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German Pages [121] Year 2019
Reihe Thesispreis des Fachbereichs Sozialwesen der KatHO NRW, Abteilung Köln Band 4
Alexandra Zawacki
Eltern von Kindern mit Asperger-Autismus Eine qualitative Analyse von Belastungen, Ressourcen und Bewältigungsstrategien
Verlag Barbara Budrich Opladen • Berlin • Toronto 2019
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Alle Rechte vorbehalten © 2019 Verlag Barbara Budrich, Opladen, Berlin & Toronto www.budrich-verlag.de ISBN eISBN
978-3-8474-2298-3 (Paperback) 978-3-8474-1474-2 (eBook)
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Bettina Lehfeldt, Kleinmachnow – www.lehfeldtgraphic.de Satz: Anja Borkam, Jena – [email protected] Druck: paper & tinta, Warschau Printed in Europe
Inhalt Vorwort .................................................................................................
9
Einleitung ..............................................................................................
11
I
Theoretischer Teil
1 Autismus ......................................................................................... 1.1 1.2
15
Diagnostische Einordnung des Asperger-Syndroms .............. Diagnosekriterien und charakteristische Merkmale des Asperger-Syndroms ......................................................... 1.2.1 Sozialverhalten ........................................................... 1.2.2 Sprache ...................................................................... 1.2.3 Interessen und Routinen ............................................. 1.2.4 Motorische Unbeholfenheit ........................................ 1.2.5 Kognition ................................................................... 1.2.6 Sensorische Empfindlichkeit ...................................... 1.2.7 Besonderheiten bei Mädchen ..................................... Epidemiologie ........................................................................ Ätiologie und Entwicklungspsychopathologie ....................... 1.4.1 Genetische Faktoren ................................................... 1.4.2 Komorbide psychopathologische Störungen .............. 1.4.3 Neurologische und kognitive Auffälligkeiten ............ Zusammenfassung ..................................................................
16 17 18 19 19 20 21 21 22 23 24 24 25 26
2 Familie und Partnerschaft ................................................................
28
1.3 1.4
1.5 2.1 2.2
15
Bedeutung von Familie und Partnerschaft ............................. Entwicklungsbedingungen im Kontext der Eltern-Kind-Beziehung .......................................................... Zusammenfassung ..................................................................
30 31
3 Stress und Coping ............................................................................
33
2.3 3.1
3.2
3.3
Definition von Stress .............................................................. 3.1.1 Stressmodell ............................................................... 3.1.2 Stressursachen ............................................................ Coping .................................................................................... 3.2.1 Soziale Unterstützung ................................................ 3.2.2 Dyadisches Coping .................................................... Zusammenfassung ..................................................................
28
33 33 34 35 35 36 37 5
4 Stress und Belastung im Zusammenhang mit einem Kind mit Asperger-Syndrom .................................................................... 4.1
4.2 4.3 4.4
Belastungsursachen ................................................................ 4.1.1 Alltagsgestaltung ....................................................... 4.1.2 Neufindung der Elternrolle ........................................ 4.1.3 Eltern-Kind-Beziehung .............................................. 4.1.4 Werte und Normen der Gesellschaft .......................... 4.1.5 Inklusion .................................................................... Coping bei Familien mit Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung .................................................. Chancen .................................................................................. Zusammenfassung ..................................................................
39 40 41 41 42 43 44 45 46 47
II Empirischer Teil 1 Methode und Vorgehensweise ........................................................ 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
51
Grundlagen der qualitativen Forschung ................................. Kategoriensystem ................................................................... Teilstandardisiertes Interview ................................................ Auswahl der Interviewpartner ................................................ Durchführung der Interviews ................................................. Auswertung der Datenerhebung ............................................. 1.6.1 Transkription .............................................................. 1.6.2 Auswertungsmethode – Qualitative Inhaltsanalyse ...
52 53 55 55 57 57 58 59
2 Ergebnisse .......................................................................................
60
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
6
Alltag ...................................................................................... Einfluss der symptomatischen Ausprägungen ........................ Elternrolle ............................................................................... Eltern-Kind-Beziehung .......................................................... Funktion der Familie .............................................................. Stressursachen ........................................................................ 2.6.1 Intensität der Reaktion des Kindes.............................. 2.6.2 Intensiver Betreuungsumfang des Kindes .................. 2.6.3 Reaktion der Gesellschaft .......................................... 2.6.4 Fehlende Aufklärung ................................................. 2.6.5 Bürokratische Hürden ................................................ 2.6.6 Späte Diagnostik ........................................................ 2.6.7 Konfliktsituation zwischen Partner und Kind ............
60 65 75 77 78 79 79 80 81 83 83 83 84
2.6.8 Behinderungsakzeptanz ............................................. Stressauslösende Effekte ........................................................ Bewältigungsstrategien/Coping .............................................. 2.8.1 Soziale Unterstützung ................................................ 2.8.2 Dyadisches Coping .................................................... 2.9 Ressourcen ............................................................................. 2.10 Unterstützungsbedarf ............................................................. 2.11 Inklusion ................................................................................. 2.12 Rolle der Geschwisterkinder ..................................................
84 85 86 88 89 91 96 99 101
3 Diskussion .......................................................................................
103
2.7 2.8
3.1 3.2 3.3
Zusammenfassung der Erkenntnisse ...................................... Stärken und Schwächen der Arbeit ........................................ Fehlende Betrachtungsweisen ................................................
103 107 107
4 Schlussfolgerungen für Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit ..............................................................................................
109
5 Ausblick ..........................................................................................
111
6 Literaturverzeichnis .........................................................................
113
7 Anhang ............................................................................................
116
7.1 7.2
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .................................... Leitfadeninterview .................................................................
116 117
7
Vorwort Das Leben in Familien mit einem beeinträchtigen Kind ist oft fröhlich, abwechslungsreich und liebevoll – wie in anderen Familien auch. Der Alltag bringt aber auch große Sorgen, medizinische Probleme sowie seelische und körperliche Anstrengungen mit sich, die der Familie das Leben erschweren. Seit nunmehr als 10 Jahren begleite ich Familien mit Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen auf ihren Wegen, als Betreuungsperson, im Rahmen von Freizeitbegleitung, als Pflegekraft im Kinderheim, als Koordinatorin von Integrationshilfen an Förderschulen und letztlich im Autismus-TherapieZentrum Köln als Autismustherapeutin. Viele Jahre haben mich die Kinder fasziniert, mit welcher Fröhlichkeit und Unbeschwertheit sie ihren Alltag bewältigen. Noch beeindruckender ist der Kontakt zu ihren Familien, den Eltern und den Geschwisterkindern. Die meisten unter ihnen sind unglaublich engagiert, herzlich, verständnisvoll und gleichzeitig so mutig als auch geduldig. Dies hat mich dazu inspiriert, mir ihre Geschichten genauer anzuhören und wahrzunehmen, um besser zu verstehen welche Anforderungen sie tagtäglich zu bewältigen haben und warum es mal besser, mal schlechter gelingt. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die Teilnahme der Eltern an den Interviews bedanken. Sie haben mir im Gespräch sehr viel Vertrauen entgegengebracht und diese ehrliche Offenheit hat mich gerührt. Herzlich möchte ich mich auch bei Frau Professorin Hoff bedanken, für die geduldige, verständnisvolle und entschleunigende Betreuung meiner Masterarbeit. Der Dank gilt auch meiner Familie und meinem Partner, die mich durch die gesamte Studienzeit begleitet und unterstützt haben.
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Einleitung Das Thema Autismus wird auf verschiedenste Weise in wissenschaftlichen Arbeiten und Beiträgen behandelt. Jedoch wird der Aspekt des alltäglichen Lebens von Familien mit Kindern mit Autismus häufig ausgespart. Auch die Unterschiede zwischen den Ausprägungen der Spektrum-Störung und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf das Familienleben werden selten näher beleuchtet. Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, die betroffenen Familien selbst anzuhören, um daraus die spezifischen Belastungssituationen zu erforschen und mit Hilfe der Angaben der Eltern auch vorhandene Ressourcen und notwendigen Unterstützungsbedarf herauszukristallisieren. Basierend auf einer umfassenden Literaturrecherche, wird im theoretischen Teil zunächst die Asperger-Symptomatik (Kap. 1) dargestellt. Anschließend folgt eine wissenschaftliche Zusammenfassung der Thematik Familie und Partnerschaft (Kap. 2), mit dem Ziel die Bedeutung und Funktion dieser zu beleuchten. Interessanterweise gibt es keine empirischen Hinweise auf eine veränderte Eltern-Kind-Beziehung, bei Familien mit Kindern mit AspergerSyndrom, wodurch die Relevanz der Auseinandersetzung mit diesem Sachverhalt unterstrichen werden kann. Die Erläuterung von Stress und Coping (Kap. 3) dient als Grundlage, um diese in Zusammenhang mit Familien mit einem Kind mit Asperger-Syndrom (Kap. 4) bringen zu können. Zusammenfassend gibt es Hinweise dafür, dass Familien mit Kindern mit Asperger-Syndrom vor Herausforderungen gestellt werden, die Stress verursachen und Bewältigungsstrategien abverlangen. Nun stellt sich die Frage, wie genau diese gekennzeichnet sind. Das folgende Zitat einer Mutter, stellt die Schwierigkeit zutreffend dar, die Besonderheit ihres Alltags mit einem betroffenen Kind, in Worte zu fassen: Ich denke dann immer wieder, wenn ich versuche das zu beschreiben, es ist so schwer das von dem Normalen abzugrenzen. Und trotzdem ist es so entsetzlich nervig, dass man sich bei so vielen Dingen beim Elterntraining gedacht hat: Ja, genau das ist es. Aber es ist so schwer in Worte zu fassen. Es ist einfach penetrant. Es ist kräftezehrend. Es ist immer ein bisschen länger, ein bisschen unangemessener, ein bisschen unverständiger, ein bisschen. Alles immer ein bisschen mehr, als wie man erwartet. (Interview Nummer 8)
Der empirische Teil wird als Lösungsweg verstanden, sich der Thematik wissenschaftlich anzunähern. Im vorliegenden Beitrag wird eine qualitative Interviewstudie (Kap. 5) zu den Belastungssituationen und Bewältigungsressourcen sowie zum Hilfebedarf von Eltern mit Kindern mit Asperger-Syndrom vorgestellt.
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Ausgehend von den Untersuchungsergebnissen, die mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse generiert wurden und im Kapitel 6 ausführlich dargestellt werden, folgen konzeptuelle Bausteine, die abschließend sowohl auf präventiver Ebene als auch in Form von Nachsorge, das Hilfeangebot für Eltern von Kindern mit Asperger-Autismus ergänzen könnten, u.a. Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit und Initiierung des Selbsthilfepotentials. Es wird deutlich darauf hingewiesen, dass die Ursachen der Belastung aus der Elternperspektive erforscht werden. Teilweise liegen diese in den Verhaltensweisen der Kinder mit Asperger-Syndrom. Die Gründe für die Verhaltensweisen der Kinder werden nur symptomatisch dargestellt, nicht aber individuell betrachtet. Das würde den vorgesehenen Umfang der Thesis überschreiten. Sofern die dargestellten Belastungsursachen auf die Besonderheiten der Kinder zurückzuführen sind, ist dies nicht wertend zu verstehen. Es handelt sich hierbei lediglich um die subjektive Darstellung der Eltern. Die positiven Wahrnehmungen und bereichernden Elemente eines Alltags mit einem Kind mit Asperger-Autismus könnten im Rahmen einer weiteren umfangreichen Forschung, das Bild einer Familie mit einem Kind mit Asperger-Autismus vervollständigen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierung umfasst gleichermaßen alle Geschlechter; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen.
12
I Theoretischer Teil
1 Autismus Das erste Kapitel befasst sich mit der ausführlichen Darstellung der AutismusSpektrum-Störung, mit einem Fokus auf dem Asperger-Syndrom (AS). Die verwendeten Begrifflichkeiten werden im nächsten Abschnitt definiert. Insbesondere für den weiteren Verlauf der Studie ist es wichtig, dass die Termini wie folgt abgegrenzt werden. Wird aus Studien rezitiert, die sowohl den Diagnosekriterien Asperger-Syndrom wie auch frühkindlichem Autismus entsprechen, so wird die Begrifflichkeit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) formuliert. Sofern sich die Aussagen nur auf eine Gruppe beziehen, wird ausdrücklich darauf hingewiesen. Zu Beginn werden die Diagnosekriterien anhand der Klassifikationssysteme dargestellt, anschließend folgt eine ausführliche Beschreibung aller charakteristischen Leitsymptome, gefolgt von der Prävalenz sowie der Ursachenklärung.
1.1
Diagnostische Einordnung des Asperger-Syndroms
Die Erstbeschreiber der autistischen Störungen (Leo Kanner und Hans Asperger) erkannten, dass die Störung als angeborene bzw. als in allerfrühester Kindheit entstanden angesehen werden muss. Es wird eine diagnostische Differenzierung vorgenommen, die zwischen frühkindlichem Autismus, dem Asperger-Syndrom und einer Restkategorie, im Sinne von nicht näher zu bezeichnenden tiefen Entwicklungsstörungen, unterschieden wird (Freitag/Vogely 2016, 14). Heute wird das Asperger-Syndrom, wie auch eine Reihe von anderen Störungen aus dem ‚Autistischen-Spektrum‘, zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen gezählt, die nach den beiden gängigen Klassifikationssystemen für Krankheiten und psychische Störungen (Internationales Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation ICD-10 und Diagnostisches und Statistisches Handbuch psychischer Störungen DSM-IV-TR) durch drei charakteristische Merkmale gekennzeichnet ist:
qualitative Beeinträchtigung in der zwischenmenschlichen Interaktion, qualitative Auffälligkeiten in der Kommunikation und ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholdes Repertoire von Interessen und Aktivitäten (Kamp-Becker/Bölte 2011, 12).
Dabei verändert sich das klinische Erscheinungsbild über die Lebensspanne vom Kleinkind bis hin zum Leben als Erwachsener erheblich, womit starke 15
Veränderungen in der sozialen Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit einhergehen (vgl. Freitag/Vogely 2016, 13). Der Wiener Kinderarzt Hans Asperger beschrieb im Jahr 1944 vier Patienten, zwischen dem sechsten und elften Lebensjahr, die Defizite in sozialen Interaktionen hatten, jedoch keine Sprachentwicklungsstörungen oder qualitative intellektuelle Auffälligkeiten zeigten. Hans Asperger beschrieb dieses Syndrom ‚Autistische Psychopathie‘ (Asperger 1944) und nahm eine angeborene Störung an, die vom Vater zum Sohn weitergebeben wurde. Er ging dabei allerdings von einer Extremvariante eines Persönlichkeitszuges aus und behauptete, dass sich diese Störung nicht vor dem dritten Lebensjahr erkennen lasse. Hans Asperger publizierte jahrzehntelang auf Deutsch, wodurch seine Werke lange Zeit international wenig bekannt blieben. Erst in der Zusammenfassung der englischen Psychologin Lorna Wing im Jahre 1981 (Wing 1981) wurden seine Werke auch international stärker rezipiert (vgl. Freitag 2014, 11). Im Jahr 1992 wurde die Störung in die ICD-10 aufgenommen und 1994 in das DSM-IV der American Psychiatric Association (Remschmidt 2006, 11). Die ASS wird in DSM-V (Falkai/Wittchen 2015) als eine Erkrankung aus den ICD-10 bzw. DSM-IV Diagnosen frühkindlicher Autismus, AspergerSyndrom und atypischer Autismus zusammengefasst und weist entsprechend revidierte Kriterien auf (Freitag 2014). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit haben die betroffenen Kinder der befragten Eltern jedoch noch eine AspergerDiagnose erhalten, so dass sich aus diesem Grund auf die Beschreibung des Klassifikationssystems ICD-10 bezogen wird. Insbesondere für die Betroffenen mit Asperger-Syndrom ist eine diagnostische Differenzierung relevant, damit die Interventionen den besonderen Bedürfnissen, die sich aufgrund der Symptomatik unterscheiden, angepasst werden (Macintosh/Dissanayake 2004, 421). Hinsichtlich der Wirksamkeit von therapeutischen Interventionen zeigt sich eine gute Evidenz von früh beginnenden verhaltenstherapeutischen Interventionen unter enger Einbeziehung der Bezugspersonen. Es gibt allerdings bezüglich der Wirksamkeit von Interventionen nur wenige randomisierte kontrollierte Studien (Sprenger et al. 2015, 28 f.).
1.2
Diagnosekriterien und charakteristische Merkmale des Asperger-Syndroms
Die charakteristischen Leitsymptome für das Asperger-Syndrom in Form von diagnostischen Kriterien nach ICD-10 und dem alten DSM-IV werden in der folgenden Tabelle gegenübergestellt. Hierbei handelt es sich um eine gekürzte und sinngemäße Darstellung. 16
ICD-10
DSM-IV
1. Fehlen einer Sprachentwicklungsverzögerung oder einer Verzögerung der kognitiven Entwicklung. Die Diagnose erfordert, dass einzelne Worte im 2. Lebensjahr oder früher benutzt werden.
1. Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion in mehreren (mindestens 2) Bereichen: z.B. bei non-verbalem Verhalten, in der Beziehung zu Gleichaltrigen, in der emotionalen Resonanz.
2. Qualitative Beeinträchtig der gegenseitigen sozialen Interaktion (einsprechend der Kriterien des frühkindlichen Autismus).
2. Beschränkte repetitive und stereotype Verhaltensweisen (z.B. in den Interessen, Gewohnheiten oder der Motorik).
3. Ungewöhnliche und sehr ausgeprägte umschriebene Interessen (ausgestanzte Sonderinteressen) und stereotype Verhaltensmuster.
3. Klinische bedeutsame Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Funktionsbereichen.
4. Die Störung ist nicht einer anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung zuzuordnen.
4. kein klinisch bedeutsamer Sprachrückstand und keine bedeutsame Verzögerung der kognitiven Entwicklung. 5. Die Störung erfüllt nicht die Kriterien einer anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung.
Tabelle 1: Diagnostische Kriterien bzw. Leitlinien für das Asperger-Syndrom nach ICD-10 und DSM-IV (gekürzt und sinngemäß) (Remschmidt 2006, 19)
Aus der Gegenüberstellung beider diagnostischer Systeme wird deutlich, dass sie sich weitgehend gleichen. Die Kernmerkmale des AS werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit ausführlich beschrieben, da umfassende Kenntnisse dieser relevant sind, um die Belastungssituation der betroffenen Familien besser einschätzen zu können.
1.2.1 Sozialverhalten Kinder und Jugendliche mit AS werden im Rahmen der Diagnostik aufgrund ihrer sozialen Interkationen eingeschätzt. Eines der ersten Kriterien wird als ‚soziale Beeinträchtigung‘ bezeichnet und macht sich durch folgende Merkmale kenntlich:
Schwierigkeiten im Kontakt und in der Interaktion mit Gleichaltrigen, fehlendes Verständnis für soziale Signale, ein sozial und emotional unangebrachtes Verhalten (Attwood 2005, 30).
Dabei ist ebenfalls die nonverbale Kommunikation insofern beeinträchtigt, dass sich das Sozialverhalten von den anderen Kindern in Form von 17
begrenzter Gestik, unbeholfener Körpersprache, eingeschränkter Mimik, unangemessenem Ausdruck und sonderbaren, starren Blicken unterscheidet (Attwood 2005, 30).
Attwood differenziert auf Basis seiner klinischen Erfahrung drei Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit AS. Die charakteristischen Merkmale einer ersten Gruppe sind durch sehr schüchternes, isoliertes, introvertiertes und zurückgezogenes Verhalten gekennzeichnet. Die zweite Gruppe weißt Merkmale vor, die eher aufdringlich und fordernd wirken. In diesem Fall ist eine große Motivation vorhanden, soziale Kontakte zu knüpfen. Die dritte, bislang unterschätzte Gruppe besteht hauptsächlich aus Mädchen, die selten diagnostiziert werden und sehr ausgeprägte Imitationsfähigkeiten besitzen, indem sie die anderen Personen beobachten, analysieren, vordergründig ihre sozialen Fähigkeiten imitieren und dadurch selten auffallen (Attwood 2005, 30). Die betroffenen Kinder und Jugendlichen haben im Hinblick auf die oben beschriebenen Einschränkungen und Beeinträchtigungen Schwierigkeiten im Spiel mit Gleichaltrigen. Teilweise verhalten sie sich so, als würden sie das Geschehen beherrschen und im Mittelpunkt stehen wollen. Die andere Gruppe von Kindern beobachten das Spiel von außerhalb, da es ihnen schwer fällt die sozialen Verhaltensregeln zu erkennen und sie haben teilweise negative Lerngeschichten mit Gleichaltrigen erfahren (Attwood 2005, 34), wie diese Aussage eines Kindes mit AS illustriert: Ich kann einfach keine Freundschaften schließen… Ich bin gerne für mich und schaue meine Münzsammlung an… Ich habe zu Hause einen Hamster. Der bietet mir genügend Gesellschaft… Ich kann mit mir alleine spielen. Ich brauche andere Menschen nicht. (Attwood 2005, S.32)
1.2.2 Sprache Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass bei fast 50 Prozent der Kinder mit AS die Sprachentwicklung verzögert verläuft, jedoch im Alter von fünf Jahren gewöhnlich das Sprechen fließend und mühelos gelingt (Brook/Brower 1992, 80). Dennoch fällt auf, dass sie schlechter als andere Kinder im gleichen Alter in der Lage sind, ein ausführliches Gespräch zu führen. Der Unterschied scheint hier in der Pragmatik (d.h. darin, wie die Sprache in einem sozialen Kontext verwendet wird), in der Semantik (das ist das Nichterkennen von mehreren Bedeutungen) und in der Prosodie (d.h. in einer gewöhnlichen Tonhöhe oder Betonung oder in einem ungewöhnlichen Rhythmus) zu liegen (Attwood 2005, 76). Klassische Beispiele sind Monologe über
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das Spezialinteresse, unpassende Bemerkungen und Unterbrechungen, die wörtliche Interpretation oder sehr formelle Wortwahlen.
1.2.3 Interessen und Routinen Die Merkmale ‚Interessen und Routinen‘ wurden bisher nicht ausreichend in der Fachliteratur berücksichtig (Attwood 2005, 102). Die Betroffenen haben eine Tendenz, sehr stark einem speziellen Interesse nachzugehen, dass sowohl die gemeinsam verbrachte Zeit und Gespräche stark beherrscht. Das zweite beobachtbare Merkmal lautet, dass Kinder und Jugendliche mit AS darauf bedacht sind, Routinen einzuhalten. Diese zwei Merkmale haben einen relevanten Einfluss auf die geistige Gesundheit der Familie und lassen sich auch dauerhaft nachweisen (Attwood 2005, 102). Beispielhaft wird an dieser Stelle folgendes Zitat eines Kindes mit AS aufgeführt: Ebenso liebte ich es, die Deckel der Smartiesröhrchen zu sammeln. Die waren orange, grün, blau, rot und gelb und auf jedem war ein Buchstabe des Alphabets. Ich hatte mehr orangefarbene und nur wenige blaue, und ich bekam nie alle Buchstaben des Alphabets zusammen. Das einzige Problem war, dass ich die Deckel von den Smartiesröhrchen abnehmen wollte, wenn ich in einem Süßwarenladen war, um zu sehen, welche Buchstabe auf der Unterseite war, und das schien andere Leute sehr ärgerlich zu machen. (Attwood 2005, 102)
Die betroffenen Kinder und Jugendlichen können sehr ungewöhnliche Gegenstände horten, es ist sehr schwierig sie davon abzuhalten und es ist ebenfalls möglich, dass sie Interesse für Gefährliches entwickeln, wie beispielsweise Feuer oder Elektronik. Das Spezialinteresse beeinflusst dabei die ganze Familie, denn die gesamte Wohnung ist dann häufig voll mit Büchern und Materialien, die dem jeweiligen Interesse entsprechen (Attwood 2005, 105). Die Routinen bringen den betroffenen Personen Ordnung in ihr ‚chaotisches Leben‘, da sie einen Großteil der Zeit damit beschäftigt sind, die Verhaltensmuster der Anderen zu verstehen. Dabei ist die Routine in ihrem Alltag der Sicherheitsanker in der verwirrenden, interagierenden Masse von Ereignissen, Menschen, Orten und Anblicken (Attwood 2005, 106).
1.2.4 Motorische Unbeholfenheit Eine motorische Unbeholfenheit kommt nicht nur bei Kindern mit dem AS vor, sie geht mit einer ganzen Reihe von Entwicklungsstörungen einher. Allerdings weist die Forschung darauf hin, dass zwischen 50 und 90 Prozent der Kinder und Erwachsenen mit dem AS Probleme mit der motorischen Koordination haben. Es wird in den unterschiedlichen Diagnostikinstrumenten verschieden gehandhabt. Beispielsweise haben Christopher Gillberg und Kolle19
gen die motorische Unbeholfenheit als ein Diagnostikkriterium erfasst, wohingegen Peter Szatmari die motorische Koordination nicht berücksichtigt. Es besteht allerdings kein Zweifel darüber, dass diese vermehrt bei Kindern und Jugendlichen mit AS auftritt und sich auf ihr alltägliches Leben auswirkt (Attwood 2005, 120). Dabei ist eine ganze Reihe an feinmotorischen Fähigkeiten betroffen, wodurch häufig die Empfehlung einen Physiotherapeuten aufzusuchen formuliert wird, um Strategien zu entwickeln, mit dieser Unbeholfenheit zurechtzukommen und um bestimmte Fähigkeiten zu verbessern (Attwood 2005, 121). Die motorische Unbeholfenheit kann zu sozial-negativen Konsequenzen führen, da die Kinder beispielsweise weniger ausgeprägte Geschicklichkeit haben um an sportlichen Aktivitäten teilzunehmen (z.B. einen Ball fangen) oder eine reduzierte Körperkoordination beim Benutzen von Spielplatzgeräten vorhanden ist.
1.2.5 Kognition Kognitionen sind Prozesse der Aneignung von Wissen, welche Denken, Lernen, das Sich-Erinnern und das Sich-Vorstellen miteinschließen. Seit den fünfziger Jahren hat sich das Feld der kognitiven Psychologie erweitert und heutzutage nutzt man auch dieses Wissen, um das Verständnis für das AS zu erweitern. Besonders bedeutsam war die Forschung von Uta Frith und Kollegen1, die die Hypothese aufgestellt haben, dass Kinder mit dem AS in ihrer grundlegenden Fähigkeit ‚Gedanken zu lesen‘ (d.h. zu verstehen) beeinträchtigt sind (Frith/Happé 1994). Die Fähigkeit, sich vorzustellen, dass andere Menschen eigene Vorstellungen, Gedanken und Gefühle haben, bezeichnet man als ‚Theory of Mind‘. Die Theory of Mind wird auch als fundamentale Fähigkeit des Menschen zu Intersubjektivität verstanden (Remschmidt 2006, 46). Mit dieser Begrifflichkeit ist somit die Fähigkeit gemeint, psychische Zustände, wie beispielsweise Gefühle und Gedanken anderen Personen und sich selbst zuzuschreiben, wodurch man die Fähigkeit besitzt Gefühle, Wünsche, Absichten und Vorstellungen anderer zu erkennen, zu verstehen und vorherzusagen (Remschmidt 2006, 46). Menschen mit AS scheint es schwer zu fallen, die Gedanken und Gefühle eines anderen zu erfassen und richtig einzuschätzen. Es bedeutet aber nicht, dass sie dazu grundsätzlich nicht in der Lage sind. „Forschung und Klinikpraxis weisen zudem darauf hin, dass ein Betroffener durchaus Kenntnisse über die Gedanken anderer Leute haben kann, jedoch unfähig ist, dieses Wissen wirksam anzuwenden.“ (Attwood 2005, 137) Zu den kognitiven Auffälligkeiten bei AS zählt auch, dass betroffene Menschen Schwierigkeiten mit der kognitiven Flexibilität haben. Es fällt ihnen 1
20
An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, wie Anfangs begründet, das generische Maskulinum verwendet.
daher schwerer, sich Veränderungen anzupassen und wirken in ihren Verhaltensweisen rigide. Auch kommen diese Personen mit Fehlschlägen nicht gut zurecht und haben häufig nur eine einzige Herangehensweise, Probleme zu lösen und benötigen Unterweisungen darin, welche Alternativen entwickelt werden können (Attwood 2005, 140). Das Fehlen der ‚Theory of Mind‘ hat logischerweise Konsequenzen für die sozialen Interaktionen, da die Einschränkungen in diesen Fähigkeiten zu Missinterpretationen und Fehldeutungen führen können.
1.2.6 Sensorische Empfindlichkeit Attwood (2005) fasst zusammen, dass etwa 40 Prozent der Kinder mit ASS eine Anomalie der sensorischen Sensibilität aufweisen. Heute wird angenommen, dass dies auch auf das AS zutrifft. Dabei ist eines oder mehrere sensorische Systeme übersensibel, sodass gewöhnliche Empfindungen als unerträglich heftig empfunden werden. Dies kann zu großen Angst- und Panikzuständen führen. Die Überempfindlichkeit nimmt im Laufe der Kindheit ab. Beispielsweise betrifft diese sensorische Sensibilität Klang- und Berührungsempfindlichkeit, visuelle Empfindlichkeit und diverse Empfindlichkeiten bezüglich Schmerz und Temperaturen (Attwood 2005, 168). Die sensorische Sensitivität beeinflusst auch soziale Situationen, wie beispielsweise das Verhalten auf dem Spielplatz, wenn andere Kinder schreien oder rennen und jagend an einem Vorbeilaufen, wodurch versehentliches Berühren oder Zusammenstoßen vorkommen kann. Auch die Luftballons auf einer Geburtstagsfeier, sind eine potentielle Gefahr, da sie platzen könnten. Auch der Geruch eines Parfüms und das glänzende oder gemusterte Kleid einer Person können von einem Menschen mit AS unangenehm empfunden werden.
1.2.7 Besonderheiten bei Mädchen An dieser Stelle kann nur kurz auf den Aspekt der Mädchen und Frauen mit dem AS eingegangen werden, da sie das unsichtbare Ende des Spektrums darstellen. Wir haben viele der gleichen Eigenarten, Herausforderungen, Gewohnheiten, Charaktermerkmale und Perspektiven wie unserer männlichen Entsprechungen, doch mit einem zusätzlichen geschlechtsspezifischen Aspekt. Das Asperger-Syndrom wird bei Mädchen und Frauen anders wahrgenommen und bleibt daher oft unerkannt, auch wenn es sich kaum anders manifestiert. (Simone 2012,13)
Mädchen und junge Frauen haben opulent ausgeprägte Imitationsfähigkeiten, so dass sie häufig außerhalb des ‚Diagnostik-Radars‘ unterwegs sind. Sie 21
beobachten und versuchen das soziale Handeln der anderen zu verstehen, bevor sie den ersten Schritt machen. Sie Über-Analysieren soziale Situationen, werden zu Kinder-Psychologen und haben so stark ausgeprägte Bewältigungsmechanismen, dass sie teilweise selbst handlungsunfähig werden (Attwood 2005, 185). Dies birgt psychische Probleme, Mangel an Selbstidentifikation und kann auch zur Depressionsursache werden, weshalb sie für die Praxis eine Risikogruppe darstellen und in den Fokus genommen werden sollten.
1.3
Epidemiologie
Im vorangegangenen Kapitel wurden die wesentlichen Symptome des AS beschrieben. Im nächsten Abschnitt wird der Fokus weiter gefasst, mit dem Ziel sich wissenschaftlich der Entstehung dieses Syndroms zu widmen. Dies ist von Bedeutung, um den Umfang der Problematik einzuordnen. Obwohl das AS im Jahr 1944 bereits beschrieben wurde, gibt es nur sehr wenige Studien zur Epidemiologie des Syndroms. Für epidemiologische Untersuchungen lag das Haupthindernis darin, dass das AS erst 1992 in die ICD10 aufgenommen wurden und erst 1994 in das DSM-IV. Weshalb erst dadurch die Störung international bekannt wurde und zum Gegenstand epidemiologischer Untersuchungen gemacht wurde (Remschmidt 2006, 26). Grundsätzlich ist bei allen epidemiologischen Studien zu bedenken, dass sich die diagnostischen Kriterien für die ASS und das AS im Laufe der Zeit immer wieder verändert haben, weshalb verschiedene Studien möglicherweise unterschiedliche Populationen untersuchen. Laut der Zusammenfassung verschiedener Studien, die sich mit der Prävalenz von ASS und AS beschäftigen, ergibt sich eine Prävalenzrate von 14,5 auf 10.000 für ASS und 3,3 auf 10.000 Kinder für das AS (Remschmidt/KampBecker 2006, 30). Poustka et al. (2004) gibt eine Prävalenzrate von 8.4/10.000 an (Poustka et al. 2004, 18). Eine systematische Übersicht von ca. 48 Studien (darunter waren 13 Studien aus Großbritannien, sechs aus den USA und sechs aus Japan vorzufinden), die zwischen 1966 und 2009 publiziert wurden (Fombonne et al. 2011), wurde eine Prävalenzrate für ASS zwischen 0,7/10.000 und 72,6/10.000 festgestellt. Die untersuchten Stichprobengrößen variierten zwischen 826 und 4,95 Mio. (Freitag/Vogely 2016, 21). Die steigenden Prävalenzangaben für ASS und andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen haben die Frage aufgeworfen, wie diese neuen und zum Teil überraschenden Zahlen zu erklären sind. Bezogen auf die Häufigkeit autistischer Störungen, wird derzeit diskutiert, ob es sich berechtigterweise um eine größere Verbreitung der Störung in der Bevölkerung handelt oder ob es sich nur um ein Artefakt handelt (Falkai/Wittchen 2014, 74). Dies würde 22
bedeuten, dass andere Sachverhalte für die steigende Prävalenz verantwortlich gemacht werden können. Es ist anzunehmen, dass die wahre Häufigkeit der ASS konstant geblieben ist und die erhöhten Angaben mit einer besseren Informiertheit, Aufklärung und Sensibilität von Fachleuten und Eltern und neuen diagnostischen Strategien und effektiveren Forschungsmethoden zusammenhängen (Poustka et al. 2004, 18 f.). Demgegenüber steht die folgende Forschungsarbeit. Im Rahmen einer umfassenden Metaanalyse, in der 45 epidemiologische Studien über ASS und verwandte Störungen analysiert wurden, kommt Blaxill (Blaxill 2004, 14) zu dem Schluss, dass sowohl in den USA als auch in England eine Zunahme zu verzeichnen ist. Beispielsweise ist die Prävalenzrate in Großbritannien für die ASS von 10 auf 10.000 in den 80er Jahren auf rund 30 auf 10.000 Kindern in den 90er Jahren angestiegen. Der Autor kommt nach seiner sorgfältigen Analyse zu dem Schluss, dass diese Zunahme nicht durch methodische Unterschiede in der Vorgehensweise der Untersuchungen oder durch extrem unterschiedliche Definitionen bzw. diagnostische Kriterien erklärt werden könne. Eine abschließende Beantwortung der Frage nach der tatsächlichen Verbreitung des AS ist nicht möglich, da die älteren Studien rein methodisch nicht vergleichbar sind. In vielen älteren Ausarbeitungen werden u.a. diagnostische Kriterien und Instrumente verwendet, die auf Schätzungen mittels klinischer Studien basieren und nicht auf repräsentativen Populationen (Poustka et al. 2004, 18).
1.4
Ätiologie und Entwicklungspsychopathologie
Insgesamt herrscht unter den Forschern, die sich in den letzten Jahrzehnten mit dem AS beschäftigt haben, Einigkeit darüber, dass es sich bei dieser Störung um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung handelt, die nicht nur durch eine einzige Ursache erklärbar ist. Die Datenlage ist allerdings im Hinblick auf das AS weitaus spärlicher als beim frühkindlichen Autismus (Remschmidt/KampBecker 2006, 34). Aus den bislang vorliegenden Untersuchungen lässt sich die Beteiligung folgender Faktoren an der Ätiologie und Pathogenese des AS zur Erklärung heranziehen, wobei diese gleichermaßen auch zur Erklärung des frühkindlichen Autismus und des atypischen Autismus herangezogen werden:
Genetische Faktoren Komorbide psychopathologische Störungen Hirnschädigungen bzw. Hirnfunktionsstörungen Biochemische Anomalien Neurologische und kognitive Auffälligkeiten
23
Emotionale Störungen und Störungen der Theory of Mind/Empathie (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 34)
1.4.1 Genetische Faktoren Für die Epidemiologie des AS liegen bisher nur wenige Familien- und Zwillingsstudien-vor. Zwei Studien von Volkmar et al. (1997) und Volkmar und Klein (2000), sind recht eindeutig und weisen auf eine familiäre Häufung hin. Es existiert auch ein Genomscan (Ylisaukko-oja et al., 2004) an 17 finnischen Mehrgenerationenfamilien mit insgesamt 119 Individuen. Die bislang nicht replizierten Ergebnisse sind insofern interessant, als Patienten mit AS einerseits eine Vielzahl von Symptomen aufweisen, die mit dem frühkindlichen Autismus identisch sind, zum anderen aber auch ‚Schizophrenie-nahe‘ Symptome festgestellt wurden sowie auch ein Übergang in 5% der Fälle in eine schizophrene Erkrankung (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 35). Aufgrund dieses Ergebnisses wäre es denkbar, dass zur Pathogenese des AS sowohl generische Komponenten aus dem Spektrum schizophrener Erkrankungen als auch aus dem Spektrum autistischer Störungen beitragen.
1.4.2 Komorbide psychopathologische Störungen Mit dem AS wird eine Vielzahl von psychopathologischen Störungen assoziiert, was sowohl für die Diagnostik und die Therapie, als auch für Ätiologie und Pathogenese wichtig ist. Laut der zusammengefassten Darstellung von Remschmidt und Kamp-Becker (2006) leidet ein Drittel der Patienten mit AS an mindestens einer weiteren psychopathologischen Störung. Am häufigsten ist die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, die sich beim AS häufig in Form von Aufmerksamkeitsstörungen äußert (Falkai/Wittchen 2015, 76). Auch Tics und Tourette-Syndrome kommen beim AS in bis zu 20 Prozent der Fälle vor. Vielfältig sind auch die Störungen der Motorik, wie beispielsweise Koordinationsstörungen, wenig flüssige Motorik oder motorische Ungeschicklichkeit. Auch die Zwangssymptome und affektive Störungen kommen in über 20% der Fälle vor. Weitere komorbide Erkrankungen sind Essstörungen, Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörungen. Daraus lassen sich insgesamt folgende Schlussfolgerungen ziehen: Aufgrund der Häufigkeit und des Ausmaßes der Komorbidität des AS ist eine einheitliche Pathogenese der Störung sehr unwahrscheinlich. Vielmehr muss von multiplen Faktoren ausgegangen werden, die mit unterschiedlichen Mechanismen zusammenhängen (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 36 ff.).
24
1.4.3 Neurologische und kognitive Auffälligkeiten Die gesamten Verhaltens- und Erlebnisweisen lassen sich letztlich auf Vorgänge im Gehirn zurückführen. In der Neuropsychologie gibt es eine Vielzahl von Untersuchungsmethoden, mit deren Hilfe es möglich ist, psychische und körperliche Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken zu erfassen. Beim AS findet sich beispielsweise ein höheres Intelligenzniveau, als beim frühkindlichen Autismus. Dabei zeigt sich, dass insbesondere der Verbale-IQ meist deutlich höher ausfällt, als der Handlungs-IQ (Remschmidt/ Kamp-Becker 2006, 43). Will man die verschiedenen neuropsychologischen Auffälligkeiten autistischer Menschen beschreiben, so muss man die drei wichtigsten neuropsychischen Theorien genauer betrachten: exekutive Funktionen, zentrale Kohärenz und Theory of Mind. Kinder und Jugendliche mit der ASS, aber auch Erwachsene, haben Schwierigkeiten im Bereich der exekutiven Funktionen (Cramon/Cramon 2000). Mit der Bezeichnung der ‚Exekutive Funktionen‘ umschreibt man eine Vielzahl von Vorgängen, die mit Planungsprozessen, Vorausschau und zielgerechtem, problemorientierten Handeln verbunden sind (Remschmidt/KampBecker 2006, 44). Einschränkungen in den exekutiven Funktionen führen zu Schwierigkeiten im Umschalten der Aufmerksamkeit (wie beispielsweise von einer Aufgabe zur anderen), in der Hemmung unangebrachten Verhaltens, in der rechtzeitigen Vorausplanung, wie auch in der Initiierung neuer Verhaltensweisen (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 45). Bei Menschen mit ASS, einschließlich Kindern und Jugendlichen mit AS, ist auch die zentrale Kohärenz in der Regel schwach ausgeprägt. Die zentrale Kohärenz wird als natürliche Tendenz definiert, vorhandene Stimuli global und im Kontext zu verarbeiten, wobei Informationen zusammengefügt werden, um die höherwertige Bedeutung zu erfassen (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 46). Personen mit ASS fokussieren ihre Wahrnehmung auf einzelne oder auch isolierte Details. Dies ermöglicht ihnen eine gute Leistung beim schnellen Auffinden von versteckten Figuren, gute Leistungen im Mosaik-Test oder beim Merken von zufälligen Wörtern, nicht allerdings beim Erfassen eines Kontextes oder von Zusammenhängen. „Bei Menschen mit Asperger-Autismus scheint die Fähigkeit zur zentralen Kohärenz nicht ganz so stark beeinträchtigt zu sein, wie beim frühkindlichen Autismus“ (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 46). Die ‚Theory of Mind‘ wurde bereits im vorherigen Kapitel (1.2.5) ausführlich beschrieben. Die Erklärung des ASS, als Folge von Integrationsdefiziten des Gehirns kann zu einem besseren Verständnis autistischer Störungen führen und vermag den Zusammenhang zwischen einzelnen Symptomen und Verhaltensweisen herzustellen, die zunächst isoliert und ohne Beziehung nebeneinander stehen
25
scheinen, die sich allerdings so in einen verständlichen Kontext bringen lassen (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 53). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die psychischen Vorgänge, die durch die drei Theorien (exekutive Funktion, ‚Theory of Mind‘ und zentrale Kohärenz) verkörpert werden und eng miteinander verknüpft sind (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 51). Das bedeutet bei nichtautistischen Menschen kann man von einem ‚gut integrierten‘ Gehirn ausgehen, wodurch psychische Abläufe geordnet und der jeweiligen Entwicklungsstufe angemessen und situationsadäquat ablaufen. Bei Menschen mit AS ist dies nicht oder nur unzureichend der Fall.
Abbildung 2: Gut integriertes Gehirn (Remschmidt/Kamp-Becker 2006, 52)
1.5
Zusammenfassung
Das AS umfasst eine Vielzahl von Symptomen, ein weites Spektrum an klinischen Manifestationen und eine große Variationsbreite an Ausprägungsgraden. Die drei charakteristischen Merkmale sind die qualitative Beeinträchtigung in der gegenseitigen Kommunikation, die Beeinträchtigung der Kommunikation und das eingeschränkte, stereotype, sich wiederholende Repertoire von Interessen und Aktivitäten. Eine genetische Ursache, mit Beeinträchtigung basaler Hirnfunktionen, lässt sich aktuell als Ursache anführen. 26
Das AS ist eine Ausdifferenzierung der Spektrum-Störung und wurde 1944 von Hans Asperger beschrieben. Inwiefern die Verhaltensauffälligkeiten im Sozialverhalten, der Sprache, der Interessen und dem stark ausgeprägten Wunsch nach Routinen sowie die motorische Unbeholfenheit, Kognitionen (wie die ‚Theory of Mind‘) und sensorische Empfindlichkeit sich auf den Alltag der Familie auswirkt, wird in der Forschung bisher kaum betrachtet.
27
2 Familie und Partnerschaft In der vorliegenden qualitativen Studie wird ein Versuch unternommen, die Auswirkungen der beschrieben Symptome auf das familiäre Zusammenleben zu erfassen. Daher wird im folgenden Abschnitt die Bedeutung von Familie und Partnerschaft in den verschiedenen Facetten beleuchtet. Familien mit einem Kind mit AS sind zunächst Familien wie andere auch. Die individuellen Ausprägungen der Intensität, mit der die einzelne Familie mit möglichen Besonderheiten in unterschiedlichen Bereichen konfrontiert wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren, wie Persönlichkeitsmerkmale von Eltern und Kindern, den konkreten Lebensbedingungen, den sozialen Netzwerken etc. (Eckert 2008, 6). Die hohe Komplexität der Thematik und der vielen Teilgebiete macht es unmöglich, ein vollständiges Bild darzustellen. Daher sollen nur die wichtigsten Aspekte aufgegriffen werden, wie beispielsweise die allgemeine Auswirkung der Partnerschaftsqualität, Risikofaktoren, die die psychische Gesundheit von Paaren beeinflussen können sowie gemeingültige Belastungen als Einflussfaktor auf das familiäre Leben. Es folgt eine Darstellung, inwiefern sich Störungen oder Krankheiten auf eine Partnerschaft auswirken können. Das Ziel ist es, die signifikante Wechselwirkung zwischen Eltern und dem kindlichen Befinden zu erörtern. Im Anschluss wird der Blick auf die Kompetenzen der Eltern gerichtet, die für eine gute Entwicklungsprognose des Kindes notwendig sind. Die entwicklungsfördernden Eigenschaften auf Seiten der Eltern und Kinder werden kurz beschrieben, um die daraus resultierenden Herausforderungen der Familien mit Kindern mit dem AS besser einordnen zu können.
2.1
Bedeutung von Familie und Partnerschaft
Aus psychologischer Sicht, zeichnet sich die Familie durch eine enge und dauerhafte Beziehung zwischen Menschen aus, die auf eine nachfolgende Generation hin orientiert ist oder eine soziale Beziehungseinheit, die sich insbesondere durch Intimität und intergenerationelle Beziehungen auszeichnet. Die systemtheoretische Sicht bezeichnet Familien als offene, sich entwickelnde, zielorientierte und sich selbst regulierende Systeme (Asisi 2015, 29). Früher wurden der Familie Funktionen zugewiesen, die häufig eher pragmatischer Natur waren und die Existenzsicherung der Familienmitglieder sichern sollten. Heute wird die Beziehung (Bindung, Erziehung, Emotionsregulation) stärker ins Zentrum gerückt ist. Aus psychologischer Perspektive ist die
28
Familie vor allem durch die interpersonelle Involviertheit charakterisiert, welche folgende vier Aspekte umfasst:
Nähe (physische, geistige und emotionale Nähe zwischen den Familienmitgliedern) Abgrenzung (räumliche und zeitliche Abgrenzung von anderen Systemen) Privatheit (umgrenzter Lebensraum mit Intimität) Dauerhaftigkeit (längerfristige Gemeinsamkeit durch wechselseitige Bindung, Verpflichtung und Zielorientiertheit) (Bodenmann 2013, 81).
Es lässt sich zusammenfassen, dass die Funktionen der Familie heute deutlich stärker psychosozialer Natur sind. Familiäre Beziehungen sind durch unterschiedliche Inhalte und Funktionen charakterisiert:
Emotionaler Austausch (Kohäsion, Bindung) Kognitive-intellektuelle Stimulierung (Wissensvermittlung) Moralische-ethische Sozialisation (Vermittlung von Werten, Normen, Einstellungen), die eventuell auch mit der religiösen Erziehung zusammenhängt Gemeinsame Erfahrungen und gemeinsam verbrachte Zeit, die zur Entwicklung eines Wir-Gefühls oder Familiensinns beitragen Gemeinsame spielerische Aktivitäten Gemeinsame Entwicklung mit fortwährender Anpassung an Entwicklungsstadien des Kindes, an neue Anforderungen relevanter Entwicklungsaufgaben und gemeinsamer Bewältigung (familiäres Coping) (Bodenmann 2013, 84 f.)
Die Pluralität der Familienformen ist, historisch betrachtet, kein neues Phänomen. Diese gab es schon immer. Verändert haben sich die dahinterstehenden Gründe. Während früher vor allem ökonomische Gründe und eine hohe Sterblichkeit dafür verantwortlich waren, so sind die Hauptgründe heute eher gesellschaftliche Phänomene, z.B. die Liberalisierung der Einstellungen und hohe Scheidungsraten (Bodenmann 2013, 16). Die Scheidung ist das markanteste Phänomen innerhalb der Veränderungen der modernen Familie (Bodenmann 2013,18). Neuere Studien, wie beispielsweise die Meta-Analyse von Jeynes (2007) zeigen, dass zwischen der Familienform und dem kindlichen Befinden ein signifikanter Zusammenhang besteht und Kinder aus intakten Zwei-Eltern-Familien die günstigsten Werte aufweisen. Allerdings scheint die Familienform nicht per se das Problem zu sein, sondern eher die hohe Anzahl der unterschiedlichen Risikofaktoren, die infolge einer Trennung oder Scheidung kumulieren. Man kann also davon ausgehen, dass nicht die Familienform problematisch ist, sondern diese lediglich Ausdruck schwierigerer Verhältnisse sind, die es zu bewältigen gilt. Je besser dies den Eltern gelingt, desto einfacher 29
wird es auch für die Kinder, sich in den unterschiedlichsten Familienformen zu entwickeln (Bodenmann 2013, 17). Die Qualität der Paarbeziehung ist wesentlich für die Qualität der ElternKind-Beziehung und der Geschwisterbeziehung. Die Partnerschaft der Eltern, wie diese gelebt wird und welches Familienklima vorherrscht, prägt des Kindes Werte, Einstellungen und Verhaltenskodizes, im Sinne des Modelllernens (Bodenmann 2013, 19). Wichtig ist, dass sich eine feste, stabile und glückliche Partnerschaft als der beste Prädiktor für Lebenszufriedenheit, Glück, Wohlbefinden und Gesundheit erweist. Umgekehrt ist eine unglückliche Paarbeziehung ein relevanter Risikofaktor für psychische Störungen (Depressionen, Angststörungen, Substanzmissbrauch) (Bodenmann 2013, 23). Familien bilden einen der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gesundheit, indem sie ökonomische, soziale und psychologische Ressourcen oder Belastungen beinhalten welche die Gesundheit der Familienmitglieder entweder fördern oder aber gefährden (Bodenmann 2013, 41). Es ist von großer Bedeutung, Grundkenntnisse über die Familiendynamik im Allgemeinen aufzuzeigen und welchen Stellenwert die Partnerschaft in der Familie hat, um im Anschluss die Herausforderungen, die Familien von Kindern mit AS bewältigen müssen, einordnen zu können.
2.2
Entwicklungsbedingungen im Kontext der ElternKind-Beziehung
Die folgende Exkurs-Box erweitert die Perspektive mit Blick auf die psychologischen Ressourcen der Elternpersönlichkeit, die für eine stabile und positive Entwicklung von Kindern relevant sind. Als Grundlage für das familiäre Zusammenleben mit einem Kind mit AS ist diese Perspektive nicht uninteressant, kann aber im Rahmen der vorliegenden Forschung nicht vertieft werden. „Es sind zahlreiche Studienergebnisse vorhanden, aus denen man schlussfolgern kann, dass kognitive und motivationale Kompetenz sowie gesunde sozioemotionale Entwicklung des Kindes durch sensitive, aufmerksame, warme, stimulierende und nicht einschränkende Elternpflege gefördert wird. Eine realistische und sensitive Einstellung der Eltern zu den Fähigkeiten und Entwicklungsaufgaben der Kinder führt zu positiven Entwicklungsergebnissen, wie emotionaler Sicherheit, Verhaltensabhängigkeit, sozialer Kompetenz und intellektuellen Leistungen (…) Das bedeutet auch Eltern von Kindern mit AS können die Entwicklung positiv beeinflussen. Hierzu beschrieb Belsky entwicklungsfördernde Eigenschaften von Eltern, wie beispielweise Persönlichkeitsreife (die Fähigkeit, sich zurückzunehmen und die Sicht der anderen zu schätzen, empathisch und adaptionsfähig zu sein), Alter (dabei haben jugendliche
30
Mütter z.B. weiniger erwünschte Einstellungen und weniger realistische Erwartungen), Persönlichkeitsdimensionen (wie interne Kontrollüberzeugung, hohes Selbstwertgefühl), psychische Gesundheit (wobei psychisch belastete Erwachsene feindseliger, inkonsistenter, zurückweisender zu ihren Kindern sind), psychologisches Wohlbefinden und positive Erfahrungen in der eigenen Kindheit (psychische Gesundheit der Eltern, Beteiligung des Vaters etc.).“ (Asisi 2015, 26 f.)
Es gibt ebenfalls kindliche Charakteristika die berücksichtigt werden können, die die elterliche Funktion am stärksten beeinflussen und die Erziehung erschweren. Dabei beziehen sich Studien vor allem auf das Temperamentkonstrukt. Es wird grundsätzlich zwischen schwierigem und unkompliziertem Temperament eines Kindes unterschieden. Das schwierige Temperament erschwert die Erziehung und bezeichnet eine Tendenz des Kindes, sich von neuen Situationen zurückzuziehen, sich Änderungen schwerer anzupassen sowie Neigungen zu starker Reaktivität und negativer Stimmung. Es wird angenommen, dass ein schwieriges Temperament, besonders im Säuglingsalter, die Elternschaft erheblich erschweren kann (Asisi 2015, 27). In diesem Kontext lassen sich Parallelen ziehen, die der Asperger-Symptomatik zuzuschreiben sind (z.B. Kap. 1.2.3), wodurch die Eltern dieser Kinder vor besondere Herausforderungen gestellt werden. Das unkomplizierte Temperament ist durch eine hohe Anpassungsfähigkeit des Kindes an Veränderungen und neue Situationen gekennzeichnet sowie geringere Reaktivität und deutlich mehr positive Stimmung. Auch die Intelligenz des Kindes zählt als weiteres Merkmal (Asisi 2015, 27). Inwiefern sich die dargestellten Temperamentkonstrukte mit den Ausprägungen der AspergerSymptomatik gleichen, wird im empirischen Teil vertieft.
2.3
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Die Funktionen der Familie (Kap. 2.1) werden auch als gesellschaftlichen Anforderungen verstanden, die eine Familie mit einem Kind mit AS im Alltag ebenfalls zu bewältigen versucht. Inwiefern diese durch die Asperger-Symptomatik nicht vollständig oder nur verändert ausgeführt werden können, wird im weiteren Verlauf noch dargestellt. Die Qualität der Paarbeziehung beeinflusst sowohl die Eltern-KindBeziehung als auch das Wohlbefinden des jeweiligen Partners, weshalb eine glückliche und stabile Paarbeziehung aus eben diesen Gründen erstrebenswert ist. Die notwendigen Kompetenzen der Eltern für eine positive Entwicklung des Kindes beinhalten aufmerksame, warme und stimulierende Elemente. Die Art und Weise der Ausführung dieser Kompetenzen wird sich bei Eltern von Kindern mit dem AS womöglich unterscheiden, da die Wahrnehmung von bei31
spielsweise ‚warmer‘ Erziehung bei Kindern mit der Asperger-Symptomatik unterschiedlich aufgenommen und akzeptiert wird (siehe Kapitel 1.3.6). Auch die Charakteristika des Kindes, wie beispielsweise Merkmale eines schwierigeren Temperaments, beeinflussen die Erziehung der Eltern. Kinder mit dem AS können starke Tendenzen des ‚schwierigen Temperamentes‘ vorweisen, wie ‚sich vor neuen Situationen zurückzuziehen‘ sowie ‚sich Änderungen schwerer anzupassen‘ (siehe Kapitel 1.3.5), was die Eltern vor zusätzliche Herausforderungen stellen könnte. Diese theoretischen Annahmen werden im empirischen Teil berücksichtigt und im Leitfrageninterview aufgenommen.
32
3. Stress und Coping Das dritte Kapitel befasst sich mit der Erläuterung von Stress und Coping und dient als Grundlage, um diese in Zusammenhang mit Familien mit einem Kind mit dem AS (Kap. 4) bringen zu können. Beginnend mit der Definition des Stress-Begriffs und den Stressmodellen, werden anschließend mögliche Stressursachen dargestellt. Es folgt ein die theoretische Auseinandersetzung mit Bewältigungsstrategien (Coping). Stress zu definieren, ist als würden Sie versuchen, Pudding an die Wand zu nageln. Es ist ein schwieriges Unterfangen! (Elkin 2011, 39)
Die Gesundheit eines jeden Menschen wird durch die Wechselwirkung von körperlichen und psychischen Faktoren beeinflusst. Somit können psychische Belastungen eine besondere Auswirkung auf den Körper und seine Gesundheit haben. In der modernen Gesellschaft wird für die unterschiedlichsten psychosozialen Belastungen der Sammelbegriff ‚Stress‘ verwendet. Zu hoher oder negativ empfundener Stress hat nachweislich Einwirkung auf die Entstehung von Krankheiten (Kaluza 2014, 261).
3.1
Definition von Stress
Es gibt unterschiedliche Stresskonzepte aus den medizinischen, psychologischen und philosophischen Disziplinen. Allen gemein ist jedoch, dass Stress als eine unspezifische Reaktion des Körpers auf eine unterschiedlich geartete Belastung definiert werden kann. Unter Belastung versteht man im Allgemeinen die Anpassung des Individuums an neue Gegebenheiten in seiner Umwelt (Heckmann 2004, 73).
3.1.1 Stressmodell Der Psychologe Richard Lazarus hat 1974 mit seinem transaktionalen Stressmodell den Begriff Stress als Wechselwirkung/Interaktion zwischen Person und (einem Stressor in der) Umwelt/Situation (einen kognitiven Bewertungsprozess) neu definiert. Stress wird seitdem nicht mehr auf äußere Reizeinwirkung zurückgeführt, sondern kommt durch kognitive Bewertungsprozesse zustande. Die Wirkung eines Reizes als Stressor hängt von Bewertungsvorgängen ab. Stress entsteht weniger durch den äußeren Reiz (Belastung) selbst, als vielmehr durch die individuelle Wahrnehmung (Reaktion auf die Situation) 33
und Bewertung des Reizes bzw. Ereignisses durch die Umwelt. Die Bewertung findet Heckmann (2004) zufolge in drei Phasen statt:
„primary appraisal“ (Ereigniseinschätzung) „secondary appraisal“ (Entwicklung von Bewältigungsstrategien/Coping und ihre Bewertung) „cognitive reappraisal“ (Neubewertung der Situation unter Berücksichtigung der Bewältigungsmöglichkeiten und -effekte).
Es wird von einem transaktionalen Prozess gesprochen, da zwischen Stressor und Stressreaktion der kognitive Bewertungsprozess steht (Heckmann 2004, 73). Dabei kann Stress einerseits physisch, durch körperliche Anstrengung oder Krankheit, andererseits psychisch, durch Leistungsdruck oder den Verlust eines Angehörigen in Erscheinung treten. Unterdessen bewirken ähnliche Stresssituationen bei verschiedenen Individuen ein unterschiedliches Stressempfinden (Elkin 2011, 54). Die Effekte können sich sowohl positiv (Leistungssteigung) als auch negativ (Arbeitsunfähigkeit) auswirken. Wichtig ist, dass ‚Stress‘ nicht unter gleichen Bedingungen zu Krankheiten führt, da es unterschiedliche Bewältigungsstrategien gibt. Ressourcen wie Selbstwirksamkeit, Partnerschaft, Familie und soziale Unterstützung spielen dabei eine große Rolle und können den Stress mildern (Bodenmann 2004, 187).
3.1.2 Stressursachen Als Hauptursachen für Stresskumulation sind in Anlehnung an Bodenmann folgende Faktoren anzusehen: Zu hohe Intensität, Dauer, Dichte und geringe Vorhersagbarkeit der Belastung wodurch sonst angemessene Copingressourcen überfordert werden, situativ oder allgemein zu schwache Copingressourcen, schlechte Organisation und Planung sowie fehlende Regenerationsmöglichkeiten und gestörter Rhythmus zwischen Anspannung und Erholung (Bodenmann 2004, 181). Perrez (1997, zit. nach Heckmann 2004, 73f.) fasst drei Gruppen, die sich auf stressauslösende Ereignisse oder Situationen beziehen, zusammen:
34
Kritische Lebensereignisse stellen Übergänge in einen anderen Status dar, die neue Anforderungen an die Rollenfindung der beteiligten Person stellen und daher Belastungen mit sich bringen können. Dabei entstehen Belastungen durch das Erleben der mangelnden Übereinstimmung zwischen der bisher ausgefüllten eigenen Rolle und den neuen Anforderungen. Chronische Belastungen sind durch die dauerhafte Präsenz der Belastungsquelle gekennzeichnet, wie zum Beispiel die Pflege und Erziehung eines behinderten Kindes.
Auseinandersetzungen mit Alltagsproblemen bezogen auf die Alltagsbewältigung gegenüber Familie, Beruf und Finanzen.
Ebenfalls als besonders ungünstige Stressbereiche für die Partnerschaftsqualität gelten die Bereiche Kindererziehung, finanzieller und sozialer Stress sowie die täglichen Widrigkeiten (Alltagsbelastungen). Wobei Bodenmann (2004, 183) anmerkt, dass nicht das Stressausmaß, sondern der Umgang damit, Auswirkungen auf die Partnerschaft hat.
3.2
Coping
Coping lässt sich als die Summe aller problemlösenden Anstrengungen einer Person definieren, die sich in einer bedeutsamen Lage befindet, in der ihre individuellen Anpassungskapazitäten überfordert sind. (Katz/Schmidt 1991, 11). Wagner Lenzin (2007, 45) setzt den Begriff Coping mit dem Begriff Bewältigung gleich, mit welchem gemeint ist, dass einer Person, „konfrontiert mit einem kritischen Lebensereignis, unbewusste sowie bewusste Strategien zur Lösung der anfallenden Stresserlebnisse und Problemstellungen zur Verfügung stehen“. Im Fokus der Copingprozesse steht die Auseinandersetzung eines Individuums mit seiner Umwelt. Sie beginnen mit der Wahrnehmung der Bedrohung in Belastungssituationen und enden entweder in der Beseitigung des Stressors oder mit einer Adaption an diesen. Auf die Vertiefung der allgemeinen Theorie über Coping-Strategien wird an dieser Stelle bewusst verzichtet, mit der Absicht, die Thematik Coping im Kapitel 4.3 gezielt in Verbindung mit Familien von Kindern mit AS zu bringen.
3.2.1 Soziale Unterstützung Soziale Unterstützung kann das Stresserleben beeinflussen, im optimalsten Fall auch lindern. Aus diesem Grund kann soziale Unterstützung als Bewältigungsstrategie betrachtet werden. Dabei unterscheidet Belsky (zit. nach Asisi 2015, 27) drei Funktionen der Unterstützung:
Emotionale Unterstützung (Liebe und interpersonelle Akzeptanz, liebevolle Sorge) Instrumentelle Begleitung (Informationen, Hilfe in täglichen Routinen) Unterstützung in sozialen Erwartungen (Übereinstimmen in ideologischer Sichtweise in Bezug darauf, was adäquates und was nicht adäquates Verhalten ist)
35
Die empirischen Hinweise, dass Familien von Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen soziale Ressourcen überdurchschnittlich häufig in Anspruch nehmen (Eckert 2008, 74), wird als Grundlage angesehen, sich theoretische mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Näher zu beleuchten ist ebenfalls die Beziehung der Eltern, als Partnerbeziehung und die daraus resultierenden Auswirklungen auf das familiäre Zusammenleben mit einem Kind mit dem AS. Darstellt werden Ergebnisse aus Studien mit neurotypisch entwickelten Kindern. Der Einfluss des sozialen Kontextes, wie eheliche Beziehung, soziale Netzwerke oder arbeitsbezogene Erfahrungen der Eltern, auf das elterliche Verhalten ist unterschiedlich gewichtet, wobei die eheliche Beziehung das Unterstützungssystem (positive oder negative Effekte) erster Ordnung für das Kind sind. Im Rahmen der Partnerbeziehung ist die Unterstützung durch den Partner und das positive Betrachten der Mutterschaft durch den Partner äußerst relevant und wirkt sich positiv auf das mütterliche Verhalten aus. Eine hohe väterliche Beteiligung hängt mit der Frequenz der ehelichen Kommunikation zusammen, die eheliche Qualität ist einer der besten Prädiktoren für positive Vaterschaft. Die Qualität der Partnerschaft beeinflusst indirekt, durch allgemeines psychologisches Wohlbefinden, zuerst das elterliche Verhalten und darüber hinaus auch die kindliche Entwicklung. Bezogen auf das soziale Netzwerk lässt sich auf ein Gleichgewicht hinweisen zwischen erwarteter und tatsächlicher Unterstützung, wobei ein hohes Maß an Unterstützung genauso stressvoll sein kann, wie zu wenig Unterstützung. Eine angemessene soziale Unterstützung kann den Selbstwert erhöhen und, als Konsequenz, die Sensitivität in der Erziehung und Eltern-Kind-Beziehung verbessern (Asisi 2015, 27 f.).
3.2.2 Dyadisches Coping Der Begriff des dyadischen Copings wurde bereits in den frühen 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts im Rahmen des systemisch-transaktionalen Stressmodells von Bodenmann eingeführt. Zu verstehen ist darunter die synergetische Nutzung von Coping-Ressourcen innerhalb des Ehepaares. In Situationen, in denen nur ein Partner primär von Stress betroffen ist (indirekter dyadenrelevanter Stress), tritt insbesondere supportives positives oder negatives dyadisches Coping auf, weil dessen Stress auch Auswirkungen auf den anderen Partner hat (Interdependenz von Stress) und von diesem in aller Regel auch wahrgenommen wird (Bodenmann 2013,148). Hingegen findet man gemeinsames dyadisches Coping in Situationen, in denen beide Partner direkt vom Stressor betroffen sind (direkter dyadenrelevanter Stress). Somit handelt es sich beim dyadischen Coping entsprechend um einen Prozess der Stressäußerung und des Eingehens auf die Stresssignale des Anderen, wodurch einerseits der Stress gemeinsam reduziert werden kann 36
und andererseits das Wir-Gefühl, die Intimität und Verbundenheit der Partner gestärkt werden. Es gibt eine Reihe von Studien (Bodenmann, Meuwly & Kayser, 2011; Bodenmann & Cina, 2006), die die prädiktive Bedeutung des dyadischen Copings für die Partnerschaftszufriedenheit, das psychische und physische Befinden und die Stabilität der Beziehung belegen. Meuwly et al. (2012) konnten auch eine physiologische Wirkung dyadischen Copings nachweisen. Sie zeigten, dass der Kortisolspiegel nach einer Stresserfahrung durch positives supportives dyadisches Coping des Partners günstig beeinflusst werden kann und schneller abnimmt. Dyadisches Coping spiegelt, welche Ressourcen die Partnerschaft darstellt, wie nah und verbunden man sich ist und ob man sich bei Problemen an den Partner oder andere Personen wendet. Des weiteren sind Aussagen darüber, wie getragen man sich in der Partnerschaft fühlt und wie schnell man im Alltag nach Konfliktsituationen wieder zu einem normalen Funktionsniveau zurückfindet relevant für das familiäre Wohlbefinden (Bodenmann 2013, 148 f.). Partnerschaftskonflikte können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Die Studien weisen aber daraufhin, dass sie sich bei zufriedenen oder unzufriedenen Paaren nicht im Inhalt, sondern vielmehr in der Art und Weise unterscheiden, wie damit umgegangen wird, unabhängig vom Schwierigkeitsgrad. Die häufigsten Konfliktinhalte sind Eifersucht, Finanzen, Kindererziehung, Freizeitgestaltung und Herkunftsfamilie (Bodenmann 2013, 149). Stress hat auch Auswirkungen auf die dyadische Kommunikation. Die Qualität der dyadischen Kommunikation nimmt unter Stress signifikant ab und reduzierte sich, laut der Studie von Bodenmann (2004), um 40%, wobei auf der einen Seite positive Verhaltensäußerungen zurückgingen, auf der anderen Seite die (verbale, non- und paraverbale) Negativität im Interaktionsverhalten anstieg. Stress im Alltag gilt als zentraler Risikofaktor für die Qualität und den Verlauf von Paarbeziehungen (Bodenmann 2004, 78).
3.3
Zusammenfassung
Gemäß dem heute allgemein anerkannten Verständnis von Stress, handelt es sich hierbei um ein Ungleichgewicht zwischen inneren und äußeren Anforderungen an eine Person und ihre Möglichkeiten darauf zu reagieren, wobei dieses Ungleichgewicht objektiv nicht unbedingt bestehen muss, jedoch subjektiv wahrgenommen wird. Dabei steht die Gefährdung der eigenen Gesundheit, der sozialen Anpassung und Leistungsfähigkeit subjektiv im Vordergrund. Stress löst bei der betroffenen Person ein Gefühl aus, ‚den Anforderungen nicht gewachsen zu sein‘, wodurch sich die Person ‚hilflos und ausgeliefert‘ fühlt und 37
negative Konsequenzen ahnt. Stress kann die Folge von Überforderung wie auch Unterforderung sein. Es ist ausschlaggebend, dass zwischen Stressor und der Stressreaktion ein subjektiver, kognitiver Bewertungsprozess stattfindet, wodurch sich das Stressempfinden zwischen Personen unterscheidet. Stressauslösende Faktoren beinhalten Anforderungen an die Rollenfindung in kritischen Lebenssituationen, chronische Belastung durch beispielsweise dauerhafte Präsenz eines Kindes mit umfangreichen Unterstützungsbedarf und Alltagsprobleme, welche Kindererziehung miteinschließt und die Qualität der Partnerschaft im besonderen Maße beeinflusst. Es gibt allerdings soziale Unterstützungsressourcen, die Stress mindern können. Äußerst relevant ist es den sozialen Kontext des Belastungs- und Stressempfindens zu erfassen, da dieser nachweislichen Einfluss auf sowohl die Mutter- als auch Vaterschaft hat. Die tatsächliche soziale Unterstützung kann nicht nur den eigenen Selbstwert erhöhen, sondern auch die Eltern-Kind-Beziehung deutlich verbessern. Coping, d.h. die Bewältigung von Lebensereignissen und Lösungsstrategien, unterscheidet sich je nach Intensität und Auswirkung zwischen den Personen. Hierbei ist der Einfluss der Verarbeitung der Stressoren dyadisch und beeinflusst ebenfalls das Funktionsniveau der Partnerschaft.
38
4 Stress und Belastung im Zusammenhang mit einem Kind mit Asperger-Syndrom Das Leben mit einem Kind mit Behinderung verändert den Alltag und verlangt den Einsatz von physischen und psychischen Kräften. Die Eltern sind nicht nur für die Versorgung und Förderung von Fähigkeiten und die Persönlichkeitsentwicklung zuständig; hinzu kommt auch die erschwerte Anerkennung des Kindes in der Umwelt und das Durchsetzen seiner Rechte. Von großer Bedeutung ist auch die Auseinandersetzung und Akzeptanz der Behinderung seitens der Familienmitglieder und auch des Kindes mit Behinderung selbst (Heckmann 2004, 24). Dieses Kapitel stellt einen kurzen theoretischen Einblick in die komplexe, problematische Lebenssituation von Eltern mit Kindern mit AS dar. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der durchgeführten systematischen Literaturrecherche nur wenig deutschsprachige Literatur zur speziellen Belastung von Familien mit Kindern mit dem AS existiert, sodass hierfür ein Großteil der theoretischen Annahmen aus den Bereichen der Belastungssituation von Familien mit Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen oder des frühkindlichen Autismus abgeleitet werden muss. Auch Sarimski (2016) weist darauf hin, dass im deutschsprachigen Raum nur wenige Untersuchungen zum Belastungserleben von Eltern mit Kindern mit ASS vorliegen (Sarimski 2016, 2 ff.). Die spezielle Belastungssituation der Familien mit Kindern mit AS wird anschließend im empirischen Teil erforscht und zusammengefasst. In diesem Kontext wird der Begriff der Behinderung als gesellschaftliche Positionszuschreibung verstanden, die aufgrund vermuteter oder erwiesener Funktionseinschränkungen angesichts der als wichtig erachteten sozialen Funktionen fehlt (Neuhäuser et al. 2013, 18). Die Beeinträchtigung eines Menschen beinhaltet variierende Einschränkungen im motorischen, sensorischen, emotionalen, sozialen und kognitiven Bereich. Dabei können die Ursachen sowohl genetisch-organisch, traumatisch als auch psychosozial sein. Dabei ist der Begriff Behinderung ein Wertbegriff, an dem festgelegt wird, was als ‚normal‘ wahrgenommen wird. Es hängt also auch von gesellschaftlichen und individuellen Normvorstellungen ab, die auch gesellschaftliche Erwartungen, Anforderungen, Werte und Konventionen beeinflussen. Insofern ist der Begriff Behinderung kein objektiver Tatbestand, sondern ein soziales Zuschreibungskriterium, weswegen es korrekt wäre, nicht von Menschen mit Behinderungen zu sprechen, sondern von Personen, die als Person mit einer Behinderung bezeichnet werden (Lingg/Theunissen 2017, 13). Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Begriff wertschätzend verstanden wird und nur auf einen Unterschied hinweist, nicht aber Diskriminierung oder 39
Stigmatisierung forcieren will. Inwiefern sich hierbei die gesamtgesellschaftliche-politische Situation in Deutschland verändern müsste, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
4.1
Belastungsursachen
Trotz praxisrelevanter Untersuchungsergebnisse, ist die empirische Datenbasis zu Belastungen und der Belastungsbewältigung von Eltern mit Kindern mit ASS recht fragmentarisch. Im deutschen Sprachraum existiert dazu praktisch keine Forschungsliteratur (Jungbauer/Meyer 2008, 523). Die Katholische Hochschule in Aachen hat aus diesen Gründen eine Interviewstudie durchgeführt, um diese Themenbereiche qualitativ zu erforschen und betont den Aspekt der zusätzlichen Belastung. Die Ergebnisse der qualitativen Interviewstudie zu Belastungen und Bewältigungsressourcen sowie Hilfebedarf von Eltern autistischer Kinder (Jungbauer/Meyer 2008) zeigen, dass sich Eltern durch die intensive Betreuung ihrer Kinder sehr stark belastet fühlen. Die lebenspraktischen und emotionalen Belastungen von diesen Eltern sind im Durchschnitt deutlich höher, als in Vergleichsgruppen mit Eltern, die ein Kind mit geistiger Behinderung, chronischer körperlicher Krankheit oder anderen schweren Behinderungen haben. Der Schwergrad der Autismus-Symptomatik hat einen starken Einfluss auf die Ausprägung der Belastung (Jungbauer/Meyer 2008, 552). Als besonders belastend werden die Einschränkung der Kommunikationsfähigkeiten und die sozialen Verhaltensauffälligkeiten des Kindes beschrieben. Auch Zukunftssorgen werden sehr häufig genannt. Jungbauer/Meyer zufolge sind dabei die Mütter deutlich stärker belastet. Die Ergebnisse der Aachener Studie deuten auf Belastungen der Eltern im Hinblick auf die Autismus-Symptomatik hin. Ebenfalls als besonders belastend werden die fremdaggressiven und selbstverletzenden Tendenzen beschrieben und die damit verbundene Hilflosigkeit, eingeschränkte Lebensgestaltung durch ständige Betreuung, erhöhtes Konfliktpotential in der Partnerschaft, Schuldgefühle gegenüber dem Geschwisterkind, seltene gemeinsame Freizeitgestaltung, sozialer Rückzug, logistische Schwierigkeiten, finanzielle Sorgen und Ausfälle, Wartezeit auf Therapie und Anfahrtszeit zur Therapie (Jungbauer/Meyer 2008, 526 ff.). Diese Ergebnisse sind aufgrund der ausgewählten Stichprobe hauptsächlich für Familien von Kindern mit frühkindlichem Autismus zutreffend. Inwiefern sich das Belastungserleben und der Unterstützungsbedarf mit Eltern von Kindern mit AS unterscheidet, wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit diskutiert. 40
Es gibt eine Reihe weiterer Studien, die belegen, dass Eltern von Kindern mit Behinderungen stärker belastet sind, als Eltern von Kindern mit neurotypischer Entwicklung. Allerdings ist die erlebte Belastung der Eltern abhängig von der Art der Behinderung, den spezifischen Verhaltensmerkmalen des Kinders, aber auch von persönlichen Bewältigungsstrategien und sozialer Unterstützung (Sarimski 2016, 2 ff).
4.1.1 Alltagsgestaltung Einer der zentralen Belastungsfaktoren ist die Koordination des Alltags, denn „der Aspekt der fehlenden Zeitressource steht oftmals im unmittelbaren Zusammenhang mit der Förderung des Kindes, die häufig einen Hauptanteil im Alltag einnimmt“ (Barowski 2013, 66). Die Familie muss nicht nur den üblichen Alltag meistern. Dieser wird zusätzlich von behinderungsspezifischen Angeboten ergänzt. Diese umfassen Arztbesuche, beispielsweise zur Einstellung des Medikamentenspiegels, Förderangebote, wie Krankengymnastik, Organisation von Betreuungspersonal usw. Beim Vorhandensein von Geschwisterkindern darf nicht vergessen werden, dass diese ebenfalls Anspruch auf Freizeitgestaltung und Freundeskreise haben, die einen nicht unerheblichen Zeitaufwand absorbieren. Insgesamt werden den Eltern umfassende Zeitmanagementkompetenzen abverlangt (Eckert 2008, 6). Aufgrund der Asperger-Symptomatik ist eine gewisse Abfolge und Regelmäßigkeit im Alltag häufig vorgegeben. Diesbezüglich besagt eine Studie von Schlebusch/Samuels/Dada (2016), dass je höher die Frequenz regelmäßiger Familienroutinen ist, desto stärker wurde diese mit der Zufriedenheit der Familien-Lebens-Qualität assoziiert. Familienroutinen sind eine exzellente Lernmöglichkeit für die Kinder mit ASS. Dabei sollte auch die Freizeitgestaltung routiniert werden, da diese eine gute Möglichkeit für Zufriedenheit ist und Normalitätsmomente ermöglicht (Schlebusch/Samuels/Dada 2016, 419). Inwiefern die Routinen im Alltag aber auch als belastend empfunden werden können, da die Flexibilität verloren geht und die Reaktionen der Kinder mit AS auf Veränderungen den Alltag erschweren können, wurde in dieser Studie nicht erfasst.
4.1.2 Neufindung der Elternrolle Ein weiterer Aspekt der Belastungssituation von Familie besteht darin, sich in der Elternrolle neu zu finden. Dabei fehlt es an gesellschaftlich standardisierten Verhaltensmustern für ein Zusammenleben mit einem Kind mit einer Behinderung, wodurch Rollenunsicherheiten entstehen. Eltern müssen sich neu orientieren, da die antizipierte gesellschaftliche Elternrolle keine ausreichende 41
Handlungsorientierung für diese Situation bietet. Dabei kann zwischen zwei unterschiedlichen Aspekten unterschieden werden. Der instrumentell-technische Anteil der Elternrolle besteht darin, Sicherheit darüber zu gewinnen, was zu tun ist, um angemessene Hilfen zur eigenen Entlastung und zur Unterstützung des Kindes zu bekommen. Der emotional-expressive Anteil der Elternrolle hingegen zeigt sich in der Entwicklung einer stabilen und wechselseitigen emotionalen Beziehung zwischen Eltern und Kind. Besonders diese Beziehung ist häufig gefährdet (Heckmann 2004, 30). Neben dieser Verunsicherung und mangelnde Bestätigung aus den direkten sozialen Bezügen liegen weitere Gefährdungen der Elternrolle in der Vereinnahmung der Familien durch professionelle Dienste, zu denen aufgrund von therapeutischen und pädagogischen Notwendigkeiten umfangreiche Kontakte bestehen. (Heckmann 2004, 30)
Es gibt, laut Heckmann (2004) eine Ambivalenz bezüglich der Inanspruchnahme von pädagogischen oder therapeutischen Diensten, welche wie folgt gekennzeichnet wird:
Der häufige Kontakt zu professionellen Diensten erschwert die ‚Normalisierung‘ der Elternrolle und kann zur Rollenunsicherheit führen. Das familiäre Geschehen wird sehr früh für den professionellen Einblick geöffnet, wodurch eine Überschreitung der Privatheitsgrenze entsteht und die Prioritäten z.B. die ‚Entwicklungsfortschritte des Kindes‘ im Vordergrund stehen. Diese Kontrolle kann eine Minderwertigkeit der elterlichen Kompetenz hervorrufen. Die Ausbalancierung zwischen der angemessenen Förderung sowie der berechtigten Ansprüche nach Ruhe- und Erholungsphasen ist ebenfalls herausfordernd für die Eltern.
4.1.3 Eltern-Kind-Beziehung Wie bereits im Kapitel 2 dargestellt, gibt es eine große Anzahl an Studien mit Eltern von neurotypisch entwickelten Kindern, die zeigen, dass die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind eine große Bedeutung für die soziale und emotionale Entwicklung des Kindes hat (May et al. 2017, 2970). Die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung könnte bei Familien mit Kindern mit AS gefährdet sein, da die betroffenen Kinder herausforderndes Verhalten zeigen. Kinder mit der AS können deutlich häufiger, als neurotypisch entwickelte Kinder, externalisierende Verhaltensweisen entwickeln, haben Beeinträchtigungen im sozialen Verhalten und weniger stark ausgeprägte Fähigkeiten für soziale Interaktionen (May et al. 2017, 2970). Inwiefern sich dies auf die Elternqualität oder Eltern-Kind-Beziehung auswirkt wurde bislang empirisch nicht erfasst.
42
Insgesamt scheint es bei Eltern und Kindern mit ASS einen Zusammenhang zu geben, zwischen der Partnerschaft der Eltern und der Entwicklung des Kindes mit einer ASS. Die Eltern beschreiben, dass die Zusammenarbeit als Paar notwendig ist und sich dann positiv auf die soziale und emotionale Entwicklung des Kindes auswirkt (et al. 2017, 2977). Aus der Studie von May et al. (2017) lässt sich hervorheben, dass es notwendig ist, die Kompetenzen der Elternbeziehung zu stärken. Wenn die Beziehung der Eltern im Bereich der gegenseitigen Unterstützung, Kommunikation und Konfliktlösungsstrategien gefördert und gestärkt wird, so hat dies eine positive Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes mit ASS (May et al. 2017, 2977).
4.1.4 Werte und Normen der Gesellschaft Normalität bzw. Abnormität bezüglich menschlichen Verhaltens sind Perspektiven, „mit denen jedes Merkmal über die von außen herangetragene Definition zum Beleg von Normalität und Abnormalität werden kann“ (Mattner 2000, 98). Normalität bedeutet unter dieser Perspektive, das weitgehende problemlose Funktionieren im Sozial- bzw. Gesellschaftssystem. Alle diejenigen, die sich demnach im gesellschaftlichen Rahmen in gewisser Weise ähnlich verhalten, werden als normal oder gesund betrachtet. Behinderte Menschen können aber die leistungsbezogenen Erwartungen ihrer Umwelt nicht erfüllen, das bedeutet, sie erfüllen gewisse gesellschaftliche Erwartungen bzw. die festgelegten Normen nicht. Eltern können lernen damit umzugehen. Hierbei handelt es sich aber auch um eine neue Aufgabe. Sie reflektieren eigene und fremde Wertevorstellungen, durch das Wahrnehmen der Besonderheit des eigenen Kindes sowie der alltäglichen Reaktionen der Umwelt auf das Kind (Eckert 2008, 10). Sie finden aber seitens der Gesellschaft nur bedingt Unterstützung. Dadurch fehlt es häufig an Anerkennung und Integration der Familien, was dazu führt, dass Eltern sich isoliert, einsam, perspektiv- und orientierungslos fühlen. Teile des sozialen Netzwerkes verstehen die Situation häufig nicht und reagieren mit Unsicherheit und Ablehnung: „Behinderung ist also ganz wesentlich ein Problem, das sich im Umgang mit der sozialen Umwelt manifestiert, und das die Selbstwahrnehmung sowie das Verhalten der Betroffenen mitprägt“ (Engelbert 1999, 23).
43
4.1.5 Inklusion Wo von Inklusion die Rede ist, ist von der menschlichen Freiheit die Rede. (Geiger 2015, 11)
In internationalen Deklarationen und Aktionsprogrammen hat sich ‚Inklusion‘ als Standardbegriff durchgesetzt, wie beispielsweise in der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenkonvention) aus dem Jahr 2006. Die Konvention führte dazu, dass der Begriff Inklusion Eingang in den breiten fachlichen und gesellschaftlichen Diskurs fand. Inklusion wird als Optimierung und erweiterte Integration verstanden und beinhaltet inklusive Schulen als eine aussonderungsfreie, integrative Reformschule, die eine individuelle und optimale Bildung und Erziehung für alle Kinder und Jugendliche vermitteln will. Die Leitlinien der Inklusion beziehen sich aber nicht nur auf den Bildungs- und Erziehungsbereich, sondern auf alle Lebensbereiche, wie z.B. Freizeit, Wohnen und Arbeiten. Zusammengefasst ist ein grundlegender Wandel des Verständnisses von Behinderung im Fokus des sozialpolitischen Handels: ein ehemals statischer Begriff, der Behinderung als Eigenschaft einer Person versteht, wird abgelöst von einem interaktionalen und dynamischen Modell, das auf eine soziokulturelle Herstellung von Behinderung verweist (Huppert 2015, 50 f.). Somit beschreibt Inklusion einen Ansatz, der Lebenswelten darstellt, in denen alle Menschen, unabhängig von möglichen Einschränkungen oder anderen Merkmalen, willkommen sind und in der sich alle frei bewegen und zurechtfinden können, in der alle miteinander kommunizieren können und entsprechend gleichberechtigt integriert sind (Huppert 2015, 50f.). Dabei spielt die Gesellschaft keine unwesentliche Rolle, da sich dieser Prozess in und durch diese entwickelt und ihre Moralvorstellungen dafür relevant sind. Die Einbeziehung gelingt als soziale Inklusion, indem der Mensch für das jeweilige System als Person für relevant gehalten und damit in die Kommunikationsprozesse eingeschlossen wird (Huppert 2015, 52). Im Rahmen der Inklusionsthematik hat der Bundesverband autismus e.V. im Jahr 2013 Leitlinien entwickelt, die Menschen mit ASS im Fokus haben. Dem Inklusions-Gedanken konsequent folgend, müssen sich Schulen auf die individuellen Voraussetzungen des Kindes einstellen und nicht umgekehrt. Eine wertschätzende ethische Haltung ist hierbei unverzichtbar (autismus Deutschland 2013, 2). Des Weiteren werden Rahmenbedingungen für inklusive Bildung, wie beispielsweise personelle und räumliche Bedingungen beschrieben. Die Übergänge im Bildungsweg, d.h. mögliche Gestaltung von Schulbeginn und Schulwechsel, werden ausführlich dargestellt. Besonders interessant sind auch die Tipps für die Lehrkräfte zum Förderschwerpunkt Autismus (der als Förder44
schwerpunkt nicht vorhanden ist), weil diese im Rahmen ihrer akademischen Ausbildung auf diese Realität nicht vorbreitetet werden.
4.2
Coping bei Familien mit Kindern mit AutismusSpektrum-Störung
Auch für dieses Thema gibt es nur wenig Literatur, die sich speziell nur auf Familien mit Kindern mit AS bezieht. Heckmann (2004) beschreibt, dass einerseits möglichen Belastungen von Familien mit Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen zwar ein großes Gefährdungspotential darstellen, dass aber andererseits die meisten Familien flexibel und anpassungsfähig reagieren. Die Familien entwickeln Coping-Strategien, mit denen ihnen die Anpassung an die ‚chronische Problemsituation‘ auf Dauer gelingen kann. Es sind folgende Bewältigungsmuster zu erkennen:
Gegenseitige familieninterne Unterstützung sowie ein starker emotionaler Zusammenhalt (Kohäsion) Flexibilität hinsichtlich der Aufteilung von Belastungen und Aufgaben auf mehrere Familienmitglieder Nutzung sozialer Unterstützung durch außerfamiliale Personen Gewinnung von Informationen durch Kommunikation mit Fachleuten und gleichbetroffenen Eltern Flexibilität hinsichtlich der Veränderung von Rollen und Wertorientierungen Angemessene Bewältigung der instrumentellen Anforderungen durch eine ökonomische Zeitverwendung und Haushaltsorganisation Optimistische Situationsbeschreibung bzw. das Vorhandensein eines breiten ethisch oder religiös begründeten Interpretationsrahmens (Heckmann 2004, 42).
Dabei muss aber darauf hingewiesen werden, dass die besondere Anpassungsfähigkeit der Familien eher die faktisch-instrumentelle Ebene betreffen. Die emotionale Bewältigung ist deutlich schwieriger, da die Gesellschaft die Behinderungen nur selten grenzenlos akzeptiert. Eltern erfahren ablehnende Reaktionen aus ihrem sozialen Netzwerk. Dabei scheint es einen grundlegenden Konflikt zwischen der eigenen Rolle als Eltern eines Kindes mit Behinderung und den gesellschaftlichen Erwartungen an diese Rolle zu geben, die nur durch Veränderungen gesellschaftlicher Werteorientierung aufgehoben werden kann (Heckmann 2004, 42). Forschungsergebnisse über Familien mit Kindern mit AS sind recht fragmatisch. Aus der Studie von Salsa et al. (2016) lassen sich folgende Ergebnisse zusammenfassen. Diese Studie bezieht sich auf Familien von Kindern mit der 45
ASS, differenziert allerdings nicht zwischen den unterschiedlichen Störungen, weshalb die Ergebnisse nicht 1 : 1 für Familien mit Kindern mit AS zutreffend sind. Dennoch sind die Kernaussagen relevant, um sich ein vollständiges Bild der Belastungssituation von Eltern mit Kindern mit dem AS zu machen. Die Ergebnisse zeigen, dass Selbstwirksamkeit als geeigneter Prädiktor, die Zufriedenheit der Mutter beschreibt, während Kompetenzen im Bereich von Problemlösungsstrategien ein höheres Level der Zufriedenheit bei Vätern verursachen. Männer und Frauen haben recht ähnliche Lebenszufriedenheitsangaben. Auffällige Unterschiede sind bei den Coping-Strategien vorzufinden, da Frauen mehr Emotionen ausdrücken und soziale Unterstützungsstrategien haben, als die befragten Männer. Daraus lässt sich schließen, dass die Entwicklung von funktionalen Coping-Strategien und einem hohen Maß an Selbstwirksamkeit wesentliche Faktoren für die Zufriedenheit der Eltern von Kindern mit ASS sind und dazu beitragen, die Eltern-Kind-Beziehung und Erziehungskompetenzen zu stärken. Frühe Interventionen und Förderungen für Eltern von Kindern mit ASS sind essentiell, um Coping-Strategien, Selbstwirksamkeit und ein hohes Maß an Zufriedenheit zu erlangen (Salsa et al. 2016, 55). Das Alter des Kindes steht dabei in einem engen Zusammenhang mit der gemessenen Zufriedenheit der Eltern: Je älter die Kinder werden, desto höher ist auch die Zufriedenheit der Eltern (Salsa et al. 2016, 59). Eltern von Kindern mit der ASS haben deutlich mehr Stress als Eltern von Kindern mit anderen Beeinträchtigungen. Aus diesem Grund ist die Entwicklung von Coping-Strategien enorm wichtig, damit diese Elterngruppe bei Gesundheit bleibt und ihr Leben als zufrieden bewertet. Die Mütter sind im höheren Ausmaß von Stress betroffen, da sie häufig stärker involviert sind und mehr Aufgaben und Verantwortung übernehmen (Salsa et al. 2016, 55).
4.3
Chancen
An dieser Stelle werden die empirischen Ergebnisse dargestellt, die für Familien von Kindern mit AS als mögliche Chance oder Ressource zu betrachten sind. Die Studie von Ventola et al. (2017) weist darauf hin, dass Eltern von Kindern mit der ASS möglichst frühzeitig professionelle Unterstützung erhalten sollten (im besten Fall mit Autismus-Diagnose). Dies hilft nicht nur, den Stress zu reduzieren, sondern minimiert auch mögliche negative psychische Symptome der Eltern und beeinflusst positiv die Anpassungsfähigkeiten und die soziale Kommunikationsentwicklung des Kindes mit Autismus. Auch die Studie von McConnell/Savage (2015) zeigt, dass vermehrt auftretende Verhaltensprobleme mit klinisch relevantem Stress und dysfunktionalen Familienproblemen korrelieren. Eltern können vom Verhaltens-Training 46
profitieren, dadurch effektive Coping-Strategien erlangen, was ihnen bei der Neubewertung der Situation und Lösungsfindung hilft. Zusammengefasste Unterstützungsressourcen und erfahrene Hilfen aus der Aachner Studie (Jungbauer/Meyer 2008, 528) sind u.a. hinreichendes Einkommen, soziale Unterstützung, emotionaler und praktischer Beistand vom Partner, alltagspraktische Unterstützung und autismusspezifische Therapie.
4.4
Zusammenfassung
An vielen Stellen wurde darauf hingewiesen, dass wenig Literatur zur besonderen Situation von Eltern mit Kindern mit Asperger-Diagnose vorhanden ist. Aus diesem Grund wurde anhand der vorliegenden Literatur auch über Familien mit Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen oder mit frühkindlichem Autismus dargelegt, dass diese Gruppe besonders gefährdet ist, unter Stress zu leiden oder sich stark belastet zu fühlen. Es folgt keine gewöhnliche Zusammenfassung, sondern vielmehr die daraus resultierenden Fragestellungen, welche Ursachen der Belastung nun auf die Familie von Kindern mit AS zutreffen, die auch für die Bildung der Kategorien für den Leitfragebogen relevant sind. Ist es die spezifische Symptomatik des AS, wie beispielweise die Einschränkung der Kommunikationsfähigkeiten oder soziale Auffälligkeiten, die Stress bei den Eltern verursacht? Ist das Belastungserleben der Eltern abhängig vom Schweregrad der Beeinträchtigung oder der spezifischen Verhaltensmuster? Bei näherer Betrachtung der Herausforderungen von Eltern, die ein Kind mit AS haben, stellt sich die simple Frage nach der Bewältigung des ganz normalen Alltags. Was wird als besonders belastend wahrgenommen? Sind es die Routinen oder ist es die Einschränkung der Flexibilität? Des Weiteren ist es besonders interessant und notwendig, die Elternrolle zu betrachten. Wie wird die Inanspruchnahme von pädagogischen und therapeutischen Diensten aufgenommen – wird diese hilfreich oder eher rollenverunsichernd wahrgenommen? Betrachtet man anschließend die Rahmenbedingungen der Gesellschaft, so ergeben sich folgende Fragen: Welche Wirkung hat die Meinung von Nachbarn, Freunden oder Arbeitskollegen auf die Belastung? Welche Wünsche entstehen außerdem in diesem Zusammenhang, beispielsweise an politische Maßnahmen, wie Inklusion? Durch Fragestellungen mit diesen Inhalten ist es möglich, unterschiedliche Ursachen herauszuarbeiten, die laut Literatur maßgeblich verantwortlich sind für das Stress- und Belastungsempfinden im Alltag. Anschließend liegt der Fokus auf dem Thema Bewältigungsstrategien. Welche Coping-Strategien wer47
den genutzt und passen die Bewältigungsmuster zu den Forschungsergebnissen der Literaturrecherche? Hat z.B. Selbstwirksamkeit eine Bedeutung? Nicht zuletzt ist es auch besonders interessant herauszufinden, was die betroffenen Familien, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, empfehlen würden, um gestärkt und widerstandfähig aus diesen belasteten Situationen herauszukommen. Welche Maßnahmen wurden in diesem Kontext als hilfreich empfunden und gleichen diese den Empfehlungen der Forschung?
48
II Empirischer Teil
1 Methode und Vorgehensweise Im Zentrum des qualitativen Forschungsprozesses steht der Wunsch, die Zielgruppe des Interesses möglichst selbst zu Wort kommen zu lassen, um die subjektive Sichtweise erfassen zu können. Die lebensweltliche Analyse, sowie die Prozesshaftigkeit der Erforschung der Problemlage bei qualitativer Forschung spielt eine wichtige Rolle. Grundlegende Annahme ist hierbei, dass Menschen selbstreflexive Subjekte sind, die als Experten ihrer selbst agieren und auch so verstanden werden sollten. Die Entscheidung für eine qualitative Forschung liegt ebenfalls darin begründet, dass es sich bei der vorliegenden Thematik um einen komplexen Zusammenhang handelt, über den bisher wenig Vorwissen vorhanden war und dadurch ein tieferer Einblick über den Forschungsgegenstand gewonnen werden kann. Die qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode nach Mayring (2010) eröffnet einen Weg zur theorie- und regelgeleiteter sowie methodisch kontrollierter Auswertung. Sie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie nicht nur die Aufdeckung gegenstandsbezogener Einzelfaktoren, sondern auch die Konstruktion der möglichen Zusammenhänge zwischen mehreren Faktoren ermöglicht, weshalb sie sich im Rahmen dieser Studie besonders eignet. Zudem gewährleistet sie eine hohe Transparenz des Forschungsprozesses. Sie knüpft als derzeit einziges qualitatives Verfahren an die einschlägigen Gütekriterien der wissenschaftlichen Forschung an. Die qualitative Inhaltsanalyse beginnt mit der Festlegung des Materials (Mayring 2010, 52). In diesem Fall sind es die transkribierten Antworten des Leitfadeninterviews. Das Material liegt im Audio-Format vor und wurde anschließend zu einem Text transkribiert. Das transkribierte Material enthält Antworten auf die teilstandardisierten Fragen zum Thema Belastungssituation, Bewältigungsstrategien und Ressourcen von Familien mit Kindern mit dem Asperger-Syndrom. Im Zentrum des methodischen Vorgehens steht die Entwicklung eines Kategoriensystems. Diese Kategorien wurden in einem Wechselverhältnis zwischen der Theorie (mit Blick auf die Fragegestellung) und dem konkreten Material entwickelt, durch Konstruktions- und Zuordnungsregeln definiert und während der Analyse überarbeitet und rücküberprüft. Ziel der Analyse ist es, bestimmte Aspekte aus dem Material herauszufiltern und unter vorher festgelegten Ordnungskriterien einzuschätzen (Strukturierung). Die deduktiven Kategoriendefinitionen bestimmen hierbei das Auswertungsinstrument durch die theoretischen Überlegungen. Die induktiven Kategoriendefinitionen hingegen, leiten die Kategorien direkt aus dem Material in einem Verallgemeinerungsprozess ab, ohne sich auf vorab formulierte Theoriekonzepte zu beziehen (Mayring 2010, 83). 51
1.1
Grundlagen der qualitativen Forschung
Es gibt unterschiedliche Methoden, die auf sprachlicher Basis arbeiten und sich als qualitatives Ergebungsverfahren eignen. Der verbale Zugang, das Gespräch, spielt in der qualitativen Forschung eine zentrale Rolle. „Subjektive Bedeutungen lassen sich nur schwer aus Beobachtungen ableiten. Hier müssen die Subjekte selbst zur Sprache kommen; sie selbst sind zunächst die Experten für ihre eigenen Bedeutungsgehalte.“ (Mayring 2016, 66) Die Forschung soll zunächst Subjektbezogenheit stärker fördern. Die Betonung der Deskription und der Interpretation des Forschungssubjektes stehen im Vordergrund. Im Rahmen der vorliegenden Forschung stehen die Eltern von Kindern mit AS im Fokus. Sie werden mit Hilfe eines Leitfadeninterviews befragt und erhalten die Möglichkeit auf offen gestellte Fragen ihren Alltag mit dem Kind mit AS zu beschreiben, mit dem Ziel, die Belastungssituationen zu beleuchten. Die Beschreibung des Gegenstandsbereiches erfolgt mit Hilfe einer umfassenden Literaturrecherche. Nicht nur die genaue Deskription der AspergerSymptomatik wurde dargestellt, sondern auch die aktuelle Datenlage bezüglich der Belastungssituation von Familien mit Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen wurde präsentiert. Auf die Beschreibung der Beziehung des Forschers zum Forschungsgegenstand wurde im Vorwort eingegangen. Die Deskription impliziert drei methodische Grundsätze, die im qualitativen Ansätzen betont werden müssen. Die genaue Beschreibung setzt am einzelnen Fall (Subjekt) an (Einzelfallbezogenheit). Die Gemeinsamkeit der Einzelfälle im Rahmen dieser Studie sind Elternteile eines Kindes mit gesicherter Asperger-Diagnose. Die genaue Beschreibung ist nur möglich, wenn dem Gegenstand (dem Subjekt) mit möglichst großer Offenheit gegenübergetreten wird, die eingesetzten methodischen Schritte aber einer genausten Kontrolle unterworfen werden (Mayring 2016, 24). Die alltägliche Umgebung (statt dem Labor) spielt ebenfalls eine wichtige Rolle und schließlich die Auffassung von der Generalisierung der Ergebnisse als Verallgemeinerungsprozess (Mayring 2016, 19). Im Rahmen dieser Forschung wird den Teilnehmern freigestellt, ob das Interview zu Hause oder in den bereits bekannten Räumlichkeiten des Autismus-Therapie-Zentrums Köln stattfinden. Die Eltern stehen bewusst in keiner therapeutischen Beziehung zur Interviewpartnerin, sodass keinerlei Erwartungen durch bereits bestehende Lerngeschichte/Therapiesetting entstehen können. Die komplette Vermeidung einer Verzerrung ist nicht realisierbar. Dennoch gilt es im Rahmen der qualitativen Forschung die Unschärfe möglichst gering zu halten und so nah wie möglich an die täglichen Lebenssituationen anzuknüpfen. Verallgemeinerbarkeit muss im qualitativen Forschungsprozess im spezifischen Fall begründet werden, mit Hilfe von Argumenten, warum die hier 52
gefundenen Ergebnisse auch für andere Situationen und Zeiten gelten. Es wird expliziert, dass die Ergebnisse für hilfemotivierte und reflektierte Eltern verallgemeinert werden können. Eine wünschenswerte inhaltliche Aufladung, die zur weiteren Sättigung der Forschungsergebnisse führt, kann im Rahmen der vorgegebenen Ressourcen einer Masterthesis nicht erreicht werden.
1.2
Kategoriensystem
Das Kategoriensystem stellt den wesentlichen Kern dieser Auswertungsmethodik dar und wird im weiteren Verlauf präsentiert. Die deduktiven Kategoriendefinitionen bestimmen das Auswertungsinstrument. Aus den oben präsentierten theoretischen Überlegungen werden diese abgeleitet und folgende Kategorien gebildet. Die Relevanz dieser Kategorie wurde ebenfalls in den vorangegangenen Kapiteln umfassend dargestellt Diese wurden anschließend bei der Konstruktion der Leitfragen des Interviews berücksichtigt.
Die erste Kategorie ‚Belastung‘ wird unterteilt in Alltag, Asperger-Symptomatik, Eltern-Rolle, Eltern-Kind-Beziehung und Werte und Normen der Gesellschaft. Dabei wird die Unterkategorie ‚Asperger-Symptomatik‘ besonders nach Aussagen bezüglich der Beeinträchtigung in der sozialen Interaktion, ausgeprägtem Spezialinteressen, Sprache/Kommunikationsfähigkeit, Routinen, motorischer Unbeholfenheit, Kognitionen, sensorische Empfindlichkeit, Besonderheiten bei Mädchen und komorbiden Störungen extrahiert. Die ‚Eltern-Rolle‘ ist zusätzlich unterteilt in ‚Rollenambivalenzen‘. Hierbei wird nach Aussagen gesucht, die sich auf Unsicherheiten in der Elternrolle beziehen und inwiefern die Involviertheit von therapeutischen Maßnahmen eine Rollenambivalenz und -unsicherheit bei den befragten Elternteilen hervorruft. Die ‚Eltern-Kind-Beziehung‘ umfasst Elterneigenschaften, die laut konsultierter Literatur förderlich sind (z.B. realistische und sensitive Einstellung der Eltern zu den Fähigkeiten des Kindes). Berücksichtigt werden ebenfalls Kind-Eigenschaften die sich positiv auswirken als auch Kind-Eigenschaften sich negativ auf die Eltern-KindBeziehung auswirken. Eine weitere Kategorie wird als ‚Funktion der Familie‘ bezeichnet und soll analysieren, inwiefern emotionaler Austausch, kognitive-intellektuelle Stimulierung, gemeinsame Erfahrungen (Wir-Gefühl), gemeinsame spielerische Aktivitäten und gemeinsame Entwicklung mit einem Kind mit Asperger-Syndrom möglich ist. Auch die ‚Qualität der Paarbeziehung‘ sollte näher betrachtet werden. Im Besonderen wird hier das Augenmerk auf die gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung der Eltern gelegt.
53
‚Stress‘ als weitere Kategorie dieser Forschungsarbeit wird in Form von ‚positiven und negativen Effekten‘ im Rahmen der transkribierten Interviews analysiert, wobei im nächsten Schritt insbesondere die beschrieben ‚Stressauslöser‘ erfasst werden. Hiernach werden die befragten Eltern im Leitfragen explizit gefragt. Die Kategorie ‚Bewältigungsstrategien‘ wird unterteilt in ‚Coping‘, ‚dyadisches Coping‘ und ‚soziale Unterstützung‘ als besonders relevante Faktoren und stressmildernden Komponenten. Definitionen dieser Termini wurden im dritten Kapitel dargestellt. Abschließend werden auch die benannten ‚Ressourcen‘ der Familie erfasst.
Während der Bearbeitung des Materials sind induktive Kategoriendefinitionen entstanden, die sich nicht auf die vorab formulierten Theoriekonzepte beziehen.
Der Alltag wurde beispielsweise zusätzlich in die Kategorien ‚Essen‘ und ‚Schlafen‘ unterteilt, da bei der Materialsichtung festgestellt wurde, dass sich Aussagen zu diesen Themen häufig wiederholten. Der Kategorie ‚Asperger-Symptomatik‘ wurde zusätzlich die Unterkategorie ‚herausfordernde Verhaltensweisen‘ zugewiesen, da die befragten Elternteile dazu relevante Aussagen tätigten, die ebenfalls im Rahmen der Belastungseinschätzung einzubeziehen sind. ‚Nicht-förderliche Eigenschaften des Kindes‘ bezogen auf die Eltern-KindBeziehung wurden gelöscht, da sich diese mit den Autismus-Symptomen häufig deckten und aus diesem Grund keine eindeutige Zuordnung möglich war.
Hinzugefügt wurden des Weiteren folgende induktive Kategorien: ‚Rolle der Geschwisterkinder‘, ‚Inklusion‘ und ‚Aufklärung‘.
54
Die ‚Rolle der Geschwisterkinder‘ wurde im theoretischen Teil nicht beschrieben, da die vorliegende Literatur diesbezüglich keine Hinweise gab. Die Materialbearbeitung hat aber mehrfach gezeigt, dass Geschwisterkinder im Alltag einer Familie mit einem Kind mit AS eine wesentliche Rolle spielen. Das Thema ‚Inklusion‘ wird nur kurz im Kapitel 4.1.5 dargestellt, beschäftigt die befragten Familie aber offensichtlich in ihrem Alltag sehr stark, nicht nur bezogen auf die Schullandschaft, sondern auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. ‚Aufklärung‘ im Allgemeinen, bezogen auf die Asperger-Symptomatik, wurde ebenfalls als induktive Kategorie hinzugefügt, da die transkribierten Interviews wichtige Aussagen zu dieser Thematik beinhalteten.
1.3
Teilstandardisiertes Interview
Das verwendete Format im Rahmen dieser Studie ist ein offenes, teilstandardisiertes, qualitatives Interview. Das offene Format bezieht sich auf den Freiheitsgrad des Befragten. Die Interviewpartner können frei antworten, ohne Antwortvorgaben und frei formulieren, was ihnen in Bezug auf das Thema bedeutsam erscheint. Der teilstandardisierte Fragenkatalog bezieht sich auf den Freiheitsgrad des Interviewers. Die Fragen sind offen in einer bestimmten Reihenfolge vorformuliert. Die Reihenfolge wurde bei allen Interviews eingehalten, sofern die Eltern nicht thematisch abgewichen sind. Die Fragen sind aufgeteilt in Leitfragen und Vertiefungsfragen, die das Gespräch intensivieren können. Sind die Eltern bei den Leitfragen auf alle Punkte der Vertiefungsfragen eingegangen, so wurden diese übersprungen. In den überwiegenden Interviews wurden die Vertiefungsfragen allerdings gestellt. Die qualitative Bezeichnung bezieht sich auf die Auswertung, des Interviewmaterials mit Hilfe von qualitativen-interpretativen Techniken. Die vollständigen Interviews sind im Anhang unter 7.2 zu finden. Die Teilnahme am Interview war für die Befragten freiwillig und die aufgeführten Namen wurden aus Anonymisierungsgründen verändert.
1.4
Auswahl der Interviewpartner
Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte durch die Zusammenarbeit mit meinem Arbeitgeber Autismus-Therapie-Zentrum (ATZ) in Köln. Zu dem Zeitpunkt der Datenerhebung fand ein Elterntraining im ATZ statt. Eltern von Kindern mit ASS konnten sich für dieses Elterntraining anmelden. Es stellte sich heraus, dass bei fast allen Kindern AS vorlag. Bei der Anmeldung haben Mitarbeiterinnen des ATZ, die dieses Training durchführten die Eltern der Kinder mit der Diagnose AS angefragt, ob sie bereit wären, an einem Interview zum Thema ‚Belastungssituation einer Familie mit einem Kind mit Asperger-Syndrom‘ teilzunehmen. Es wurde deutlich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Voraussetzung für das Elterntraining handelte, sondern für eine parallel standfindende Studie Teilnehmer gesucht wurden. Alle Eltern waren bereit, ihre Kontaktdaten weiterzugeben, um an einem Interview teilzunehmen. Von den sechs Elternpaaren haben sich letztlich fünf zurückgemeldet. Ein Elternpaar war nicht bereit, am Interview teilzunehmen. Es wurde mit den Eltern die Absprache getroffen, dass sie jeweils getrennt voneinander befragt werden und der erste Teilnehmer dem Partner keine Auskunft darüber mitteilen durfte, welche Fragen gestellt wurden. 55
Im Anschluss wurden Mitarbeiter im ATZ gezielt angesprochen und haben ein Informationsschreiben erhalten, das sie den in Frage kommenden Eltern (Asperger-Diagnose des Kindes, als einziges Einschlusskriterium) mitgeben konnten. Das Informationsschreiben beinhaltete Hinweise auf die Studie und die Vorgehensweise. Die folgende Tabelle stellt die rekrutierte Interviewpartnerauswahl dar. Insgesamt wurden acht Interviews durchgeführt, davon sechs in den Räumlichkeiten des ATZs. Zwei Mütter hatten darum gebeten, das Interview zu Hause durchzuführen, worauf Rücksicht genommen wurde. Die Interviews mit den vier Teilnehmern des Elterntrainings wurden immer den Terminen des Elterntrainings vorgeschaltet, sodass den Interviewten zusätzliche Fahrten erspart blieben. Eine Teilnehmerin des Elterntrainings hat sich nachträglich bereiterklärt am Interview teilzunehmen und wurde, auf ihren Wunsch hin, zu Hause interviewt. Die drei Elternteile der Kinder, die sich im ATZ in Therapie befanden wurden, während sich das Kind in Therapie befand interviewt, sodass sodass auch hier eine möglichst angenehme Ausgangssituation geschaffen wurde. Interviewpartner (Alter)
Ort
Berufstätigkeit
Kind mit Diagnose (Alter)
Geschwister (Alter)
1
Vater (42)
ATZ
Vollzeit
Ja, im selben Haushalt
Sohn (8)
Tochter (6)
2
Vater (41)
ATZ
Vollzeit
Ja, in getrennten Haushalten
Tochter (2,7)
ZwillingsTochter
3
Mutter (43)
zuhause
Teilzeit
Ja, im selben Haushalt
Tochter (9)
Keine
4
Mutter (43)
ATZ
Elternzeit
Ja, im selben Haushalt
Sohn (7)
Zwillingstöchter (3 ½)
Partnerschaft
5
Mutter (41)
ATZ
Vollzeit
Ohne Partner
Sohn (10)
Keine
6
Mutter (41)
ATZ
Teilzeit
Ja, im selben Haushalt
Tochter (6)
Sohn (10)
7
Mutter (45)
ATZ
Teilzeit
Ja, im selben Haushalt
Sohn (14)
Tochter (13) Sohn (8)
8
Mutter (46)
zuhause
Teilzeit
Ja, im selben Haushalt
Sohn (8)
Tochter (6)
Abbildung 3: Eigene Darstellung
56
1.5
Durchführung der Interviews
Alle Interviewteilnehmer wurden in einem geeigneten ruhigen Raum im ATZ befragt. Die Räumlichkeiten waren den meisten Eltern bekannt. Bevor die Einstiegsfrage gestellt wurde, habe ich mich vorgestellt, wies noch einmal auf die Anonymität der Daten hin und informierte die Befragten über die Verwendung und die ungefähre Dauer des Interviews. In diesem Zuge wurden die Einverständniserklärungen über die Tonaufzeichnung unterschrieben, die anschließend in Kopie mitgegeben wurde. Danach wurde der Fragebogen zu den soziodemographischen Daten besprochen, der sich als Einstieg vor Beginn der Aufnahme für ein kurzes Kennenlernen gut eignete. Die Interviews fanden immer in einer sehr entspannten Atmosphäre statt und wurden von äußeren Faktoren nicht gestört. Die Dauer der Interviews betrug zwischen 25 und 65 Minuten. Für mich war es immer sehr interessant, den persönlichen Darstellungen zuzuhören. Alle Interviewpartner konnten die Fragen unterschiedlich ausführlich beantworten. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass alle sehr froh waren, über ihren Alltag berichten zu können und angehört zu werden. Interessanterweise waren die Interviews der zwei teilnehmenden Väter am kürzesten. Ich konnte feststellen, dass die Mütter in allen acht Fällen die Hauptpflege- und Bezugsperson für das Kind mit AS waren und aus diesem Grund eventuell auch die Belastungssituationen im Alltag intensiver und ausführlicher als die Väter darstellten. Nach jedem Interview habe ich ein Gesprächsprotokoll angefertigt, das alle eigenen Eindrücke und Gefühle, Auffälligkeiten des Gesprächsverlaufes und des Gespräches (wie Gestik, Mimik) beinhaltet. Dieses wurde zum besseren Verständnis der Antworten und zur Interpretation der Gesprächsinhalte herangezogen.
1.6
Auswertung der Datenerhebung
Die Auswertung der Interviews erfolgte in zwei Schritten. Nach der wörtlichen Transkription der Gesprächstexte wurden die Inhalte einer Inhaltsanalyse mittels eines Kodierungsschematas unterzogen, um Schlüsse über Zusammenhänge oder Gegensätze darzustellen.
57
1.6.1 Transkription Transkription (lat. trans-scribere = umschreiben) bedeutet das Übertragen einer Audio- oder Videoaufnahme in eine schriftliche Form und die eine Voraussetzung für die wissenschaftliche Untersuchung mündlicher Kommunikationsprozesse (Dittmar 2004, 29). Für die Transkription gibt es sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Im Rahmen dieser Analyse liegt der Fokus auf einer guten Lesbarkeit, leichter Erlernbarkeit und nicht zu umfangreicher Umsetzungsdauer. Aus diesem Grund wurde die einfache Transkription ausgewählt. Man liest in der Regel in den transkribierten Interviews einen von Umgangssprache und Dialekt geglätteten Text. Bei solchen Transkriptionsregeln liegt die Priorität auf dem Inhalt des Gesprächs. Bekannte Regelsysteme wie von Kallmeyer und Schütze (1976) und Hoffmann-Riem (1984) setzen hier an (Dresing/Pehl 2015, 18). Das einfache Transkriptionssystem wurde ihm Rahmen dieser Forschung unter Berücksichtigung folgender Regeln in Anlehnung an Dresing/Pehl (2015) erstellt: 1.
Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden möglichst wortgenau ins Hochdeutsche übersetzt. Sofern keine eindeutige Übersetzung möglich ist, wird der Dialekt beibehalten. 2. Wortverschleifungen werden nicht transkribiert, sondern an das Schriftdeutsch angenähert. Die Satzform wird beibehalten, auch wenn sie syntaktische Fehler beinhaltet. 3. Wort- und Satzabbrüche sowie Stottern werden geglättet bzw. ausgelassen, Wortdoppelungen nur erfasst, wenn sie als Stilmittel zur Betonung genutzt werden. 4. Interpunktion wird zu Gunsten der Lesbarkeit geglättet, das heißt bei kurzem Senken der Stimme oder uneindeutiger Betonung wird eher ein Punkt als ein Komma gesetzt. Dabei sollen Sinneinheiten beibehalten werden. 5. Pausen ab ca. fünf bis sechs Sekunden werden durch drei Auslassungspunkte in Klammern (…) markiert. 6. Jeder Sprecherbeitrag erhält eigene Absätze. Zwischen den Sprechern gibt es eine freie, leere Zeile. Auch kurze Einwürfe werden in einem separaten Absatz transkribiert. Mindestens am Ende eines Absatzes werden Zeitmarken eingefügt. 7. Emotionale nonverbale Äußerungen der befragten Person und des Interviewers, die die Aussage unterstützen oder verdeutlichen (etwa wie lachen oder seufzen), werden beim Einsatz in Klammern notiert. 8. Unverständliche Wörter werden mit (unv.) gekennzeichnet. 9. Die interviewende Person wird durch ein „I:“, die befragte Person durch ein „B:“ gekennzeichnet. 10. Alle Angaben, die einen Rückschluss auf die befragte Person erlauben, werden anonymisiert.
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1.6.2 Auswertungsmethode – Qualitative Inhaltsanalyse Die Inhaltsanalyse will
Kommunikation analysieren, systematisch, regel- und theoriegeleitet vorgehen und das Ziel verfolgen, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen.
Die Auswertungsmethode lässt sich als kategoriengeleitete Textanalyse zusammenfassen (Mayring 2010, 13). Die transkribierten Interviews werden zur Analyse herangezogen und im Kontext des theoretisch beschriebenen Rahmens betrachtet. Hierbei sind die formalen Charakteristika des auszuwertenden Materials hauptsächlich transkribierte Textform (Kap.5.6.1). Inhaltlich werden diese mehrfach, komplett und systematisch bearbeitet und den benannten Kategorien zugeordnet. Dabei konnten sowohl kurze Satzausschnitte als auch mehrzeilige Abschnitte übertragen werden. Die Umsetzung der Kodierung lässt sich in folgenden Schritten zusammenfassen: Im ersten Schritt wurden die transkribierten Texte im MAXQDA-Programm hochgeladen. Anschließend wurden die deduktiven Kategorien (Codes) erstellt, inklusive Unterkategorien. Die passenden Textstellen der Gespräche wurden mit Hilfe des Programms MAXQDA, den jeweils entsprechenden Kategorien zugeordnet. Im nächsten Arbeitsvorgang wurden diese Passagen auf den wesentlichen Inhalt reduziert und bearbeitet. Dabei entstand eine aus dem MAXQDA-Programm selbst erstellte Tabelle aller zugeordneten Kategorien. Diese wurden im nächsten Schritt im Rahmen der Ergebnisdarstellung auf die wesentlichen Inhalte reduziert und beispielhafte Zitate den Codierungen hinzugezogen. Die vollständige Tabelle der Textpassagen und Codierungen werden auf einer separaten CD zur Verfügung gestellt. So konnte ein Vergleich aller getätigten Aussagen gezogen, ebenso wie Ähnlichkeiten und Gegensätze der Elterneinstellungen herausgearbeitet werden. Anschließend erfolgte eine Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung dieser, welche in umfangreicher Form im nächsten Kapitel dargestellt wird. Der gesamte Prozess wird in Anlehnung an Mayring (2010) mit theoretischer Stringenz begleitet. Die Richtung der Analyse ist entwicklungspsychologisch ausgerichtet. Die Interviews sollen die befragten Eltern dazu anregen, über ihr gegenwärtiges Befinden, über die Verarbeitung und Bewältigung ihrer Situation, über ihre bisherigen Handlungen und zukünftigen Bedarfe zur Bewältigung der Situation und über ihre retrospektiven Erfahrungen zu berichten. Nach dem inhaltsanalytischen Kommunikationsmodell (Mayring 2010, 58) ist die Richtung der Analyse also, durch den Text Aussagen über den emotionalen, kognitiven und Handlungshintergrund der Kommunikatoren zu machen. 59
2 Ergebnisse Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der Auswertung beschrieben. Um herauszuarbeiten, wie man Familien mit Kindern mit Asperger-Syndrom unterstützen kann, müssen die belastenden Erlebnisse erforscht werden. Die befragten Eltern haben auch über viele positive Assoziationen aus dem Alltag mit ihrem Kind berichten können. Nichtsdestotrotz folgen anschließend die wesentlichen Aussagen der befragten Familien, bezogen auf belastende und herausfordernde Gegebenheiten.
2.1
Alltag
Die Thematik ‚Alltag mit einem Kind mit Asperger-Syndrom wird an dieser Stelle mit dem aktuellen Stand der Forschung verglichen. Die befragten Eltern formulierten überwiegend Aussagen, die sich auf einen sehr ‚durchgetakteten‘ Alltag bezogen, der wenig Platz für Freizeit zur Verfügung stellte. Also, dadurch dass Max an drei Tagen die Woche erst um 17 Uhr von der Schule kommt und ich Vollzeit-Berufstätig bin, ist unter der Woche wenig Freizeit. (Interview Nummer 5) Das ist schon sehr getaktet bei uns. (Interview Nummer 7)
Mangel an Freizeit Die Familien nehmen besonders Rücksicht auf ihr Kind mit AS, da sie den Eindruck haben, dass im Schulalltag bereits ausreichend Anforderungen gestellt werden, so dass die Freizeitgestaltung für das betroffene Kind unter der Woche hauptsächlich aus Ruhephasen besteht. In der Woche, muss ich gestehen, wenn Schule ist, haben wir einfach nicht viel Zeit. (…) Und dann ist es so, dass er auch bewusst keine Vorgaben mehr von uns bekommt, weil er den ganzen Tag schon irgendwelche Anforderungen und Leistungen erbringen musste und erfüllen musste und er dann quasi Freiraum hat. (Interview Nummer 4)
Die Ermöglichung der Ruhephasen betrifft teilweise ebenfalls die Wochenenden, sodass die Familien auch in dieser Zeit Phasen schaffen, in denen sich die Kinder vom Wochenalltag erholen können. Der Alltag scheint für die Kinder mit AS als anstrengend empfunden zu werden, weshalb die Familien dies besonders im Blick behalten und darauf Rücksicht nehmen. 60
Und am Wochenende ist erst mal ganz viel Ruhe zu Hause. Das ist dann vor allem samstags, da braucht sie den ganzen Vormittag ganz viel Ruhe und ja. Am Wochenende ist weniger Aktivitäten geplant. (Interview Nummer 6)
Zeitmangel Eine befragte Mutter weist auf die Unselbstständigkeit ihres Kindes mit AS hin, welche dazu führt, dass man mehr Zeit für alltägliche Handlungen, aufwenden muss. Auch hier steht die zeitliche Komponente im Vordergrund. Wir müssen mit dem 14-jähigen immer noch Bustraining machen, bevor er seinen Weg bis zur Schule schafft. Das wird er alles nicht machen, das wird er nie können. Und diese ganze Sauserei die ich mit Auto habe, dass ist ja auch dem geschuldet, dass er das nicht kann. Und vielleicht auch nie können wird. (Interview Nummer 7)
Der Zeitmangel entsteht auch durch eine beschriebene ‚fehlende intrinsische Motivation‘ des Kindes. Die befragten Eltern berichten, dass ihre Kinder teilweise alltägliche Aufgaben nicht selbstständig erfüllen können, da es ihnen an Motivation fehlt, wodurch viele Aktivitäten im Alltag enger begleitet werden müssen. Und nachdem alles morgens ziemlich lange dauert, klingelt der Wecker um halb sechs. (Interview Nummer 3) Das heißt irgendwie morgens aufstehen und dann das übliche, anziehen und so weiter. Wobei ich da viel übernehmen muss, weil mein Sohn so, ich glaube theoretisch von den Handbewegungen physiologisch könnte er sich anziehen. Aber es interessiert ihn nicht. Also macht er das nicht. (Interview Nummer 4)
Eine weitere Komponente, die dazu führt, dass Eltern von Kindern mit AS den Eindruck haben, unter Zeitmangel zu stehen, ist die Vielfalt an Institutionen und bürokratischen Angelegenheiten, die im Alltag zu zusätzlichen Aufgaben führen. (…) aber doch ein ganzes Stück Freizeit geht durch diese Fahrerei hier zwei mal die Woche hin und zurück. Dann dieser ganze Orga-Kram mit dem Jugendamt, mit dem ATZ, mit den Therapeuten, mit der Psychiaterin, mit dem Kinderarzt. Der muss zum EKG gefahren werden, der muss zum EEG gefahren werden, der muss eine Blutabnahme haben. Also das ist schon echt viel Zeit, die man da reinsteckt. (Interview Nummer 7)
Vorhersehbarkeit Eine gewisse Vorhersehbarkeit zu schaffen, spielt im Alltag einer Familie mit einem Kind mit AS eine sehr wichtige Rolle. Das wird auch als belastend erlebt, da man den folgenden Tagesablauf im Detail bereits kennen muss. Die 61
Eltern betrachten es als Auftrag, das Kind möglichst genau auf die Gegebenheiten des folgenden Tages vorzubereiten. Dabei müssen Eltern sehr strukturiert vorgehen. Allerdings ist es nicht möglich alles zu beachten, sodass es dann zu einem Stresserleben seitens der Eltern führt, da sie aus ihrer Sicht, die Aufgabe nicht erfolgreich erfüllen konnten. Zum Beispiel, dass wir ihm die Tagesabläufe am besten schon einen Tag vorher schon mal sagen, dass es sich darauf einstellen kann. Also viele Kleinigkeiten, die wir dazu geben, die ihm aber den Alltag glaub ich viel leichter machen und ja. (Interview Nummer 1) Das merkt man oft auch gar nicht, aber viel nehme ich auch vorne weg, also voraus. Also das eben ganz viel geplant wird so, dass es, gerade wenn ich weiß, das ist wichtig, dann plane ich alles so, dass es funktioniert. So was ist schon anstrengend. (Interview Nummer 3)
Einschränkungen Die beschriebenen Einschränkungen im Alltag beziehen sich auf alltägliche Aktivitäten, wie beispielsweise Einkaufen. Eine Mutter berichtet, dass dies, aus der Perspektive des Kindes, mit viel Anstrengung verbunden ist, weshalb die Eltern auch in diesen Situationen Rücksicht nehmen. Aber wir schaffen nie den ganzen Einkauf. Spätestens der Moment wo man an der Kasse wartet und die ganzen Menschen sind, da wird sie schon sehr unruhig. (Interview Nummer 6)
Die Urlaubsgestaltung ist teilweise nur eingeschränkt möglich. Die Vorbereitung auf den Urlaub wird erschwert, da die Vorhersehbarkeit nicht im vollen Umfang ermöglicht werden dann. Das ist mit der Urlaubsplanung dann schwer. (Interview Nummer 6)
Aufteilung der Familie Die befragten Eltern berichten, dass sie sich im Alltag häufig aufteilen. Diese Aufteilung spielt im weiteren Verlauf auch eine besondere Rolle bezüglich der Geschwisterkinder. Also wir separieren schon. Es gibt auch immer unterschiedliche Besetzungen, wer mitkommt. (Interview Nummer 7)
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Essenssituation Die alltägliche Essenssituation unterscheidet sich bei Familien mit Kindern mit AS. Dabei können Schwierigkeiten bei Veränderungen der Essensituation entstehen, worauf die Kinder mit herausfordernden Verhaltensweisen reagieren. Beim Essen auch. Besonders wenn wir etwas geändert oder in dem Ablauf etwas anders ist. (Interview Nummer 2) Vier Wochen weg. Also wir zurückgekommen sind, hat die einfach während zwei oder drei Wochen fast nichts gegessen. Nur Süßes und Früchte. Aber kein richtiges Essen. Hat sie in diesen zwei drei Wochen nicht, weil sie einfach nicht essen wollte. (Interview Nummer 2)
Des Weiteren ist die Essenssituation insofern schwierig, als dass die Kinder mit AS nicht immer alles essen möchten. Durch die selektive Essensaufnahme machen sich die Eltern Sorgen, weil eine ausgewogene Ernährung nicht ermöglicht werden kann. Teilweise wird das Essen für die Kinder ‚extra‘ zubereitet. Zusätzlich dazu entsteht ein Leidensdruck des Kindes, unter dem die Eltern ebenfalls leiden. Die verwunderte Reaktion der Umwelt darüber, dass das Kind ‚besonders‘ behandelt wird, erleichtert den Umgang mit dieser Problematik für die Eltern nicht unbedingt. Essen ist ein ganz schwieriges Thema bei meinem Sohn, weil er ein sehr selektiver Esser ist. (Interview Nummer 4) Also Essen ist schwierig im Sinne von, ich muss für ihn immer irgendwas machen was er isst. (Interview Nummer 4) Und er hatte eine Zeit, wo er nur Smack’s gegessen hat. Also diese HonigSmack’s. Nichts anderes. Und wenn da nicht die Smack’s da waren, dann war Geschrei am Morgen. (Interview Nummer 7) Der hatte Not, der hat wirklich gedacht er muss verhungern, wenn er da ans Buffet geht und da stehen keine Smack’s da, dann kann er halt nichts Essen. (Interview Nummer 7) Dann darf es nur die eine Wurst sein und nur das eine Brot sein. (Interview Nummer 7)
Das ‚Essen gehen‘ gestaltet sich bei diesen Familien schwierig, da für das Kind das Verständnis darüber fehlt, wie der Ablauf ist. Das Bestellen und Warten führt zu Unruhe, wodurch ein vermeintlich angenehmer Ausflug ins Negative schwenken kann. Also es ist genau so beim Essen gehen. Sie hat kein Verständnis dafür, dass man bestellen muss und dann wartet. Auch nicht beim Eis. Das man sich da mal irgendwie hinsetzt, bestellt und dann wartet. Das gibt es nicht. Das muss dann
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alles sofort geschehen. Und dann kann das sehr schnell umkippen. (Interview Nummer 6)
Es gibt einige wenige positive Rückmeldungen, bezüglich der Thematik ‚Essen‘ im Alltag, die an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben dürfen. Der ist eigentlich ein sehr guter Esser. Da haben wir eigentlich sehr viel Glück mit ihm. (Interview Nummer 8) Also es gibt wirklich gute Zeiten, wo er viel probiert und viel isst. (Interview Nummer 7)
Schlafsituation Die befragten Eltern beschreiben Schwierigkeiten im Bezug auf die Schlafsituation. Dabei beziehen sich die Aussagen hauptsächlich auf die Dauer der Einschlafsituation sowie auf die Reaktion des Kindes bei Veränderungen und der Schlafsituation im Allgemeinen. Hier erleben die Familien Einschränkungen im Alltag. Bezogen auf die Einschlafsituation wird berichtet, dass diese häufig sehr lange dauert, was erneut zu Zeitmangel bei eigener Freizeitgestaltung führt. Die Abendgestaltung als Paar wird teilweise eingeschränkt, abgesehen von eigenen Wünschen und Abendvorstellungen. Zu Bett bringen dauert immer länger, bei der Laura. Ist schwierig für sie einzuschlafen. (Interview Nummer 2) Und muss auch ins Bett gebracht werden. Das wird jetzt so langsam besser, weil am Anfang muss ich wirklich liegen bleiben, bis in die Tiefschlafphase. Dann habe ich abends eine Stunde da gelegen, bis der eingeschlafen ist. Dann war ich selber schon müde. Jetzt mittlerweile kann ich irgendwann sagen, so, jetzt stehe ich auf. (Interview Nummer 4)
Die Schlafumstände werden als belastend erlebt, insofern als, dass die Kinder lange bei den Eltern im Bett schlafen oder das ‚Alleine-Einschlafen‘ bei den betroffenen Kindern zu Stresserleben führt, der die Eltern dann auch belastet. Und schlafen gehen ist das nächste große, Problem will ich nicht sagen, aber ist schon anstrengend, weil er schläft immer noch in unserer Mitte. (Interview Nummer 4) Für Sie ist das alleine einschlafen, das wissen, dass ich nicht da bin, ist für sie sehr sehr sehr sehr stressig. (Interview Nummer 6)
Bezogen auf die Veränderung der Situation berichten die Eltern, dass es für die Kinder wichtig ist, dass gewisse Rituale eingehalten werden. Wenn sich der Ort des Einschlafens oder die Person des zu Bettbringens ändert, kann dies zu Schwierigkeiten führen. 64
Aber es gibt dann diese Situationen, wie jetzt in Holland, wenn es ungewohnt ist. Dann wird es schwer. Dann wird es nervig. (Interview Nummer 8) Und das irgendwo einzuschlafen, das funktioniert nicht. (Interview Nummer 6)
Wissen zum Verhalten des Kindes hilft Insgesamt wird der Alltag von den Eltern als ‚schwierig‘ bezeichnet. Dies betrifft vor allem das Leben vor der Kenntnis der Diagnose. Hierbei scheint es hilfreich zu sein, wenn man sich auf die Besonderheiten des Kindes einstellen kann. Es gestaltet sich schwieriger, wenn man nicht versteht, wieso sich das eigene Kind auf eine bestimmte Art und Weise verhält. Und der Alltag, der Alltag der war am Anfang schon immer mal schwierig, weil wir einfach nicht wussten, wie der tickt oder warum er so tickt. (Interview Nummer 1)
Zusammenfassend beschreiben die befragten Eltern, dass der Alltag durch subjektiv empfundenen Zeitmangel geprägt ist, verursacht durch wenig ‚intrinsische Motivation‘ und mangelnde Selbstständigkeit des Kindes sowie Bewältigung bürokratischer Hürden. Hinzu kommt, dass die Eltern stark damit beschäftigt sind, die Tagesabläufe und -pläne vorhersehbar zu gestalten, um ihren Kindern möglichst genaue Aussagen über folgende Ereignisse geben zu können. Alltägliche Angelegenheiten, wie beispielsweise Einkaufen oder Urlaubsplanung, werden als nur eingeschränkt realisierbar empfunden. Die Essensund Schlafsituation prägt den Alltag ebenfalls. Die betroffenen Kinder sind häufig selektive Esser, empfinden Veränderungen der Essenssituation als unangenehm, wodurch die Eltern mit der Reaktion der Umwelt beschäftigt sind und auf eine gemeinsame Aktivität, die Essen gehen beinhaltet, teils verzichten. Die Schlafsituation ist von Einschlafstörungen geprägt. Häufig verbringen die befragten Mütter viel Zeit am Abend damit, dass Kind zum Schlafen zu bringen, weshalb weniger Zeit für die eigene Abendgestaltung übrigbleibt. Hinzu kommt, dass die Kinder häufig bei den Eltern im Bett schlafen.
2.2
Einfluss der symptomatischen Ausprägungen
Beeinträchtigung der sozialen Interaktion Kinder mit AS weisen Beeinträchtigungen in sozialen Interaktionen auf. Dies führt auch zur Inanspruchnahme der Eltern. Teilweise berichten diese, dass ihre Kinder Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen haben. Das scheint auch die Eltern zu belasten. Eltern wünschen sich für ihre Kinder Freund65
schaften und Kontakt zu Gleichaltrigen und stellen im Alltag fest, dass ihre Kinder eventuell gar nicht so viel Wert darauflegen. Hierbei spielt der Faktor der ‚Behinderungsverarbeitung‘ eine wesentliche Rolle. Und (…) ja, er hat relativ wenig Freunde, wo er zu Besuch geht oder die uns besuchen kommen. Ähm, da legt er gar nicht so großen Wert drauf, glaube ich. (Interview Nummer 1)
Das Spielverhalten der Kinder mit AS kann sich vom Spielverhalten der anderen Kinder unterscheiden, wodurch Schwierigkeiten entstehen können. Die Gesellschaft vermittelt den Eltern das Gefühl, dass das Verhalten nicht adäquat ist. Der braucht immer alles ganz fest und doll und meint es dann auch nicht böse und hat dann seine Schwestern immer gegen die Wand, also in dem Hüpfeteil, dagegen geschleudert. Und hat das dann auch mit anderen Kindern gemacht. Und dann waren die ganzen anderen Mamis und Omis die da standen, haben die Krise gekriegt. (Interview Nummer 4)
Die Reaktion der Kinder auf die Rückmeldung des Umfeldes wirkt sich dann auch auf die Eltern aus. Sie berichten, dass es belastend wahrgenommen wird, wenn das eigene Kind traurig darüber ist, wie das Umfeld reagiert hat. Wenn er dann sehr traurig ist und so mit seinem sozialen Umfeld nicht klarkommt und merkt, irgendwas stimmt da nicht und das überhaupt nicht benennen kann und diese Situation nicht gehandelt kriegt. Dann wird er manchmal sehr sehr traurig. (Interview Nummer 7)
Spezialinteresse Das Spezialinteresse des eigenen Kindes scheint von vielen Familien als bereichernd oder faszinierend empfunden zu werden. Gestern durfte er zum Beispiel Fußball gucken, eine Halbzeit. Da konnte der mir zu fast jedem Spieler irgendetwas sagen. Da dachte ich so hä? Wo hat er das denn gelernt? Ja, der ist auf der Karte, der ist auf der Karte, der ist auf der Karte. Das hat er alles verinnerlicht. (Interview Nummer 1) Und er ist halt super fit in Mathe und kann sich Sachen merken, wo ich wirklich auch überrascht bin. Ich weiß nicht wie oft ich schon gesagt habe: Woher weißt du denn das jetzt schon wieder? Oder wann hast du dir das gemerkt? Und. Er weiß die Geburtstage von X Leuten. (Interview Nummer 8)
Das Spezialinteresse führt auch zu positiven Reaktionen in der Umwelt, worüber sich die Eltern freuen. Es wurden keine gefährlichen Spezialinteressen erwähnt, weshalb der Umgang mit diesen Besonderheiten bereichernd wahrgenommen wird. 66
Ja, wenn er zum Beispiel bei meinen Eltern ist, dann überrascht er einen eigentlich, dass es perfekt Doppelkopf spielen kann. Das ist, glaube ich, in Deutschland, mit das komplizierteste Kartenspiel ist (lacht). Der spielt mit den Erwachsenen. Auch so, dass er gewinnen kann. Also richtig mit Ansagen und allem drum und dran. Also ich kann es nicht. Aber so was, damit überrascht er. (Interview Nummer 1)
Belastend wird teilweise die Intensität und Art und Weise des Auslebens des Interesses beschrieben. Den Kindern fehlt es in diesem Zusammenhang an Kognitionsfähigkeiten. Sie können sich nicht in die andere Person hineinversetzen und nachvollziehen, dass es vielleicht nicht dem Interesse des Gesprächspartners entspricht oder das Ausmaß der Darstellung einer Thematik etwas übertrieben sein könnte. Der Textet einen dann halt auch zu. Im Moment sind Wasserlöcher total in. Der weiß alles über Wasserlöcher. Irgendwelche Wasserlöcher in den Seen von Kalifornien und keine Ahnung, irgendwelche Bohrlöcher. Und dann steht er schon manchmal morgens auf und dann textet er uns damit zu. In einer so ganz monotonen Art und Weise. Also genau wie so der Reporter das erzählt, erzählt er das nach. Also quasi auswendig gelernt. (Interview Nummer 4)
Sprach- und Kommunikationsfähigkeit Im Bezug auf die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit werden Schwierigkeiten bei Bedürfnis- und Wunschäußerung beschrieben, die zu belastenden Ereignissen führen. Das soziale Umfeld ist irritiert, wodurch Kontakt mit Gleichaltrigen erschwert wird. Häufig ist ein ‚Übersetzer‘ notwendig, allerdings können Eltern die Situationen nicht immer begleiten. Dies führt zu einer weiteren wahrgenommenen Aufgabe der Eltern, die aber nicht alltäglich ausgeführt werden kann. Und dann treten auch Situationen auf, dass Nina irgendwann zwischen drin, ich weiß nicht wie man es beschreiben soll, wenn irgendwas ist, dann sagt sie es halt nicht. Oder so tut sich sehr schwer damit irgendwas zu sagen, was los ist, weil sie so oft, denk ich, auch einfach nicht weiß. (Interview Nummer 3)
Routinen/Veränderungen Der Alltag ist gekennzeichnet durch Abläufe und Routinen. Dies scheint bei Familien mit Kindern mit AS stark ausgeprägt zu sein. Es wird aber nicht explizit als belastend empfunden. Unsere gemeinsame Tagesroutine ist, dass wir morgens, wenn wir zur Straßenbahn gehen, unseren Tag besprechen. Das heißt sehr klar durchsprechen, jetzt ist Schule und dann kommst du nach Hause und dann bin ich da oder dann ist
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der Babysitter da oder dann ist Oma da. Und dann hast du das und das und das und das und das und das. Also sehr organisiert. (Interview Nummer 5) Also da hat sie keine sehr festen Routinen aber es muss dieser Ablauf sein. Andersrum funktioniert nicht. (Interview Nummer 6)
Veränderungen im abgesprochenen Ablauf führen zu Schwierigkeiten, die Stress beim Kind und dadurch auch bei den Eltern verursachen. Sie bestehen auf Gleichförmigkeit, bei Veränderungen reagieren sie mit Wutausbrüchen und zeigen wenig Verständnis für die Gründe des unerwarteten Ereignisses. Dabei wird sowohl das Wissen über die Diagnose ‚Asperger-Syndrom‘ als auch über das ‚Warum‘ sich das Kind auf eine bestimmte Art und Weise verhält, als hilfreich empfunden. Ja, wir haben halt gemerkt haben, dass gerade so Veränderungen im Alltag, dass das Stress für ihn bedeutet. Das haben wir am Anfang gar nicht so gesehen. Dass das tatsächlich wirklich körperlichen Stress bei ihm auslöst. Und, dass er dann richtig krabitzig wird. (Interview Nummer 1) Auch kurzfristige Planänderungen sind unkompliziert, so lange er, ja mich als Leuchtturm dabei hat, habe ich den Eindruck. (Interview Nummer 5) Neue Situation. Keine bekannte Größe. Kein bekanntes Schulgebäude, kein bekannter Ablauf, kein bekanntes Gesicht, kein kein kein, kein Leuchtturm. (Interview Nummer 5)
Der Zusammenhang zwischen der empfundenen Aufgabe der Eltern, den Alltag für das Kind transparent zu gestalten und auf Veränderungen vorzubereiten, bedingt durch die negative Reaktion und den empfundenen Leidensdruck des Kindes bei Änderungen, führt zur Belastung. Eltern können diese Aufgabe nicht im vollen Umfang realisieren, haben aber aufgrund der Reaktion des Kindes dieses Bedürfnis. Gleichzeitig versuchen die Eltern möglichst präventiv zu verhindern, dass das Kind mit herausforderndem Verhalten oder verbalisierte Unzufriedenheit reagiert, da auch dies zur empfundenen Belastung seitens der Eltern führt. Aber zu Hause ist es vor allem das, wenn sie irgendwas nicht bekommt. Nicht abläuft wie sie sich das vorstellt. Das ist immer das größte Problem. Dann wird sie sehr aggressiv. (Interview Nummer 6)
Die befragten Eltern haben häufig die Erfahrung gemacht, dass fehlende Abläufe oder spontane Veränderungen zu herausfordernden Verhaltensweisen führen. Ja ja, ganz fest. Das ist irgendwie so, wenn man dann mal rausgefunden hat, dass ihm das gut tut, dann achtet man da schon sehr drauf. Das geht schon so bei uns im Minutentakt. (Interview Nummer 7)
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Die Erfahrungen der Eltern mit dem eigenen Kind sind sehr wichtig. Wie oben zitiert, wird im Alltag versucht, die Routine aufrechtzuerhalten, da dies zur Entspannung auf Seiten des Kindes und dann ebenfalls auf Seiten der Eltern führt. Die alltägliche Vorhersehbarkeit wird auch als stressig empfunden, vor allem wenn sie nicht dem natürlichen Wunsch nach Struktur des Elternteils entspricht und den Willen nach Spontanität einschränkt. Immer wenn ich ihn abhole: Mama, was machen wir jetzt? Kommt immer als erstes. Noch manchmal bevor er ‚Hallo‘ sagt. Und ich dann: Oh gott. Dann muss ich genau wissen. Dann stellt er auch Fragen. Er sagt dann auch seine Vorstellung, was er gerne machen würde. Können wir zur Oma gehen. Oder können wir zum Rewe, weil es Fußball Bilder gibt. Dann wird das auch mehrfach wiederholt. Und ich sage dann auch oft: Jetzt warte erst mal. Wir gehen jetzt erst mal raus. Und dann gucken wir mal. (Interview Nummer 8)
Eine Mutter beschreibt hingegen auch Situationen, in denen Flexibilität vom Kind abverlangt werden muss, weshalb man kreative Lösungen ermöglichen muss. Dies verkompliziert eine alltägliche Handlung. Ja fängt an beim Klamottenkauf. Das wir jetzt schon wieder seit drei Wochen rumhexen, dass er mal irgendwie neue Hosen braucht. Jetzt sind aber die alten bei H&M nicht mehr da, die wir letztes Jahr hatten. Das müssen ja immer die gleichen sein. So da fängt das an. (Interview Nummer 7)
Aktivitäten, wie beispielsweise Klassenfahrten, empfinden Kinder mit AS womöglich als nicht so unproblematisch, wie neurotypisch entwickelte Kinder. Es werden viele Fähigkeiten für solch einen Ausflug abverlangt, die teilweise im notwendigen Umfang nicht abrufbar sind. Alle Eltern versuchen ihre Kinder möglichst gut darauf vorzubereiten. Bei neurotypisch entwickelten Kindern liegt der Schwerpunkt möglicherweise eher auf Heimweh-Überwindung, um eine Sicherheit für diese zeitliche Trennung zu gewinnen. Kinder mit AS hingegen möchten auf die gesamte Situation vorbereitet werden, um Sicherheit zu erlangen. Angefangen mit detaillierter Beschreibung der Räumlichkeiten, über Informationen des veränderten Wassergeschmacks, bis hin zur Bekanntgabe der abweichenden Tagesabläufe. Dies fordert die Eltern im besonderen Maße heraus. Auf Klassenfahrt, dass man schon Wochen vorher anfängt durchzusprechen, wenn dann. Das ist so die Herausforderung. (Interview Nummer 5)
Hinsichtlich der Gestaltung von Vorhersehbarkeit im Leben eines Kindes mit AS, entlastet eine Schulbegleitung oder Integrationskraft die Familien im Besonderen. Die Gewissheit darüber, dass eine Person die Aufgabe der Vorhersehbarkeit und situative Unterstützung ermöglichen kann, entlastet die Eltern. Sie haben die Gewährleistung, dass dem Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit des Kindes entsprochen werden kann, wodurch die Wahrscheinlichkeit erhöht 69
wird, dass ein weniger angespanntes und verunsichertes Kind nach Hause kommt. Wir hoffen, dass die auch weiter verlängert wird, weil diese Umstellung der Klasse, wenn die Klassengemeinschaft aufgesprengt wird, dass tut ihm nicht gut. Der braucht erst mal eine stabile Komponente drin. (Interview Nummer 7)
Motorische Unbeholfenheit Die unterschiedliche Ausprägung der motorischen Unbeholfenheit wird von keiner Familie als zusätzliche Belastung empfunden. Nahezu jedes Kind der befragten Eltern nimmt Ergo-Therapie in Anspruch, häufig bereits vor der Asperger-Diagnose. Diese Thematik ist eher unter dem Begleitumstand ‚zusätzlicher Termin – zusätzliche Fahrerei‘ zu betrachten, der im Alltag zur Belastung führen kann. Kognitionen In Konfliktsituationen kann die Beeinträchtigung der Kognitionen des Kindes mit AS zu Schwierigkeiten führen. Die befragten Eltern schildern, dass sich ihr Kind bei Unstimmigkeiten nicht in die andere Person hineinversetzen kann, wodurch sich die Konfliktlösung mühevoll gestaltet. Die betroffenen Kinder sind oft sprachlich sehr begabt, treffen eine außergewöhnliche Wortwahl und wirken infolgedessen uneingeschränkt, sodass bestimmte verbale Fähigkeiten vom Gegenüber vorausgesetzt werden. Das Fundament für konfliktfähiges Handeln beinhaltet maßgeblich Kognitionsfähigkeiten, wie beispielsweise Einfühlungsvermögen, Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie Empathie, welche unter Umständen bei den betroffenen Kindern beeinträchtigt sein können. Durch die ‚Unsichtbarkeit‘ der Beeinträchtigung erschwert sich der Umgang mit der Konfliktsituation. Und wenn es dann so explodiert ist und eskaliert ist, dann habe ich es jetzt so gemacht, dass wir uns halt beruhigt haben, beide, also alle die daran beteiligt waren und dass ich dann nachher nochmal zu ihm hingegangen bin und ihm die Situation erklärt hab. Was das mit mir gemacht hat, warum ich sauer geworden bin. Was das mit ihm gemacht hat, warum er sauer geworden ist. Also auch gefragt, wie hättest du denn reagiert also an meiner Stelle, wenn ich jetzt so ausgeflippt wäre. Wärst du da glücklich mit gewesen? Oder? Und dann merke ich halt, dass er darüber nachdenkt und merke auch, dass er sich da vorher überhaupt keinen Kopf drüber gemacht hat. Oder er sich gar nicht in den anderen hineinversetzen kann. Oder einfach nicht weiß, was das mit einem auslöst. Also so Konfliktsituationen. (Interview Nummer 1) Und dann ist er völlig irritiert, weil er dann kommt und sagt. Aber ich kann doch total wunderschön singen, hast du gesagt. Dann sage ich: Ja, kannst du
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auch, aber manchmal brauche ich auch einfach eine Pause. So. Bin halt auch nur ein Mensch. Und ich hab ja auch noch zwei andere, die rufen dann auch noch Mama, Mama. Und das finde ich sehr anstrengend. (Interview Nummer 4)
Sensorische Empfindlichkeit Manche Kinder mit AS haben eine sensorische Empfindlichkeit, die sich von der gewöhnlichen Wahrnehmung unterscheidet. Aufgrund dieser Differenz werden gewisse Reize ungewöhnlich stark wahrgenommen. Im Alltag führt dies zu sehr starken Reaktionen oder Verhaltensweisen des Kindes. Das Verweigerungsverhalten eines Kindes wegen der vorhanden Lautstärke im Kindergarten, die durch die Anzahl der sich dort befindenden Kinder verursacht wird, kann hier als Beispiel angebracht werden. Und sagte halt damals schon, da hätte man auch schon schalten können, hat man aber irgendwie nicht. Er sagte: Ich gehe morgens nicht so gerne hin. Da ist immer so voll. Nachmittags find ich es schön. Da ist immer schön leer. (Interview Nummer 7)
Die Bedeutung der Familie und Eltern-Kind-Beziehung wurde im Kapitel 2.1 ausführlich dargestellt. Ein übergeordneter Bestandteil dieser Beziehung basiert auf emotionalem Austausch, physischer Nähe und Privatheit in Form von Intimität. Diese kann laut Interviewaussagen bedingt ausgeübt werden, angenommen die sensorische Empfindlichkeit bezieht sich auch auf körperliche Berührungen. Wenn jemand, ich selbst, sie fangen will oder und umarmen, dann fängt sie einfach sich zu bewegen, weinen, schreien. (Interview Nummer 2)
Gesetzt den Fall Lautstärke wird spürbar schmerzlich wahrgenommen, so verzichten die Familien auf öffentliche Veranstaltungen oder gemeinsame Ausflüge, die dies verursachen könnten. Die Ursache für diese Entscheidung ist eingängig. Nichtdestotrotz verzichtet die Familie auf gemeinsame Aktivitäten, wodurch auch die Funktion der Familie limitiert wird. Die Rolle der Geschwisterkinder darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden. Zum Beispiel Schulfeste oder Feste allgemein. Also wo wenn viel los ist. (Interview Nummer 6) Und dann haben wir zum Beispiel: Es will nicht in ein Schwimmbad gehen. Das ist zum Beispiel ihm zu laut, das ist ihm zu wullig. Das mag er nicht. Da bleibt er entweder zu Hause oder wir machen was anderes gemeinsam. (Interview Nummer 7)
Den Eltern gelingt es oft, günstige Alternativen zu finden. Die Aufteilung der Familie bei Vorhandensein von Geschwisterkindern wird dann zu einem Pro71
blem, wenn sich diese die Teilnahme der vollständigen Familie an einer Veranstaltung wünschen. Die Rücksichtnahme auf das Kind mit AS wird priorisiert, da dies unter den Umständen stärker zu leiden scheint. Herausfordernde Verhaltensweisen Mit herausfordernden Verhaltensweisen sind nicht die autistischen Verhaltensmerkmale (z.B. soziale Kontaktabwehr, sozialer Rückzug, repetitives Verhalten oder Bestehen auf bestimmte Ordnungen oder Abläufe) gemeint, da diese gesondert dargestellt wurden. Vielmehr geht es um die zusätzlichen Verhaltensauffälligkeiten, wie schreien, wegrennen oder andere Personen schlagen. Die Eltern weisen daraufhin, dass bei ihrem Kind mit AS herausfordernde Verhaltensweisen den Alltag erschweren oder belastend gestalten. Dabei beschreiben sie expansive Verhaltensweisen, wie fremdaggressives Verhalten das sich gegen die Eltern richtet. Dann wird sie sehr aggressiv. Dann schreit sie sehr laut. Sie schlägt mich vor allem. Dann wird die körperlich auch ganz aggressiv und ist dann für nicht anzusprechen. (Interview Nummer 6) (…) sucht aber auch diesen Körperkontakt, das heißt auch es wird hier sehr laut. Dann tut sie mir auch richtig weh, dann muss auch aufpassen, sonst kann sie einem auch richtig weh tun. (Interview Nummer 6)
Ein weiterer belastender Begleitumstand der herausfordernden Verhaltensweisen ist die für externe Beobachter eventuell nicht nachvollziehbare hohe Lautstärke des Kindes, die als unangenehm empfunden wird. Und dann ist er wütend und frustriert und verzweifelt und hilflos und schreit die ganze Zeit. Und mein Mann und ich kriegen schon Magenschmerzen. (Interview Nummer 4)
Eine folgend anvertraute Situation, präzisiert die empfundene Belastung einer Mutter, wobei sich das expansive Verhalten des Kindes gegenüber eines Familienmitgliedes gerichtet hat. Dies verursachte eine subjektiv besonders unangenehme Situation, die als stressauslösende Bedingung zu bewerten ist. Also das schlimmste war eigentlich, noch lange bevor wir die Diagnose hatten, meiner eigenen Schwägerin gegenüber. Da ist er sehr ausfällig geworden und hat sie dann irgendwann sogar gegen das Schienbein getreten. Da erinnere ich mich heute noch, da wollten wir eigentlich zu einem Fest gehen. (…) Und das habe ich persönlich auch super als kränkend empfunden, weil das ja die Schwägerin ist und die Frau meines Bruders und die kennen wir auch gut. Und der hat die auch eigentlich gerne. Das ist total daneben, so ein Verhalten. (Interview Nummer 8)
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Besonderheiten bei Mädchen Die theoretisch basierten Annahmen der aktuellen Forschung (Kapitel 1.2.7) können an dieser Stelle bestätigt und präzisiert werden. Die Mädchen verhalten sich außerhalb des häuslichen Umfeldes äußerst unauffällig. Im Kontakt mit anderen Personen fallen die Asperger-Symptome nicht auf, sie kompensieren diese im Alltag und beherrschen ausgeprägte Bewältigungsmechanismen. Dies ist nicht nur für die betroffenen Mädchen erschöpfend und strapaziös. Auch für die befragten Eltern ist diese Besonderheit ebenfalls beschwerlich. Die Belastungswahrnehmung der Eltern wird durch das Unverständnis des sozialen Umfeldes und das kompensatorische Verhalten des Kindes zu Hause ausgelöst. Und auch von Arbeitskollegen ist es dann eher erst mal andersrum. Das sie sagen: Du erzählst doch immer. Aber eigentlich ist so doch ganz normal. Sie spricht so gut. Mein Kind spricht noch nicht so gut. Oder sie ist doch ganz lieb. Oder wie auch immer. (…) Weil es einfach so schnell nicht auffällt. (Interview Nummer 3) Sie hat jetzt auch, also sie ist ja wie gesagt auch sehr angepasst und sie hat auch viel übernommen. (Interview Nummer 3) Da fällt dann nur mal eben ein Pips, damit sie sagt: Ich kann hier nicht mehr sein. Dann geht sie auch raus. Sie kann dann wirklich in dem Moment nicht mehr da sein. Aber ja. Da schreit sie nicht rum. Sie wird dann sehr nervös und dann weint sie. Und will nur mal da weg. Aber sie wird nie auf der Straße aggressiv. (Interview Nummer 6) Aber, das ist selten außerhalb des Hauses. (Interview Nummer 6)
Eindrucksvoll berichtet eine befragte Mutter, wie angepasst sich ihre Tochter im Umfeld der Schule verhält und lediglich zu Hause mit herausfordernden Verhaltensweisen reagiert. Die Reaktionen des Kindes veranschaulichen, mit wie viel Anstrengung die Bewältigung des Tages, verbunden ist. Die Eltern werden aus diesem Grund im Alltag außerordentlich gefordert. (…) wenn in der Schule ganz vielen ungeplant war und ein ganzer Tag der nicht war wie immer. Der keinen so einen normale Ablauf hatte. Wo sie sich dann sehr viel anstrengen musste und dann braucht ein nur einen ganz minimalen, ein kleines Tröpfchen egal was zu Hause, dann ist es vorbei. (Interview Nummer 6) Diese Verzweiflung bei der Diagnose. Das ist vor allem in dieser Zeit, wo die ganze Diagnose gelaufen ist. Wo wirklich mal einfach mal raus gekommen ist. Wir dann alle total überfordert waren, alles zu erkennen und zu managen, wo man dann sagt: Ok, was ist jetzt genau. Was hat sie jetzt? Ich weiß es nicht.
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Hier läuft alles gut. Hier ist doch alles normal. Da habe ich auch. Da war ich an meinen Grenzen. (Interview Nummer 6)
Infolge dessen ist die Verarbeitung der Diagnose für die Eltern von Mädchen mit AS entsprechend beschwerlich. Das ambivalente Verhalten, zwischen ‚normal‘ und ‚anders‘ verursacht noch größere Zweifel an der Diagnose. Sobald sich das Kind in einer fremden Umgebung befindet, verhält es sich angepasst und unauffällig, nur zu Hause werden Verhaltensauffälligkeiten beobachtet. Dies könnte verursachen, dass die erlebte Belastung zu Hause und die Schuldzuweisung stärker ausgeprägt ist. Dadurch werden Eltern von Mädchen mit dieser Diagnose zu einer wichtigen Zielgruppe von Beratungs- und Entlastungsangeboten. Dann macht man diese ganzen Sachen, Eingliederungshilfe für die Schule und alles. Das ja, da sind ganz viele Gespräche, wo ganz viele Beteiligten sind, mit ganz unterschiedlichen Ansichten haben. Alle sind der Meinung: Das Kind ist ganz normal. Das passiert ja doch nicht. Ja, bisschen so. Sie ist doch ganz nett und spricht doch mit allen. (lacht) Das war auch so. Wo ich auch selber da so stand und dachte so mh. Ich weiß jetzt auch nicht genau, warum das jetzt bei ihr so ist. Das war schwierig. (Interview Nummer 6)
Resümierend beeinflussen spezifische Ausprägungen der Asperger-Diagnose den Alltag der Familien. Die Beeinträchtigung der sozialen Interaktion des Kindes führt zu auffälligem Spielverhalten, was die Eltern durch das Verhalten der Gesellschaft zu spüren bekommen. Im Bereich der Sprach- und Kommunikationsfähigkeit ist die Bedürfnisäußerung eingeschränkt. Die Eltern übernehmen die Aufgabe des ‚Übersetzers‘, können diese Funktion aber nicht vollumfänglich ausführen. Der Alltag besteht prinzipiell aus Routinen. Bei Veränderungen der Routinen reagieren viele Kinder mit herausfordernden Verhaltensweisen, was die Eltern dazu bewegt, dies möglichst präventiv zu verhindern. Dabei wird die Integrationskraft als hilfegebend wahrgenommen, da sie den Auftrag der Vorhersehbarkeit im Kindergarten- oder Schulalltag übernehmen kann. Die Lösung von Konfliktsituationen wird durch fehlende Kognitionsfähigkeiten des betroffenen Kindes erschwert. Die sensorische Empfindlichkeit des Kindes kann zu Verweigerungssituationen führen. Mit Rücksicht auf die Empfindlichkeit verzichten Eltern gerne auf bestimmte Aktivitäten. Die Verweigerung körperlicher Nähe, in Form von emotionaler Zuneigung, schränkt die Eltern in ihrer Funktion allerdings ein. Die Besonderheit von Mädchen mit Asperger-Autismus wurde im Kap. 1.2.7 theoretisch dargestellt und die ausgeprägten Bewältigungsmechanismen können belegt werden. Darüberhinaus wurde dargestellt, dass die gravierende Verhaltensausauffälligkeiten des eigenen betroffenen Kindes zur Unverständnis des sozialen Umfeldes führen. Die Spezialinteressen der betroffenen Kinder hingegen, werden oftmalig in positiven Kontexten benannt. Lediglich die Intensität des 74
Auslebens der Spezialinteressen kann Eltern an ihre Belastungsgrenzen führen. Es gibt keinen signifikanten Hinweis auf Belastungserleben, verursacht durch komorbide Störungen.
2.3
Elternrolle
Im Kapitel 4.1.2 wurden die theoretischen Aspekte der Elternrolle mit einem Kind mit Beeinträchtigung dargestellt. Die Aussagen im Rahmen dieser Studie unterstreichen die erlebte Unsicherheit bezogen auf die Aufgaben der Elternrolle. Der Auftrag, das eigene Kind im Alltag auf möglichst alle Eventualitäten vorzubereiten und zu unterstützen, dessen ungeachtet aber nicht alle fordernden Aufgaben abzunehmen, ist problematisch. Hierbei wird dargestellt, dass es herausfordernd ist, das Maß an ‚notwendiger Unterstützung‘ gegen ‚Selbstständigkeit fördern‘ auszubalancieren. Ihn in Situationen wo er alleine ist, so vorzubereiten, dass er nicht das Gefühl hat, alleine zu sein. Also im Sinne von, in der Schule, was passiert da jetzt. (Interview Nummer 5) Und ich empfinde es auch als Herausforderung ihm nicht alles abzunehmen. Also dann zu sagen: Komm, ich beschütze dich vor allem. Ich regle das alles nicht. Sondern: Ne, du. Du musst beim Bäcker jetzt selbst bestellen. Und wenn du nicht bestellst, dann kriegst du halt kein Brötchen. Das ist nicht mein Problem. Also diese. Das ist ja ein Leichtes zu sagen: Ja komm, ich bestell jetzt dein Brötchen mit. Oder das Eis. Oder im Restaurant. Aber es ist ja wichtig, dass er es alleine kann. Das ist für mich manchmal eine Herausforderung, mich zurückzunehmen und zu sagen: Hey, wenn du nicht bestellt, dann hast du halt kein Essen. Da musst du durch. Also eben abzuschätzen, wo muss ich ihn laufen lassen und wo muss ich ihn auch einfach vor die Tatsache stellen: So, du musst das selber machen. Und wo kann ich ihn noch unterstützen, damit es eben besser klappt. (Interview Nummer 5)
Der emotionale-expressive Anteil der Elternrolle, die Entwicklung einer stabilen und wechselseitigen emotionalen Beziehung zwischen Eltern und Kind, wird durch die oben beschrieben Schwierigkeiten herausgefordert. Ergänzend dazu ist der Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen, die sich in Form von körperlichen Wutausbrüchen gegen einen Elternteil richten, ebenfalls problematisch für die Entwicklung einer angemessenen Elternrolle. Dann hat er mich gehauen. Wobei ich war es ja gar nicht. Aber das ist dann in dem Moment egal. Und (…) dann war ich halt ganz lieb zu ihm. Dann hat es ihm direkt leid getan. Und dann kam er und hat mich umarmt, aber er ist dann manchmal einfach hilflos. (Interview Nummer 4)
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Wenn sich das Kind mit fremdaggressiven Verhaltensweisen gegen einen Elternteil richtet, dann wirkt sich dies auch auf die emotionale Beziehung zwischen Eltern und Kind aus. Dabei könnte der instrumentelle Anteil von großer Bedeutung sein. In diesem Kontext sollten die Eltern spezialisierte Unterstützung in Anspruch nehmen können. Inwiefern dies möglich ist, wird im weiteren Verlauf diskutiert. Rollenambivalenz durch Inanspruchnahme von pädagogischen und therapeutischen Diensten Der häufige Kontakt zu professionellen Diensten kann die ‚Normalisierung‘ der Elternrolle erschweren und zur Rollenunsicherheit führen. Die befragten Eltern dieser Studie warten bereits längere Zeit auf die Inanspruchnahme therapeutischer Dienste, weshalb ihre Wahrnehmung mit den theoretischen Aussagen der Fachliteratur nur teilweise übereinstimmen. Es entsteht ein weitaus größerer Leidensdruck, da es an therapeutischen Angeboten fehlt, die sie in ihrer Rollenfindung unterstützen könnten. Ich weiß halt nie, ist das jetzt normal oder nicht? (Interview Nummer 8)
Dass die Kontrolle durch therapeutische und pädagogische Instanzen eine Minderwertigkeit der elterlichen Kompetenz hervorrufen, kann bestätigt werden. Und jeder Therapeut sagt natürlich, das und das und das müssen Sie machen. So oft am Tag. Sonst (…) ja, wird’s nichts. Einfach mal. Und dadurch war ich gerade das erste Jahr, war ich eigentlich nur Therapeutin. Und auch jetzt ist es viel so. Ich habe ja vorhin gesagt, dass sie das Trampolin bekommen hat für die Motorik. (…) es gab viele Geburtstage, wo sie zwei große Geschenke bekommen hat. Eins zur Förderung und dann habe ich eben gedacht, das Kind kann nicht nur solche Sachen bekommen. Dann bekommt es eben auch noch irgendwas anderes. Aber ich habe das immer im Hinterkopf. Und bei allem, was ich tue, ist es immer. Ich bin irgendwie immer Therapeutin und was ich sehr wichtig finde. Sich immer wieder auch versuchen, davon zu lösen. Einfach zu sagen, das ist jetzt egal. Heute wird das Augenpflaster nicht geklebt. Heute machen wir keine Übungen. Das fällt mir total schwer. Weil ich eben weiß, wie wichtig es ist. Aber sich davon zu lösen und auch einfach Eltern zu sein. Das ist schwer. Aber das ist auch wichtig. (Interview Nummer 3)
Die Ausbalancierung zwischen der angemessenen Förderung sowie der berechtigten Ansprüchen nach Ruhe- und Erholungsphasen wird als herausfordernd beschrieben. Habe ich ganz lange gebraucht und brauche es immer noch, dass ich mich bewusst von dem Standpunkt Therapeut wegbewege. (Interview Nummer 3)
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Allerdings werden auch vermehrt Aussagen getroffen, die die Involviertheit von professionellen Diensten zu Hause als sehr positiv bezeichnen. Und ganz oft sind es ja nur Kleinigkeiten. Auf die ich aber selber nicht komme, weil ich selber zu gestresst bin, weil ich zu involviert bin, weil ich die Mama bin, weil ich ja selber Opfer meiner eigenen Muster bin und irgendwie in der Falle sitze so, mit meinem Kind. Und ein Außenstehender würde dann vielleicht irgendwas anderes sehen, uns sagen: Guck mal, versuch es doch mal so. (Interview Nummer 4)
2.4
Eltern-Kind-Beziehung
Aber im Großen und Ganzen, versuchen wir, also ich versuche sie immer schon auch herauszufordern. Habe ich von klein auf gemacht. Und die Sachen werden natürlich auch größer. (Interview Nummer 3)
Die oben beschriebene Ausbalancierung zwischen Übernahme der Verantwortung für das eigene Kind und der Förderung von Selbstständigkeit, wird für die Familien mit Kindern mit AS erschwert, da es als herausfordernd beschrieben wird, Aufgaben zu finden, die dem Entwicklungsalter des Kindes entsprechen. Die ‚Unsichtbarkeit‘ der Beeinträchtigung wirkt sich in diesem Kontext ebenfalls aus. Beispielsweise lassen sich vor allem die betroffenen Mädchen Unsicherheit im sozialen Kontext kaum anmerken, zu Hause wiederum werden die Eltern von heftigen herausfordernden Verhaltensweisen überrascht, da sich ihr Kind in der gegebenen Situation maßlos überforderte fühlte, dies aber in der Situation nicht ausgedrückt hat. Das ‚Sich-Zurücknehmen‘ wurde in der Fachliteratur, als eine wichtige Fähigkeit für eine gute Eltern-Kind-Beziehung dargestellt. Bei den befragten Eltern entstand vermehrt der Eindruck, dass eine große Gefahr bestehe, dass die Eltern hauptsächlich ihrem betroffenen Kind Platz und Zeit einräumen. Dabei käme die eigene Freizeitgestaltung zu kurz. Besonders interessant ist die unverständliche Reaktion der zwei befragten Väter auf die Frage „Was machen Sie, damit es Ihnen gut geht“. Daraus lässt sich womöglich schließen, dass die eigene Freizeitgestaltung nicht bewusst zur Wiederaufnahme persönlicher Energie verwendet wird. Die befragten Mütter hatten bei der Beantwortung der Frage häufig festgestellt, dass die eigene Freizeitgestaltung in dem gewünschten Ausmaß nicht realisiert werden könne. Also ja. Großteil meiner Freizeit, geht natürlich drauf. (Interview Nummer 7)
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2.5
Funktion der Familie
Familien erfüllen aus gesellschaftlich-theoretischer Sicht, wie im Kapitel 2.1 dargestellt, bestimmte Funktionen. Mit der Belastungsperspektive von Eltern mit Kindern mit AS, war es von Bedeutung herauszufinden, inwiefern die Funktionen eingeschränkt ausgeübt werden können. Die Funktion der Ausübung von gemeinsamen spielerischen Aktivitäten und das Erleben gemeinsamer Erfahrungen wird als nur eingeschränkt möglich artikuliert, da wie im Kapitel 6.1 erörtert, viele Kinder am Wochenende Zeit zur Kompensation brauchen. An dieser Stelle erleben die befragten Familien ebendiese Einschränkungen. Wir machen am Wochenende eher nicht so viel, wenn wir keine Termine haben, weil sie einfach die Zeit als Kompensation braucht. (Interview Nummer 3)
Andererseits gibt es bestimmte gemeinsame Aktivitäten im Alltag bei Familien mit Kindern mit AS, wie dem folgenden Zitat zu entnehmen ist. Jedoch müssen sich bei solchen Aktivitäten die Familienmitglieder häufig voneinander trennen, um die Betreuung aller Kinder, der Kinder mit AS sowie den Geschwisterkindern, zu gewährleisten. Dann machen wir viele Ausflüge, dann gucken wir uns Spielplätze an, da machen wir Wanderungen, da sind wir in Freizeitparks, jetzt waren wir im Zirkus gewesen, im Kinderzirkus, im Schulzirkus. (Interview Nummer 7)
Die Funktion des emotionalen Austausches ist ebenfalls gegeben. In mancher Hinsicht scheint dieser intensiv und tiefgründig zu sein. Die Gedanken und Erkenntnisse berühren die Eltern und werden sehr wertgeschätzt. Teilweise teilen diese Kinder ihre reflexiven Gedanken auch mit ihren Geschwistern. Immer, wenn sie mir etwas sagt von ihren Selbsterkenntnissen. Das berührt mich jedes Mal. (Interview Nummer 6) Von den Ängsten, von den Menschen, von sich selbst, von Situationen. Letztens hatte mein Sohn eine Prüfung oder eine Arbeit war das, wo er irgendwie ein wenig unruhig war. Und dann hat sie zu ihm gesagt: Du musst ja nicht. Ich habe auch Angst. Ich kenne das. Sie hat ihm dann so ganz klar gesagt, wie er sich verhalten soll, wenn dann so Ängste kommen, was man fühlt, was man spürt, was man damit umgehen kann. Da waren wir alle so: Wow. Ja. (Interview Nummer 6)
Die kognitive intellektuelle Stimulierung wird als herausfordernd bezeichnet. Ausreichend Wissen heranzuschaffen. Also ausreichend (…) Reize zu bringen. Dass er also immer wieder interessiert ist und an der Sache bleibt. (Interview Nummer 5)
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Eine umfangreiche Darstellung der Ausübung unterschiedlicher Funktionen der Familie bleibt im Rahmen der vorliegenden Arbeit aus. Es fehlen Vergleichsdaten, um herauszustellen, inwiefern die Funktion in anderen Familien vollumfänglich ermöglicht werden kann. Aus diesem Grund wird auf die Vertiefung dieser Thematik abgesehen.
2.6
Stressursachen
Unter Belastung versteht man im Allgemeinen die Anpassung des Individuums an neue Gegebenheiten in seiner Umwelt (Kap. 3). Eine Mutter beschreibt ihren Stressauslöser im Hinblick auf die dargestellte Definition sehr passend: Die größte Herausforderung ist wirklich mal den Bedürfnissen von allen zu Hause gerecht zu werden. (Interview Nummer 6)
Die befragten Eltern artikulieren unterschiedliche Stressauslöser. Im Folgenden werden diese kurz zusammengefasst und mit Zitaten der befragten Eltern belegt.
2.6.1 Intensität der Reaktion des Kindes Wie dem Zitat zu entnehmen ist, bezieht sich ein beschriebener Stressauslöser auf die Intensität der Reaktion des Kindes (‚immer bisschen mehr‘). Also so penetrant in seinem nervigen Verhalten. (Interview Nummer 8) Ich denke dann immer wieder, wenn ich versuche das zu beschreiben, es ist so schwer das von dem Normalen abzugrenzen. Und trotzdem ist es so entsetzlich nervig, dass man sich bei so vielen Dingen beim Elterntraining gedacht hat: Ja, genau das ist es. Aber es ist so schwer in Worte zu fassen. Es ist einfach penetrant. Es ist kräftezehrend. Es ist immer ein bisschen länger, ein bisschen unangemessener, ein bisschen unverständiger, ein bisschen. Alles immer ein bisschen mehr, als wie man erwartet oder als wie bei der Schwester. (Interview Nummer 8)
Die allgemeine Lautstärke, die bereits im oberen Kapitel 6.1 als wiederkehrende Gegebenheit im Alltag dargestellt wurde, wird als stressauslösende Realität beschrieben. Hierbei kann nicht darauf eingegangen werden, warum das betroffene Kind auf diese Verhaltensweise zurückgreift, lediglich die Bewertung der Eltern dieser Verhaltensausprägung ist von Bedeutung, da sie als stressauslösendes Element beschrieben wird.
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Und diese Dauerbeschallung, die ich habe, die ist auch sehr anstrengend. Also der ist permanent nur am Reden oder am Singen. (Interview Nummer 4) Also wenn sie aggressiv wird und laut, ist die Lautstärke alleine. Das ist sehr laut. (Interview Nummer 6) Dieses Laute. Er ist laut. Es ist viel laut im Alltag. Das nervt. Wenn man versucht das zu unterbrechen, dann stellt er wieder etwas an, wo man dann doch wieder laut werden muss. (Interview Nummer 8)
Aber auch die spezifische Ausprägung der Reaktionen des Kindes in alltäglichen Situationen wird als belastend beschrieben. Beispielsweise keine Rückmeldung vom Kind zu erhalten oder Unwohlsein des Kindes auszuhalten führt zu Stress. Und wenn ich aber was sage, dann sind die Schotten schon dicht. Das interessiert ihn überhaupt nicht. Das finde ich auch anstrengend. (Interview Nummer 4) Und das andere, wenn man sieht, dass sie wirklich leidet. Wenn ich sehe, dass sie richtig Angst hat und blass wird und zittert und dass sie dann mal raus will. Dann ist der Stress auch da. (Interview Nummer 6) Der ist manchmal sehr traurig, das ist auch etwas, was mich stresst. (Interview Nummer 7)
Zusammenfassend ist sowohl die Lautstärke, als auch die Intensität der Verhaltensweisen der betroffenen Kinder stressauslösend. Gründe für die Verhaltensweisen der betroffenen Kinder können an dieser Stelle nicht aufgeführt werden.
2.6.2 Intensiver Betreuungsumfang des Kindes Als weitere stressauslösende Bedingung, wird die dauerhafte Begleitung des Kindes beschrieben, welche miteinschließt, dass häufig nur ein begrenztes Selbstbeschäftigungsrepertoire zur Verfügung steht. Die größte Herausforderung, der größte Energie- und Kraftfresser für mich, dass er einfach viel zieht, zieht und zieht. Im Sinne von, dass er im Grunde genommen eigentlich selten man sich, also mich mal lässt. Und einfach sich mal alleine mit etwas beschäftigt. (Interview Nummer 4) Aber selbst wenn er sich mit etwas beschäftigt, dann will er, dass ich dann gucke, das registriere, das wahrnehme und immer so dabei bin. Das ist immer so. Das ist so, als wäre er noch nicht abgenabelt. So ein bisschen. Und das ist schon sehr anstrengend.(Interview Nummer 4)
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2.6.3 Reaktion der Gesellschaft Die Erfahrungen mit der Gesellschaft werden wiederholt negativ kommentiert und belastend empfunden. Die Reaktionen der Umwelt sind interessanterweise ambivalent. Aufgrund des von der Norm abweichenden Verhaltens des Kindes, reagiert die Gesellschaft stark auf die betroffenen Kinder, meist mit abschätzenden Blicken, teilweise mit verletzenden Kommentaren. Häufig werden die Eltern von unbekannten Außenstehenden befragt, ob das Verhalten ihrer Kinder normal sei. Also ich habe schon festgestellt, dass wenn Sie ein Kind haben, das nicht neurotypisch ist und was sich nicht normal entwickelt wie alle anderen. Und normal meine ich dann so: Nicht zu ruhig und nicht zu wild. Also schön mit der Masse. Ist das nicht so leicht. Dann haben die Leute auch einfach keine Lust drauf. Das ist denen dann einfach anstrengend und zwar egal in welche Richtung. Am Besten ist eins, dass so ganz normiert ist. Das tut mir dann für mein Kind leid. (Interview Nummer 4) Also das ist so als Eltern merkt man das immer erst ganz spät, weil. Ja so ein Kind kommt auf die Welt und ist perfekt für Mamas. Dieses Kleine, es ist wirklich immer perfekt. Und bis man dann merkt, so die Umwelt spiegelt einem dann irgendwann: Du, mit deinem Kind ist irgendwas. Das ist aber bisschen anders als die anderen Kinder. Schon gar wenn es das Älteste ist, dann hat man diesen Vergleich mit den anderen, mit den Geschwisterkindern auch nicht so. Und dann nimmt man das so hin. (Interview Nummer 7) Da kommt dann, ja meistens so nach fünf oder zehn Minuten, kommen dann diese Blicke von der Seite. Oder dann von den Kindern die Frage: Warum ist sie so komisch? (Interview Nummer 3)
Die nach außen hin kaum sichtbare symptomatische Ausprägung des Asperger-Autismus, führt zu Unverständnis seitens des sozialen Umfeldes. Das Umfeld scheint das Verhalten teilweise nicht als Norm abweichend zu begreifen und versucht die Eltern davon zu überzeugen, dass sich das Kind doch konform verhalte. Hierbei scheint der Stressauslöser vielmehr in der intensiven Überzeugungsarbeit der Gesellschaft zu liegen, dass das Kind eine Diagnose hat und aus diesem Grund ‚anders ist und sein darf‘. Das Autismus-Thema ist jetzt eigentlich auch nicht so Thema bei Freunden oder so. Also die fragen zwar immer, die merken zwar auch, dass der Nico ein bisschen anders ist, als die anderen Kinder. Aber ich glaube die haben das mit dem Autismus noch nicht so ganz. Da kommen eher so die Fragen, was das ist ‚Autismus‘. Das ist doch ganz normal. Oder meine Eltern auch, Autismus, Asperger. Das ist doch ein ganz normales Kind. Das macht doch jeder so. Aber so in den Feinheiten macht es halt eben nicht jeder so. Und halt auch so, dass es in der Schule aufgefallen ist. (Interview Nummer 1)
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Die befragten Eltern wünschen sich mehr Verständnis von Freunden, u.a. dafür dass gewisse Routinen und Abläufe streng eingehalten werden müssen, damit der nächste Tag nicht kräftezerrender wird. Wie bereits dargestellt, reagieren viele Kinder, insbesondere Mädchen, nur im häuslichen Kontext negativ auf Veränderung. Das führt zu Unverständnis seitens der Umwelt. Oder dann auch gegenüber anderen das Vertreten. Wenn also, sie braucht zum Beispiel abends ja diese Routine. Und sie braucht auch ihren Schlaf. Wir haben festgestellt, wenn sie nicht Viertel nach sieben im Bett ist, dann klappt es am nächsten Morgen nicht. Und wenn es fünfundzwanzig nach sieben ist. Dann ist es einfach irgendwie, ich weiß nicht, woher woran das liegt, aber irgendwie funktioniert es dann nicht mehr. Und das zieht sich dann über Tage hinweg. Und das den anderen zu vermitteln, wenn man jetzt zum Beispiel bei den Eltern von meinem Lebensgefährten abends zum Essen sind, dann zu vermitteln, dass eben nicht so ist, dass ja Wochenende ist und sie darf doch mal länger aufbleiben. Das ist doch kein Problem. Ja, für mich wäre das auch kein Problem, wenn sie jetzt kein Problem damit hätte, wäre mir das völlig egal. Dann könnte sie auch zwei, drei Stunden länger mal aufbleiben. Aber ich weiß eben, dass sie damit nicht klarkommt. Und das anderen zu vermitteln, die ja die Konsequenzen daraus nicht sehen. Das finde ich unheimlich schwer. (Interview Nummer 3)
Dies illustriert, wie stark die betroffenen Eltern gefordert sind, mit den wenig verständnisvollen und teils negativen Reaktionen umzugehen. Sie möchten außenstehenden Menschen nicht immer die Ursache für ein bestimmtes Verhalten des Kindes erklären, da sie dafür fachkundiges Wissen über die Diagnose AS als notwendig erachten. Zuweilen ist der Umgang mit der Reaktion der Umwelt auch deswegen beschwerlich, weil das betroffene Kind sensibel darauf reagiert. So wenn das von außen kommt und er sich nicht akzeptiert fühlt. Das fängt er so langsam an zu begreifen. (Interview Nummer 4)
Als belastend werden ebenfalls Unverständnis und keine Unterstützung vom sozialen Umfeld empfunden, wenn sich die Familie mit dem betroffenen Kind nicht den gesellschaftlichen Konventionen und Normen entsprechend verhält. Also das hat schon, da sind schon die Bekannten gekommen und sagten: Das kannst du doch nicht machen. Weißte, jetzt kommst du hier mit deinem eigenen Essen an. So also. (Interview Nummer 7)
Doch nicht nur die betroffenen Eltern reagieren hilflos. Auch von Außenstehenden kann eine gewisse Hilflosigkeit ausgedrückt und wahrgenommen werden. Oder als das Telefon ging: Du musst deinen Sohn abholen. Der dreht hier völlig durch, auf einem Kindergeburtstag. Und dann komm ich an und dann werde
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ich gefragt, das ist auch so die Hilflosigkeit auf der anderen Seite. (Interview Nummer 7)
Zusammenfassend wird die Reaktion der Umwelt und der Gesellschaft als stressauslösende Bedingung benannt. Insbesondere wenn kein Verständnis entgegengebracht wird und die Familie nicht im gewünschten Maße Unterstützung erfährt. Wenn jemand gegen einen kämpft, und die Kita hat gegen mich gekämpft, das ist unglaublich kräftezehrend. Und wenn jemand mit einem kämpft, das macht die Sache so viel einfacher. (Interview Nummer 3)
2.6.4 Fehlende Aufklärung Die befragten Eltern warten, nach Erhalt der Asperger-Diagnose, lange Zeit auf adäquate therapeutische/pädagogische Betreuung. Diese lange Wartezeit wird als belastend wahrgenommen. Es fehlt an Wissen über die AspergerSymptomatik. Gleichzeitig ist auch die Informationsbeschaffung herausfordernd. Also mehr Informationen. Genau. Diese zwei Jahre, bevor wir hier reingekommen sind, also diese zwei Jahre waren echt hart. (Interview Nummer 6)
2.6.5 Bürokratische Hürden Grundsätzlich werden die Verwaltungshürden als stressauslösendes Element benannt. Sie werden als kräftezehrender und zeitaufwendiger Akt beschrieben. Den betroffenen Familien wird nicht der Eindruck vermittelt, dass man gemeinsam für das Kind Ressourcen optimieren möchte. Es handelt sich vielmehr um einen konfrontativen und gegnerischen Prozess. Und ich habe das Gefühl man muss so an allen Fronten kämpfen. Das ist keiner da, der da jetzt sagt: Komm, ich bring dir jetzt mal die Informationen. (Interview Nummer 5)
2.6.6 Späte Diagnostik Der lange ‚Leidensweg‘ wird sowohl belastend als auch emotional verbindend mit den anderen Familien mit Kindern mit AS erlebt. Der Prozess, bis zum Erhalt der aufklärenden Diagnose, zieht sich in die Länge. Im Anschluss folgt die Wartezeit auf einen Therapieplatz und die Bewilligung einer Integrationshilfe. Die Erreichung dieser drei Schritte wird von den befragten Eltern retrospektiv als stressauslösend beschrieben. 83
Wir könnten schon sehr viel weiter sein. Und das ist das, was ich als extreme Belastung empfinde. Dieser Leidensweg. Man steht dann da ganz alleine und weiß auch nicht, was man tun soll. (Interview Nummer 5)
2.6.7 Konfliktsituation zwischen Partner und Kind Unabhängig von der Reaktion der Gesellschaft und autismus-spezifischen Verhaltensweisen des Kindes wird auch die Konfliktsituationen zwischen dem Partner und dem betroffenen Kind als herausfordernd empfunden. Mein Stress entsteht dann, wenn das mit meinem Mann und dem Sohn nicht funktioniert. (Interview Nummer 7)
Insgesamt haben die befragten Eltern nur selten Aussagen über Konfliktsituation mit ihrem Partner berichtet. Da die Belastungssituationen im Alltags ein bereits sehr großes Themenspektrum war und für die vorliegende Studie von besonderer Bedeutung, wurde selten explizit nach paarbezogenen stressauslösenden Bedingungen gefragt.
2.6.8 Behinderungsakzeptanz Die Gespräche mit den Elternteilen waren gekennzeichnet durch eine überwältigende Akzeptanz und Verbundenheit der Eltern mit dem betroffenen Kind. Gleichwohl wurde der Aspekt der Verarbeitung der Beeinträchtigung nicht im Rahmen dieser Arbeit beleuchtet. Die besondere Beziehung zwischen Vater und Sohn wurde dennoch von einer Mutter hervorgehoben. Die Akzeptanz der Beeinträchtigung des Sohnes mit Asperger-Autismus stellt diesen Vater vor besondere Herausforderungen. Also mein Mann, der hat schon manchmal Stresspegel 100. Gar nicht von irgendeiner Arbeitsbelastung her, weil die fange ich größtenteils ab. So mit dieser Fahrerei und so. Sondern es ist eher: Es ist der älteste Sohn. Und er verhält sich nicht so, wie er das manchmal gerne hätte. Der ist halt relativ ängstlich. Der ist nicht so wild, wie Jungs normalerweise sind. Der mag nicht rüppeln, der mag kein Fußball. Also nicht, dass mein Mann jetzt Fußball gespielt hätte oder besonders sportlich gewesen wäre oder so. Aber irgendwie so, Männer haben doch an ihre Söhne so, gerade an den Ältesten, glaube ich einen ganz speziellen Anspruch. Und dann merkt man schon, dass er damit zu kämpfen hat, dass es eben nicht so ist. Das einfach nicht, dass der Max das nicht liefert. Und das macht den Max zu schaffen, weil er merkt das natürlich, dass der da irgendwie nicht genügt. Und mein Mann macht das irgendwie zu schaffen, dass er da ja, da so Rücksicht nehmen muss. (Interview Nummer 7)
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Es wäre durchaus interessant, inwiefern sich die Behinderungsverarbeitung geschlechterspezifisch unterscheidet, wurde bei der Befragung der Eltern allerdings nicht berücksichtigt.
2.7
Stressauslösende Effekte
Stress kann sowohl positive, als auch negative Effekte auslösen. Zunächst werden die aussagekräftigsten Effekte der befragten Familien in kurzen Abschnitten dargestellt, um anschließend die Bewältigungsstrategien detailliert zu durchleuchten. Negative Effekte Wie im Kapitel 3 beschrieben, gibt es negative Effekte auf stressauslösende Gegebenheiten. Die befragten Eltern äußern ihre Gereiztheit durch ein Lauterwerden ihrer Stimme. Dabei handelt es sich an dieser Stelle um keine Wertung, sondern um die Tatsache, wie die befragten Eltern auf subjektiv empfundenen Stress teilweise reagieren. Dass ich manchmal dann auch wirklich so gereizt bin, dass ich dann ich dann irgendwie schreie: Hör endlich auf zu singen! (Interview Nummer 4) Das funktioniert auch nicht. Also wir sind auch ganz oft einfach überreizt und mit den Nerven echt hart an der Grenze. Also wir schreien auch schon mal rum. (Interview Nummer 4) Ja, gerade wenn jetzt so Konflikte sind, ist es eine enorme psychische Belastung. Das Kind hat Stress, dem geht es nicht gut. Der will nicht. Der kann nicht. Der hat gerade in dem Moment ein Scheißleben. Und das will man als Eltern nicht. (Interview Nummer 5)
Positive Effekte Die benannten positiven Effekte auf herausfordernde Gegebenheiten zu Hause beinhalten vorzugsweise Sport und die Akzeptanz der Behinderung. Ich war früher Leistungssportlerin, mein Mann übrigens auch. Von daher haben wir schon gelernt irgendwie so auf die Signale unseres Körpers zu hören und können so aus dem Sport und Sauna und so viel für uns rausziehen und das machen wir dann auch regelmäßig. Und ich sage dann: Ich gehe jetzt. Tschüss. Und dann gehe ich irgendwie zwei, drei Stunden in die Sauna und entspanne mich und genieße die Ruhe. Und dann ist es das. Mein Mann ist dann so er der,
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der das beim Sport macht. Oder ich gehe dann auch mit Freundinnen raus. (Interview Nummer 4) Ich hab halt da auch gemerkt, die kann mein Kind nicht ändern, aber die kann mir was sagen, wie ich damit besser umgehe. Und das hat mir schon geholfen. (Interview Nummer 5) Aber wenn er so in seiner Welt lebt und die so bisschen absonderlich ist, dann finde ich das nicht so schlimm. Da kann ich gut mit umgehen. (Interview Nummer 7)
2.8
Bewältigungsstrategien/Coping
Die Bewältigungsstrategien, d.h. die Summe aller Anstrengungen in einer Situation, in der die Anpassungskapazität überfordert ist (siehe Kapitel 3.2), können sowohl die Wahrnehmung des Stressors beinhalten als auch die Beseitigung oder Adaption. Nachfolgend werden die spezifischen Strategien beschrieben, die von den Eltern zur Lösung der angefallenen Stresserlebnisse und Problemstellungen zur Verfügung stehen. Bezüglich der Wahrnehmung des Stressors berichtet eine befragte Mutter, dass die Akzeptanz und das Wissen um die Asperger spezifischen Symptome dazu beitragen, die stressauslösenden Bindungen besser zu bewältigen. Das ist ihre spezifische Ausprägung und da kann sie nichts für. Das hilft auch unheimlich. Da kann man nämlich mit manchen Sachen viel besser – also ich kann damit wirklich viel besser umgehen, wenn ich weiß ok, sie kommt damit einfach nicht klar. (Interview Nummer 3)
Im Zuge der wahrgenommenen Besonderheit seines Kindes, betonen die befragten Eltern die Organisation zeitnaher Beratung als weitere Coping-Strategie. Inhaltlich umfasst die Beratung den Umgang mit dem Kind mit AS sowie die eigene Auseinandersetzung mit Grenzen und Möglichkeiten, die nicht spezifisch auf die Symptomatik bezogen ist. Mir da auch Rat zu holen und auch mal einen anderen Blickwinkel zu bekommen. (Interview Nummer 5) Also ich gehe selber zur Therapie. Das hilft mir auch. Ein bisschen lernen, wo die Grenzen sind und was man besser machen kann und was nicht. (Interview Nummer 6)
Eine weitere relevante Bewältigungsstrategie impliziert zunächst die Wahrnehmung der Situation und wird durch das Beenden, Pausieren oder Runterregulieren gelöst. Hierbei werden nicht selten die Verhaltensweisen des Kindes durch eine räumliche Trennung unterbrochen. 86
Und dahingehend sind wir dann jetzt soweit, dass wir gesagt haben, wir machen dann einen Cut. Und am besten schon, wenn das schon brodelt. Dann schicke ich ihn schon in sein Zimmer. Dass er schon was liest oder einen Moment mit seinem Tablet spielt, dass er wieder runterkommt. Und das funktioniert auch im Moment ganz gut. Also er hat jetzt schon lange nicht mehr geknallt. (Interview Nummer 1)
Das verständliche Ziel der Eltern ist es, in diesem Moment die Situation zu deeskalieren. Verhaltenstherapeutisch könnte diese Strategie auch Schwierigkeiten verursachen, sofern die Funktion des problematischen Verhaltens des Kindes ist, eine Situation zu beenden oder aus einer Situation zu flüchten. Wenn die auslösenden Bedingungen beendet werden, die ursprünglich zu Verhaltensproblemen führten, wird somit das problematische Verhalten verstärkt. In diesem Zusammenhang wäre es von großer Wichtigkeit, dem betroffenen Kind angemessen Verhaltensweisen beizubringen, wie man diese Situation adäquat beenden könnte. Eine weitere Strategie der Eltern ist es, die bereits identifizierten stressausauslösenden Bedingungen im Alltag zu vermeiden. Momentan auf bestimmte Plätze gehen wir einfach nicht, weil wir wissen, dass es einfach zum Stress bringt. (Interview Nummer 2)
Die enge Begleitung von Schule, Lehrer und anderen pädagogischen Bezugspersonen des Kindes wird als Coping-Strategie benannt. Diese Erkenntnis scheint eher aus negativen Erfahrungen zu resultieren. Im Sinne der Eltern werden die Bezugspersonen eng begleitet und unterstützt, um eskaladierende Problemsituationen zu vermeiden. Als präventive Maßnahme wäre dies den Eltern zufolge empfehlenswert. Häufig handelte es sich aber, um eine aus vermehrten negativen Gesprächen in Kindergarten und Schule, resultierende Konsequenz. Und dann sehr, sehr eng mit der Schule zusammengearbeitet. Permanent präsent gewesen. (Interview Nummer 5)
Im Sinne der Adaption wird die beschriebene Belastungskomponente der ‚Vorhersehbarkeit im Alltag schaffen‘, als Bewältigungsstrategie benannt. Man muss aufpassen, dass sich nicht sehr viele Ereignisse in wenigen Tagen anhäufen. Also manchmal ist es schwierig. Aber wenn es eine schwierige Woche ist, dann sage ich auch ab, weil man weiß, das ist noch eine Belastung. Dann funktioniert das nicht. Da muss man abwägen, was man besser ertragen kann. Ob man sagt: Okay, dann verzichte ich jetzt auf einen Kaffee mit einer Freundin oder kann ich dann eher ein absolut verzweifeltes Kind am Morgen ertragen, das sagt, ich will nicht zur Schule gehen und so. Da muss man immer abwägen. (Interview Nummer 6)
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Wir wissen aber jetzt Bescheid, wie er tickt und wie er funktioniert. Das heißt, wenn wir ein neues Urlaubsziel wählen, das er nicht kennt. Dann gucken wir auf Google-Earth zum Beispiel vorher nach, wie sehen die Straßen aus, wie sieht es da aus. Dann gucken wir uns die Fotos von der Wohnung nochmal an. Dann gucken wir, welche Restaurants sind da. Dann bereiten wir ihn vor, dass das Leitungswasser anders schmeckt, dass das Essen dort anders schmeckt. Dass es dort warm ist. Dann reden wir einfach schon Wochen vorher mit ihm und seitdem funktioniert es ganz gut. (Interview Nummer 7)
Positive Ereignisse als Familie erleben, wurde ebenfalls als Strategie erwähnt. Manchmal auch versuchen mit der Familie was Schönes zu erleben. (Interview Nummer 8)
2.8.1 Soziale Unterstützung Interessanterweise wird die Freizeitgestaltung mit Freunden, die keine eigenen Kinder haben, ebenfalls als Bewältigungsstrategie benannt. Hier scheint das bewusste Ausklammern dieses Kinderthemas und nicht über Kinder zu sprechen, zu helfen. Die Bekanntschaft mit Freunden und die gemeinsame Zeit gleicht einer Ressource. Ich habe auch zum Glück Freunde, die keine Kinder haben, weil ich festgestellt habe, dass wenn man mit anderen Muttis unterwegs ist, man immer nur über die Kinder redet. Und das ist mir das total gut tut, mal mit Menschen unterwegs zu sein, die mit der Thematik überhaupt nichts zutun haben. Weil sonst schleppt man das ja auch immer mit. Dann denkst du, du gehst raus und dann kommt das auch wieder auf das Tablett. Das tut mir ganz gut und das mache ich teilweise auch ganz bewusst. Mit Bekannten wegzugehen, die wirklich keine Kinder haben und mit denen unterhalte ich mich auch nicht über meine Kinder, weil manchmal irgendwann ist dann auch genug. Das klingt jetzt ganz böse. (Interview Nummer 4) Aber deswegen brauche ich auch manchmal ab und zu eine Zeit, wo die nicht da sind. (Interview Nummer 4)
Insgesamt unterstreichen die befragten Eltern die These aus der Fachliteratur, dass soziale Unterstützung als Coping-Strategie wahrgenommen wird. Soziale Unterstützung bezeichnet die tatsächliche (erhaltene Unterstützung) oder die erwartete (wahrgenommene Unterstützung) Hilfsinteraktion zwischen einem Unterstützungsgeber und einen Unterstützungsempfänger. Ziel ist es, einen Problemzustand, der beim Unterstützungsempfänger Leiden erzeugt, zu verändern oder erträglicher zu machen, falls eine Veränderung nicht möglich sein sollte. Alleine die Wahrnehmung, dass es Familien gibt, die sich täglich mit ähnlichen Problemen auseinandersetzen müssen, wirkt unterstützend. 88
Das hat auch mal gut getan, weil es einfach mal so was gerade gerückt hat. Und nicht immer mit so einem Blick drauf geguckt wird, auf dich, nach dem Motto: Du kriegst das irgendwie nicht hin. Du hast das nicht im Griff. Das ist irgendwie nicht normal. (Interview Nummer 4)
Soziale Unterstützung wurde in Form von Gesprächen, Zeit für Austausch über bestimmte Themen oder zur Lösungssuche verwendet. Oder wenn ich mit irgendwelchen Situationen nicht so richtig klar komme, telefoniere ich auch schon mal mit Freundinnen, die ähnliche Situationen haben. Dass wir zusammen versuchen da eine Lösung zu finden. Oder die vielleicht anderes vorschlagen. (Interview Nummer 3) Die hört einfach zu. Und versucht, Rat zu geben oder eben auch nur zuzuhören. Das hilft schon, wenn man einfach mal eine andere Meinung bekommt oder auch mal gesagt bekommt: Das ist alles gar nicht so schlimm, nimm das nicht so ernst. Es ist eben so. So eben auch dieses, bisschen anderen Blickwinkel. (Interview Nummer 5)
Die soziale Unterstützung wird aber auch nicht immer als Hilfe wahrgenommen, da es Gesprächspartner gibt, die wenig Verständnis zeigen. Teilweise hatten die Eltern den Eindruck, dass die Gesprächspartner keine Vorstellung davon haben, wie der Alltag mit einem Kind mit Asperger-Diagnose ist. Also ich habe auch letztens gesagt, es ist manchmal schwierig mit jemandem darüber zu sprechen, weil weniger Leute sich das vorstellen können. Also irgendwie, es klingt alles, also wenn man das erklärt, dann kommt das einem vor, ok, dann sagt jeder so: Na klar, das passiert jedem Kind. Okay, ja, das passiert jedem Kind, aber der Ausmaß ist ein ganz anderer. Das ist das schwierigste, mit nicht betroffenen Menschen darüber zu reden. Das ist schwierig. (Interview Nummer 6)
2.8.2 Dyadisches Coping Wenn nur ein Partner von Stress betroffen ist, handelt es sich um indirekten dyadischrelevanten Stress, der allerdings zu supportiven positiven Coping führt. Die befragten Mütter scheinen stärker belastet zu sein, da sie in allen Fällen die Hauptpflegepersonen sind. Die Partner wirken vielmehr unterstützend und in dem Sinne entlastend, als dass sie den Müttern zu bestimmten Zeiten einen Teil der Betreuungsaufgaben abnehmen. Mein Partner auf jeden Fall. Und gerade wenn bei mir manchmal die Nerven blank liegen, wenn ich nicht gut drauf war und so. Und ich auch psychisch einfach nicht so fit war. Und wenn man Schmerzen hat, dann geht viel auch nicht. Dann habe ich angerufen und gesagt, Nina muss Hausaufgaben machen. Sie will nicht. Ich sitze hier auf dem Sofa und ich bin nur am heulen. Und dann
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hat er gesagt, okay, ich mach früher Schluss, ich komme nach Hause. (Interview Nummer 3) Also er achtet sehr drauf, dass ich auch mal was tue für mich. Auch wenn ich das eigentlich wieder sein lassen wollte, dann schickt er mich manchmal auch einfach weg oder sagt, du machst das jetzt. Er ist auch die treibende Kraft dahinter, dass wir versuchen einmal die Woche kinderfrei zu haben. Wir sind da schon zu zweit. Wir haben natürlich zu zweit diskutiert. Aber dadurch, dass wir uns kennengelernt haben und das Kind schon da war, haben wir gesagt, wir brauchen das einfach. (Interview Nummer 3)
Analog wurde es als hilfreich beschrieben, wenn beide Partner problematische Erfahrungen mit dem Kind erlebten. Sofern nur eine Person von indirekt dyadenrelevanten Stress betroffen war, erlebte diese negatives dyadisches Coping. Der befragten Mutter fehlte es an gemeinsamen negativen Erfahrungen und bewertete ihre Elternkompetenz als negativ und weniger kompetent. Aber inzwischen. Ich habe auch drei, vier Situationen gemerkt, das hat mich aber auch gestärkt, wenn man sich dann nicht alleine als der Depp fühlt. Es ist auch nicht so, dass er bei meinem Mann schlimmer reagiert oder so. Aber es hat mich schon gefreut oder erleichtert zu sehen, okay, jetzt hat mein Mann auch mal die gleichen Probleme. Dass ich wirklich auch bei ihm versucht habe da mal den Druck rauszunehmen und gesagt habe: Jetzt komm. Ist doch jetzt nicht so schlimm oder so. (Interview Nummer 8)
Unter dyadischen Coping wird der Prozess der Stressäußerung und des Eingehens auf die Stresssignale des anderen verstanden, wodurch einerseits der Stress gemeinsam reduziert werden kann und andererseits Wir-Gefühl, Intimität und Verbundenheit der Partner gestärkt werden. Dies scheint bei Familien mit Asperger-Autisten besonders wichtig zu sein, wie dem folgenden Zitat einer Mutter entnommen werden kann: Wenn wir da nicht im Gleichschritt laufen würden, hätten wir viele Sachen nicht geschafft. Also das ist schon eine Gemeinschaftsarbeit. Zumindest so, dass wenn ich dann abends wieder tausend Mails geschrieben habe und 800 Gespräch mit irgendwelchen Lehrern und Erziehern und tralala gemacht habe, dass wir dann abends die Stunde finden, wo ich dann mal mich auskotzen kann und sagen kann: Oh, jetzt hat der das wieder gesagt und die will das nicht und so. Da ist es schon wichtig, dass er da auch mit mir einer Meinung ist, in welche Richtung man läuft. Also gerade so der Schulwechsel oder so. Es gab so ein paar entscheidende Wendepunkte, wo man gesagt hat: Machen wir das jetzt wirklich. Oder machen wir das nicht? Schulbegleitung zum Beispiel, war auch so ein Punkt. Macht man das oder macht man das nicht. Da war wichtig, dass wir einen Nenner gefunden haben. (Interview Nummer 7)
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Ressourcen
Im Kapitel 4.4 wurden die Chancen und Ressourcen von und für Familien mit Kindern mit AS aus dem aktuellen Forschungsstand extrahiert. Im nächsten Abschnitt werden die benannten Ressourcen der Eltern zusammengefasst und mit den theoretischen Erkenntnissen verglichen. In erster Linie wurde die pädagogisch-therapeutische Unterstützung und Erfahrung mit Beratung durch Kinder- und Jugendpsychotherapeuten genannt. Diese Aussagen belegen die theoretischen Basisannahmen vollumfänglich. Im Kapitel 4.4 wurde umfassend dargestellt, dass die frühzeitige professionelle Unterstützung die Elternkompetenzen und die soziale Kommunikationsentwicklung des Kindes positiv beeinflusst. Ja, also ich finde, sich da Hilfe von außen zu holen, ist schon sehr ratsam. Also ich war bis zum Nico eigentlich noch nie bei irgendeinem Psychologen oder sonst irgendwie. Aber seitdem finde es doch sehr hilfreich. Einfach mal mit Fachleuten darüber zu sprechen und sich da einfach Hilfe zu holen. (Interview Nummer 1)
In vielen Fällen wird ausdrücklich therapeutische Zusammenarbeit benannt, bei der das angestellte Fachpersonal deutlich über das normale Arbeitspensum hinaus geholfen hat. Personen, die sich engagieren und die Familie unterstützen, obwohl es nicht zum hauptsächlichen Aufgabenbereich gehört, werden als sehr wertvoll benannt und bleiben dankbar in Erinnerung. Aber da war eine unheimlich tolle Logopädin, die auch die Sauberkeitserziehung dann mit Nina gemacht hat, weil es eben anders nicht. Also kein anderer gemacht hat. Dann hat die das eben gemacht. (Interview Nummer 3) Und dann kann ich gar nicht sagen, welche Unterstützung am meisten wiegt. Also im Moment ist es wirklich eine tolle Kombi an allen Institutionen. Die halten sich auch sehr die Hand. Auch mit der neuen Schule sind wir sehr zufrieden. Und das ist im Moment haben wir so ein gechilltes Leben. (Interview Nummer 7)
Als weitere Ressource wurde im Kapitel 4.4 die autismus-spezifische Beratung unterstrichen. Die befragten Eltern nehmen die Angebote des Autismus-Therapie-Zentrums als Unterstützung wahr. Nicht zwingend in Hinblick auf die Therapie mit dem Kind sondern auch vorzugsweise die Beratungsmöglichkeit mit den Therapeuten für die Eltern. Ja, zum ATZ, weil ja. Ja, dann kriege ich hier viele Antworten. (Interview Nummer 2) Wir sind im ATZ sehr aufgehoben und werden hier ganz toll betreut. (Interview Nummer 7)
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Schulungen, im Rahmen von Verhaltenstraining, wurden im Kapitel 4.4 als Coping-Strategie benannt, wodurch Verhaltensprobleme erfolgreich reduziert werden und dies positive Auswirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehung hat. Das Elterntraining des Autismus-Therapie-Zentrums wurde mehrmalig von den befragten Eltern namentlich als Ressource aufgeführt. Die Vorzüge des benannten Trainings liegen in der zeitlichen Begrenztheit des Angebots und in der hauptsächlichen Schulung der Eltern. Die punktuelle Beratung wurde kontinuierlich positiv hervorgehoben. Ich bin ja jetzt in dieser Frankfurter Eltern Training-Gruppe. Und dieser große Vorteil davon war, dass ich das unbedingt machen wollte war, dass es einfach begrenzt ist auf acht Mal. (Interview Nummer 3) Und ich muss sagen, dass mir die Elternschule hier im Haus sehr, sehr hilft. (Interview Nummer 5)
Das sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) wurde als ‚Back-Up Ressource‘ beschrieben. Bei Unsicherheit bezogen auf Erziehungsentscheidungen, ist es zuträglich, temporäre Absprachen mit Fachpersonal, die das eigene Kind bereits kennen, abzusprechen. Also, was sehr viel geholfen hat, ist das SPZ, wenn wir da Termine haben. Wo ich dann auch zwischendurch, wenn es mal wichtig ist, auch mal telefonieren kann, oder mal per Email was, ´ne Bitte schreibe. Dass das gut ist, wie ich das so mache. (Interview Nummer 3)
Die Zusammenarbeit mit Fachpersonal ist unter bestimmten Voraussetzungen besonders unterstützend. Diese Voraussetzungen beinhalten Vertrauen in die vorhandene Elternkompetenz und die Einbeziehung der Eltern in relevante Entscheidungsprozesse. D.h. das Empowerment-Potenzial der Eltern durch die unmittelbare Einbeziehung ihrer Meinung sowie ein mindestzeitraum der pädagogischen/therapeutischen Angebote sind besonders wertvoll. Der Kinderarzt ist gut. Der wird jetzt nicht oft gebraucht. Aber wenn ich jetzt so anrufe und sage: Gut, ich brauche jetzt ein Rezept dafür, dann ist es keine Frage, weil die mir einfach vertrauen und auch der Arzt vom SPZ weiß eigentlich, dass das, was ich mache so alles in Ordnung ist. Und vertraut mir auch. Das hilft schon sehr. (Interview Nummer 3) Auch wenn die Schule jetzt in manchen Dingen, dass die nicht alles bestimmen, sondern dass die auch mit Fragen auch zu mir kommen und sagen. Was meinen Sie? Es geht zum Beispiel um Schreibschrift. Soll sie jetzt Schreibschrift lernen oder nicht. Sie müsste es nicht zwingend. Es gibt Sachen, die dafür sprechen und es gibt Sachen, die dagegen sprechen. Und dass die das dann mit mir diskutieren. (Interview Nummer 3) Und deswegen, wenn jemand mich unterstützt, dann ist das unheimlich hilfreich. Unterstützen kann aber auch manchmal sein, mir klar zu machen, dass
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ich mich auf dem Holzweg befinde. Also so was gibt es natürlich auch. Das ist genauso gut in Ordnung. (Interview Nummer 3)
Gegebenenfalls wurde die Zusammenarbeit mit der Schule als Ressource benannt. Dies scheint stark abhängig von den Lehrkräften und deren Engagement zu sein. Sofern das Lehrpersonal Bereitschaft für eine Zusammenarbeit signalisiert, bestehend aus Gesprächszeiten und Rücksichtnahme auf familiäre Gegebenheiten, wird diese Ressource von den Eltern gerne in Anspruch genommen. Auch von der Schule. Die Schule gibt sich viel, viel Mühe. Also sie ist auf einer Förderschule. Das ist eine ganz enge Zusammenarbeit. Und die versuchen auch zu unterstützen und zu entlasten, wenn irgendwie was ist. Als ich zum Beispiel gesagt habe, ich bin im Krankenhaus. Bitte wenn es geht, keine Hausaufgaben. Dann war das ganz klar. Dass sie, bis ich sage, es geht wieder, keine Hausaufgaben nach Hause bekommen hat. (Interview Nummer 3) Eigentlich wollte ich ja sagen, dass ich sehr von der Schule angetan bin. Die haben sich wirklich gekümmert. Wirklich frühzeitig gesagt haben, als sie was gemerkt haben und uns zum Gespräch eingeladen haben und sich VIEL Zeit genommen haben. Über eine Stunde. Da sind, wenn wir Fragen haben. Sich eigene Gedanken machen. Die haben ihm einen Platz für integratives Reiten besorgt. Das ist echt super. In Köln. Das tut ihm total gut. Ich habe AUCH ein Filmchen gezeigt bekommen, wie glücklich und entspannt er dabei ist. Wie er strahlt, wie er da stolz ist. Wie er sich da in die Gruppe integriert hat. Richtig klasse. (Interview Nummer 8)
Das Jugendamt wird nicht zwingend unterstützend wahrgenommen. Die vielfältigen negativen Assoziationen liegen in der Wahrnehmung des zusätzlichen Terminaufwandes und der umfangreichen bürokratischen Auseinandersetzung. Somit wird die Kooperation mit dem Jugendamt als belastende Erfahrung darstellt. Die eigene Berufstätigkeit, im Sinne von Selbstwirksamkeit, wird von einer befragten Mutter betont. Die Freude am Beruf und die erlangte Selbstständigkeit stehen im Vordergrund. Ach, ja. Ich bin ja ganz wunderbar selbstständig. (Interview Nummer 7) Und das ist wirklich eine große Freude, das zu bearbeiten. Da geht es mir sehr gut. Ich habe also nicht dieses: Ah, ich muss zur Arbeit. Sondern nein. Ich freue mich morgens, wenn ich mich an meinen Rechner setze oder wenn ich Kunden treffe oder so. (Interview Nummer 7)
Die positiv wahrgenommene Unterstützung durch Integrationskräfte im schulischen Alltag, wurde bereits benannt und stellt für die Eltern eine Ressource dar. Um als positive Ressource wahrgenommen zu werden, müssen allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, wie beispielsweise Zuverlässigkeit und vorhandene Berufserfahrung. 93
Unsere Schulbegleitung, da haben wir echt richtig Glück gehabt. Das wir da. Ich habe ja schlimme Geschichten über Schulbegleiter gehört. Aber die ist jetzt seit über einem Jahr treu bei uns und steht jeden Morgen auf der Matte und macht das ganz prima. (Interview Nummer 7)
Eine bisher nicht erwähnte Ressource, sind die sozialen Medien. Im Kontext der Vernetzung und des sozialen Austausches werden diese als unterstützend wahrgenommen. Meine Frau hat auch einige Kontakte in Facebook oder Instagram. (Interview Nummer 2)
In Bezug auf persönliche Charaktereigenschaften und Einstellungen beschreibt die befragte Mutter Ressourcen, die in vielerlei Hinsicht wertvoll sein können: Mit viel Humor und Gleichmut, weil das ist so, wie es ist. Und man muss versuchen das Beste draus zu machen. (Interview Nummer 7)
Finanzielle Ressourcen Finanzielle Ressourcen in Form von zusätzlichen Betreuungsleistungen oder Pflegegeld sowie gutes Einkommen ermöglichen den betroffenen Familien die Finanzierungsmöglichkeit von ergänzendem Betreuungsdienst. Dafür sind die befragten Eltern sehr dankbar. Die Betreuungsressourcen werden bevorzugt für Freizeitgestaltung mit dem Partner eingesetzt. Die dahinterstehende Zielsetzung ist, Ausgleich und Kraft zu schöpfen. Und was unheimlich auch hilft, sie hat eine Pflegestufe und die Verhinderungspflege. Das ist eine unheimliche Entlastung. Das man (…) bei Babysittern nicht so aufs Geld gucken muss. Sondern einfach sagen kann, wir machen das jetzt. Und dann, dass wir versuchen uns regelmäßig Auszeiten zu nehmen. Das wir einmal die Woche oder alle zwei Wochen oder so zu schauen, dass wir einen Abend für uns haben. Dass wir Essen gehen. Dass wir manchmal auch nur ins Fitnessstudio gehen oder mal einen Spaziergang machen oder. Oder jetzt im ATZ den Kurs machen. Dass wir irgendwie bisschen raus kommen. Und dass man dann nicht die ganze Zeit überlegen muss, ja der Babysitter kostet mich jetzt aber so und so viel und wollen wir wirklich noch und eine Kleinigkeit essen dann wissen wir, das dauert zwei Stunden länger und das kostet uns dann zwanzig Euro mehr. Dass es eben nicht auf den eigenen Geldbeutel geht. Das ist eine unheimliche Entlastung. (Interview Nummer 3) Wir haben das große Glück, wir können uns zum Beispiel einfach mal einen Babysitter leisten, dass wir sagen: Komm wir nehmen einen Tag frei. Morgens früh um neun kommt unser Babysitter und dann sind wir bis nachts um 12 im Mediterana und sind mal raus. (Interview Nummer 7)
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Austausch mit Eltern Abschließend wird der Austausch zwischen Eltern mit Kindern mit AS näher betrachtet, da dies als eine essenzielle Ressource erwähnt wurde. Der Austausch von Eltern, besonders im Rahmen des Elterntrainings, wurde an vielen Stellen als unterstützend hervorgehoben. Bei Elterntrainings erhalten die Eltern die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen über Gemeinsamkeiten auszutauschen, über schwierige Situationen zu sprechen und von den Erfahrungen der Anderen zu lernen. Den Austausch jetzt hier mit den Eltern finde ich sehr hilfreich, weil man doch merkt, dass vieles ähnlich ist. Auch dass die Kinder ganz ähnlich ticken teilweise. (Interview Nummer 1) Und dann tut es mir manchmal ganz gut zu sehen, wie es bei der Mutter ist. Sie hat nämlich vier Kinder und auch einen hier im ATZ. Als wir uns mit denen getroffen haben, ging es uns irgendwie gut, weil die sind tausend Mal lauter als meine Kinder. Wilde Jungs. (Interview Nummer 4)
Der Erfahrungsaustausch dient auch der Vernetzung, um bürokratische Sachverhalte besser zu klären. Vernetzung. Das ergibt sich mit der Zeit. Aber das ist ganz wichtig. Gerade wenn es darum geht wieder mal einen Antrag zu schreiben oder so. Dann schicke ich den auch oft an eine Freundin oder so. (Interview Nummer 3) Ich habe jetzt von einer Mutter erfahren, was da ungefähr ist, aber ich habe noch nicht mal die Pflegestufe beantragt. (Interview Nummer 6) Und die Eltern, mit denen wir so dieses Elterntraining gemacht haben, die haben wir auch immer noch beisammen. Und das ist natürlich irgendwie eine schöne Geschichte, weil man kann sich Tipps austauschen. Und man kann sich über Schulen austauschen, über Therapien austauschen. Und das ist schon eine gute Unterstützung. (Interview Nummer 7) Aber ich muss ehrlich sagen, die Eltern da haben teilweise mehr gewusst. Sozialberatung zum Beispiel auch. Ich wusste auch gar nicht, dass wir einen Pflegegrad beantragen können. Ich dachte immer, das wäre was für ältere Menschen, zum Beispiel bei meinem Vater. Ich bin halb umgekippt. Ich habe das überhaupt nicht in Zusammenhang bringen können mit Autismus. Null Ahnung davon. Woher? Man kommt ja gar nicht auf die Idee, in all diese Richtungen zu schauen. Und zwar an der Stelle, wo man die Diagnose bekommt auch etwas zu erhalten, mit Informationen was einem zusteht und was möglich ist. Man weiß ja eigentlich gar nichts. (Interview Nummer 8)
Es scheint für die Eltern als angenehmer empfunden zu werden, diese Informationen von gleichsam betroffenen Eltern zu erhalten anstatt von professionellen Instanzen. Die Gefahr der Rollenambivalenz und das Gefühl der Inkom95
petenz wird nicht so stark provoziert. Die Vernetzung ist somit eine wichtige Beratung auf Augenhöhe. Die emotionale Komponente des Erfahrungsaustausches wird abschließend, als wichtiger Faktor benannt und von den befragten Eltern unterstützend wahrgenommen. Die Geschichte, die uns Eltern, scheinbar allen zu mitläuft ist, dass wir alle so einen Leidensweg hinter uns haben. (Interview Nummer 5) Ja, was mir eigentlich am meisten geholfen hat, war mit anderen Eltern am Tisch zu sitzen und zu sehen: Guck mal, du bist nicht alleine. Die haben alle die gleichen. Also wirklich, da sagt der eine: Ja, das und das und das. Und dann denke ich mir: Ja, genau so war es bei uns auch. Mit Variationen aber. Das hat mich schon weitergebracht. (Interview Nummer 5) Zu wissen: Okay, das hängt nicht daran, dass du nicht fähig bist oder es nicht gerafft hast. Sondern, dass alle sagen: Damit haben wir Probleme und mit dem Antrag haben wir Probleme und das läuft nicht. (Interview Nummer 5) Das war ganz, ganz toll zu erfahren, zum einen gibt es irgendwie andere Leute auf der Welt, die auch komische Kinder haben. (Interview Nummer 7)
2.10 Unterstützungsbedarf Im folgenden Ergebnisabschnitt wird dargestellt, welchen Unterstützungsbedarf sich Familien von Kindern mit AS konkret wünschen. Der vorangegangene Teil verdeutlicht die positiven Erfahrungen mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten, wobei in diesem Zusammenhang auch schon nicht ausreichend realisierte Unterstützungen thematisiert wurden. Beginnend mit der bereits ausreichend bekannten Problematik der langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz wurde zugleich der Wunsch nach der spezifischen verhaltenstherapeutischen Methode ‚Applied Behavior Analysis‘ (ABA) geäußert. Zum Beispiel eine Therapie, ABA. Das hätte ich gerne. (Interview Nummer 2) Also erst mal was mich massiv nervt, das sind diese Wartezeiten. (Interview Nummer 5)
Eine Veränderung des bereits vorhandenen Beratungsbedarfes wurde in unterschiedlicher Weise ausgedrückt. Es gibt Eltern, die sich ein niederschwelliges Angebot wünschen würden, welches zeitlich begrenzt ist und ausschließlich für Eltern von Kindern mit Asperger-Autismus angeboten wird.
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Ja, manchmal wünsche ich mir, dass es Angebote gibt, die jetzt nicht regelmäßig, sondern die einfach mal kurzzeitig in Anspruch nehmen kann. (Interview Nummer 3)
Des Weiteren wurde die Idee der ‚Autismussprechstunde‘ formuliert, mit dem Ziel sich punktuell mit Fragen an eine Person mit Fachwissen wenden zu können. Aber wäre gut zu wissen. Es gibt da, keine Ahnung, so eine Autismussprechstunde per Telefon. Ich muss nicht ewig warten bis ich irgendwo in einer Praxis nach drei Monaten, ach drei Monate, ein halbes Jahr warten, bis. Weil, es ist ja auch immer situativ und dann ist es auch gegessen. (Interview Nummer 4)
Des Weiteren wurde Unterstützungsbedarf im Rahmen eines exklusiven Angebotes für betroffene Jugendliche zum Beratungsbedarf über die Thematik Partnerschaft artikuliert. Wo ich glaube, dass das einer der wichtigsten Punkte überhaupt ist im späteren Leben eines Autisten, dass der eine vernünftige Beratung in seiner Partnerschaft bekommt. Weil denen das nicht liegt. Oder vielen liegt das nicht. Da habe ich gedacht, das wäre noch etwas, was man sich so generell überlegen müsste. (Interview Nummer 7)
Für einen weniger aufwendigen bürokratischen Aufwand, wurden ebenfalls Bedarfe formuliert. Dies bezieht sich sowohl auf die Schritte der Antragsstellung, welche vereinfacht werden könnten als auch eine leichtere Beantragung von Hilfsmitteln. Dies geht allerdings einher mit der Aufklärung der Gesellschaft, um Ansprüche für Menschen mit AS transparenter zu gestalten, da die Familien häufig damit Probleme haben, dass der Autismus nach außen hin kaum sichtbar ist und entsprechend kleingeredet wird. Ich kenne auch Rollifahrer, klar. Aber ich glaube, so was wie Spastiken oder Rollstuhl oder andere körperliche Sachen sind klar. Und auch zum Beispiel Sehbehinderung von Nina, da ist mit Hilfsmittel oder anderen Möglichkeiten leichter zu handeln als was wie Autismus. (Interview Nummer 3) Und ich bin so richtig schön mit dem Jugendamt zusammengerasselt. Musste sehr diskutieren um alleine Anerkennung für das Gutachten zu bekommen. Das sind so Dinge. Da würde ich mir Unterstützung wünschen. Also quasi, einen an der Seite, der mit einem den Weg geht, weil wir wollen doch alle nur, dass wir fürs Kind alles tun, was möglich ist. (Interview Nummer 5)
Um den Punkt der Unterstützung durch die Gesellschaft aufzugreifen, sind die Themen Engagement und Verständnis im Allgemeinen von großer Bedeutung. Der Wunsch nach Wertschätzung von Freunden und von der Familie, aber auch vom Fachpersonal und der Gesellschaft im Allgemeinen ist sehr groß.
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Das hilft auch, wenn von Freundes Seite oder von Familienseite, das manchmal gewürdigt wird. Also das muss man ja jetzt nicht ewig breit austreten aber das (…) das es manchmal auch klar ist, ja das ist schwer. (Tränen in den Augen.) Denn das merke ich, wenn dann, wenn andere, die jetzt nicht so zahlreich sind, aber es gibt eben auch andere, die dann versuchen mit mir zu diskutieren, warum hat dieses Kind jetzt doch keinen Autismus oder warum stelle ich mich jetzt an und warum das und das wäre doch gar nicht nötig. (Interview Nummer 3)
Die Wege der Informationserhaltung und -beschaffung wurden von vielen befragten Eltern kritisiert. Die betroffenen Familien haben im Anschluss an die Diagnose zunächst lange Zeit keinen Therapieplatz und fühlten sich im Stich gelassen. Eine Übersicht über regionale Angebote oder eine Sprechstunde bezüglich Ansprüchen und alternativen Optionen fehlen Die Suche nach den relevanten Informationen wird als sehr mühsam und nicht zufriedenstellend beschrieben. Und ja, was für mich auch eine wichtige Unterstützung wäre, dass man den Informationen nicht hinterherlaufen muss. Sondern, dass man. Die Informationen kriege ich nur hier. (Interview Nummer 5)
Aufklärung Als übergeordnetes Thema ist die Aufklärung zum Thema AS von vielen Eltern erwähnt worden: Sie wünschten sich, dass sie selbst als auch die Gesellschaft und das pädagogische und therapeutische Fachpersonal besser informiert sein sollten. Die gewünschte Vertiefung der Expertise betrifft Lehrer und alle weiteren pädagogischen Fachkräfte in Bildungseinrichtungen. Die befragten Eltern verbindet häufig der lange Leidensweg bis zur richtigen Diagnose. Dabei entstand der legitime Wunsch nach Hilfestellung, die früher in die richtige Richtung gewiesen hätte. Ja, zum Beispiel. Ich habe auch festgestellt, dass viele Menschen damit überhaupt nichts anzufangen wissen. Ja, dass die überhaupt nicht wissen, was das ist so. Also nicht im Sinne von, dass die eine fachliche Idee davon haben, aber auch wirklich noch nie etwas davon gehört. Und das ist. Das dürfte an Schulen oder so doch eigentlich nicht sein. (Interview Nummer 4) Ich glaube das steht und fällt, wenn vernünftiges Personal in den Bildungseinrichtungen und in den Kindergärten. Wenn da regelmäßig einfach geschulte Augen draufgucken, die können schon sagen: Das ist ein Asperger. Das ist ADHS. (Interview Nummer 5) Ich glaube auch, dass die Schulen, die Lehrer, die Kindertagesstätten besser informiert werden müssten. (Interview Nummer 5)
Das Wissen über die symptomatische Ausprägung der Diagnose, führt bei den befragten Eltern zu besserem Verständnis über die Verhaltensweisen des eige98
nen Kindes. Psychoedukation ist als relevanter Baustein an dieser Stelle zu berücksichtigen. Und dann überhaupt mal auseinander gefuselt zu kriegen, was passiert da im Gehirn, wie verhalten sich Autisten, was sind die speziellen Ängste, was sind die Bedürfnisse von Autisten. Das hat uns ganz, ganz weit nach vorne gebracht. (Interview Nummer 7)
2.11 Inklusion Im Rahmen des Forschungsprozesses und der Auswertung ist die Kategorie ‚Inklusion‘ induktiv entstanden. Erläutert wurde dieser Prozess im Kapitel 4.1.5, als Optimierung und erweiterte Integration. Der Wunsch nach einer Veränderung der Schullandschaft wurde von den Interviewten mehrfach geäußert. Hierbei geht es um spezielle Angebote für die Kinder mit AS. Obwohl diese Autismus Diagnosen immer mehr werden, dass es irgendwie überhaupt keine Schulform gibt oder Schulen, die mal auf solche Kinder sich einstellen. Es gibt Schulen für körperlich-motorische behinderte Kinder oder beeinträchtigte Kinder oder in anderen Bereichen. Im Bereich Autismus nicht. Ich habe mich ja dumm und dämlich gegoogelt, gibt es nichts. Sie müssen dann gucken, ob sie den in eine Schule kriegen für sprachliche Entwicklungsstörung, wobei es das ja nicht ist. Oder das oder das. Aber die bieten ja im Grunde genommen nicht das an, was so ein Kind braucht. Und gibt es, finde ich, sehr wenig. (Interview Nummer 4) Ja pädagogische Angebote, klar. In der Schule. Kann man aber alles nicht leisten. Bisschen mehr Konzentrationstraining oder irgendwie ja. Mehr Ruhe geben. (Interview Nummer 6)
Es ist eine Unzufriedenheit mit der bereits vorhandenen Veränderung im Rahmen der Inklusion festzustellen. Jetzt ist ja so, dass jede Schule mit jedem Kind umgehen kann. Einfach per, per Daumen von oben. (Interview Nummer 3)
Die Erfahrungen mit Inklusionsangeboten sind ambivalent, häufig allerdings negativ konnotiert. Es herrscht Unzufriedenheit über die Schulsysteme. Die Erfahrungen der eigenen Kinder in Regelschulen sind geprägt von Schulverweigerung, Mobbing, Prügel und Schulwechsel. Ich bin der festen Überzeugung, dass unser Schulsystem nicht umgehen kann mit Kindern die anders sind. Die entweder über der Norm oder unter der Norm sind. Also. Oder ganz anders. Eben wie Asperger. Der Max ist, er hat einen sehr hohen IQ und der muss einfach anders angefüttert werden. Da reicht es
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eben nicht aus ihm immer nur mehr zu geben. Da merkt der langsam auch, wenn alle nur drei Aufgaben machen und er muss aber acht Aufgaben machen, da sagt er auch irgendwann: Ne, dann mache ich auch nur noch drei. Ich bin doch nicht blöd. Das funktioniert nicht. (Interview Nummer 5) Mit kurz vor Schulverweigerung, mit Prügel, mit nur jeden Tag heulend zu Hause. (Interview Nummer 5) Für mich ist die Inklusion die Pest auf zwei Beinen. Abartiger Gedanke Kindern immer vorzuzeigen, dass sie immer schlechter und anders sind als andere Kinder und im Endeffekt steht Geld dahinter. Das ist meine feste Überzeugung, dass das nur Kosteneinsparungen sind. (Interview Nummer 7)
Eine positive Rückmeldung eines Interviewten darf aber an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Die Zufriedenheit rührt aus der Zusammenarbeit mit den Lehrern. Ob es sich hierbei um einen Einzelfall handelt, lässt sich an dieser Stelle nicht überprüfen. Das muss ich immer betonen und erzähle das auch jedem, der das hören will. Wenn es sich anbietet. Auch wenn der Gedanke schlecht umgesetzt wurde oder zu schnell aber ja. Da gibt es wahrscheinlich die Überlegung, wenn ein Kind da so wenig mitbekommt vom Unterricht ob es da dann selber so viel von hat. Sie ist so richtig stark autistisch (lacht). Ist wirklich schwer zu formulieren. Also ich finde es aber grundsätzlich toll, dass an dieser Schule gemeinsam gelehrt wird. (Interview Nummer 8)
Insgesamt führen die Erfahrungen an Schulen zum Thema Inklusion allerdings zu Unsicherheit bezüglich der Zukunft und Zukunftsängste. Und wenn ich dann gleichzeitig mitkriege, dass bei Kindern von einer Freundin, die beide Autismus haben, vom Jugendamt jedes Jahr der Schulbegleiter immer weiter zusammengestrichen wird. Alle sagen, das geht nicht, das Kind kommt damit nicht klar. Und das Jugendamt sagt dann aber, das Kind muss es doch lernen. Wir streichen jetzt einfach. Das, ich will jetzt nicht sagen, macht einem Angst vor der Zukunft. (Interview Nummer 3)
Es scheinen Schwierigkeiten vorhanden zu sein, bezüglich der Umsetzung der Inklusion und der Rücksichtnahme auf AS. Auch hier spielt die Rolle der ‚unsichtbaren Beeinträchtigung‘ eine wichtige Rolle. Ich glaube, ich weiß es nicht, ich glaube es ist einfacher wenn das jetzt einfach ein Rollstuhl wäre, meinetwegen mit Katheter und wo ein Pflegedienst kommen muss oder so was. Und es ist sicher alles nicht einfach. Aber ich glaube es ist einfacher als für ein Kind mit Autismus, wo ich nicht weiß ob sie damit klarkommt, wenn jetzt nicht morgens schon mal besprochen wird, der Lehrer ist krank, wir müssen was umstellen. Sondern einfach statt des Lehrers irgendjemand anders rein kommt oder keiner rein kommt und jetzt plötzlich eine
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Situation da ist, die die nicht vorhersehbar war. Und das Kind dann einfach nicht mit klar kommt. (Interview Nummer 3) Und in der Schule schafft sie das einfach nicht. Das kann ich mir vorstellen, dass es in den nächsten Jahren mehr wird und das frustriert schon. Sie kriegt nicht die Möglichkeit das zu zeigen, was sie kann. Wenn sie das ist, dann ist sie total blockiert und dann kommt dann da einfach nichts. (Interview Nummer 6)
Auch im Bezug auf Freizeitangebote, scheint es nicht ausrechend passende Angebote zu geben. Die Erfahrungen sind negativ und resigniert. Inklusive Ferienangebote. Das ist echt schwer. (Interview Nummer 3) Was ich schwierig finde, ist die ganze Freizeitgestaltung für das Kind. Diese ganzen Kurse. Schwimmkurse oder so was, dass da irgendwas angeboten wird, die man auch mal machen könnte. Wo sie dann wirklich auch mal, ein bisschen mehr diese Förderung gibt oder ein bisschen mehr Verständnis, bisschen mehr ja, für Kinder mit mehr und bis besonderer Aufmerksamkeit. (Interview Nummer 6) Gerade im Sportbereich finde ich, ist es mittlerweile genauso wie in den Schulen, in den Vereinen oder so, dass die dann 30 Kinder in der Halle haben. Für so ein Kind mit Asperger sind 30 Kinder einfach zu viel. Die Gruppe ist viel zu groß und dann ist das auch noch alles durcheinander und alle laufen hin und her. Es müsste halt einfach Angebote geben, mit etwas kleineren Gruppen und mit solchen, die sich auch auf Kinder einstellen, die nicht irgendwie immer nur die Linie lang laufen, sondern die auch vielleicht mal das ein oder andere anders machen. Das gibt es echt wenig. (Interview Nummer 4)
2.12 Rolle der Geschwisterkinder Die Geschwisterkinder wurden an mehreren Stellen kurz erwähnt. Auch diese Kategorie ist induktiv entstanden, da die Eltern das Zusammenleben mit einem Kind mit AS und den Geschwisterkindern bewältigen müssen, was sich teilweise herausfordernd gestaltet. Leider kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Wahrnehmung der Geschwisterkinder bezüglich dieser Thematik nicht berücksichtigt werden, bleibt allerdings ein Desiderat für die Forschung. Die Belastung der Eltern entsteht dann, wenn beispielsweise die jüngeren Geschwisterkinder das Verhalten imitieren. Insbesondere die Verhaltensweisen, die nicht gewünscht sind. Das Teilen der Aufmerksamkeit, wird ebenfalls als beschwerlich dargestellt. Die Geschwisterkinder müssen sich die Aufmerksamkeit der Eltern häufig teilen, wohingegen das Kind mit AS ungeteilte Aufmerksamkeit eines Elternteils erhält.
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Also ja. Ich muss gestehen, mit meinem Sohn machen wir öfter mal was alleine, die Mädels sind immer im Doppelpack. Die müssen immer die Aufmerksamkeit teilen. (Interview Nummer 4) Vor allem kriegen wir das jetzt mit, mit noch zwei anderen, die dann manchmal, oder nicht manchmal, häufig, immer häufiger seine Verhaltensweisen ja nachahmen. Und das wird dann wirklich sehr anstrengend, weil er rennt dann oben auf der Couch rum und isst. Glauben Sie ja nicht, dass die anderen beiden Mädels still am Tisch sitzen und essen. Ich habe dann drei Kinder, die oben rumrennen und die Couch ist total versifft und dann erklären Sie denen mal, warum die still sitzen solle, obwohl die viel kleiner sind und der Schuljunge das und das alles darf. Das ist schon nervenaufreiben. (Interview Nummer 4) Ihr Bruder spielt Fußball, aber da will sie auf gar keinen Fall. Dann hat sich das so aufgeteilt, dass der Fußball immer mit Papa ist und ich dann mit ihr was anderes mache. (Interview Nummer 6)
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3 Diskussion 3.1
Zusammenfassung der Erkenntnisse
Die vorliegende Arbeit hatte die Belastungssituation, Ressourcen und Bewältigungsstrategien von Eltern mit Kindern mit Asperger-Syndrom zum Thema. Dies wurde mit einer qualitativen Methode mittels teilstandardisierten Leitfadeninterviews untersucht. Die Alltagsanforderungen und Belastungen wurden dank des guten Einblicks der acht befragten Elternteile veranschaulicht. Im Rahmen des theoretischen Teils wurde deutlich, dass die Relevanz dieser Thematik aufgrund der fragmentarischen nationalen und internationalen Studienlage über die spezifische Situation von Familien mit Kindern mit AS unübersehbar ist. Dies wurde auch durch die Befragung der Eltern bestätigt. Alle Teilnehmer waren erfreut über die Tatsache, ihre eigene Wahrnehmung artikulieren zu können und fühlen sich von der akademischen Forschung als Betroffene nicht ausreichend berücksichtigt. In diesem Abschnitt folgt eine Zusammenfassung der neuen Erkenntnisse, die durch die Auswertung der Interviews mit Hilfe der Codierung gewonnen wurden. Orientiert wird sich an den vorangegangenen Kapiteln, die zum Ziel eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse hatte. Diese werden im nächsten Schritt in die Kategorien Belastung, Ressourcen und Unterstützungsbedarf subsumiert. Belastung Im Alltag nehmen die Familien viel Rücksicht auf ihr Kind mit AS. Sie scheinen dabei, wie im Kapitel 4.4 dargestellt, sehr anpassungsfähig und kreativ zu sein. Jedoch können alltägliche Aktivitäten, wie beispielsweise Einkaufen, nur teilweise im ‚normalen‘ Umfang ausgeführt werden. Seitens der Eltern wird eine Einschränkung wahrgenommen. Dies macht sich auch durch die Realisierung von Vorhersehbarkeit bemerkbar. Familienroutinen sind ein großer Bestandteil des Alltags mit einem Kind mit AS, werden aber nicht als Ressource (Kapitel 4.1.1) wahrgenommen, sondern vielmehr als Belastung. Parallel führt der intensive Betreuungsumfang zu subjektiv empfundenem Zeitmangel. Die Gründe für den intensiven Betreuungsumfang liegen in der Beeinträchtigung der Exekutivfunktion, welche womöglich als gering ausgeprägte intrinsische Motivation des Kindes bewertet werden, sowie bei der Schwierigkeit des Kindes die Aufmerksamkeit flexibel umzuschalten (siehe Kapitel 1.4.3). Die befragten Eltern weisen an verschiedenen Stellen darauf hin, dass die Reaktionen des Kindes mit AS sehr intensiv sind. Dies betrifft sowohl das 103
Ausleben eines Spezialinteresses, als auch die Reaktion bei Veränderungen oder die sensorische Empfindlichkeit. Interessanterweise wurde im Theorieteil darauf hingewiesen, dass in der Forschung Unklarheit bezüglich des Einflusses der sensorischen Empfindlichkeit auf die Verhaltensweisen des Kindern mit AS herrscht. An dieser Stelle kann allerdings festgehalten werden, dass diese Empfindlichkeit sowohl das Leben des Kindes mit AS, als auch das der Familie maßgeblich beeinflusst. Zusätzlich dazu zählen u.a. auch diese Verhaltensweisen zu den beschriebenen kindlichen Charakteristika, die eher als ‚kompliziertes Temperament‘ zu bezeichnen sind (Kap.2.2), und somit werden den Eltern dieser Kinder die täglichen Anforderungen erschwert. Die betroffenen Kinder reagieren mit herausfordernden Verhaltensweisen, was die Eltern im Alltag aufgrund der andauernden Geräusche des Kindes, anstrengt. Die theoretische Feststellung, dass die betroffenen Kinder häufig nur eine Vorgehensweise haben, um subjektiv empfundene Probleme zu lösen (Kapitel 1.2.5 zum Thema Kognitionen), führt zu Herausforderungen im Alltag. Die entsprechende Reaktion der Gesellschaft beschäftigt die Familie fortwährend. Die befragten Eltern sind andauernd damit beschäftigt, die Verhaltensweisen des Kindes, beispielsweise die soziale Interaktion, zu rechtfertigen. Bedenkt man aus Kapitel 3.1 den kognitiven Bewertungsprozess, auf den Stress zurückzuführen ist, so kann aber die mögliche Hypothese formuliert werden, dass die negative Reaktion der Gesellschaft zu Stress führen kann. Sie schützen dabei sich selbst und verteidigen das Kind. Gleichzeitig verhalten sich besonders die Mädchen sehr angepasst und nur im häuslichen Umfang auffällig, was zu Unverständnis seitens der Gesellschaft führt, wodurch sich die Eltern missverstanden fühlen und wenig emotionale Unterstützung erfahren. Diese Ambivalenz zwischen der Rechtfertigung der Besonderheit und der Markierung der Andersheit wird enorm belastend wahrgenommen. Hierbei handelt es sich um eine neu generierte Hypothese, die theoretisch nicht aufzufinden war. Wahrgenommene instrumentelle Belastung beinhaltet die vielfältig erlebten bürokratischen Hürden. Bezogen auf die Elternrolle (s. Kapitel 4.1.3) führt nicht die Unsicherheit wegen der Inanspruchnahme von therapeutischen Diensten zu Schwierigkeiten, sondern vielmehr die konflikthafte Entscheidung der Eltern zwischen ‚Fördern und Abnehmen‘. Die Abschätzung, welche alltäglichen Handlungen vom betroffenen Kind nun verlangt werden können und sollten, gegen die Festlegung der überfordernden Anforderungen wird belastend wahrgenommen.
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Ressourcen Die pädagogische-therapeutische Unterstützung im Alltag, sowie die autismus-spezifische Beratung wurde mehrfach wertgeschätzt. Die Zusammenarbeit wird positiv wahrgenommen, sofern sie maßgeblich durch die Einbeziehung der Elternperspektive gekennzeichnet ist. Das Elterntraining, als zeitlich begrenzte Ressource, zur Förderung des Umgangs mit u.a. herausfordernden Verhaltensweisen, wurde auch mehrmalig als notwendiger und auszubauender Unterstützungsbedarf artikuliert. Die Akzeptanz der Behinderung seitens der Eltern kann durch fachliche Wahrnehmung der Problematik ermöglicht werden. Wissen über die spezifischen Asperger-Symptome helfen im Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen, führen zu Verständnis über die veränderte soziale Interaktion und werden dadurch zu einer Bewältigungsstrategie. Dies lässt die Hypothese zu, dass die Inanspruchnahme der pädagogisch-therapeutischen Dienste unterstützend, gar kompetenzfördernd wahrgenommen wird. Über dies hinaus wird die enge Begleitung der Lehrer retrospektiv positiv wahrgenommen. Hierbei handelt es sich aber auch um eine zusätzliche Aufgabe der Eltern und diese wird teilweise belastend wahrgenommen. Nichtsdestotrotz zeigt der Erfahrungswert der Eltern offensichtlich, dass die Anleitung und Begleitung des pädagogischen Personals dazu beiträgt, dass diese Umwelt nicht zur Belastung wird. Im großen Rahmen wurde soziale Untersetzung als Ressource benannt. Zur eigenen Regeneration dient der Austausch mit Familien ohne (betroffene) Kinder. Als Bewältigungsstrategie und Ressource wird die Möglichkeit der gemeinsamen Gespräche mit Familien von Kindern mit AS wahrgenommen. Hierbei steht der Dialog über Umgang mit den Besonderheiten des betroffenen Kindes im Vordergrund. Die Nutzung der sozialen Medien, als Informations- und Netzwerkquelle wurde in der theoretischen Sichtung nicht erwähnt, kann aber hier als Ressource aufgeführt werden. Unterstützungsbedarf Die Darstellung des Unterstützungsbedarfes wird teilweise von den befragten Eltern explizit formuliert, teilweise durch die Materialanalyse abgeleitet. Der Wunsch nach allgemeiner Aufklärung bzgl. der Thematik AS umfasst drei Punkte:
Wenn sowohl das pädagogische Personal als auch alle Mitarbeiter der relevanten Bildungseinrichtungen einen aufgeklärteren Blick auf das betroffene Kind hätten, so wären die Familien vor dem langen ‚Leidensweg‘ verschont worden und hätten frühzeitiger die Möglichkeit adäquate thera-
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peutische Angebote in Anspruch zu nehmen. Der Bedarf nach interdisziplinärer Zusammenarbeit ist groß. Der Wunsch nach einer aufgeklärten Gesellschaft wurde nicht explizit formuliert. Inwiefern dies eine Illusion bleibt, wird im weiteren Verlauf diskutiert. Dennoch ist das Verlagen nach mehr Verständnis bei ‚abnormalen‘ Verhaltensweisen des Kindes und den entsprechen Reaktionen der Eltern aufgekommen. Die Eltern wünschen sich emotionale Unterstützung und Verständnis seitens des sozialen Umfeldes und beteiligten Fremden. Dies würde die wahrgenommen Schwierigkeiten im Alltag reduzieren. Vorhandene Expertise seitens der Eltern führt zu Sicherheit und wirksamerem Umgang mit den intensiver wahrgenommenen Verhaltensweisen des Kindes mit Asperger-Autismus. Das heißt, dass die frühzeitige Aufklärung der betroffenen Eltern wünschenswert ist.
Den letzten Punkt aufgreifend, muss an dieser Stelle auf die Problematik der langen Wartezeit auf einen Therapieplatz hingewiesen werden. Hierbei handelt es sich um keine neue Erkenntnis, aber um ein stetig bestehendes Problem. Für einen besseren Umgang mit den herausfordernden Verhaltensweisen wurde explizit der Wunsch nach dem amerikanisch-verhaltenstherapeutischen Angebot ‚Applied Beviour Analysis‘ (ABA) ausgesprochen. Als sowohl ergänzende Maßnahme als auch Übergangslösung wurde der Bedarf nach niederschwelligen Angeboten artikuliert. Der aus den Erkenntnissen generierter Unterstützungsbedarf weist insbesondere auf die Notwendigkeit der Entlastung der Mutter hin. Wie im Kapitel 2 dargestellt, würde sich die Entlastung und Unterstützung auch positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken. Die dargestellten Belastungsursachen implizieren den Wunsch nach transparenter Gestaltung der gesetzlichen Ansprüche für Kinder mit AS. Die ‚Unsichtbarkeit‘ der Beeinträchtigung führt zu alltäglich erlebten Missverständnissen. Die Relevanz der Entlastung der Eltern durch zusätzliche Betreuungsleistungen und Integrationskraft wird aus Sicht der Eltern nicht ausreichend wahrgenommen. Die Thematik der Inklusion lässt sich sowohl als bisher nicht wahrgenommene Ressource als auch als belastend bezeichnen. Da die Intension von Inklusion aber positiv zu werten ist, wird dieser Aspekt bei ‚Unterstützung‘ aufgezählt. Der Bedarf nach einer veränderten Schullandschaft und besseren Freizeitangeboten ist mannigfaltig. Unterstrichen wird die Notwendigkeit nach einer verbesserten Inklusionsstrategie, durch die explizit formulierten Zukunftssorgen der befragten Eltern.
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3.2
Stärken und Schwächen der Arbeit
Aufgrund der reduzierten durchgeführten Stichprobe mit acht Interviews, bedingt durch die vorgegebene Bearbeitungsdauer, konnte in dieser Arbeit keine theoretische Sättigung erreicht werden. Bezogen auf die selektive Stichprobe lässt sich festhalten, dass alle Eltern bereits an Hilfemaßnahmen, entweder Elterntraining oder Therapie, angebunden waren. Somit können die ausgewerteten Ergebnisse auf hilfemotivierte Eltern übertragen werden. Im Rahmen einer breiter angelegten Studie könnte sich mit der Gruppe beschäftigen werden, die bisher keine Hilfemaßnahmen in Anspruch nimmt, um einen Vergleich zwischen den Elterngruppen herzustellen. Auch der Schritt des Kodierens konnte nicht objektiv durch zweite Forscher überprüft werden und somit bleibt eine Überprüfung der Reliabilität aus. Lediglich konnte ein erster Versuch eines Erkenntnismodells mit Hilfe der erhobenen Daten erstellt werden. Eine zukünftige quantitative Ergänzung, mit der Berechnung der psychosozialen Belastung durch beispielsweise den Mini-SCL, als standardisiertes Selbstbeurteilungsverfahren, zur Gewinnung exklusiver Informationen über die psychische Belastung, wäre eine gute ergänzende Methode. Die Erweiterung der Perspektive des Belastungserlebens der befragten Eltern mit Eltern von neurotypischen Kindern oder Kindern mit anderen Störungen wäre ebenfalls sinnvoll. Bezogen auf die Limitation dieser Arbeit, lassen sich die Ergebnisse, aufgrund fehlender Vergleichsgruppen, nur eingeschränkt bewerten, da unklar ist, ob die Belastung asperger-spezifisch ist oder anderen symptomatischen Ausprägungen zuzuordnen wäre. Eine Stärke der durchgeführten Studie besteht darin, dass explizit nur Eltern ausgewählt wurden, deren Kinder die Diagnose ‚Asperger-Autismus‘ bereits erhalten haben. Dies wurde durch den Einsatz des sozio-demographischen Fragebogens ermöglicht. Die befragten Eltern mussten angeben, bei wem die gesicherte Diagnose AS gestellt wurde. Andere zitierte Studien wiesen diesen Vorteil nicht vor. Des Weiteren hatten die befragten Eltern keine Probleme damit, sich während des Interviews zu öffnen und auch tabuisierte Themen anzusprechen. Sie berichteten mit einer bemerkenswerten Genauigkeit von täglichen Herausforderungen, negativen Momenten und Emotionen. Dieses Wissen kann dazu beitragen, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie die Belastungssituation erleichtert bzw. reduziert werden kann.
3.3
Fehlende Betrachtungsweisen
Wie bereits in der Einleitung hingewiesen, konnte sich diese Arbeit mit zwei Betrachtungsweisen nicht näher auseinandersetzen, da es ansonsten den vorge107
gebenen Rahmen überschreiten würde. Nichtsdestotrotz muss auf diese fehlenden Aspekte hingewiesen werden: Der als massiv empfundene Einfluss der Gesellschaft, auf das Leben einer Familie mit einem Kind mit AS übertrifft die Erwartungen und wurde aus diesem Grund im theoretischen Teil unterschätzt. Die daraus resultierende fehlende Betrachtungsweise sollte zwangsläufig noch tiefgehender erforscht werden. Eine mögliche Befragung des noch genauer zu definierenden Konstrukts der ‚Gesellschaft‘ müsste erfolgen. Das Ziel sollte es sein, herauszufinden, warum fremde Menschen im Umfeld einer betroffenen Familie selten unterstützend, vermehrt mit Unverständnis reagieren, sobald die Verhaltensweisen sowohl des Kindes, als auch der Familie nicht der ‚Norm‘ entsprechen. Beispielhaft kann die Situation der befragten Mutter angeführt werden, welche Kellogs zu einer Grill-Feier mitbringt, da ihr Sohn ansonsten mit herausforderndem Verhalten reagiert. Die Reaktionen des sozialen und fremden Umfeldes sind ausschließlich negativ. Wieso kann man dieser ‚Abnormalität‘ nicht mit mehr Verständnis gegenübertreten – anstatt direkt darüber zu urteilen? Wie kann die ‚Gesellschaft‘ sensibilisiert werden? Kann man die ‚Gesellschaft‘ umfassend aufklären? Die zweite fehlende Betrachtungsweise ist im Prozess der Auswertung der Ergebnisse besonders deutlich geworden. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst sollten angehört werden. Viele Belastungsursachen liegen in den besonderen Verhaltensweisen des Kindes. Die Ursache für das herausfordernde Verhalten wurde nur summarisch im Theorieteil beleuchtet. Im Rahmen der Interviews werden die vorangegangenen Bedingungen, der herausfordernden Verhaltensweisen des Kindes, ebenfalls nur nebensächlich erfragt. Es ist von großer Wichtigkeit die Betroffenen daraufhin anzuhören, weshalb sie sich aus ihrer Perspektive auf eine bestimmte Art und Weise verhalten und nicht auf andere Bewältigungsstrategien in einer Krise zurückgreifen können. Das professionelle Unterstützungssystem sollte daraufhin arbeiten, die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit AS zu unterstützen, dass sie in der Gesellschaft Akzeptanz und Wohlbefinden erfahren. Was nicht bedeuten soll, dass die urteilenden Reaktionen der Gesellschaft nicht auch veränderbar ist.
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4 Schlussfolgerungen für Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit Verhaltenstherapeutische Maßnahmen werden als ‚Methode der Wahl‘ im Bereich der Behandlung der Autismus-Spektrum-Störung angesehen (Kap. 1.1). Dennoch ist der Bedarf nach zeitnaher pädagogischer und therapeutischer Unterstützung unübersehbar. Dies betrifft sowohl die Unterstützung der Eltern darin, welche Anforderungen wie angebahnt werden müssen, um Selbstständigkeit zu fördern als auch welcher Rückhalt für das Kind weiterhin notwendig ist. Die Relevanz von präventiven interdisziplinären pädagogischen Angeboten sollte im Rahmen der sozialarbeiter-pädagogischen Praxis an Bedeutung gewinnen. Hierbei gilt es womöglich Übergangsangebote zu gestalten, die den Eltern u.a. instrumentelle Hilfe gewähren, wie beispielsweise die Bündelung von Informationen. Eignen würde sich dafür auch die Nutzung sozialer Medien. Nicht wenigen Lebensgeschichten ist zu entnehmen, dass sich herausfordernde Verhaltensauffälligkeiten in Dichte, Häufigkeit und Schweregrad verstärken, wenn Bezugspersonen (insbesondere Eltern der betroffenen Kinder) keine rechtzeige und sachkundige Unterstützung erfahren. Vielerorts fehlt es an niedrigschwelligen, im Umgang mit autistischem und herausforderndem Verhalten spezialisierte Beratungsangebote. Beispielsweise in Form eines pädagogisch-therapeutischen Konsulentendienstes für Familie, Eltern oder pädagogische Fachkräfte. Dies ist als eine weitere präventiv-notwendige Maßnahme anzusehen. Hinsichtlich der bürokratischen Hürden im Bezug auf das Asperger-Syndrom ist eine bedeutsame Erkenntnis festzustellen. Die ‚Unsichtbarkeit‘ der Behinderung führt zu zusätzlichen Schwierigkeiten bei der Beantragung von Hilfsmittel. Gewünscht wird Transparenz bezüglich der gesetzlichen Unterstützungsmöglichkeiten, sowie die Veränderung der aktuellen Lage bezüglich der Kosteneinsparungstendenz der Sozial- und Jugendämter. Integrationskräfte sind eine enorme Unterstützung für die betroffenen Familien. Damit dies so bleibt, sollten als ergänzende Maßnahme Schulungen bezüglich der Asperger-spezifischen Symptomatik angeboten werden. Als weitere Implikation für die Forschung und als präventive Maßnahme für Familien mit Kindern mit AS ist die frühzeitige Feststellung der Auffälligkeit des kindlichen Verhaltens durch eine erfahrene Person. Der lange ‚Leidensweg‘ könnte frühzeitiger unterbrochen werden, wenn die Eltern möglichst zeitnah Hinweise erhalten würden. Die Reaktionen im Kindergarten waren selten hilfreich, vielmehr beleidigend oder stigmatisierend. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen Kinderarzt und Kindergarten wäre wünschenswert. Die Interdisziplinarität betrifft auch die Zusammenarbeit der Eltern mit den 109
Ergotherapeuten. Fast alle befragten Eltern berichten, dass sich ihr Kind bereits lange vor der Asperger-Diagnose in ergotherapeutischer Behandlung befand. Es ist nicht zu erwarten, dass die zuständigen Therapeuten sofort die adäquate Diagnose stellen, dennoch wäre eine Schulung dieser, bzgl. der symptomatischen Ausprägung der Asperger-Diagnose, von großer Bedeutung, um die Eltern rechtzeitig auf Auffälligkeiten hinzuweisen. Die aktuelle Situation bezüglich der Inklusions-Thematik erhält im Rahmen dieser Arbeit, aufgrund ihres Umfangs, keine prominente Stelle. Eine exklusive Forschungsarbeit könnte sich mit der aktuellen Lage in Deutschland befassen. An welchen Stellen werden Kinder und Jugendliche mit AS in der gesetzlich geregelten Inklusion berücksichtigt? Im Rahmen der sozialarbeiterischen Praxis kann nur nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass eine Veränderung der Schullandschaft und der Freizeitangebote im Bezug auf die Kinder und Jugendlichen mit AS notwendig ist. Betrachtet man nun die dargestellte vorhandene Belastungssituation der betroffenen Familien, so entsteht der Bedarf einer Nachsorge. Beispielshaft wird an dieser Stelle die Idee einer Eltern-Kind-Kur oder Mutter-Kind-Kur angebracht, die speziell für Familien mit Kindern mit AS ausgelegt ist. Aus der empirischen Datenlage wurde deutlich, dass die Elternkompetenz einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes hat und dass sowohl die Eltern-KindBeziehung, als auch die Qualität der Paarbeziehung sich gegenseitig beeinflussen, welche im Rahmen einer Kur gefestigt werden könnten. Ziel wäre es, Familien, die bereits eine erhöhte Belastungswahrnehmung empfinden, dabei zu unterstützen, Bewältigungsstrategien und Ressourcen zu entwickeln und zu aktvieren.
110
5 Ausblick Abschließend werden – ausgehend von den erzielten Ergebnissen – Hilfeangebote skizziert, die sich am notwendigen Unterstützungsbedarf der Eltern orientieren. Angefangen mit der Diagnosestellung, ist eine sofortige Informationsweitergabe, über die Asperger-Symptomatik, Ansprüche auf Hilfeleistungen, sowohl finanzieller- als auch pädagogisch-therapeutischer Art von großer Bedeutung. Auch Kontaktinformationen zur Initiierung des Selbsthilfepotentials, in Form von sozialem Netzwerk aus betroffenen Familien wäre ratsam. Das Ziel dessen sollte es sein, in der als massiv belastend empfundenen Anfangsphase, möglichst frühzeitig adäquate Hinweise auf Hilfsangebote zu erhalten. Konkrete Broschüren zur Thematik ‚Alltagsgestaltung mit einem Kind mit dem Asperger-Syndrom‘, um die Eltern bei der individuellen Suche nach geeigneten Lösungen und Bewältigungsstrategien zu unterstützen, wären eine nützliche Hilfestellung. Inhaltlich sollten die therapeutisch-pädagogischen Angebote durch die fachliche Aufarbeitung der Thematik Schlafen, Essen sowie Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen ergänzt werden. Ob ein Verhalten als herausfordernd gilt, hängt nicht alleine von den Auswirkungen ab. In der Regel entspricht es nicht den Erwartungshaltungen der Bezugs- und Umkreispersonen und den vorgegebenen Normen der Gesellschaft. Daher wird das betroffene Verhalten als normabweichend wahrgenommen, als Herausforderung erlebet und als Verhaltensauffälligkeit gegenzeichnet (Theunissen, 2018, 84). In diesem Sinne gilt es Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit zu leisten. Dies umfasst sowohl Informationsveranstaltungen für eine bereitere Öffentlichkeit, inklusive Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Universitäten. Als wichtige Zielgruppe dafür sollten Kinderärzte und ergotherapeutische Fachkräfte in Betracht gezogen werden. Geschwistergruppen sollten parallel zu autismus-spezifischen Angeboten, stattfinden, da diese im Rahmen einer altershomogenen Freizeitaktivität altersgerechte Informationen über die autistische Besonderheit erhalten könnten. Die Möglichkeit des Austauschs über betroffene Geschwister kann, ebenso wie die als hilfreich empfundene Vernetzung von Familien mit Kindern mit Asperger-Autismus, entlastend wirken. Ausgangspunkt vieler dargestellter Belastungsursachen sind Situationen, die eine autistische Person als unangenehm, belastend, überfordernd, stresshaft oder angsterzeugend erlebt. Dieses Erleben versucht sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu bewältigen. Hierzu greift sie auf Verhaltensweisen zurück, die von ihren Mitmenschen als auffällig oder problematisch eingeschätzt werden. Wenn diese externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten kei111
ne soziale Akzeptanz erfahren, so werden sie als problematisches Verhalten definiert. Deshalb ist es wichtig diese Herausforderung aus mindestens drei Ausgangspunkten aufzuarbeiten. Zunächst sollten die Ursachen für dieses Verhalten vor allem therapeutisch behandelt werden, um den Alltag für das betroffene Kind sowie für die Eltern angenehmer zu gestalten. Nichtdestotrotz gilt es an der allgemeinen sozialen Akzeptanz und Aufklärung zu arbeiten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird deutlich dargestellt, dass insbesondere die Eltern in ihrem gewünschten formulierten Rahmen belgeitet und unterstützt werden sollten. Denn angesprochen werden hier Kinder, die vor allem von ihren Eltern als etwas ganz Besonderes wahrgenommen werden. Gleichzeitig können sie die Familien aber aufgrund ihrer Besonderheit vor Herausforderung stellen, die sie tagtäglich bewältigen, was aufgrund vorhandener oder fehlender Unterstützung mal besser, mal schlechter gelingt.
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115
7 Anhang 7.1
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabelle 1
Diagnostische Kriterien bzw. Leitlinien für das Asperger-Syndrom nach ICD-10 und DSM-IV ...........
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Abbildung 2
Gut integriertes Gehirn .................................................
26
Abbildung 3
Eigene Darstellung .......................................................
56
116
7.2
Leitfadeninterview Leitfragen
Vertiefungs- & Aufrechterhaltungsfragen
Wie erleben Sie den Alltag mit Ihrem Kind mit Asperger Autismus?
Wie sehen Ihre täglichen Routinen aus? Wie ist der Ablauf am Morgen? Wer bereitet das Frühstück vor? Wer bringt Ihr Kind zum Kindergarten/zur Schule? Wie gestalten Sie Ihren Nachmittag? Was unternehmen Sie am Wochenende? Gibt es bestimmte Aktionen an den Wochenenden mit der ganzen Familie und/oder nur für Ihr Kind mit Asperger Autismus? Können Sie Situationen beschreiben, in denen Sie Nachbarn, Freunde, Arbeitskollegen oder fremde Personen positiv/negativ überrascht haben/reagiert haben im Bezug auf Ihr Kind mit Asperger Autismus? In welchen speziellen Situationen bereichert Ihr Kind mit Asperger Autismus Ihren Alltag?
Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich im Alltag mit Ihrem Kind mit Asperger Autismus?
Welche Situationen gestalten sich besonders herausfordernd z.B. Einkaufen, Essen gehen, spazieren, zu Bett bringen, Freunde besuchen? In welchen Situationen fühlen Sie sich besonders gestresst? Was macht für Sie persönlich hier den Stress aus? Welche familiären Einschränkungen erleben Sie? Verzichten Sie wegen Ihrem Kind mit Asperger Autismus auf persönliche Bedürfnisse oder bestimmte Wünsche (z.B. beruflicher Werdegang, persönliche Kontakte)? Welche? Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Partner die Belastung ähnlich einschätzen würde?
Wie gehen Sie mit belastenden/ herausfordernden Situationen um?
Welche Person unterstützt Sie besonders in belastenden Situationen? Wenden Sie sich an Ihre/n Freund/in/Eltern/ Partner/in mit bestimmten Fragen zur Klärung bestimmter Angelegenheiten? Gibt es Institutionen (ATZ, Erziehungsberatungsstellen) oder bestimmte Personen (Therapeuten, Ärzte, Sozialarbeiter) die Sie unterstützt haben und unterstützen? Was machen Sie, damit es Ihnen gut geht? (Sport, Freunde treffen) Wie gestalten Sie diese Zeit? Wie unterstützen Sie sich als Paar gegenseitig? Teilen Sie sich bestimmte Aufgaben auf? Worin bewundern Sie Ihren Partner?
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Leitfragen
Vertiefungs- & Aufrechterhaltungsfragen
Was erleben Sie in Ihrem Alltag mit einem Kind mit Asperger Autismus als unterstützend?
Welche Unterstützung ist für Sie besonders wichtig? Wie sieht die Unterstützung aus? (Wenn soziale Unterstützung, dann ) Was hilft Ihnen besonders im Gespräch mit Familie/ Freunden? Gibt es weitere unterstützende Faktoren, die Ihnen denn Alltag erleichtern (finanzielle Ressourcen, Personale Ressourcen z.B. Familienentlastender Dienst)? Welche? Nehmen Sie therapeutische Angebote in Anspruch? Was hat Ihnen besonders geholfen? Haben Sie auch negative Erfahrungen gemacht?
Gibt es noch Angebote die Sie sich wünschen würden, die aber fehlen?
An welchen Stellen hätten z.B. Sozialarbeiter/ Pädagogen mehr leisten sollen (z.B. Aufklärung der Erzieher/Schule/Schüler)? Wie bewerten Sie die aktuelle pädagogische und therapeutische Versorgung Ihres Kindes mit Asperger Autismus? Welche therapeutischen/pädagogischen Maßnahmen würden Sie anderen Eltern mit Kindern mit Asperger Autismus besonders empfehlen? Individuelle Bedürfnisse?/Allgemeine Verbesserungsvorschläge?
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Thesispreis des Fachbereichs Sozialwesen der KatHO NRW
2018 • 83 Seiten • Kart. • 14,90 € (D) • 15,40 € (A) ISBN 978-3-8474-2180-1 eISBN 978-3-8474-1208-3
2017 • 123 Seiten • Kart. • 16,90 € (D) • 17,40 € (A) ISBN 978-3-8474-2130-6 eISBN 978-3-8474-1118-5
2017 • 64 Seiten • Kart. • 12,90 € (D) • 13,30€ (A) ISBN 978-3-8474-2035-4 eISBN 978-3-8474-1059-1
Die Reihe „Thesispreis des Fachbereichs Sozialwesen der KatHO NRW, Abteilung Köln“ widmet sich innovativen Abschlussarbeiten, die maßgeblich zur Weiterentwicklung von Profession und Disziplin Sozialer Arbeit, Kindheitspädagogik oder Pfegewissenschaft beitragen. Die Reihe wird herausgegeben vom Fachbereich Sozialwesen, Abteilung Köln der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen.
www.budrich.de
Autorengruppe Kinder- und Jugenhilfestatistik
Kinder- und Jugendhilfereport 2018 Eine kennzahlenbasierte Analyse
2019 • 220 Seiten • Kart. • 29,90 € (D) • 30,80 € (A) ISBN 978-3-8474-2240-2 • eISBN 978-3-8474-1340-0
Der Kinder- und Jugendhilfereport 2018, die zentrale Publikation der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik, beschreibt und analysiert umfassend die aktuelle Situation und die neuere Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. Grundlage sind die Daten der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik. Erstmals werden statistische Daten der gesamten Kinder- und Jugendhilfe zu Kennzahlen verdichtet. Diese ermöglichen einen schnellen und zuverlässigen Überblick über Entwicklungen in den zentralen Arbeitsfeldern und wichtigen Aufgabengebieten.
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