeklagte wollte den Erfolg zwar nicht, konnte ihn aber als möglich vorhersehen und war deshalb verantwortlich, auch wenn er zu der Zeit, da er die Kinder überfuhr, sich in einem Zustand der Bewußtlosigkeit befand, der seine freie Willen sbestinymung ausschloß. Die Ursache der Tötung und der Kör­ perverletzung war nicht im überfahren gefunden worden, sondern im selbstverschuldeten Schlafen, darin, daß er einnickte und schlief, wo er es nicht durfte. Damit setzte er die Aufmerksamkeit außer Augen, zu welcher er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande war und vernachlässigte seine Vorsichtspflicht. (III, 17. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 29—31. Vgl. Bd. 22 S. 413. 16. Pajzvergehen. Polizei. Meldeschein. (PaßStVO. 8 1.) Die Paßstrafverordnung gilt nur für solche Ur­ kunden, die zum Ausweis einer Person für den Aufent­ halt im Reichsgebiet oder für den übertritt über die Reichsgrenze bestimmt sind. Der Zweck der Urkunde muß dahin gehen, die Identität der in ihr bezeichneten Person für den Grenzübertritt oder für den Aufenthalt im Reich darzutun. Das trifft auf polizeiliche Abmelde­ scheine nicht zu; in ihnen wird nur bescheinigt, daß die Personen, auf welche sie sich beziehen, ihren Fort­ zug von einem bestimmten Orte polizeilich angemeldet haben. Sie können wohl unter Umständen als Aus­ weise vorgelegt und hingenommen werden; ihre Be­ stimmung ist das aber nicht. Das ergibt sich schon daraus, daß sie regelmäßig keine Erkennungsmerkmale enthalten und auch nicht für jede Person gesondert aus­ gestellt werden. (II, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 31-32.

17. Landgerich tspräsident. Vertretung. Geschäfts­ verteilung. (GVG. 88 13, 66, 67; StPO. 8 338.) Der Präsident eines Landgerichts ordnete an, daß in eiligen RGE., Straffachen Bd. Y0,

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und Körperverletzung wurde gebilligt. Es kam nicht darauf an, ob der Angeklagte in dem Augenblick, in dem der Tod und die Verletzung der Kinder emtfat, handlungsfähig war, sondern darauf, ob er zurechnungs­ fähig war, als er, obwohl ihn die Müdigkeit überkam, den Kraftwagen weiterführte und dadurch den Erfolg verursachte. Der Angeklagte wollte den Erfolg zwar nicht, konnte ihn aber als möglich vorhersehen und war deshalb verantwortlich, auch wenn er zu der Zeit, da er die Kinder überfuhr, sich in einem Zustand der Bewußtlosigkeit befand, der seine freie Willen sbestinymung ausschloß. Die Ursache der Tötung und der Kör­ perverletzung war nicht im überfahren gefunden worden, sondern im selbstverschuldeten Schlafen, darin, daß er einnickte und schlief, wo er es nicht durfte. Damit setzte er die Aufmerksamkeit außer Augen, zu welcher er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande war und vernachlässigte seine Vorsichtspflicht. (III, 17. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 29—31. Vgl. Bd. 22 S. 413. 16. Pajzvergehen. Polizei. Meldeschein. (PaßStVO. 8 1.) Die Paßstrafverordnung gilt nur für solche Ur­ kunden, die zum Ausweis einer Person für den Aufent­ halt im Reichsgebiet oder für den übertritt über die Reichsgrenze bestimmt sind. Der Zweck der Urkunde muß dahin gehen, die Identität der in ihr bezeichneten Person für den Grenzübertritt oder für den Aufenthalt im Reich darzutun. Das trifft auf polizeiliche Abmelde­ scheine nicht zu; in ihnen wird nur bescheinigt, daß die Personen, auf welche sie sich beziehen, ihren Fort­ zug von einem bestimmten Orte polizeilich angemeldet haben. Sie können wohl unter Umständen als Aus­ weise vorgelegt und hingenommen werden; ihre Be­ stimmung ist das aber nicht. Das ergibt sich schon daraus, daß sie regelmäßig keine Erkennungsmerkmale enthalten und auch nicht für jede Person gesondert aus­ gestellt werden. (II, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 31-32.

17. Landgerich tspräsident. Vertretung. Geschäfts­ verteilung. (GVG. 88 13, 66, 67; StPO. 8 338.) Der Präsident eines Landgerichts ordnete an, daß in eiligen RGE., Straffachen Bd. Y0,

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und Körperverletzung wurde gebilligt. Es kam nicht darauf an, ob der Angeklagte in dem Augenblick, in dem der Tod und die Verletzung der Kinder emtfat, handlungsfähig war, sondern darauf, ob er zurechnungs­ fähig war, als er, obwohl ihn die Müdigkeit überkam, den Kraftwagen weiterführte und dadurch den Erfolg verursachte. Der Angeklagte wollte den Erfolg zwar nicht, konnte ihn aber als möglich vorhersehen und war deshalb verantwortlich, auch wenn er zu der Zeit, da er die Kinder überfuhr, sich in einem Zustand der Bewußtlosigkeit befand, der seine freie Willen sbestinymung ausschloß. Die Ursache der Tötung und der Kör­ perverletzung war nicht im überfahren gefunden worden, sondern im selbstverschuldeten Schlafen, darin, daß er einnickte und schlief, wo er es nicht durfte. Damit setzte er die Aufmerksamkeit außer Augen, zu welcher er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande war und vernachlässigte seine Vorsichtspflicht. (III, 17. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 29—31. Vgl. Bd. 22 S. 413. 16. Pajzvergehen. Polizei. Meldeschein. (PaßStVO. 8 1.) Die Paßstrafverordnung gilt nur für solche Ur­ kunden, die zum Ausweis einer Person für den Aufent­ halt im Reichsgebiet oder für den übertritt über die Reichsgrenze bestimmt sind. Der Zweck der Urkunde muß dahin gehen, die Identität der in ihr bezeichneten Person für den Grenzübertritt oder für den Aufenthalt im Reich darzutun. Das trifft auf polizeiliche Abmelde­ scheine nicht zu; in ihnen wird nur bescheinigt, daß die Personen, auf welche sie sich beziehen, ihren Fort­ zug von einem bestimmten Orte polizeilich angemeldet haben. Sie können wohl unter Umständen als Aus­ weise vorgelegt und hingenommen werden; ihre Be­ stimmung ist das aber nicht. Das ergibt sich schon daraus, daß sie regelmäßig keine Erkennungsmerkmale enthalten und auch nicht für jede Person gesondert aus­ gestellt werden. (II, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 31-32.

17. Landgerich tspräsident. Vertretung. Geschäfts­ verteilung. (GVG. 88 13, 66, 67; StPO. 8 338.) Der Präsident eines Landgerichts ordnete an, daß in eiligen RGE., Straffachen Bd. Y0,

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Fällen, wenn für einen Richter ein Vertreter zu be­ stellen war und seine Verfügung oder die seines ordent­ lichen Vertreters nicht mehr eingeholt werden konnte, der älteste der sofort erreichbaren Landgerichtsdirettoren in seiner Vertretung die Verfügung treffen sollte. Auf Grund dieser Anordnung bestimmte ein Landgerichts­ direktor, als ein Mitglied seiner Kammer erkrankte und dessen regelmäßiger Vertreter zu Beginn der Sitzung nicht zur Stelle war, einen Gerichtsassessor als Beisitzer. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Bei jedem Landgericht sind vor Beginn des Geschäfts­ jahrs die Geschäfte auf seine Dauer unter die Kammern zu verteilen und die ständigen Mitglieder der einzelnen Kammern wie auch für den Fall der Verhinderung die regelmäßigen Vertreter zu bestimmen. Im Fall der Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mit­ glieds wird ein zeitweiliger Vertreter durch den Prä­ sidenten bestimmt; im Falle der Verhinderung des Präsidenten war hiefür, da ein ständiger Vertreter nicht ernannt war, der dienstälteste Direktor zuständig. Dagegen war der Landgerichtspräsident nicht berech­ tigt, einen anderen Direktor, sei es auch unter bestimm­ ten Voraussetzungen, zu ermächtigen, an seiner Stelle einen Vertreter zu ernennen; er hatte nicht das Recht, die ihm und seinem gesetzlichen Vertreter durch das Gesetz anvertrauten Befugnisse auf einen anderen zu übertragen. Daß der Direktor, welcher die Verfügung getroffen hatte, von den damals im Gerichtsgebäude an­ wesenden Direktoren der dienstälteste war, blieb ohne Belang. (III, 17. Dezember 1926.) Amtl. Sammlg. S. 32—34. Vgl. Bd. 22 S. 134, 168, 203; Bd. 41 S. 184; Bd. 57 S. 269. 18. Tätliche Beleidigung. Einwilligung. Bewußt­ sein der Rechtswidrigkeit. Unzüchtige Handlungen an Minderjährigen. (StGB. § 185.) Der gesetzliche Ver­ treter eines 15 jährigen Mädchens stellte Strafantrag wegen Beleidigung des Mädchens durch Vornahme unzüchtiger Berührungen. Der Angeklagte berief sich darauf, daß das Mädchen einverstanden gewesen sei. Seine Verurteilung wurde bestätigt. Einer im allge­ meinen als ehrverletzend empfundenen Kundgebung ober

Fällen, wenn für einen Richter ein Vertreter zu be­ stellen war und seine Verfügung oder die seines ordent­ lichen Vertreters nicht mehr eingeholt werden konnte, der älteste der sofort erreichbaren Landgerichtsdirettoren in seiner Vertretung die Verfügung treffen sollte. Auf Grund dieser Anordnung bestimmte ein Landgerichts­ direktor, als ein Mitglied seiner Kammer erkrankte und dessen regelmäßiger Vertreter zu Beginn der Sitzung nicht zur Stelle war, einen Gerichtsassessor als Beisitzer. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Bei jedem Landgericht sind vor Beginn des Geschäfts­ jahrs die Geschäfte auf seine Dauer unter die Kammern zu verteilen und die ständigen Mitglieder der einzelnen Kammern wie auch für den Fall der Verhinderung die regelmäßigen Vertreter zu bestimmen. Im Fall der Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mit­ glieds wird ein zeitweiliger Vertreter durch den Prä­ sidenten bestimmt; im Falle der Verhinderung des Präsidenten war hiefür, da ein ständiger Vertreter nicht ernannt war, der dienstälteste Direktor zuständig. Dagegen war der Landgerichtspräsident nicht berech­ tigt, einen anderen Direktor, sei es auch unter bestimm­ ten Voraussetzungen, zu ermächtigen, an seiner Stelle einen Vertreter zu ernennen; er hatte nicht das Recht, die ihm und seinem gesetzlichen Vertreter durch das Gesetz anvertrauten Befugnisse auf einen anderen zu übertragen. Daß der Direktor, welcher die Verfügung getroffen hatte, von den damals im Gerichtsgebäude an­ wesenden Direktoren der dienstälteste war, blieb ohne Belang. (III, 17. Dezember 1926.) Amtl. Sammlg. S. 32—34. Vgl. Bd. 22 S. 134, 168, 203; Bd. 41 S. 184; Bd. 57 S. 269. 18. Tätliche Beleidigung. Einwilligung. Bewußt­ sein der Rechtswidrigkeit. Unzüchtige Handlungen an Minderjährigen. (StGB. § 185.) Der gesetzliche Ver­ treter eines 15 jährigen Mädchens stellte Strafantrag wegen Beleidigung des Mädchens durch Vornahme unzüchtiger Berührungen. Der Angeklagte berief sich darauf, daß das Mädchen einverstanden gewesen sei. Seine Verurteilung wurde bestätigt. Einer im allge­ meinen als ehrverletzend empfundenen Kundgebung ober

Handlung kann im Einzelfall diese Eigenschaft abgehen, wenn die persönlichen Eigenschaften oder Beziehungen des Betroffenen den Angriff nicht als eine Mißachtung, Verunglimpfung oder sonstige Herabwürdigung erschei­ nen lassen; Handlungen oder Äußerungen von schlecht­ hin beleidigendem Charakter gibt es überhaupt nicht. Jnsoferne kann insbesondere auch das Einverständnis des Betroffenen mit der Tat von Bedeutung sein, nicht vermöge des bürgerlich-rechtlichen Grundsatzes „volenti non fit iniuria“, der ein der privaten Verfügung unter­ liegendes Recht oder Rechtsverhältnis, nicht aber ein Rechtsgut wie die Ehre voraussetzt, sondern ausschließ­ lich als Erkenntnisquelle für die Feststellung, ob über­ haupt unter den obwaltenden Umständen für die Be­ teiligten eine Ehrverletzung in Frage kam oder kommen konnte. Nicht entscheidend ist dabei, welchen Eindruck der Betroffene tatsächlich von dem Angriff gehabt hat, ob er überhaupt zur Kenntnis oder zum richtigen Ver­ ständnis gelangt ist; denn hier handelt es sich nur dar­ um, ob der Angriff an sich ehrverletzend gewesen ist, nicht darum, in welchem Umfang und nach welchen Wahr­ nehmungen hin er diese Wirkung gehabt hat. Nur in letzterer Hinsicht kann das Bewußtsein und Einverständ­ nis des Betroffenen von Einfluß sein, während es an der Ehrverletzung selbst, wo sie einmal gegeben ist, nichts mehr ändern kann. Die Bedeutung des Einverständnisses muß noch mehr eingeschränkt werden, wenn sich die Be­ leidigung gegen die Geschlechtsehre unreifer Personen im Entwicklungsalter richtet. Hier kann aus einem wohl­ gefälligen Dulden oder selbst aus einer ausdrücklichen Einwilligung durchaus noch nicht ohne weiteres aus Umstände geschlossen werden, welche die Tat zur Ver­ letzung der Ehre der Betroffenen ungeeignet machen könnten. Zunächst fehlt solchen Personen erfahrungs­ gemäß noch, das volle Verständnis für den Wert der Wahrung ihrer Geschlechtsehre, mögen sie auch deren Ge­ fährdung durch Duldung unzüchtiger Handlungen in ge­ wissem Maße begreifen; damit ist die Bedeutung einer Preisgabe jener Ehre durch ihr Verhalten noch nicht in ihr Bewußtsein getreten, wie man das bei Erwach­ senen regelmäßig wird annehmen müssen. Der Mangel dieses Bewußtseins kann auch bei einem Verkehr der 2*

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Strafsachen Bd. 60

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Angegriffenen mit sittlich bereits verdorbenen Personen, sogar wegen eines solchen Verkehrs bestehen. Eben des­ halb sind diese Personen auch vom Gesetz nicht als die in erster Reihe berufenen Hüter dieser Ehre anerkannt, viel­ mehr ist diese Aufgabe ihren natürlichen Beschützern (El­ tern, Vormündern) zugeteilt, indem bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres diesen das Strafantragsrecht ausschließlich, auch gegen den Willen des Verletzten Vor­ behalten ist. Die Berufung auf das Einverständnis der Betroffenen muß daher in solchen Fällen regelmäßig versagen. Auch das Bewußtsein des Angeklagten von der ehrenkränkenden Art seiner Handlungen war ein­ wandfrei damit bejaht, daß es ihm bei der Erkenntnis ihrer Unzüchtigkeit gegenüber einer so unerwachsenen Person nicht gefehlt haben konnte, mithin auch nicht fehlte. (II, 4. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 34—37. Vgl. Bd. 10 'S. 372; Bd. 29 S. 398; Bd. 41 S. 392; Bd. 45 S. 344. 19. Offenbarungseid. Bestrittene Forderungen. (StGB. 8 157; ZPO. § 807.) Bei der Leistung des Ofsenbarungseides gibt der Schuldner die Versicherung ab, daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollstän­ dig angegeben habe, als er dazu imstande sei. In dem Verzeichnis, das er vorzulegen hat, sind bei den Forde­ rungen der Grund und die Beweismittel anzugeben. Da­ durch soll der Gläubiger, der die Vollstreckung betreibt, Anhaltspunkte dafür erhalten, ob es sich um Forde­ rungen handelt, die es wert sind, daß er sie zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung macht. Demgemäß sind in das Verzeichnis auch unsichere Forderungen auf­ zunehmen, gleichviel, ob ihre Beitreibbarkeit aus tatsäch­ lichen oder aus rechtlichen Gründen zweifelhaft ist. Eine Ausnahme machen nur Forderungen ohne allen Vermögenswert. Ob eine solche Wertlosigkeit vorliegt, ist für jede Forderung nach der Zeit der Vorlegung und Beeidigung des Verzeichnisses zu entscheiden. Ohne Be­ lang ist es, ob nachträglich sich eine solche Wert­ losigkeit ergibt; die falsche Versicherung, gegenwärtig eine als Bermögenswert in Betracht kommende Forde­ rung nicht zu besitzen, wird nicht dadurch wahr, daß die Forderung später den ihr damals trotz ihrer Unsicherheit

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Angegriffenen mit sittlich bereits verdorbenen Personen, sogar wegen eines solchen Verkehrs bestehen. Eben des­ halb sind diese Personen auch vom Gesetz nicht als die in erster Reihe berufenen Hüter dieser Ehre anerkannt, viel­ mehr ist diese Aufgabe ihren natürlichen Beschützern (El­ tern, Vormündern) zugeteilt, indem bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres diesen das Strafantragsrecht ausschließlich, auch gegen den Willen des Verletzten Vor­ behalten ist. Die Berufung auf das Einverständnis der Betroffenen muß daher in solchen Fällen regelmäßig versagen. Auch das Bewußtsein des Angeklagten von der ehrenkränkenden Art seiner Handlungen war ein­ wandfrei damit bejaht, daß es ihm bei der Erkenntnis ihrer Unzüchtigkeit gegenüber einer so unerwachsenen Person nicht gefehlt haben konnte, mithin auch nicht fehlte. (II, 4. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 34—37. Vgl. Bd. 10 'S. 372; Bd. 29 S. 398; Bd. 41 S. 392; Bd. 45 S. 344. 19. Offenbarungseid. Bestrittene Forderungen. (StGB. 8 157; ZPO. § 807.) Bei der Leistung des Ofsenbarungseides gibt der Schuldner die Versicherung ab, daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollstän­ dig angegeben habe, als er dazu imstande sei. In dem Verzeichnis, das er vorzulegen hat, sind bei den Forde­ rungen der Grund und die Beweismittel anzugeben. Da­ durch soll der Gläubiger, der die Vollstreckung betreibt, Anhaltspunkte dafür erhalten, ob es sich um Forde­ rungen handelt, die es wert sind, daß er sie zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung macht. Demgemäß sind in das Verzeichnis auch unsichere Forderungen auf­ zunehmen, gleichviel, ob ihre Beitreibbarkeit aus tatsäch­ lichen oder aus rechtlichen Gründen zweifelhaft ist. Eine Ausnahme machen nur Forderungen ohne allen Vermögenswert. Ob eine solche Wertlosigkeit vorliegt, ist für jede Forderung nach der Zeit der Vorlegung und Beeidigung des Verzeichnisses zu entscheiden. Ohne Be­ lang ist es, ob nachträglich sich eine solche Wert­ losigkeit ergibt; die falsche Versicherung, gegenwärtig eine als Bermögenswert in Betracht kommende Forde­ rung nicht zu besitzen, wird nicht dadurch wahr, daß die Forderung später den ihr damals trotz ihrer Unsicherheit

17________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 20 noch beizumessenden wirtschaftlichen Wert einbüßt. (II, 7. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 37—39.

20. Rennwettsteuer. Buchmacher. Tateinheit. Ver­ brauch der Strafklage. Ne bis in idem. Nebenklage. (RennWettG. §§ 5, 11, 13; StGB. § 73; RAbgO. 88 383, 432, 437; VZG. § 168.) Wegen unerlaubten Buchmachens wurde eine Strafe ausgesprochen. Nach­ träglich wurde ein Verfahren wegen Hinterziehung der Rennwettsteuer eingeleitet. Das Schöffengericht erkannte aus Einstellung, weil durch das frühere Verfahren wegen gewerbsmäßigen Abschlusses von Rennwetten die Straf­ klage verbraucht sei. Die Revision der Staatsanwalt­ schaft und des Finanzamts wurden verworfen. Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, daß das frühere Urteil ihm gegenüber die Rechtskraft nicht er­ langt habe, weil es ihm nicht zugestellt worden sei. Das traf nicht zu, weil dem Finanzamt in dem früheren Verfahren die Rechte des Nebenklägers nicht zustanden. Diese Rechte hat das Finanzamt nur dann, wenn gegen­ über einem Strafbescheid, den es erlassen hat, die gericht­ liche Entscheidung beantragt ist oder wenn die Staatsan­ waltschaft wegen einer Steuerzuwiderhandlung die öffent­ liche Klage erhebt. Weder die eine noch die andere Vor­ aussetzung traf zu; insbesondere hatte die Staatsanwalt­ schaft in ihrem Antrag auf Erlaß eines amtsrichter­ lichen Strafbefehls den Gesichtspunkt der Steuerzuwider­ handlung nicht gelterld gemacht. Das Rennwettgesetz ist kein Steuergesetz; es will die bei Pferderennen sich kundgebende Wettleidenschaft nicht nur finanziell nutzbar machen, sondern überhaupt in geordnete Bahnen lenken. Eine Bestimmung, daß Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz als Steuerzuwiderhandlungen gelten sollen, ist in ihm nicht enthalten. Das unerlaubte Buchmachen und die Steuerhinterziehung bildeten gleichwohl keine selbständigen Handlungen. Tateinheit ist immer vor­ handen, wenn die Tatbestände mehrerer Strafgesetze wenigstens teilweise zusammentreffen. Das war hier der Fall. Mit dem gewerbsmäßigen Abschluß oder der Vermittlung von Wetten ist die Verfehlung gegen das Gesetz vollendet; sobald die Wette verbindlich geworden ist, spätestens mit der Entscheidung des Rennens, ent­ steht auch die Steuerschuld. Hatte der Angeklagte, wie

17________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 20 noch beizumessenden wirtschaftlichen Wert einbüßt. (II, 7. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 37—39.

20. Rennwettsteuer. Buchmacher. Tateinheit. Ver­ brauch der Strafklage. Ne bis in idem. Nebenklage. (RennWettG. §§ 5, 11, 13; StGB. § 73; RAbgO. 88 383, 432, 437; VZG. § 168.) Wegen unerlaubten Buchmachens wurde eine Strafe ausgesprochen. Nach­ träglich wurde ein Verfahren wegen Hinterziehung der Rennwettsteuer eingeleitet. Das Schöffengericht erkannte aus Einstellung, weil durch das frühere Verfahren wegen gewerbsmäßigen Abschlusses von Rennwetten die Straf­ klage verbraucht sei. Die Revision der Staatsanwalt­ schaft und des Finanzamts wurden verworfen. Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, daß das frühere Urteil ihm gegenüber die Rechtskraft nicht er­ langt habe, weil es ihm nicht zugestellt worden sei. Das traf nicht zu, weil dem Finanzamt in dem früheren Verfahren die Rechte des Nebenklägers nicht zustanden. Diese Rechte hat das Finanzamt nur dann, wenn gegen­ über einem Strafbescheid, den es erlassen hat, die gericht­ liche Entscheidung beantragt ist oder wenn die Staatsan­ waltschaft wegen einer Steuerzuwiderhandlung die öffent­ liche Klage erhebt. Weder die eine noch die andere Vor­ aussetzung traf zu; insbesondere hatte die Staatsanwalt­ schaft in ihrem Antrag auf Erlaß eines amtsrichter­ lichen Strafbefehls den Gesichtspunkt der Steuerzuwider­ handlung nicht gelterld gemacht. Das Rennwettgesetz ist kein Steuergesetz; es will die bei Pferderennen sich kundgebende Wettleidenschaft nicht nur finanziell nutzbar machen, sondern überhaupt in geordnete Bahnen lenken. Eine Bestimmung, daß Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz als Steuerzuwiderhandlungen gelten sollen, ist in ihm nicht enthalten. Das unerlaubte Buchmachen und die Steuerhinterziehung bildeten gleichwohl keine selbständigen Handlungen. Tateinheit ist immer vor­ handen, wenn die Tatbestände mehrerer Strafgesetze wenigstens teilweise zusammentreffen. Das war hier der Fall. Mit dem gewerbsmäßigen Abschluß oder der Vermittlung von Wetten ist die Verfehlung gegen das Gesetz vollendet; sobald die Wette verbindlich geworden ist, spätestens mit der Entscheidung des Rennens, ent­ steht auch die Steuerschuld. Hatte der Angeklagte, wie

das Schöffengericht festgestellt hatte, beim Abschluß der Wette den Vorsatz, die Steuer zu hinterziehen, so hatte er damit gleichzeitig einen Teil des Hinterziehungsltatbestandüs verwirklicht, da dieser nicht lediglich die Unterlassung, sondern den gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten ohne Erlaubnis (das wilde Buchmachen) vor­ aussetzt. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß die Steuer erst innerhalb einer bestimmten Frist zu zahlen ist: ebenso ist es gleichgültig, ob der Täter selbst von der Vorstellung ausgeht, daß er zwei verschiedene straf­ bare Handlungen begeht. Die gesonderte Aburteilung der Steuerzuwiderhandlung wird auch nicht durch be­ sondere Vorschriften gerechtfertigt. Nach der Reichsab­ gabenordnung ist allerdings, wenn eine und dieselbe Handlung zugleich als Steuerzuwiderhandlung und aus einem anderen Gesetz strafbar ist, die Strafe aus dem Steuergesetz zu entnehmen, falls das andere Gesetz aber eine schwerere Strafe androht, die nach dem Steuergesetz verwirkte Geldstrafe besonders zu verhängen. Diese Vor­ schrift gebietet (im Gegensatz zum Strafgesetzbuch) eine Strafenhäufung, betrifft daher die Strafzumessung, ge­ stattet aber nicht, die Steuerstrafe in einem besonderen Verfahren zu verhängen. Daß wegen einer und der­ selben Straftat nicht mehrere Verfahren durchgeführt werden dürfen, ist für die Strafprozeßordnung in un­ bestrittener Geltung; die Strafprozeßordnung gilt aber nach ausdrücklicher Vorschrift der Reichsabgabenordnung stets, soweit nicht die Steuergesetze besondere Borschrift ten enthalten. So ist auch schon wiederholt für das Gebiet des Zollstrafrechts entschieden worden, daß eine nachträgliche Verfolgung wegen derselben Tat nicht mehr stattfinden kann, wenn in einem früheren Verfahren die Verhängung der Zollstrafe unterblieben ist. (II, 11. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 39—43. Vgl. Bd. 37 S. 152; Bd. 48 S. 104; Bd. 56 S. 324. 21. Ablehnung eines Richters. Befangenheit (StPO. § 24.) Am Schluß einer Berufungsverhandlung bean­ tragte der Angeklagte die Ladung weiterer Zeugen. Der Vorsitzende legte ihm nahe, seine Berufung zurückzunehmen, da der Gerichtshof einstimmig von seiner Schuld überzeugt sei; da er den Antrag aufrecht er­ hielt, wurde die Verhandlung ausgesetzt. In der neuen

das Schöffengericht festgestellt hatte, beim Abschluß der Wette den Vorsatz, die Steuer zu hinterziehen, so hatte er damit gleichzeitig einen Teil des Hinterziehungsltatbestandüs verwirklicht, da dieser nicht lediglich die Unterlassung, sondern den gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten ohne Erlaubnis (das wilde Buchmachen) vor­ aussetzt. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß die Steuer erst innerhalb einer bestimmten Frist zu zahlen ist: ebenso ist es gleichgültig, ob der Täter selbst von der Vorstellung ausgeht, daß er zwei verschiedene straf­ bare Handlungen begeht. Die gesonderte Aburteilung der Steuerzuwiderhandlung wird auch nicht durch be­ sondere Vorschriften gerechtfertigt. Nach der Reichsab­ gabenordnung ist allerdings, wenn eine und dieselbe Handlung zugleich als Steuerzuwiderhandlung und aus einem anderen Gesetz strafbar ist, die Strafe aus dem Steuergesetz zu entnehmen, falls das andere Gesetz aber eine schwerere Strafe androht, die nach dem Steuergesetz verwirkte Geldstrafe besonders zu verhängen. Diese Vor­ schrift gebietet (im Gegensatz zum Strafgesetzbuch) eine Strafenhäufung, betrifft daher die Strafzumessung, ge­ stattet aber nicht, die Steuerstrafe in einem besonderen Verfahren zu verhängen. Daß wegen einer und der­ selben Straftat nicht mehrere Verfahren durchgeführt werden dürfen, ist für die Strafprozeßordnung in un­ bestrittener Geltung; die Strafprozeßordnung gilt aber nach ausdrücklicher Vorschrift der Reichsabgabenordnung stets, soweit nicht die Steuergesetze besondere Borschrift ten enthalten. So ist auch schon wiederholt für das Gebiet des Zollstrafrechts entschieden worden, daß eine nachträgliche Verfolgung wegen derselben Tat nicht mehr stattfinden kann, wenn in einem früheren Verfahren die Verhängung der Zollstrafe unterblieben ist. (II, 11. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 39—43. Vgl. Bd. 37 S. 152; Bd. 48 S. 104; Bd. 56 S. 324. 21. Ablehnung eines Richters. Befangenheit (StPO. § 24.) Am Schluß einer Berufungsverhandlung bean­ tragte der Angeklagte die Ladung weiterer Zeugen. Der Vorsitzende legte ihm nahe, seine Berufung zurückzunehmen, da der Gerichtshof einstimmig von seiner Schuld überzeugt sei; da er den Antrag aufrecht er­ hielt, wurde die Verhandlung ausgesetzt. In der neuen

Verhandlung lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden und einen Richter, der in der früheren Verhandlung mitgewirkt hatte, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Ablehnung wurde für unbegründet erklärt, weil die Tatsache, daß die abgelehnten Richter sich auf Grund der früheren Verhandlungen ein Urteil gebildet und dieses durch den Vorsitzenden zu erkennen gegeben hät­ ten, für die neue Verhandlung die Besorgnis der Be­ fangenheit nicht begründe. Das Reichsgericht billigte die Entscheidung. Das Landgericht hatte bei der Ent­ scheidung über das Ablehnungsgesuch von dem Sach­ verhalt auszugehen, wie er damals, namentlich durch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Vorsitzenden, auf­ geklärt und gegenüber den beweislosen weitergehenden Behauptungen der Verteidigung richtiggestellt vorlag. Auf dieser Grundlage war zu prüfen, ob vom Stand­ punkt des Angeklagten aus ein vernünftiger Grund zu ernstlichem Mißtrauen gegen die Unbefangenheit der beiden abgelehnten Richter anzuerkennen war. Zu einer solchen Besorgnis bestand nach dem vorliegenden Sach­ verhalt, der auch in seiner tatsächlichen Tragweite der Beurteilung des Revisionsgerichtes unterstand, kein An­ laß. Selbst vom Standpunkt des Angeklagten aus ließ sich daraus, daß ihm nahegelegt wurde, die Berufung zurückzuziehen und seine Untersuchungshaft nicht zwecklos zu verlängern, ein Anzeichen irgendwelcher Voreinge­ nommenheit gegen seine Person nicht entnehmen. Auch darin, daß das Gericht zu dieser Frage Stellung nahm, wie die Schuld des Angeklagten nach dem damaligen Stand des Verfahrens zu beurteilen war. konnte nicht ohne weiteres ein vernünftiger Grund zu ernstlichem Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters im ferneren Verfahren gefunden werden. In zahlreichen Fällen muß sich ein Richter bei Zwischenentscheidungen eine einstweilige Überzeugung über die Schuld des An­ geklagten bilden; so insbesondere bei Entscheidungen über die Untersuchungshaft oder über Beweisanträge. Im vorliegenden Falle hatte das Gericht überdies dem Antrag des AngAlagten auf Ladung neuer Zeugen stattgegeben, so daß für den Angeklagten erst recht kein vernünftiger Grund zu der Besorgnis bestand, die beiden abgelehnten Richter möchten ihre endgültige Überzeugung

nicht aus dem Gesamtergebnis der neuen Beweisauf­ nahme und dem Inbegriff der neuen HauPLverhandlung, schöpfen. Daß für einen Richter, der in einer früheren Sache sein Urteil auf eine bestimmte Auffassung des ihm vorliegenden Sachverhalts gestützt hat, die Pflicht besteht, in einem neuen Verfahren sich sein Urteil unbe­ fangen und auf Grund des neu vorgetragenenn Beweis­ stoffes zu bilden, versteht sich von selbst. (III, 11. Jan. 1926.) Amtl. Sammt. S. 43—47. Vgl. Bd. 7 S. 340; Bd. 55 S. 56; Bd. 58 S. 285; Bd. 59 S. 409. 22. Jugendgericht. Erziehungsmaßnahme. Fürsorge­ erziehung. (JugGerG. II 5, 7.) Gegen ein 17 jähriges Mädchen, das zugleich mit einer erwachsenen Person abgeurteilt wurde, sprach das Schöffengericht eine Ge­ fängnisstrafe von drei Monaten aus und ordnete die Fürsorgeerziehung an. Das Landgericht hob die Anord­ nung der Fürsorgeerziehung auf. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Bei der Prüfung, ob gegen einen jugendlichen Angeklagten Erziehungsmaßnahmen anzuordnen sind, muß zwischen der Fürsorgeerziehung und anderen Maßnahmen unterschieden werden. Die Fürsorgeerziehung ist dem Vormundschaftsrichter Vorbe­ halten; die anderen Maßnahmen kann auch der Straf­ richter anordnen. Hält der Strafrichter Fürsorgeevziehung für geboten, so hat er sich in der Urteilsformel auf den Ausspruch zu beschränken, daß Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich sind; die Auswahl hat er dem Vor­ mundschaftsrichter zu überlassen; nur in den Gründen kann er ausführen, daß er Fürsorgeerziehung für ge­ boten halte und darum von der Anordnung einer anderen Erziehungsmaßnahme abgesehen habe. Der Vor­ mundschaftsrichter hat dann eine Erziehungsmaßnahme anzuordnen. Er ist nicht genötigt, Fürsorgeerziehung zu wählen. Das Landgericht hatte demgemäß zu prüfen, ob Erziehungsmaßnahmen erforderlich waren. Nur wenn es diese Frage verneinte, durfte es so entscheiden, wie es getan hatte. Hielt es Fürsorgeerziehung für not­ wendig, so hatte es das Urteil des Schöffengerichts aufzuheben und auszusprechen, daß Erziehungsmaßnah­ men erforderlich seien. Hielt es andere Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich, so kannte es diese selbst anordnen

nicht aus dem Gesamtergebnis der neuen Beweisauf­ nahme und dem Inbegriff der neuen HauPLverhandlung, schöpfen. Daß für einen Richter, der in einer früheren Sache sein Urteil auf eine bestimmte Auffassung des ihm vorliegenden Sachverhalts gestützt hat, die Pflicht besteht, in einem neuen Verfahren sich sein Urteil unbe­ fangen und auf Grund des neu vorgetragenenn Beweis­ stoffes zu bilden, versteht sich von selbst. (III, 11. Jan. 1926.) Amtl. Sammt. S. 43—47. Vgl. Bd. 7 S. 340; Bd. 55 S. 56; Bd. 58 S. 285; Bd. 59 S. 409. 22. Jugendgericht. Erziehungsmaßnahme. Fürsorge­ erziehung. (JugGerG. II 5, 7.) Gegen ein 17 jähriges Mädchen, das zugleich mit einer erwachsenen Person abgeurteilt wurde, sprach das Schöffengericht eine Ge­ fängnisstrafe von drei Monaten aus und ordnete die Fürsorgeerziehung an. Das Landgericht hob die Anord­ nung der Fürsorgeerziehung auf. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Bei der Prüfung, ob gegen einen jugendlichen Angeklagten Erziehungsmaßnahmen anzuordnen sind, muß zwischen der Fürsorgeerziehung und anderen Maßnahmen unterschieden werden. Die Fürsorgeerziehung ist dem Vormundschaftsrichter Vorbe­ halten; die anderen Maßnahmen kann auch der Straf­ richter anordnen. Hält der Strafrichter Fürsorgeevziehung für geboten, so hat er sich in der Urteilsformel auf den Ausspruch zu beschränken, daß Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich sind; die Auswahl hat er dem Vor­ mundschaftsrichter zu überlassen; nur in den Gründen kann er ausführen, daß er Fürsorgeerziehung für ge­ boten halte und darum von der Anordnung einer anderen Erziehungsmaßnahme abgesehen habe. Der Vor­ mundschaftsrichter hat dann eine Erziehungsmaßnahme anzuordnen. Er ist nicht genötigt, Fürsorgeerziehung zu wählen. Das Landgericht hatte demgemäß zu prüfen, ob Erziehungsmaßnahmen erforderlich waren. Nur wenn es diese Frage verneinte, durfte es so entscheiden, wie es getan hatte. Hielt es Fürsorgeerziehung für not­ wendig, so hatte es das Urteil des Schöffengerichts aufzuheben und auszusprechen, daß Erziehungsmaßnah­ men erforderlich seien. Hielt es andere Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich, so kannte es diese selbst anordnen

oder die Anordnung dem Vormundschaftsgericht über­ lassen. Zur Nachholung des Versäumten wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 14. Januar 1926.) Amtl. Sammt. S. 47—49. Vgl. Bd. 58 S. 85. 23. Nahrungsmittelverfälschung. Vollmilch. (NMG. § 10.) Milch wurde als Vollmilch in den Handel ge­ geben, nachdem sie zum Teil entrahmt und außerdem mit dem Vorgemelke einer Kälberkuh, das fettärmer ist als die regelmäßige Kuhmilch, versetzt worden war. In der einen wie in der anderen Handlung wurde eine Verfäl­ schung der Milch erblickt. Als Vollmilch kann nur solche Milch gelten, die beim Melken eines Milchtieres durch vollständiges Ausstreifen des Euters in einem Zug ge­ wonnen wird, die also unverändert alle Bestandteile der dabei zutage geförderten Milch enthält. Die teil­ weise Entrahmung der Milch begründet als Entziehung eines ihrer natürlichen Nährbestandteile, des Fettes, eine Wertminderung, und bildet, wenn die Milch als Vollmilch in den Handel gebracht wird, eine Verfäl­ schung. Das gleiche hatte für die Beifügung des fett­ armen Vorgemelkes zu gelten. Eine Verfälschung eines Nahrungs- oder Genußmittels liegt dann vor, wenn an seiner normalen stofflichen Zusammensetzung eine Ver. änderung eingetreten ist, durch die es einen seinem wahren Wesen nicht entsprechenden Schein erhält, sei es, daß es durch Entnehmen oder Zusatz von Stoffen ver­ schlechtert, sei es, daß ihm der Schein einer besseren als seiner wirklichen Beschaffenheit verliehen worden ist. Hiernach kann eine Verfälschung auch durch Vermischung einer Ware mit einer anderen von geringerem Werte vorgenommen werden. (I, 15. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 49—51. Vgl. Bd. 3 S. 234; Bd. 14 S. 428; Bd. 33 S. 26. 24. Mord. Raub. Unterschlagung. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 211, 249.) In einem Eisenbahnzug begab sich ein Mann in ein Abteil, worin ein Fahrgast allein saß, in der Absicht, diesem seine Wertsachen abzunehmen und ihn, falls er sich widersetzen würde, zu erschießen. Er führte diese Absicht aus. Das Schwurgericht nahm an, daß er durch die Tötung den Gewahrsam an den Sachen seines Opfers erlangt und demgemäß sich Sachen zuge-

oder die Anordnung dem Vormundschaftsgericht über­ lassen. Zur Nachholung des Versäumten wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 14. Januar 1926.) Amtl. Sammt. S. 47—49. Vgl. Bd. 58 S. 85. 23. Nahrungsmittelverfälschung. Vollmilch. (NMG. § 10.) Milch wurde als Vollmilch in den Handel ge­ geben, nachdem sie zum Teil entrahmt und außerdem mit dem Vorgemelke einer Kälberkuh, das fettärmer ist als die regelmäßige Kuhmilch, versetzt worden war. In der einen wie in der anderen Handlung wurde eine Verfäl­ schung der Milch erblickt. Als Vollmilch kann nur solche Milch gelten, die beim Melken eines Milchtieres durch vollständiges Ausstreifen des Euters in einem Zug ge­ wonnen wird, die also unverändert alle Bestandteile der dabei zutage geförderten Milch enthält. Die teil­ weise Entrahmung der Milch begründet als Entziehung eines ihrer natürlichen Nährbestandteile, des Fettes, eine Wertminderung, und bildet, wenn die Milch als Vollmilch in den Handel gebracht wird, eine Verfäl­ schung. Das gleiche hatte für die Beifügung des fett­ armen Vorgemelkes zu gelten. Eine Verfälschung eines Nahrungs- oder Genußmittels liegt dann vor, wenn an seiner normalen stofflichen Zusammensetzung eine Ver. änderung eingetreten ist, durch die es einen seinem wahren Wesen nicht entsprechenden Schein erhält, sei es, daß es durch Entnehmen oder Zusatz von Stoffen ver­ schlechtert, sei es, daß ihm der Schein einer besseren als seiner wirklichen Beschaffenheit verliehen worden ist. Hiernach kann eine Verfälschung auch durch Vermischung einer Ware mit einer anderen von geringerem Werte vorgenommen werden. (I, 15. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 49—51. Vgl. Bd. 3 S. 234; Bd. 14 S. 428; Bd. 33 S. 26. 24. Mord. Raub. Unterschlagung. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 211, 249.) In einem Eisenbahnzug begab sich ein Mann in ein Abteil, worin ein Fahrgast allein saß, in der Absicht, diesem seine Wertsachen abzunehmen und ihn, falls er sich widersetzen würde, zu erschießen. Er führte diese Absicht aus. Das Schwurgericht nahm an, daß er durch die Tötung den Gewahrsam an den Sachen seines Opfers erlangt und demgemäß sich Sachen zuge-

oder die Anordnung dem Vormundschaftsgericht über­ lassen. Zur Nachholung des Versäumten wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 14. Januar 1926.) Amtl. Sammt. S. 47—49. Vgl. Bd. 58 S. 85. 23. Nahrungsmittelverfälschung. Vollmilch. (NMG. § 10.) Milch wurde als Vollmilch in den Handel ge­ geben, nachdem sie zum Teil entrahmt und außerdem mit dem Vorgemelke einer Kälberkuh, das fettärmer ist als die regelmäßige Kuhmilch, versetzt worden war. In der einen wie in der anderen Handlung wurde eine Verfäl­ schung der Milch erblickt. Als Vollmilch kann nur solche Milch gelten, die beim Melken eines Milchtieres durch vollständiges Ausstreifen des Euters in einem Zug ge­ wonnen wird, die also unverändert alle Bestandteile der dabei zutage geförderten Milch enthält. Die teil­ weise Entrahmung der Milch begründet als Entziehung eines ihrer natürlichen Nährbestandteile, des Fettes, eine Wertminderung, und bildet, wenn die Milch als Vollmilch in den Handel gebracht wird, eine Verfäl­ schung. Das gleiche hatte für die Beifügung des fett­ armen Vorgemelkes zu gelten. Eine Verfälschung eines Nahrungs- oder Genußmittels liegt dann vor, wenn an seiner normalen stofflichen Zusammensetzung eine Ver. änderung eingetreten ist, durch die es einen seinem wahren Wesen nicht entsprechenden Schein erhält, sei es, daß es durch Entnehmen oder Zusatz von Stoffen ver­ schlechtert, sei es, daß ihm der Schein einer besseren als seiner wirklichen Beschaffenheit verliehen worden ist. Hiernach kann eine Verfälschung auch durch Vermischung einer Ware mit einer anderen von geringerem Werte vorgenommen werden. (I, 15. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 49—51. Vgl. Bd. 3 S. 234; Bd. 14 S. 428; Bd. 33 S. 26. 24. Mord. Raub. Unterschlagung. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 211, 249.) In einem Eisenbahnzug begab sich ein Mann in ein Abteil, worin ein Fahrgast allein saß, in der Absicht, diesem seine Wertsachen abzunehmen und ihn, falls er sich widersetzen würde, zu erschießen. Er führte diese Absicht aus. Das Schwurgericht nahm an, daß er durch die Tötung den Gewahrsam an den Sachen seines Opfers erlangt und demgemäß sich Sachen zuge-

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Strafsachen Bd. 60

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eignet hatte, die er schon in seinem Gewahrsam hatte; es hatte demgemäß wegen Mordes in Tateinheit mit Unterschlagung verurteilt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Das Schwurgericht hatte übersehen, daß der Zweck der Tötung gewesen war, sich die Verfügungs­ gewalt über die Wertsachen des Opfers zu verschaffen; der in der Tötungsabsicht abgegebene Schuß war also eine Gewaltanwendung im Sinne der Vorschriften über Raub; mit ihm wurde schon die Ausführung dieses Verbrechens begonnen und zugleich, da der Angeklagte sich durch die Tötung seines Opfers die alleinige Herr­ schaft über die diesem gehörigen Sachen, den Gewahrsam an ihnen verschaffte, auch vollendet worden. Die kör­ perliche Ergreifung der Sache war dann nur eine der Wegnahme der Sachen nachfolgende Handlung ohne rechtlichen Gehalt. Anders wäre die Sache zu beur­ teilen gewesen, wenn der Plan des Täters nicht auf die Erlangung der Sachen gerichtet gewesen wäre, die Wegnahme sich vielmehr erst der aus einem anderen Grund vorgenommenen Tötung angeschlossen hätte. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 51—52. Vgl. Bd. 56 S. 23; Bd. 58 S. 228, Bd. 59 S. 273. 25. Unlauterer Wettbewerb. Tateinheit. Einziehung. Revisionsanträge. (StGB. §§ 40, 73; UnlWG. § 17; StPO. § 345.) Ein Maschinenfabrikant veranlaßte einen Angestellten einer anderen Fabrik, ihm Mitteilungen über eine dort hergestellte Maschine zu machen, und stellte unter Verwertung dieser Mitteilungen selbst Maschinen dieser Art her. Das Reichsgericht entschied, daß dieses Verhalten zwei Vergehen des unlauteren Wettbewerbs in sachlichem Zusammenhang darstelle. Für den Täter, der die unbefugt zu erlangende Kenntnis unbefugt zum Wettbewerb verwenden will, bildet die An­ stiftung eines Angestellten zu einer Mitteilung von Be­ triebsgeheimnissen eine Vorbereitung der beabsichtigten unlauteren Verwertung dieses Geheimnisses; auf keiner Stufe seines Tuns bildet dieses zugleich ein Tatbestands­ merkmal der Verwertung. Die Unmöglichkeit von Tat­ einheit muß um so mehr angenommen werden, als sich die beiden Verfehlungen gegen verschiedene Rechtsgüter richtenin einem Fall ist das Betriebsgeheimnis und die Ver­ tragstreue eines Angestellten, im anderen die ungestörte

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eignet hatte, die er schon in seinem Gewahrsam hatte; es hatte demgemäß wegen Mordes in Tateinheit mit Unterschlagung verurteilt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Das Schwurgericht hatte übersehen, daß der Zweck der Tötung gewesen war, sich die Verfügungs­ gewalt über die Wertsachen des Opfers zu verschaffen; der in der Tötungsabsicht abgegebene Schuß war also eine Gewaltanwendung im Sinne der Vorschriften über Raub; mit ihm wurde schon die Ausführung dieses Verbrechens begonnen und zugleich, da der Angeklagte sich durch die Tötung seines Opfers die alleinige Herr­ schaft über die diesem gehörigen Sachen, den Gewahrsam an ihnen verschaffte, auch vollendet worden. Die kör­ perliche Ergreifung der Sache war dann nur eine der Wegnahme der Sachen nachfolgende Handlung ohne rechtlichen Gehalt. Anders wäre die Sache zu beur­ teilen gewesen, wenn der Plan des Täters nicht auf die Erlangung der Sachen gerichtet gewesen wäre, die Wegnahme sich vielmehr erst der aus einem anderen Grund vorgenommenen Tötung angeschlossen hätte. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 51—52. Vgl. Bd. 56 S. 23; Bd. 58 S. 228, Bd. 59 S. 273. 25. Unlauterer Wettbewerb. Tateinheit. Einziehung. Revisionsanträge. (StGB. §§ 40, 73; UnlWG. § 17; StPO. § 345.) Ein Maschinenfabrikant veranlaßte einen Angestellten einer anderen Fabrik, ihm Mitteilungen über eine dort hergestellte Maschine zu machen, und stellte unter Verwertung dieser Mitteilungen selbst Maschinen dieser Art her. Das Reichsgericht entschied, daß dieses Verhalten zwei Vergehen des unlauteren Wettbewerbs in sachlichem Zusammenhang darstelle. Für den Täter, der die unbefugt zu erlangende Kenntnis unbefugt zum Wettbewerb verwenden will, bildet die An­ stiftung eines Angestellten zu einer Mitteilung von Be­ triebsgeheimnissen eine Vorbereitung der beabsichtigten unlauteren Verwertung dieses Geheimnisses; auf keiner Stufe seines Tuns bildet dieses zugleich ein Tatbestands­ merkmal der Verwertung. Die Unmöglichkeit von Tat­ einheit muß um so mehr angenommen werden, als sich die beiden Verfehlungen gegen verschiedene Rechtsgüter richtenin einem Fall ist das Betriebsgeheimnis und die Ver­ tragstreue eines Angestellten, im anderen die ungestörte

Ausübung des Gewerbebetriebs geschützt. Die Unterge­ richte hatten auch auf Einziehung der unter Ausnützung der unbefugt erlangten Kenntnis hergestellten Maschinen erkannt. Das Reichsgericht billigte das. Dem Angeklag­ ten war nur durch diese Kenntnis ermöglicht worden, die Maschinen herzustellen; die Maschinen waren also unmittelbar durch das vorsätzlich begangene Vergehen des unlauteren Wettbewerbs hervorgebracht worden. Daß durch die Einziehung dem Angeklagten ein größerer Schaden entstand und daß er Maschinen der gleichen Art in Zukunft überhaupt nicht mehr anfertigen konnte, ohne in die Gefahr neuer Bestrafung zu kommen, stand der Anordnung der Einziehung nicht im Wege; der Ange­ klagte hatte all das dadurch verschuldet, daß er nicht nach anständigem Kaufmannsbrauch seine Erfahrungen erarbeitete oder die notwendigen technischen Unterlagen sich im Wege des Vertrages verschaffte. — Die Revi­ sionsbegründung war vom Angeklagten selbst geschrieben, von seinem Verteidiger nur unterzeichnet worden. Das genügte nur dann, wenn zum Ausdruck kam, daß der Verteidiger die Verantwortung für den Inhalt des Schriftstücks übernehmen wollte. Das Reichsgericht nahm das zugunsten des Angeklagten an, weil es wenigstens zum Teil eine vertretbare Ausführung enthielt. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 53—56. 26. Meineid. Angabe der Wahrheit. Slrafermätzigung. (StGB. §§ 154, 157.) In einem Ehescheidungs­ verfahren beschwor ein Zeuge, daß er mit der Frau des Klägers die Ehe nicht gebrochen, sie auch nicht geküßt habe. Die Aussage war unwahr. Er wurde wegen Mein­ eids verurteilt; Strafermäßigung wurde ihm versagt, weil er zwar durch die Angabe der Wahrheit über den Ehebruch, nicht aber über die ehewidrigen Beziehungen sich eine Strafverfolgung hätte zuziehen können. Seine Revision hatte Erfolg. Schon aus dem wahrheitsge­ mäßen Eingeständnis der ehewidrigen Beziehungen konnte sich ein zur Strafverfolgung des Angeklagten ausreichen­ der Verdacht des Ehebruchs ergeben; auch war die Ein­ heitlichkeit der Aussage nicht genügend berücksichtigt. Gegenstand der Vernehmung des Angeklagten war die Gesamtheit seiner für die Scheidungsklage erheblichen Beziehungen zu der Frau des Klägers; in diesem Sinne

Ausübung des Gewerbebetriebs geschützt. Die Unterge­ richte hatten auch auf Einziehung der unter Ausnützung der unbefugt erlangten Kenntnis hergestellten Maschinen erkannt. Das Reichsgericht billigte das. Dem Angeklag­ ten war nur durch diese Kenntnis ermöglicht worden, die Maschinen herzustellen; die Maschinen waren also unmittelbar durch das vorsätzlich begangene Vergehen des unlauteren Wettbewerbs hervorgebracht worden. Daß durch die Einziehung dem Angeklagten ein größerer Schaden entstand und daß er Maschinen der gleichen Art in Zukunft überhaupt nicht mehr anfertigen konnte, ohne in die Gefahr neuer Bestrafung zu kommen, stand der Anordnung der Einziehung nicht im Wege; der Ange­ klagte hatte all das dadurch verschuldet, daß er nicht nach anständigem Kaufmannsbrauch seine Erfahrungen erarbeitete oder die notwendigen technischen Unterlagen sich im Wege des Vertrages verschaffte. — Die Revi­ sionsbegründung war vom Angeklagten selbst geschrieben, von seinem Verteidiger nur unterzeichnet worden. Das genügte nur dann, wenn zum Ausdruck kam, daß der Verteidiger die Verantwortung für den Inhalt des Schriftstücks übernehmen wollte. Das Reichsgericht nahm das zugunsten des Angeklagten an, weil es wenigstens zum Teil eine vertretbare Ausführung enthielt. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 53—56. 26. Meineid. Angabe der Wahrheit. Slrafermätzigung. (StGB. §§ 154, 157.) In einem Ehescheidungs­ verfahren beschwor ein Zeuge, daß er mit der Frau des Klägers die Ehe nicht gebrochen, sie auch nicht geküßt habe. Die Aussage war unwahr. Er wurde wegen Mein­ eids verurteilt; Strafermäßigung wurde ihm versagt, weil er zwar durch die Angabe der Wahrheit über den Ehebruch, nicht aber über die ehewidrigen Beziehungen sich eine Strafverfolgung hätte zuziehen können. Seine Revision hatte Erfolg. Schon aus dem wahrheitsge­ mäßen Eingeständnis der ehewidrigen Beziehungen konnte sich ein zur Strafverfolgung des Angeklagten ausreichen­ der Verdacht des Ehebruchs ergeben; auch war die Ein­ heitlichkeit der Aussage nicht genügend berücksichtigt. Gegenstand der Vernehmung des Angeklagten war die Gesamtheit seiner für die Scheidungsklage erheblichen Beziehungen zu der Frau des Klägers; in diesem Sinne

umfaßte seine Versicherung, die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben, das abgelegte Zeignis als Ganzes und im Zusammenhang. Zur Erfüllung der Eidespflicht hätte es nicht genügt, wenn der Zeuge nur die ehewidrigen Beziehungen zugegeben hätte; sein Zeug­ nis blieb falsch und sein Eid ein Meineid, wenn er nicht die ganze Wahrheit bekannte und auch den Ehebruch zu­ gestand. Das Bekennen der ganzen Wahrheit hätte ihn aber in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gebracht. Bei der Eidesleistung war somit der Tatbestand der Ge­ wissensnot gegeben, die der Vorschrift der Strafermäßi­ gung zugrunde liegt. (II, 21. Januar 1926. Amtl. Sammlg. S. 56—58.

27. Offenbarungseid.

Meineid.

Falscheid.

Tatein­

heit. (StGB. §§ 73, 154, 163; ZPO. § 807.) Auf Grund unrichtiger Angaben bei Ableistung des Offenbarungseidss wurde der Angeklagte wegen Meineids und fahrlässigen Falscheids in rechtlichem Zusammenfluß verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids auf. Tateinheit zwischen vorsätz­ lichen und fahrlässigen Straftaten ist nicht ausgeschlos­ sen; ob sie aber im einzelnen Fall möglich ist, hängt von den Umständen ab. So ist schon entschieden worden, daß eine gegen eine einzige Person verübte Körperverletzung nicht zugleich als vorsätzliche Mißhandlung und fahr­ lässige Körperverletzung angesehen werden könne. So lag der Fall auch hier. Wenn der Angeklagte die Unrichtig­ keit seiner Versicherung kannte, war neben der Ver­ urteilung wegen Meineids kein Raum mehr für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids, mochte er auch in dem übergebenen Verzeichnis Vermögensstücke nur fahrlässig verschwiegen haben. (III, 21. Jan. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 58—59. Vgl. Bd. 48 S. 250. 28. Beschäftigung Schwerbeschädigter. Buße. (SchwerBeschG. 88 1, 5, 7, 18, 26.) Ein Fabrikant, der mehr als 20 Arbeitsplätze hatte, wurde von der Fürsorgestelle für Schwerbeschädigte aufgefordert, Schwerbeschädigte ein­ zustellen. Er gab an, daß er seinen Betrieb verkleinern wolle, daß er aber vielleicht einen Nachtwächter brauchen könne. Die Fürsorgestelle sandte ihm darauf einen Schwerbeschädigten zu; er lehnte aber die Einstellung ab.

umfaßte seine Versicherung, die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben, das abgelegte Zeignis als Ganzes und im Zusammenhang. Zur Erfüllung der Eidespflicht hätte es nicht genügt, wenn der Zeuge nur die ehewidrigen Beziehungen zugegeben hätte; sein Zeug­ nis blieb falsch und sein Eid ein Meineid, wenn er nicht die ganze Wahrheit bekannte und auch den Ehebruch zu­ gestand. Das Bekennen der ganzen Wahrheit hätte ihn aber in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gebracht. Bei der Eidesleistung war somit der Tatbestand der Ge­ wissensnot gegeben, die der Vorschrift der Strafermäßi­ gung zugrunde liegt. (II, 21. Januar 1926. Amtl. Sammlg. S. 56—58.

27. Offenbarungseid.

Meineid.

Falscheid.

Tatein­

heit. (StGB. §§ 73, 154, 163; ZPO. § 807.) Auf Grund unrichtiger Angaben bei Ableistung des Offenbarungseidss wurde der Angeklagte wegen Meineids und fahrlässigen Falscheids in rechtlichem Zusammenfluß verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids auf. Tateinheit zwischen vorsätz­ lichen und fahrlässigen Straftaten ist nicht ausgeschlos­ sen; ob sie aber im einzelnen Fall möglich ist, hängt von den Umständen ab. So ist schon entschieden worden, daß eine gegen eine einzige Person verübte Körperverletzung nicht zugleich als vorsätzliche Mißhandlung und fahr­ lässige Körperverletzung angesehen werden könne. So lag der Fall auch hier. Wenn der Angeklagte die Unrichtig­ keit seiner Versicherung kannte, war neben der Ver­ urteilung wegen Meineids kein Raum mehr für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids, mochte er auch in dem übergebenen Verzeichnis Vermögensstücke nur fahrlässig verschwiegen haben. (III, 21. Jan. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 58—59. Vgl. Bd. 48 S. 250. 28. Beschäftigung Schwerbeschädigter. Buße. (SchwerBeschG. 88 1, 5, 7, 18, 26.) Ein Fabrikant, der mehr als 20 Arbeitsplätze hatte, wurde von der Fürsorgestelle für Schwerbeschädigte aufgefordert, Schwerbeschädigte ein­ zustellen. Er gab an, daß er seinen Betrieb verkleinern wolle, daß er aber vielleicht einen Nachtwächter brauchen könne. Die Fürsorgestelle sandte ihm darauf einen Schwerbeschädigten zu; er lehnte aber die Einstellung ab.

umfaßte seine Versicherung, die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben, das abgelegte Zeignis als Ganzes und im Zusammenhang. Zur Erfüllung der Eidespflicht hätte es nicht genügt, wenn der Zeuge nur die ehewidrigen Beziehungen zugegeben hätte; sein Zeug­ nis blieb falsch und sein Eid ein Meineid, wenn er nicht die ganze Wahrheit bekannte und auch den Ehebruch zu­ gestand. Das Bekennen der ganzen Wahrheit hätte ihn aber in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gebracht. Bei der Eidesleistung war somit der Tatbestand der Ge­ wissensnot gegeben, die der Vorschrift der Strafermäßi­ gung zugrunde liegt. (II, 21. Januar 1926. Amtl. Sammlg. S. 56—58.

27. Offenbarungseid.

Meineid.

Falscheid.

Tatein­

heit. (StGB. §§ 73, 154, 163; ZPO. § 807.) Auf Grund unrichtiger Angaben bei Ableistung des Offenbarungseidss wurde der Angeklagte wegen Meineids und fahrlässigen Falscheids in rechtlichem Zusammenfluß verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids auf. Tateinheit zwischen vorsätz­ lichen und fahrlässigen Straftaten ist nicht ausgeschlos­ sen; ob sie aber im einzelnen Fall möglich ist, hängt von den Umständen ab. So ist schon entschieden worden, daß eine gegen eine einzige Person verübte Körperverletzung nicht zugleich als vorsätzliche Mißhandlung und fahr­ lässige Körperverletzung angesehen werden könne. So lag der Fall auch hier. Wenn der Angeklagte die Unrichtig­ keit seiner Versicherung kannte, war neben der Ver­ urteilung wegen Meineids kein Raum mehr für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids, mochte er auch in dem übergebenen Verzeichnis Vermögensstücke nur fahrlässig verschwiegen haben. (III, 21. Jan. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 58—59. Vgl. Bd. 48 S. 250. 28. Beschäftigung Schwerbeschädigter. Buße. (SchwerBeschG. 88 1, 5, 7, 18, 26.) Ein Fabrikant, der mehr als 20 Arbeitsplätze hatte, wurde von der Fürsorgestelle für Schwerbeschädigte aufgefordert, Schwerbeschädigte ein­ zustellen. Er gab an, daß er seinen Betrieb verkleinern wolle, daß er aber vielleicht einen Nachtwächter brauchen könne. Die Fürsorgestelle sandte ihm darauf einen Schwerbeschädigten zu; er lehnte aber die Einstellung ab.

Das Schöffengericht sprach eine Buße gegen ihn aus; das Landgericht sprach ihn frei; das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Solange Arbeitsgerichte nicht bestehen, sind die Schöffengerichte zuständig, die nach dem Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter auszu­ sprechenden Bußen zu verhängen. Die Verhängung der Buße erfolgt im Weg eines Strafbefehls oder eines Urteils des Amtsrichters; die Anfechtung richtet sich nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung. Da im vorliegenden Fall nicht der Amtsrichter, sondern das Schöffengericht in erster Instanz und demgemäß die große Strafkammer in zweiter Instanz entschieden hatte, war das Reichsgericht für die Revision zuständig. Nach dem Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter haben Arbeitgeber, die über 20 oder mehr Arbeitsplätze verfügen, Schwerbeschädigte in Beschäftigung zu nehmen, so oft sie einen freigewordenen alten oder einen neuen Arbeitsplatz besetzen wollen. Einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen oder einen schon angestellten Arbeiter zu ent­ lassen, um einen Schwerbeschädigten aufzunehmen, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet. Die Vorschrift, daß bei der Einstellung Schwerbeschädigte grundsätzlich anderen Bewerbern vorzuziehen seien, hatte das Landgericht in dem Sinne ausgelegt, daß ein Verstoß gegen die Ein­ stellungspflichten nur dann in Frage komme, wenn sich außer dem Schwerbeschädigten noch ein anderer Arbeiter beworben habe und diesem der Vorzug gegeben worden sei. Das Reichsgericht entschied, daß immer in solchen Fällen ein Schwerbeschädigter einzustellen und, falls andere Bewerber neben ihm auftreten, zu bevorzugen sei. Erst wenn ein Arbeitgeber seiner Einstellungspflicht in diesem Sinne zuwidergehandelt und insoferne nicht die vorgeschriebene Anzahl von Schwerbeschädigten ein­ gestellt hat, können (und zwar nunmehr ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitsplatz frei ist oder nicht) die Zwangsmaßregeln des Gesetzes angewendet werden. Hatte der Angeklagte eine Nachtwächterstelle neu geschaffen, so mußte er auf sie einen Schwerbeschädigten berufen. Zur Prüfung dieses Punktes wurde die Sache zurückver­ wiesen. (II, 21. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 59—63.

29. Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Schlafen eines Gerichtsmitglieds. Absoluter Revisions­ grund. (StPO. § 338.) In der Revision war gerügt, daß einer der Schöffen nahezu während der ganzen Sitzung geschlafen habe. Das Reichsgericht verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach der absolute Revi­ sionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nur dann zutrifft, wenn ein Richter mitwirkte, der nicht in gesetzlicher Weise berufen war, nicht aber schon dann, wenn ein Mitglied des Gerichts während der Sitzung schlief; es erklärte aber, hieran nicht festhalten zu können. Ein Gericht ist auch dann nicht vorschrifts­ mäßig besetzt, wenn ein Richter unfähig ist, die Vorgänge während der Hauptverhandlung wahrzunehmen. Aus diesem Grunde können Blinde und Taube nicht das Amt eines Richters ausüben, obwohl ein ausdrückliches Verbot für sie nicht besteht. Dem muß gleichgeachtet werden, wenn ein Richter oder Schöffe in so tiefen Schlaf ver­ fallen ist, daß er die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnimmt. Einer Entscheidung der ver­ einigten Strafsenate über diese Frage bedurfte es nicht, weil weder bewiesen, noch glaubhaft gemacht war, daß der Schöffe tatsächlich geschlafen hatte. Zeichen großer Ermüdung, Neigung zum Schlafen, Kämpfen mit dem Schlaf sind noch kein sicherer Beweis, daß der Scböffe die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte. Selbst ein gelegentliches Schnarchen, wie es int vorliegenden Falle bestätigt worden war, kann noch nicht auf diese Weise gedeutet werden; es schloß nicht aus, daß der Schöffe, vielleicht gerade in­ folge des von ihm verursachten Geräusches, alsbald wieder munter wurde. (I, 22. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 63—65. 30. Amtsunterschlagung. Unrichtige Belege. (StGB. §§ 350, 351.) Ein Postbote unterschlug einen Einschreibe­ brief. Zur Verdeckung der Unterschlagung ließ er sich für einen anderen, an den gleichen Empfänger gerich­ teten einfachen Brief eine Empfangsbestätigung aus­ stellen und legte diesen Ablieferungsschein seiner vorge­ setzten Behörde vor. Er wurde wegen schwerer Amts­ unterschlagung verurteilt; seine Revision wurde ver­ worfen. Der Ablieferungsschein war schon um deswillen

29. Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Schlafen eines Gerichtsmitglieds. Absoluter Revisions­ grund. (StPO. § 338.) In der Revision war gerügt, daß einer der Schöffen nahezu während der ganzen Sitzung geschlafen habe. Das Reichsgericht verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach der absolute Revi­ sionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nur dann zutrifft, wenn ein Richter mitwirkte, der nicht in gesetzlicher Weise berufen war, nicht aber schon dann, wenn ein Mitglied des Gerichts während der Sitzung schlief; es erklärte aber, hieran nicht festhalten zu können. Ein Gericht ist auch dann nicht vorschrifts­ mäßig besetzt, wenn ein Richter unfähig ist, die Vorgänge während der Hauptverhandlung wahrzunehmen. Aus diesem Grunde können Blinde und Taube nicht das Amt eines Richters ausüben, obwohl ein ausdrückliches Verbot für sie nicht besteht. Dem muß gleichgeachtet werden, wenn ein Richter oder Schöffe in so tiefen Schlaf ver­ fallen ist, daß er die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnimmt. Einer Entscheidung der ver­ einigten Strafsenate über diese Frage bedurfte es nicht, weil weder bewiesen, noch glaubhaft gemacht war, daß der Schöffe tatsächlich geschlafen hatte. Zeichen großer Ermüdung, Neigung zum Schlafen, Kämpfen mit dem Schlaf sind noch kein sicherer Beweis, daß der Scböffe die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte. Selbst ein gelegentliches Schnarchen, wie es int vorliegenden Falle bestätigt worden war, kann noch nicht auf diese Weise gedeutet werden; es schloß nicht aus, daß der Schöffe, vielleicht gerade in­ folge des von ihm verursachten Geräusches, alsbald wieder munter wurde. (I, 22. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 63—65. 30. Amtsunterschlagung. Unrichtige Belege. (StGB. §§ 350, 351.) Ein Postbote unterschlug einen Einschreibe­ brief. Zur Verdeckung der Unterschlagung ließ er sich für einen anderen, an den gleichen Empfänger gerich­ teten einfachen Brief eine Empfangsbestätigung aus­ stellen und legte diesen Ablieferungsschein seiner vorge­ setzten Behörde vor. Er wurde wegen schwerer Amts­ unterschlagung verurteilt; seine Revision wurde ver­ worfen. Der Ablieferungsschein war schon um deswillen

als unrichtiger Beleg zu den über die Briefbestellungen geführten Kontrollregistern anzusehen, weil er zum Nach­ weis einer Bestellung, die gar nicht erfolgt war, nämlich der des unterschlagenen Briefes, der Kontrollstelle vor­ gelegt wurde. Er war überdies ein unrichtiger Beleg wegen seines unrichtigen, den Tatsachen nicht entsprechen­ den Inhalts, obwohl diese Unrichtigkeit nicht auf einer Verfälschung, sondern auf einer Täuschung des quittung­ leistenden Empfängers beruhte; weder durch den Wort­ laut noch durch den Sinn und Zweck des Gesetzes wird es gerechtfertigt, nur verfälschte Belege als unrichtige anzusehen. Der Wortlaut spricht gegen eine solche Be­ schränkung, indem er bei den Registern und Büchern zwischen unrichtiger Führung und Verfälschung unter­ scheidet, bei den Belegen dagegen nur von unrichtigen spricht, also einen weit umfassenderen Ausdruck wählt. Zweck der Bestimmung über Belege kann aber nur sein, diese unentbehrliche Unterlage jeder Bücher- und Re­ gisterprüfung auf deren sachliche (nicht nur äußerliche) Richtigkeit vor mißbräuchlicher Verwendung falscher Be­ weismittel zu schützen; dabei darf es keinen Unterschied machen, ob die Unrichtigkeit in eigentlicher Verfälschung oder in der Erschleichung eines unrichtigen Inhalts echter Beweisurkunden besteht. Abzulehnen ist darum die Auffassung, wonach ein Beleg als unrichtig nur dann gilt, wenn er inhaltlich etwas anderes als das vom Aussteller zum Ausdruck Gebrachte besagt, also irgendwie gefälscht ist, nicht schon dann, wenn er eine sachlich unrichtige (erschlichene oder betrügliche) Bekun­ dung des Ausstellers enthält. (II, 28. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 65—67. 31. Totschlag. Beendigung eines Unternehmens. Er­ greifung auf frischer Tat. (StGB. § 214.) Drei Män­ ner, die miteinander einen Raub begangen hatten, flüch­ teten sich und konnten nicht mehr erreicht werden. Einige Stunden später kehrten sie an einem anderen Ort in eine Wirtschaft ein; da die Kunde von dem Raub sich schon verbreitet hatte, wurden sie sofort erkannt. Sie flüch­ teten sich neuerdings; einer von ihnen gab auf die Ver­ folger mehrere Schüsse ab. Er wurde wegen versuchten schweren Totschlags verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Der Totschlag ist mit erhöhter Strafe be-

als unrichtiger Beleg zu den über die Briefbestellungen geführten Kontrollregistern anzusehen, weil er zum Nach­ weis einer Bestellung, die gar nicht erfolgt war, nämlich der des unterschlagenen Briefes, der Kontrollstelle vor­ gelegt wurde. Er war überdies ein unrichtiger Beleg wegen seines unrichtigen, den Tatsachen nicht entsprechen­ den Inhalts, obwohl diese Unrichtigkeit nicht auf einer Verfälschung, sondern auf einer Täuschung des quittung­ leistenden Empfängers beruhte; weder durch den Wort­ laut noch durch den Sinn und Zweck des Gesetzes wird es gerechtfertigt, nur verfälschte Belege als unrichtige anzusehen. Der Wortlaut spricht gegen eine solche Be­ schränkung, indem er bei den Registern und Büchern zwischen unrichtiger Führung und Verfälschung unter­ scheidet, bei den Belegen dagegen nur von unrichtigen spricht, also einen weit umfassenderen Ausdruck wählt. Zweck der Bestimmung über Belege kann aber nur sein, diese unentbehrliche Unterlage jeder Bücher- und Re­ gisterprüfung auf deren sachliche (nicht nur äußerliche) Richtigkeit vor mißbräuchlicher Verwendung falscher Be­ weismittel zu schützen; dabei darf es keinen Unterschied machen, ob die Unrichtigkeit in eigentlicher Verfälschung oder in der Erschleichung eines unrichtigen Inhalts echter Beweisurkunden besteht. Abzulehnen ist darum die Auffassung, wonach ein Beleg als unrichtig nur dann gilt, wenn er inhaltlich etwas anderes als das vom Aussteller zum Ausdruck Gebrachte besagt, also irgendwie gefälscht ist, nicht schon dann, wenn er eine sachlich unrichtige (erschlichene oder betrügliche) Bekun­ dung des Ausstellers enthält. (II, 28. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 65—67. 31. Totschlag. Beendigung eines Unternehmens. Er­ greifung auf frischer Tat. (StGB. § 214.) Drei Män­ ner, die miteinander einen Raub begangen hatten, flüch­ teten sich und konnten nicht mehr erreicht werden. Einige Stunden später kehrten sie an einem anderen Ort in eine Wirtschaft ein; da die Kunde von dem Raub sich schon verbreitet hatte, wurden sie sofort erkannt. Sie flüch­ teten sich neuerdings; einer von ihnen gab auf die Ver­ folger mehrere Schüsse ab. Er wurde wegen versuchten schweren Totschlags verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Der Totschlag ist mit erhöhter Strafe be-

32________________ Strafsachen Bd.60_______________ 28 droht, wenn er bei Unternehmung einer strafbaren Harrdlung begangen wird, um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen. Der Strafschärfung unterliegt sonach der Totschlag nicht nur während der ganzen Dauer der Unternehmung, sondern auch nach ihrer Beendigung noch solange, als eine Verfolgung und Ergreifung auf frischer Tat in Betracht kommt. Innerhalb dieser Grenzen hielt sich die dem Angeklagten zur Last gelegte Handlung. Obwohl damals der Raub schon mehrere Stunden vor­ her vollendet war, war die räuberische Unternehmung' doch noch nicht als beendet anzusehen, denn die Ange­ klagten waren noch beim Wegschaffen der Beute be­ griffen, wollten also das Wegnehmen zum Abschluß brin­ gen und bis zu diesem mit der Unternehmung ange­ strebten Erfolg fortsetzen; die Beendigung der Unter­ nehmung stand also noch aus. Außerdem lag der Er­ schwerungsgrund schon deshalb vor, weil damals noch eine Verfolgung der Angeklagten auf frischer Tat statt­ fand. Die Verfolgung der Angeklagten war alsbald nach der Tat unternommen worden und hatte ununterbrochen fortgedauert, indem man, um ihre Ergreifung herbeizu­ führen, das Geschehnis sofort fernmündlich nach ver­ schiedenen Richtungen bekanntgegeben hatte. Hierdurch war auch erreicht worden, daß man die Räuber sofort erkannte und zu ergreifen suchte. Die Sache war ebenso anzusehen, wie wenn ihnen vom Tatort jemand nachge­ eilt wäre, um ihnen den Weg zu verlegen oder sie auf der Flucht abzufassen. (II, 1. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 67—69. Vgl. Bd. 55 S. 82- RGZ. Bd. 111 S. 370. 32. Offenbarungseid. Eigentümergrundschuld. Irr­ tum. (StGB. §§ 59, 154, 163; BGB. §§ 1163, 1177; ZPO. § 807.) Eine Frau ließ für ihren Mann auf einem ihr gehörigen Haus eine Hypothek für ein Dar­ lehen eintragen. Das Darlehen wurde in Wirklichkeit nicht gegeben. Der Mann wurde zur Ableistung des Offenbarungseides vorgeladen. In dem Vermögensver­ zeichnis, das er bei dieser Gelegenheit vorlegte, verneinte er die Frage, ob er als Pfandgläubiger im Grundbuch eingetragen sei. Er wurde wegen Meineids verurteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der zum Osfenbarungseid geladene Schuldner ist verpflichtet, ein

32________________ Strafsachen Bd.60_______________ 28 droht, wenn er bei Unternehmung einer strafbaren Harrdlung begangen wird, um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen. Der Strafschärfung unterliegt sonach der Totschlag nicht nur während der ganzen Dauer der Unternehmung, sondern auch nach ihrer Beendigung noch solange, als eine Verfolgung und Ergreifung auf frischer Tat in Betracht kommt. Innerhalb dieser Grenzen hielt sich die dem Angeklagten zur Last gelegte Handlung. Obwohl damals der Raub schon mehrere Stunden vor­ her vollendet war, war die räuberische Unternehmung' doch noch nicht als beendet anzusehen, denn die Ange­ klagten waren noch beim Wegschaffen der Beute be­ griffen, wollten also das Wegnehmen zum Abschluß brin­ gen und bis zu diesem mit der Unternehmung ange­ strebten Erfolg fortsetzen; die Beendigung der Unter­ nehmung stand also noch aus. Außerdem lag der Er­ schwerungsgrund schon deshalb vor, weil damals noch eine Verfolgung der Angeklagten auf frischer Tat statt­ fand. Die Verfolgung der Angeklagten war alsbald nach der Tat unternommen worden und hatte ununterbrochen fortgedauert, indem man, um ihre Ergreifung herbeizu­ führen, das Geschehnis sofort fernmündlich nach ver­ schiedenen Richtungen bekanntgegeben hatte. Hierdurch war auch erreicht worden, daß man die Räuber sofort erkannte und zu ergreifen suchte. Die Sache war ebenso anzusehen, wie wenn ihnen vom Tatort jemand nachge­ eilt wäre, um ihnen den Weg zu verlegen oder sie auf der Flucht abzufassen. (II, 1. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 67—69. Vgl. Bd. 55 S. 82- RGZ. Bd. 111 S. 370. 32. Offenbarungseid. Eigentümergrundschuld. Irr­ tum. (StGB. §§ 59, 154, 163; BGB. §§ 1163, 1177; ZPO. § 807.) Eine Frau ließ für ihren Mann auf einem ihr gehörigen Haus eine Hypothek für ein Dar­ lehen eintragen. Das Darlehen wurde in Wirklichkeit nicht gegeben. Der Mann wurde zur Ableistung des Offenbarungseides vorgeladen. In dem Vermögensver­ zeichnis, das er bei dieser Gelegenheit vorlegte, verneinte er die Frage, ob er als Pfandgläubiger im Grundbuch eingetragen sei. Er wurde wegen Meineids verurteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der zum Osfenbarungseid geladene Schuldner ist verpflichtet, ein

Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und zu be­ schwören, daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei. Da der Zweck des Verfahrens ist, dem betreibenden Gläu­ biger Unterlagen für die Zwangsvollstreckung zu ver­ schaffen, müssen alle Bestandteile des Vermögens ange­ geben werden, die .tarn Zugriff des Gläubigers an und für sich zugänglich sind. Der Begriff des Vermögens ist kein ausschließlich rechtlicher, sondern auch ein wirtschaft­ licher; daraus ergibt sich, daß Gegenstände, die ohne allen Vermögenswert sind, als Bestandteil des Ver­ mögens des Schuldners ausscheiden und in das Verzeich­ nis nicht ausgenommen zu werden brauchen. Der An­ geklagte hatte vor dem Untersuchungsrichter erklärt, er habe bei der Ausstellung des Bermögensverzeichnisses wohl an die Hypothek gedacht, sei aber im Zweifel ge­ wesen, ob er sie anführen müsse, weil sie ihm seine Frau nur für den Fall ihres Todes eingeräumt habe. Das Schwurgericht hatte mit Rücksicht hierauf der späteren Angabe des Angeklagten, er habe an die Hypothek nicht gedacht, keinen Glauben beigemessen, vielmehr angenom­ men, daß er die Hypothek absichtlich verschwiegen habe. Dagegen hatte das Schwurgericht nicht geprüft, ob der Angeklagte zur Angabe der Hypothek verpflichtet war. Der Umstand, daß der Angeklagte seiner Frau das Dar­ lehen, für das die Hypothek bestellt worden war, nicht gewährt habe, ergab allerdings noch nicht, daß ihm die Hypothek nicht zustand; möglicherweise war eine andere Schuld seiner Frau gegen ihn in ein Darlehen umgewandelt worden. Das Reichsgericht prüfte auch, wie die Sache zu beurteilen sei, wenn die Frau das Darlehens­ versprechen schenkungsweise abgegeben oder die Hypothek schenkungsweise eingeräumt hatte; es kam zu dem Er­ gebnis, daß in diesem Fall eine Hypothek für den An­ geklagten nicht entstanden war, weil das Schenkungsver­ sprechen mangels der gesetzlichen Form der Gültigkeit entbehrte und durch die Bestellung der Hypothek auch nicht erfüllt worden war. Die Hypothek stand in diesem Fall der Frau des Angeklagten als Eigentümergrund­ schuld zu. Ein solches ungültiges Schenkungsversprecheu konnte auch nicht in ein wirksames Darlehen umgewan­ delt werden. Wenn die Sache so lag, brauchte der AngeRSG., Strafsachen Bd. 60.

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klagte die Hypothek nicht in sein Vermögensverzeichnis einzutragen. Aber auch wenn die durch die Hypothek ge­ sicherte persönliche Forderung zur Entstehung gelangt war, hätte das Schwurgericht den Einwand des Ange­ klagten, daß er die Hypothek für wertlos gehalten habe, prüfen müssen. Hätte sich dabei herausgestellt, daß der Angeklagte sich über Rechtssätze des bürgerlichen Rechts geirrt hatte, so wäre dieser Irrtum seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung der Eidespflicht im Wege gestanden; es wäre weiter zu untersuchen gewesen, ob der Irrtum nicht selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war und ob demgemäß Verurteilung wegen Falscheides erfolgen mußte. (I, 2. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 69—75. Vgl. Bd. 27 S. 267; Bd. 45 S. 429; Bd. 60 S. 37; RGZ. Bd. 76 S. 59; Bd. 78 S. 398; Bd. 88 S. 366. 33. Steuerstrafverfahren. Kommanditgesellschaft. Ver­ treter. Revisionsanträge. Fristbeginn. (RAbgO. §§ 357, 377; HGB. §§ 125, 126, 161; StPO. §§ 341, 343.) In einem Steuerstrafverfahren gegen eine Kommanditgesell­ schaft wurde das Urteil in Gegenwart eines der persön­ lich haftenden Gesellschafter am 28. August 1925 ver­ kündet; der Gesellschaft wurde es am 16. September 1925 zugestellt. Am 3. September 1925 war Revision eingelegt worden; am 28. September 1925 kamen die Revisions­ anträge in den Einlauf des Landgerichts. Zu dieser Zeit war die Frist für die Revisionsbegründung schon abgelaufen. Eine Kommanditgesellschaft wird bei allen gerichtlichen Rechtshandlungen wirksam vertreten durch jeden persönlich haftenden Gesellschafter, woferne nicht durch Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist; das war hier nicht der Fall. Der persönlich haftende Gesell­ schafter war also berechtigt, für die angeklagte Gesell­ schaft die Urteilsbegründung entgegenzunehmen. Hier­ nach hatte die Frist für die Begründung der Revisions­ anträge mit der Urteilszustellung zu laufen begonnen, (II, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 75—77. 34. Vorsätzliche Brandstiftung durch Unterlassung. (StGB. 88 306, 309.) Ein Bauer betrat seinen mit Heu und Stroh gefüllten Heuboden mit brennender Pfeife; er sah, daß von dieser Funken in das Stroh

klagte die Hypothek nicht in sein Vermögensverzeichnis einzutragen. Aber auch wenn die durch die Hypothek ge­ sicherte persönliche Forderung zur Entstehung gelangt war, hätte das Schwurgericht den Einwand des Ange­ klagten, daß er die Hypothek für wertlos gehalten habe, prüfen müssen. Hätte sich dabei herausgestellt, daß der Angeklagte sich über Rechtssätze des bürgerlichen Rechts geirrt hatte, so wäre dieser Irrtum seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung der Eidespflicht im Wege gestanden; es wäre weiter zu untersuchen gewesen, ob der Irrtum nicht selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war und ob demgemäß Verurteilung wegen Falscheides erfolgen mußte. (I, 2. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 69—75. Vgl. Bd. 27 S. 267; Bd. 45 S. 429; Bd. 60 S. 37; RGZ. Bd. 76 S. 59; Bd. 78 S. 398; Bd. 88 S. 366. 33. Steuerstrafverfahren. Kommanditgesellschaft. Ver­ treter. Revisionsanträge. Fristbeginn. (RAbgO. §§ 357, 377; HGB. §§ 125, 126, 161; StPO. §§ 341, 343.) In einem Steuerstrafverfahren gegen eine Kommanditgesell­ schaft wurde das Urteil in Gegenwart eines der persön­ lich haftenden Gesellschafter am 28. August 1925 ver­ kündet; der Gesellschaft wurde es am 16. September 1925 zugestellt. Am 3. September 1925 war Revision eingelegt worden; am 28. September 1925 kamen die Revisions­ anträge in den Einlauf des Landgerichts. Zu dieser Zeit war die Frist für die Revisionsbegründung schon abgelaufen. Eine Kommanditgesellschaft wird bei allen gerichtlichen Rechtshandlungen wirksam vertreten durch jeden persönlich haftenden Gesellschafter, woferne nicht durch Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist; das war hier nicht der Fall. Der persönlich haftende Gesell­ schafter war also berechtigt, für die angeklagte Gesell­ schaft die Urteilsbegründung entgegenzunehmen. Hier­ nach hatte die Frist für die Begründung der Revisions­ anträge mit der Urteilszustellung zu laufen begonnen, (II, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 75—77. 34. Vorsätzliche Brandstiftung durch Unterlassung. (StGB. 88 306, 309.) Ein Bauer betrat seinen mit Heu und Stroh gefüllten Heuboden mit brennender Pfeife; er sah, daß von dieser Funken in das Stroh

klagte die Hypothek nicht in sein Vermögensverzeichnis einzutragen. Aber auch wenn die durch die Hypothek ge­ sicherte persönliche Forderung zur Entstehung gelangt war, hätte das Schwurgericht den Einwand des Ange­ klagten, daß er die Hypothek für wertlos gehalten habe, prüfen müssen. Hätte sich dabei herausgestellt, daß der Angeklagte sich über Rechtssätze des bürgerlichen Rechts geirrt hatte, so wäre dieser Irrtum seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung der Eidespflicht im Wege gestanden; es wäre weiter zu untersuchen gewesen, ob der Irrtum nicht selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war und ob demgemäß Verurteilung wegen Falscheides erfolgen mußte. (I, 2. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 69—75. Vgl. Bd. 27 S. 267; Bd. 45 S. 429; Bd. 60 S. 37; RGZ. Bd. 76 S. 59; Bd. 78 S. 398; Bd. 88 S. 366. 33. Steuerstrafverfahren. Kommanditgesellschaft. Ver­ treter. Revisionsanträge. Fristbeginn. (RAbgO. §§ 357, 377; HGB. §§ 125, 126, 161; StPO. §§ 341, 343.) In einem Steuerstrafverfahren gegen eine Kommanditgesell­ schaft wurde das Urteil in Gegenwart eines der persön­ lich haftenden Gesellschafter am 28. August 1925 ver­ kündet; der Gesellschaft wurde es am 16. September 1925 zugestellt. Am 3. September 1925 war Revision eingelegt worden; am 28. September 1925 kamen die Revisions­ anträge in den Einlauf des Landgerichts. Zu dieser Zeit war die Frist für die Revisionsbegründung schon abgelaufen. Eine Kommanditgesellschaft wird bei allen gerichtlichen Rechtshandlungen wirksam vertreten durch jeden persönlich haftenden Gesellschafter, woferne nicht durch Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist; das war hier nicht der Fall. Der persönlich haftende Gesell­ schafter war also berechtigt, für die angeklagte Gesell­ schaft die Urteilsbegründung entgegenzunehmen. Hier­ nach hatte die Frist für die Begründung der Revisions­ anträge mit der Urteilszustellung zu laufen begonnen, (II, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 75—77. 34. Vorsätzliche Brandstiftung durch Unterlassung. (StGB. 88 306, 309.) Ein Bauer betrat seinen mit Heu und Stroh gefüllten Heuboden mit brennender Pfeife; er sah, daß von dieser Funken in das Stroh

31________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 35 fielen, tat aber nichts, um einen Brand zu verhindern. Seine Verurteilung wegen fahrlässiger Brandstiftung wurde auf die Revision des Staatsanwalts aufgehoben. Die Handlung des Angeklagten war mit dem Fallen der Funken in das Stroh noch nicht beendet; aus dieser von ihm selbst fahrlässig geschaffenen, eine gemeine Ge­ fahr begründenden Sachlage erwuchs ihm die Rechts­ pflicht zu einem Handeln, nämlich zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes durch Löschen der Funken. Von diesem Gesichtspunkt aus war zu prüfen, ob der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz gehandelt hatte. (III, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 77—78. 35. Richterlicher Eid. Auslegung. Aufklürungspflicht. .(StGB. § 153; ZPO. § 461.) Einem Handwerker wurde ein Eid darüber auferlegt, daß er in seinem Zimmer seine Nähmaschine nicht über 10 Uhr nachts benützt habe. Er leistete den Eid. Wegen Meineids an geklagt, berief er sich darauf, daß die von ihm benützte Nähmaschine ihm nicht gehört habe. Seine Verurteilung wurde be­ stätigt. Welchen Sinn ein im Rahmen eines Rechts­ streits vom Gericht aufgelegter Eid hat, ist Auslegungs­ frage, liegt also auf tatsächlichem Gebiet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß einem in der Eidesform gebrauchten Ausdruck nach dem übereinstimmenden Bewußtsein der Beteiligten eine bestimmte Bedeutung zukommt, die dem gewöhnlichen Gebrauch nicht oder nicht genau entspricht. Im vorliegenden Falle hatten sich die Parteien über die Norm und die Erheblichkeit des Eides geeinigt. Dabei stand nichts im Wege, daß sie, da es sich allein darum handelte, ob der Angeklagte als Handwerker eine in seinem Besitz befindliche Nähmaschine in einer bestimm­ ten Art und Weise benützt hatte, diese als seine Näh­ maschine bezeichneten. Das Fürwort betraf in diesem Fall nicht das Eigentumsverhältnis, sondern wies auf die tatsächliche Beziehung der schwurpflichtigen Partei zu dem Gegenstand hin. Nach den Feststellungen des Urteils war sich dessen der Angeklagte auch bewußt. Anders wäre der Fall gelagert gewesen, wenn dem Angeklagten der Eid nur über die nächtliche Benützung einer in seinem Eigentum stehenden Maschine auferlegt t worden wäre; durch die Ableistung dieses Erdes hätte er sich, falls er nur auf fremden Maschinen genäht hatte, einer Eides3*

31________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 35 fielen, tat aber nichts, um einen Brand zu verhindern. Seine Verurteilung wegen fahrlässiger Brandstiftung wurde auf die Revision des Staatsanwalts aufgehoben. Die Handlung des Angeklagten war mit dem Fallen der Funken in das Stroh noch nicht beendet; aus dieser von ihm selbst fahrlässig geschaffenen, eine gemeine Ge­ fahr begründenden Sachlage erwuchs ihm die Rechts­ pflicht zu einem Handeln, nämlich zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes durch Löschen der Funken. Von diesem Gesichtspunkt aus war zu prüfen, ob der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz gehandelt hatte. (III, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 77—78. 35. Richterlicher Eid. Auslegung. Aufklürungspflicht. .(StGB. § 153; ZPO. § 461.) Einem Handwerker wurde ein Eid darüber auferlegt, daß er in seinem Zimmer seine Nähmaschine nicht über 10 Uhr nachts benützt habe. Er leistete den Eid. Wegen Meineids an geklagt, berief er sich darauf, daß die von ihm benützte Nähmaschine ihm nicht gehört habe. Seine Verurteilung wurde be­ stätigt. Welchen Sinn ein im Rahmen eines Rechts­ streits vom Gericht aufgelegter Eid hat, ist Auslegungs­ frage, liegt also auf tatsächlichem Gebiet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß einem in der Eidesform gebrauchten Ausdruck nach dem übereinstimmenden Bewußtsein der Beteiligten eine bestimmte Bedeutung zukommt, die dem gewöhnlichen Gebrauch nicht oder nicht genau entspricht. Im vorliegenden Falle hatten sich die Parteien über die Norm und die Erheblichkeit des Eides geeinigt. Dabei stand nichts im Wege, daß sie, da es sich allein darum handelte, ob der Angeklagte als Handwerker eine in seinem Besitz befindliche Nähmaschine in einer bestimm­ ten Art und Weise benützt hatte, diese als seine Näh­ maschine bezeichneten. Das Fürwort betraf in diesem Fall nicht das Eigentumsverhältnis, sondern wies auf die tatsächliche Beziehung der schwurpflichtigen Partei zu dem Gegenstand hin. Nach den Feststellungen des Urteils war sich dessen der Angeklagte auch bewußt. Anders wäre der Fall gelagert gewesen, wenn dem Angeklagten der Eid nur über die nächtliche Benützung einer in seinem Eigentum stehenden Maschine auferlegt t worden wäre; durch die Ableistung dieses Erdes hätte er sich, falls er nur auf fremden Maschinen genäht hatte, einer Eides3*

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Verletzung auch dann nicht schuldig gemacht, wenn er er­ kannt hätte, daß die Eigentumsfrage für die Entschei­ dung des Rechtsstreits endgültig war; eine Aufklä­ rungspflicht liegt der schwurpflichtigen Partei, im Gegen­ satz zum Zeugen nicht ob. (III, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 78—79. Vgl. Bd. 59 S. 344.

36. Beleidigung. Amtlicher Vorgesetzter. Neben­ klage. BeröffentlichungsbefugniS. (StGB. §§ 196, 200; ZPO. § 421.) Für einen Beamten wurde von seinem amtlichen Vorgesetzten Strafantrag wegen Beleidigung gestellt; er schloß sich selbst dem Verfahren als Neben­ kläger an. Das Landgericht erkannte auch ihm die Be­ fugnis zur Veröffentlichung des Urteils zu. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Für den Fall, daß der beleidigte Beamte selbst nicht an dem Strafverfahren teilgenommen hat, ist schon entschieden worden, daß ihm eine Veröffentlichungsbefugnis nicht zugesprochen werden kann. Das gilt aber nicht, wenn der Beamte sich als Nebenkläger angeschlossen und sogar, wie im vorliegenden Fall, durch Einlegung eines Rechtsmit­ tels in das Verfahren wirksam eingegriffen hat. (I, 16. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 80. Vgl. Bd. 43 S. 173. 37. Leistungswucher. (PreisTrVO. 1923 § 4; St.­ GB. § 302 a.) Gegen Verpfändung einer Grundschuld im Werte von 10000 Goldmark sollte ein Darlehen im gleichen Betrag, zu 12o/o jährlich verzinsbar, gewährt werden. Gegeben wurden 3000 Mark in bar, 7000 Mark in Aktien, die zur Zeit der Hingabe nur 1000 Mark wert waren. Die Verurteilung wegen Leistungswuchers wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Leistungswucher im Sinne der Preistreibereiverordnung liegt nur vor, wenn im Verhältnis zu der Leistung, die angeboten wird, die Gegenleistung einen übermäßigen Verdienst enthält. Wer Milch, die er verfälscht hat, als Voll­ milch zu dem für diese geltenden Marktpreis verkauft, macht sich wohl der Nahrungsmittelfälschung und des Betrugs, nicht aber des Leistungswuchers schuldig; daß der genommene Preis für den Verkäufer einen über­ mäßigen Gewinn enthielt, hat seinen Grund nur darin, daß statt des angebotenen Gegenstandes ein minder-

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Verletzung auch dann nicht schuldig gemacht, wenn er er­ kannt hätte, daß die Eigentumsfrage für die Entschei­ dung des Rechtsstreits endgültig war; eine Aufklä­ rungspflicht liegt der schwurpflichtigen Partei, im Gegen­ satz zum Zeugen nicht ob. (III, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 78—79. Vgl. Bd. 59 S. 344.

36. Beleidigung. Amtlicher Vorgesetzter. Neben­ klage. BeröffentlichungsbefugniS. (StGB. §§ 196, 200; ZPO. § 421.) Für einen Beamten wurde von seinem amtlichen Vorgesetzten Strafantrag wegen Beleidigung gestellt; er schloß sich selbst dem Verfahren als Neben­ kläger an. Das Landgericht erkannte auch ihm die Be­ fugnis zur Veröffentlichung des Urteils zu. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Für den Fall, daß der beleidigte Beamte selbst nicht an dem Strafverfahren teilgenommen hat, ist schon entschieden worden, daß ihm eine Veröffentlichungsbefugnis nicht zugesprochen werden kann. Das gilt aber nicht, wenn der Beamte sich als Nebenkläger angeschlossen und sogar, wie im vorliegenden Fall, durch Einlegung eines Rechtsmit­ tels in das Verfahren wirksam eingegriffen hat. (I, 16. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 80. Vgl. Bd. 43 S. 173. 37. Leistungswucher. (PreisTrVO. 1923 § 4; St.­ GB. § 302 a.) Gegen Verpfändung einer Grundschuld im Werte von 10000 Goldmark sollte ein Darlehen im gleichen Betrag, zu 12o/o jährlich verzinsbar, gewährt werden. Gegeben wurden 3000 Mark in bar, 7000 Mark in Aktien, die zur Zeit der Hingabe nur 1000 Mark wert waren. Die Verurteilung wegen Leistungswuchers wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Leistungswucher im Sinne der Preistreibereiverordnung liegt nur vor, wenn im Verhältnis zu der Leistung, die angeboten wird, die Gegenleistung einen übermäßigen Verdienst enthält. Wer Milch, die er verfälscht hat, als Voll­ milch zu dem für diese geltenden Marktpreis verkauft, macht sich wohl der Nahrungsmittelfälschung und des Betrugs, nicht aber des Leistungswuchers schuldig; daß der genommene Preis für den Verkäufer einen über­ mäßigen Gewinn enthielt, hat seinen Grund nur darin, daß statt des angebotenen Gegenstandes ein minder-

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Verletzung auch dann nicht schuldig gemacht, wenn er er­ kannt hätte, daß die Eigentumsfrage für die Entschei­ dung des Rechtsstreits endgültig war; eine Aufklä­ rungspflicht liegt der schwurpflichtigen Partei, im Gegen­ satz zum Zeugen nicht ob. (III, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 78—79. Vgl. Bd. 59 S. 344.

36. Beleidigung. Amtlicher Vorgesetzter. Neben­ klage. BeröffentlichungsbefugniS. (StGB. §§ 196, 200; ZPO. § 421.) Für einen Beamten wurde von seinem amtlichen Vorgesetzten Strafantrag wegen Beleidigung gestellt; er schloß sich selbst dem Verfahren als Neben­ kläger an. Das Landgericht erkannte auch ihm die Be­ fugnis zur Veröffentlichung des Urteils zu. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Für den Fall, daß der beleidigte Beamte selbst nicht an dem Strafverfahren teilgenommen hat, ist schon entschieden worden, daß ihm eine Veröffentlichungsbefugnis nicht zugesprochen werden kann. Das gilt aber nicht, wenn der Beamte sich als Nebenkläger angeschlossen und sogar, wie im vorliegenden Fall, durch Einlegung eines Rechtsmit­ tels in das Verfahren wirksam eingegriffen hat. (I, 16. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 80. Vgl. Bd. 43 S. 173. 37. Leistungswucher. (PreisTrVO. 1923 § 4; St.­ GB. § 302 a.) Gegen Verpfändung einer Grundschuld im Werte von 10000 Goldmark sollte ein Darlehen im gleichen Betrag, zu 12o/o jährlich verzinsbar, gewährt werden. Gegeben wurden 3000 Mark in bar, 7000 Mark in Aktien, die zur Zeit der Hingabe nur 1000 Mark wert waren. Die Verurteilung wegen Leistungswuchers wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Leistungswucher im Sinne der Preistreibereiverordnung liegt nur vor, wenn im Verhältnis zu der Leistung, die angeboten wird, die Gegenleistung einen übermäßigen Verdienst enthält. Wer Milch, die er verfälscht hat, als Voll­ milch zu dem für diese geltenden Marktpreis verkauft, macht sich wohl der Nahrungsmittelfälschung und des Betrugs, nicht aber des Leistungswuchers schuldig; daß der genommene Preis für den Verkäufer einen über­ mäßigen Gewinn enthielt, hat seinen Grund nur darin, daß statt des angebotenen Gegenstandes ein minder-

wertiger geliefert wird. So kam es auch im gegebenen Fall nicht darauf an, was der Angeklagte geleistet, son­ dern darauf, was er als Leistung angeboten, wozu er sich vertragsmäßig verpflichtet hatte. Zwischen diesem Angebot und der Gegenleistung bestand kein Mißverhält­ nis, das die Verurteilung wegen Leistungswuchers recht­ fertigte; der Zinssatz war sogar für jene Zeit außergewöhnlich niedrig. Daß der Angellagte statt der ange­ botenen Leistung eine geringwertige bewirkte, machte sein Verhalten so wenig zum Leistungswucher, wie wenn er einen Teil des versprochenen Darlehens in gefälschten Geldscheinen gegeben hätte. Sehr wohl konnte dagegen das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand des Kreditwuchers erfüllen, soferne die besonderen Voraus­ setzungen für diese Strafbestimmung gegeben waren. Die Vorschriften über Kreditwucher und Leistungswucher dienen verschiedenen Zwecken; während die ersteren die Rechtsgüter des einzelnen schützen sollen, sind die letz­ teren aus der Notwendigkeit erwachsen, der Allgemein­ heit Hilfe gegen wucherische Übervorteilung zu bewirken. Die Sache wurde zurückverwiesen. (I, 5. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 81—84. Vgl. Bd. 58 S. 321, 329; Bd. 29 S. 311. 38. Kraftwagenunfall. Fahrlässige Körperverletzung. Verursachung. Abweichung von polizeilichen Vorschriften. (StGB. § 230; BO. vom 28. April 1924 über den Kraftfahrzeugverkehr § 21.) Auf einer etwa 10 Meter breiten Landstraße, deren eine Hälfte gepflastert ist, fuhren zwei Kraftwagen in entgegengesetzter Richtung; beide hielten sich auf der Steinbahn. Als sie sich etwa auf 200 Meter nahe gekommen waren, gab der Führer des einen Wagens, der nach den polizeilichen Vorschriften auf der Steinbahn zu bleiben hatte, Warnungszeichen, um den Führer des anderen Wagens zum Ausweichen zu ver­ anlassen; da dieser hierzu keine Anstalten machte, geriet er in Besorgnis, daß die Steuerung des anderen Wagens nicht in Ordnung sei und lenkte nun selbst von der Steinbahn herab. Im gleichen Augenlick tat auch der Führer des anderen Wagens das gleiche. Um einen Zu­ sammenstoß zu vermeiden, steuerte nun der Führer des ersten Wagens noch weiter nach links; hierdurch geriet er an einen Straßenbaum und erlitt erhebliche Ver-

wertiger geliefert wird. So kam es auch im gegebenen Fall nicht darauf an, was der Angeklagte geleistet, son­ dern darauf, was er als Leistung angeboten, wozu er sich vertragsmäßig verpflichtet hatte. Zwischen diesem Angebot und der Gegenleistung bestand kein Mißverhält­ nis, das die Verurteilung wegen Leistungswuchers recht­ fertigte; der Zinssatz war sogar für jene Zeit außergewöhnlich niedrig. Daß der Angellagte statt der ange­ botenen Leistung eine geringwertige bewirkte, machte sein Verhalten so wenig zum Leistungswucher, wie wenn er einen Teil des versprochenen Darlehens in gefälschten Geldscheinen gegeben hätte. Sehr wohl konnte dagegen das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand des Kreditwuchers erfüllen, soferne die besonderen Voraus­ setzungen für diese Strafbestimmung gegeben waren. Die Vorschriften über Kreditwucher und Leistungswucher dienen verschiedenen Zwecken; während die ersteren die Rechtsgüter des einzelnen schützen sollen, sind die letz­ teren aus der Notwendigkeit erwachsen, der Allgemein­ heit Hilfe gegen wucherische Übervorteilung zu bewirken. Die Sache wurde zurückverwiesen. (I, 5. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 81—84. Vgl. Bd. 58 S. 321, 329; Bd. 29 S. 311. 38. Kraftwagenunfall. Fahrlässige Körperverletzung. Verursachung. Abweichung von polizeilichen Vorschriften. (StGB. § 230; BO. vom 28. April 1924 über den Kraftfahrzeugverkehr § 21.) Auf einer etwa 10 Meter breiten Landstraße, deren eine Hälfte gepflastert ist, fuhren zwei Kraftwagen in entgegengesetzter Richtung; beide hielten sich auf der Steinbahn. Als sie sich etwa auf 200 Meter nahe gekommen waren, gab der Führer des einen Wagens, der nach den polizeilichen Vorschriften auf der Steinbahn zu bleiben hatte, Warnungszeichen, um den Führer des anderen Wagens zum Ausweichen zu ver­ anlassen; da dieser hierzu keine Anstalten machte, geriet er in Besorgnis, daß die Steuerung des anderen Wagens nicht in Ordnung sei und lenkte nun selbst von der Steinbahn herab. Im gleichen Augenlick tat auch der Führer des anderen Wagens das gleiche. Um einen Zu­ sammenstoß zu vermeiden, steuerte nun der Führer des ersten Wagens noch weiter nach links; hierdurch geriet er an einen Straßenbaum und erlitt erhebliche Ver-

letzungen. Das Reichsgericht billigte die Verurteilung des anderen Wagenführers wegen fahrlässiger Körper­ verletzung. Die Körperverletzung war allerdings zunächst eine Folge des eigenen Entschlusses und des eigenen Tuns des Verletzten; er handelte aber hierbei nicht nach seinem freien Willen, sondern unter dem Zwang der ihm drohenden Gefahr für Leib und Leben. In diese Zwangslage hatte ihn das Verhalten des Angeklagten gebracht. Mit Recht war dieses als eine Ursache der vom Kläger erlittenen Körperverletzung angesehen wor­ den. Hierbei war es ohne entscheidende Bedeutung, ob es dem Verletzten möglich gewesen wäre, bei größerer Geistesgegenwart oder Geschicklichkeit dem drohenden Zu­ sammenstoß im letzten Augenblick auch auf andere Weise zu entgehen, ohne selber zu Schaden zu kommen; selbst wenn für ihn die Möglichkeit, zweckmäßiger zu handeln, vorgelegen hätte, würde doch die Tatsache bestehen blei­ ben, daß die vom Angeklagten herbeigeführte gefähr­ liche Lage es war, die zu einem ruhigen überlegen keine Zeit ließ und durch den Zwang zu einer plötzlichen Ent­ schließung auch deren etwaige Unzweckmäßigkeit zur Folge hatte. Das Verhalten des Angeklagten war auch rechts­ widrig und schuldhaft. Die polizeilichen Vorschriften über das Ausweichen dürfen nicht unter allen Umständen als maßgebend angesehen werden; im Einzelfall können sich, namentlich aus einem vorschriftswidrigen Verhalten anderer Personen, Umstände ergeben, die gerade von der Beachtung der polizeilichen Vorschriften eine derartige Gefährdung des Verkehrs erwarten lassen, daß zu ihrer Verhütung ein Abweichen von den polizeilichen Vor­ schriften für den Kraftwagenführer nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten sein kann. Das Verhalten des Verletzten mußte unter solchen Umständen für erlaubt und' bedenkenfrei, angesehen werden. Der Angeklagte hätte, um dem Gebote des rechtzeitigen Ausweichens zu genügen, mit der Änderung der Fahrtrichtung nicht so lange warten dürfen, wie es ihm seine eigene große Geschicklichkeit im Ausweichen gestattete; vielmehr hätte er, entsprechend der Geschwindigkeit beider Wagen, so zeitig zur rechten Seite fahren müssen, daß der ent­ gegenkommende Wagen, der für seine Fahrtrichtung die richtige Straßenseite hielt, auf eine größere Strecke

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hm freie Fahrt hatte; die Landstraße ist kein Sport­ platz für Kunstfahrer. (II, 8. Februar 1926.) Amtt. Sammlg. S. 84—88. Vgl. Bd. 59 S. 341.

39. Aufforderung zur Abtreibung. Notstand» Teil­ nahme. (StGB. §§ 49, 49 a, 54, 218.) Eine herz- und lungenkranke Frau, die schon sechsmal geboren und bei der letzten Entbindung an starken Blutungen gelitten hatte, wandte sich, als sie sich wieder schwanger fühlte, an ihre Schwester um Rat. Diese verwies sie an eine Hebamme, die Abtreibungen ausführe: sie schilderte dieser daraufhin in einem Brief ihre verzweifelte Lage und bat sie um Hilfe. Die Hebamme schickte einen Mann, der mehrere Eingriffe vornahm und hierbei von dem Ehemann der Frau unterstützt wurde. Aus briefliches Ersuchen der Frau wiederholte er den Eingriff: ein Erfolg trat nicht ein. Darauf wandte die Frau sich an ihren Hausarzt; dieser veranlaßte ihre Aufnahme in die Frauenklinik, wo ihre Schwangerschaft künstlich unter­ brochen wurde. Es wurde Anklage gegen die Frau, ihre Schwester, ihren Mann, die Hebamme und gegen den Mann, der die Eingriffe vorgenommen hatte, er­ hoben: gegen die Frau wegen versuchter Abtreibung, gegen die anderen Angeklagten (mit Ausnahme der Hebamme) wegen Beihilfe hierzu, gegen die Hebamme wegen Anstiftung zur Beihilfe. Das Landgericht sprach sie sämtlich frei. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte nur teilweisen Erfolg. Sie wandte sich vor allem gegen die Auffassung, daß die Strasvorschriften über Abtreibung nur anwendbar sind, wenn der Erfolg der Abtreibung oder Tötung eingetreten ist. Das Reichs­ gericht erklärte, daß es keinen Anlaß finde, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach ihr hatte das Landge­ richt mit Recht angenommen, daß das Verhalten der Angeklagten — von der Frage der Schuld abgesehen — den Tatbestand der versuchten Abtreibung und der Bei­ hilfe dazu erfülle. Die Freisprechung war erfolgt, weil bei der Frau Notstand angenommen wurde (die nähere Begründung ist nicht veröffentlicht). Da der Notstand nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts fern bloßer persönlicher Strafausschließungsgrund, sondern ein Recht­ fertigungs- oder Schuldausschließungsgrllnd ist, die Haupt-

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hm freie Fahrt hatte; die Landstraße ist kein Sport­ platz für Kunstfahrer. (II, 8. Februar 1926.) Amtt. Sammlg. S. 84—88. Vgl. Bd. 59 S. 341.

39. Aufforderung zur Abtreibung. Notstand» Teil­ nahme. (StGB. §§ 49, 49 a, 54, 218.) Eine herz- und lungenkranke Frau, die schon sechsmal geboren und bei der letzten Entbindung an starken Blutungen gelitten hatte, wandte sich, als sie sich wieder schwanger fühlte, an ihre Schwester um Rat. Diese verwies sie an eine Hebamme, die Abtreibungen ausführe: sie schilderte dieser daraufhin in einem Brief ihre verzweifelte Lage und bat sie um Hilfe. Die Hebamme schickte einen Mann, der mehrere Eingriffe vornahm und hierbei von dem Ehemann der Frau unterstützt wurde. Aus briefliches Ersuchen der Frau wiederholte er den Eingriff: ein Erfolg trat nicht ein. Darauf wandte die Frau sich an ihren Hausarzt; dieser veranlaßte ihre Aufnahme in die Frauenklinik, wo ihre Schwangerschaft künstlich unter­ brochen wurde. Es wurde Anklage gegen die Frau, ihre Schwester, ihren Mann, die Hebamme und gegen den Mann, der die Eingriffe vorgenommen hatte, er­ hoben: gegen die Frau wegen versuchter Abtreibung, gegen die anderen Angeklagten (mit Ausnahme der Hebamme) wegen Beihilfe hierzu, gegen die Hebamme wegen Anstiftung zur Beihilfe. Das Landgericht sprach sie sämtlich frei. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte nur teilweisen Erfolg. Sie wandte sich vor allem gegen die Auffassung, daß die Strasvorschriften über Abtreibung nur anwendbar sind, wenn der Erfolg der Abtreibung oder Tötung eingetreten ist. Das Reichs­ gericht erklärte, daß es keinen Anlaß finde, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach ihr hatte das Landge­ richt mit Recht angenommen, daß das Verhalten der Angeklagten — von der Frage der Schuld abgesehen — den Tatbestand der versuchten Abtreibung und der Bei­ hilfe dazu erfülle. Die Freisprechung war erfolgt, weil bei der Frau Notstand angenommen wurde (die nähere Begründung ist nicht veröffentlicht). Da der Notstand nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts fern bloßer persönlicher Strafausschließungsgrund, sondern ein Recht­ fertigungs- oder Schuldausschließungsgrllnd ist, die Haupt-

täterin also schuldlos gehandelt hatte, waren bei der unselbständigen Natur der Teilnahme auch die Teilneh­ mer als solche nicht strafbar. Zu prüfen war aber, ob die Angeklagten nicht durch ihr Verhalten den Tatbestand des StGB. § 49 a erfüllt hatten. Mit Ausnahme des Ehemannes hatten alle Angeklagten zu Handlungen, welche die Abtreibung zum Ziele hatten, aufgefordert oder sich erboten oder eine solche Aufforderung oder ein solches Erbieten angenommen. Das Reichsgericht wies auf eine Reihe von Punkten hin, die bei der Prüfung zu beachten waren. Es kam vor allem darauf an, wie sich die Tat, worauf die Aufforderung (das Erbieten, die Annahme) gerichtet war, nach dem in der Erklärung zum Ausdruck gebrachten Willen des Ausfordernden ge­ stalten sollte; der Tatbestand des § 49 a war erfüllt, wenn die zum Ausdruck gebrachte Vorstellung eine Tat zum Gegenstand und Inhalt hatte, die im Falle ihrer Verwirklichung auf Seite des Täters nach ihrer äußeren und inneren Seite ein Verbrechen darstellte. Maßgebend war dabei der tatsächliche und rechtliche Inhalt der Vorstellung, nicht die rechtliche Beurteilung des Er­ klärenden. Zu unterscheiden war weiter, ob die Erklä­ rung sich auf eine Zuwiderhandlung gegen § 218 Abs. 1 (Vornahme der Abtreibung durch die Schwangere selbst) oder gegtzn § 218 Abs. 3 (Vornahme der Abtreibung an der Schwangeren mit ihrer Einwilligung) gerichtet war; auch hierbei war es ohne Belang, ob sich der Erklärende des rechtlichen Unterschieds zwischen den Handlungen nach Abs. 1 und Abs. 3 bewußt war. War die Erklä­ rung aus eine Zuwiderhandlung gegen Abs. 1 gerichtet, so wurde sie durch den Gesichtspunkt des Notstands ent­ schuldigt; da die Handlungen der Schwangeren selbst kein Verbrechen war, konnte die Aufforderung zur Teil­ nahme an ihr nicht als Aufforderung zur Teilnahme an einem Verbrechen angesehen werden. Das galt ohne Rücksicht darauf, ob der Notstand als Rechtfertigungs­ grund (Unrechtsausschließungsgründ) oder als Entschul­ digungsgrund (Schuldausschließungsgrund) wirkte; es würde nur dann nicht zutresfen, wenn der Notstand lediglich als persönlicher Strafausschließungsgrund auf­ zufassen wäre. Anderseits mußte der Erklärende davon Kenntnis haben, daß die Handlung im Notstand verübt

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werden sollte; wenn ihm diese Kenntnis fehlte, schloß der in Wirklichkeit vorhandene Notstand seine Bestrafung nicht aus. 'War die Erklärung auf eine Zuwiderhand­ lung nach Abs. 3 gerichtet, so war sie trotz des Not­ stands der Schwangeren strafbar. Ohne die Vorschrift des Abs. 3 wären die dort erwähnten Handlungen als Beihilfe zum Verbrechen nach Abs. 1 zu beurteilen; sie würden also die Berbrechenseigenschaft verlieren, wenn sich die Haupttat wegen Mangels der Rechtswidrigkeit oder der Schuld nicht als Verbrechen darstellen würde; durch Abs. 3 sind sie aber für den Fall, daß sie zum Erfolg führen, zu selbständigen Verbrechen erhoben und dadurch aus der Abhängigkeit von der Tat der Schwan­ geren gelöst worden. Sie sind auch dann als Verbrechen strafbar, wenn die Schwangere sich selbst in Notstand befindet und der Täter das weiß; infolgedessen ist auch die Aufforderung zu ihrer Vornahme trotz Kenntnis des Notstands auf ein Verbrechen gerichtet. Soweit hiernach der Tatbestand des § 49 a erfüllt ist, wird die Strafbar­ keit auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß das Verhalten der Angeklagten auch als Versuch der Abtreibung und als Teilnahme dazu zu beurteilen ist. § 49 a greift nur dann Platz, soweit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht; er weicht jedem Strafgesetz, das denselben Tat­ bestand unter Strafe zieht, sei es als Sonderstraftat, sei es in seiner weiteren Entwicklung zur Täterschaft oder Teilnahme an dem in Aussicht genommenen Ver­ brechen selbst. Kann aber ein anderes Strafgesetz nicht zur Anwendung kommen, weil es an einer der Voraus­ setzungen fehlt, an welche die Strafdrohung nicht ge­ knüpft ist, so kann von einer Aufzehrung keine Rede sein. Hiernach konnte eine Verurteilung der Frau nicht in Betracht kommen. Sie hatte im Hinblick aus ihre von ihr erkannte Notstandslage entweder nur zur Teilnahme an einer schuld- und straflosen Notstandshandlung aus­ gefordert oder sie hatte, soweit die Aufforderung (oder die Annahme eines Erbietens) auf die Begehung eines selbständigen Verbrechens nach § 218 Abs. 3 gerichtet waren, bei diesen Erklärungen selbst im Notstand gehan­ delt. Hinsichtlich der Eheleute war also die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen. Bei den übrigen Angeklagten gestattete der sestgestellte Sachverhalt keine

zuverlässige Beurteilung, wieweit sie sich eines Ver­ gehens nach § 49 a schuldig gemacht hatten. Die Schwester der Frau war, wenn sie von deren Notstands­ lage Kenntnis hatte, unter dem Gesichtspunkt der Not­ hilfe straflos, auch wenn sie zur Teilnahme an einem Verbrechen nach § 218 Abs. 3 aufgefordert hatte. Das festgestellte Gebaren der Hebamme und des Mannes, der die Eingriffe vornahm, stellte zwar Erklärungen dar, die auf Begehung eines Verbrechens nach § 218 Abs. 3 gerichtet waren; auch wirkte die Kenntnis des Notstandes der Frau für sie nicht strafbefreienb, da sie nicht Angehörige der Frau waren und sich darum nicht auf Nothilfe berufen konnten; doch bedurfte es, soweit ein lediglich mündlich ausgedrücktes Auffordern oder Erbieten in Betracht kam, noch der Feststellung, ob die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vorteilen geknüpft war. Diese brauchten allerdings nicht ausdrücklich zugesichert zu sein; es genügte, wenn auf beiden Seiten Einverständnis hierüber herrschte. Die Aufforderung der Hebamme gegenüber dem Mann, der die Eingriffe vornahm, konnte übrigens unter Um­ ständen auch als Anstiftung zum Erbieten gegenüber der schwangeren Frau zu beurteilen sein; in diesem Falle hing die Strafbarkeit der Hebamme nicht davon ab, ob sie dem Mann die Gewährung eines Vorteils in Aus­ sicht stellte. (I, 12. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 88—94. Vgl. Bd. 26 S. 420; Bd. 28 S. 164; Bd. 46 S. 400; Bd. 47 S. 230.

40. Gefährliche Körperverletzung im Amte. Mili­ tärische Wache. Mißbrauch der Waffe. Gesetzeseinheit. (StGB. 88 223, 223 a, 340, 359; MStGB. §§ 29, 53, 55, 111, 122, 125, 145.) Als im Jahre 1923 die Reichs­ wehr in Sachsen zur Wiederherstellung der Ordnung ein­ rückte, wurde von einem Truppenteil eine große Zahl von Zivilpersonen festgenommen und von einem Posten unter Gewehr bewacht. Wachhabender war ein Unter­ feldwebel. Da einer der Festgenommenen sich widersetz­ lich erwies, befahl der Wachhabende einem Soldaten, ihn Kniebeugen machen zu lassen. Bei der Ausführung des Befehls versetzte der Soldat dem Manne Stöße mit dem Gewehrkolben in die Kniekehlen und auf den Rücken.

zuverlässige Beurteilung, wieweit sie sich eines Ver­ gehens nach § 49 a schuldig gemacht hatten. Die Schwester der Frau war, wenn sie von deren Notstands­ lage Kenntnis hatte, unter dem Gesichtspunkt der Not­ hilfe straflos, auch wenn sie zur Teilnahme an einem Verbrechen nach § 218 Abs. 3 aufgefordert hatte. Das festgestellte Gebaren der Hebamme und des Mannes, der die Eingriffe vornahm, stellte zwar Erklärungen dar, die auf Begehung eines Verbrechens nach § 218 Abs. 3 gerichtet waren; auch wirkte die Kenntnis des Notstandes der Frau für sie nicht strafbefreienb, da sie nicht Angehörige der Frau waren und sich darum nicht auf Nothilfe berufen konnten; doch bedurfte es, soweit ein lediglich mündlich ausgedrücktes Auffordern oder Erbieten in Betracht kam, noch der Feststellung, ob die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vorteilen geknüpft war. Diese brauchten allerdings nicht ausdrücklich zugesichert zu sein; es genügte, wenn auf beiden Seiten Einverständnis hierüber herrschte. Die Aufforderung der Hebamme gegenüber dem Mann, der die Eingriffe vornahm, konnte übrigens unter Um­ ständen auch als Anstiftung zum Erbieten gegenüber der schwangeren Frau zu beurteilen sein; in diesem Falle hing die Strafbarkeit der Hebamme nicht davon ab, ob sie dem Mann die Gewährung eines Vorteils in Aus­ sicht stellte. (I, 12. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 88—94. Vgl. Bd. 26 S. 420; Bd. 28 S. 164; Bd. 46 S. 400; Bd. 47 S. 230.

40. Gefährliche Körperverletzung im Amte. Mili­ tärische Wache. Mißbrauch der Waffe. Gesetzeseinheit. (StGB. 88 223, 223 a, 340, 359; MStGB. §§ 29, 53, 55, 111, 122, 125, 145.) Als im Jahre 1923 die Reichs­ wehr in Sachsen zur Wiederherstellung der Ordnung ein­ rückte, wurde von einem Truppenteil eine große Zahl von Zivilpersonen festgenommen und von einem Posten unter Gewehr bewacht. Wachhabender war ein Unter­ feldwebel. Da einer der Festgenommenen sich widersetz­ lich erwies, befahl der Wachhabende einem Soldaten, ihn Kniebeugen machen zu lassen. Bei der Ausführung des Befehls versetzte der Soldat dem Manne Stöße mit dem Gewehrkolben in die Kniekehlen und auf den Rücken.

strebt wird. Im vorliegenden Fall konnte aus der An­ kündigung, den Regierungspräsidenten anzurufen, ge­ schlossen werden, daß es dem Angeklagten nicht oder wenigstens nicht ausschließlich darauf ankam, eine andere sachliche Entscheidung herbeizuführen, sondern daß er auch noch andere Zwecke mit seiner Ankündigung ver­ folgte; ob das zutraf, war noch zu prüfen. (Ferien­ senat, 13. August 1926.) Amtl. Sammlg. S. 337-344. Vgl. Bd. 2 S. 423; Bd. 3 S. 14; Bd. 18 S. 350; Bd. 20 S. 35; Bd. 29 S. 15; Bd. 39 S. 266; Bd. 46 S. 106; Bd. 47 S. 270; Bd. 54 S. 152; Bd. 55 S. 37; Bd. 56 S. 22, 46.

119. Konterbande. Zollhinterziehung. Tateinheit. Strafenhäufung. Bandenschmuggel. Strafschärfung. (BZG. §§ 134, 135, 146, 158; TabStG. § 27; PaßStrBO. vom 6. April 1923.) Mehrere Personen brach­ ten an einer Stelle, die sie für unbewacht hielten, Tabak und andere Waren über die Grenze, um diese teils gegen die bestehenden Einfuhrverbote, teils unter Vermeidung des Zolles dem freien Jnlandsverkehr zuzusühren. Nur eine von ihnen wurde festgenommen. Sie wurde wegen verbotener Einfuhr von Tabakwaren und wegen Zollhinterziehung hinsichtlich der anderen Waren je zu einer Geldstrafe, ersatzweise zu einer Frei­ heitsstrafe verurteilt; außerdem wurde auf Einziehung der beschlagnahmten Waren und wegen Bandenschmug­ gels auf eine Gefängnisstrafe von einem Monat er­ kannt. Die Revision der Staatsanwaltschaft bekämpfte, daß die Strafe wegen Konterbande und Zollhinter­ ziehung nicht allein aus dem schwereren Strafgesetz bestimmt worden war. Sie hatte keinen Erfolg. Konter­ bande und Zollhinterziehung können tateinheitlich Zu­ sammentreffen, wenn einfuhrverbotene mit einfuhrer­ laubten, aber zollpflichtigen Gegenständen durch dieselbe Handlung eingeschmuggelt werden. Auch in diesem Fall hat entsprechend dem § 158 VZG. Strafenhäufung ein­ zutreten. Eine andere Sachbehandlung wäre widersinnig; sie würde darauf hinauslaufen, daß der Täter wegen des einen der beiden Zollvergehen, auch wenn dieses das andere an Umfang noch so sehr überwöge, straffrei ausginge, da eS begrifflich ausgeschlossen wäre, den

Gegenstand des einen dem des anderen Vergehens hinzu-

129_______________Strafsachen Bd. 60_____________ 120 zurechnen. Anderseits war es richtig, daß auf die Schär­ fungsstrafe wegen Bandenschmuggels nur einmal er­ kannt wurde. Sie hat ihren Grund darin, daß bei Ban­ denschmuggel eine größere Rechts- und Sicherheits­ gefährdung gegeben ist. Bei einer im natürlichen Sinn einheitlichen Betätigung des Einzelnen kann dieses Ge­ fährdungsmoment in seiner Person nur einmal er­ wachsen und deshalb auch dann nur einmal zur Straf­ schärfung führen, wenn sein Tun im rechtlichen Sinne mehrere Straftatbestände umfaßt. (III, 20. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 344—346. Vgl. Bd. 47 S. 377; Bd. 49 S. 401; Bd. 60 S. 171. 120. Anstiftung zur Begünstigung des Anstifters. Straflose Selbstbegünstigung. (StGB. §§ 48, 257;

StPO. § 57.) Ein Fleischerlehrling stahl seinem Meister Wurst und verkaufte sie an einen Bekannten, der von dem Diebstahl Kenntnis hatte. Das Strafverfahren wegen Hehlerei endigte mit Freisprechung, weil der wegen Verdachts der Teilnahme unbeeidigt vernommene Lehrling bekundete, er habe die Wurst nicht an den An­ geklagten verkauft. Zu dieser wahrheitswidrigen Aussage war er von dem Angeklagten angestiftet worden; er widerrief sie später, deckte den Sachverhalt auf und wurde wegen Begünstigung verurteilt. In dem Ver­ fahren wegen Anstiftung zur Begünstigung wurde der Angeklagte in zwei Instanzen freigesprochen, weil es sich um straflose Selbstbegünstigung gehandelt habe. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Die Anstif­ tung des Lehrlings wäre dann straflos gewesen, wenn der Angestiftete selbst straflos gehandelt hätte, wenn er nämlich durch seine Zeugenaussage lediglich oder min­ destens zugleich seiner eigenen Bestrafung wegen Dieb­ stahls hätte entgehen wollen; dann wäre auf seiner Seite eine Selbstbegünstigung gegeben gewesen, die weder an ihm noch folgerichtig an seinem Anstifter hätte ge­ ahndet werden können. Das traf aber hier nicht zu. Die Aussage des Lehrlings belastete diesen nicht; sie bezweckte lediglich, den Angeklagten zu entlasten. Der Lehrling wurde deshalb mit Recht wegen Begünsti­ gung des Angeklagten bestraft und ebenso mußte diesen die Strafe des Anstifters treffen, dessen Tat auch dadurch der Strafbarkeit nicht entkleidet wurde, daß sie ihn vor

129_______________Strafsachen Bd. 60_____________ 120 zurechnen. Anderseits war es richtig, daß auf die Schär­ fungsstrafe wegen Bandenschmuggels nur einmal er­ kannt wurde. Sie hat ihren Grund darin, daß bei Ban­ denschmuggel eine größere Rechts- und Sicherheits­ gefährdung gegeben ist. Bei einer im natürlichen Sinn einheitlichen Betätigung des Einzelnen kann dieses Ge­ fährdungsmoment in seiner Person nur einmal er­ wachsen und deshalb auch dann nur einmal zur Straf­ schärfung führen, wenn sein Tun im rechtlichen Sinne mehrere Straftatbestände umfaßt. (III, 20. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 344—346. Vgl. Bd. 47 S. 377; Bd. 49 S. 401; Bd. 60 S. 171. 120. Anstiftung zur Begünstigung des Anstifters. Straflose Selbstbegünstigung. (StGB. §§ 48, 257;

StPO. § 57.) Ein Fleischerlehrling stahl seinem Meister Wurst und verkaufte sie an einen Bekannten, der von dem Diebstahl Kenntnis hatte. Das Strafverfahren wegen Hehlerei endigte mit Freisprechung, weil der wegen Verdachts der Teilnahme unbeeidigt vernommene Lehrling bekundete, er habe die Wurst nicht an den An­ geklagten verkauft. Zu dieser wahrheitswidrigen Aussage war er von dem Angeklagten angestiftet worden; er widerrief sie später, deckte den Sachverhalt auf und wurde wegen Begünstigung verurteilt. In dem Ver­ fahren wegen Anstiftung zur Begünstigung wurde der Angeklagte in zwei Instanzen freigesprochen, weil es sich um straflose Selbstbegünstigung gehandelt habe. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Die Anstif­ tung des Lehrlings wäre dann straflos gewesen, wenn der Angestiftete selbst straflos gehandelt hätte, wenn er nämlich durch seine Zeugenaussage lediglich oder min­ destens zugleich seiner eigenen Bestrafung wegen Dieb­ stahls hätte entgehen wollen; dann wäre auf seiner Seite eine Selbstbegünstigung gegeben gewesen, die weder an ihm noch folgerichtig an seinem Anstifter hätte ge­ ahndet werden können. Das traf aber hier nicht zu. Die Aussage des Lehrlings belastete diesen nicht; sie bezweckte lediglich, den Angeklagten zu entlasten. Der Lehrling wurde deshalb mit Recht wegen Begünsti­ gung des Angeklagten bestraft und ebenso mußte diesen die Strafe des Anstifters treffen, dessen Tat auch dadurch der Strafbarkeit nicht entkleidet wurde, daß sie ihn vor

121_______________ Strafsachen Bd. 60______________ 130 der Bestrafung seiner eigenen Bortat, der Hehlerei, schützen sollte. Straflos ist freilich die Selbstbegünstigung an sich, nämlich jenes Handeln eines Täters, wodurch er sich aus eigener Kraft, ohne strafbares Zu­ tun eines anderen seiner Strafe zu entziehen sucht, weil niemand gesetzlich verpflichtet ist, sich der Bestrafung auszuliefern, und weil mithin das Verhindern eines Zugriffs der Staatsgewalt als solches noch keinen straf­ baren Tatbestand bildet. Insbesondere kann der Täter oder Teilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens nicht auch Täter einer dieselbe Tat betreffenden Begünstigung sein, denn die Begünstigung setzt eine andere Person als Bortäter voraus; Selbstverteidigung ist keine Begünsti­ gung. Allein die Rechtslage ändert sich, sobald ein anderer die Verteidigung des Vortäters im Wege einer strafbaren Begünstigung übernimmt und der Begünstigte selbst sich an dieser neuen unselbständigen Straftat als Anstifter oder Gehilfe beteiligt; das ist dann keine bloße Abwehr der Straffolgen der früheren Straftat mehr, sondern Verübung einer neuen Gesetzesverletzung anderer Art, nämlich eines Eingriffs in die staatliche Rechtsordnung, welche Sühne für begangene Straftaten verlangt. Darum kann eine solche Teilnahme an der Begünstigung niemals einer Beihilfe zur Beihilfe an der Bortat, die allerdings nur straflose Selbstbegünstigung wäre, gleichgestellt werden; diese Auffassung würde eine Verkennung der selbständigen Natur der Begünstigungs­ handlung gegenüber der begünstigten Bortat sein. Die Straflosigkeit der Selbstbegünstigung findet ihre Grenzen an dem Verbot ihrer Betätigung durch Begehung, Ver­ anlassung oder Anstiftung weiterer, für sich bestehender Straftaten. (II, 23. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 346—349. Vgl. Bd. 4 iS. 60; Bd. 8 S. 366; Bd. 21 S. 375: Bd.57 S. 352, 417; Bd. 60 S. 101. 121.

Verkauf.

Hehlerei.

Fahrlässigkeit.

(Metall-

BerkG. § 19.) Ein Altmetallhändler kaufte von einem Angestellten einer Eisenhandlung wiederholt Eisen, das sich dieser dort rechtswidrig zugeeignet hatte. Er wurde wegen fahrlässiger Hehlerei verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Die Fahrlässigkeit lag darin, daß er sich nie bei dem Arbeitgeber des Angeklagten erkundigte,

121_______________ Strafsachen Bd. 60______________ 130 der Bestrafung seiner eigenen Bortat, der Hehlerei, schützen sollte. Straflos ist freilich die Selbstbegünstigung an sich, nämlich jenes Handeln eines Täters, wodurch er sich aus eigener Kraft, ohne strafbares Zu­ tun eines anderen seiner Strafe zu entziehen sucht, weil niemand gesetzlich verpflichtet ist, sich der Bestrafung auszuliefern, und weil mithin das Verhindern eines Zugriffs der Staatsgewalt als solches noch keinen straf­ baren Tatbestand bildet. Insbesondere kann der Täter oder Teilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens nicht auch Täter einer dieselbe Tat betreffenden Begünstigung sein, denn die Begünstigung setzt eine andere Person als Bortäter voraus; Selbstverteidigung ist keine Begünsti­ gung. Allein die Rechtslage ändert sich, sobald ein anderer die Verteidigung des Vortäters im Wege einer strafbaren Begünstigung übernimmt und der Begünstigte selbst sich an dieser neuen unselbständigen Straftat als Anstifter oder Gehilfe beteiligt; das ist dann keine bloße Abwehr der Straffolgen der früheren Straftat mehr, sondern Verübung einer neuen Gesetzesverletzung anderer Art, nämlich eines Eingriffs in die staatliche Rechtsordnung, welche Sühne für begangene Straftaten verlangt. Darum kann eine solche Teilnahme an der Begünstigung niemals einer Beihilfe zur Beihilfe an der Bortat, die allerdings nur straflose Selbstbegünstigung wäre, gleichgestellt werden; diese Auffassung würde eine Verkennung der selbständigen Natur der Begünstigungs­ handlung gegenüber der begünstigten Bortat sein. Die Straflosigkeit der Selbstbegünstigung findet ihre Grenzen an dem Verbot ihrer Betätigung durch Begehung, Ver­ anlassung oder Anstiftung weiterer, für sich bestehender Straftaten. (II, 23. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 346—349. Vgl. Bd. 4 iS. 60; Bd. 8 S. 366; Bd. 21 S. 375: Bd.57 S. 352, 417; Bd. 60 S. 101. 121.

Verkauf.

Hehlerei.

Fahrlässigkeit.

(Metall-

BerkG. § 19.) Ein Altmetallhändler kaufte von einem Angestellten einer Eisenhandlung wiederholt Eisen, das sich dieser dort rechtswidrig zugeeignet hatte. Er wurde wegen fahrlässiger Hehlerei verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Die Fahrlässigkeit lag darin, daß er sich nie bei dem Arbeitgeber des Angeklagten erkundigte,

ob die Sache in Ordnung gehe, obwohl ihm Las, da er sich am gleichen Platz befand, leicht gewesen wäre. Bei der Beratung der Vorschrift wurde gewünscht, daß d-er Begriff der Fahrlässigkeit näher umschrieben werde; die Regierung erklärte das aber für überflüssig und irreführend, da der Begriff der Fahrlässigkeit hier kein anderer sein solle als sonst im Strafrecht, wonach fahr­ lässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande ist. Zum Nach­ weis der Fahrlässigkeit war auch eine frühere Bestrafung des Angeklagten wegen Hehlerei herangezogen worden. Auch das erklärte das Reichsgericht für zulässig. Durch die Bestrafung war er über die Gefährlichkeit solcher Ankäufe für einen Altmetallhändler belehrt worden; in der Nichtberücksichtigung dieser Erfahrung bestand zum großen Teil die Fahrlässigkeit seines Verhaltens. (II, 27. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 349—351. Vgl. Bd. 58 S. 103. 122. Nahrungsmittel. Hilfsstoffe. (NMG. §§ 12,14.) Ein Chemiker stellte ein Mittül her, das bestimmt war, der frischen Milch zugesetzt zu werden, um diese mehrere Tage nicht sauer werden zu lassen. Das Mittel ent­ hielt Formaldehyd, ein scharfes Gift. Er wurde wegen Herstellung eines gesundheitsschädlichen Nahrungsmittels verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Auch Hilfsstoffe, die bestimmt sind, Nahrungsmitteln zu ihrer Erhaltung zugesetzt zu werden, können als Nahrungs­ mittel in Betracht zu kommen. So ist Hefe als Mittel zur Brotbereitung schon als Nahrungsmittel erachtet worden und dasselbe muß von den Backpulvern gelten. Auch Erhaltungsmittel, die den schon fertigen Nahrungs­ mitteln zugefügt werden, sind so zu beurteilen. Wenn ein solches Mittel gesundheitlich einwandfrei den Genuß­ wert des Nahrungsmittels erhalten soll, wird es zu einem Bestandteil des Nahrungsmittels und wird mit diesem in den menschlichen Körper ausgenommen. Wird ein solcher Stoff in einer die menschliche Gesundheit ge­ fährdenden Zusammensetzung hergestellt, so ist eine Ver­ fehlung gegen das Nahrungsmittelgeseh gegeben. (I, 5. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 351—353,

ob die Sache in Ordnung gehe, obwohl ihm Las, da er sich am gleichen Platz befand, leicht gewesen wäre. Bei der Beratung der Vorschrift wurde gewünscht, daß d-er Begriff der Fahrlässigkeit näher umschrieben werde; die Regierung erklärte das aber für überflüssig und irreführend, da der Begriff der Fahrlässigkeit hier kein anderer sein solle als sonst im Strafrecht, wonach fahr­ lässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande ist. Zum Nach­ weis der Fahrlässigkeit war auch eine frühere Bestrafung des Angeklagten wegen Hehlerei herangezogen worden. Auch das erklärte das Reichsgericht für zulässig. Durch die Bestrafung war er über die Gefährlichkeit solcher Ankäufe für einen Altmetallhändler belehrt worden; in der Nichtberücksichtigung dieser Erfahrung bestand zum großen Teil die Fahrlässigkeit seines Verhaltens. (II, 27. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 349—351. Vgl. Bd. 58 S. 103. 122. Nahrungsmittel. Hilfsstoffe. (NMG. §§ 12,14.) Ein Chemiker stellte ein Mittül her, das bestimmt war, der frischen Milch zugesetzt zu werden, um diese mehrere Tage nicht sauer werden zu lassen. Das Mittel ent­ hielt Formaldehyd, ein scharfes Gift. Er wurde wegen Herstellung eines gesundheitsschädlichen Nahrungsmittels verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Auch Hilfsstoffe, die bestimmt sind, Nahrungsmitteln zu ihrer Erhaltung zugesetzt zu werden, können als Nahrungs­ mittel in Betracht zu kommen. So ist Hefe als Mittel zur Brotbereitung schon als Nahrungsmittel erachtet worden und dasselbe muß von den Backpulvern gelten. Auch Erhaltungsmittel, die den schon fertigen Nahrungs­ mitteln zugefügt werden, sind so zu beurteilen. Wenn ein solches Mittel gesundheitlich einwandfrei den Genuß­ wert des Nahrungsmittels erhalten soll, wird es zu einem Bestandteil des Nahrungsmittels und wird mit diesem in den menschlichen Körper ausgenommen. Wird ein solcher Stoff in einer die menschliche Gesundheit ge­ fährdenden Zusammensetzung hergestellt, so ist eine Ver­ fehlung gegen das Nahrungsmittelgeseh gegeben. (I, 5. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 351—353,

123,124,125

Strafsachen Bd. 60

J32

123. Meineid. Urkundenfälschung. Tateinheit. (StGB. 88 73, 153, 267.) Bei einer eidlichen Verneh­ mung überreichte der Zeuge eine von ihm gefälschte Urkunde und beschwor, daß sie echt sei. Es lag Tat­ einheit zwischen Urkundenfälschung und Meineid vor; durch die Erklärung, mit der der Angeklagte seine Eides­ pflicht verletzte, machte er zugleich von der gefälschten Urkunde Gebrauch und verwirklichte durch eine Handlung sowohl einen Teil des Tatbestandes der Urkundenfäl­ schung wie auch den Tatbestand des Meineids. (I, 24. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 353—354. 124. Berufung. Revision. Beweis. Einlegung von Rechtsmitteln. Bedingte Zurücknahme. (StPO. 88 300, 335.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Staatsanwalt Berufung ein. Nachdem ihm das Urteil zugestellt worden war, erklärte er, das Rechtsmittel solle als Revision gelten. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Ein Irrtum in der Bezeichnung des Rechtsmittels kam nach Lage der Sache nicht in Frage; vielmehr handelte es sich um eine Umwandlung des ge­ wollten Rechtsmittels auf Grund nachträglicher Willens­ änderung. Eine solche Umwandlung kennt das Gesetz nicht. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fördernde Sicher­ stellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifels­ freien Bestand und unbedingte Rechtswirksamkeit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechts­ mittels gerichteten Willenserklärung. Wie eine bedingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ausge­ schlossen ist und der Verzicht auf ein Rechtsmittel oder die Zurücknahme unwiderrufliche Geltung hat, so kann auch ein Vorbehalt nachträglicher Änderung der rechtlichen Natur des Rechtsmittels nicht anerkannt werden. Das Rechtsmittel war demgemäß als Berufung weiter zu be­ handeln, da eine bedingungslose Zurücknahme der Be­ rufung nicht vorlag, eine nur bedingte aber keine Wirk­ samkeit hatte. (III, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 354—355. Vgl. Bd. 60 S. 355. 125. Berufung. Revision. Wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln. (StPO. 88 355, 340.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Angeklagte Berufung und

123,124,125

Strafsachen Bd. 60

J32

123. Meineid. Urkundenfälschung. Tateinheit. (StGB. 88 73, 153, 267.) Bei einer eidlichen Verneh­ mung überreichte der Zeuge eine von ihm gefälschte Urkunde und beschwor, daß sie echt sei. Es lag Tat­ einheit zwischen Urkundenfälschung und Meineid vor; durch die Erklärung, mit der der Angeklagte seine Eides­ pflicht verletzte, machte er zugleich von der gefälschten Urkunde Gebrauch und verwirklichte durch eine Handlung sowohl einen Teil des Tatbestandes der Urkundenfäl­ schung wie auch den Tatbestand des Meineids. (I, 24. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 353—354. 124. Berufung. Revision. Beweis. Einlegung von Rechtsmitteln. Bedingte Zurücknahme. (StPO. 88 300, 335.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Staatsanwalt Berufung ein. Nachdem ihm das Urteil zugestellt worden war, erklärte er, das Rechtsmittel solle als Revision gelten. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Ein Irrtum in der Bezeichnung des Rechtsmittels kam nach Lage der Sache nicht in Frage; vielmehr handelte es sich um eine Umwandlung des ge­ wollten Rechtsmittels auf Grund nachträglicher Willens­ änderung. Eine solche Umwandlung kennt das Gesetz nicht. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fördernde Sicher­ stellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifels­ freien Bestand und unbedingte Rechtswirksamkeit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechts­ mittels gerichteten Willenserklärung. Wie eine bedingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ausge­ schlossen ist und der Verzicht auf ein Rechtsmittel oder die Zurücknahme unwiderrufliche Geltung hat, so kann auch ein Vorbehalt nachträglicher Änderung der rechtlichen Natur des Rechtsmittels nicht anerkannt werden. Das Rechtsmittel war demgemäß als Berufung weiter zu be­ handeln, da eine bedingungslose Zurücknahme der Be­ rufung nicht vorlag, eine nur bedingte aber keine Wirk­ samkeit hatte. (III, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 354—355. Vgl. Bd. 60 S. 355. 125. Berufung. Revision. Wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln. (StPO. 88 355, 340.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Angeklagte Berufung und

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Strafsachen Bd. 60

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123. Meineid. Urkundenfälschung. Tateinheit. (StGB. 88 73, 153, 267.) Bei einer eidlichen Verneh­ mung überreichte der Zeuge eine von ihm gefälschte Urkunde und beschwor, daß sie echt sei. Es lag Tat­ einheit zwischen Urkundenfälschung und Meineid vor; durch die Erklärung, mit der der Angeklagte seine Eides­ pflicht verletzte, machte er zugleich von der gefälschten Urkunde Gebrauch und verwirklichte durch eine Handlung sowohl einen Teil des Tatbestandes der Urkundenfäl­ schung wie auch den Tatbestand des Meineids. (I, 24. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 353—354. 124. Berufung. Revision. Beweis. Einlegung von Rechtsmitteln. Bedingte Zurücknahme. (StPO. 88 300, 335.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Staatsanwalt Berufung ein. Nachdem ihm das Urteil zugestellt worden war, erklärte er, das Rechtsmittel solle als Revision gelten. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Ein Irrtum in der Bezeichnung des Rechtsmittels kam nach Lage der Sache nicht in Frage; vielmehr handelte es sich um eine Umwandlung des ge­ wollten Rechtsmittels auf Grund nachträglicher Willens­ änderung. Eine solche Umwandlung kennt das Gesetz nicht. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fördernde Sicher­ stellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifels­ freien Bestand und unbedingte Rechtswirksamkeit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechts­ mittels gerichteten Willenserklärung. Wie eine bedingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ausge­ schlossen ist und der Verzicht auf ein Rechtsmittel oder die Zurücknahme unwiderrufliche Geltung hat, so kann auch ein Vorbehalt nachträglicher Änderung der rechtlichen Natur des Rechtsmittels nicht anerkannt werden. Das Rechtsmittel war demgemäß als Berufung weiter zu be­ handeln, da eine bedingungslose Zurücknahme der Be­ rufung nicht vorlag, eine nur bedingte aber keine Wirk­ samkeit hatte. (III, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 354—355. Vgl. Bd. 60 S. 355. 125. Berufung. Revision. Wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln. (StPO. 88 355, 340.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Angeklagte Berufung und

133______________ Strafsachen Bd. 60______________ J26 Revision ein mit dem Beifügen, daß er sich die Erklärung Vorbehalte, ob er endgültig die Berufung oder Revision festhalten wolle. Nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist erklärte er, er nehme die Berufung zurück und halte die Revision aufrecht. Das Reichsgericht verwarf das Rechtsmittel. Die öffentlich-rechtliche Natur des Pro­ zesses und die im öffentlichen Interesse zu fördernde Sicherstellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifelsfreien Bestand und unbedingte Rechtswirksam­ keit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechtsmittels gerichteten Willenserklärung. Eine be­ dingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ist unzulässig. Die Berufung und die Revision schließen sich gegenseitig aus, wenn sie auch gegen dasselbe Urteil zulässig sind; die Einlegung der Revision bedeutet den stillschweigenden Verzicht auf die Berufung. Der Gesetzgeber hat eine besondere Regelung getroffen für den Fall, daß von mehreren Beteiligten der eine Be­ rufung, der andere Revision einlegt; um so mehr wäre er dazu veranlaßt gewesen, wenn er die Häufung von Berufung und Revision auch bei demselben Angeklagten als zulässig hätte erkennen wollen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 355—357. Vgl. Bd. 60 S. 353. 126. Sparversichrrung. Schuldverschreibung auf den Inhaber. Lotterie. Öffentlichkeit. Genehmignngspflicht. Irrtum. Saargebiet. (BersAufsG. §§ 2, 3, 4, 85, 86,

108; BGB. § 795; StGB. §§ 59, 145 a, 286.) Eine Aktiengesellschaft im Saargebiet, die sich als Sparver­ sicherungsbank bezeichnete, betrieb die Versicherung von Spareinlagen in der Weise, daß sie den Personen, die sich zur regelmäßigen Einlage bei ihr verpflichteten, ein Kapital zusicherte, das spätestens nach Ablauf von 15 Jahren ausbezahlt werden sollte, auf Grund einer allmonatlich vorgenommenen Auslosung aber auch schon früher zur Auszahlung kommen konnte. Ein Vertreter der Gesellschaft wurde angeklagt, Schuldverschreibungen auf den Inhaber ohne die erforderliche staatliche Ge­ nehmigung in den Verkehr gebracht und ohne obrig­ keitliche Erlaubnis eine öffentliche Lotterie veranstaltet zu haben. Das Landgericht sprach ihn frei; das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die von der Aktien-

133______________ Strafsachen Bd. 60______________ J26 Revision ein mit dem Beifügen, daß er sich die Erklärung Vorbehalte, ob er endgültig die Berufung oder Revision festhalten wolle. Nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist erklärte er, er nehme die Berufung zurück und halte die Revision aufrecht. Das Reichsgericht verwarf das Rechtsmittel. Die öffentlich-rechtliche Natur des Pro­ zesses und die im öffentlichen Interesse zu fördernde Sicherstellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifelsfreien Bestand und unbedingte Rechtswirksam­ keit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechtsmittels gerichteten Willenserklärung. Eine be­ dingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ist unzulässig. Die Berufung und die Revision schließen sich gegenseitig aus, wenn sie auch gegen dasselbe Urteil zulässig sind; die Einlegung der Revision bedeutet den stillschweigenden Verzicht auf die Berufung. Der Gesetzgeber hat eine besondere Regelung getroffen für den Fall, daß von mehreren Beteiligten der eine Be­ rufung, der andere Revision einlegt; um so mehr wäre er dazu veranlaßt gewesen, wenn er die Häufung von Berufung und Revision auch bei demselben Angeklagten als zulässig hätte erkennen wollen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 355—357. Vgl. Bd. 60 S. 353. 126. Sparversichrrung. Schuldverschreibung auf den Inhaber. Lotterie. Öffentlichkeit. Genehmignngspflicht. Irrtum. Saargebiet. (BersAufsG. §§ 2, 3, 4, 85, 86,

108; BGB. § 795; StGB. §§ 59, 145 a, 286.) Eine Aktiengesellschaft im Saargebiet, die sich als Sparver­ sicherungsbank bezeichnete, betrieb die Versicherung von Spareinlagen in der Weise, daß sie den Personen, die sich zur regelmäßigen Einlage bei ihr verpflichteten, ein Kapital zusicherte, das spätestens nach Ablauf von 15 Jahren ausbezahlt werden sollte, auf Grund einer allmonatlich vorgenommenen Auslosung aber auch schon früher zur Auszahlung kommen konnte. Ein Vertreter der Gesellschaft wurde angeklagt, Schuldverschreibungen auf den Inhaber ohne die erforderliche staatliche Ge­ nehmigung in den Verkehr gebracht und ohne obrig­ keitliche Erlaubnis eine öffentliche Lotterie veranstaltet zu haben. Das Landgericht sprach ihn frei; das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die von der Aktien-

gesellschaft durch den Angeklagten abgeschlossenen Ver­ träge waren gemischter Natur. Ob sie als Versicherungs­ verträge anzusehen waren, ließ das Reichsgericht dahin­ gestellt. Das für das Saargebiet zuständige Bersicherungsaufsichtsamt hatte die Erlaubnis zum Betrieb des Unternehmens erteilt und zwar auch für das übrige deutsche Gebiet; der Vorstand der Aktiengesellschaft hatte das dem Angeklagten mitgeteilt und dieser hatte darauf­ hin angenommen, daß dem Vertrieb der Versicherungs­ scheine in seinem Bezirk nichts im Wege stehe. Selbst wenn nach dem Gesetz über die privaten Versicherungs­ unternehmungen der Betrieb erlaubnispflichtig war (nach der Auffassung des Reichsaufsichtsamts für Privatver­ sicherung ist das nicht der Fall) und das Aussichtsamt für das Saargebiet zur Erteilung der Erlaubnis für das ganze Deutsche Reich nicht zuständig war, konnte eine Bestrafung des Angeklagten wegen einer Zuwiderhand­ lung gegen dieses Gesetz nicht stattfinden, weil sich die Unkenntnis des Mangels der Erlaubnis als eine durch die Mitteilung des Vorstandes der Gesellschaft hervorgerüfene Unkenntnis über einen Tatumstand darstellte, der den Vorsatz und, da die Mitteilung als glaubwürdig und demgemäß der Irrtum als entschuldbar anzusehen war, auch die Fahrlässigkeit ausschloß. Die vom Ange­ klagten ausgegebenen Versicherungsscheine waren Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber, die auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme lauteten, also unter Mit­ genehmigung der Zentralstelle des Landes, in dessen Gebiet der Aussteller seinen Wohnsitz oder seine gewerb­ liche Niederlassung hat, in Verkehr gebracht werden durfte. Die Ausgabe dieser Versicherungsscheine war im Saargebiet genehmigt; demzufolge konnte der Angeklagte für die Weiterverbreitung nicht bestraft werden. Ge­ hörte das Saargebiet im Sinne dieser Vorschrift zum Ausland, so handelte es sich nicht um Schuldverschrei­ bungen, die im Inland ausgestellt waren; gehörte es aber zum Inland, so war die Genehmigung von der dafür zuständigen Landesbehörde erteilt worden. End­ lich waren die vom Angeklagten abgeschlossenen Verträge auch als Lotterieverträge zu würdigen. Als Spieleinsatz waren die in den Prämien enthaltenen, mathematisch berechenbaren Teilbeträge zp erachten, dexen Ans^mm-

lung in den durch die Auslosung bestimmten Fällen die Gewährung eines Gewinnes, nämlich die Auszahlung des durch die Prämien noch nicht verdienten Nennnbetrags der Police ermöglichte; für jene, die das Los vor dem Ablauf von 15 Jahren nicht traf, erschienen diese Teil­ beträge als Spielverluste. Indem die Gesellschaft den Angeklagten als Vertreter bestellte mit der Verpflichtung, Mitglieder zu werben, ihnen die von der Gesellschaft ausgestellten Policen zu behändigen und ihre Beiträge bei ihnen abzuliefern, veranstaltete sie die Lotterie auch im Inland, selbst wenn eine im Saargebiet veran­ staltete Lotterie als eine ausländische Lotterie anzu­ sehen wäre. Die Veranstaltung war öffentlich, da die Aufforderung zur Teilnahme sich nicht auf einen be­ stimmten, durch Beruf, persönliche Bekanntschaft, ge­ meinsame Interessen oder ähnliche Begrenzungen fest abgeschlossenen Kreis beschränkte; eine Genehmigung der für den Wohnsitz des Angeklagten zuständigen Behörde lag nicht vor. Das Berufungsgericht hatte gleichfalls das Borliegen des Tatbestandes der unerlaubten öffent­ lichen Lotterie für gegeben erachtet, den Angeklagten aber aus dem Gesichtspunkt des Irrtums freigesprochen. Es hatte hiefür auf die Mitteilung des Vorstandes der Gesellschaft an den Angeklagten, daß das Unternehmen von der zuständigen Behörde für alle deutschen Gebiete genehmigt sei, verwiesen und es für unerheblich erklärt, ob der Angeklagte das Wesen des Unternehmens als Lotterie erkannte, da für ihn festgestanden habe, daß es, wie immer es juristisch aufgefaßt wurde, genehmigt sei. Diese Ausführung erklärte das Reichsgericht für bedenklich. Wenn der Angeklagte annahm, dtaß das Unternehmen keine Lotterie fei, konnte er auch nicht der Meinung gewesen sein, daß die erforderliche Ge­ nehmigung vorliege. Die Annahme aber, daß eine Lotterie nicht vorliege, konnte entweder darauf beruhen, daß der Angeklagte Tatumstände nicht kannte, die das Unternehmen rechtlich zur Lotterie stempelten, oder daß er trotz der Kenntnis dieser Tatumstände rechtsirrig' glaubte, das Unternehmen sei keine Lotterie. Nur im ersten Fall lag ein den Vorsatz ausschließender Tat­ irrtum vor; im zweiten Fall dagegen handelte eS sich um einen unbeachtlichen strafrechtlichen Irrtum. DaS

127______________ Strafsachen Bd. 60_______________ 136

gleiche würde von dem etwaigen Irrtum gelten, das; eine Lotterie, die mit einem anderen genehmigungs­ pflichtigen Unternehmen verbunden ist, um dieser Ver­ bindung willen keiner Genehmigung bedürfe. Anders läge die Sache, wenn der Angeklagte irrig angenommen hätte, daß bei einem derartigen gemischten Unternehmen die Behörde, welche die grundlegende Genehmigung (hier die Genehmigung zum Betrieb des Versichernngsunternehmens) zu erteilen hatte, auch zur Genehmigung der daraus sich ergebenden Rechtsgeschäfte (hier der Aus­ gabe der Schuldverschreibungen auf den Inhaber und der Lotterie) zuständig fei; dann läge ein Irrtum über ver­ waltungsrechtliche Bestimmungen vor, der einem Tat­ irrtum gleichzustellen wäre und daher vorsatzausschließend wirkte (I, 24. Sept. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 357—362. Vgl. Bd. 42 S. 430.

127. Lohnabtreibung. Gewerbsmäßige Abtreibung. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (StGB. § 2; StGB. § 219 a. F., 218 n.F.) Im April 1926 wurde eine Frau wegen einer im Februar 1926 be­ gangenen Lohnabtreibung zu einer Zuchthausstrafe ver­ urteilt. Ihre Berufung wurde am 5. August 1926 mit der Maßgabe verworfen, daß sie wegen gewerbsmäßiger Abtreibung verurteilt wurde. In der Zwischenzeit zwischen den beiden Urteilen war das Gesetz vom 18. Mai 1926 in Kraft getreten, durch das die Vorschriften über Abtreibung geändert worden waren. In der Revision der Angeklagten wurde ausgesührt, daß zur Zeit der Begehung der Tat eine gewerbsmäßige Abtreibung noch nicht als eine erschwerte Form der Tat unter Strafe gestellt war und daß nach dem neuen Gesetz die Lohn­ abtreibung nur noch als eine einfache Abtreibung be­ handelt werde. Das Reichsgericht trat dieser Auffassung nicht bei. Gewerbsmäßige Abtreibung war schon nach altem Recht schwerer strafbar, da sie nichts anderes ist als eine Art der Abtreibung gegen Entgelt. Wenn das Landgericht eine Gewerbsmäßigkeit der vom Schöffen­ gericht angenommenen Lohnabtreibung seststellte, lag ihm ein Tatbestand vor, der nach dem Recht zur Zeit der Tat wie auch nach dem Recht zur Zeit ihrer Ab­ urteilung gleichmäßig der Strafschärfung unterstand. Als das mildeste Gesetz war jenes anzusehen, nach welchem

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gleiche würde von dem etwaigen Irrtum gelten, das; eine Lotterie, die mit einem anderen genehmigungs­ pflichtigen Unternehmen verbunden ist, um dieser Ver­ bindung willen keiner Genehmigung bedürfe. Anders läge die Sache, wenn der Angeklagte irrig angenommen hätte, daß bei einem derartigen gemischten Unternehmen die Behörde, welche die grundlegende Genehmigung (hier die Genehmigung zum Betrieb des Versichernngsunternehmens) zu erteilen hatte, auch zur Genehmigung der daraus sich ergebenden Rechtsgeschäfte (hier der Aus­ gabe der Schuldverschreibungen auf den Inhaber und der Lotterie) zuständig fei; dann läge ein Irrtum über ver­ waltungsrechtliche Bestimmungen vor, der einem Tat­ irrtum gleichzustellen wäre und daher vorsatzausschließend wirkte (I, 24. Sept. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 357—362. Vgl. Bd. 42 S. 430.

127. Lohnabtreibung. Gewerbsmäßige Abtreibung. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (StGB. § 2; StGB. § 219 a. F., 218 n.F.) Im April 1926 wurde eine Frau wegen einer im Februar 1926 be­ gangenen Lohnabtreibung zu einer Zuchthausstrafe ver­ urteilt. Ihre Berufung wurde am 5. August 1926 mit der Maßgabe verworfen, daß sie wegen gewerbsmäßiger Abtreibung verurteilt wurde. In der Zwischenzeit zwischen den beiden Urteilen war das Gesetz vom 18. Mai 1926 in Kraft getreten, durch das die Vorschriften über Abtreibung geändert worden waren. In der Revision der Angeklagten wurde ausgesührt, daß zur Zeit der Begehung der Tat eine gewerbsmäßige Abtreibung noch nicht als eine erschwerte Form der Tat unter Strafe gestellt war und daß nach dem neuen Gesetz die Lohn­ abtreibung nur noch als eine einfache Abtreibung be­ handelt werde. Das Reichsgericht trat dieser Auffassung nicht bei. Gewerbsmäßige Abtreibung war schon nach altem Recht schwerer strafbar, da sie nichts anderes ist als eine Art der Abtreibung gegen Entgelt. Wenn das Landgericht eine Gewerbsmäßigkeit der vom Schöffen­ gericht angenommenen Lohnabtreibung seststellte, lag ihm ein Tatbestand vor, der nach dem Recht zur Zeit der Tat wie auch nach dem Recht zur Zeit ihrer Ab­ urteilung gleichmäßig der Strafschärfung unterstand. Als das mildeste Gesetz war jenes anzusehen, nach welchem

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sich aus Grund der besonderen Umstände des gegebenen Falles die Gesamtheit der angedrohten Strafnachteile für den Angeklagten günstiger stellte. Das neue Gesetz läßt zwar bei mildernden Umständen Gefängnisstrafe zu; diese Milderungsmöglichkeit schied aber aus, weil das Landgericht der Angeklagten die Bewilligung mil­ dernder Umstände versagt hatte. Demgemäß ist das neue Gesetz das strengere, da es Zuchthausstrafe bis zu 15 Jahren zuläßt, während nach dem früheren Gesetz die Höchststrafe 10 Jahre Zuchthaus betrug, die Strafe war also dem früheren Gesetz zu entnehmen. (II, 11. Oktober 1926. Amtl. Sammlg. S. 362—364. Vgl. Bd. 58 S. 238. 128. Kokainhandel. Irrtum. Teilnahme. Mittel­ bare Täterschaft. (OpinmG. §§ 2, 8; StGB. §§ 47,

49, 59.) Ein Arzt stellte an Kokainschnupfer Rezepte aus; diese veräußerten das Kokain zum Teil gegen Entgelt. Er wurde von der Anklage der Beihilfe zum Kokain­ handel in zwei Instanzen freigesprochen, weil kein Nach­ weis zu erbringen sei, daß er von dem Handel mit dem von ihm verordneten Kokain Kenntnis hatte oder auch nur mit der Möglichkeit eines solchen rechnete. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Durch das inter­ nationale Opiumabkommen vom 23. Januar 1912 ver­ pflichteten sich die Vertragsmächte, zu denen auch das Deutsche Reich gehörte, die Herstellung, den Verkauf und die Verwendung von Kokain und ähnlichen Giften auf den medizinischen Gebrauch zu beschränken. Demgemäß wurde durch das Opiumgesetz vorgeschrieben, daß die ge­ werbsmäßige Herstellung und Verarbeitung, die Ein­ fuhr und die Ausfuhr, der Erwerb und die Veräußerung! von Kokain und ähnlichen Giften nur den Personen ge­ stattet ist, denen hierzu die Erlaubnis der Landes­ zentralbehörde erteilt worden ist. In Apotheken dürfen diese Mittel als Heilmittel hergestellt, verarbeitet, er­ worben und abgegeben werden.. Daß sie als Heilmittel dienen, ist durch ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Verordnungen nachzuweisen. Unter den Gebrauch zu Heilzwecken fällt auch die in ordnungsmäßigen Grenzen sich bewegende Anordnung zur Schmerzstillung sowie die allmählich abnehmende Verabreichung an Kokainsüch­ tige zur Vermeidung der bei plötzlicher Entziehung auf-

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sich aus Grund der besonderen Umstände des gegebenen Falles die Gesamtheit der angedrohten Strafnachteile für den Angeklagten günstiger stellte. Das neue Gesetz läßt zwar bei mildernden Umständen Gefängnisstrafe zu; diese Milderungsmöglichkeit schied aber aus, weil das Landgericht der Angeklagten die Bewilligung mil­ dernder Umstände versagt hatte. Demgemäß ist das neue Gesetz das strengere, da es Zuchthausstrafe bis zu 15 Jahren zuläßt, während nach dem früheren Gesetz die Höchststrafe 10 Jahre Zuchthaus betrug, die Strafe war also dem früheren Gesetz zu entnehmen. (II, 11. Oktober 1926. Amtl. Sammlg. S. 362—364. Vgl. Bd. 58 S. 238. 128. Kokainhandel. Irrtum. Teilnahme. Mittel­ bare Täterschaft. (OpinmG. §§ 2, 8; StGB. §§ 47,

49, 59.) Ein Arzt stellte an Kokainschnupfer Rezepte aus; diese veräußerten das Kokain zum Teil gegen Entgelt. Er wurde von der Anklage der Beihilfe zum Kokain­ handel in zwei Instanzen freigesprochen, weil kein Nach­ weis zu erbringen sei, daß er von dem Handel mit dem von ihm verordneten Kokain Kenntnis hatte oder auch nur mit der Möglichkeit eines solchen rechnete. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Durch das inter­ nationale Opiumabkommen vom 23. Januar 1912 ver­ pflichteten sich die Vertragsmächte, zu denen auch das Deutsche Reich gehörte, die Herstellung, den Verkauf und die Verwendung von Kokain und ähnlichen Giften auf den medizinischen Gebrauch zu beschränken. Demgemäß wurde durch das Opiumgesetz vorgeschrieben, daß die ge­ werbsmäßige Herstellung und Verarbeitung, die Ein­ fuhr und die Ausfuhr, der Erwerb und die Veräußerung! von Kokain und ähnlichen Giften nur den Personen ge­ stattet ist, denen hierzu die Erlaubnis der Landes­ zentralbehörde erteilt worden ist. In Apotheken dürfen diese Mittel als Heilmittel hergestellt, verarbeitet, er­ worben und abgegeben werden.. Daß sie als Heilmittel dienen, ist durch ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Verordnungen nachzuweisen. Unter den Gebrauch zu Heilzwecken fällt auch die in ordnungsmäßigen Grenzen sich bewegende Anordnung zur Schmerzstillung sowie die allmählich abnehmende Verabreichung an Kokainsüch­ tige zur Vermeidung der bei plötzlicher Entziehung auf-

tretenden üblen Erscheinungen, nicht aber die regel­ mäßige Fortgewährung an Kokainsüchtige, durch welche diesen Kranken nicht geholfen, sondern geschadet wird. Erwerb und Abgabe von Kokain zu Genußzwecken sind auch dann unzulässig, wenn sie auf Grund ärztlicher An­ ordnung erfolgen. Ein Arzt, der eine solche Anordnung ausstellt, bringt das Kokain durch den Apotheker ohne Erlaubnis in den Verkehr und verfehlt sich dadurch gegen das Opiumgesetz. Ist der Apotheker guten Glaubens, so ist der Arzt allein als mittelbarer Täter verant­ wortlich; das gilt nicht nur dann, wenn er sich der Gut­ gläubigkeit des Apothekers bewußt ist, sondern wenn er ihn irriger Weise für böswillig hält. Handeln Arzt und Apotheker bei der Anweisung und Abgabe zu Genuß­ zwecken im ausdrücklichen oder stillschweigenden Ein­ verständnis, so sind sie je nach der Gestaltung der inneren Tatseite entweder als Mittäter oder der eine als Täter, der andere als Gehilfe zu beurteilen. Mit­ täterschaft kommt dann in Frage, wenn jeder von beiden zugleich für den anderen tätig werden will. Ihre An­ nahme wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Apo­ theker durch die Veräußerung des Kokains tätig wird, der Arzt dagegen, der das Kokain nicht besitzt, eine Tätigkeit dieser Art eigenhändig nicht vornehmen kann; denn das Veräußern ist eine Unterart des Inverkehr­ bringens, an dem auch der nichtbesitzende Arzt vn der an­ gegebenen Weise als Täter mitwirken kann. Sind beide bösgläubig, hält aber der eine von ihnen den andern für gutgläubig, so haften beide als Nebentäter, der Arzt als mittelbarer, der Apotheker als unmittelbarer Täter. Erteilt der Arzt eine Anweisung auf Kokain zu Genuß­ zwecken in der Absicht, dadurch eine Abgabe durch einen Apotheker an seinen Kunden zu erreichen, verweigert aber der Apotheker wegen der von ihm erkannten Unzulässig­ keit die Abgabe, so ist der Arzt wegen Versuchs des uner­ laubten Inverkehrbringen des Kokain strafbar. Außerdem kann sich der Arzt durch Ausstellung und Übergabe von Anweisungen auf Kokain an Kokainschnupfer auch der Beihilfe zum unerlaubten Erwerb schuldig machen und dieses Vergehen kann mit dem unerlaubten Inverkehr­ bringen oder Beihilfe hiezu rechtlich zusammenfließen. Die etwaige irrtümliche Annahme des Arztes, daß die

Abgabe von Kokain in Apotheken zu Genußzwecken auf Grund ärztlicher Verordnung dem Erlaubniszwang nicht unterliege, würde sich als unbeachtlicher Strafrechtsirrtum darstellen, den Vorsatz also nicht ausschließen. (I, 5. Okt. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 365—371. 129. Amtsunterschlagung. Urkundenfälschung. Straf­ lose Nachtat. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 267, 268, 270, 350.) Ein Postbeamter unterschlug einen Bries. In diesem fand er einen Scheck, wonach an eine Frau K. oder deren Ordre eine Geldsumme zu zahlen war. Er ließ durch eine nicht ermittelte Person den Scheck auf der Rückseite mit dem Namenszug der Frau K. versehen und legte ihn der Bank zur Zahlung vor, indem er sich als Beauftragter der Frau K. ausgab. Diese zahlte den Scheck aus. Er wurde wegen Amtsunterschlagung und Urkundenfälschung verurteilt. Seine Revision, in der behauptet war, daß die als Urkundenfälschung betrachtete Handlungsweise nur als straflose Nachtat zu beurteilen sei, hatte keinen Er­ folg. Durch die Bestrafung wegen eines Eigentumsver­ gehens sind auch die weiteren Handlungen abgegolten, welche der Täter mit oder an der widerrechtlich zuge­ eigneten Sache vornimmt, soweit er damit nicht in andere strafrechtlich geschützte Rechtsgüter der nämlichen oder einer anderen Person eingreist. Dazu gehört auch die Ver­ wertung oder weitere Ausbeutung der durch das Eigen­ tumsvergehen schon erlangten Sache. Beschränkt sich der Täter hierauf, so liegt nur eine straflose Nachtat vor. Dagegen scheiden für den Kreis der straflosen Nachtat alle Handlungen aus, die außerhalb des Bereichs dessen liegen, was lediglich Zueignung sein würde, wenn diese nicht schon durch das vorausgegangene Tun vollendet wäre. Im gegebenen Falle hatte der Angeklagte durch das Eigentumsvergehen nur einen von der Ordreberech­ tigten noch nicht gezeichneten und deshalb bei der Bank noch nicht verwertbaren Scheck erlangt. Erst durch die Zeichnung mit der falschen Unterschrift der Berechtigten in Verbindung mit der Vorspiegelung eines Auftrags­ verhältnisses verschaffte er sich die Möglichkeit, den Scheck in Geld umzusetzen. Zu diesen beiden Handlungen wäre er auch dann nicht berechtigt gewesen, wenn er rechtmäßig Eigentümer der Urkunde gewesen wäre; sie stellten in ihrem Zusammentreffen einen neuen selb-

Abgabe von Kokain in Apotheken zu Genußzwecken auf Grund ärztlicher Verordnung dem Erlaubniszwang nicht unterliege, würde sich als unbeachtlicher Strafrechtsirrtum darstellen, den Vorsatz also nicht ausschließen. (I, 5. Okt. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 365—371. 129. Amtsunterschlagung. Urkundenfälschung. Straf­ lose Nachtat. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 267, 268, 270, 350.) Ein Postbeamter unterschlug einen Bries. In diesem fand er einen Scheck, wonach an eine Frau K. oder deren Ordre eine Geldsumme zu zahlen war. Er ließ durch eine nicht ermittelte Person den Scheck auf der Rückseite mit dem Namenszug der Frau K. versehen und legte ihn der Bank zur Zahlung vor, indem er sich als Beauftragter der Frau K. ausgab. Diese zahlte den Scheck aus. Er wurde wegen Amtsunterschlagung und Urkundenfälschung verurteilt. Seine Revision, in der behauptet war, daß die als Urkundenfälschung betrachtete Handlungsweise nur als straflose Nachtat zu beurteilen sei, hatte keinen Er­ folg. Durch die Bestrafung wegen eines Eigentumsver­ gehens sind auch die weiteren Handlungen abgegolten, welche der Täter mit oder an der widerrechtlich zuge­ eigneten Sache vornimmt, soweit er damit nicht in andere strafrechtlich geschützte Rechtsgüter der nämlichen oder einer anderen Person eingreist. Dazu gehört auch die Ver­ wertung oder weitere Ausbeutung der durch das Eigen­ tumsvergehen schon erlangten Sache. Beschränkt sich der Täter hierauf, so liegt nur eine straflose Nachtat vor. Dagegen scheiden für den Kreis der straflosen Nachtat alle Handlungen aus, die außerhalb des Bereichs dessen liegen, was lediglich Zueignung sein würde, wenn diese nicht schon durch das vorausgegangene Tun vollendet wäre. Im gegebenen Falle hatte der Angeklagte durch das Eigentumsvergehen nur einen von der Ordreberech­ tigten noch nicht gezeichneten und deshalb bei der Bank noch nicht verwertbaren Scheck erlangt. Erst durch die Zeichnung mit der falschen Unterschrift der Berechtigten in Verbindung mit der Vorspiegelung eines Auftrags­ verhältnisses verschaffte er sich die Möglichkeit, den Scheck in Geld umzusetzen. Zu diesen beiden Handlungen wäre er auch dann nicht berechtigt gewesen, wenn er rechtmäßig Eigentümer der Urkunde gewesen wäre; sie stellten in ihrem Zusammentreffen einen neuen selb-

ständigen Eingriff in die anderweitig strafrechtlich ge­ schützten Rechte dar und konnten nicht als straflose Nach­ taten angesehen werden. Die Unterdrückung und die Be­ raubung des Briefes hatten zwar schon die Verwertung seines Inhalts zum Ziel; damit fielen sie aber nicht mit den späteren Verwertungstaten zu einer einheitlichen Tat im natürlichen Sinne zusammen. (III, 7. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 371—373. Vgl. Bd. 54 S. 80; Bd. 58 S. 113; Bd. 60 S. 241.

130. üble Nachrede. Behaupten von Tatsachen. GesetzeSauslegung. (StGB. § 186.) In einer Zeitung wurden die Beamten des Wohnungsamts in einer Stadt angegriffen. Es wurde ausgeführt, daß der Verdacht ge­ äußert werde, es seien Schmiergelder bezahlt worden; daran wurde die Frage geknüpft, ob dieser Verdacht be­ gründet sei und die Aufforderung an das Wohnungsamt, auf diese Frage Antwort zu geben. Das Schwurgericht sprach den Angeklagten von der Klage eines Vergehens der üblen Nachrede durch die Presse frei mit der Begrün­ dung, ein Bewußtsein des Angeklagten, daß die Veröffent­ lichung eine Behauptung der Annahme von Schmier­ geldern enthalte, lasse sich nicht nachweisen. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Allerdings lag keine Be­ hauptung in dem Sinne vor, daß damit eine Tatsache als bestimmt geschehen hingestellt worden wäre; die rich­ terliche Beurteilung darf aber nicht am Worte kleben, sie hat vielmehr den wirklichen Sinn zu erforschen und unter Umständen auch zwischen den Zeilen zu lesen. In einer Kundgebung, in der bis zum Beweis der Unrichtigkeit eine Tatsache als wahrscheinlich hingestellt wird, ist eine Behauptung im Sinne der Strafvorschrift zu finden. Diesem Tatbestand gegenüber wäre dann zu prüfen ge­ wesen, ob auch hier dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, daß durch eine öffentliche Anprangerung von Be­ amten durch Aussprechen eines Verdachts, von dem sich die Beamten dann reinigen mochten, Tatsachen behauptet wurden, die geeignet waren, die Beamten in der öffent­ lichen Meinung herabzufetzen. (I, 12. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 373-375. Vgl. Bd. 47 S. 293.

131. Urkundenfälschung. Reifezeugnis eines Gymna­ siums. Legitimationspapier. Irrtum. (StGB. §§ 59,

ständigen Eingriff in die anderweitig strafrechtlich ge­ schützten Rechte dar und konnten nicht als straflose Nach­ taten angesehen werden. Die Unterdrückung und die Be­ raubung des Briefes hatten zwar schon die Verwertung seines Inhalts zum Ziel; damit fielen sie aber nicht mit den späteren Verwertungstaten zu einer einheitlichen Tat im natürlichen Sinne zusammen. (III, 7. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 371—373. Vgl. Bd. 54 S. 80; Bd. 58 S. 113; Bd. 60 S. 241.

130. üble Nachrede. Behaupten von Tatsachen. GesetzeSauslegung. (StGB. § 186.) In einer Zeitung wurden die Beamten des Wohnungsamts in einer Stadt angegriffen. Es wurde ausgeführt, daß der Verdacht ge­ äußert werde, es seien Schmiergelder bezahlt worden; daran wurde die Frage geknüpft, ob dieser Verdacht be­ gründet sei und die Aufforderung an das Wohnungsamt, auf diese Frage Antwort zu geben. Das Schwurgericht sprach den Angeklagten von der Klage eines Vergehens der üblen Nachrede durch die Presse frei mit der Begrün­ dung, ein Bewußtsein des Angeklagten, daß die Veröffent­ lichung eine Behauptung der Annahme von Schmier­ geldern enthalte, lasse sich nicht nachweisen. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Allerdings lag keine Be­ hauptung in dem Sinne vor, daß damit eine Tatsache als bestimmt geschehen hingestellt worden wäre; die rich­ terliche Beurteilung darf aber nicht am Worte kleben, sie hat vielmehr den wirklichen Sinn zu erforschen und unter Umständen auch zwischen den Zeilen zu lesen. In einer Kundgebung, in der bis zum Beweis der Unrichtigkeit eine Tatsache als wahrscheinlich hingestellt wird, ist eine Behauptung im Sinne der Strafvorschrift zu finden. Diesem Tatbestand gegenüber wäre dann zu prüfen ge­ wesen, ob auch hier dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, daß durch eine öffentliche Anprangerung von Be­ amten durch Aussprechen eines Verdachts, von dem sich die Beamten dann reinigen mochten, Tatsachen behauptet wurden, die geeignet waren, die Beamten in der öffent­ lichen Meinung herabzufetzen. (I, 12. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 373-375. Vgl. Bd. 47 S. 293.

131. Urkundenfälschung. Reifezeugnis eines Gymna­ siums. Legitimationspapier. Irrtum. (StGB. §§ 59,

ständigen Eingriff in die anderweitig strafrechtlich ge­ schützten Rechte dar und konnten nicht als straflose Nach­ taten angesehen werden. Die Unterdrückung und die Be­ raubung des Briefes hatten zwar schon die Verwertung seines Inhalts zum Ziel; damit fielen sie aber nicht mit den späteren Verwertungstaten zu einer einheitlichen Tat im natürlichen Sinne zusammen. (III, 7. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 371—373. Vgl. Bd. 54 S. 80; Bd. 58 S. 113; Bd. 60 S. 241.

130. üble Nachrede. Behaupten von Tatsachen. GesetzeSauslegung. (StGB. § 186.) In einer Zeitung wurden die Beamten des Wohnungsamts in einer Stadt angegriffen. Es wurde ausgeführt, daß der Verdacht ge­ äußert werde, es seien Schmiergelder bezahlt worden; daran wurde die Frage geknüpft, ob dieser Verdacht be­ gründet sei und die Aufforderung an das Wohnungsamt, auf diese Frage Antwort zu geben. Das Schwurgericht sprach den Angeklagten von der Klage eines Vergehens der üblen Nachrede durch die Presse frei mit der Begrün­ dung, ein Bewußtsein des Angeklagten, daß die Veröffent­ lichung eine Behauptung der Annahme von Schmier­ geldern enthalte, lasse sich nicht nachweisen. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Allerdings lag keine Be­ hauptung in dem Sinne vor, daß damit eine Tatsache als bestimmt geschehen hingestellt worden wäre; die rich­ terliche Beurteilung darf aber nicht am Worte kleben, sie hat vielmehr den wirklichen Sinn zu erforschen und unter Umständen auch zwischen den Zeilen zu lesen. In einer Kundgebung, in der bis zum Beweis der Unrichtigkeit eine Tatsache als wahrscheinlich hingestellt wird, ist eine Behauptung im Sinne der Strafvorschrift zu finden. Diesem Tatbestand gegenüber wäre dann zu prüfen ge­ wesen, ob auch hier dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, daß durch eine öffentliche Anprangerung von Be­ amten durch Aussprechen eines Verdachts, von dem sich die Beamten dann reinigen mochten, Tatsachen behauptet wurden, die geeignet waren, die Beamten in der öffent­ lichen Meinung herabzufetzen. (I, 12. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 373-375. Vgl. Bd. 47 S. 293.

131. Urkundenfälschung. Reifezeugnis eines Gymna­ siums. Legitimationspapier. Irrtum. (StGB. §§ 59,

267, 270, 363.) Zum Zwecke der Zulassung zum Univer­ sitätsstudium wurde ein gefälschtes Reifezeugnis eines Gymnasiums vorgelegt. Die Verurteilung wegen Urkun­ denfälschung wurde bestätigt. Das Reifezeugnis eines Gymnasiums ist eine öffentliche Urkunde; durch die Täu­ schung über die Echtheit dieser Urkunde hatte der Ange­ klagte seine Zulassung zum Universitätsstudium, also eine rechtserhebliche Handlung der getäuschten Beamten, er­ wirkt. Dieses bezügliche Vorgehen hatte nicht lediglich den Zweck des besseren Fortkommens, einer günstigeren Gestaltung der allgemeinen Bedingungen für die äußere Lebenslage, sondern es richtet sich zugleich gegen ein be­ stimmtes fremdes Recht, nämlich gegen das öffentliche Recht des Staates, wornach die Zulassung zum Univer­ sitätsstudium von dem Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht ist. Das Reifezeugnis des Gymnasiums ist nicht bloß ein Schulzeugnis über den Besuch des Gymnasiums oder über Leistungen in einem bestimmten Zeitabschnitt des Schulbesuchs; es soll vielmehr die Grundlage für die Zulassung zu weiterer staatlicher Ausbildung oder An­ stellung oder zur Erwerbung gewisser Grade oder Titel staatlicher Bildungsanstalten sein. Wer durch die Vorlage gefälschter Zeugnisse dieser Art die Beamten der Bil­ dungsanstalten täuscht, verletzt damit das Recht des Staates auf Abgrenzung der Berechtigungen. Ob der An­ geklagte einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführen wollte, ob er seine Immatrikulation an sich für unzulässig hielt oder ob er glaubte, sie würde auch ohne die Täuschung zu erreichen gewesen sein, war bedeutungslos. (II, 14. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 375—378. Vgl. Bd. 10 S. 162; Bd. 38 S. 145; Bd. 39 S. 77; Bd. 43 S. 271; Bd. 58 S. 74. 132. Einbruchdiebstahl. Erbrechen von Behältnissen.

(StGB. § 243.) Die Türe zwischen zwei Zimmern war nicht abgeschlossen, sondern durch einen Schrank verstellt. Der Inhaber des einen Zimmers drang in das andere in der Weise ein, daß er den Schrank beiseiteschob. Das Schöffengericht hatte den Tatbestand eines Einbruchdiebstahls nicht für gegeben erachtet. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Der Angeklagte war nicht gewalt­ sam in das Gebäude eingedrungen und ein im Inneren RGS, Strafsachen Pd. 60,

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267, 270, 363.) Zum Zwecke der Zulassung zum Univer­ sitätsstudium wurde ein gefälschtes Reifezeugnis eines Gymnasiums vorgelegt. Die Verurteilung wegen Urkun­ denfälschung wurde bestätigt. Das Reifezeugnis eines Gymnasiums ist eine öffentliche Urkunde; durch die Täu­ schung über die Echtheit dieser Urkunde hatte der Ange­ klagte seine Zulassung zum Universitätsstudium, also eine rechtserhebliche Handlung der getäuschten Beamten, er­ wirkt. Dieses bezügliche Vorgehen hatte nicht lediglich den Zweck des besseren Fortkommens, einer günstigeren Gestaltung der allgemeinen Bedingungen für die äußere Lebenslage, sondern es richtet sich zugleich gegen ein be­ stimmtes fremdes Recht, nämlich gegen das öffentliche Recht des Staates, wornach die Zulassung zum Univer­ sitätsstudium von dem Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht ist. Das Reifezeugnis des Gymnasiums ist nicht bloß ein Schulzeugnis über den Besuch des Gymnasiums oder über Leistungen in einem bestimmten Zeitabschnitt des Schulbesuchs; es soll vielmehr die Grundlage für die Zulassung zu weiterer staatlicher Ausbildung oder An­ stellung oder zur Erwerbung gewisser Grade oder Titel staatlicher Bildungsanstalten sein. Wer durch die Vorlage gefälschter Zeugnisse dieser Art die Beamten der Bil­ dungsanstalten täuscht, verletzt damit das Recht des Staates auf Abgrenzung der Berechtigungen. Ob der An­ geklagte einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführen wollte, ob er seine Immatrikulation an sich für unzulässig hielt oder ob er glaubte, sie würde auch ohne die Täuschung zu erreichen gewesen sein, war bedeutungslos. (II, 14. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 375—378. Vgl. Bd. 10 S. 162; Bd. 38 S. 145; Bd. 39 S. 77; Bd. 43 S. 271; Bd. 58 S. 74. 132. Einbruchdiebstahl. Erbrechen von Behältnissen.

(StGB. § 243.) Die Türe zwischen zwei Zimmern war nicht abgeschlossen, sondern durch einen Schrank verstellt. Der Inhaber des einen Zimmers drang in das andere in der Weise ein, daß er den Schrank beiseiteschob. Das Schöffengericht hatte den Tatbestand eines Einbruchdiebstahls nicht für gegeben erachtet. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Der Angeklagte war nicht gewalt­ sam in das Gebäude eingedrungen und ein im Inneren RGS, Strafsachen Pd. 60,

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eines Gebäudes liegendes Zimmer ist kein umschlossener Raum im Sinne des Gesetzes; in Frage konnte also nur kommen, ob ein Behältnis im Inneren eines Gebäudes erbrochen worden war. Der Begriff des Erbrechens eines Behältnisses erfordert ebenso wie jener des Einbruchs eine Gestaltsveränderung oder die Aufhebung eines mehr oder minder festen Zusammenhangs der Umschließung. Das Schöffengericht faßte aber den Begriff des Zusam­ menhangs zu eng, indem es verlangte, daß alle Teile der Umschließung fest miteinander verbunden sein müßten. Er genügt zum Begriff des Einbruchs oder des Er­ brechens von Behältnissen, wenn mittels einer Kraftan­ strengung zur Begehung des Diebstahls eine Öffnung der Umschließung erzeugt oder erweitert, ein den Zusammen­ hang wahrendes Hindernis mittels Gewalt an den Ein­ friedigungsmitteln beseitigt wird. Ein Zusammenhang der Umschließung ist hiernach schon dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile der Umschließung zwar nicht fest miteinander verbunden sind, aber doch ein das Ein­ dringen wehrendes Hindernis bilden. Wird ein solches Hindernis gewaltsam, unter Anwendung eines gewissen, im Einzelfatte nach dem entgegengesetzten Widerstand sich richtenden Maße körperlichen Kraftaufwandes beseitigt, so ist der Begriff des (Änbruchs oder des Erbrechens erfüllt. Auch durch eine gewaltsame Trennung der fest zusam­ mengefügten, vielleicht nur durch ihre Schwerkraft ver­ bundenen selbständigen Bestandteile einer die Einfriedi­ gung herstellenden zusammengesetzten Vorrichtung kann eingebrochen werden. (I, 19. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 378—380. Vgl. Bd. 4 S. 353; Bd. 13 S. 206; Bd. 44 S. 74.

133. Räuberischer Diebstahl. Tateinheit. Gesetzes­ einheit. Reformatio in peius. (StGB. §§ 73, 74, 242, 243, 244, 248, 249, 252; StPO. § 331.) Ein Einbrecherwürde auf frischer Tat betreten und verübte auf der Flucht Gewalt gegen die ihm eingegentretenden Personen. Er wurde wegen eines Verbrechens des schweren Dieb­ stahls im Rückfall in Tatmehrheit mit einem Verbrechen des räuberischen Diebstahls angeklagt. In der Hauptver­ handlung vor dem Schöffengericht wurde darauf hinge­ wiesen, daß auch Tateinheit angenommen werden könne; verurteilt wurde er nur wegen räuberischen Diebstahls,

eines Gebäudes liegendes Zimmer ist kein umschlossener Raum im Sinne des Gesetzes; in Frage konnte also nur kommen, ob ein Behältnis im Inneren eines Gebäudes erbrochen worden war. Der Begriff des Erbrechens eines Behältnisses erfordert ebenso wie jener des Einbruchs eine Gestaltsveränderung oder die Aufhebung eines mehr oder minder festen Zusammenhangs der Umschließung. Das Schöffengericht faßte aber den Begriff des Zusam­ menhangs zu eng, indem es verlangte, daß alle Teile der Umschließung fest miteinander verbunden sein müßten. Er genügt zum Begriff des Einbruchs oder des Er­ brechens von Behältnissen, wenn mittels einer Kraftan­ strengung zur Begehung des Diebstahls eine Öffnung der Umschließung erzeugt oder erweitert, ein den Zusammen­ hang wahrendes Hindernis mittels Gewalt an den Ein­ friedigungsmitteln beseitigt wird. Ein Zusammenhang der Umschließung ist hiernach schon dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile der Umschließung zwar nicht fest miteinander verbunden sind, aber doch ein das Ein­ dringen wehrendes Hindernis bilden. Wird ein solches Hindernis gewaltsam, unter Anwendung eines gewissen, im Einzelfatte nach dem entgegengesetzten Widerstand sich richtenden Maße körperlichen Kraftaufwandes beseitigt, so ist der Begriff des (Änbruchs oder des Erbrechens erfüllt. Auch durch eine gewaltsame Trennung der fest zusam­ mengefügten, vielleicht nur durch ihre Schwerkraft ver­ bundenen selbständigen Bestandteile einer die Einfriedi­ gung herstellenden zusammengesetzten Vorrichtung kann eingebrochen werden. (I, 19. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 378—380. Vgl. Bd. 4 S. 353; Bd. 13 S. 206; Bd. 44 S. 74.

133. Räuberischer Diebstahl. Tateinheit. Gesetzes­ einheit. Reformatio in peius. (StGB. §§ 73, 74, 242, 243, 244, 248, 249, 252; StPO. § 331.) Ein Einbrecherwürde auf frischer Tat betreten und verübte auf der Flucht Gewalt gegen die ihm eingegentretenden Personen. Er wurde wegen eines Verbrechens des schweren Dieb­ stahls im Rückfall in Tatmehrheit mit einem Verbrechen des räuberischen Diebstahls angeklagt. In der Hauptver­ handlung vor dem Schöffengericht wurde darauf hinge­ wiesen, daß auch Tateinheit angenommen werden könne; verurteilt wurde er nur wegen räuberischen Diebstahls,

indem angenommen wurde, daß im räuberischen Dieb­ stahl nicht nur der einfache, sondern auch der schwere Diebstahl im Rückfall aufgehe, daß also Gesetzeseinheit vorliege. Das Berufungsgericht erachtete einen Nachweis dafür, daß der Angeklagte außer dem Willen, sich der Festnahme zu entziehen, auch die Beute zu sichern beab­ sichtigte, nicht für erbracht und verwarf die Berufung mit der Maßgabe, daß der Angeklagte nicht eines räube­ rischen Diebstahls, sondern eines schweren Diebstahls im Rückfall schuldig sei. Die Revision des Angeklagten wurde verworfen. Das Verbot der reformatio in peius besagt nur, daß der höhere Richter auf das vom Angeklagten oder zu seinen Gunsten eingelegte Rechtsmittel die er­ kannte Strafe nicht verschärfen darf; in der Anwendung eines strengeren Strafgesetzes ohne gleichzeitige Verschär­ fung der Strafe ist aber eine reformatio in peius nicht enthalten. Der Berufungsrichter ist auch dadurch, daß er den Fall nach irgendeiner Richtung hin milder beurteilt, nicht zur Herabsetzung der Strafe genötigt, wenn er diese auch für die von ihm angenommene Tat noch für ange­ messen erachtet. Das auffallende Ereignis, daß infolge des Wegfalls der Annahme eines räuberischen Diebstahls ein strengeres Strafgesetz angewendet werden mußte, be­ ruhte auf einer unrichtigen Auslegung der Vorschrift über räuberischen Diebstahl. Diese schafft keine Sonder­ straftat, sondern enthält, ebenso wie die Vorschriften über schweren Diebstahl oder über Diebstahl im Rückfall, nur einen straferhöhenden Umstand; das Schöffengericht hätte aber ein Zusammentreffen mehrerer straferhöhender Um­ stände annehmen und bei der Verurteilung (sei es in An­ wendung der Vorschriften über GeseHeseinheit, sei es jener über Tateinheit) die die schwerste Strafdrohung enthaltende Bestimmung über schweren Diebstahl im Rück­ fall zur Anwendung bringen müssen. Der Wegfall des straferhöhenden Umstandes des räuberischen Diebstahls würde dann in der Berufungsinstanz nicht zur Anwen­ dung-eines schwereren Strafgesetzes geführt haben; trotz dieses Wegfalls hätte es bei der Anwendung der Be­ stimmung über schweren Diebstahl im Rückfall sein Be­ wenden gehabt und der Wegfall hätte nur bei der Straf­ zumessung berücksichtigt werden können. (I, 22. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 380—382. Vgl. Bd. 6 S. 243. io*

134. Gesamtstrafe. Frühere Verurteilung. (StGB. §§ 74, 79.) Wegen zweier Verbrechen des Diebstahls war das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet worden. In der Hauptverhandlung vom 29. Dezember 1925 wurde der Angeklagte wegen des einen Verbrechens zu einer Zuchthausstrafe verurteilt; hinsichtlich des anderen Verbrechens wurde die Verhandlung ausgesetzt. Am 12. Januar 1926 wurde er auch wegen dieses Ver­ brechens zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Er legte gegen beide Urteile Berufung ein. Das Landgericht hob das Urteil vom 29. Dezember 1925 auf uno erkannte wegen dieser Tat nur auf eine Gefängnisstrafe; aus beiden Strafen wurde eine Gesamtstrafe gebildet. In der Zwischenzeit zwischen der ersten und der zweiten Verhandlung des Schöffengerichts hatte sich der An­ geklagte einer Anstiftung zum Meineid schuldig gemacht. Das Schwurgericht verurteilte ihn hiewegen zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren; die Bildung einer Gesamtstrafe lehnte es als unzulässig ab. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die Bildung einer Gesamtstrafe war unzulässig, wenn wegen einer der mehreren Handlungen schon eine Verurteilung vorlag, als eine der anderen Handlungen begangen wurde. Es kommt aber nicht schlechthin darauf an, ob wegen einer der mehreren Handlungen überhaupt ein auf Verur­ teilung lautendes Urteil ergangen ist. In einem früher entschiedenen Fall hatte der Angeklagte nach Einlegung der Berufung eine neue Strafhandlung begangen und das Landgericht hatte, über, diese Handlung im ersten Rechtszug, über die anderen im zweiten Rechtszug urteilend, die beiden Sachen verbunden und eine Gesamtstrafe gebildet; das Reichsgericht hatte das gutgeheißen. Diese Auffassung gilt nicht nur für die Verbindung und gleichzeitige Aburteilung der mehreren Fälle; die Bildung einer Gesamtstrafe wird nicht ohne weiteres dadurch ausgeschlossen, daß im Zeit­ punkt der Begehung der einen Handlung wegen einer anderen schon ein verurteilendes Erkenntnis ausgespro­ chen ist. Anderseits ist auch nicht erforderlich, daß das frühere Urteil schon rechtskräftig war, ehe die neue Handlung begangen wurde. Wenn der Angeklagte nach seiner Verurteilung, aber vor Ende der Berufungsfrist eine neue strafbare Handlung begeht, und dann das

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Urteil rechtskräftig wird, ist die Bildung einer Gesamt­ strafe unzulässig, ebenso, wenn er Berufung eingelegt, sie aber zurückgenommen hat oder wenn die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Wird aber das Berufungsverfahren durchgeführt und über die Tat neu entschieden, so ist für die Frage der Gesamtstrafe die Berufungsverhandlung maßgebend. Das ergibt sich aus dem Wesen des Berufungsverfahrens als einer erneuten, selbständigen tatrichterlichen Würdigung der Anklage. Welches Ergebnis die Berufungsverhandlung hat, ist gleichgültig; auch wenn die Berufung des Angeklagten verworfen wird, gibt das Berufungsgericht die Ent­ scheidung des Falles. Anders liegt die Sache im Falle der Revision, weil bei dieser nur der rechtliche Bestand des angefochtenen Urteils nachzuprüftn ist; wird aber die Sache an den Tatrichter zurückverwiesen, so hat die nunmehr ergehende Entscheidung für die Frage der Gesamtstrafe als maßgebend zu gelten. Demgemäß lag zur Zeit der Anstiftung zum Meineid noch keine Ver­ urteilung vor und der Bildung einer Gesamtstrafe stand kein Hindernis im Wege (I, 22. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg, S. 382—385. Vgl. Bd. 3 S. 213; Bd. 33 S. 231; Bd. 53 S. 145. 135. Lotterieveranstaltung. Preisrätsel. (StGB. § 286.) Der Hersteller eines chemischen Heilmittels for­ derte zum Kauf in zahlreichen Zeitungen in der Weise auf, daß er die Lösung eines Rätsels als Preisaufgabe stellte und jedem, der die richtige Lösung nebst einem Betrag von 1 Mark einsenden würde, eine Schachtel des Heilmittels und einen Geldpreis zusicherte. Die als einzig richtig bezeichnete Lösung wurde bei einem Notar hinterlegt. Mehr als 70000 Personen sandten Lösungen ein; als richtig wurden nur etwa 70 anerkannt. Das Rätsel war mehrlöslich gewesen. So waren aus den angegebenen Silben u. a. folgende Worte zu bilden: Ein seit dem 11. Jahrhundert bekannter Königsname, Mittenwalder Gebirgsbezeichnung, Wasservogel, sagen­ hafte Zwergenbezeichnung. Die meisten Einsender gaben als Lösung an: Ottokar, Karwendel, Ente, Alberich; nach der vom Angeklagten hinterlegten Erklärung lautete aber die richtige Lösung: Otto, Karwendelkar, Enterich, Albe. Das Landgericht nahm an, daß zur Lösung des

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Urteil rechtskräftig wird, ist die Bildung einer Gesamt­ strafe unzulässig, ebenso, wenn er Berufung eingelegt, sie aber zurückgenommen hat oder wenn die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Wird aber das Berufungsverfahren durchgeführt und über die Tat neu entschieden, so ist für die Frage der Gesamtstrafe die Berufungsverhandlung maßgebend. Das ergibt sich aus dem Wesen des Berufungsverfahrens als einer erneuten, selbständigen tatrichterlichen Würdigung der Anklage. Welches Ergebnis die Berufungsverhandlung hat, ist gleichgültig; auch wenn die Berufung des Angeklagten verworfen wird, gibt das Berufungsgericht die Ent­ scheidung des Falles. Anders liegt die Sache im Falle der Revision, weil bei dieser nur der rechtliche Bestand des angefochtenen Urteils nachzuprüftn ist; wird aber die Sache an den Tatrichter zurückverwiesen, so hat die nunmehr ergehende Entscheidung für die Frage der Gesamtstrafe als maßgebend zu gelten. Demgemäß lag zur Zeit der Anstiftung zum Meineid noch keine Ver­ urteilung vor und der Bildung einer Gesamtstrafe stand kein Hindernis im Wege (I, 22. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg, S. 382—385. Vgl. Bd. 3 S. 213; Bd. 33 S. 231; Bd. 53 S. 145. 135. Lotterieveranstaltung. Preisrätsel. (StGB. § 286.) Der Hersteller eines chemischen Heilmittels for­ derte zum Kauf in zahlreichen Zeitungen in der Weise auf, daß er die Lösung eines Rätsels als Preisaufgabe stellte und jedem, der die richtige Lösung nebst einem Betrag von 1 Mark einsenden würde, eine Schachtel des Heilmittels und einen Geldpreis zusicherte. Die als einzig richtig bezeichnete Lösung wurde bei einem Notar hinterlegt. Mehr als 70000 Personen sandten Lösungen ein; als richtig wurden nur etwa 70 anerkannt. Das Rätsel war mehrlöslich gewesen. So waren aus den angegebenen Silben u. a. folgende Worte zu bilden: Ein seit dem 11. Jahrhundert bekannter Königsname, Mittenwalder Gebirgsbezeichnung, Wasservogel, sagen­ hafte Zwergenbezeichnung. Die meisten Einsender gaben als Lösung an: Ottokar, Karwendel, Ente, Alberich; nach der vom Angeklagten hinterlegten Erklärung lautete aber die richtige Lösung: Otto, Karwendelkar, Enterich, Albe. Das Landgericht nahm an, daß zur Lösung des

Rätsels zwar ein bestimmtes Maß geistiger Arbeit er­ forderlich gewesen sei, daß aber das Erraten der rich­ tigen Lösung und demgemäß der Gewinn im wesent­ lichen vom Zufall abgehangen habe. Das Reichsgericht erachtete gleichwohl den Tatbestand einer Lotterieveran­ staltung nicht für gegeben. Hiefür wird ein Unternehmen erfordert, das nicht nur seiner Einrichtung und seinem Zweck nach den Erfolg vom Zufall abhängen läßt, und so gewollt ist, sondern das auch nach außen hin als eine solche vom Zufall abhängige Einrichtung erkennbar ist. Es genügt nicht, daß überhaupt der Zufall bei der Ge­ winnzuteilung eine Rolle spielen kannn, vielmehr muß auch schon der Spielplan darauf gerichtet und das allen, die sich an der Veranstaltung beteiligen wollen, erkennbar sein. Nur wenn die dem Unternehmen gegen­ überstehenden Bertragsteile erkennen, daß der Zufall eine wesentliche Rolle spielt, ist der Abschluß eines Spiel­ vertrags zwischen ihnen möglich; nur in diesem Fallekann auch von einem Einsatz gesprochen werden. Daß das hier zutraf, war den Feststellungen des Berufungs­ urteils nicht zu entnehmen. (I, 8. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 385—389. 136. Branntweinmonopol. Geldstrafe. Höchstbetrag. Mindestbetrag. Abgabennachzahlung. (StGB. § 27, 27a; BranntwMonG. §§ 119, 148; RAbgO. § 412.) Wegen mehrerer Verfehlungen gegen das Branntweinmonopol­ gesetz erkannte das Schöffengericht auf eine Geldstrafe von 25000 Mark; der hinterzogene Betrag war bis zum Betrag von 5200 Mark ermittelt worden, hatte sich aber nicht genau feststellen lassen. Das Landgericht setzte die Strafe auf 10000 Mark herab. Die Revision der Staatsanwaltschaft führte zur Aufhebung des Urteils. Die Vorschriften über den Höchstbetrag von Geldstrafen gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehr­ fachen eines bestimmten Betrages besteht. Nach dem Branntweinmonopolgesetz ist die Hinterziehung mit dem mehrfachen Betrag der hinterzogenen Abgabe zu be­ strafen. Damit ist weder eine Mindeststrafe noch eine Höchststrafe angeordnet, sondern die angedrohte Strafe genau festgelegt. Demgemäß durfte die für die in ihrem Betrag festgelegte Hinterziehung auszusprechende Geld­ strafe weder höher noch niedriger als auf ihren vierfachen

Rätsels zwar ein bestimmtes Maß geistiger Arbeit er­ forderlich gewesen sei, daß aber das Erraten der rich­ tigen Lösung und demgemäß der Gewinn im wesent­ lichen vom Zufall abgehangen habe. Das Reichsgericht erachtete gleichwohl den Tatbestand einer Lotterieveran­ staltung nicht für gegeben. Hiefür wird ein Unternehmen erfordert, das nicht nur seiner Einrichtung und seinem Zweck nach den Erfolg vom Zufall abhängen läßt, und so gewollt ist, sondern das auch nach außen hin als eine solche vom Zufall abhängige Einrichtung erkennbar ist. Es genügt nicht, daß überhaupt der Zufall bei der Ge­ winnzuteilung eine Rolle spielen kannn, vielmehr muß auch schon der Spielplan darauf gerichtet und das allen, die sich an der Veranstaltung beteiligen wollen, erkennbar sein. Nur wenn die dem Unternehmen gegen­ überstehenden Bertragsteile erkennen, daß der Zufall eine wesentliche Rolle spielt, ist der Abschluß eines Spiel­ vertrags zwischen ihnen möglich; nur in diesem Fallekann auch von einem Einsatz gesprochen werden. Daß das hier zutraf, war den Feststellungen des Berufungs­ urteils nicht zu entnehmen. (I, 8. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 385—389. 136. Branntweinmonopol. Geldstrafe. Höchstbetrag. Mindestbetrag. Abgabennachzahlung. (StGB. § 27, 27a; BranntwMonG. §§ 119, 148; RAbgO. § 412.) Wegen mehrerer Verfehlungen gegen das Branntweinmonopol­ gesetz erkannte das Schöffengericht auf eine Geldstrafe von 25000 Mark; der hinterzogene Betrag war bis zum Betrag von 5200 Mark ermittelt worden, hatte sich aber nicht genau feststellen lassen. Das Landgericht setzte die Strafe auf 10000 Mark herab. Die Revision der Staatsanwaltschaft führte zur Aufhebung des Urteils. Die Vorschriften über den Höchstbetrag von Geldstrafen gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehr­ fachen eines bestimmten Betrages besteht. Nach dem Branntweinmonopolgesetz ist die Hinterziehung mit dem mehrfachen Betrag der hinterzogenen Abgabe zu be­ strafen. Damit ist weder eine Mindeststrafe noch eine Höchststrafe angeordnet, sondern die angedrohte Strafe genau festgelegt. Demgemäß durfte die für die in ihrem Betrag festgelegte Hinterziehung auszusprechende Geld­ strafe weder höher noch niedriger als auf ihren vierfachen

Betrag festgesetzt werden; für ein rechtliches Ermessen blieb kein Raum. Nur soweit der über 5200 Mark hinausgehende Betrag der hinterzogenen Abgabe sich zahlenmäßig nicht ermitteln ließ, war auf eine dem rich­ terlichen Ermessen unterliegende Geldstrafe zu erkennen, die sich innerhalb der durch das Strafgesetzbuch fest­ gelegten Grenzen zu halten hatte. Im Urteil war außer­ dem die Nachzahlung des hinterzogenen Betrags ange­ ordnet. Das war nicht zuläsig. Die Anordnung der Nachzahlung ist keine Strafe; demgemäß ist es nicht Sache des Strafrichters hierüber zu befinden. Tat er es dennoch, so beschwerte das den Angeklagten, auch wenn die Anordnung sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens hielt; das Urteil ist dann auch insoweit der Rechtskraft fähig und vollstreckbar und überdies bleibt der Verwal­ tungsbehörde, der gegenüber es einen unbefugten Ein­ griff in ihre Zuständigkeit bedeutet, nach wie vor unver­ wehrt, ihrerseits die nachzuzahlende Abgabe nach den dafür geltenden Vorschriften festzusetzen und beizutreiben. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 389—393. Vgl. Bd. 16 S. 159; Bd. 32 S. 304; Bd. 60 S. 198, 244, 306.

137. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Rückfall. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (Branntw.MonG. 88 119, 147; RAbgO. 8§ 359, 369; StGB. 88 2, 27.) Wegen einer fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen das Branntweinmonopolgesetz im wiederholten Rückfall war auf eine Gefängnisstrafe, Einziehung und auf eine Geldstrafe von 500 Mark erkannt worden. Auf die Revision der Finanzbehörde wurde das Urteil auf­ gehoben. Bei Abschluß der strafbaren Handlung (Januar 1924) waren die für die Beurteilung maßgebenden Gesetze der 8 369 Reichsabgabenordnung a.F., die 83 119 ff., 147 Branntweinmonopolgesetz, 8 27 Strafgesetzbuch a.F. Diese Gesetze sind inzwischen geändert worden; die neue Fassung ist anzuwenden, soweit sie dem Angeklagten günstiger ist. Hinsichtlich der Freiheitsstrafe ist eine Änderung nicht eingetreten. Für die Geldstrafe bestimmte 8 369 RAbgO. a.F., daß bei Annahme mildernder' Umstänbe auf eine Geldstrafe bis zur Höhe des doppelten Betrags der für den ersten Rückfall an­ gedrohten Strafe, glso auf das Achtfache des für ein«

Betrag festgesetzt werden; für ein rechtliches Ermessen blieb kein Raum. Nur soweit der über 5200 Mark hinausgehende Betrag der hinterzogenen Abgabe sich zahlenmäßig nicht ermitteln ließ, war auf eine dem rich­ terlichen Ermessen unterliegende Geldstrafe zu erkennen, die sich innerhalb der durch das Strafgesetzbuch fest­ gelegten Grenzen zu halten hatte. Im Urteil war außer­ dem die Nachzahlung des hinterzogenen Betrags ange­ ordnet. Das war nicht zuläsig. Die Anordnung der Nachzahlung ist keine Strafe; demgemäß ist es nicht Sache des Strafrichters hierüber zu befinden. Tat er es dennoch, so beschwerte das den Angeklagten, auch wenn die Anordnung sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens hielt; das Urteil ist dann auch insoweit der Rechtskraft fähig und vollstreckbar und überdies bleibt der Verwal­ tungsbehörde, der gegenüber es einen unbefugten Ein­ griff in ihre Zuständigkeit bedeutet, nach wie vor unver­ wehrt, ihrerseits die nachzuzahlende Abgabe nach den dafür geltenden Vorschriften festzusetzen und beizutreiben. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 389—393. Vgl. Bd. 16 S. 159; Bd. 32 S. 304; Bd. 60 S. 198, 244, 306.

137. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Rückfall. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (Branntw.MonG. 88 119, 147; RAbgO. 8§ 359, 369; StGB. 88 2, 27.) Wegen einer fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen das Branntweinmonopolgesetz im wiederholten Rückfall war auf eine Gefängnisstrafe, Einziehung und auf eine Geldstrafe von 500 Mark erkannt worden. Auf die Revision der Finanzbehörde wurde das Urteil auf­ gehoben. Bei Abschluß der strafbaren Handlung (Januar 1924) waren die für die Beurteilung maßgebenden Gesetze der 8 369 Reichsabgabenordnung a.F., die 83 119 ff., 147 Branntweinmonopolgesetz, 8 27 Strafgesetzbuch a.F. Diese Gesetze sind inzwischen geändert worden; die neue Fassung ist anzuwenden, soweit sie dem Angeklagten günstiger ist. Hinsichtlich der Freiheitsstrafe ist eine Änderung nicht eingetreten. Für die Geldstrafe bestimmte 8 369 RAbgO. a.F., daß bei Annahme mildernder' Umstänbe auf eine Geldstrafe bis zur Höhe des doppelten Betrags der für den ersten Rückfall an­ gedrohten Strafe, glso auf das Achtfache des für ein«

fache Tat angedrohten Betrags erkannt werden könne, während die neue Fassung auch bei Annahme mildernder Umstände den Höchstbetrag der Geldstrafe unbeschränkt läßt. Das Landgericht hatte die früh-ere Fassung als das mildere Strafgesetz angesehen, indem es annahm, daß ihr Strafrahmen nach oben nicht mehr binde, sondern durch die Vorschrift des Strafgesetzbuches über die Geld­ strafen ersetzt sei. Es war allerdings auch hinsichtlich deS § 369 RAbgO. a. F. zu demselben Ergebnis gekommen, da es die Strafandrohung des Mehrfachen des hinter­ zogenen Betrages ausschließlich auf die Hinterziehung von Zöllen und Verbrauchsabgaben für anwendbar ansah. Auch das Reichsgericht ging davon aus, daß auf Brannt­ weinmonopolabgaben, da sie keine Steuer, insbesondere keine Verbrauchsabgaben sind, die Vorschriften der Reichs­ abgabenordnung keine Anwendung finden, soweit das nicht ausnahmsweise im Branntweinmonopolgesetz selbst vorgesehen ist. Nach § 147 Branntweinmonopolgesetz ist die einfache Hinterziehung von Monopoleinnahmen unter Ausschluß der Vorschriften der Reichsabgabenordnung ausschließlich nach §§ 119 ff. BranntwMonG. zu be­ strafen. Für die Bestrafung des Rückfalls verweist § 147 BranntwMonG. auf § 369 RAbgO. Nach der beim Abschluß der Tat geltenden alten Fassung dieser Vor­ schrift stand außer Zweifel, daß für Verfehlungen gegen das Branntweinmonopolgeseh, auch wenn Rückfall vorlag, die Anwendung des § 359 RAbgO. ausgeschlossen war; denn neben der Freiheitsstrafe war bei Rückfall auf ein Mehrfaches der für einfache Tat angedrohten Geld­ strafe zu erkennen und diese war nach dem Branntwein­ monopolgesetz zu bemessen. Die neue Fassung ist weniger eindeutig. Nach ihr ist bei wiederholtem Rückfall neben der Gefängnisstrafe auf Geldstrafe (RAbgO. § 359) zu erkennen. Diese Bezugnahme ist dahin auszulegen, daß fortan auch für den wiederholten Rückfall nicht mehr eine erhöhte, sondern dieselbe Geldstrafe angedroht wird wie für die einfache Tat. Das gleiche gilt auch für die Hinterziehung von Branntweinmonopoleinnahmen; auch hier hat es selbst beim Rückfall hinsichtlich der Geldstrafe bei der Strafandrohung für die einfache Tat sein Be­ wenden. Im Vergleich mit der alten Fassung des § 369 RAbgO. ist also die nepe Fassung als das irrt box-

liegenden Fall mildere Strafgesetz anzusehen; denn bei gleicher Freiheitsstrafe bedroht sie daneben den wieder­ holten Rückfall mit der für die einfache Tat in Betracht kommenden Geldstrafe, während diese nach der alten Fassung bei Rückfall zu verdoppeln war. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 393—399. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4; Bd. 58 S. 417; Bd. 60 S. 198, 237, 389. 138.

Metallverkehr.

Erwerb

von Minderjährigen.

(MetBerkG. § 5.) Das Verbot des Erwerbs von Matall von minderjährigen Personen gilt auch dann, wenn ihre gesetzlichen Vertreter mit dem Verkauf einverstanden sind. Der Grund des Verbots war, daß nach den gemachten Erfahrungen gerade Minderjährige sehr leicht der Ver­ suchung von Metalldiebstählen unterliegen. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt es also, daß sich der Täter bewußt ist, Metall von einem Minderjährigen zu er­ werben. Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Minder­ jährige als Vertreter anderer Personen handelt, war nicht zu erörtern. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 400. 139. Militärstrafsachen. Reichsmarine. Wiederauf­ nahme. Zuständigkeit. (MStGO. § 443; RG. über die

Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit vom 17. August 1920 §§ 1, 19, 20, 24.) Ein Marinesoldat, der sich auf einem Kriegsschiff befand, wurde am 9. Juni 1925 durch das Kriegsgericht der Seestreitkräfte der Ostsee wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 27. Juli 1926 wurde er einem Landmarineteil überwiesen und schied damit aus der Militärgerichtsbarkeit aus. Am 18. August 1926 beantragte er die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Gericht der Seestreitkräste der Ostsee legte den Antrag beim Reichsgericht vor. Dieses erklärte sich für unzuständig. Nach der Militärstrafgerichtsordnung hatte über die Wiederaufnahme eines durch ein rechts­ kräftiges Urteil eines Militärgerichts abgeschlossenes Ver­ fahren das Reichsmilitärgericht zu entscheiden. An seine Stelle ist das Reichsgericht getreten, soweit es sich um Urteile handelt, die in Kriegszeiten oder gegen die an Bord diensttuender Kriegsschiffe befindlichen Angehörigen der Reichsmarine ergangen sind. Da dieser Ausnahmefall nicht zutraf, der Angeklagte vielmehr mit dem Aufhören

liegenden Fall mildere Strafgesetz anzusehen; denn bei gleicher Freiheitsstrafe bedroht sie daneben den wieder­ holten Rückfall mit der für die einfache Tat in Betracht kommenden Geldstrafe, während diese nach der alten Fassung bei Rückfall zu verdoppeln war. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 393—399. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4; Bd. 58 S. 417; Bd. 60 S. 198, 237, 389. 138.

Metallverkehr.

Erwerb

von Minderjährigen.

(MetBerkG. § 5.) Das Verbot des Erwerbs von Matall von minderjährigen Personen gilt auch dann, wenn ihre gesetzlichen Vertreter mit dem Verkauf einverstanden sind. Der Grund des Verbots war, daß nach den gemachten Erfahrungen gerade Minderjährige sehr leicht der Ver­ suchung von Metalldiebstählen unterliegen. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt es also, daß sich der Täter bewußt ist, Metall von einem Minderjährigen zu er­ werben. Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Minder­ jährige als Vertreter anderer Personen handelt, war nicht zu erörtern. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 400. 139. Militärstrafsachen. Reichsmarine. Wiederauf­ nahme. Zuständigkeit. (MStGO. § 443; RG. über die

Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit vom 17. August 1920 §§ 1, 19, 20, 24.) Ein Marinesoldat, der sich auf einem Kriegsschiff befand, wurde am 9. Juni 1925 durch das Kriegsgericht der Seestreitkräfte der Ostsee wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 27. Juli 1926 wurde er einem Landmarineteil überwiesen und schied damit aus der Militärgerichtsbarkeit aus. Am 18. August 1926 beantragte er die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Gericht der Seestreitkräste der Ostsee legte den Antrag beim Reichsgericht vor. Dieses erklärte sich für unzuständig. Nach der Militärstrafgerichtsordnung hatte über die Wiederaufnahme eines durch ein rechts­ kräftiges Urteil eines Militärgerichts abgeschlossenes Ver­ fahren das Reichsmilitärgericht zu entscheiden. An seine Stelle ist das Reichsgericht getreten, soweit es sich um Urteile handelt, die in Kriegszeiten oder gegen die an Bord diensttuender Kriegsschiffe befindlichen Angehörigen der Reichsmarine ergangen sind. Da dieser Ausnahmefall nicht zutraf, der Angeklagte vielmehr mit dem Aufhören

liegenden Fall mildere Strafgesetz anzusehen; denn bei gleicher Freiheitsstrafe bedroht sie daneben den wieder­ holten Rückfall mit der für die einfache Tat in Betracht kommenden Geldstrafe, während diese nach der alten Fassung bei Rückfall zu verdoppeln war. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 393—399. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4; Bd. 58 S. 417; Bd. 60 S. 198, 237, 389. 138.

Metallverkehr.

Erwerb

von Minderjährigen.

(MetBerkG. § 5.) Das Verbot des Erwerbs von Matall von minderjährigen Personen gilt auch dann, wenn ihre gesetzlichen Vertreter mit dem Verkauf einverstanden sind. Der Grund des Verbots war, daß nach den gemachten Erfahrungen gerade Minderjährige sehr leicht der Ver­ suchung von Metalldiebstählen unterliegen. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt es also, daß sich der Täter bewußt ist, Metall von einem Minderjährigen zu er­ werben. Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Minder­ jährige als Vertreter anderer Personen handelt, war nicht zu erörtern. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 400. 139. Militärstrafsachen. Reichsmarine. Wiederauf­ nahme. Zuständigkeit. (MStGO. § 443; RG. über die

Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit vom 17. August 1920 §§ 1, 19, 20, 24.) Ein Marinesoldat, der sich auf einem Kriegsschiff befand, wurde am 9. Juni 1925 durch das Kriegsgericht der Seestreitkräfte der Ostsee wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 27. Juli 1926 wurde er einem Landmarineteil überwiesen und schied damit aus der Militärgerichtsbarkeit aus. Am 18. August 1926 beantragte er die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Gericht der Seestreitkräste der Ostsee legte den Antrag beim Reichsgericht vor. Dieses erklärte sich für unzuständig. Nach der Militärstrafgerichtsordnung hatte über die Wiederaufnahme eines durch ein rechts­ kräftiges Urteil eines Militärgerichts abgeschlossenes Ver­ fahren das Reichsmilitärgericht zu entscheiden. An seine Stelle ist das Reichsgericht getreten, soweit es sich um Urteile handelt, die in Kriegszeiten oder gegen die an Bord diensttuender Kriegsschiffe befindlichen Angehörigen der Reichsmarine ergangen sind. Da dieser Ausnahmefall nicht zutraf, der Angeklagte vielmehr mit dem Aufhören

der Bordverhältnisse unter die Gerichtsbarkeit der bürger­ lichen Gerichte getreten war, kam die Entscheidung über sein Wiederaufnahmegesuch dem für die Sache an sich zuständigen Landgerichte zu. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 401—402. 140. Nummernzeichen. Urkundenunterdrückung. (StGB. § 274.) Die Entlohnung von Grubenarbeitern war in der Weise geregelt, daß ihnen Blechmarken ausgehändigt wurden, die sie an den von ihnen gefüllten Förderwagen anbrachten' nach der Anzahl der Marken wurde der Lohn berechnet. Zwei Arbeiter nahmen solche Blechmarken von den Wagen, an denen sie sich befanden, weg und ersetzten sie durch die ihnen ausgehändigten Marken; dadurch erzielten sie, daß ihnen der auf diese Wagen ent­ fallende Lohn ausgezahlt wurde. Das Berufungsgericht verurteilte sie wegen Urkundenunterdrückung und Betrugs in Tatmehrheit. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Die Blechmarken stellten für sich allein keine Urkunden dar, erhielten aber diese Eigenschaft durch ihre Verbin­ dung mit dem Förderwagen, indem sie in dieser Verbin­ dung die Erklärung der Arbeiter zum Ausdruck brachten, daß die Wagen von ihnen gefüllt seien. Durch ihre Num­ mern wiesen die Wagen auf bestimmte Personen als Ur­ heber dieser Erklärungen hin und verkörperten deren Gedankenäußerung; sie waren also nicht nur Unterschei­ dungsmerkmale, sondern wirkliche Urkunden. Ob sie auch zum Beweis von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit waren, konnte dahingestellt bleiben, da es sich nicht um Urkundenfälschung, sondern um Urkunden­ unterdrückung handelte; denn die Loslösung der Blech­ marken von den Förderwagen bewirkte den Verlust ihrer Urkundeneigenschaft, also eine Vernichtung von Urkunden. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 402—404. Vgl. Bd. 28 S. 152; Bd. 40 S. 169; Bd. 50 S. 191; Bd. 54 S. 327; Bd. 55 S. 74; Bd. 58 S. 16.

141. Notwehr. Einheitliche Tat. Teilweise Frei­ sprechung. (StGB. 8 53; MStGB. §§ 53, 55, 122, 125.) Ein Soldat, der einen Gefangenen zu bewachen hatte, wurde von diesem angegriffen; zur Abwehr versetzte er ihm Faustschläge und Stöße mit dem Gewehrkolben. Nach Beendigung des Angriffs ließ er den Gefangenen Frei-

der Bordverhältnisse unter die Gerichtsbarkeit der bürger­ lichen Gerichte getreten war, kam die Entscheidung über sein Wiederaufnahmegesuch dem für die Sache an sich zuständigen Landgerichte zu. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 401—402. 140. Nummernzeichen. Urkundenunterdrückung. (StGB. § 274.) Die Entlohnung von Grubenarbeitern war in der Weise geregelt, daß ihnen Blechmarken ausgehändigt wurden, die sie an den von ihnen gefüllten Förderwagen anbrachten' nach der Anzahl der Marken wurde der Lohn berechnet. Zwei Arbeiter nahmen solche Blechmarken von den Wagen, an denen sie sich befanden, weg und ersetzten sie durch die ihnen ausgehändigten Marken; dadurch erzielten sie, daß ihnen der auf diese Wagen ent­ fallende Lohn ausgezahlt wurde. Das Berufungsgericht verurteilte sie wegen Urkundenunterdrückung und Betrugs in Tatmehrheit. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Die Blechmarken stellten für sich allein keine Urkunden dar, erhielten aber diese Eigenschaft durch ihre Verbin­ dung mit dem Förderwagen, indem sie in dieser Verbin­ dung die Erklärung der Arbeiter zum Ausdruck brachten, daß die Wagen von ihnen gefüllt seien. Durch ihre Num­ mern wiesen die Wagen auf bestimmte Personen als Ur­ heber dieser Erklärungen hin und verkörperten deren Gedankenäußerung; sie waren also nicht nur Unterschei­ dungsmerkmale, sondern wirkliche Urkunden. Ob sie auch zum Beweis von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit waren, konnte dahingestellt bleiben, da es sich nicht um Urkundenfälschung, sondern um Urkunden­ unterdrückung handelte; denn die Loslösung der Blech­ marken von den Förderwagen bewirkte den Verlust ihrer Urkundeneigenschaft, also eine Vernichtung von Urkunden. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 402—404. Vgl. Bd. 28 S. 152; Bd. 40 S. 169; Bd. 50 S. 191; Bd. 54 S. 327; Bd. 55 S. 74; Bd. 58 S. 16.

141. Notwehr. Einheitliche Tat. Teilweise Frei­ sprechung. (StGB. 8 53; MStGB. §§ 53, 55, 122, 125.) Ein Soldat, der einen Gefangenen zu bewachen hatte, wurde von diesem angegriffen; zur Abwehr versetzte er ihm Faustschläge und Stöße mit dem Gewehrkolben. Nach Beendigung des Angriffs ließ er den Gefangenen Frei-

der Bordverhältnisse unter die Gerichtsbarkeit der bürger­ lichen Gerichte getreten war, kam die Entscheidung über sein Wiederaufnahmegesuch dem für die Sache an sich zuständigen Landgerichte zu. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 401—402. 140. Nummernzeichen. Urkundenunterdrückung. (StGB. § 274.) Die Entlohnung von Grubenarbeitern war in der Weise geregelt, daß ihnen Blechmarken ausgehändigt wurden, die sie an den von ihnen gefüllten Förderwagen anbrachten' nach der Anzahl der Marken wurde der Lohn berechnet. Zwei Arbeiter nahmen solche Blechmarken von den Wagen, an denen sie sich befanden, weg und ersetzten sie durch die ihnen ausgehändigten Marken; dadurch erzielten sie, daß ihnen der auf diese Wagen ent­ fallende Lohn ausgezahlt wurde. Das Berufungsgericht verurteilte sie wegen Urkundenunterdrückung und Betrugs in Tatmehrheit. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Die Blechmarken stellten für sich allein keine Urkunden dar, erhielten aber diese Eigenschaft durch ihre Verbin­ dung mit dem Förderwagen, indem sie in dieser Verbin­ dung die Erklärung der Arbeiter zum Ausdruck brachten, daß die Wagen von ihnen gefüllt seien. Durch ihre Num­ mern wiesen die Wagen auf bestimmte Personen als Ur­ heber dieser Erklärungen hin und verkörperten deren Gedankenäußerung; sie waren also nicht nur Unterschei­ dungsmerkmale, sondern wirkliche Urkunden. Ob sie auch zum Beweis von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit waren, konnte dahingestellt bleiben, da es sich nicht um Urkundenfälschung, sondern um Urkunden­ unterdrückung handelte; denn die Loslösung der Blech­ marken von den Förderwagen bewirkte den Verlust ihrer Urkundeneigenschaft, also eine Vernichtung von Urkunden. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 402—404. Vgl. Bd. 28 S. 152; Bd. 40 S. 169; Bd. 50 S. 191; Bd. 54 S. 327; Bd. 55 S. 74; Bd. 58 S. 16.

141. Notwehr. Einheitliche Tat. Teilweise Frei­ sprechung. (StGB. 8 53; MStGB. §§ 53, 55, 122, 125.) Ein Soldat, der einen Gefangenen zu bewachen hatte, wurde von diesem angegriffen; zur Abwehr versetzte er ihm Faustschläge und Stöße mit dem Gewehrkolben. Nach Beendigung des Angriffs ließ er den Gefangenen Frei-

151______________ Strafsachen Bd. 60______________142

Übungen machen und versetzte ihm hierbei weitere Stößa mit dem Gewehrkolben. Er wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amte verurteilt; das Berufungsgericht nahm dabei an, daß er beim ersten, nicht aber beim zweiten Vorfall in Notwehr gehandelt habe, sah aber von einer teilweisen Freisprechung ab, weil sein ganzes Tun eine einheitliche Handlung darstelle. Die Revision wurde verworfen. Wer einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff in der erforderlichen Weise ab­ wehrt, dann aber, ohne daß ein neuer Angriff bevor­ steht, eine Mißhandlung vornimmt, macht sich einer rechtswidrigen Körperverletzung schuldig. Es ist denk­ bar, daß die Abwehr und die nachfolgende Mißhandlung sich als natürliche Einheit darstellen; das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter schon beim Beginn der Abwehr den Vorsatz gehabt hat, nach Abschluß des Angriffs seines Gegners selbst zum Angriff überzugehen. Wäre in einem solchen Fall wegen des ganzen einheitlichen Vorfalls Anklage erhoben und stellte sich erst in der Hauptverhandlung heraus, daß der Angeklagte während des ersten Teils des Vorgangs in Notwehr gehandelt habe, so würde eine Freisprechung insoweit nicht zulässig sein. Ob im vorliegenden Fall ein derartiger einheitlicher Vorgang gegeben war oder nicht, vielmehr der Angeklagte den Vorsatz der Mißhandlung erst nach dem Abschluß des rechtswidrigen Angriffs gefaßt hatte, so daß zwei getrennte Vorgänge anzunehmen gewesen wären, konnte dahingestellt bleiben, da die Anklage nur wegen der nach der Abwehr des Angriffs begangenen Mißhandlung er­ hoben worden war, eine Freisprechung wegen der Ab­ wehrhandlungen also aus diesem Grunde nicht in Frage kam. (I, 26. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 404—406. 142. Strafbescheid. Urschrift. Unterzeichnung. (RAbgO. § 412.) Ein Strafbescheid wurde von dem Beamten, der ihn erließ, nur mit seinem Namenszug unterzeichnet. Das tat seiner Gültigkeit keinen Abbruch. Soweit über die Form der Unterzeichnung nichts angeordnet ist, genügt es, wenn zweifelsfrei erkennbar gemacht wird, daß der zuständige Beamte die Verantwortung für den Inhalt der unterzeichneten Verfügung übernehmen will. Dazu bedarf es grundsätzlich nicht der Unterschrift des vollen

151______________ Strafsachen Bd. 60______________142

Übungen machen und versetzte ihm hierbei weitere Stößa mit dem Gewehrkolben. Er wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amte verurteilt; das Berufungsgericht nahm dabei an, daß er beim ersten, nicht aber beim zweiten Vorfall in Notwehr gehandelt habe, sah aber von einer teilweisen Freisprechung ab, weil sein ganzes Tun eine einheitliche Handlung darstelle. Die Revision wurde verworfen. Wer einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff in der erforderlichen Weise ab­ wehrt, dann aber, ohne daß ein neuer Angriff bevor­ steht, eine Mißhandlung vornimmt, macht sich einer rechtswidrigen Körperverletzung schuldig. Es ist denk­ bar, daß die Abwehr und die nachfolgende Mißhandlung sich als natürliche Einheit darstellen; das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter schon beim Beginn der Abwehr den Vorsatz gehabt hat, nach Abschluß des Angriffs seines Gegners selbst zum Angriff überzugehen. Wäre in einem solchen Fall wegen des ganzen einheitlichen Vorfalls Anklage erhoben und stellte sich erst in der Hauptverhandlung heraus, daß der Angeklagte während des ersten Teils des Vorgangs in Notwehr gehandelt habe, so würde eine Freisprechung insoweit nicht zulässig sein. Ob im vorliegenden Fall ein derartiger einheitlicher Vorgang gegeben war oder nicht, vielmehr der Angeklagte den Vorsatz der Mißhandlung erst nach dem Abschluß des rechtswidrigen Angriffs gefaßt hatte, so daß zwei getrennte Vorgänge anzunehmen gewesen wären, konnte dahingestellt bleiben, da die Anklage nur wegen der nach der Abwehr des Angriffs begangenen Mißhandlung er­ hoben worden war, eine Freisprechung wegen der Ab­ wehrhandlungen also aus diesem Grunde nicht in Frage kam. (I, 26. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 404—406. 142. Strafbescheid. Urschrift. Unterzeichnung. (RAbgO. § 412.) Ein Strafbescheid wurde von dem Beamten, der ihn erließ, nur mit seinem Namenszug unterzeichnet. Das tat seiner Gültigkeit keinen Abbruch. Soweit über die Form der Unterzeichnung nichts angeordnet ist, genügt es, wenn zweifelsfrei erkennbar gemacht wird, daß der zuständige Beamte die Verantwortung für den Inhalt der unterzeichneten Verfügung übernehmen will. Dazu bedarf es grundsätzlich nicht der Unterschrift des vollen

Namens. Es macht im gegebenen Falle auch nichts aus, daß der Namenszug nicht unmittelbar unter dem Straf­ bescheid, sondern unter der ihm nachfolgenden Verfügung stand, durch welche die Zustellung des Strafbescheides angeordnet wurde; durch die Unterzeichnung dieser Ver­ fügung übernahm der Beamte notwendig auch die Ver­ antwortung für den Strafbescheid. (III, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 406—407.

143. Umfang des Zeugeneides. Fahrlässiger Falsch­ eid. Irrtum. (StGB. §§ 59, 154, 163; StPO. § 61, 68.) Ein Zeuge, der in einem Ermittlungsverfahren ver­ nommen und nachträglich vereidigt wurde, gab seinen Stand unrichtig an. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des fahrlässigen Falscheides frei, weil er vom Richter zwar auf die Bedeutung des Eides im all­ gemeinen aufmerksam gemacht worden war, nicht aber darauf, daß er mit dem Eid auch die Richtigkeit der An­ gaben über seine Person zu beschwören habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Der Umfang eines Eides hängt nicht davon ab, welchen Teil der Aussage der Zeuge beschwören will und welchen nicht; solche still­ schweigende Vorbehalte erkennt das Gesetz nicht an. Der Zeugeneid umfaßt vielmehr, entsprechend seiner Formel, alles, was tatsächlich unter ihm ausgesagt wird. Ein falscher Eid ist dem äußeren Bestand nach ohne weiteres gegeben, wenn in dem Zeugnis eine unrichtige Angabe» enthalten ist, die bei vernunftgemäßer Auslegung in Zusammenhang mit dem geleisteten Eid steht. Da hiernach der Angeklagte objektiv etwas ihm als unwahr Bewußtes beschworen hatte, konnte sich nur fragen, ob er subjektiv ohne sein Verschulden in Unkenntnis davon war, daß sich sein Eid auf das Beschworene erstreckte. Das Schöffen­ gericht hatte angenommen, daß er als Laie mangels einer ausdrücklichen Belehrung geglaubt habe, der Eid gelte nur für seine Bekundungen zur Sache, nicht zur Person. Damit war aber noch nichts darüber gesagt, ob der Ange­ klagte diesen Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit, ins­ besondere durch eine Frage an den Richter, hätte ver­ meiden können. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 407—409.

144. Hilfsrichter. Gerichtsassessor. (PrAGzGVG. §36;

Namens. Es macht im gegebenen Falle auch nichts aus, daß der Namenszug nicht unmittelbar unter dem Straf­ bescheid, sondern unter der ihm nachfolgenden Verfügung stand, durch welche die Zustellung des Strafbescheides angeordnet wurde; durch die Unterzeichnung dieser Ver­ fügung übernahm der Beamte notwendig auch die Ver­ antwortung für den Strafbescheid. (III, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 406—407.

143. Umfang des Zeugeneides. Fahrlässiger Falsch­ eid. Irrtum. (StGB. §§ 59, 154, 163; StPO. § 61, 68.) Ein Zeuge, der in einem Ermittlungsverfahren ver­ nommen und nachträglich vereidigt wurde, gab seinen Stand unrichtig an. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des fahrlässigen Falscheides frei, weil er vom Richter zwar auf die Bedeutung des Eides im all­ gemeinen aufmerksam gemacht worden war, nicht aber darauf, daß er mit dem Eid auch die Richtigkeit der An­ gaben über seine Person zu beschwören habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Der Umfang eines Eides hängt nicht davon ab, welchen Teil der Aussage der Zeuge beschwören will und welchen nicht; solche still­ schweigende Vorbehalte erkennt das Gesetz nicht an. Der Zeugeneid umfaßt vielmehr, entsprechend seiner Formel, alles, was tatsächlich unter ihm ausgesagt wird. Ein falscher Eid ist dem äußeren Bestand nach ohne weiteres gegeben, wenn in dem Zeugnis eine unrichtige Angabe» enthalten ist, die bei vernunftgemäßer Auslegung in Zusammenhang mit dem geleisteten Eid steht. Da hiernach der Angeklagte objektiv etwas ihm als unwahr Bewußtes beschworen hatte, konnte sich nur fragen, ob er subjektiv ohne sein Verschulden in Unkenntnis davon war, daß sich sein Eid auf das Beschworene erstreckte. Das Schöffen­ gericht hatte angenommen, daß er als Laie mangels einer ausdrücklichen Belehrung geglaubt habe, der Eid gelte nur für seine Bekundungen zur Sache, nicht zur Person. Damit war aber noch nichts darüber gesagt, ob der Ange­ klagte diesen Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit, ins­ besondere durch eine Frage an den Richter, hätte ver­ meiden können. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 407—409.

144. Hilfsrichter. Gerichtsassessor. (PrAGzGVG. §36;

Namens. Es macht im gegebenen Falle auch nichts aus, daß der Namenszug nicht unmittelbar unter dem Straf­ bescheid, sondern unter der ihm nachfolgenden Verfügung stand, durch welche die Zustellung des Strafbescheides angeordnet wurde; durch die Unterzeichnung dieser Ver­ fügung übernahm der Beamte notwendig auch die Ver­ antwortung für den Strafbescheid. (III, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 406—407.

143. Umfang des Zeugeneides. Fahrlässiger Falsch­ eid. Irrtum. (StGB. §§ 59, 154, 163; StPO. § 61, 68.) Ein Zeuge, der in einem Ermittlungsverfahren ver­ nommen und nachträglich vereidigt wurde, gab seinen Stand unrichtig an. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des fahrlässigen Falscheides frei, weil er vom Richter zwar auf die Bedeutung des Eides im all­ gemeinen aufmerksam gemacht worden war, nicht aber darauf, daß er mit dem Eid auch die Richtigkeit der An­ gaben über seine Person zu beschwören habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Der Umfang eines Eides hängt nicht davon ab, welchen Teil der Aussage der Zeuge beschwören will und welchen nicht; solche still­ schweigende Vorbehalte erkennt das Gesetz nicht an. Der Zeugeneid umfaßt vielmehr, entsprechend seiner Formel, alles, was tatsächlich unter ihm ausgesagt wird. Ein falscher Eid ist dem äußeren Bestand nach ohne weiteres gegeben, wenn in dem Zeugnis eine unrichtige Angabe» enthalten ist, die bei vernunftgemäßer Auslegung in Zusammenhang mit dem geleisteten Eid steht. Da hiernach der Angeklagte objektiv etwas ihm als unwahr Bewußtes beschworen hatte, konnte sich nur fragen, ob er subjektiv ohne sein Verschulden in Unkenntnis davon war, daß sich sein Eid auf das Beschworene erstreckte. Das Schöffen­ gericht hatte angenommen, daß er als Laie mangels einer ausdrücklichen Belehrung geglaubt habe, der Eid gelte nur für seine Bekundungen zur Sache, nicht zur Person. Damit war aber noch nichts darüber gesagt, ob der Ange­ klagte diesen Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit, ins­ besondere durch eine Frage an den Richter, hätte ver­ meiden können. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 407—409.

144. Hilfsrichter. Gerichtsassessor. (PrAGzGVG. §36;

PrG. vom 23. März 1926.) Ein Gerichtsassessor a. D. wurde auf bestimmte Zeit zum Hilfsrichter bei einem Amtsgerichte bestellt. Er wurde auch als Beisitzer zu einer Sitzung der Strafkammer des Landgerichts heran­ gezogen. Das führte zur Aufhebung eines hiewegen angefochtenen Urteils. Der Assessor war nur mit der zeitweiligen Wahrnehmung richterlicher Geschäfte beauf­ tragt. In Strafrachen dürfen solche Personen nur dann verwendet werden, wenn sie Richter im Ruhestand sind; ein Assessor ist aber kein Richter. Die Vorschrift, daß der Landgerichtspräsident für einzelne Sitzungen des Land­ gerichts zeitweilige Vertreter einberufen kann, bezieht sich nur auf ständig angestellte Richter. (I, 23. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 409-410. Vgl. Bd. 26 S. 94, Bd. 32 S. 283.

145. Hilfsrichter. Mitglied des Landgerichts. Schwur­ gericht. (GBG. §§ 59, 63, 64, 70, 82, 83, 92, 99: StPO. § 338.) In einer Sitzung des Schwurgerichts wirkte als Beisitzer ein Gerichts assessor mit, der beim Landgericht als Hilfsrichter angestellt war. Die hierauf gestützte: Revision wurde verworfen. Den ständigen Mitgliedern des Landgerichts sind für die Berufung zum Schwur­ gericht auch jene zum Nichteramt befugten Personen gleichzustellen, die dem Landgericht als Hilfsrichter vor­ übergehend zugeteilt sind, sei es aus der Zahl der Amts­ richter des Bezirks, sei es aus jener der in ihm beschäf­ tigten Gerichtsassessoren. Diese Hilfsrichter gehören zu den Mitgliedern des Landgerichts; sie werden durch das Präsidium des Landgerichts den Kammern als ständige Mitglieder oder regelmäßige Vertreter zugewiesen und haben, wenn sie den Strafkammern zugewiesen sind, auch in Schwurgerichtssachen bei den von den Strafkammern außerhalb der Tagung des Schwurgerichts zu treffenden Entscheidungen mitzuwirken. Wenn durch die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes gestattet wurde, auch die im Bezirk des Landgerichts angestellten Amtsrichter zu richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts zu ernennen, sollte dadurch die bisherige Sachbehandlung, wonach auch die den Landgerichten als Hilfsrichter zugeteilten Asses­ soren mit dieser Aufgabe betraut werden konnten, nicht ausgeschlossen, sondern nur die Bildung der Schwur­ gerichte erleichtert werden. Die entgegengesetzte Aus-

PrG. vom 23. März 1926.) Ein Gerichtsassessor a. D. wurde auf bestimmte Zeit zum Hilfsrichter bei einem Amtsgerichte bestellt. Er wurde auch als Beisitzer zu einer Sitzung der Strafkammer des Landgerichts heran­ gezogen. Das führte zur Aufhebung eines hiewegen angefochtenen Urteils. Der Assessor war nur mit der zeitweiligen Wahrnehmung richterlicher Geschäfte beauf­ tragt. In Strafrachen dürfen solche Personen nur dann verwendet werden, wenn sie Richter im Ruhestand sind; ein Assessor ist aber kein Richter. Die Vorschrift, daß der Landgerichtspräsident für einzelne Sitzungen des Land­ gerichts zeitweilige Vertreter einberufen kann, bezieht sich nur auf ständig angestellte Richter. (I, 23. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 409-410. Vgl. Bd. 26 S. 94, Bd. 32 S. 283.

145. Hilfsrichter. Mitglied des Landgerichts. Schwur­ gericht. (GBG. §§ 59, 63, 64, 70, 82, 83, 92, 99: StPO. § 338.) In einer Sitzung des Schwurgerichts wirkte als Beisitzer ein Gerichts assessor mit, der beim Landgericht als Hilfsrichter angestellt war. Die hierauf gestützte: Revision wurde verworfen. Den ständigen Mitgliedern des Landgerichts sind für die Berufung zum Schwur­ gericht auch jene zum Nichteramt befugten Personen gleichzustellen, die dem Landgericht als Hilfsrichter vor­ übergehend zugeteilt sind, sei es aus der Zahl der Amts­ richter des Bezirks, sei es aus jener der in ihm beschäf­ tigten Gerichtsassessoren. Diese Hilfsrichter gehören zu den Mitgliedern des Landgerichts; sie werden durch das Präsidium des Landgerichts den Kammern als ständige Mitglieder oder regelmäßige Vertreter zugewiesen und haben, wenn sie den Strafkammern zugewiesen sind, auch in Schwurgerichtssachen bei den von den Strafkammern außerhalb der Tagung des Schwurgerichts zu treffenden Entscheidungen mitzuwirken. Wenn durch die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes gestattet wurde, auch die im Bezirk des Landgerichts angestellten Amtsrichter zu richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts zu ernennen, sollte dadurch die bisherige Sachbehandlung, wonach auch die den Landgerichten als Hilfsrichter zugeteilten Asses­ soren mit dieser Aufgabe betraut werden konnten, nicht ausgeschlossen, sondern nur die Bildung der Schwur­ gerichte erleichtert werden. Die entgegengesetzte Aus-

sassung einer Entscheidung des Feriensenats vom 27. Juli 1926 wurde nicht festgehalten. (III, 1. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 410—415. Vgl. Bd. 60 S. 259. 146. Schwurgericht. Hilfsschösfe. (GVG. §§ 77, 84, 91.) Eine Schwurgerichtsverhandlung fand nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Orte statt. Infolge des Wegfalls eines Geschworenen wurde ein Hilfsgeschworener zugezogen. In der Revision gegen das Urteil wurde die Auffassung vertreten, daß ein Hilfs­ schöffe aus der für das Amtsgericht geltenden Liste hätte berufen werden sollen. Das Reichsgericht verneinte das. Die Berufung von Hilfsschöffen als Geschworene ist erst dann zulässig, wenn ein wegfallender Geschworener aus dem Kreise der Hilfsgeschworenen nicht ohne Verzögerung ersetzt werden kann und somit die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Geschworenen — unter welchen Hauptgeschworene und Hilfsgeschworene zu verstehen sind — notwendig wird. Der Sitzungsort lag im Bezirk des Amtsgerichts, in dem sich auch der Sitz des Landgerichts befand; der bei diesem Amtsgerichte bestellte Ausschuß hatte die Liste der Hilfsgeschworenen aufgestellt; da der nach dieser Liste in Betracht kommende Hilfsgeschworene rechtzeitig zu erreichen war, bestand kein Anlaß, einen Hilfsschöffen zu berufen. (II, 11. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 415—419. 147. Waffenbesitz. Irrtum. (WaffVO. § 1; JrrtVO. von 1917; VO. vom 12. Februar 1920.) Auf Grund eines Waffenscheines wurde im Jahre 1923 eine Pistole erwor­ ben. Für das Jahr 1924 wurde der Waffenschein erneuert; im Jahr 1925 unterblieb die Erneuerung. Die Verurtei­ lung wegen unbefugten Waffenbesitzes wurde bestätigt. Der Angeklagte befand sich nach Ablauf der Ablieferungs­ frist im Besitz einer Pistole, ohne daß ihm eine der Aus­ nahmen zur Seite stand, auf Grund deren der Besitz zulässig war. Damit war der äußere Tatbestand einer Verfehlung gegen die Waffenverordnung nachgewiesen. Für den inneren Tatbestand genügt Fahrlässigkeit. Das Landgericht hatte eine solche darin gesunden, daß der Angeklagte den Waffenschein nicht erneuert hatte. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß er auf die Erneuerung des Waffenscheins vergessen habe. Damit

sassung einer Entscheidung des Feriensenats vom 27. Juli 1926 wurde nicht festgehalten. (III, 1. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 410—415. Vgl. Bd. 60 S. 259. 146. Schwurgericht. Hilfsschösfe. (GVG. §§ 77, 84, 91.) Eine Schwurgerichtsverhandlung fand nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Orte statt. Infolge des Wegfalls eines Geschworenen wurde ein Hilfsgeschworener zugezogen. In der Revision gegen das Urteil wurde die Auffassung vertreten, daß ein Hilfs­ schöffe aus der für das Amtsgericht geltenden Liste hätte berufen werden sollen. Das Reichsgericht verneinte das. Die Berufung von Hilfsschöffen als Geschworene ist erst dann zulässig, wenn ein wegfallender Geschworener aus dem Kreise der Hilfsgeschworenen nicht ohne Verzögerung ersetzt werden kann und somit die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Geschworenen — unter welchen Hauptgeschworene und Hilfsgeschworene zu verstehen sind — notwendig wird. Der Sitzungsort lag im Bezirk des Amtsgerichts, in dem sich auch der Sitz des Landgerichts befand; der bei diesem Amtsgerichte bestellte Ausschuß hatte die Liste der Hilfsgeschworenen aufgestellt; da der nach dieser Liste in Betracht kommende Hilfsgeschworene rechtzeitig zu erreichen war, bestand kein Anlaß, einen Hilfsschöffen zu berufen. (II, 11. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 415—419. 147. Waffenbesitz. Irrtum. (WaffVO. § 1; JrrtVO. von 1917; VO. vom 12. Februar 1920.) Auf Grund eines Waffenscheines wurde im Jahre 1923 eine Pistole erwor­ ben. Für das Jahr 1924 wurde der Waffenschein erneuert; im Jahr 1925 unterblieb die Erneuerung. Die Verurtei­ lung wegen unbefugten Waffenbesitzes wurde bestätigt. Der Angeklagte befand sich nach Ablauf der Ablieferungs­ frist im Besitz einer Pistole, ohne daß ihm eine der Aus­ nahmen zur Seite stand, auf Grund deren der Besitz zulässig war. Damit war der äußere Tatbestand einer Verfehlung gegen die Waffenverordnung nachgewiesen. Für den inneren Tatbestand genügt Fahrlässigkeit. Das Landgericht hatte eine solche darin gesunden, daß der Angeklagte den Waffenschein nicht erneuert hatte. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß er auf die Erneuerung des Waffenscheins vergessen habe. Damit

sassung einer Entscheidung des Feriensenats vom 27. Juli 1926 wurde nicht festgehalten. (III, 1. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 410—415. Vgl. Bd. 60 S. 259. 146. Schwurgericht. Hilfsschösfe. (GVG. §§ 77, 84, 91.) Eine Schwurgerichtsverhandlung fand nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Orte statt. Infolge des Wegfalls eines Geschworenen wurde ein Hilfsgeschworener zugezogen. In der Revision gegen das Urteil wurde die Auffassung vertreten, daß ein Hilfs­ schöffe aus der für das Amtsgericht geltenden Liste hätte berufen werden sollen. Das Reichsgericht verneinte das. Die Berufung von Hilfsschöffen als Geschworene ist erst dann zulässig, wenn ein wegfallender Geschworener aus dem Kreise der Hilfsgeschworenen nicht ohne Verzögerung ersetzt werden kann und somit die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Geschworenen — unter welchen Hauptgeschworene und Hilfsgeschworene zu verstehen sind — notwendig wird. Der Sitzungsort lag im Bezirk des Amtsgerichts, in dem sich auch der Sitz des Landgerichts befand; der bei diesem Amtsgerichte bestellte Ausschuß hatte die Liste der Hilfsgeschworenen aufgestellt; da der nach dieser Liste in Betracht kommende Hilfsgeschworene rechtzeitig zu erreichen war, bestand kein Anlaß, einen Hilfsschöffen zu berufen. (II, 11. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 415—419. 147. Waffenbesitz. Irrtum. (WaffVO. § 1; JrrtVO. von 1917; VO. vom 12. Februar 1920.) Auf Grund eines Waffenscheines wurde im Jahre 1923 eine Pistole erwor­ ben. Für das Jahr 1924 wurde der Waffenschein erneuert; im Jahr 1925 unterblieb die Erneuerung. Die Verurtei­ lung wegen unbefugten Waffenbesitzes wurde bestätigt. Der Angeklagte befand sich nach Ablauf der Ablieferungs­ frist im Besitz einer Pistole, ohne daß ihm eine der Aus­ nahmen zur Seite stand, auf Grund deren der Besitz zulässig war. Damit war der äußere Tatbestand einer Verfehlung gegen die Waffenverordnung nachgewiesen. Für den inneren Tatbestand genügt Fahrlässigkeit. Das Landgericht hatte eine solche darin gesunden, daß der Angeklagte den Waffenschein nicht erneuert hatte. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß er auf die Erneuerung des Waffenscheins vergessen habe. Damit

behauptete er Unkenntnis des unbefugten Besitzes; mit diesem Einwand konnte er aber nicht durchdringen, weil diese Unkenntnis selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war. Daß er geglaubt habe, zur Erneuerung des Wasfenscheines nicht verpflichtet zu sein, hatte der Angeklagte nicht behauptet. Das Landgericht hatte die Berücksichti­ gung eines solchen Irrtums auck mit der Begründung abgelehnt, daß es sich um einen Strafrechtsirrtum han­ deln würde. Das Reichsgericht erklärte das zwar für zutreffend, wies aber darauf hin, daß die Jrrtumsverordnung vom Jahre 1917 auch aus Zuwiderhandlungen gegen die Waffenverordnung für anwendbar erklärt worden ist. Für das Urteil war dieser Rechtsfehler be­ langlos. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—421. Vgl. Bd.54 S. 4, Bd. 57 S. 329, Bd.59 S. 2. 148. Einkaufskommission. Betrug. (StGB. § 263; BörsG. § 95; DepG. § 7 a.) Eine Bank erhielt von einem ihrer Kunden den Auftrag, für ihn Aktien zu kaufen. Sie teilte ihm wahrheitswidrig mit, daß der Auftrag aus ge­ führt sei. Später stellte sie ihre Zahlungen ein. Der persönlich haftende Gesellschafter der Kommanditgesell­ schaft, der die Bank gehörte, wurde wegen Betrugs ver­ urteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Ankaufs-Kommissionär ist verpflichtet, die in Betracht kommenden Wertpapiere, soweit er sie nicht schon besitzt und das Selbsteintrittsrecht ausübt, zu kaufen und die gekauften Stücke seinem Auftraggeber zu liefern. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung, also eine Befugnis des Kommissionärs, über die angeschafften Stücke nach­ träglich anders zu verfügen, besteht höchstens insoweit, als die Verfügung unter sofortiger Ergänzung aus dem sonstigen vorhandenen Effektenbestand oder doch unter fortdauernder Ergänzungszulänglichkeit und Bereitschaft dieses Bestandes geschieht. Wäre also die Mitteilung, daß die Aktien gekauft seien, richtig gewesen, so wäre zwar der Kunde nicht Eigentümer geworden, da ihm ein Stücke­ verzeichnis nicht übersandt worden war, aber seine Rechts­ lage wäre günstiger gewesen, als sie es unter ob­ waltenden Umständen infolge der Unterlassung des wahr­ heitswidrig behaupteten Ankaufs war; denn er hätte die Anwartschaft auf Lieferung der Aktien und im Konkurs

behauptete er Unkenntnis des unbefugten Besitzes; mit diesem Einwand konnte er aber nicht durchdringen, weil diese Unkenntnis selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war. Daß er geglaubt habe, zur Erneuerung des Wasfenscheines nicht verpflichtet zu sein, hatte der Angeklagte nicht behauptet. Das Landgericht hatte die Berücksichti­ gung eines solchen Irrtums auck mit der Begründung abgelehnt, daß es sich um einen Strafrechtsirrtum han­ deln würde. Das Reichsgericht erklärte das zwar für zutreffend, wies aber darauf hin, daß die Jrrtumsverordnung vom Jahre 1917 auch aus Zuwiderhandlungen gegen die Waffenverordnung für anwendbar erklärt worden ist. Für das Urteil war dieser Rechtsfehler be­ langlos. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—421. Vgl. Bd.54 S. 4, Bd. 57 S. 329, Bd.59 S. 2. 148. Einkaufskommission. Betrug. (StGB. § 263; BörsG. § 95; DepG. § 7 a.) Eine Bank erhielt von einem ihrer Kunden den Auftrag, für ihn Aktien zu kaufen. Sie teilte ihm wahrheitswidrig mit, daß der Auftrag aus ge­ führt sei. Später stellte sie ihre Zahlungen ein. Der persönlich haftende Gesellschafter der Kommanditgesell­ schaft, der die Bank gehörte, wurde wegen Betrugs ver­ urteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Ankaufs-Kommissionär ist verpflichtet, die in Betracht kommenden Wertpapiere, soweit er sie nicht schon besitzt und das Selbsteintrittsrecht ausübt, zu kaufen und die gekauften Stücke seinem Auftraggeber zu liefern. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung, also eine Befugnis des Kommissionärs, über die angeschafften Stücke nach­ träglich anders zu verfügen, besteht höchstens insoweit, als die Verfügung unter sofortiger Ergänzung aus dem sonstigen vorhandenen Effektenbestand oder doch unter fortdauernder Ergänzungszulänglichkeit und Bereitschaft dieses Bestandes geschieht. Wäre also die Mitteilung, daß die Aktien gekauft seien, richtig gewesen, so wäre zwar der Kunde nicht Eigentümer geworden, da ihm ein Stücke­ verzeichnis nicht übersandt worden war, aber seine Rechts­ lage wäre günstiger gewesen, als sie es unter ob­ waltenden Umständen infolge der Unterlassung des wahr­ heitswidrig behaupteten Ankaufs war; denn er hätte die Anwartschaft auf Lieferung der Aktien und im Konkurs

des Kommissionärs ein Vorzugsrecht hinsichtlich dieser Stücke gehabt. Diese ungünstige Rechtslage konnte sehr wohl auch eine Verminderung des Vermögens des Kunden im wirtschaftlichen Sinne bewirken. Ob das der Fall war und ob der Angeklagte die irreführende Angabe in der Absicht machte oder aufrechterhielt, um den Kunden in Sicherheit zu wiegen, von der rechtzeitigen Wahrnehmung seiner Rechte zurückzuhalten und in seinem Vermögen aus diese Weise zu schädigen, war noch zu prüfen. Außer einer Verurteilung wegen Betrugs konnte auch eine solche wegen Verletzung des Börsengesetzes in Frage kommen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—423. Vgl. Bd. 53 S. 363. 149. Postzwang. Briefverteilungsstellen. Irrtum. (StGB. § 59; PostG. §§ 1, 2 a, 27.) Die Stadt Berlin richtete eine Hauptbriefverteilungsstelle ein, durch die der Briefwechsel der Bezirksämter der Gemeinde Großberlin mit einer Anzahl bestimmter auswärtiger Stadtverwal­ tungen ging. Darin wurde ein Verstoß gegen das Post­ gesetz gefunden. Es kam darauf an, ob die. Bezirksämter postrechtlich als selbständige Absender oder Empfänger als selbständige, vom Magistrat verschiedene Persönlichkeiten anzusehen waren. Dafür war es ohne Belang, ob sie staatsrechtliche Selbständigkeit besaßen oder nur Ab­ teilungen des Berliner Magistrats waren; es genügte, daß sie die nach außen gehenden und von außen kom­ menden Sendungen unmittelbar bei der Post ausgaben oder von ihr in Empfang zu nehmen hatten. Ihre post­ rechtliche Selbständigkeit wurde auch dadurch nicht in Frage gestellt, daß sie keine eigene Finanzhoheit und keinen eigenen Haushalt hatten, die Geschäfte, die ihnen der Magistrat zuwies nach den von diesem aufgestellten Grundsätzen ausführen mußten und in der Ausführung ihrer Beschlüsse in besonderen Fällen vom Magistrat ge­ hemmt werden konnten. Demgemäß mußten sie sich zur Vermittlung des Verkehrs zwischen ihnen, soweit er unter das Postgesetz fiel, der Post bedienen. Ein Irrtum hier­ über schloß die Bestrafung nicht aus, da die Vorschrift des Postgesetzes, gegen die verstoßen worden war, einen un­ auslösbaren Bestandteil des Strafgesetzes bildete und demgemäß der Irrtum als ein unbeachtlicher Strafrechts­ irrtum anzusehen war. Hinsichtlich des Ortsverkehrs

des Kommissionärs ein Vorzugsrecht hinsichtlich dieser Stücke gehabt. Diese ungünstige Rechtslage konnte sehr wohl auch eine Verminderung des Vermögens des Kunden im wirtschaftlichen Sinne bewirken. Ob das der Fall war und ob der Angeklagte die irreführende Angabe in der Absicht machte oder aufrechterhielt, um den Kunden in Sicherheit zu wiegen, von der rechtzeitigen Wahrnehmung seiner Rechte zurückzuhalten und in seinem Vermögen aus diese Weise zu schädigen, war noch zu prüfen. Außer einer Verurteilung wegen Betrugs konnte auch eine solche wegen Verletzung des Börsengesetzes in Frage kommen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—423. Vgl. Bd. 53 S. 363. 149. Postzwang. Briefverteilungsstellen. Irrtum. (StGB. § 59; PostG. §§ 1, 2 a, 27.) Die Stadt Berlin richtete eine Hauptbriefverteilungsstelle ein, durch die der Briefwechsel der Bezirksämter der Gemeinde Großberlin mit einer Anzahl bestimmter auswärtiger Stadtverwal­ tungen ging. Darin wurde ein Verstoß gegen das Post­ gesetz gefunden. Es kam darauf an, ob die. Bezirksämter postrechtlich als selbständige Absender oder Empfänger als selbständige, vom Magistrat verschiedene Persönlichkeiten anzusehen waren. Dafür war es ohne Belang, ob sie staatsrechtliche Selbständigkeit besaßen oder nur Ab­ teilungen des Berliner Magistrats waren; es genügte, daß sie die nach außen gehenden und von außen kom­ menden Sendungen unmittelbar bei der Post ausgaben oder von ihr in Empfang zu nehmen hatten. Ihre post­ rechtliche Selbständigkeit wurde auch dadurch nicht in Frage gestellt, daß sie keine eigene Finanzhoheit und keinen eigenen Haushalt hatten, die Geschäfte, die ihnen der Magistrat zuwies nach den von diesem aufgestellten Grundsätzen ausführen mußten und in der Ausführung ihrer Beschlüsse in besonderen Fällen vom Magistrat ge­ hemmt werden konnten. Demgemäß mußten sie sich zur Vermittlung des Verkehrs zwischen ihnen, soweit er unter das Postgesetz fiel, der Post bedienen. Ein Irrtum hier­ über schloß die Bestrafung nicht aus, da die Vorschrift des Postgesetzes, gegen die verstoßen worden war, einen un­ auslösbaren Bestandteil des Strafgesetzes bildete und demgemäß der Irrtum als ein unbeachtlicher Strafrechts­ irrtum anzusehen war. Hinsichtlich des Ortsverkehrs

hatte die Strafkammer verneint, daß eine unzulässige Beförderung verschlossener Briefe im Ursprungsort gegen Bezahlung durch Boten, die im Dienste einer privaten Beförderungsanstalt standen, stattgefunden habe. Die Post­ verwaltung hatte als Nebenklägerin Revision eingelegt mit der Begründung, daß der Begriff der privaten Besörderungsanstalt das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nicht erfordere. Die Revision wurde unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, die an diesem Erfordernis festhält, verworfen. (II, 8. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 423—426. Vgl. Bd. 43 S. 25; Bd. 58 S. 167. 150. Arbeitszeit. Freiwillige Mehrarbeit. Ausbeulung der Notlage. (ArbZBO. § 11.) Die Angestellten einer Bank wurden beim Halbjahresabschluß einige Wochen lang täglich über 11 Stunden beschäftigt. Der Leiter der Bank und ihr Rechtsberater wurden wegen Verfehlung gegen die Arbeitszeitverordnung angeklagt, vom Be­ rufungsgericht aber freigesprochen. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Nach der Arbeitszeitverordnung ist Duldung oder Annahme freiwilliger Mehrarbeit nicht strafbar. Mehrarbeit ist jede Arbeit, die über die regel­ mäßige Arbeitszeit hinausgeht. Freiwillig ist die Mehr­ arbeit dann, wenn eine Pflicht zu ihrer Leistung nicht be­ steht, gleichviel, ob sie auf eigenem Entschluß des Arbeit­ nehmers beruht oder ob der Arbeitgeber sie angeregt hat; den Gegensatz dazu bildet die pflichtgebundene Mehr­ arbeit, die der Arbeitgeber auf Grund des Arbeitsver­ trags verlangt. Die Annahme oder Duldung freiwilliger Mehrarbeit ist aber dann nicht straflos, wenn sie vom Arbeitgeber durch Ausbeutung der Notlage des Arbeit­ nehmers erwirkt worden ist. Eine Duldung liegt be­ sonders dann vor, wenn der Arbeitgeber keinen eigenen Vorteil davon hat, oder der Arbeitnehmer eine gewisser Arbeit unter Überschreitung der regelmäßigen oder der zulässigerweise erhöhten Arbeitszeit leistet; von Annehmen der Mehrarbeit wird dann zu sprechen sein, wenn er Nutzen aus der Mehrarbeit zieht. Eine Notlage des. Arbeitnehmers kann schon darin liegen, daß er Grund zu der Befürchtung hat die Arbeitsstelle, die er zurzeit inne hat, zu verlieren, wenn er sich weigert, die ihm an­ gesonnene Mehrarbeit zu leisten; der Arbeitgeber, der RGT., Straffachen Dd. 60.

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hatte die Strafkammer verneint, daß eine unzulässige Beförderung verschlossener Briefe im Ursprungsort gegen Bezahlung durch Boten, die im Dienste einer privaten Beförderungsanstalt standen, stattgefunden habe. Die Post­ verwaltung hatte als Nebenklägerin Revision eingelegt mit der Begründung, daß der Begriff der privaten Besörderungsanstalt das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nicht erfordere. Die Revision wurde unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, die an diesem Erfordernis festhält, verworfen. (II, 8. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 423—426. Vgl. Bd. 43 S. 25; Bd. 58 S. 167. 150. Arbeitszeit. Freiwillige Mehrarbeit. Ausbeulung der Notlage. (ArbZBO. § 11.) Die Angestellten einer Bank wurden beim Halbjahresabschluß einige Wochen lang täglich über 11 Stunden beschäftigt. Der Leiter der Bank und ihr Rechtsberater wurden wegen Verfehlung gegen die Arbeitszeitverordnung angeklagt, vom Be­ rufungsgericht aber freigesprochen. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Nach der Arbeitszeitverordnung ist Duldung oder Annahme freiwilliger Mehrarbeit nicht strafbar. Mehrarbeit ist jede Arbeit, die über die regel­ mäßige Arbeitszeit hinausgeht. Freiwillig ist die Mehr­ arbeit dann, wenn eine Pflicht zu ihrer Leistung nicht be­ steht, gleichviel, ob sie auf eigenem Entschluß des Arbeit­ nehmers beruht oder ob der Arbeitgeber sie angeregt hat; den Gegensatz dazu bildet die pflichtgebundene Mehr­ arbeit, die der Arbeitgeber auf Grund des Arbeitsver­ trags verlangt. Die Annahme oder Duldung freiwilliger Mehrarbeit ist aber dann nicht straflos, wenn sie vom Arbeitgeber durch Ausbeutung der Notlage des Arbeit­ nehmers erwirkt worden ist. Eine Duldung liegt be­ sonders dann vor, wenn der Arbeitgeber keinen eigenen Vorteil davon hat, oder der Arbeitnehmer eine gewisser Arbeit unter Überschreitung der regelmäßigen oder der zulässigerweise erhöhten Arbeitszeit leistet; von Annehmen der Mehrarbeit wird dann zu sprechen sein, wenn er Nutzen aus der Mehrarbeit zieht. Eine Notlage des. Arbeitnehmers kann schon darin liegen, daß er Grund zu der Befürchtung hat die Arbeitsstelle, die er zurzeit inne hat, zu verlieren, wenn er sich weigert, die ihm an­ gesonnene Mehrarbeit zu leisten; der Arbeitgeber, der RGT., Straffachen Dd. 60.

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diese Zwangslage kennt und gleichwohl die unter ihrem Druck geleistete Mehrarbeit geschehen läßt oder annimmt, beutet die Notlage aus und zwar nicht nur dann, wenn er selbst aus der Mehrarbeit Nutzen zieht, sondern auch dann schon, wenn er sich bewußt ist, daß die Arbeit­ nehmer die Mehrarbeit widerwillig leisten und ohne Furcht vor Verlust der Arbeitsgelegenheit aucb gegen eine reichliche Entlohnung der Überstunden nicht leisten würden. Die Angestellten hatten auf ihre Anfrage, welche Folgen eine Ablehnung der ihnen angesonnenen Mehrarbeit für sie haben würde, keine bestimmte Auskunft erhalten, waren vielmehr bewußt in Unsicherheit hierüber gelassen worden, obwohl es möglich gewesen wäre, diese Unsicher­ heit durch eine klare und bündige, die Gewähr der Zu­ verlässigkeit in sich tragende Erklärung in dem Sinne zu zerstreuen, daß den Angestellten, welche die Mehrarbeit verweigerten, keine Entlassung drohe. (I, 16. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 426—432.

169 Die klein gedruckten Ziffern verweisen auf die Nummern der Entsch.

Gesetzesregister. 1.

Strafgesetzbuch (StGB.). 1 47; 2 49, 127, 137; 19 99; 27 71, 136, 137; 27a 106, 136; 27b 47, 63; 28 8; 29a 80; 82 50; 40 25; 43 4, 11, 12, 54, 74, 76; 48 1, 58, 120; 49 4, 11, 39, 50, 76; 49a 11, 39; 50 58; 51 15; 53 86, 94, 141; 54 39, 48, 112; 59 32, 43, 94,

104, iT2, 126, 131, 143; 78 20, 24, 25, 27, 60, 61, 75, 78, 98, 110, 123, 129, 133; 74 110, 133, 134; 79 134; 112 62, 118; 113 118;114 118; H794; 125 116; 139 83; 145a 126; 146 ho; 153 35, 98, 123; 154 1, 12, 26, 27, 32, 143; 157 19, 26, 45, 99; 158 59; 161 98; 163 27, 32, 59; 164 hi; 173 81; 174 81; 185 18, 117; 186 130; 193 117; 196 36; 200 36; 201 84; 207 84; 207 84; 211 24, 61; 214 31, 89; 218 11, 39, 46; 218a F. 127; 219 46. 5o, 58; 219a F. 127; 222 15; 228 40; 223a 40; 230 15, 38; 240 57; 242 93, 94, 133; 243 132, 133; 244 133; 245 73; 246 93; 248 133; 249 24, 94, 133; 250 61; 251 61, 94; 252 133; 253 94; 255 94; 257 43, 94, 120; 263 41, 60, iot, ho, 148; 264 73; 265 51; 266 108; 267 9, 44, 56, 68, 74, 76, 129, 13]; 268 68, 74,-129; 269 56; 270 129, 131; 271 44, 56, 74, 76; 274 92, 140; 286 51, 82, 126, 135; 288 27; 292 94; 302 a 5, 37, 75; 802 b 75; 806 34, 52, 54; 308 52; 309 34; 339 3; 340 40, 125; 848 9, 13, 56; 349 9; 850 6, 30; 850 108, 129; 351 6, 30, 108; 855 125; 356 104, 105; 359 2, 40, 55; 863 60, 131. 2. Strafprozeßordnung (StPO.): 23 113; 24 21; 28 47; 57 120; 61 143; 68 143; 158 96; 160 69; 170 87; 184 87; 188 87; 192 87; 202 113; 204 42; 211 42; 229 61; 230 66; 231 109; 238 109; 243 66; 244 66 ; 247 61, 66; 249 64, 103; 251 64; 263 46, 102; 265 10; 266 10; 296 69; 300 124; 301 8, 69; 314 115; 824 66, 331 133; 332 66; 385 124; 338 17, 29, 66, 145: 889 69; 341 33; 343 33; 844 69; 345 25; 854 63; 377 69; 891 97; 397 69; 419 69; 426 97; 427 97; 467 69; 473 8, 69. 3. Arbeitszeitverorduuug (ArbzeitBO.): 150. 4. AußeuhaudelSkoutroÜuerorduuug(A«ße«HKo«trBO.) 49.

56.

Börseugesetz (BörsG.): 148. Branntweinmonopolgesetz (BranntwMonG.): 48, 65,

7-

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): 227 3, 94; 241 5; 284 5; 288 5; 795 126; 855ff 93; 858 94; 958 94; 1163 32 ; 1177 32; 1825—1329 81; 1355 76; 1590 81; 1631 3; 1632 3; 1684 3; 1708 104. Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGzBGB.): 33 81. Depotgesetz (DepG.): 148. Deutsch-Polnisches Abkommen vom 21. Juli 1922: 48. Eisenbahnverkehrsordnung (EBO.): 68. Einfuhrverordnung (EinfBO): 65. Freiwillige Gerichtsbarkeitsgesetz (FGG.): 74. Gerichtsversaffuugsgesetz (GBG.): 30 115; 59 145; 62 85; 63 17, 145: 64 145; 66 17; 67 17; 70 145; 77 146; 82 145; 83 85, 114, 145; 84 146; 91 146; 92 145; 99 145; 151 12; 173 95; 198 102. Gesetz die Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht betreffend (GmbHG.): 77* Grunderwerbsteuergesetz (GrundErwStG.): 4. Handelsgesetzbuch (HGB.): 125 33; 126 33; 161 33;

78, 80, 136, 137.

8. 910. 11. 12.

1314.

15. 16.

17. 18. z920. 21. 22.

23. 24. 25. 26.

27. 28. 29. 30. 31. 32.

&5 68.

Jrrtumsverordnung (JrrtBO.): 147Jugendgerichtsgesetz (JugGerG.): 22. Konkursordnung (KO.): 77, 98. Metallverkehrsgefetz (MetBerkG ): 121, 138. Militärstrafgerichtsordnung (MilStGO): 95, 139. Militärstrafgesetzbuch (MStGB): 40, 118, 141. Nahrungsmittelgesetz (NMG.): 23, 122. Paßordnung (PaßO): 56 Paßstrafverordnung (PaßStrBO): 16,119. Persouenstandsgesetz (PersStG): 76. Postgesetz (PostG.): 149. Preistreibereiverordnung v.1923 (PreisTrBO. v.1923): 5» 37, 47, 65. 75, 88, 91. Preußisches Allgemeines Landrecht (PrALR.): 3. Rechtsauwaltsordnung (RAO.): 104. Reichsabgabenordnnng (RAbgO.): 4, 13* 20, 33, 41, 60, 65, 67, 69, 70, 71, 78, 80, 97, 107, 136, 137,

142. 33. Reichsbahnpersoualgesetz (RBahuPersG.): 2.

34. Reichsgesetz die Aufhebung der Militärdienstbarkeit betreffend: 118. 35. Reichsverfaffung (RBerf.): 4 72; 89 55; 92 55; 96 55; 126 55 36. Rennwettgesetz sRennWettG.): 20 37. Schwerbeschädigtengesetz (SchwerBeschG.): 28. 38. 3. Steuernotverordnung (3. StNBO.): 7139. Tabaksteuergefetz (TabStG): 7b 119. 40. Reichsgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Unl. WG). 25. 41. Bereinszollgesetz (BZG49, 65, 70, 119. 42. Bermögensstrafverordnung (BermStrBO ) 4943. Bersicherungsaufsichtsgesetz (BersAufsG.) 44. Waffenverordnung (WaffVO.): 147. 45. Warenzeichengesetz (WZG.): 746. Wuchergerichtsverordnung (WucherGerBO.): 4747- Zigarettensteuergesetz (ZigarettStG.): 7148. Zivilprozeßordnung lZPO.): 323 104; 383 45. 41& 74 ; 418 74; 461 35; 762 13; 807 19, 27, 32. 49. Sonstige Reichsgesetze und -Verordnungen: 38, 47, 55. 70, 90. 100, 118, 14750. Landesgesetze nnd Verordnungen: 144-

Die Mein gedruckten Ziffern verweisen a. d. 6. d. amtl. Erttsch. 162

Seitenzahlen der amtlichen Entscheidungen. 1 1—2; 2 2—3; 3 3—6; 4 6—9; 5 9—10; 6 ii— 12; 7 12 — 16; 8 16—17; 9 17—22; 10 22—23; 11 23—25; 12 25—27; 13 27 —28; 14 28—29; 15 29—31; 16 31—32 ; 17 32—34; 18 34 —37; 19 37—39; 20 39—43; 21 43-47; 22 47—49; 23 4$ I—51; 24 51—52; 25 53—56; 26 56—58; 27 58—59; 28 59 -63, 29 63—65; 30 65-67; 31 67—69; 32 69—75; 33 75 —77; 84 77-78; 35 78—79; 36 80; 37 81-84; 38 84 —88; 39 88—94; 40 94—97 ; 41 97-99; 42 99—101; < 13 101—104; 44 104—106; 45 106—109; 46 109—in; 47 in—117; 48 118—123; 49 123—126; 50 126; 51 127—128; 52 129—130; 53 130—136; 54 136—138; 55 139—151; 56 152—157; 57 157—158; 58 158—159; 59 159—161; 60 161—163; 61 163—166; 62 166—168; 63 168—169; 64 169—170; 65 171—178; 66 179—182; 67 182—187; 68 187—189; 69 189—191; 70 191—198; 71 198—202; 72 202—206; 78 206—208; 74 209—216; 75 216—230; 76 230—233; 77 234—236; 78 237—241; 79 241 — 244; 80 244—246; 81 246—250; 82 250—254; 83 254—257; 84 257—259; 85 259—261; 86 261—262; 87 263; 88 264; 89 265—266; 90 266—269; 91 269; 92 270—271; 93 271—272; 94 273—279; 95 279—281; 96 281—282; 97 283—285; 98 285 — 288; 99 289—290; 100 290—293; 101294—295; 102 295—297; 108 297—298; 104 298—302; 105 302—306; 106 306 —307; 107 307— 311; IO8311— 313; IO9313-315; 110 315—317; 111 317—318; 112 318—322; 113 322 -327; 114 327—329; 115 329—331; 116 331 —335; 117 335—336; 118 337—344; 119 344—346; 120 346—349; 121 349—35i; 122351—353; 123 353—354! 124 354—355 > 125 355—357 > 126 357 —362; 127 362—365; 128 365—371; 129 371—373; 180 373—375: 131 375—378; 132 378—380; 133 380—382; 134 382—385; 135385-389; I86389—393; 187 393—399; 188 400; 139 401—402; 140 402 —404; 141404—406; 142 406—407; 143 407 —409; 144 409 —410; 145 410—415; 146 415—419; 147 419—421; 148 421—423; 149423—426; 150 426—432.

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Die Ziffern verweisen ans die Nummern der Entscheidungen.

Sachregister. Abgabennachzahlung 136. Ablehnungleines Richters) 21. Abstimmung 102. Abtreibung 11 — Aufforderung zur 39. — gewerbsmäßige 127. Amtsgewalt (Mißbrauch) 3. Amtsunters chlagung 6, 30, 108, 129 Amtsvormund schäft 108 Anfechtung beschränkte45, 46. Angeklagter (Abwesenheit) — freiwillige Entfernung 109. — gesetzwidrige Vernehmung 121. Angestellter Richter 85. Annahmebuch 6. Anschuldigung falsche!!!. Anstiftung — Begünstigung des An­ stifters 129. — Lohnabtreibung 58. Anzeigepflicht geplanter Verbrechen 83. Arbeitsvergebung 9. Arbeitszeit 150. Aufforderung l Ver­ brechensbegehung) 11. Aufklärungspflicht 35. Ausbeutung (Notlage) 150.

Ausfuhrverbot 70. Auskunftspflicht 100. Auslegung 35. Auslieferung 71. Ausschluß vom Richter­ amt 113. Ausspielung öffentliche 51, 82 Außerverfolgung­ setzung 42.

Bandenschmuggel 119. Bankerott 77. — betrügerischer 98 Beamter (Reichsbahn) 55. Beendigung des Unter­ nehmens 31. Beglaubigungs versuch 74. Begünstigung 43, 94. — Anstiftung zur 120. Behaupten von Tatsachen 130. Behörde 111. Beihilfe Abtreibung 11. — Steuerhinterziehung 4. Beisitzer schwurgericht­ licher 85. Belege unrichtige 30. Beleidigung 36, 117. Berechtigte Interessen 117. Berusung97,115,124,125. Besetzung vorschrifts­ mäßige 29.

Besonders schwerer Fall 47. Betrug 41, 60, 78, 101, 110, 148. Beweggrund 86. Beweis 124. Beweiserhebung (ab­ wesender Angeklagter) 66. Beweiskraft 44. Beweislast 7. Beweismittel neue 42. Bewußtlosigkeit 15. Blutschande 81. Brandstiftung 34,52,54. Branntwein Monopol 48, 78, 80, 136, 137. Briefverteilungsstelle 149. Buchmacher 10. Buchung unrichtige 6. Buße 7. Darlehen 75. Dauergesahr 112. Defraudation 65. Diebstahl 93, 94. — schwerer 132. — räuberischer 133. Dienstausübung rechtmäßige 118. Drohung 118. Durchsuchung 118.

un­

Ehe nichtige 81. E hrverlust 50. Eid richterlicher 35 Eidesunfähigkeit 98. Eigentümergrund­ schuld 32. Einbruchsdiebstahl 132. Einkaufskommission 148.

Einsatz versteckter 51. Erbrechen von Behält­ nissen 132. Ergreifung auf frischer Tat 31. Erkennungsversuch 66. Ermittlungen staatsanwaltschastliche 87. Ernennung (Rückwirkung) Ernstlichkeit (Mangel an) 62. Erpressung räuberische 94 Erziehungsmaßnahme

Fahrlässigkeit 15, 121. Falschbeurkun dung 46, 74, 76 — Erwirkung 44 Falscheid fahrlässiger 1, 27, 59, 149. Familienname 76. Forderung bestrittene 19. Fortsetzungszusammen­ hang 76. Frachtbriesduplikat 68. Freisprechung teilweise 141. Frist beginn 33. Fürsorgeerziehung^. Geldstrafe 136. Gemeingefährlichkeit 112. Genehmigungspflicht 126. Gericht (vorschriftsmäßige Besetzung) 29. Gerichtsassessor 85. Gerichtsmitglied (Schlafen) 29. Gesamtstrafe 73, 134.

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Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Gesamturkunde 9, 56. Gesellschaft m. b. H. 77. Gesetz besonderes 70. Geseyesausleguna 130. Gesetzeseinheit 40, 41, 48 — Brandstiftung und Ver­ sicherungsbetrug 51. Gesetzgebung (Wechsel) 49, 127, 137. Gesichtspunkt rechtlicher (Änderung) 10. Gewahrsam 93. Gewaltanwendung 57. Gewerbsmäßigkeit (Wucher) 75. Gewinnsucht 106. Grunderwerb steuer 4.

Körperverletzung — fahrlässige 38. — gefährliche im Amt 40. Kosten 8, 69. Kraftwagenführer 18. Kraftwagenunfall 38. Kredit ungedeckter 53. Kreditwucher 75, 88.

Landfriedensbruch 116. Landgerichtsmitglied 145. Landgerichtspräsident (Vertretung) 17. Legitimationspapier 60, 131. Leichtsinn (Wucher) 75. Leistungswucher 5, 37, Hauptverhandlung 53, 75, 88, 91. (Unterbrechung) 61. i Lohnabtreibung 46,58, Hehlerei 121. I 127. Hilfsrichter 144, 145. I Lotterie 126, 135. Hilfsschösfe 146. Hilssstosfe 122. Machenschaft unlautere Hinterziehung 71, 137. 47, 53. Höchstbetrag 136. Meineid 26, 27, 45, 98, 123. Interessen berechtigte 117. — Anstiftung 1. Irrtum 43, 53, 75, 94, — Versuch 12. 104, 112, 126, 128, 131, Mehrarbeit 150. 143, 147, 149. Meldekarten 56. Jagdvergehen 94. Meldeschein 16. Jugendgericht 22. Mensur (Zweikampf) 84. Kauspreisangabe un­ Metallverkehr 138. richtige 4 Militärgericht 95. Klageerneuerung 42. Militärische Streife 118. Kognak 14. Militärische Vorgesetzte Kokainhandel 128. 118. Kommanditgesellschaft Militärstrafsachen 139. 33. Minderjährige (Metall­ Konterbande 65, 119. erwerb) 138.

Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Minderjährige Unzucht mit 18. Mindestbetrag 136. Mittelbare Täterschaft 1OQ

Mord 24. Münzfälschung 110. Nachrede üble 130. Nachtat straflose 129. Nahrungsmittel 12. — fälschung 23. Nebenklage 20, 69, 97. Nebenstrafe 98. ne bis in idem 20. Notar 4. Nötigung (Schreckschüsse) 57. Notlage (Ausbeutung) 150. Notstand 39, 48, 112. Notwehr 86, 141. Offenbarungseid 19, 27, 32. Öffentliche Ausspielung 82 Öffentliche Register 56. Öffentliche Urkunde (Paß) 56. Öffentlichkeit 61, 126. — Ausschluß 95. Parteiverrat 104, 105. Paß 56. Paßvergehen 16. Personalaus weis 44. Psändungprotokolll3. Plünderung 48. Politisches Vergehen 72. Polizei (Paßvergehen) 16. Polizeibeamter 3. Polizeiliche Vorschriften (Abweichung) 38.

166

Postpaketverkehr 6. Postzug 143. Preisrätsel 135. Preistreiberei 5. Provision 82. Putativnotwehr 86.

Rädelsführer (Land­ friedensbruch) 116. Raub 24, 94. Räuberischer Diebstahl 133. Räuberische Erpressung 94. Raubmord 6t. Rechtlicher Gesichtspunkt (Änderung) 10. Rechtsmittel 8. Rechts mittelbeschränkung 63, 65. Rechtsmitteleinlegung 124, 125. Rechtsnachteil 59. Rechtswidrigkeit (Be­ wußtsein) 18. Register 6, 108. — öffentliche 56. Reichsbahn 55. Reichsbahnbeamte 2. Reifezeugnis (öffentliche Urkunde) 131. Rennwettsteuer 20. Revision 124, 125. Revrsionsanträge 25. Richter 12. Richterablehnung 21, 47. Richteramt (Ausschluß) 113. — (Assessor als Hilfsrichter) 85. I Risikoprämie 53, 91.

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Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Rückfall 137. Rückfallsverjährung 73.

Saargebiet 126. Schadenersatz 7. Schlafen (eines Gerichts­ mitglieds) 29. Schlägermensur 84. Schleichhandel 65. Schneeballensystem 82. Schöffengericht gemein­ sames 115. Schreckschüsse (Nötigung) 57. Schuldverschreibung auf den Inhaber 126. Schußwaffe 90. Schwägerfchaft 81. Schwerbeschädigte (Be­ schäftigung) 28. Schwurgericht (Ver­ tretung des Vorsitzenden) 114, 146. Selbstanzeige 100. Selbstbegünstigung 43. — straflose 129. Selbsthilfe 3. Sicherungsgeld 78. Sitzungsprotokoll 92. Sparversicherung 125. Spezialität 72. Staats anwalt 12. Staatsdienst mittelbarer 55. Steuergefährdung 107. Steuer hin terziehung 41, 60, 67, 78. Steuerkarte 60. Steuer strasver fahren 33, 69. Steuerzahlung ver­ spätete 67.

Stimmenverhältnis (Angabe) 102. Strafantrag 96. Strafbemessung 98. Strafenhäufung 119. Straferhöhung 46. Strafermäßigung (Meieid) 26, 45. Straffreiheit 48. Strafgesetz mildestes 49. 127, 137. Strafklageverbrauch 20. Strafschärfung 119. Strafumwandlung 80. Strafvermerk (Tilgung) 98. Tateinheit — Amtsunterschlagung und Urkundenfälschung 129. — Betrug und Amtsur­ kundenfälschung 79. — Betrug und Branntweinabgabehinterziehung 79. — Betrug und Steuerhinter­ ziehung 60. — betrügerischer Bankrott und Meineid 98. — Brandstiftung und Ver­ sicherungsbetrug 52. — Hinterziehung v. Brannt­ weinaufschlag und Frei­ geld 48. — keine zwischen Meineid und fahrlässigem Falsch­ eid 27. — Kredit- und Leistungs­ wucher 75. — Meineid und Urkunden­ fälschung 123. — Mord und Raub 24. — Mord und schwerer Straßenraub 61.

Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Tateinheit Münzfälschung und Betrug 110. — räuberischer Diebstahl und schwerer Diebstahl im Rück­ fall 133. — Zollhinterziehung und Konterbande 119. Täterschaft mittelbare 128. Tatsachen neue 42. Teilnahme — Abtreibung 39. — Opiumvergehen 128. Teilzahlung 8 Tilgung von Strafver­ merken 98. Totschlag 31. — schwerer 89.

Überweisungskarte 6. Umzug skosten 101 Unerfahrenheit 75. Ungehorsam militärischer Unlauterer Wettbewerb 25. Unterlassungsdelikt (Brandstiftung) 34. Unternehmen (strafbare Handlung) 89. — Beendigung 31. Unterschlagung 24, 93. Unterzeichnung 142. Unzüchtige Handlung 18. Urkunde öffentliche — Pfändungsprotokoll 13. — Paß 56. — Reifezeugnis 131. — Sammelerlaubnis 74. Urkundenbeweis 64. Urkundenfälschung 9, 44, 68, 74, 76, 123, 129,

168

Urkundenunter­ drückung 140. Urschrift 142. Urreilsformel 8. Urteilsgründe 10, 102. Veräußerungsanzeige 4. B erbrechen (Preis, treiberei) 47. — Aufforderung 11. — Vorhaben 83. Verkauf 121. Verkehrsregelung 65. Verkürzung 107. Verlesung 64. Vernehmung gesetzwidrige 113. Veröffentlichungs­ befugnis 36 Verschleierung (Wucher) 75. Versichern ngsbetrug 52. Versuch (Steuerhinter­ ziehung) 4. Versuch untauglicher — Abtreibung 11. — Brandstiftung 54. Verursachung 38. Verurteilung frühere 134. Verwandtschaft 81. Verzugszinsen 5 Völkerrecht 72 Vollmacht 23, 96. Bollstreckungsvereitelung 77. Vorauszahlung 67. Borentscheid 80. Vorgesetzter amtlicher36. — militärischer 118.

Vorhaben (Verbrechen)82. Vorsatz 11, 79 Vorsitzender (Vertretung) 114. Voruntersuchung 87, 113. Wache militärische 40. Waffenbesitz 147. Waffenmißbrauch 40. Wahrheitsangabe (Meineid) 26 Wald eingehegter 94. Warenzeichen 7. Weinbrand 14. Werbung 82. Wertersatz 80. Widerruf 59. Widerstand 94, 118.

Wiederaufnahme 139. Wohngebäude 54. Wucher 75.

Zeugeneid (Umfang) 143. Zeugnisverweige ­ rungsrecht 45. Zigaretten st euer 71. Ziel 79. Zollhinterziehung 119. Zollstrafrecht 70. Zuchthausstrafe (Be­ messung) 99. Zurücknahme bedingte 124. Zusammenrottung 116. Zuständig leit 139. Zweck (Notwehr 86. Zweikampf 84.

z. Schweitzer Verla- (ArthurSeMer) Müucht«, Berli», Leipzig

Praktischer Leitfaden für kriminalistische Tatbestandsaufnahmen Für Kriminal- und Sicherheitsbeamte Herausgegeben von

Wilhelm Polzer, 3. Auslage.

wueitommwt m mun,

1921.

8°. 146 Seiten.

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Gaunerwörterbuch

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Wilhelm Polzer,

Polizeikommiffär in Wien.

8°. 108 S. 1922. M. 1.60.

Internationales Kriminialpolizeiblatt 1922, Nr. 8. Ein Merkchen, ebenso praktisch wie auch wissenschaftlich wertvoll und interessant. Ein rechtzeitig erhaschtes und richtig ge­ deutetes Gaunerwort löst oft die verwickeltsten Knoten in einem Sachverhalte, in dem der rechtzeitig übersetzte Gauner­ ausdruck eben ost Beweise hineintragen kann, welche sonst vielleicht nie hätten gebracht werden können.