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German Pages XIII, 165 [176] Year 2020
Marwin Felix Löper
Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit Förderbedarf Die Rolle persönlicher Ressourcen für die soziale Partizipation
Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit Förderbedarf
Marwin Felix Löper
Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit Förderbedarf Die Rolle persönlicher Ressourcen für die soziale Partizipation
Marwin Felix Löper Institut für Erziehungswissenschaft Universität Paderborn Paderborn, Deutschland Zgl. Dissertation an der Universität Paderborn, 2020
ISBN 978-3-658-30921-3 ISBN 978-3-658-30922-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30922-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich den Menschen danken, die mich während meiner Promotion begleitet und unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Frank Hellmich, der mir diesen Weg überhaupt erst ermöglicht hat und mir zu jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Vielen Dank! Auch möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Christian Harteis für die Zweitbegutachtung meiner Arbeit sowie bei Frau Prof. Dr. Eva Blumberg und Herrn Prof. Dr. Dietmar Heisler für ihr Engagement in der Promotionskommission bedanken. Ein ganz besonderer Dank gilt zudem meiner Familie – insbesondere meinen Eltern Edwin Ferdinand Löper und Claudia Löper-Schulz, meiner Tante Monika Löper sowie meiner Freundin Johanna Rose –, ohne deren Rückhalt und Unterstützung diese Promotion nicht möglich gewesen wäre. Zuletzt möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik für die tolle Atmosphäre im Team, die kritischen Rückmeldungen und hilfreichen Gespräche danken. Danke. Paderborn im Mai 2020
Marwin Felix Löper
V
Zusammenfassung
Die uneingeschränkte soziale Partizipation von Kindern mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF)1 im inklusiven Unterricht stellt eine zentrale Gelingensbedingung für die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Inklusion an Grundschulen dar. Hierbei wird den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF eine entscheidende Rolle für die gleichberechtigte soziale Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im gemeinsamen Unterricht zugesprochen. Insbesondere Kinder mit sozial-emotionalem Förderbedarf stellen aufgrund ihrer Verhaltensstörungen im Vergleich zu Kindern ohne oder mit anderem SPF (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung oder im Bereich Lernen) eine Risiko gruppe im inklusiven Klassenzimmer dar, die von den niedriger ausgeprägten Einstellungen ihrer Peers und einer geringeren sozialen Partizipation betroffen ist. Weitgehend unbekannt ist allerdings, durch welche Faktoren die niedrigeren Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF erklärt werden können. An dieser Stelle setzt die vorliegende Forschungsarbeit an, indem mit der Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden), dem bisherigen Kontakt zu Kindern mit SPF, dem sozialen Selbstkonzept sowie dem Wissen über SPF persönliche Ressourcen von Grundschulkindern als Determinanten für ihre Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF untersucht werden. Aus den Ergebnissen einer Fragebogenerhebung geht diesbezüglich hervor, dass die beteiligten N = 512 Grundschulkinder aus dritten und vierten Klassen im Allgemeinen neutral bis moderat positiv gegenüber ihren Peers
1Die
Bezeichnung »sonderpädagogischer Förderbedarf« wird in dieser Arbeit mit »SPF« abgekürzt. VII
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Zusammenfassung
mit sozial-emotionalem SPF eingestellt sind. Im Detail konnten keine Unterschiede zwischen ihren Einstellungen auf der Basis von Fallbeschreibungen gefunden werden, in denen sie kein oder zusätzliches Wissen in Form soziologischer oder medizinischer Erklärungen für das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem SPF erhalten haben. Anhand der Ergebnisse eines Strukturgleichungsmodells wird darüber hinaus ersichtlich, dass die Einstellungen der beteiligten Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF zwar durch ihren bisherigen Kontakt zu Kindern mit SPF und ihr Fürsorglichkeitsempfinden erklärt werden können, allerdings nicht durch ihre sozialen Selbstkonzepte und ihre Fähigkeit, die Perspektiven von Kindern mit SPF zu übernehmen. Die ermittelten Befunde geben zudem Hinweise darauf, dass die sozialen Selbstkonzepte der Kinder sowohl für ihr Fürsorglichkeitsempfinden als auch ihre Perspektivenübernahme prädiktiv sind.
Schlüsselwörter Inklusion • Soziale Partizipation • Einstellungen • Empathie • Grundschule
Abstract
Children’s social participation is considered to be a main requirement for the successful organisation and implementation of inclusive education in primary schools. In this context, primary school children’s attitudes towards their peers with special educational needs (SEN)2 play a decisive role for the successful and equal social participation of children with SEN in the inclusive classroom. Compared to children without or with other SEN (e.g., physical or learning disabilities), children with SEN in their social or emotional development represent a risk group in inclusive education which is affected by low social participation and minor attitudes of their classmates due to their behavioural problems. Currently, predictors of primary school students’ attitudes towards peers with SEN in their social-emotional development – such as personal resources like empathy (perspective taking/empathic concern), contact experiences with disabled peers, social self-concepts, or knowledge about SEN – remain unclarified. Therefore, the results of a quantitative questionnaire study generally indicate that primary school students (N = 512 third and fourth graders) hold neutral to moderately positive attitudes towards their peers with social-emotional SEN. In detail, no differences within the children’s attitudes depending on case descriptions, in which the children were given no or additional knowledge in the form of social or medical explanations for the described behaviour of a child with social-emotional SEN could be found. Whereas the findings of a structural equation model reveal primary school students’ attitudes towards peers with SEN in their social or emotional development to be predicted by their contact
2In
this thesis, the term »special educational needs« is abbreviated to »SEN«. IX
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Abstract
experiences with disabled peers as well as by their empathic concern, they are rather unrelated to children’s social self-concepts and their ability of perspective taking. Both children’s ability of perspective taking as well as their empathic concern can be explained by their social self-concepts.
Keywords Inclusion • Social participation • Attitudes • Empathy • Primary school
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Theoretischer und empirischer Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1.1 Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.2 Das der Forschungsarbeit zugrunde liegende Inklusionsverständnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.1.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für das eigene Forschungsvorhaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 Der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung . . . . . 18 2.3 Die soziale Partizipation von Kindern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im inklusiven Grundschulunterricht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.3.1 Definition und theoretisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.3.2 Empirische Befunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.3.2.1 Freundschaften/Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.3.2.2 Kontakte/Interaktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.3.2.3 (Selbst-)Wahrnehmung der sozialen Akzeptanz in der Klassengemeinschaft . . . . . . . . . 28 2.3.2.4 Akzeptanz durch Mitschülerinnen und -schüler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.3.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für das eigene Forschungsvorhaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.4 Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. . . . . 32 2.4.1 Definition und theoretisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
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Inhaltsverzeichnis
2.4.2 Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.4.2.1 Empathie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.4.2.2 Soziales Selbstkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.4.2.3 Kontakt/Freundschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.4.2.4 Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.4.3 Empirische Befunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.4.3.1 Einstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.4.3.2 Einstellungen und Empathie. . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.4.3.3 Einstellungen und Kontakt/Freundschaften . . . . . . 47 2.4.3.4 Einstellungen und soziales Selbstkonzept. . . . . . . . 49 2.4.3.5 Einstellungen und Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.4.3.6 Einstellungen und Geschlecht. . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.4.3.7 Empathie und Kontakt/Freundschaften. . . . . . . . . . 52 2.4.3.8 Empathie und soziales Selbstkonzept. . . . . . . . . . . 53 2.4.3.9 Empathie und Geschlecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.4.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für das eigene Forschungsvorhaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.5 Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen . . . . . . . . . . . . . . 56 2.5.1 Unterscheidungshypothesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.5.2 Zusammenhangshypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3 Empirische Studie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.1.1 Faktorenanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3.1.2 Reliabilitätsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.1.3 Multiple Gruppenvergleiche (Messinvarianz). . . . . . . . . . . . 74 3.1.4 Korrelationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.1.5 t-Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.1.6 Einfaktorielle Varianzanalyse (mit Messwiederholung) . . . . 79 3.1.7 Strukturgleichungsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.2 Beschreibung der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.2.1 Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.2.2 Durchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.2.3 Messinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.2.3.1 Fallbeschreibungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Inhaltsverzeichnis
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3.2.3.2 Messinstrument zur Erfassung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.2.3.3 Messinstrument zur Erfassung der Empathie von Grundschulkindern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.2.3.4 Messinstrument zur Erfassung des Kontakts von Grundschulkindern mit Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.2.3.5 Messinstrument zur Erfassung des sozialen Selbstkonzepts von Grundschulkindern . . . . . . . . . 97 3.2.4 Überprüfung der Messinstrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.2.4.1 Messinstrument zur Erfassung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.2.4.2 Messinstrument zur Erfassung der Empathie von Grundschulkindern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3.2.4.3 Messinstrument zur Erfassung des Kontakts von Grundschulkindern mit Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3.2.4.4 Messinstrument zur Erfassung des sozialen Selbstkonzepts von Grundschulkindern . . . . . . . . . 114 3.2.4.5 Multiple Gruppenvergleiche (Messinvarianz). . . . . 117 3.2.5 Skalenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3.3.1 Überprüfung der Unterscheidungshypothesen. . . . . . . . . . . . 121 3.3.2 Überprüfung der Zusammenhangshypothesen. . . . . . . . . . . . 128 3.3.2.1 Korrelationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3.3.2.2 Konfirmatorische Faktorenanalyse. . . . . . . . . . . . . 131 3.3.2.3 Strukturgleichungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.3.3 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse. . . . . . . . 143 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
1
Einleitung
Mit der Ratifizierung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (United Nations, 2006) und dem Inkrafttreten des Abkommens im Jahr 2009 hat sich die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den Bildungsbereich in Artikel 24 (Absatz 1) dazu verpflichtet, »das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung anzuerkennen [sowie] ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen ohne Diskriminierung auf der Grundlage der Chancengleichheit zu gewährleisten« (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2011, S. 21). Durch den Beschluss der UN-Behindertenrechtskonvention (United Nations, 2006) wird im Detail garantiert, dass der Zugang zu hochwertiger inklusiver Bildung an Grund- und weiterführenden Schulen unentgeltlich erfolgt und Menschen mit SPF entsprechend ihrer spezifischen Bedürfnisse bei dem Erwerb lebenspraktischer Fertigkeiten und sozialer Kompetenzen individuell unterstützt und gefördert werden, um gleichberechtigt und in vollem Umfang an der Bildung sowie am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Gegenwärtig stellen die umfassende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (United Nations, 2006) und die darauf folgenden Empfehlungen zur »Inklusive[n] Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen« des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2011) die Grundschulpraxis vor große Herausforderungen. Während Kinder mit SPF traditionell in Förderschulen mit eigens auf ihre individuellen Bedürfnisse ausgerichteten Lehr- und Lernarrangements (z. B. speziell ausgebildete Sonderpädagoginnen und -pädagogen, angepasste Schulausstattungen und LehrLernmaterialien etc.) unterrichtet wurden, gilt es nun, einen gemeinsamen Unterricht für alle Kinder in der allgemeinen Grundschule zu gestalten und umzusetzen. Dabei ist aus bildungspolitischer und bildungswissenschaftlicher Perspektive weitgehend © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. F. Löper, Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit Förderbedarf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30922-0_1
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ungeklärt, welche Gelingensbedingungen für die erfolgreiche Realisierung einer inklusiven Grundschulpraxis entscheidend sind. In empirischen Studien (z. B. Pijl, Frostad & Flem, 2008) konnte nachgewiesen werden, dass die rein physische Anwesenheit von Schülerinnen und Schülern mit SPF im Unterricht der Regelschule lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung inklusiven Unterrichts darstellt. Vielmehr gilt es im Rahmen einer grundlagenorientierten Forschung zu klären, wie Grundschulkinder mit SPF angemessen in den gemeinsamen Unterricht und in die Klassengemeinschaft eingebunden werden können, damit sie sowohl aus sozialer als auch aus fachlicher Perspektive vom inklusiven Grundschulunterricht profitieren. Ein zentrales Kriterium, das Aufschluss darüber gibt, ob und inwiefern die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit SPF in den gemeinsamen Grundschulunterricht gelingt und in welchem Umfang Kinder mit SPF gleichberechtigt an allen Unterrichtsaktivitäten teilhaben können, stellt die »soziale Partizipation« dar (Schwab, 2016a). Nach Koster, Nakken, Pijl und Van Houten (2009) ist die erfolgreiche soziale Partizipation von Kindern mit SPF in den gemeinsamen Unterricht übergeordnet dadurch gekennzeichnet, dass gegenseitige Freundschaften, positive soziale Beziehungen, Kontakte und Interaktionen zwischen Grundschulkindern mit und ohne SPF bestehen, die Kinder mit SPF über eine positive (Selbst-)Wahrnehmung ihrer sozialen Akzeptanz in der Klassengemeinschaft verfügen und von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern in der Klassengemeinschaft sozial akzeptiert werden. Vor allem Grundschulkinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung weisen aufgrund ihrer Verhaltensstörungen einen niedrigen sozialen Status und eingeschränkte Partizipationsmöglichkeiten in der Klassengemeinschaft auf (Henke et al., 2017; Schwab, 2018). Diesen Kindern fällt es meist schwer, sozial mit Mitschülerinnen und -schülern zu interagieren, soziale Beziehungen einzugehen und langfristig aufrechtzuerhalten. Im Vergleich zu ihren Klassenkameradinnen und -kameraden ohne oder mit einem anderen SPF (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung oder im Bereich Lernen) haben Kinder mit sozial-emotionalem Förderbedarf daher oft weniger Freundschaften, sind häufiger einsam und werden von den übrigen Schülerinnen und Schülern in ihrer Klasse weniger sozial akzeptiert (De Monchy, Pijl & Zandberg, 2004; Krull, Wilbert & Hennemann, 2014a; Mand, 2007). Einen wichtigen Faktor zur Erklärung der sozialen Partizipation von Grundschulkindern mit sozial-emotionalem SPF im inklusiven Unterricht stellen die Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und -schüler dar (z. B. De Boer, Pijl &
1 Einleitung
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Minnaert, 2012; De Boer, Pijl, Post & Minnaert, 2013). Unter »Einstellungen« werden nach Eagly und Chaiken (1993) die Bereitschaften eines Individuums verstanden, einem Einstellungsobjekt (z. B. einem Menschen mit SPF) annehmend oder ablehnend zu begegnen. In diesem Zusammenhang konnte bereits gezeigt werden, dass Grundschulkinder im Allgemeinen zwar neutral bis moderat positiv gegenüber Peers mit SPF eingestellt sind, ihre Einstellungen jedoch in Abhängigkeit der verschiedenen Förderbedarfe variieren (z. B. De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). Demnach sind Grundschülerinnen und -schüler signifikant weniger positiv gegenüber Peers mit einem sozial-emotionalen Förderbedarf eingestellt als gegenüber Peers mit anderen Förderbedarfen – z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung oder im Bereich Lernen (z. B. Hellmich, Löper, Görel & Pfahl, 2017; Schwab, 2015). Trotz der stetig zunehmenden Erkenntnisse aus empirischen Studien über die Einstellungsausprägungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Peers mit SPF ist weiterhin nur wenig darüber bekannt, wie die niedriger ausgeprägten Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Mitschülerinnen und -schülern mit einem emotional-sozialen Förderbedarf und die damit verbundene niedrigere soziale Partizipation dieser Kinder im inklusiven Grundschulunterricht im Detail erklärt werden können. An dieser Stelle setzt die vorliegende Forschungsarbeit an. Auf der Grundlage des Organisationsmodells der Empathie nach Davis (2018) wird untersucht, wie und in welchem Umfang sich interpersonelle Reaktionen – z. B. das Sozialverhalten und die dafür notwendigen Einstellungen (vgl. »Theorie des geplanten Verhaltens«; Ajzen, 1991) – durch intrapersonelle Reaktionen (z. B. Fürsorglichkeitsempfinden), kognitive Prozesse (z. B. Perspektivenübernahme), personenbezogene (z. B. soziales Selbstkonzept) sowie situative Voraussetzungen (z. B. Kontakt zu Menschen mit SPF) erklären lassen. Zur Überprüfung der angenommenen Beziehungen wird im Rahmen dieser Arbeit eine Strukturgleichungsanalyse des in Abbildung 1.1 dargestellten Modells durchgeführt. Vor dem bestehenden theoretischen und empirischen Hintergrund (vgl. »Empirische Befunde« – 2.4.3) wird erwartet, dass sich die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF durch ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden; Armstrong, Morris, Abraham, Ukoumunne & Tarrant, 2016), ihren bisherigen Kontakt zu Peers mit SPF (Armstrong, Morris, Abraham & Tarrant, 2017; Hellmich & Loeper, 2019; MacMillan, Tarrant, Abraham & Morris, 2014; Schwab, 2017) und ihr soziales Selbstkonzept (Hellmich & Loeper, 2018) erklären lassen.
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1 Einleitung
Geschlecht Kontakt Klasse
Empathie
Soziales Selbstkonzept
Perspektivenübernahme
Einstellungen ESE
Fürsorglichkeitsempfinden
Abbildung 1.1 Theoretisch angenommenes Strukturgleichungsmodell (eigene Darstellung).
Darüber hinaus wird in der vorliegenden Untersuchung die Relation zwischen dem Wissen von Kindern über sonderpädagogische Förderbedarfe und ihren Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF näher in den Blick genommen. Aus der gegenwärtigen Forschung (z. B. Campbell, 2007; De Boer, Pijl & Minnaert, 2012) ist hierzu bereits bekannt, dass ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Mitschülerinnen und -schülern mit einem SPF und ihrem Wissen über sonderpädagogische Förderbedarfe besteht. Studien, in denen der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung fokussiert wird, stehen allerdings noch aus. So ist derzeit noch nicht empirisch nachgewiesen, ob und in welchem Ausmaß sich die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF unterscheiden, wenn ihnen mehr Wissen über diesen Förderschwerpunkt anhand von Fallbeschreibungen vermittelt wird, in denen das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem SPF lediglich beschrieben sowie zusätzlich aus soziologischer oder medizinischer Perspektive erklärt wird. Diesem Forschungsdesiderat wird in der vorliegenden Arbeit nachgegangen.
1 Einleitung
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Zuletzt besteht ein zentrales Forschungsinteresse darin, mögliche Effekte durch das Geschlecht von Grundschulkindern sowie deren Freundschaften zu Peers mit SPF auf ihre Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihre Empathie zu untersuchen. In diesem Kontext konnte in empirischen Untersuchungen bereits nachgewiesen werden, dass Mädchen signifikant positiver gegenüber Peers mit einem SPF eingestellt sind, die Perspektiven ihrer Mitschülerinnen und -schüler besser übernehmen können und fürsorglicher sind als Jungen (z. B. Bengtsson & Arvidsson, 2011; De Boer, Pijl & Minnaert, 2012; De Minzi, 2013). Dieser Befund konnte auch zugunsten von Kindern mit Freundschaften zu Peers mit SPF gefunden werden (z. B. Armstrong et al., 2016; Johnston & Glasford, 2018; Mavropoulou & Sideridis, 2014; Schwenck et al., 2014). Spezifische Befunde für den Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung stehen allerdings gegenwärtig noch aus und sollen im Rahmen dieser Forschungsarbeit erbracht werden. Zur Beantwortung der Fragestellungen ist die vorliegende Arbeit wie folgt aufgebaut: Im »theoretischen und empirischen Teil« (2) werden zunächst die zentralen Rahmenkonzepte »Inklusion« (2.1), der »Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (2.2) sowie die »Soziale Partizipation von Kindern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im inklusiven Grundschulunterricht« (2.3) definiert. Daran anschließend werden die im Strukturgleichungsmodell (Abbildung 1.1) operationalisierten Konstrukte näher in den Blick genommen. Beginnend mit der abhängigen Variable – den »Einstellungen« (2.4) – werden darauf folgend die theoretisch angenommenen »Erklärungsfaktoren« (2.4.2) verortet: »Empathie« (2.4.2.1), »soziales Selbstkonzept« (2.4.2.2), »Kontakt/Freundschaften« (2.4.2.3) und »Wissen« über SPF (2.4.2.4). Die in Abschnitt 2.4.3 skizzierten Forschungsstände dienen dazu, bestehende »Forschungsdesiderate« aufzuzeigen und »Forschungshypothesen« (2.5) zu formulieren, die im Rahmen der »empirischen Studie« (3) überprüft werden. Hierzu werden zunächst die »Methoden der Datenanalyse und -auswertung« (3.1) erläutert, die zur Überprüfung der Messinstrumente und der aufgestellten Forschungshypothesen verwendet werden. Daran anschließend folgt eine »Beschreibung der Studie« (3.2) und die Darstellung der »Ergebnisse« (3.3). Die ermittelten Forschungsbefunde werden abschließend zusammengefasst und vor dem beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund diskutiert (3.3.3).
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Theoretischer und empirischer Hintergrund
Im theoretischen und empirischen Hintergrund dieser Forschungsarbeit werden die der Untersuchung zugrunde liegenden Konzepte definiert und die hierzu gegenwärtig vorliegenden Forschungsstände aufgeführt. Das Kapitel ist wie folgt gegliedert: Zunächst werden mit der »Inklusion« (2.1), dem »Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (2.2) und der »Sozialen Partizipation von Kindern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im inklusiven Grundschulunterricht« (2.3) die wesentlichen theoretischen Konzepte erläutert, durch welche die vorliegende Arbeit gerahmt ist. Daran anschließend werden diejenigen Konstrukte aus theoretischer und empirischer Perspektive erörtert, die im Rahmen der statistischen Analysen betrachtet werden: »Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (2.4), »Empathie« (2.4.2.1), »soziales Selbstkonzept« (2.4.2.2), »Kontakt/Freundschaften« (2.4.2.3) sowie »Wissen« über SPF (2.4.2.4). Das Kapitel endet mit der Vorstellung der »Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen« (2.5).
2.1 Inklusion Mit der Unterzeichnung der Salamanca-Erklärung (UNESCO, 1994) und der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (United Nations, 2006) wurden erstmals rechtsgültige Grundlagen für die Gestaltung und Umsetzung eines inklusiv ausgerichteten Schulsystems in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen, in dem alle Kinder unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen gemeinsam lernen können. Seither wird sowohl auf (bildungs-) politischer, (bildungs-)wissenschaftlicher als auch gesellschaftlicher Ebene © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. F. Löper, Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit Förderbedarf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30922-0_2
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
kontrovers über die Möglichkeiten und Grenzen hinsichtlich der Umsetzung von Inklusion diskutiert (Grosche, 2015). Problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang, dass derzeit eine einheitliche Sprach- und Verständnisgrundlage fehlt (z. B. Grosche, 2015; Hinz, 2002; Sander, 2004a; Wocken, 2010): »Zwar haben die meisten Menschen eine gewisse Vorstellung von Inklusion, aber niemand scheint Inklusion präzise definieren zu können« (Grosche, 2015, S. 20). Das Fehlen einer konsensfähigen Definition hat zur Folge, dass die Debatten um Inklusion auf der Basis unterschiedlicher – teils gegensätzlicher – Verständnisse geführt werden (Sander, 2004a; Wocken, 2010). Grosche (2015) fasst die aktuelle Situation um Inklusion daher wie folgt kritisch zusammen: »Metaphorisch wird um ‚Obst‘ insgesamt diskutiert, ohne ‚Obst‘ zuvor hinreichend und vor allem explizit zu definieren. So entstehen Debatten, in denen gemeinsam über ‚Obst‘ diskutiert wird, die eine Seite aber ‚Äpfel‘ und die andere ‚Birnen‘ im Sinn hat. Solche Debatten sind nicht zielführend« (Grosche, 2015, S. 19).
Die Schwierigkeit, eine geeignete, einheitliche und allgemein anerkannte Definition von Inklusion zu finden, ergibt sich vor allem aus dem umfassenden Bedeutungsspektrum des Konzepts (Schlee, 2012). Je nach (Forschungs-) Perspektive können unter Inklusion z. B. Einstellungen und Haltungen gegenüber der Unterschiedlichkeit und Andersartigkeit von Menschen, die Notwendigkeit schulischer oder (gesamt-)gesellschaftlicher Veränderungen, die Einforderung rechtlicher Ansprüche, die gemeinsame Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne SPF oder die Wertschätzung und Anerkennung von Vielfalt verstanden werden (Schlee, 2012, S. 103–104). Auch in einschlägigen Publikationen zur theoretischen Konzeption von Inklusion (z. B. dem Index für Inklusion; Booth & Ainscow, 2019) lassen sich lediglich definitorische »Eckpfeiler« ausmachen, mit denen jeweils unterschiedliche Absichten, Hoffnungen, Wünsche und Ziele in Hinblick auf die Gestaltung und Umsetzung von Inklusion verbunden sind (Schlee, 2012). Eine eindeutige Definition von Inklusion findet sich gegenwärtig nicht (Grosche, 2015; Schlee, 2012). Die Suche nach einem konsensfähigen Inklusionsverständnis wird zudem dadurch erschwert, dass mit der »Inklusion« und der »Integration« im deutschen Sprachgebrauch gleich zwei theoretische Konzepte (ko)existieren, die sich inhaltlich nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen (z. B. Hinz, 2002; Sander, 2004a). Nach Schlee (2012) ergeben sich aus der unklaren Definitionslage vielfältige Probleme und Herausforderungen für alle an der Gestaltung und Umsetzung von Inklusion beteiligten Disziplinen. Unklare Begriffsvorstellungen erhöhen dabei insbesondere das Risiko für Missverständnisse und Ungenauigkeiten in
2.1 Inklusion
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der Planung, Durchführung sowie Evaluation inklusiver (Forschungs-)Vorhaben (Schlee, 2012). Beispielsweise wird Inklusion in der empirischen Bildungsforschung zumeist als der gemeinsame Unterricht von Lernenden mit und ohne SPF verstanden (Grosche, 2015). Nach Grosche (2015) ist dieses Verständnis von Inklusion zwar nicht gänzlich falsch, verbleibt in der Ausführung allerdings zu unkonkret und oberflächlich. Dies hat zur Folge, dass empirische Untersuchungsobjekte im Zusammenhang mit der Gestaltung und Umsetzung inklusiver Maßnahmen nicht eindeutig bestimmt und operationalisiert werden können (Grosche, 2015). Um die Angreifbarkeit und Fehlinterpretation von Forschungsergebnissen der empirischen Bildungsforschung zu vermeiden, ist es daher notwendig, die unterschiedlichen Perspektiven auf Inklusion klarer als bisher auseinanderzuhalten und in jeder Untersuchung eindeutig zu benennen (Grosche, 2015). Zu diesem Zweck schlagen sowohl Grosche (2015) als auch Wocken (2010) die begründete Verwendung des Inklusionsbegriffs vor, aus dem das eigene, »temporär, singulär und reduziert untersuchte Verständnis von Inklusion« explizit hervorgeht, »ohne sich in Begriffsdiskussionen zu verlieren« (Grosche, 2015, S. 31). Um dieser Forderung nachzukommen, werden im Abschnitt 2.1.1 zunächst die Begriffe »Inklusion« und »Integration« bestimmt sowie die gegenwärtig vorliegenden Verständnisse zum Zusammenhang der beiden Konzepte herausgearbeitet. Daran anschließend wird das Inklusionsverständnis erläutert, welches dieser Forschungsarbeit zugrunde gelegt wird (2.1.2). In einem Fazit (2.1.3) werden die wesentlichen Erkenntnisse des Kapitels abschließend zusammengefasst und deren Wichtigkeit für das eigene Forschungsvorhaben herausgestellt.
2.1.1 Begriffsbestimmung Im Zuge der Gestaltung und Umsetzung eines inklusiven Bildungswesens hat sich eine weitreichende Debatte um das Verständnis von »Inklusion« und »Integration« entwickelt (z. B. Hinz, 2002; Sander, 2004a; Wocken, 2010). Während einige Autorinnen und Autoren »Inklusion« und »Integration« als inhaltlich klar voneinander abgegrenzte Konzepte verstehen (z. B. Porter, 1997; Wocken, 2010), vertreten andere Autorinnen und Autoren die Auffassung, dass es sich bei den Begriffen entweder um Synonyme oder zumindest inhaltlich stark verwandte Konzepte handelt (z. B. Grosche, 2015; Sander, 2004a). Die unklare Begriffslage und die daraus resultierenden – z. T. gegensätzlichen – Perspektiven auf die Zusammenhänge zwischen »Inklusion« und »Integration« lassen sich unter anderem auf missverständliche Übersetzungen in der Salamanca-Erklärung (UNESCO, 1994) und
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
der UN-Behindertenrechtskonvention (United Nations, 2006) zurückführen. So werden die international anschlussfähigen Begriffe »inclusion« und »inclusive« sowohl in der deutschen Fassung der Salamanca-Erklärung (UNESCO, 1994) als auch in der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (United Nations, 2006) mit »Integration« und »integrativ« übersetzt (Sander, 2004a). Diese Übersetzungen tragen wesentlich zu den bestehenden Begriffsunklarheiten bei (Grosche, 2015; Sander, 2004a). Um die begrifflichen Schwierigkeiten aufzulösen, unterscheidet Sander (2004a, 2004b) in seinen Ausführungen zur Umsetzung einer inklusiven Pädagogik zwischen drei verschiedenen Inklusionskonzepten: Dem Konzept »Inklusion gleich Integration« (»Inklusion I« – Undifferenzierte Gleichsetzung mit Integration) liegt das Verständnis zugrunde, dass »Inklusion« und »Integration« inhaltlich gleichbedeutend sind und die Begriffe daher synonym verwendet werden können. Bei dem Konzept »Inklusion gleich optimierte Integration« (»Inklusion II« – Von Fehlformen bereinigte Integration) sollen fehlerhafte Entwicklungen in der integrativen Schulpraxis erkannt und im Rahmen der Umsetzung von Inklusion systematisch vermieden werden. Das richtungsweisende und zukunftsfähige Konzept von Inklusion stellt für Sander (2004a) die »Inklusion gleich optimierte und erweiterte Integration« (»Inklusion III« – Optimierte und umfassend erweiterte Integration) dar. Demnach ist es das übergeordnete Ziel bei der Gestaltung und Umsetzung von schulischer Inklusion, das bestehende Bildungssystem durch qualitativ hochwertige konzeptionelle Veränderungen an die individuellen Bedürfnisse aller Kinder anzupassen und nicht – wie ursprünglich in der Integrationspraxis üblich – die Kinder an das jeweilige Bildungssystem. Auf diese Weise soll ein Unterricht entstehen, in dem »[…] die Unterschiedlichkeit der Kinder nicht mehr als Störfaktor betrachtet wird, sondern als Ausgangslage und […] als Zielvorstellung der pädagogischen Arbeit. Die Akzeptanz der Unterschiedlichkeit steht im Zentrum« (Sander, 2004a, S. 242). Der Ansatz, das Verständnis von Inklusion anhand inhaltlicher Zusammenhänge zwischen »Inklusion« und »Integration« zu definieren, wird von einigen Autoren kritisch betrachtet. So plädieren z. B. Porter (1997) und Wocken (2010) für eine klare Unterscheidung der beiden Konzepte. Als Schulinspektor war Porter maßgeblich an der Gestaltung und weitreichenden Umsetzung inklusiver Schulen im kanadischen Schulbezirk New Brunswick beteiligt. Basierend auf den Erfahrungen, die er und seine Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Programms sammeln konnten, hat Porter (1997) wesentliche Unterschiede zwischen dem vormals praktizierten integrativen – von ihm bereits Ende der Neunzigerjahre als »traditional approach« bezeichneten – Ansatz und dem neu eingeführten Inklusionsansatz aufgeführt. Anhand von fünf Merkmalen konnte
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er auf diese Weise die konzeptionellen Veränderungen vom integrativen zum inklusiven Ansatz veranschaulichen. (1) Während beim traditionellen Ansatz die Unterstützung und Förderung einzelner Kinder mit Förderbedarf im Fokus steht und die übrige Klasse nicht weiter bei förderdiagnostischen Prozessen berücksichtigt wird, zielt der inklusive Ansatz darauf ab, die individuellen Bedürfnisse aller Kinder in einer Klasse in geeigneter Weise in den Blick zu nehmen. (2) Im traditionellen Ansatz wird der Förderbedarf eines auffälligen Kindes durch Expertinnen und Experten (z. B. Sonderpädagoginnen und -pädagogen) diagnostiziert. In der Folge werden Förderempfehlungen ausgesprochen, die darauf abzielen, die »unzureichend« ausgeprägten Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kindes in positiver Weise zu verändern. In bestimmten Fällen kann auch die Überweisung zu einer Förderschule ausgesprochen werden. Als Ursachen für die notwendige Förderung werden die individuellen Voraussetzungen des Kindes angesehen. Bei dem inklusiven Ansatz wird nicht die Veränderung des Kindes angestrebt, sondern die Veränderung der vorhandenen Lehr- und Lernbedingungen, um allen Kindern eine bestmögliche individuelle Leistungsförderung und Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen. Das übergeordnete Ziel ist die Entwicklung einer Schulkultur, in der Andersartigkeit als Normalität anerkannt wird. (3) Bei dem traditionellen Ansatz wird die Zuordnung eines Kindes zu einer bestimmten Förderkategorie durch einen Förderausschuss beschlossen. In der inklusiven Schule sollen alle an der Entwicklung des Kindes beteiligten Personengruppen (Eltern, Lehrer, Schulleitung etc.) in die förderdiagnostischen Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. (4) Im traditionellen Ansatz erhalten einzelne Kinder mit SPF einen individuellen Förderplan. Diese Form der individuellen Förderung kann dazu führen, dass Kinder mit Förderbedarf von der Lehrkraft gesondert behandelt und von den Klassenkameradinnen und -kameraden ausgeschlossen werden. Der inklusive Ansatz zielt darauf ab, die Handlungskompetenzen der Lehrkräfte und ihre Fähigkeit zur Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen zu stärken, um alle Kinder einer Klasse mit ihren individuellen Bedürfnissen angemessen unterstützen und fördern zu können, ohne Kinder gesondert zu behandeln oder auszuschließen. (5) Während im traditionellen Ansatz die Unterbringung von Kindern mit Förderbedarf in eigens für ihre individuellen Bedürfnisse ausgelegten Förderschulen angestrebt wird, ist es das Ziel im Inklusionsansatz, die Ausstattungen und Arbeitsweisen aller Regelschulen so zu verändern, dass jedes Kind wohnortsnah die bestmögliche Unterstützung erhält.
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Genau wie Porter (1997) ist auch Wocken (2010) der Überzeugung, dass es sich bei der »Inklusion« und der »Integration« um zwei Konzepte handelt, die sich aufgrund inhaltlicher Merkmale trennscharf voneinander abgrenzen lassen. Auf der Grundlage von Sanders (2004a, 2004b) »Konzepte[n] einer inklusiven Pädagogik« hat Wocken (2010) ein werthierarchisches Modell entwickelt, in dem er zwischen den vier Qualitätsstufen »Exklusion«, »Separation«, »Integration« und »Inklusion« unterscheidet. Mit dem Aufsteigen der Stufen werden Menschen mit Behinderungen mehr und qualitativ hochwertigere Rechte und gesellschaftliche Anerkennungsformen zuteil. Eine Sonderstellung nimmt die »Extinktion« (»Auslöschung«) ein. Nach Wocken (2010) handelt es sich dabei nicht um eine Qualitätsstufe, da Menschen mit Behinderungen hier jegliche Anerkennungsformen und Rechte – sogar das Lebensrecht – von der Gesellschaft verwehrt werden. »Extinktion« lag z. B. zur Zeit des Nationalsozialismus vor, in der Menschen mit Behinderungen systematisch verfolgt und ermordet wurden. Die Stufe der »Exklusion« ist dadurch gekennzeichnet, dass Menschen mit besonderen Förderbedarfen das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und die soziale sowie emotionale Zuwendung durch die Gesellschaft gesetzlich garantiert wird. Gewalttaten gegen oder Tötungen von Menschen mit Förderbedarfen werden strafrechtlich verfolgt. Menschen mit Förderbedarfen besitzen auf dieser Stufe kein Recht auf Bildung. Sie werden von Erziehungsund Bildungsprozessen im Schulsystem systematisch ausgeschlossen. Auf der Stufe der »Separation« haben Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf das Recht auf Bildung und pädagogische Unterstützung in speziell auf ihre besonderen Bedürfnisse ausgerichteten Förderschulen. Die entscheidende Voraussetzung für dieses Recht ist die gesellschaftliche Erkenntnis, dass Menschen mit Behinderungen bildsam sind (vgl. hierzu die »Geschichte der heil- und sonderpädagogischen Institutionen im schulischen Bereich«; Ellger-Rüttgardt, 2012). Die Qualitätsstufe kann weiter in »Separation« und »Segregation« unterteilt werden. Unter Separation wird in diesem Zusammenhang die räumliche Trennung von Menschen mit und ohne Behinderungen zwischen Gebäuden verstanden. Segregation bedeutet die räumliche Trennung innerhalb von Gebäuden (Powell & Pfahl, 2012). Die »Integration« meint im Sinne einer Zwei-Gruppen-Theorie den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne SPF in der allgemeinen Schule. Während Kinder ohne SPF nach dem vorgegebenen Curriculum der Regelschule unterrichtet werden, erhalten Kinder mit Förderbedarf speziell auf ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmte Lernarrangements. Nach Wocken (2010, S. 220) stellt die Integration ein »Antragsrecht dar, dem entsprochen werden kann – oder auch nicht«. Voraussetzungen für die Integration von Menschen mit Förderbedarfen in den Unterricht der Regelschule sind zum einen
2.1 Inklusion
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die attestierte »Integrationsfähigkeit« durch (sonder-)pädagogische Experten und zum anderen das Vorhandensein ausreichender Ressourcen (z. B. Integrationskräfte, räumliche und materielle Ausstattung), um einen integrativen Unterricht ermöglichen zu können. Die werthöchste Qualitätsstufe stellt nach Wocken (2010) die »Inklusion« dar. Auf dieser Ebene haben alle Menschen dieselben Rechte. Diagnostik und Förderung sind bei der Inklusion nicht mehr nur auf kategoriale Förderbedarfe ausgerichtet, sondern umfassen alle Heterogenitätsdimensionen (z. B. Kompetenzen, Geschlecht, Alter, Religion, Sprache, Kultur, sexuelle Orientierung etc.). Auf jegliche Formen der Dichotomisierung, Etikettierung und Kategorisierung wird vollends verzichtet. Inklusion ist demzufolge als »nonkategoriale, namenlose Verschiedenheit« zu verstehen (Wocken, 2010, S. 224). Im Gegensatz zur Integration ist die Inklusion durch die Unterzeichnung der Salamanca-Erklärung (UNESCO, 1994) und die Ratifizierung der U NBehindertenrechtskonvention (United Nations, 2006) in Deutschland geltendes Recht und somit nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die Menschen mit SPF erfüllen müssen, um Zugang zu erziehenden oder bildenden Einrichtungen zu erhalten: »Integration appelliert an den guten Willen, an Humanität und an Freiwilligkeit; Inklusion stellt sich nicht zur Diskussion und beruft sich auf ein einklagbares Recht. […] aus dem Wunsch nach Integration ist ein Recht auf Inklusion geworden. Das Ethos eines sozialen Humanismus wird nun ersetzt durch die rechtlich kodifizierte Gleichwertigkeit aller Menschen« (Wocken, 2010, S. 219).
Der Inklusion liegt somit die Auffassung zugrunde, dass alle Menschen »ausnahmslos integrationsfähig« sind (Wocken, 2010, S. 221), was bedeutet, dass Lehr- und Lernumgebungen an die besonderen Bedürfnisse aller Kinder und Jugendlichen anzupassen sind und nicht die Kinder und Jugendlichen an die Beschaffenheit eines bestehenden Bildungssystems. Die von Wocken (2010) vorgeschlagene Unterscheidung in »Inklusion« und »Integration« wird von verschiedenen Autoren (z. B. Grosche, 2015; Hinz, 2004) als nicht gänzlich unproblematisch gesehen. So konnte Hinz (2004) im Rahmen einer historischen Auseinandersetzung mit den Begriffen »Inklusion« und »Integration« zeigen, dass Integration in der Vergangenheit dieselbe inhaltliche Bedeutung besaß wie Inklusion heute. Demnach sollten alle Menschen unabhängig von ihrer Behinderung, ihrer Religion, ihrem Geschlecht etc. gesellschaftlich anerkannt und eine – ihren individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechende – umfassende Unterstützung erhalten. Im Zuge der Umsetzung integrativer Maßnahmen hat sich dieses ursprünglich vielfältige
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Verständnis von Integration zunehmend reduziert. Gegenwärtig wird unter Integration meist nur das Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Förderbedarf im Unterricht der Regelschule verstanden (z. B. Grosche, 2015). Weitere Heterogenitätsdimensionen bleiben unberücksichtigt. Die derzeit »praktizierte« Integration widerspricht somit dem eigentlichen Verständnis von Integration, alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von verschiedenen Bedürfnissen in der Schule aufzunehmen und zu fördern (Hinz, 2004). Mit der Übernahme des Begriffs »Inklusion« aus der englischsprachigen Literatur wurde daher der Versuch unternommen, diese – mit der schulpraktischen Umsetzung von Integration entstandenen – Fehlentwicklungen zu beheben und das Hauptaugenmerk wieder auf die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse aller Kinder und Jugendlichen zu richten (Grosche, 2015; Hinz, 2004). Nach Hinz (2015, S. 68) stellt die Inklusion somit kein klar von der Integration abgrenzbares Konzept dar, sondern lediglich eine um »Fehlentwicklungen bereinigte Form von Integration« (vgl. Sander, 2004a; 2004b) und verbleibt vorerst ein »unscharfer und konturenloser Modebegriff«. Gegen eine klare Unterscheidung der Begriffe »Inklusion« und »Integration« spricht zudem, dass die von Wocken (2010) vorgeschlagenen Stufen inhaltliche Überschneidungen aufweisen. Grosche (2015) verdeutlicht diese Überschneidungen anhand des Versuchs, Kinder mit SPF eindeutig einer Qualitätsstufe in Wockens (2010) Modell zuzuordnen. Demnach können Kinder mit SPF zwar auf der einen Seite als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt sein. Auf der anderen Seite liegen mit den Dimensionen »kein SPF« und »SPF« weiterhin dichotome Unterscheidungen im Sinne der Z wei-Gruppen-Theorie vor. Eine präzise Abgrenzung von »Inklusion« und »Integration« im Sinne des Modells ist nicht möglich (Grosche, 2015). Vor dem beschriebenen Hintergrund ist gegenwärtig ungeklärt, in welcher Beziehung »Inklusion« und »Integration« zueinanderstehen und ob sich diese Qualitätsstufen überhaupt empirisch trennscharf voneinander abgrenzen lassen (Grosche, 2015; Hinz, 2004). Folglich ist davon auszugehen, dass Inklusion – in der von Wocken (2010) definierten Form – derzeit weder auf schulischer noch auf (gesamt-)gesellschaftlicher Ebene umgesetzt wird (Grosche, 2015). Insbesondere im schulischen Kontext liegt weiterhin das Verständnis eines integrativen Unterrichts zugrunde, in dem zwischen Kindern und Jugendlichen »mit und ohne SPF« unterschieden wird (Grosche, 2015). Insgesamt wird deutlich, dass die sprachliche und inhaltliche Trennung von »Inklusion« und »Integration« derzeit eher unzureichend und künstlich gelingt. Grosche (2015, S. 26) schlägt daher vor, die bestehende Dichotomie von »Inklusion« und »Integration« aufzugeben und stattdessen einheitlich den
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international anschlussfähigen und sowohl durch die englischsprachige Fassung der Salamanca-Erklärung (UNESCO, 1994) als auch der UNBehindertenrechtskonvention (United Nations, 2006) legitimierten Begriff »Inklusion« zu verwenden. Damit geht allerdings die Notwendigkeit einher, das eigene Verständnis von Inklusion explizit zu erläutern, um eine konsensfähige Diskussionsgrundlage zu schaffen. Zu diesem Zweck wird in Abschnitt 2.1.2 das Inklusionsverständnis vorgestellt, welches dieser Arbeit zugrunde gelegt wird.
2.1.2 Das der Forschungsarbeit zugrunde liegende Inklusionsverständnis Unter Inklusion kann übergeordnet die Vision einer Gesellschaft verstanden werden, in der Unterschiedlichkeit nicht länger etikettiert, kategorisiert und hierarchisch geordnet wird, sondern in der Heterogenität wertschätzend und respektvoll begegnet wird (Ainscow & Miles, 2008). Das Ziel einer solchen inklusiven Gesellschaft ist es, die Diskriminierung benachteiligter Personengruppen auf ein Minimum zu reduzieren und die soziale Partizipation aller Menschen zu maximieren (Werning & Lütje-Klose, 2016). Im Sinne einer »Wertedefinition« kann Inklusion demnach als »unteilbares Menschenrecht auf soziale Teilhabe [Partizipation]« in der Gesellschaft, der Schule und im Unterricht verstanden werden (Grosche, 2015, S. 35). Soziale Partizipation meint dabei das Ausmaß, mit dem Menschen uneingeschränkt an allen gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen und diese durch ihr Recht auf Mitsprache und Mitbestimmung aktiv mitgestalten können (Schwalb & Theunissen, 2009). In Bezug auf den inklusiven Grundschulunterricht stellt die soziale Partizipation ein zentrales Kriterium dar, das Aufschluss darüber gibt, in welchem Umfang Kinder mit SPF gleichberechtigt an allen unterrichtlichen und sozialen Aktivitäten in ihrer Klassengemeinschaft aktiv beteiligt sind (Schwab, 2018). In diesem Zusammenhang umfasst die soziale Partizipation insbesondere die Akzeptanz durch Peers, positive Kontakte sowie Freundschaften mit Peers, ein hohes Wohlbefinden und das Gefühl von Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (Koster et al., 2009)1. Gegenwärtig stellt die umfassende Umsetzung von sozialer Partizipation die inklusive Grundschulpraxis vor große
1Eine
differenzierte Definition findet sich im Kapitel »Die soziale Partizipation von Kindern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im inklusiven Grundschulunterricht« (2.3).
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Herausforderungen. Demnach weisen Kinder mit SPF eine niedrigere soziale Partizipation auf als Kinder ohne SPF (z. B. Avramidis, Avgeri & Strogilos, 2018; Henke et al., 2017). Insbesondere Schülerinnen und Schüler mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung sind aufgrund ihrer Verhaltensstörungen häufig in der Klassengemeinschaft sozial ausgegrenzt und nur wenig von ihren Klassenkameradinnen und -kameraden akzeptiert (z. B. De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007). Kindern mit sozial-emotionalem SPF fällt es meist schwer, mit ihren Peers sozial zu interagieren sowie (langfristig andauernde) Beziehungen und Freundschaften mit Mitschülerinnen und -schülern einzugehen. Als eine zentrale Determinante zur Erklärung der sozialen Partizipation von Kindern mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung im inklusiven Unterricht der Grundschule werden die Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler angenommen (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). Vor diesem Hintergrund sollte in einer gelungenen inklusiven Grundschulpraxis der Heterogenität mit positiver Einstellung, Wertschätzung und Anerkennung begegnet werden, um Lernenden mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung die uneingeschränkte soziale Partizipation zu ermöglichen. Grosche (2015, S. 34) ordnet diese von Wertschätzung und positiven Einstellungen geprägte Atmosphäre im inklusiven Unterricht der »Einstellungsdefinition« von Inklusion zu. Das Ziel, eine inklusive Grundschulpraxis zu etablieren, in der die soziale Partizipation aller Lernenden uneingeschränkt gewährleistet wird, setzt eine geeignete, akzentuierte Grundlagenforschung voraus, auf deren Basis belastbare Aussagen über latente Strukturen getätigt werden können (Grosche, 2015). Der Untersuchung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF liegt beispielsweise ein eng gefasster Inklusionsbegriff – im Sinne der »Zwei-Gruppen-Definition« (Grosche, 2015, S. 34) – zugrunde. Diesem steht aus erziehungs- bzw. bildungswissenschaftlicher Perspektive ein weites Verständnis von Inklusion gegenüber. Während bei dem engen Inklusionsverständnis die Erziehung und Bildung von Kindern mit und ohne SPF im Vordergrund steht, wird bei dem weiten Inklusionsbegriff die Unterrichtung aller Kinder unabhängig von ihren besonderen Bedürfnissen gefordert (Lütje-Klose, Neumann, Thoms & Werning, 2018). Zusammengefasst liegt dieser Forschungsarbeit übergeordnet das Verständnis von Inklusion zugrunde, Kindern mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung die uneingeschränkte soziale Partizipation auf allen Ebenen der inklusiven Grundschule zu ermöglichen: »Wertedefinition« (Grosche, 2015, S. 35). Für eine gelingende soziale Partizipation in der inklusiven Grundschule ist es dafür unerlässlich, dass alle Schülerinnen und Schüler der Heterogenität und
2.1 Inklusion
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Individualität von Kindern mit einem sozial-emotionalen SPF mit positiver Einstellung, Wertschätzung, Akzeptanz und Respekt begegnen: »Einstellungsdefinition« (Grosche, 2015, S. 34). Insbesondere die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Peers mit SPF werden in diesem Zusammenhang als zentrale Gelingensbedingung für die Realisierung eines inklusiven Grundschulunterrichts angesehen (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012), in dem Kinder mit emotional-sozialem Förderbedarf an allen Aktivitäten mit größtmöglicher Selbstbestimmung beteiligt sind (Heimlich, 2012). Um empirisch fundierte Aussagen über die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung sowie mögliche Erklärungsfaktoren für die Einstellungsausprägungen treffen zu können, ist es daher notwendig, das Inklusionsverständnis auf diese beiden Gruppen von Lernenden einzuschränken: »Zwei-Gruppen-Definition« (Grosche, 2015, S. 34).
2.1.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für das eigene Forschungsvorhaben Bei der Gestaltung und Umsetzung von Inklusion handelt es sich um ein viel diskutiertes Thema der aktuellen (Bildungs-)Forschung, (Bildungs-)Politik und gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der Debatte eine einheitliche Sprach- und Inhaltsgrundlage fehlt (z. B. Grosche, 2015; Hinz, 2002; Sander, 2004a; Wocken, 2010). Zwar finden sich in der Literatur verschiedene Definitionsvorschläge (z. B. Booth & Ainscow, 2019), ein eindeutiges und allgemein anerkanntes Verständnis von Inklusion existiert derzeit jedoch nicht (Grosche, 2015). Als Grund für die sprachlichen und inhaltlichen Unklarheiten kann das große Bedeutungsspektrum von Inklusion angeführt werden. Demnach können mit dem eigenen Verständnis von Inklusion vielfältige Absichten, Ziele und Wünsche wie z. B. Einstellungen und Haltungen gegenüber der Unterschiedlichkeit und Andersartigkeit von Menschen, die Notwendigkeit schulischer oder (gesamt-) gesellschaftlicher Veränderungen, die Einforderung rechtlicher Ansprüche, die gemeinsame Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne SPF oder die Wertschätzung und Anerkennung von Vielfalt verbunden sein (Schlee, 2012). Erschwerend kommt bei der Begriffsbestimmung hinzu, dass in Form der Integration ein inhaltlich verwandtes Konzept (ko)existiert. Die klare Abgrenzung der beiden Begriffe wird in der gegenwärtigen Debatte kontrovers diskutiert (z. B. Hinz, 2002; Sander, 2004b; Wocken, 2010). Der Auffassung verschiedener
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Autoren (z. B. Grosche, 2015; Hinz, 2004; Sander, 2004a) zufolge gelingt eine solche Abgrenzung allerdings nur unzureichend und künstlich. Vor diesem Hintergrund wird dafür plädiert, die Dichotomie von Inklusion und Integration zukünftig zugunsten der begründeten Verwendung des Inklusionsbegriffs aufzugeben (Grosche, 2015; Lütje-Klose et al., 2018). Die bestehenden Unklarheiten machen es jedoch zwingend notwendig, das eigene Verständnis und die Operationalisierung von Inklusion in empirischen Forschungsarbeiten einleitend darzulegen, um eine konsensfähige Diskussionsgrundlage zu schaffen (Grosche, 2015) und Missverständnisse sowie Ungenauigkeiten in der Planung, Durchführung und Evaluation inklusiver (Forschungs-)Vorhaben zu vermeiden (Schlee, 2012). Übergeordnet liegt der folgenden Forschungsarbeit das Verständnis von Inklusion zugrunde, Schülerinnen und Schülern mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung das gesellschaftliche Recht auf uneingeschränkte soziale Partizipation an allen sozialen und unterrichtlichen Aktivitäten in vollem Umfang zu ermöglichen (»Wertedefinition«; Grosche, 2015, S. 35). Als entscheidende Gelingensbedingung für die umfassende soziale Partizipation von Kindern mit emotional-sozialem SPF im gemeinsamen Unterricht der Grundschule werden die Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF erachtet (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012): »Einstellungsdefinition« (Grosche, 2015, S. 34). Zur Untersuchung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF und möglicher Erklärungsfaktoren für die Einstellungen ist hierzu ein eng gefasstes Verständnis von Inklusion – im Sinne der »ZweiGruppen-Definition« (Grosche, 2015, S. 34) – notwendig. In den nachfolgenden Kapiteln wird der »Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (2.2), »Die soziale Partizipation von Kindern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im inklusiven Grundschulunterricht« (2.3) sowie die »Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (2.4) thematisiert.
2.2 Der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung Bei dem »Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« handelt es sich um einen Oberbegriff, mit dem verschiedene Erscheinungsformen von Gefühls- und Verhaltensstörungen (engl. »emotional and behavioural disorders«; vgl. Kauffman & Landrum, 2012) bei Kindern und Jugendlichen im schulischen
2.2 Der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
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bzw. pädagogischen Bereich zusammengefasst werden (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2000). Nach Myschker und Stein (2014, S. 51) stellt die »Verhaltensstörung ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungsnormen abweichendes maladaptives Verhalten [dar], das organogen und/oder milieureaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann«. Regel- und normwidrige Verhaltensweisen können dabei sowohl auf persönliche Aspekte des betroffenen Kindes oder Jugendlichen als auch auf Probleme in dessen »Person-Umwelt-Beziehung« zurückgeführt werden (Stein, 2017; Stein & Müller, 2018). Zu den personenspezifischen Ursachen für Verhaltensstörungen werden beispielsweise biologisch-medizinische Beeinträchtigungen (z. B. genetische, neurologische Defekte) in der kindlichen Entwicklung (Wember, Stein & Heimlich, 2014) oder nicht ausreichend ausgebildete emotionale und soziale Kompetenzen gezählt (Stein, 2006)2. Aus interaktionistischer bzw. soziologischer Perspektive können Verhaltensstörungen auch auf einen problematischen »Person-Umwelt-Bezug« – wie z. B. disharmonische Familienverhältnisse, familiäre Konflikte – eines Kindes oder Jugendlichen hinweisen (Stein, 2017). Bei Verhaltensstörungen wird zwischen internalisierenden und externalisierenden Ausprägungsformen unterschieden (Wember et al., 2014). Zu den internalisierenden Formen zählen z. B. Ängstlichkeit und Depression. Kennzeichnend für externalisierende Verhaltensstörungen sind z. B. Aggressivität oder Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS). Obwohl externalisierte Verhaltensstörungen – wie z. B. ein gegen andere Personen oder Dinge gerichtetes aggressives Verhalten oder Aufmerksamkeitsstörungen – in der pädagogischen Praxis häufiger wahrgenommen werden und mitunter erhebliche Probleme bei der Gestaltung und Umsetzung von Unterricht bedeuten können, stellen auch internalisierte Verhaltensstörungen nicht zu vernachlässigende Ausprägungen dar, die für betroffene Personen erhebliche Einschränkungen bedeuten können (Stein, 2017). Kinder mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung stellen im Vergleich zu Mitschülerinnen und -schülern ohne oder mit einem anderen SPF (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung oder im Bereich Lernen) aufgrund ihrer
2Für
eine detaillierte Übersicht emotionaler und sozialer Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen vgl. Stein (2006, S. 26).
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Verhaltensstörungen diejenige Gruppe von Lernenden im inklusiven Grundschulunterricht dar, die in besonderem Ausmaß von einer niedrigen sozialen Partizipation im Klassenzimmer betroffen ist. Sie haben demnach meist weniger Freunde in der Klasse, werden von den Mitschülerinnen und -schülern weniger sozial akzeptiert und fühlen sich häufiger einsam (z. B. De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007). Für die pädagogische bzw. inklusive Praxis ist die Kenntnis über die Ursachen der Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen entscheidend, um geeignete präventive und/oder reaktive Maßnahmen anbieten zu können (Stein & Müller, 2018). In diesem Zusammenhang sollten sowohl persönliche als auch interaktionistische Ursachen für die Verhaltensstörungen berücksichtigt werden, um verschiedene Ansätze bei der Prävention und Frühintervention zu ermöglichen (Hennemann, Hövel, Casale, Hagen & Fitting-Dahlmann, 2015).
2.3 Die soziale Partizipation von Kindern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im inklusiven Grundschulunterricht In Folge der Ratifizierung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (United Nations, 2006) haben alle Kinder das Recht auf einen inklusiven Unterricht in der Grundschule, in dem ihre jeweiligen Bedürfnisse individuell berücksichtigt werden. Im Rahmen dieses inklusiven Grundschulunterrichts soll allen Schülerinnen und Schülern die bestmögliche fachliche und soziale Entwicklung (Henke et al., 2017) sowie die gleichberechtigte und selbstbestimmte soziale Partizipation (Schwab, 2016a) ermöglicht werden. Insbesondere der sozialen Partizipation wird im Zusammenhang mit der Gestaltung und Umsetzung inklusiven Grundschulunterrichts eine hohe Bedeutung zugesprochen (Symes & Humphrey, 2011). Die umfassende soziale Partizipation von Kindern mit SPF im inklusiven Unterricht der Grundschule ist sowohl durch Freundschaften und soziale Beziehungen zu sowie Kontakte und positive Interaktionen mit Mitschülerinnen und Mitschülern, durch die (Selbst-)Wahrnehmung der sozialen Akzeptanz in der Klassengemeinschaft als auch die soziale Akzeptanz durch Klassenkameradinnen und -kameraden gekennzeichnet (Koster et al., 2009, S. 134). Aus aktuellen Studien (z. B. Avramidis et al., 2018; Henke et al., 2017; Schwab, 2018) geht hervor, dass die soziale Partizipation von Kindern mit SPF im Allgemeinen – und mit sozial-emotionalem SPF im Speziellen (z. B. De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007) – in der inklusiven Schulpraxis gegenwärtig nur unzureichend realisiert ist. Demnach
2.3 Die soziale Partizipation von Kindern …
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verfügen Kinder mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung im Gegensatz zu ihren Peers ohne SPF oder mit anderem SPF (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung) meist über weniger Freundschaften, sie sind unbeliebter bei ihren Mitschülerinnen und Mitschülern und häufiger von sozialer Ausgrenzung in der Klassengemeinschaft betroffen. In diesem Zusammenhang ist allerdings weitgehend ungeklärt, welche Faktoren im Detail für die geringere soziale Partizipation von Kindern mit SPF im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne oder mit anderem SPF ausschlaggebend sind (Henke et al., 2017) und auf welche Weise die soziale Partizipation von Kindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht zukünftig in vollem Umfang gewährleistet werden kann (Schwab, 2016a). An dieser Stelle setzt das folgende Kapitel an. Zunächst wird der Begriff »soziale Partizipation« definiert und das von Koster et al. (2009) entwickelte Modell der sozialen Partizipation im Detail erläutert (2.3.1). Im Anschluss daran werden »empirische Befunde« zur sozialen Partizipation von Kindern mit sozial-emotionalem SPF im inklusiven Grundschulunterricht präsentiert (2.3.2). Die zentralen Erkenntnisse des Kapitels werden abschließend zusammengefasst und deren Bedeutung für die vorliegende Forschungsarbeit herausgestellt (2.3.3).
2.3.1 Definition und theoretisches Modell »Partizipation« stammt von dem lateinischen Begriff »participium« ab und wird im Deutschen mit »Anteil haben« oder »beteiligt sein« übersetzt (Schwab, 2016b). Basierend auf dieser Übersetzung von Partizipation hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch die synonyme Verwendung der Begriffe Teilhabe, Teilnahme, Beteiligung oder Einbeziehung etabliert, um die Zugehörigkeit von Menschen zu sowie ihre Akzeptanz und ihr Handeln in sozialen Gruppen zu beschreiben (Schwab, 2016b). Auch in der deutschsprachigen Fassung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (United Nations, 2006) wird anstelle von »Partizipation« das Synonym »Teilhabe« verwendet, wenn im Zusammenhang mit der Gestaltung und Umsetzung von Inklusion die gleichberechtigte »Teilhabe« von Individuen an allen gesellschaftlichen Bereichen gefordert wird. Schwalb und Theunissen (2009) kritisieren an der deutschen Fassung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (United Nations, 2006), dass die eigentliche Bedeutung von »participation« (vgl. hierzu die englischsprachige Fassung der UN-Behindertenrechtskonvention) durch die Übersetzung mit »Teilhabe« zu kurz gefasst wird und insbesondere dem Recht auf Mitsprache, Mitgestaltung und Mitbestimmung
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
aller Menschen in der Gesellschaft auf diese Weise eine zu geringe Bedeutung zukommt: »Partizipation steht […] nicht nur für aktive Beteiligung in einem sozialen System oder als Teil oder Mitglied einer Gemeinschaft oder Gesellschaft, sondern gleichfalls […] für das Recht auf Mitsprache, konkrete Mitgestaltungsmöglichkeiten sowie Mitbestimmung« (Schwalb & Theunissen, 2009, S. 9). Nach ihrer Auffassung ist die gelungene soziale Partizipation von Menschen mit SPF demzufolge dadurch gekennzeichnet, dass alle Menschen mit SPF gleichberechtigt und selbstbestimmt in der Gesellschaft sozial agieren und die Gesellschaft durch ihr Recht auf Mitsprache und Mitbestimmung aktiv mitgestalten können (Schwalb & Theunissen, 2009). In der inklusiven Grundschulpraxis wird die soziale Partizipation als ein zentrales Kriterium angesehen, mit dem beurteilt werden kann, ob die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit SPF in den gemeinsamen Unterricht der Grundschule gelingt und in welchem Umfang Grundschulkinder mit SPF gleichberechtigt in soziale Aktivitäten im inklusiven Unterricht eingebunden sind (Schwab, 2018). Sowohl Symes und Humphrey (2011) als auch Bossaert, Colpin, Pijl und Petry (2013) erachten die soziale Partizipation in diesem Zusammenhang als eine entscheidende Bedingung für das Gelingen von schulischer Inklusion: »Social participation of students with special educational needs is a key issue in the inclusive debate« (Bossaert et al., 2013, S. 60). Basierend auf diesem Verständnis wurden in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Studien zur sozialen Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht durchgeführt (z. B. Avramidis et al., 2018; Bossaert, De Boer, Frostad, Pijl & Petry, 2015; Chamberlain, Kasari & Rotheram-Fuller, 2007; De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007; Pijl et al., 2008; Ruijs & Peetsma, 2009; Schwab, 2019). Die Deutung der vorliegenden Forschungsbefunde und deren Einordnung in einen größeren Gesamtkontext erweisen sich jedoch als problematisch, da eine einheitliche und konsensfähige Definition fehlt. In den meisten Untersuchungen werden die Begriffe »soziale Inklusion«, »soziale Integration« sowie »soziale Partizipation« undifferenziert und synonym verwendet (Koster et al., 2009). Wie bereits anhand der definitorischen Unklarheiten bezüglich des Begriffs »Inklusion« (2.1) verdeutlicht wurde, kann ein unpräziser Gebrauch von Fachbegriffen dazu führen, dass Missverständnisse und Konflikte in Bezug auf die Planung, Durchführung und Evaluation empirischer Studien entstehen (Schlee, 2012). Aus diesem Grund haben Koster et al. (2009) – mit dem Ziel, eine konsensfähige Definition für die Untersuchung der sozialen Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht zu schaffen – im Rahmen einer literaturbasierten Analyse 62 Fachzeitschriftenartikel dahingehend untersucht, wie und auf welche Weise die
2.3 Die soziale Partizipation von Kindern …
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inhaltliche Bedeutung der jeweils verwendeten Begriffe »soziale Inklusion«, »soziale Integration« und »soziale Partizipation« implizit oder explizit erläutert wird. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass das Verständnis von »sozialer Inklusion«, »sozialer Integration« und »sozialer Partizipation« nur in den wenigsten Fällen (z. B. Boutot & Bryant, 2005; Cullinan, Sabornie & Crossland, 1992; Guralnick, 1999) explizit erläutert wird. In der überwiegenden Anzahl an betrachteten Studien (z. B. Cambra & Silvestre, 2003; Pijl & Hamstra, 2005; Williams, Johnson & Sukhodolsky, 2005) können Rückschlüsse auf das zugrunde liegende Verständnis nur anhand der empirischen Operationalisierung gezogen werden. Auf der Grundlage ihrer Literaturanalyse kommen Koster et al. (2009) letztendlich zu dem Schluss, dass die verwendeten Begriffe »soziale Inklusion«, »soziale Integration« und »soziale Partizipation« in den untersuchten Studien die gleiche Bedeutung besitzen und eine konsensfähige Definition fehlt. Um die sprachliche Problematik aufzulösen, schlagen sie daher vor, einheitlich den Begriff »soziale Partizipation« zu verwenden. Dieser ist – so Koster et al. (2009) – weder negativ geprägt, wie es bei der »sozialen Integration« der Fall ist, noch die rein semantische Erweiterung eines bereits bestehenden Terminus wie (soziale) Inklusion bzw. Integration. Zur besseren Übersichtlichkeit haben Koster et al. (2009) die Ergebnisse ihrer Analyse in einem theoretischen Modell zusammengefasst. Auf der Grundlage der betrachteten Studien konnten Koster et al. (2009) vier zentrale Dimensionen bestimmen, die Auskunft über die soziale Partizipation von Kindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht geben. Demnach können als Kennzeichen für die erfolgreiche soziale Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im inklusiven Unterricht der Grundschule übergeordnet sowohl Freundschaften und Beziehungen zu sowie Kontakte und Interaktionen mit Klassenkameradinnen und -kameraden, die (Selbst-)Wahrnehmung der sozialen Akzeptanz von Kindern mit SPF in der Klassengemeinschaft als auch die Akzeptanz der Kinder mit SPF durch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler angesehen werden: »Social participation of pupils with special needs in regular education is the presence of positive social contact/interaction between these children and their classmates; acceptance of them by their classmates; social relationships/friendships between them and their classmates and the pupils’ perception they are accepted by their classmates« (Koster et al., 2009, S. 135).
In diesem Zusammenhang ist jedoch kritisch anzumerken, dass die vorgestellten Partizipationsdimensionen in den betrachteten Studien z. T. unterschiedlich operationalisiert wurden. Nach Koster et al. (2009) fehlen derzeit einheitliche
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Kriterien zur Erfassung der sozialen Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht. Bei den präsentierten Teilaspekten der vier Dimensionen von sozialer Partizipation handelt es sich demnach lediglich um Inhaltsschwerpunkte, anhand derer die Partizipationsdimensionen in den betrachteten Studien üblicherweise erfasst wurden: »Finally Figure 1 [the model of social participation] presents an overview of the various ways in which the four key themes are usually measured in the literature surveyed here« (Koster et al., 2009, S. 135): Freundschaften und Beziehungen. Als Kennzeichen für gelungene soziale Beziehungen zwischen Kindern mit und ohne SPF werden gegenseitige Freundschaften und Freundschaftsnetzwerke erachtet. Gegenseitige Freundschaften zeichnen sich dadurch aus, dass zwei Kinder ein hohes Maß an Sympathie füreinander empfinden und in der Folge sozial miteinander interagieren möchten (Howes, 1988). Gegenseitige Freundschaften bilden die Grundlage für Freundschaftsnetzwerke. Nach Richards (1995) besteht zwischen mindestens drei Kindern ein Freundschaftsnetzwerk innerhalb einer größeren sozialen Gruppe, wenn die sozialen Verbindungen auch dann bestehen bleiben, wenn 10 % der übrigen Gruppenmitglieder aus der Gesamtgruppe entfernt werden. Darüber hinaus stellen Freundschaften eine besondere Form des Kontakts dar, welche sich durch eine hohe Qualität auszeichnet (Vignes et al., 2009)3. Kontakte/Interaktionen. Der Kontakt zu und positive Interaktionen zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne SPF werden als wichtige Grundlage für die umfassende soziale Partizipation von Kindern mit SPF in der inklusiven Grundschule erachtet (Koster et al., 2009). In diesem Zusammenhang wird unter Interaktionen das (non-)verbale Verhalten von Kindern mit SPF gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern oder Lehrpersonen verstanden (Carter, Sisco, Melekoglu & Kurkowski, 2007). Ein solcher Kontakt zwischen Kindern mit und ohne SPF kann dazu beitragen, dass sich bestehende Vorurteile, Stereotype und Diskriminierungen verringern (vgl. Kontakttheorie4; Allport, 1954). Um die sozialen Interaktionen und den Kontakt zwischen Kindern mit und
3Eine
ausführliche Definition von »Freundschaft« findet sich im Kapitel »Kontakt/Freundschaften« (2.4.2.3). 4Eine ausführliche Erläuterung der Kontakttheorie (Allport, 1954) findet sich im Kapitel »Kontakt/Freundschaften« (2.4.2.3).
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ohne SPF zu erfassen, werden in empirischen Untersuchungen meist folgende Situationen näher in den Blick genommen: das gemeinsame Spielen und die Zusammenarbeit von Kindern mit und ohne SPF, die Partizipation von Kindern mit SPF in Gruppenaktivitäten, angenommene/abgelehnte soziale Interaktionen und das Ausmaß an sozialer Isolation. Kritisch ist hierbei anzumerken, dass sich die Erfassung des Kontakts und der Interaktionen zwischen Kindern mit und ohne SPF in den von Koster et al. (2009) betrachteten Untersuchungen z. T. deutlich voneinander unterscheiden. Während in einigen Studien Kontakte und Interaktionen mithilfe positiv ausgeprägter Kriterien erfasst werden (z. B. gemeinsames Spielen oder Zusammenarbeit von Kindern mit und ohne SPF), liegt das Hauptaugenmerk in anderen Untersuchungen vornehmlich auf dem Vorhandensein bzw. der Abwesenheit negativer Merkmale – wie z. B. sozialer Isolation. Einheitliche Ausprägungsformen fehlen. (Selbst-)Wahrnehmung von Kindern mit SPF. Diese Partizipationsdimension umfasst die subjektiven Eindrücke von Kindern mit SPF in Bezug auf die eigene soziale Situation bzw. Position in der Klassengemeinschaft. In den von Koster et al. (2009) betrachteten Studien finden sich fünf verschiedene Ausprägungen, mit deren Hilfe die (Selbst-)Wahrnehmung von Kindern mit SPF erfasst wurde: Selbstwahrnehmung der Peerakzeptanz, schulisches Wohlbefinden, soziales Selbstkonzept5, Selbstwahrnehmung sozialer Kompetenzen und Einsamkeit. Auch hierbei wird ersichtlich, dass die Partizipationsdimension nicht auf der Basis einer einheitlichen Methodik erfasst wurde und demzufolge sowohl positiv als auch negativ ausgeprägte Kriterien zugrunde gelegt werden. Akzeptanz von Kindern mit SPF durch Mitschülerinnen und Mitschüler. Kennzeichen für die soziale Akzeptanz von Kindern mit SPF durch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler im inklusiven Grundschulunterricht stellen in den betrachteten Studien soziale Präferenzen, Unterstützungsverhalten, Mobbing und soziale Ablehnung dar (Koster et al., 2009). Mithilfe der sozialen Präferenz wird dabei das Ausmaß erfasst, mit dem Kinder mit SPF von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern gemocht werden. Demgegenüber spiegelt die soziale Ablehnung wider, wie sehr Kinder ohne SPF ihren Peers mit SPF gegenüber sozial abgeneigt
5Das
soziale Selbstkonzept ist definiert als »[…] das mentale Modell einer Person über ihre [sozialen] Fähigkeiten und Eigenschaften« (Moschner & Dickhäuser, 2018, S. 750). Eine ausführliche Definition findet sich im Kapitel »Soziales Selbstkonzept« (2.4.2.2).
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sind. Kriterien wie das Unterstützungsverhalten oder Mobbing dienen der Erfassung von positivem und negativem Sozialverhalten zwischen Kindern mit und ohne SPF. Daneben werden in aktuellen Studien (z. B. De Boer, Pijl & Minnaert, 2012; Hellmich et al., 2017; Laws & Kelly, 2005; Schwab, 2015) zunehmend die Einstellungen von Grundschülerinnen und -schülern als zentrales Kriterium für ihre Akzeptanz von Kindern mit SPF im inklusiven Unterricht in den Blick genommen. In Abschnitt 2.3.2 sind die gegenwärtig vorliegenden Forschungsbefunde zu den von Koster et al. (2009) angenommenen Partizipationsdimensionen für Grundschulkinder mit sozial-emotionalem SPF im inklusiven Unterricht aufgeführt.
2.3.2 Empirische Befunde Nach Koster et al. (2009) sind wesentliche Kennzeichen für eine erfolgreiche soziale Partizipation von Kindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht stabile Beziehungen und Freundschaften zu sowie gelungene Interaktionen und Kontakte mit Mitschülerinnen und -schülern, die positive (Selbst-)Wahrnehmung der eigenen sozialen Akzeptanz in der Klassengemeinschaft und die Akzeptanz durch die Klassenkameradinnen und -kameraden. Für die von Koster et al. (2009) angenommenen Dimensionen der sozialen Partizipation von Kindern mit SPF liegen bereits umfassende Befunde aus empirischen Studien vor (z. B. Avramidis et al., 2018; Estell et al., 2008; Koster, Pijl, Nakken & Van Houten, 2010; Pijl et al., 2008). So geht aus dem gegenwärtig vorliegenden Forschungsstand im Allgemeinen hervor, dass Schülerinnen und Schüler mit SPF im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne SPF eine niedrigere soziale Partizipation im inklusiven Unterricht aufweisen (z. B. Avramidis et al., 2018; Pijl et al., 2008; Ruijs & Peetsma, 2009; Schwab, 2019). Im Detail wird deutlich, dass die Kinder mit SPF im Durchschnitt signifikant weniger Freunde und Beziehungen, soziale Interaktionen und Kontakte als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF haben und seltener in ihren Peer-Gruppen sozial akzeptiert sind (z. B. Ruijs & Peetsma, 2009). Forschungsbefunde zur sozialen Partizipation von Grundschülerinnen und -schülern mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung stehen gegenwärtig noch weitgehend aus. Anhand der vorliegenden Untersuchungserkenntnisse (z. B. De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007) wird jedoch deutlich, dass diese Kinder in besonderem Maße von einer niedrigen sozialen Partizipation betroffen sind.
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2.3.2.1 Freundschaften/Beziehungen Die gegenwärtige Befundlage zu den Freundschaften von Kindern mit SPF zu Mitschülerinnen und Mitschülern ist nicht vollständig konsistent. So konnte beispielsweise Schwab (2018b) in einer Untersuchung im Längsschnitt mit N = 545 Kindern (darunter 106 Kinder mit einem SPF) zeigen, dass Schülerinnen und Schüler mit SPF zum einen über signifikant weniger gegenseitige Freundschaften verfügen als ihre Peers ohne SPF. Zum anderen wurde im Vergleich der Freundschaften zu Beginn und am Ende des Schuljahres deutlich, dass die vorhandenen Freundschaftsbeziehungen bei Kindern mit SPF weniger stabil ausgeprägt sind als bei ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne SPF. Zu diesem Befund kommen auch De Monchy et al. (2004), die in ihrer Untersuchung aufzeigen konnten, dass Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung seltener als Freunde benannt werden als ihre Peers ohne SPF. Demgegenüber geht aus den Forschungsergebnissen einer Untersuchung zur sozialen Partizipation von Avramidis (2010) hervor, dass keine Unterschiede in Bezug auf die Anzahl an Freundschaften zwischen den untersuchten Schülergruppen mit und ohne SPF bestehen. Widersprüchlich sind auch die Ergebnisse aus einer Untersuchung von Estell et al. (2008). So konnten die Autorinnen und Autoren nachweisen, dass Kinder mit SPF im Rahmen einer soziometrischen Erhebung zwar seltener als Freund oder beliebt in der Klassengemeinschaft benannt wurden, aber dennoch ebenso häufig als wichtiger Teil der jeweiligen sozialen Gruppe angesehen wurden wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF. Im Zusammenhang mit der Untersuchung von Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne SPF kritisieren Avramidis et al. (2018), dass Freundschaften in der überwiegenden Anzahl an Studien meist nur anhand der Quantität erfasst wurden. Erkenntnisse über die Qualität von Freundschaften fehlen weitgehend. Dabei erscheint es vor dem bestehenden theoretischen und empirischen Hintergrund (z. B. Keith, Bennetto & Rogge, 2015; McManus, Feyes & Saucier, 2010; Schwab, 2017) plausibel, dass nicht die Menge an Freunden Aufschluss über die soziale Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht gibt, sondern die zugrunde liegende Tiefe und Beständigkeit der Freundschaften. Auch wenn gezeigt werden konnte, dass Kinder mit SPF im Allgemeinen zwar über signifikant weniger Freundschaften verfügen und in ihrer sozialen Gemeinschaft weniger sozial akzeptiert sind als ihre Peers ohne SPF, haben dennoch einige Kinder mit SPF wenige, aber stabile Freundschaften zu anderen Kindern aufgebaut (Koster et al., 2010). In diesem
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Kontext könnte die gezielte Analyse von Kindern mit SPF, die über wenige, aber stabile Freundschaften verfügen, Aufschluss darüber geben, welche Faktoren für ihre erfolgreiche soziale Partizipation im inklusiven Grundschulunterricht ausschlaggebend sind (Avramidis et al., 2018).
2.3.2.2 Kontakte/Interaktionen Neben Beziehungen und Freundschaften zu Mitschülerinnen und Mitschülern stellen ebenso Kontakte und Interaktionen wichtige Faktoren für die erfolgreiche soziale Partizipation von Grundschulkindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht dar (Koster et al., 2009). Auch in diesem Zusammenhang konnten Kinder mit SPF im Vergleich zu ihren Peers ohne SPF als die benachteiligte Schülergruppe im inklusiven Unterricht identifiziert werden (Ruijs & Peetsma, 2009). Demnach verfügen Schülerinnen und Schüler mit SPF gegenüber ihren Klassenkameradinnen und -kameraden ohne SPF über weniger soziale Interaktionen und Kontakte und fühlen sich häufiger einsam sowie in der Klassengemeinschaft sozial isoliert (Ruijs & Peetsma, 2009). Vor allem auf Kinder mit sozial-emotionalem SPF trifft dieser Befund in besonderer Weise zu (De Monchy et al., 2004).
2.3.2.3 (Selbst-)Wahrnehmung der sozialen Akzeptanz in der Klassengemeinschaft In verschiedenen Studien (z. B. Koster et al., 2010; Krull, Wilbert & Hennemann, 2014b) wurde untersucht, wie Kinder und Jugendliche die eigene soziale Akzeptanz im inklusiven Klassenzimmer wahrnehmen. Ein wesentlicher Fokus in diesen Untersuchungen lag darauf, Unterschiede in Bezug auf die Wahrnehmung der sozialen Akzeptanz zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne SPF zu bestimmen. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass sich Kinder mit SPF weniger sozial akzeptiert und häufiger einsam fühlen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF (Koster et al., 2010; Krull et al., 2014b). Insbesondere Kinder mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung fühlen sich aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen (De Monchy et al., 2004), indem sie sich seltener von ihren Lehrkräften wahr- und angenommen fühlen sowie das allgemeine Klassenklima negativ bewerten (Krull et al., 2014a). Als wichtige Determinante für die (Selbst-)Wahrnehmung der sozialen Akzeptanz von Kindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht kann das soziale Selbstkonzept angesehen werden. Die gegenwärtige Befundlage in Bezug auf die sozialen Selbstkonzepte von Schülerinnen und Schülern mit SPF ist allerdings nicht eindeutig. Während Pijl et al. (2008) zu dem Ergebnis kommen, dass Kinder mit SPF im Vergleich zu ihren Peers ohne SPF über niedriger aus-
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geprägte soziale Selbstkonzepte verfügen, schätzten die befragten Grundschulkinder mit und ohne SPF in einer Untersuchung von Avramidis (2013) ihre sozialen Selbstkonzepte als durchweg positiv ein. Krull et al. (2014a) konnten darüber hinaus zeigen, dass die akademischen Selbstkonzepte von Kindern mit sozial-emotionalem SPF signifikant niedriger ausgeprägt sind als diejenigen ihrer Mitschülerinnen und -schüler ohne SPF.
2.3.2.4 Akzeptanz durch Mitschülerinnen und -schüler Ein zentrales Kriterium für die soziale Partizipation von Kindern mit SPF im Grundschulunterricht stellt die Akzeptanz durch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler dar (Koster et al., 2009). Im Rahmen einer empirischen Untersuchung haben De Monchy et al. (2004) N = 25 Kinder im Alter zwischen 9–12 Jahren mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung (insbesondere Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten) und ihre Peers ohne SPF (N = 411) um Einschätzungen ihrer sozialen Position im Klassenzimmer gebeten. Die Aussagen der Schülerinnen und Schüler wurden ergänzend mit denen ihrer Lehrkräfte verglichen. Hierbei zeigte sich insgesamt, dass Grundschulkinder mit sozial-emotionalem SPF eine niedrigere soziale Position im inklusiven Unterricht einnehmen als ihre Mitschülerinnen und -schüler ohne SPF. Im Detail wird anhand der ermittelten Befunde deutlich, dass die Kinder mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung in ihrer Klasse weniger beliebt sind, von ihren Klassenkameradinnen und -kameraden ignoriert werden und/oder aktiv aus der Gemeinschaft und bei gemeinsamen Aktivitäten im Unterricht (z. B. bei der Bearbeitung von Aufgaben) ausgeschlossen werden (De Monchy et al., 2004). Zwischen den Einschätzungen der Kinder und ihrer Lehrkräfte konnten bedeutsame Unterschiede gefunden werden. Demnach schätzen die Lehrkräfte die soziale Position der Schülerinnen und Schüler mit sozial-emotionalem SPF signifikant positiver ein als die befragten Schulkinder. Die Befunde von De Monchy et al. (2004) konnten sowohl von Mand (2007) als auch Krull et al. (2014a) bestätigt werden. So konnte beispielsweise Mand (2007) nachweisen, dass Kinder mit Verhaltensstörungen sowohl an Regel- als auch an Förderschulen häufig unbeliebt sind und von ihren Mitschülerinnen und -schülern als Außenseiter angesehen werden. Auch Krull et al. (2014a) kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Kinder mit sozial-emotionalem SPF im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern ohne oder mit einem SPF im Bereich Lernen signifikant weniger in die Klassengemeinschaft integriert sind, indem sie gezielt – z. B. bei der Wahl des Sitznachbarn – zurückgewiesen und sozial ausgegrenzt werden. Zudem konnten sie nachweisen, dass sich Kinder ohne SPF gegenüber Peers mit Verhaltensauffälligkeiten nur wenig hilfsbereit zeigen.
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Eine umfassende Untersuchung der sozialen Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht findet sich bei Avramidis et al. (2018). Mittels eines »Mixed-Method-Ansatzes« haben sie alle von Koster et al. (2009) vorgeschlagenen Partizipationsdimensionen für N = 475 Kinder im Grundschulalter überprüft. Neben einem soziometrischen Verfahren zur Erfassung sozialer Netzwerke und Freundschaften innerhalb der Klassengemeinschaft haben sie Fragebögen eingesetzt, um die (Selbst-)Wahrnehmung der sozialen Akzeptanz der Kinder in der Klassengemeinschaft und die Qualität ihrer Freundschaften einzuschätzen. Darüber hinaus haben sie ausgewählte Kinder in Spiel- und Lernsituationen bei ihren sozialen Interaktionen mit Mitschülerinnen und Mitschülern beobachtet. Insgesamt erweisen sich die von Avramidis et al. (2018) ermittelten Ergebnisse weitgehend konsistent zu bestehenden Forschungsbefunden (z. B. Koster et al., 2010; Pijl et al., 2008; Ruijs & Peetsma, 2009; Schwab, 2019). Im Gegensatz zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne SPF haben die an der Erhebung beteiligten Grundschülerinnen und -schüler mit SPF demnach signifikant weniger Freunde sowie soziale Beziehungen und Interaktionen mit Gleichaltrigen. Die Kinder mit SPF haben zudem häufiger als ihre Peers ohne SPF angegeben, sich in der Klasse einsam zu fühlen. Für die (Selbst-)Wahrnehmungen der eigenen sozialen Akzeptanz im Klassenzimmer von Schülerinnen und Schülern mit und ohne SPF konnten entgegen der Erwartung keine Unterschiede gefunden werden. Darüber hinaus konnte zwischen den untersuchten Selbstkonzepten der Kinder mit SPF und ihrer sozialen Akzeptanz durch Mitschülerinnen und Mitschüler im gemeinsamen Unterricht kein statistisch signifikanter Zusammenhang gefunden werden (Avramidis et al., 2018).
2.3.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für das eigene Forschungsvorhaben Die soziale Partizipation wird in der gegenwärtigen Grundschulpraxis als ein wichtiges Kriterium angesehen, mit dem beurteilt werden kann, ob die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit SPF in den gemeinsamen Unterricht gelingt (Schwab, 2018). Anhand einer umfassenden Literaturanalyse konnten Koster et al. (2009) vier zentrale Dimensionen bestimmen, die kennzeichnend für die erfolgreiche soziale Partizipation von Kindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht sind. Neben Freundschaften und Beziehungen zu Peers, Kontakten und positiven Interaktionen mit Mitschülerinnen und Mitschülern werden die (Selbst-)Wahrnehmung der eigenen sozialen Akzeptanz im
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inklusiven Klassenzimmer und die Akzeptanz durch die Klassenkameradinnen und -kameraden als zentrale Determinanten für die soziale Partizipation von Kindern mit SPF in der Klassengemeinschaft angesehen. Problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang, dass die methodische Operationalisierung der einzelnen Partizipationsdimensionen in den vorliegenden Untersuchungen nicht einheitlich geschieht (Koster et al., 2009). Demnach existieren in der aktuellen Partizipationsforschung vielfältige – und z. T. inhaltlich gegensätzliche – Erhebungszugänge. Beispielsweise werden als Kriterien für die Akzeptanz von Kindern mit SPF einerseits das Unterstützungsverhalten ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF und andererseits das Ausmaß an sozialer Ablehnung angesehen. Vor diesem Hintergrund weisen Koster et al. (2009) darauf hin, dass die einzelnen Teilaspekte der Partizipationsdimensionen lediglich als Vorschläge für Forscherinnen und Forscher zu verstehen sind, um auf dieser Grundlage geeignete Operationalisierungsmöglichkeiten zu finden. Anhand der bislang vorliegenden Forschungsergebnisse wird insgesamt deutlich, dass Grundschulkinder mit SPF im Allgemeinen – und Grundschulkinder mit sozial-emotionalem SPF im Speziellen – eine ernstzunehmende Risikogruppe in Bezug auf die soziale Partizipation im inklusiven Grundschulunterricht darstellen (z. B. Avramidis et al., 2018; Koster, Pijl, Van Houten & Nakken, 2007; Krull et al., 2014b; Schwab, 2018) – auch wenn die bestehende Befundlage hierzu nicht in allen Punkten vollständig konsistent ist. Demnach verfügen Kinder mit sozial-emotionalem SPF im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne SPF über signifikant geringere und weniger stabil ausgeprägte Freundschaften, soziale Beziehungen, Interaktionen und Kontakte mit Gleich altrigen. Im Gegensatz zu ihren Peers ohne SPF werden Kinder mit sozial-emotionalem SPF im inklusiven Grundschulunterricht häufiger sozial ausgegrenzt und fühlen sich daher oft einsam (De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007). Bei der Interpretation und Übertragbarkeit der Ergebnisse auf weitere Forschungsarbeiten gilt es stets zu beachten, dass die hier vorgestellten Forschungsergebnisse in verschiedenen Bildungssystemen erhoben wurden, die sich in Hinblick auf die Gestaltung und Umsetzung von Inklusion – und damit auch hinsichtlich der sozialen Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF im inklusiven Unterricht – voneinander unterscheiden. So ist die flächendeckende Umsetzung von Inklusion an niederländischen und österreichischen Schulen bereits weiter fortgeschritten als an deutschen Schulen. Die präsentierten Forschungsbefunde sollten daher vor dem jeweiligen bildungspolitischen Hintergrund reflektiert und als Hinweise für weiterführende Forschungsarbeiten angesehen werden. Allgemein kann jedoch auf der Grundlage der dargestellten Studien geschlussfolgert werden, dass die rein physische
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Anwesenheit von Kindern mit sozial-emotionalem Förderbedarf im inklusiven Unterricht der Grundschule nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Gelingen von Inklusion darstellt (z. B. Pijl et al., 2008). Vor dem beschriebenen Hintergrund stellen sich insbesondere Fragen in Bezug auf mögliche Erklärungsfaktoren für die niedriger ausgeprägte soziale Partizipation von Kindern mit sozial-emotionalem SPF im Vergleich zu ihren Peers ohne SPF oder mit anderem SPF (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung), um auf dieser Grundlage geeignete Interventionen zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation dieser Schülerinnen und Schülern im gemeinsamen Unterricht gestalten und umsetzen zu können. Hierzu werden in Abschnitt 2.4 mit den »Einstellungen« von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF und »Erklärungsfaktoren für die Einstellungen« (z. B. dem sozialen Selbstkonzept, dem Kontakt zu Peers mit SPF und der Empathie; vgl. Abschnitt 2.4.2) zentrale Determinanten der sozialen Partizipation von Kindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht in den Blick genommen.
2.4 Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung Bei »Einstellungen« handelt es sich um ein zentrales Konzept in der empirischen Sozialforschung, mit dem individuelle Unterschiede in Bezug auf die Überzeugungen, Gefühle und Verhaltensabsichten von Menschen erklärt werden können (Eagly & Chaiken, 1993). Einstellungen drücken aus, auf welche Weise eine Person die eigene Umwelt wahrnimmt und bilden so die Grundlage, um vergangenes Verhalten verstehen, zukünftiges Verhalten voraussagen und die Beständigkeit von Verhaltensmustern nachvollziehen zu können (Oskamp, 1977). In der Sozialforschung werden Einstellungen vor allem zur Erklärung von zwischenmenschlichen Konflikten und Diskriminierungen von bestimmten (Personen-)Gruppen betrachtet (Eagly & Chaiken, 1993). Mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (United Nations, 2006) und dem Beschluss des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2011) sowie der damit verbundenen rechtlichen Verpflichtung, alle Kinder unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen in den Unterricht aufzunehmen und ihnen die uneingeschränkte soziale Partizipation an allen schulischen Aktivitäten zu gewährleisten, sieht sich die inklusive Grundschulpraxis mit großen Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere Kinder mit einem Förderschwerpunkt in der emotionalen und sozialen
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Entwicklung stellen eine ernstzunehmende Risikogruppe im inklusiven Grundschulunterricht dar, die verstärkt von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen ist (Mand, 2007). Den Kindern mit emotional-sozialem SPF fällt es häufig schwer, mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern sozial zu interagieren. Im Vergleich zu ihren Klassenkameradinnen und -kameraden ohne SPF haben sie meist weniger Freunde und fühlen sich einsam (De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007). Zur Erklärung der geringen sozialen Partizipation von Kindern mit emotional-sozialem SPF im inklusiven Grundschulunterricht sind zunehmend die Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler ohne SPF in den Fokus der empirischen Forschung gerückt (z. B. De Boer, Pijl & Minnaert, 2012; Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015). In verschiedenen Studien (z. B. Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015) konnte bereits gezeigt werden, dass Grundschulkinder ohne SPF gegenüber ihren Peers mit sozial-emotionalem SPF im Allgemeinen zwar neutral bis moderat positiv eingestellt sind, ihre Einstellungen im Vergleich zu denen gegenüber Kindern mit anderen Förderbedarfen (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung oder im Bereich Lernen) aber signifikant niedriger ausgeprägt sind. Gegenwärtig ist in diesem Zusammenhang nur in Ansätzen bekannt, wie die Einstellungen der Grundschulkinder ohne SPF gegenüber ihren Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung erklärt werden können. Mit dieser Arbeit soll vor dem beschriebenen Hintergrund ein Beitrag dazu geleistet werden, mögliche Determinanten von Einstellungen zu bestimmen. In diesem Kapitel wird zunächst der gegenwärtige theoretische Hintergrund und der empirische Forschungsstand zu »Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung« dargestellt. Das Kapitel ist dabei wie folgt aufgebaut: Zunächst wird der Begriff »Einstellungen« (2.4.1) definiert und mögliche »Erklärungsfaktoren« (2.4.2) bestimmt. Im Detail werden dabei die »Empathie« (2.4.2.1), das »soziale Selbstkonzept« (2.4.2.2), der »Kontakt« bzw. die »Freundschaften zu Kindern mit SPF« (2.4.2.3) und das »Wissen« über SPF (2.4.2.4) zur Erklärung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Peers mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung betrachtet. In Abschnitt 2.4.3 werden »empirische Befunde« zum Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit einem Förderschwerpunkt in der emotionalen und sozialen Entwicklung und den theoretisch angenommenen Erklärungsfaktoren berichtet. Abschließend werden die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst und Schlussfolgerungen für das eigene Forschungsvorhaben abgeleitet (2.4.4).
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.4.1 Definition und theoretisches Modell Die Einstellung stellt nach Eagly und Chaiken (1993) eine psychologische Tendenz dar, die von einer Person gegenüber einer Entität bzw. einem Einstellungsobjekt in Form von Zuneigung oder Ablehnung zum Ausdruck gebracht wird: »Attitude is a psychological tendency that is expressed by evaluating a particular entity with some degree of favor or disfavor« (Eagly & Chaiken, 1993, S. 1). Unter einer psychologischen Tendenz (»psychological tendency«) wird der innere Zustand einer Person verstanden, der sich in Gegenwart eines bestimmten Einstellungsobjekts ausbildet. Der innere Zustand einer Person ist geprägt durch individuelle Auffassungen, persönliche Neigungen oder Vorurteile. Er ist letztendlich ausschlaggebend dafür, ob einem Einstellungsobjekt positiv oder negativ begegnet wird (Eagly & Chaiken, 1993). Allport (1935) spricht in seiner ursprünglichen Definition von Einstellungen in diesem Zusammenhang auch von einer Geisteshaltung oder mentalen Prädisposition (»mental set of disposition«) bzw. von einer geistigen Reaktionsbereitschaft (»readiness for response«), die von einer Person gegenüber einem Einstellungsobjekt gezeigt wird. Mögliche Reaktionen (»evaluating«) sind z. B. Zustimmung oder Ablehnung, Gunst oder Ungnade, Mögen oder Nicht-Mögen, Annäherung oder Vermeidung, Anziehung oder Abneigung. Die Ausprägungen dieser Reaktionen gegenüber einer Entität bzw. einem Einstellungsobjekt können von »extrem positiv« über »neutral« bis hin zu »extrem negativ« reichen (Eagly & Chaiken, 1993). Bei Entitäten bzw. Einstellungsobjekten (»entity«/»entities«) kann es sich um konkrete Dinge (z. B. Gegenstände, Personen, Orte etc.) oder abstrakte Konzepte (z. B. Ideen, Situationen, politische Meinungen, Weltanschauungen etc.) handeln (Allport, 1935; Eagly & Chaiken, 1993). Sie können in Form einzelner Objekte oder als Gruppe von Objekten auftreten. Entitäten bzw. Einstellungsobjekte, die häufig in der Sozialforschung untersucht werden, sind z. B. sozialpolitische Maßnahmen, politische Ideologien oder soziale Gruppen. Insbesondere die Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen – meist gegenüber Minderheiten in einer Gesellschaft – stellen einen wichtigen Forschungsschwerpunkt dar. Diese Form der Einstellungsforschung wird auch als Vorurteilsforschung bezeichnet. Einstellungen gegenüber der eigenen Person sind Teil der Erforschung des Selbstwertgefühls (Eagly & Chaiken, 1993). Nach Rosenberg und Hovland (1960) bzw. Triandis (1975) lassen sich Einstellungen, die gegenüber einer Entität bzw. einem Einstellungsobjekt zum
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Ausdruck gebracht werden, drei Komponenten zuordnen: der kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen (behavioralen) Komponente. Rosenberg und Hovland (1960) gehen in ihrem Modell davon aus, dass es sich bei Einstellungen um ein implizites bzw. latentes Konstrukt handelt. Einstellungen sind demnach nicht direkt beobachtbar und können lediglich anhand der Reaktion(en) auf gesetzte Reize (z. B. Personen, Situationen, soziale Sachverhalte oder Gruppen) bestimmt werden. Die Reaktionen sind dabei entweder affektiv, kognitiv oder behavioral geprägt. Die kognitive Einstellungskomponente umfasst Überzeugungen, Vorstellungen und Wissen von Menschen über eine Entität bzw. ein Einstellungsobjekt. Triandis (1975) bezeichnet diese Vorstellungen, Überzeugungen und das Wissen auch als Kategorien im menschlichen Denken. Die Vorstellungs-, Überzeugungs-, bzw. Wissenskategorien ergeben sich aus gleichen Reaktionen auf unterschiedliche Reize. Hat ein Grundschulkind beispielsweise positive Vorstellungen in Bezug auf ein Kind mit SPF und ein differenziertes Wissen über den zugrunde liegenden Förderbedarf, so kann daraus geschlussfolgert werden, dass dem Denken eine positiv besetzte Kategorie von »Kindern mit SPF« zugrunde liegt. Sind die Vorstellungen über eine Entität oder ein Einstellungsobjekt darüber hinaus mit positiven oder negativen Emotionen verbunden, lassen sie sich der affektiven Einstellungskomponente zuordnen (Triandis, 1975). Grundschulkinder, die bei dem Gedanken an eine Zusammenarbeit oder das gemeinsame Spielen mit Schülerinnen und Schülern mit sozialemotionalem SPF Wohlbefinden oder Unbehagen verspüren, zeigen demnach entweder einen positiven oder negativen Affekt in Bezug auf Kinder mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung. Resultieren aus den Vorstellungen über eine Entität bzw. ein Einstellungsobjekt Verhaltensabsichten oder konkrete Handlungen, ist dies kennzeichnend für die behaviorale Einstellungskomponente (Triandis, 1975). Demnach haben Grundschülerinnen und -schüler positive verhaltensbezogene Einstellungen gegenüber ihren Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung, wenn sie gezielt Interaktionen mit Kindern mit diesem SPF eingehen und aufrechterhalten möchten. Neben der beschriebenen theoretischen Konzeption von Einstellungen ist für das eigene Forschungsvorhaben relevant, durch welche Faktoren die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit einem SPF in der emotionalen und sozialem Förderbedarf im Detail erklärt werden können. Hierzu werden im nachfolgenden Kapitel (2.4.2) mögliche Erklärungsfaktoren genauer betrachtet.
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.4.2 Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung Im folgenden Kapitel werden mit der »Empathie« (2.4.2.1), dem sozialen »Selbstkonzept« (2.4.2.2), dem »Kontakt« zu bzw. den »Freundschaften« mit Peers mit sozial-emotionalem SPF (2.4.2.3) sowie dem »Wissen« über SPF (2.4.2.4) persönliche Ressourcen von Grundschulkindern als mögliche Erklärungsfaktoren für ihre Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung vorgestellt.
2.4.2.1 Empathie Die »Empathie« stellt in der Entwicklungs- und Sozialpsychologie ein zentrales Konzept dar, mit dem Unterschiede im Sozialverhalten zwischen Menschen erklärt werden können (Eisenberg & Strayer, 1987). Im Detail wird in der Empathieforschung der Frage nachgegangen, unter welchen Voraussetzungen Menschen ein prosoziales bzw. altruistisches oder ein egozentrisches Verhalten gegenüber Mitmenschen zeigen, die sich in einer schwierigen Situation oder Notlage befinden. Bei der Empathie handelt es sich demnach um eine affektive (z. B. Fürsorglichkeitsempfinden) und/oder kognitive (z. B. Perspektivenübernahme) Reaktion eines Individuums auf den wahrgenommenen emotionalen Zustand eines Mitmenschen (Davis, 1983, S. 113; Hoffman, 1984, S. 4). Um den emotionalen Zustand einer Person beschreiben und nachvollziehen zu können, ist es notwendig, die eigene und die fremde affektive Situation auf kognitiver Ebene voneinander unterscheiden zu können (Eisenberg & Strayer, 1987). Hoffman (1987) bezeichnet diese Fähigkeit als kognitive Wahrnehmung von Anderen. In diesem Zusammenhang unterscheidet er drei Entwicklungsstufen voneinander. Die erste Stufe ist dadurch gekennzeichnet, dass andere Menschen als eigenständige Entitäten wahrgenommen werden. Neugeborene können zunächst nicht zwischen dem Selbst und Anderen differenzieren. Diese Fähigkeit entwickelt sich erst im Laufe des ersten Lebensjahres. Bei den meisten Kleinkindern hat sich bis zum Ende des zweiten Lebensjahres bereits eine stabile Vorstellung darüber entwickelt, dass Menschen physisch unabhängig voneinander sind. Sie können auf dieser Entwicklungsstufe aber meist noch nicht nachvollziehen, dass Menschen unterschiedliche emotionale Zustände haben. Erst mit ca. zwei bis drei Jahren besteht eine elementare Fähigkeit zur Rollen- bzw. Perspektivenübernahme. Auf der kognitiv anspruchsvollsten Stufe hat sich die Vorstellung ausgebildet, dass Menschen eigenständige Individuen mit individuellen Einstellungen, Erfahrungen
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und emotionalen Zuständen sind. Perspektiven und die damit verbundenen emotionalen Zustände können auf dieser Stufe wahrgenommen, beurteilt und es kann in entsprechender Weise auf sie reagiert werden. Die Entwicklung einer differenzierten Vorstellung darüber, wie sich der eigene emotionale Zustand von dem anderer Menschen unterscheidet, stellt eine große kognitive Herausforderung dar (Hoffman, 1987). Im Rahmen empirischer Untersuchungen aus der Entwicklungsforschung (z. B. Karniol, 1982; Shantz, 1983) konnte gezeigt werden, dass sich die Fähigkeit, Rollen und Perspektiven anderer Menschen zu übernehmen, erst mit zunehmendem Alter und steigender Lebenserfahrung ausbildet. Dabei zeigte sich, dass empathische Reaktionen fortlaufend mit persönlichen Erfahrungen verknüpft werden (Eisenberg & Strayer, 1987). So könnte ein Grundschulkind beispielsweise bei dem Anblick einer verletzten Mitschülerin oder eines verletzten Mitschülers anfangen zu weinen, weil durch die Erinnerung an einen vergangenen Schmerz eine empathische Reaktion ausgelöst wird. Hoffman (1987) hat empathische Reaktionen entsprechend ihrer Komplexität in einem hierarchisch geordneten Modell zusammengefasst. Hierbei unterscheidet er zwischen fünf empathischen Verhaltenstendenzen. Die elementarsten Verhaltenstendenzen stellen für ihn angeborene Reflexe (»primary circular reaction«) dar. Einen solchen Reflex zeigen beispielsweise Neugeborene, indem sie weinen, wenn ein anderes Kind weint. Bei dieser empathischen Verhaltensform finden keine kognitiven Prozesse statt. Bei der zweiten Verhaltenstendenz handelt es sich um mimetische Nachahmungen (Mimikry). Hierbei wird der Gesichtsausdruck des Gegenübers imitiert. Die Veränderung der Gesichtsmuskulatur kann in der Folge als eigene emotionale Reaktion gedeutet werden. Um die Mimik einer anderen Person wahrnehmen zu können, sind kognitive Prozesse auf einfachem Niveau notwendig. Die klassische Konditionierung bildet die dritte Verhaltenstendenz. Bei der klassischen Konditionierung resultieren affektive Reaktionen aus vergangenen Situationen, in denen zwei Personen eine identische emotionale Reaktion erfahren haben. Dieser simultan aufgetretene Reiz wird in der Folge im Gedächtnis gespeichert. Wird diese emotionale Reaktion in einer zukünftigen Situation erneut wahrgenommen, löst sie die bereits bekannte affektive Reaktion aus. Direkte Assoziationen (»direct association«) stellen eine Verallgemeinerung der klassischen Konditionierung dar. Bei dieser Verhaltensform ist es nicht notwendig, dass zwei Personen einen emotionalen Zustand gemeinsam erlebt haben. Vielmehr werden empathische Reaktionen zunehmend mit persönlichen Erfahrungen verknüpft. Wird ein emotionaler Zustand bei einer Person erkannt, der bereits selbst erfahren wurde, löst dies eine ähnliche affektive Reaktion wie bei dem Gegenüber aus.
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Die Verknüpfung emotionaler Reaktionen mit persönlichen Erfahrungen erfordert fortgeschrittene kognitive Fähigkeiten. Bei der sprachlich vermittelten Assoziation (»language-mediated association«) ist es ausreichend, wenn eine Person ihren aktuellen emotionalen Zustand verbal vermittelt. Auf der Grundlage ähnlicher Erfahrungen wird dann eine empathische Reaktion hervorgerufen. Bei dieser Reaktionsform handelt es sich um einen komplexen kognitiven Prozess, da eine sprachliche Mitteilung (z. B. »Ich habe Angst«) zunächst dekodiert und mit den eigenen Erfahrungen verknüpft werden muss, um eine empathische Reaktion auszulösen. Die kognitiv anspruchsvollsten Verhaltenstendenzen stellen Rollenund Perspektivenübernahmen (»perspective taking«) dar. Hierbei wird versucht, sich in die Situation einer anderen Person hineinzuversetzen und den emotionalen Zustand aus ihrer Perspektive nachzuvollziehen. Ist ein solcher Perspektivenwechsel gelungen, führt dies zu einem identischen emotionalen Zustand. Aufgrund der Komplexität dieser Tendenz geht Hoffman (1987) davon aus, dass diese Verhaltensform seltener angewendet wird als die zuvor beschriebenen Formen. Anders als in seinem Entwicklungsmodell beschrieben, sind die empathischen Verhaltenstendenzen in der Realität nicht losgelöst voneinander. Vielmehr können sie simultan auftreten. Welche der Formen dabei dominant ist, hängt maßgeblich von den situativen und persönlichen Gegebenheiten ab. Demnach folgt auf einen emotionalen Zustand, der über eine ausdrucksstarke Mimik vermittelt wird, vermutlich eine ausgeprägte mimetische Reaktion. Allen Verhaltenstendenzen ist gemein, dass aus ihnen affektiv-empathische Reaktionen resultieren. Anhand der bisherigen Ausführungen wird ersichtlich, dass es sich bei der Empathie um ein komplexes multidimensionales Konzept aus interagierenden Faktoren handelt. Basierend auf den Ausführungen von Hoffman (1984, 1987) hat Davis (2018) ein umfassendes theoretisches Modell der Empathie entwickelt, in dem die Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten im Detail abgebildet sind. Die Grundlage für empathische Reaktionen bilden personenbezogene und situative Voraussetzungen. Zu den personenbezogenen Voraussetzungen zählen biologische Voraussetzungen (z. B. intellektuelle Fähigkeiten, um die Perspektive einer anderen Person übernehmen zu können), individuelle Unterschiede (z. B. selbstbezogene Kognitionen wie das soziale Selbstkonzept) und die Lernentwicklung (z. B. durch Erziehung, Bildung und Sozialisation vermittelte Werte und Verhaltensweisen). Bei den situativen Voraussetzungen unterscheidet Davis (2018) zwischen der wahrgenommenen Intensität einer Situation (z. B. Kontakterfahrungen) und der Ähnlichkeit zwischen einer Person und ihrem Gegenüber. Je intensiver der emotionale Zustand des Gegenübers in einer Situation wahrgenommen wird und je mehr sich eine Person mit
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ihrem Gegenüber identifiziert, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie ein hohes Maß an Empathie aufbringen wird. Diese personenbezogenen und situativen Faktoren bilden die Grundlage für kognitive Prozesse sowie intra- und interpersonelle Reaktionen. In Anlehnung an Hoffman (1984) wird in Bezug auf die Kognition zwischen nicht kognitiven (angeborene Reflexe und Nachahmung), einfach kognitiven (klassische Konditionierung und direkte Assoziationen) und komplexen kognitiven Prozessen (sprachliche Assoziationen, elaborierte kognitive Netzwerke und Perspektivenübernahme) unterschieden. Mithilfe kognitiv-empathischer Prozesse lassen sich sowohl intrapersonelle Reaktionen auf die emotionalen Zustände eines Gegenübers als auch interpersonelle Reaktionen erklären. Darüber hinaus nehmen kognitive Prozesse eine vermittelnde Funktion in Bezug auf den Effekt von den personenbezogenen und situativen Voraussetzungen auf die intra- und interpersonellen Reaktionen ein. Intrapersonelle Reaktionen können entweder affektiv oder nicht-affektiv sein. Affektive Reaktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass der emotionale Zustand einer Person wahrgenommen und reproduziert oder auf diesen Zustand in einer bestimmten Art und Weise reagiert wird (z. B. Fürsorglichkeitsempfinden, Zorn, Wut oder persönliche Belastung). Nicht-affektive Reaktionen sind das Ergebnis vorausgehender kognitiver Prozesse. Hierzu zählt beispielsweise die Evaluation, mit welcher Genauigkeit der emotionale Zustand einer anderen Person wahrgenommen wird und in welcher Weise beabsichtigt wird, darauf zu reagieren. Intrapersonelle Reaktionen stellen eine wichtige Determinante zur Erklärung interpersoneller Reaktionen (konkretes Verhalten oder Verhaltensabsichten) dar. Sie vermitteln zudem die Effekte von den Voraussetzungen und kognitiven Prozessen auf die interpersonellen Reaktionen. Typische Verhaltensformen, die aus empathischen Prozessen entstehen, sind Unterstützung, Aggression oder Sozialverhalten (Davis, 2018). In Anlehnung an das Modell zur Wirksamkeit von Empathie nach Davis (2018) kann vor dem Hintergrund des eigenen Forschungsinteresses angenommen werden, dass sich interpersonelle Reaktionen wie z. B. das Sozialverhalten – und die damit verbundenen Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF (vgl. »Theorie des geplanten Verhaltens«; Ajzen, 1991) – durch intrapersonelle Reaktionen (z. B. Fürsorglichkeitsempfinden), kognitive Prozesse (z. B. Perspektivenübernahme), personenbezogene (z. B. selbstbezogene Kognitionen wie das soziale Selbstkonzept) sowie situative Voraussetzungen (z. B. Kontakterfahrungen mit Peers mit SPF) erklären lassen.
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2.4.2.2 Soziales Selbstkonzept Das »Selbstkonzept« stellt ein zentrales Konstrukt der eigenschaftsorientierten Persönlichkeitsforschung dar, mit dem Unterschiede in Bezug auf die Selbstwahrnehmung und -einschätzung der Fähigkeiten, Begabungen, Eigenschaften, Überzeugungen etc. von Menschen erklärt werden können (Krapp, 1997). Nach Moschner und Dickhäuser (2018, S. 750) lässt sich das Selbstkonzept als »[…] das mentale Modell einer Person über ihre Fähigkeiten und Eigenschaften« definieren. Besonders im pädagogisch-psychologischen Kontext hat die Untersuchung von Persönlichkeitsmerkmalen eine hohe Relevanz (Hellmich & Günther, 2011). Bereits bei Kindern im Grundschulalter lassen sich Faktoren, die eine wichtige Rolle für das Lernen spielen (z. B. Lernmotivation, Lernverhalten, Lernleistung), auf die Einschätzungen und Bewertungen der eigenen Stärken und Schwächen zurückführen (Hellmich & Günther, 2011). Die theoretische Grundlage des Selbstkonzepts bildet das von Shavelson, Hubner und Stanton (1976) entwickelte hierarchische Selbstkonzeptmodell. Shavelson et al. (1976) gehen davon aus, dass es sich bei dem Selbstkonzept um ein multidimensionales Konstrukt handelt, welches ausgehend von einem generellen Selbstkonzept in eine akademische und eine nicht-akademische Dimension unterteilt werden kann. Die akademische Komponente beinhaltet die subjektiven Vorstellungen über die Fähigkeiten in den schulischen Fächern (z. B. Deutsch, Mathematik etc.). Die nicht-akademische Komponente setzt sich aus dem sozialen, emotionalen und körperlichen Selbstkonzept zusammen. Für das eigene Forschungsinteresse ist vor allem das soziale Selbstkonzept von großer Relevanz. Es umfasst die Einschätzung der eigenen sozialen Fähigkeiten, die benötigt werden, um beispielsweise mit Freunden, Familienmitgliedern aber auch Mitschülerinnen und -schülern sozial zu interagieren (Hellmich & Günther, 2011). Die einzelnen Teilselbstkonzepte können in immer spezifischere Selbstkonzepte (»subareas of self-concept«) ausdifferenziert werden. Während das Modell für den Leser besser »von oben nach unten« nachzuvollziehen ist, so ist die Wirkrichtung umgekehrt. Demnach bilden sich im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung zunächst die spezifischen Teilselbstkonzepte aus, die sich dann zunehmend zu globaleren Einheiten zusammensetzen (Shavelson et al., 1976). Die Selbstkonzepte von Grundschulkindern entwickeln sich vor allem im Rahmen inter- und intraindividueller Vergleichsprozesse. Intraindividuelle Vergleiche sind dadurch gekennzeichnet, dass Kinder ihre aktuellen Fähigkeiten mit früheren Fähigkeiten vergleichen oder ihre Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen gegenüberstellen (Marsh, 1990). Bei interindividuellen Vergleichsprozessen vergleichen die Kinder ihre Fähigkeiten mit denen ihrer
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Mitschülerinnen und -schüler. Weitere Faktoren, die einen Einfluss auf die Entwicklung der kindlichen Selbstkonzepte haben können, sind Erziehungs- und Bildungsprozesse – wie z. B. das Vorbild- und Rückmeldeverhalten relevanter Bezugspersonen (Hellmich & Günther, 2011). Zu Beginn der Grundschulzeit schätzen Kinder ihre Fähigkeiten meist sehr hoch ein bzw. überschätzen sie. Mit zunehmenden Erfahrungen entwickeln sich über die Zeit immer realistischere Vorstellungen in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten (Hellmich & Günther, 2011).
2.4.2.3 Kontakt/Freundschaften In der gegenwärtigen Inklusionsforschung wird der »Kontakt« von Grundschulkindern zu Peers mit SPF als wichtige Determinante erachtet, um ihre Einstellungen gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung zu erklären (z. B. Armstrong et al., 2017; Barr & Bracchitta, 2015; Schwab, 2017). Die theoretische Grundlage hierzu bildet Allports (1954) Kontakthypothese bzw. Kontakttheorie (engl. »contact hypothesis«; »intergroup contact theory«). In der Theorie wird davon ausgegangen, dass der organisierte Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Gruppen dazu beiträgt, bestehende Vorurteile, Stereotype und Diskriminierungen abzubauen. Nach Allport (1954) ist organisierter Kontakt dadurch gekennzeichnet, dass die Mitglieder unterschiedlicher Gruppen den gleichen Status (»equal status«) aufweisen (z. B. eine ähnliche soziale Herkunft haben) und gemeinsame Ziele (»common goals«) verfolgen. Um gemeinsame Ziele erreichen zu können, ist es notwendig, dass die einzelnen Gruppenmitglieder miteinander kooperieren (»intergroup cooperation«) und übergeordnete Autoritäten akzeptieren, die den Kontakt begleiten und unterstützen (»support of authorities, law or customs«). Die Wirksamkeit der Kontakttheorie wurde im Rahmen einer umfangreichen Meta-Analyse überprüft (Pettigrew & Tropp, 2006). Anhand der Auswertung von 515 Studien mit insgesamt 713 unabhängigen Stichproben konnten Pettigrew und Tropp (2006) belegen, dass der Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Gruppen dazu führt, dass sich bestehende Vorurteile zwischen den Gruppen verringern. Im Detail zeigte sich ein positiver Effekt vom Kontakt sowohl auf die Einstellungen gegenüber den anwesenden Mitgliedern einer anderen sozialen Gruppe als auch gegenüber der gesamten sozialen Gruppe. Dieser Zusammenhang konnte in nahezu allen betrachteten Untersuchungen (94 %) nachgewiesen werden. In Studien mit einem experimentellen Forschungsansatz war der gemessene Effekt dabei größer als in Untersuchungen mit einem herkömmlichen Design (z. B. Fragebogenuntersuchungen).
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Neben der generellen Wirksamkeit der Kontakttheorie haben Pettigrew und Tropp (2006) zudem untersucht, ob die von Allport (1954) vorgeschlagenen Bedingungen für den Kontakt zwangsläufig erfüllt sein müssen, um Vorurteile zu reduzieren und ob ein vorurteilsverringernder Effekt auch für den Kontakt zwischen Mitgliedern verschiedener Gruppen besteht, die sich aufgrund anderer Merkmale als der Ethnizität unterscheiden (z. B. Alter, politische Meinung, Förderbedarf etc.). In diesem Zusammenhang zeigte sich auch dann eine Abnahme der Vorurteile gegenüber Mitgliedern anderer sozialer Gruppen, wenn die von Allport (1954) vorgeschlagenen Bedingungen nicht eingehalten wurden. Der Effekt zwischen Kontakt und Vorurteilsreduzierung war allerdings größer in den Studien, in denen der Kontakt nach der Vorstellung von Allport (1954) strukturiert wurde. Diese Befunde waren sowohl für Gruppen, die sich aufgrund ihrer Ethnie voneinander unterscheiden, als auch für Gruppen mit anderen Merkmalsunterschieden (z. B. Förderbedarfen) evident (Pettigrew & Tropp, 2006). Freundschaften stellen eine besondere Form des Kontakts dar, die sich durch enge Beziehungsstrukturen zwischen mindestens zwei Personen auszeichnen (Hays, 1988). Freundschaften sind gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Intimität, Zuneigung und gegenseitiger Unterstützung (Hays, 1988). Wichtige Voraussetzungen für andauernde und feste Freundschaften stellen dabei Gemeinsamkeiten – wie z. B. gleiche Interessen und Hobbies, Geschmack, Humor – dar (Spencer & Pahl, 2006).
2.4.2.4 Wissen Aus konstruktivistischer Perspektive ist der Erwerb von Wissen das Ergebnis eines aktiven Austauschprozesses zwischen einem Individuum und seiner Umwelt, bei dem domänen- bzw. kontextspezifische Kenntnisse, Informationen, Einsichten, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge etc. erworben und in kognitiven Kategorien gespeichert werden (Anderson & Krathwohl, 2001). Wissen kann in die vier Dimensionen faktisches, konzeptuelles, prozedurales und metakognitives Wissen unterteilt werden (Anderson & Krathwohl, 2001). »Faktisches Wissen« beinhaltet die elementaren Kenntnisse, die benötigt werden, um sich mit einem bestimmten Sachverhalt auseinandersetzen zu können. Dazu zählt beispielsweise die Kenntnis von Fachbegriffen oder spezifischen Fakten in einem Themengebiet. Im inklusiven Unterricht können Grundschulkinder mit faktischem Wissen beispielsweise den Förderbedarf von Mitschülerinnen und -schülern anhand bestimmter Fakten benennen (z. B. »Kinder mit einem körperlich-motorischen Förderbedarf können nicht laufen. Sie benötigen Gehhilfen wie z. B. einen Rollstuhl.«).
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Während die vorhandenen Informationen beim faktischen Wissen ungeordnet sind und in keinem größeren Zusammenhang zueinanderstehen, zeichnet sich »konzeptuelles Wissen« dadurch aus, dass vorhandene Grundkenntnisse in Beziehung zueinander gesetzt und in Kategorien bzw. mentalen Modellen geordnet sind. Grundschulkinder mit konzeptuellem Wissen sind beispielsweise dazu in der Lage, auf der Grundlage ihrer Wahrnehmungen von Kindern mit SPF positive oder negative Einstellungen gegenüber diesen Kindern auszudrücken und zu begründen. Das Wissen darüber, wie vorhandene Kenntnisse in konkrete Handlungen umgesetzt werden können, lässt sich der »prozeduralen« Dimension zuordnen. Auf dieser Ebene besitzen Menschen Kenntnisse über Verhaltensmethoden und -techniken. Zudem sind sie in der Lage, ihre eigenen Fähigkeiten einzuschätzen und zu entscheiden, wann ein bestimmtes Verhalten sozial angemessen oder unangemessen ist. So kann angenommen werden, dass Kinder mit ausgeprägtem prozeduralem Wissen in geeigneter Weise mit Kindern mit SPF im inklusiven Unterricht sozial interagieren können. Metakognitives Wissen beinhaltet Kenntnisse über kognitive Prozesse im Allgemeinen und über die eigenen kognitiven Prozesse im Speziellen. Schülerinnen und Schüler mit einem hohen metakognitiven Wissen sind dann beispielsweise dazu in der Lage, zu analysieren, warum sie bestimmten Kindern mit SPF (z. B. in der sozial-emotionalen Entwicklung) negativer eingestellt sind als gegenüber Peers mit anderem SPF (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung) und können dies auf eindeutige Faktoren zurückführen und begründen.
2.4.3 Empirische Befunde Im folgenden Abschnitt werden die gegenwärtig vorliegenden Forschungsstände zu den theoretisch angenommenen Zusammenhängen zwischen den einzelnen Konstrukten vorgestellt.
2.4.3.1 Einstellungen Den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF wird eine hohe Bedeutung für die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung inklusiver Lehr-Lernumgebungen sowie die umfassende soziale Partizipation von Kindern mit sozial-emotionalem SPF inner- und außerhalb des Grundschulunterrichts zugesprochen (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). Gegenwärtig existieren verschiedene empirische Studien (z. B. Hellmich et al., 2017; Laws & Kelly, 2005; Schwab, 2015), in denen die Einstellungsausprägungen von Grundschülerinnen
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und -schülern gegenüber Peers mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung untersucht wurden. Im Rahmen eines Literaturreviews haben De Boer, Pijl und Minnaert (2012) die Forschungsbefunde aus zwanzig internationalen Studien zu den Einstellungen von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter (4–12 Jahre) ohne einen Förderbedarf gegenüber Peers mit SPF zusammengefasst. Dabei zeigte sich, dass in den betrachteten Forschungsarbeiten überwiegend neutrale bis moderat positive Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF berichtet werden. Nur vereinzelt finden sich Hinweise auf negative Einstellungen von Schülerinnen und Schülern gegenüber Peers mit SPF (z. B. Kalyva & Agaliotis, 2009)6. Aussagen darüber, ob sich die Einstellungen der beteiligten Kinder in Abhängigkeit unterschiedlicher Förderbedarfe (z. B. in der körperlich-motorischen, geistigen, sozial-emotionalen Entwicklung oder im Bereich Lernen) unterscheiden, können auf Grundlage der angeführten Forschungsergebnisse nicht getätigt werden, da lediglich zwei Studien (vgl. Laws & Kelly, 2005; Nowicki, 2006) mit einer entsprechenden forschungsmethodischen Herangehensweise in dem Forschungsüberblick vorliegen. Anhand der Ergebnisse vermuten De Boer, Pijl und Minnaert (2012) allerdings, dass vor allem Kinder mit einem Förderschwerpunkt in der emotionalen und sozialen Entwicklung von den negativen Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und -schüler betroffen sind: »Although we found only a few studies in which attitudes towards different types of disabilities were examined, it is reasonable to believe that peers are especially negative towards peers with behavioural problems« (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012, S. 389). Ihre Vermutung stützt sich dabei auf die Befunde von Laws und Kelly (2005), die in einer Untersuchung mit N = 202 Kindern im Alter zwischen 9–12 Jahren aus Regelschulen in Großbritannien signifikant niedrigere Einstellungen der beteiligten Schülerinnen und Schüler gegenüber Kindern mit sozial-emotionalem SPF finden konnten als gegenüber Kindern mit Förderbedarfen in anderen Bereichen (z. B. in der körperlich-motorischen Entwicklung oder im Lernen). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch De Boer, Pijl, Post et al. (2012), wonach die beteiligten Kinder
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der Interpretation der Ergebnisse und allgemeinen Schlussfolgerungen müssen die forschungsmethodischen Anlagen der einzelnen Studien mitberücksichtigt werden. De Boer, Pijl und Minnaert (2012) weisen darauf hin, dass die Einstellungen in den Studien z. T. mithilfe unterschiedlicher Messinstrumente erfasst wurden. So wurden in einigen Studien beispielsweise nicht alle von Eagly und Chaiken (1993) theoretisch angenommenen Einstellungskomponenten berücksichtigt.
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in ihrer Studie berichtet haben, signifikant negativer gegenüber Peers mit Verhaltensstörungen (AD/HD) eingestellt zu sein als gegenüber Peers mit einem Förderbedarf in der geistigen Entwicklung. Sowohl die Ergebnisse von Laws und Kelly (2005) als auch von De Boer, Pijl, Post et al. (2012) konnten von Schwab (2015) in einer quantitativ-empirischen Studie mit N = 1115 österreichischen Kindern aus vierten und siebten Schulklassen teilweise bestätigt werden. Basierend auf Fallbeschreibungen von Kindern mit Förderbedarfen in der körperlich-motorischen, geistigen und sozial-emotionalen Entwicklung sowie im Bereich Lernen wurden die Schülerinnen und Schüler mithilfe einer Kurzversion der CATCH-Skala (Bossaert & Petry, 2013; Rosenbaum, Armstrong & King, 1986) zu ihren Einstellungen gegenüber den präsentierten Peers befragt. Die verwendeten Fallvignetten stammen aus Vorarbeiten von De Boer, Pijl, Minnaert und Post (2014) und wurden von Schwab (2015) adaptiert und übersetzt. Aus ihrer Befragung geht hervor, dass die Schülerinnen und Schüler im Allgemeinen neutral bis moderat positiv gegenüber Peers mit SPF eingestellt sind. Im Detail zeigten sich jedoch Unterschiede in den Einstellungen der Kinder gegenüber Peers mit SPF in Abhängigkeit der verwendeten Fallbeschreibungen. Demnach haben die Schülerinnen und Schüler angegeben, gegenüber Peers mit Förderbedarfen in der sozial-emotionalen und geistigen Entwicklung signifikant weniger positiv eingestellt zu sein als gegenüber Peers mit einem Förderbedarf in der körperlich-motorischen Entwicklung oder im Bereich Lernen. Dieser Befund konnte in einer Untersuchung von Hellmich et al. (2017) auf der Basis einer Stichprobe bestehend aus N = 541 Schülerinnen und Schülern dritter und vierter Grundschulklassen zu Teilen repliziert werden. Die forschungsmethodische Herangehensweise von Schwab (2015) wurde hierbei übernommen. Im Rahmen der Studie konnte erwartungsgemäß nachgewiesen werden, dass Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF signifikant weniger positiv ausgeprägte Einstellungen besitzen als gegenüber Peers mit anderen Förderschwerpunkten (z. B. in der geistigen oder körperlich-motorischen Entwicklung bzw. im Bereich Lernen). Zusammenfassend wird anhand der vorliegenden Forschungsbefunde deutlich, dass Grundschulkinder im Allgemeinen neutral bis moderat positiv gegenüber ihren Peers mit sozial-emotionalem SPF eingestellt sind. De Boer, Pijl und Minnaert (2012) weisen jedoch darauf hin, dass bei der Interpretation der Einstellungsausprägungen die zugrunde liegenden Varianzen berücksichtigt werden sollten. Demnach ist ein Großteil der Schülerinnen und Schüler ohne SPF in den berichteten Studien zwar tatsächlich neutral bis moderat positiv gegenüber
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Peers mit SPF eingestellt, ein nicht zu vernachlässigender Anteil vertritt aber auch sehr negative oder sehr positive Einstellungen gegenüber diesen Kindern. Dabei sind es vor allem diejenigen Kinder mit einem sozial-emotionalen SPF, die maßgeblich von den niedrigen Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler betroffen sind (vgl. Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015). Vor diesem Hintergrund schlussfolgern De Boer, Pijl und Minnaert (2012), dass bereits eine kleine Gruppe von Kindern mit negativen Einstellungen gegenüber Peers mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht ausreichend ist, um den Schulalltag eines Kindes mit (sozial-emotionalem) SPF enorm zu erschweren: »Despite the overall neutral score, there were also students holding far more positive or far more negative attitudes. Even a small group of students holding negative attitudes can make life at school for a child with a disability very difficult« (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012, S. 388). Gegenwärtig ist nur in Ansätzen bekannt, durch welche Faktoren die niedrigeren Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF erklärt werden können, um auf dieser Grundlage geeignete inner- und außerschulische Interventionen entwickeln und umsetzen zu können, damit Kinder mit sozial-emotionalem SPF selbstbestimmt und uneingeschränkt an allen Aktivitäten des schulischen Lebens teilhaben können. In Anlehnung an das theoretische Modell zur Wirksamkeit von Empathie nach Davis (2018) kann angenommen werden, dass sich die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF durch ihre affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) und kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie, ihren bisherigen Kontakt zu Peers mit (sozial-emotionalem) SPF und ihr soziales Selbstkonzept erklären lassen. Gegenwärtig liegen jedoch keine Studien vor, in denen alle von Davis (2018) aufgeführten Relationen empirisch untersucht wurden. In verschiedenen Forschungsarbeiten finden sich allerdings Hinweise darauf, dass jeweils Zusammenhänge zwischen den einzelnen Konstrukten bestehen. Die aktuellen Forschungsstände zu den nachfolgend aufgeführten Beziehungen werden in den anschließenden Abschnitten präsentiert: • • • • • • • •
Einstellungen und Empathie Einstellungen und Kontakt/Freundschaften Einstellungen und soziales Selbstkonzept Einstellungen und Wissen Einstellungen und Geschlecht Empathie und Kontakt/Freundschaften Empathie und soziales Selbstkonzept Empathie und Geschlecht
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2.4.3.2 Einstellungen und Empathie Studien zum Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihrer Empathie stehen gegenwärtig noch weitgehend aus. Lediglich Armstrong et al. (2016) haben im Rahmen einer Fragebogenerhebung den Zusammenhang zwischen der Empathie, den Einstellungen gegenüber und den Kontakterfahrungen zu Menschen mit SPF anhand einer Stichprobe bestehend aus N = 1881 Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 6–17 Jahren aus Großbritannien untersucht. Im Speziellen sind sie dabei der Frage nachgegangen, ob der Effekt von den selbstberichteten Kontakterfahrungen der Kinder und Jugendlichen mit Menschen mit SPF auf ihre Einstellungen gegenüber diesen Personen durch ihre Empathiefähigkeit mediiert wird. Zur Überprüfung ihrer theoretischen Annahmen haben Armstrong et al. (2016) getrennte Strukturgleichungsmodelle für die affektiven und verhaltensbezogenen Einstellungen der Schülerinnen und Schüler gegenüber Menschen mit SPF berechnet. Aus den Forschungsergebnissen ihrer Untersuchung geht hervor, dass die Empathie sowohl einen signifikanten Mediator in Bezug auf die Relation zwischen den affektiven Einstellungen als auch den verhaltensbezogenen Einstellungen und den Kontakterfahrungen darstellt. Darüber hinaus konnten sie im Rahmen ihrer Strukturgleichungsanalyse nachweisen, dass die Empathie der an der Untersuchung beteiligten Kinder und Jugendlichen in einem signifikanten Zusammenhang zu ihren affektiven (r = .25; p ≤ .001) sowie ihren verhaltensbezogenen (r = .36; p ≤ .001) Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF steht. Insgesamt geben die Befunde aus der Untersuchung von Armstrong et al. (2016) Hinweise darauf, dass die Empathie von Kindern und Jugendlichen einen wichtigen Erklärungsfaktor für ihre Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderungen darstellt. Studien, in denen die Zusammenhänge zwischen der affektiven (Fürsorglichkeitsempfinden) und der kognitiven (Perspektivenübernahme) Empathie sowie den Einstellungen gegenüber Kindern mit sozial-emotionalem SPF differenziert betrachtet wurden, stehen derzeit noch aus. Diesem Forschungsdesiderat wird in der vorliegenden Arbeit nachgegangen.
2.4.3.3 Einstellungen und Kontakt/Freundschaften Basierend auf Allports (1954) Kontakttheorie konnte in verschiedenen Studien (z. B. Armstrong et al., 2017; Hellmich & Loeper, 2018; MacMillan et al., 2014; Schwab, 2017) ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber und ihrem Kontakt zu Peers mit SPF nachgewiesen werden. So berichten beispielsweise MacMillan et al. (2014) in ihrem Forschungsreview, dass in 22 von insgesamt 35 betrachteten Untersuchungen ein
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
positiver Zusammenhang zwischen dem Kontakt zu und den Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF gefunden werden konnte. Lediglich in zwei Studien war dieser Zusammenhang negativ ausgeprägt. Eine positive Korrelation zwischen dem Kontakt und den Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF konnte auch von Armstrong et al. (2017) im Rahmen einer Meta-Analyse bestätigt werden. Auf der Basis von insgesamt zwölf Forschungsarbeiten konnten sie signifikante Effekte von den direkten (d = .55) und indirekten (d = .61) Kontakterfahrungen (z. B. Geschichten über Menschen mit SPF) von Kindern im Alter zwischen fünf und zehn Jahren auf ihre Einstellungen gegenüber Peers mit SPF finden. Zudem konnte Schwab (2017) nachweisen, dass die Kontakterfahrungen von Grundschülerinnen und -schülern zu Peers mit SPF signifikant mit ihren Einstellungen gegenüber Peers mit SPF zusammenhängen. Im Gegensatz zu den Arbeiten von MacMillan et al. (2014) und Armstrong et al. (2017) lag der Fokus in der Studie von Schwab (2017) vermehrt auf dem Unterschied zwischen der Qualität und der Quantität der gemachten Kontakterfahrungen. Operationalisiert wurden die Qualität und Quantität des Kontakts in ihrer Untersuchung mithilfe von Peer-Nominierungen, in denen die Schülerinnen und Schüler angeben sollten, mit welchen Kindern aus ihrer Klasse sie gerne in einem Schulprojekt zusammenarbeiten würden. Eine gemeinsame Aktivität mit einem Peer mit SPF stellte dabei eine Kontakterfahrung mit hoher Qualität dar, während der unstrukturierte Kontakt mit Peers mit SPF im Klassenzimmer als Kontakterfahrung mit niedriger Qualität bzw. als rein quantitativer Kontakt gewertet wurde. Lediglich ein Drittel der befragten Kinder ohne SPF nominierte einen Peer mit SPF für ein gemeinsames Schulprojekt. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich allerdings eine gemeinsame Aktivität mit einer Mitschülerin oder einem Mitschüler mit SPF vorstellen konnten, gaben auch an, insgesamt positiver gegenüber Peers mit SPF eingestellt zu sein als Kinder, die keine Peers mit SPF für eine gemeinsame Aktivität benannt haben. Dass die reine Häufigkeit des Kontakts zu Menschen mit SPF nicht zwingend mit positiveren Einstellungen einhergeht, konnten bereits Keith et al. (2015) sowie McManus et al. (2010) zeigen. Aus beiden Untersuchungen geht hervor, dass die Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF vermehrt über die Qualität des Kontakts als über die Quantität der Kontakterfahrungen zu erklären sind. Eine besondere Form des Kontakts, die sich durch eine hohe Qualität auszeichnet, stellen Freundschaften zwischen Grundschulkindern mit und ohne SPF dar (Vignes et al., 2009). Vignes, Coley, Grandjean, Godeau und Arnaud (2008) haben N = 1509 Kinder im Alter zwischen 12–13 Jahren zu ihren Freundschaften mit und Einstellungen gegenüber Peers mit SPF befragt. Die Ergebnisse aus einer
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linearen Regressionsanalyse verdeutlichen, dass bestehende Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne SPF einen signifikant positiven Erklärungsfaktor für die Einstellungen gegenüber Peers mit SPF darstellen. Hellmich und Loeper (2018) sind in ihrer Untersuchung der Frage nachgegangen, ob und inwiefern sich die Einstellungen von N = 753 Kindern aus dritten und vierten Grundschulklassen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung und im Bereich Lernen durch ihren bisherigen Kontakt zu Menschen mit SPF erklären lassen. Auf der Basis von Fallbeschreibungen wurden die Grundschulkinder darum gebeten, ihre Kontakterfahrungen mit und ihre Einstellungen gegenüber Peers mit diesen Förderbedarfen einzuschätzen. Anhand der Ergebnisse eines Strukturgleichungsmodells wird ersichtlich, dass die bisherigen Kontakterfahrungen der beteiligten Kinder mit Peers mit SPF signifikante Prädiktoren für ihre Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotional-sozialen Entwicklung und im Bereich Lernen darstellen. Der Effekt vom Kontakt auf die Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF war dabei ausgeprägter als der Effekt auf die Einstellungen gegenüber Peers mit SPF im Bereich Lernen. Anhand der präsentierten Forschungsbefunde wird insgesamt deutlich, dass die bisherigen Kontakterfahrungen von Kindern im Grundschulalter einen wichtigen Erklärungsfaktor für ihre Einstellungen gegenüber Peers mit sozialemotionalem SPF darstellen. Im Detail zeigt sich, dass die reine Häufigkeit der Kontakterfahrungen einen niedrigeren Vorhersagewert für die Einstellungen gegenüber Mitschülerinnen und Mitschüler mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung besitzt als Kontakterfahrungen mit einer hohen Qualität (z. B. Freundschaften).
2.4.3.4 Einstellungen und soziales Selbstkonzept In Anlehnung an das Modell zur Wirksamkeit von Empathie nach Davis (2018) kann aus theoretischer Perspektive angenommen werden, dass selbstbezogene Kognitionen – wie z. B. das soziale Selbstkonzept – wichtige Determinanten für die Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF darstellen. Bislang liegen keine empirischen Studien vor, in denen der Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihrem sozialen Selbstkonzept explizit untersucht wurde. In einer aktuellen Forschungsarbeit von Hellmich und Loeper (2018) finden sich jedoch Hinweise darauf, dass Schülerinnen und Schüler ohne SPF, die sich als selbstwirksam hinsichtlich sozialer Interaktionen im inklusiven Grundschulunterricht mit Peers mit SPF einschätzen, sowohl positiver gegenüber Kindern mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung als auch im
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Bereich Lernen eingestellt sind. Im Detail konnten die Autoren im Rahmen einer Strukturgleichungsanalyse zeigen, dass die Einstellungen der Grundschülerinnen und Grundschüler signifikant durch ihre Selbstwirksamkeitsüberzeugungen erklärt werden können (Hellmich & Loeper, 2018). Während die Selbstwirksamkeit nach Bandura (1994) als die Überzeugung definiert ist, dass die eigenen Fähigkeiten ausreichend sind, um ein bestimmtes Ziel erreichen zu können, wird unter dem sozialen Selbstkonzept die Vorstellung in Bezug auf die Höhe der eigenen Fähigkeiten hinsichtlich sozialer Interaktionen mit Mitmenschen verstanden (Moschner & Dickhäuser, 2018). Da es sich bei der Selbstwirksamkeit und dem sozialen Selbstkonzept um inhaltlich eng miteinander verwandte Konzepte handelt (Moschner & Dickhäuser, 2018), kann explorativ angenommen werden, dass auch zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit einem SPF in der emotional-sozialen Entwicklung und ihrem sozialen Selbstkonzept ein signifikanter Zusammenhang besteht. Diese Annahme wird im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit untersucht.
2.4.3.5 Einstellungen und Wissen Aus verschiedenen Untersuchungen (Campbell, 2007; Campbell, Ferguson, Herzinger, Jackson & Marino, 2004; Swaim & Morgan, 2001; Vignes et al., 2009) liegen bereits Forschungsbefunde zum Zusammenhang zwischen dem Wissen von Kindern über SPF und ihren Einstellungen gegenüber Peers mit SPF vor (vgl. De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). Im Rahmen einer quantitativ angelegten Untersuchung, an der N = 1135 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 10–15 Jahren beteiligt waren, sind Vignes et al. (2009) der Frage nachgegangen, ob im Elternhaus vermittelte Informationen über SPF einerseits und Wissen aus Büchern (z. B. Geschichten über Kinder mit SPF) oder dem Fernsehen andererseits für die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler gegenüber Peers mit SPF prädiktiv sind. In beiden Fällen konnten signifikante positive Effekte vom Wissen über SPF auf die Einstellungen gegenüber Peers mit SPF gefunden werden. Den stärksten Prädiktor für die Einstellungen stellte hierbei kombiniertes Wissen über SPF aus Büchern und dem Fernsehen dar (Vignes et al., 2009). Campbell et al. (2004), Campbell (2007) sowie Swaim und Morgan (2001) untersuchten in ihren Studien, welchen Effekt beschreibende und erklärende Informationen über den Förderbedarf Autismus auf die Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit diesem SPF haben. Während aus der Untersuchung von Swaim und Morgan (2001) hervorgeht, dass keine Unterschiede hinsichtlich der Einstellungsausprägungen zwischen Kindern mit und ohne Informationen
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über den Förderschwerpunkt Autismus bestehen, konnten sowohl Campbell et al. (2004) als auch Campbell (2007) zeigen, dass die kombinierte Vermittlung beschreibenden und erklärenden Wissens über eine Person mit Autismus zu positiveren Einstellungen gegenüber Peers mit Autismus geführt hat als jeweils isoliert vermittelte Beschreibungen oder Erklärungen. Zusammenfassend geben die derzeit vorliegenden Forschungsergebnisse erste Hinweise darauf, dass das Wissen über Förderbedarfe einen wichtigen Erklärungsfaktor für die Einstellungen gegenüber Peers mit SPF darstellt. Allerdings erweist sich die aktuelle Befundlage derzeit noch als lückenhaft. So ist beispielsweise noch nicht näher erforscht, ob der Effekt vom Wissen über SPF auf die Einstellungen gegenüber Peers in Abhängigkeit des jeweiligen Förderbedarfs (z. B. in der körperlich-motorischen oder sozial-emotionalen Entwicklung etc.) differiert. Auch ist weiterhin unklar, auf welche Weise den Schülerinnen und Schülern das Wissen über Förderbedarfe bestmöglich vermittelt werden kann, um ihre Einstellungen gegenüber Kindern mit SPF in positiver Weise zu verändern. Zwar liegen Hinweise dafür vor, dass eine Kombination aus beschreibenden und erklärenden Elementen über einen Förderbedarf die Einstellungen gegenüber Peers mit SPF positiv begünstigen können. Die Befundlage hierzu ist allerdings noch sehr dünn und nicht vollständig konsistent.
2.4.3.6 Einstellungen und Geschlecht Befunde zum Zusammenhang zwischen dem Geschlecht von Grundschulkindern und ihren Einstellungen gegenüber Peers mit SPF liegen bereits aus verschiedenen Untersuchungen vor (z. B. Hellmich et al., 2017; Laws & Kelly, 2005; Nowicki, 2006; Schwab, 2015; Siperstein, Parker, Bardon & Widaman, 2007). In allen betrachteten Studien konnte einheitlich nachgewiesen werden, dass Mädchen signifikant positiver gegenüber Peers mit SPF eingestellt sind als Jungen. Auch bei der differenzierten Betrachtung unterschiedlicher Förderschwerpunkte wurde dieser Forschungsbefund evident. So haben Hellmich et al. (2017) in einer quantitativ-empirischen Studie geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Einstellungen von N = 541 Schülerinnen und Schülern gegenüber Peers mit den Förderschwerpunkten sozial-emotionale, geistige und körperliche-motorische Entwicklung sowie Lernen untersucht. Dabei konnten sie zeigen, dass die beteiligten Mädchen in allen Fällen signifikant positivere Einstellungen gegenüber Mitschülerinnen und -schülern mit SPF besitzen als die Jungen. Anhand des bestehenden Forschungsstands wird insgesamt deutlich, dass das Geschlecht einen zentralen Faktor zur Erklärung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF darstellt.
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.4.3.7 Empathie und Kontakt/Freundschaften Zum Zusammenhang zwischen der Empathie von Kindern im Grundschulalter und ihrem Kontakt zu Peers mit SPF liegen bereits empirische Befunde vor. So haben beispielsweise Gasser, Malti und Buholzer (2013) in einer quantitativ-empirischen Studie mit N = 351 Kindern aus inklusiven und nicht-inklusiven Schulklassen im Alter zwischen 9–12 Jahren untersucht, wie sympathische Reaktionen7 von Schülerinnen und Schülern erklärt werden können, denen in Fallvignetten der Ausschluss eines Kindes mit SPF aus der Klassengemeinschaft beschrieben wurde. Als möglicher Erklärungsfaktor für ihre Sympathie wurden die an der Untersuchung beteiligten Kinder zu ihrem bisherigen Kontakt zu Menschen mit SPF befragt. Aus den Ergebnissen der Studie geht hervor, dass die befragten Schülerinnen und Schüler im Mittel eine hohe Sympathie gegenüber den exkludierten Kindern zeigten. Im Detail konnte nachgewiesen werden, dass Kinder mit hohen Sympathiewerten auch angegeben haben, mehr Kontakt zu Menschen mit SPF zu haben als Kinder mit einer niedrig ausgeprägten Sympathie. In einer längsschnittlich angelegten Experimentalstudie haben Mavropoulou und Sideridis (2014) auf der Basis einer Stichprobe von N = 475 Grundschülerinnen und -schülern aus der vierten bis sechsten Klasse untersucht, welche Zusammenhänge zwischen dem Kontakt der Kinder zu Peers mit Autismus, ihrem Wissen über Autismus, ihren kognitiven Einstellungen, ihren Verhaltensabsichten und ihrer Empathie bestehen. Während die Kinder aus der Experimentalgruppe wöchentlich Kontakt zu Schülerinnen und Schülern mit Autismus in einer organisierten Lehr-Lernumgebung hatten, bekamen die Kinder aus der Kontrollgruppe nicht die Möglichkeit, mit den Schülerinnen und Schülern mit Autismus zu interagieren. Das Experiment wurde über einen Zeitraum von drei Monaten durchgeführt. Nach Ablauf der Zeit zeigte sich, dass die Kinder aus der Experimentalgruppe im Vergleich zu denjenigen Kindern aus der Kontrollgruppe über ein höheres Wissen hinsichtlich des Förderbedarfs verfügten, positiver gegenüber den Peers mit Autismus eingestellt waren und allgemein positivere Verhaltensabsichten in Bezug auf Interaktionen mit Peers mit Autismus zeigten. In diesem Zusammenhang konnten Mavropoulou und Sideridis (2014) auch geschlechts- und altersspezifische Unterschiede hinsichtlich der Empathie finden. Während für die Jungen positive Effekte vom Kontakt zu Peers mit Autismus
7Nach Davis (2018) handelt es sich bei der Sympathie und der Empathie um inhaltlich verwandte Konzepte.
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auf die affektive und kognitive Empathie nachgewiesen werden konnten, lag dieser Effekt bei den Mädchen nur in Bezug auf die affektive Empathie vor. Die gemessenen Effekte konnten nur für Kinder aus fünften und sechsten, nicht aber für Kinder aus vierten Klassen gefunden werden. Armstrong et al. (2016) sind in ihrer Studie ebenfalls der Frage nachgegangen, ob Zusammenhänge zwischen dem Kontakt zu Menschen mit SPF, der Empathie und den Einstellungen gegenüber Peers mit SPF bestehen. Anhand der Fragebogenaussagen von N = 1881 englischen Kindern und Jugendlichen zwischen 7–16 Jahren konnten sie belegen, dass die Empathie der an der Untersuchung beteiligten Schülerinnen und Schüler signifikant durch ihre bisherigen Kontakterfahrungen mit Menschen mit SPF erklärt werden kann (r = .20; p ≤ .001). Der Effekt von den Kontakterfahrungen der Kinder und Jugendlichen auf ihre Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF wird darüber hinaus signifikant durch ihre Empathie mediiert. Hinweise darauf, dass ein gerichteter Zusammenhang zwischen der Empathie und dem Kontakt besteht, finden sich auch bei Johnston und Glasford (2018). Die Ergebnisse aus einem Strukturgleichungsmodell belegen für N = 102 junge Erwachsene, dass sich sowohl die Empathie der Befragten als auch ihre Intention, Menschen aus anderen ethnischen Gruppen helfen zu wollen, durch die Qualität ihrer bisherigen Kontakterfahrungen erklären lassen. Der Effekt von der Qualität des Kontakts auf die Hilfsbereitschaft wird dabei durch die Empathie mediiert. Studien, in denen der Zusammenhang zwischen den Freundschaften von Grundschulkindern mit Peers mit SPF und ihrer Empathie explizit untersucht wurde, liegen derzeit noch nicht vor. Basierend auf der Erkenntnis, dass Kontakterfahrungen mit einer hohen Qualität eine zentrale Determinante für die Empathie darstellen (vgl. Johnston & Glasford, 2018), kann allerdings vermutet werden, dass auch Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne SPF einen signifikanten Erklärungsfaktor für ihre Empathie darstellen. Insgesamt wird anhand des gegenwärtig vorliegenden Forschungsstands ersichtlich, dass Kontakterfahrungen, die Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Menschen mit SPF gemacht haben, in einem engen Zusammenhang zu ihren empathischen Reaktionen stehen, welche sie gegenüber Menschen mit SPF zum Ausdruck bringen. Ungeklärt ist derzeit allerdings, ob dieser Zusammenhang auch in Bezug auf den Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung besteht.
2.4.3.8 Empathie und soziales Selbstkonzept Gegenwärtig erweist sich die empirische Befundlage zum Zusammenhang zwischen der Empathie und den sozialen Selbstkonzepten von Schülerinnen
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und Schülern im Grundschulalter als nahezu unerforscht. Lediglich in einer quantitativ-empirischen Untersuchung konnten signifikante Korrelationen zwischen der Empathie und den Selbstkonzepten von Kindern und Jugendlichen gefunden werden. Basierend auf einer Stichprobe von N = 313 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 10–14 Jahren hat Garaigordobil (2009) untersucht, in welcher Beziehung die Empathie, das Selbstkonzept, das Sozialverhalten und das prosoziale Verhalten der befragten Kinder und Jugendlichen zueinander stehen. Getrennt für die Altersgruppen von 10–12 Jahren und 12–14 Jahren konnte sie nachweisen, dass signifikante positive Korrelationen zwischen der Empathie und dem Selbstkonzept (r10–12 Jahre = .48; p ≤ .05; r12–14 Jahre = .21; p ≤ .05) bestehen. Die Ergebnisse aus der Studie von Garaigordobil (2009) geben erste Hinweise darauf, dass die sozialen Selbstkonzepte von Grundschülerinnen und -schülern wichtige Faktoren zur Erklärung ihrer Empathie darstellen. Es bedarf jedoch weiterer Forschungsergebnisse, um die bestehenden Erkenntnisse empirisch abzusichern. Diesem Anspruch soll im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit nachgekommen werden.
2.4.3.9 Empathie und Geschlecht Unterschiede hinsichtlich der Empathiefähigkeit zwischen Mädchen und Jungen im Alter zwischen 10–14 Jahren wurden in einer Studie von Garaigordobil (2009) betrachtet. Dabei konnte gezeigt werden, dass sich die befragten Mädchen sowohl aus affektiver als auch kognitiver Perspektive empathischer einschätzen als die Jungen. In weiterführenden Untersuchungen konnte dieser Befund bestätigt werden. Demnach können Mädchen die Rollen bzw. Perspektiven anderer Menschen besser übernehmen (Bengtsson & Arvidsson, 2011) und sind fürsorglicher (De Minzi, 2013; Light et al., 2009) als die Jungen. Die vorliegenden Ergebnisse aus empirischen Studien geben insgesamt Hinweise darauf, dass das Geschlecht einen signifikanten Erklärungsfaktor für empathische Reaktionen sowohl auf affektiver als auch kognitiver Ebene darstellt.
2.4.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für das eigene Forschungsvorhaben Die Einstellungen von Schülerinnen und Schülern ohne SPF gegenüber ihren Peers mit SPF stellen zentrale Determinanten für die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung eines inklusiven Grundschulunterrichts dar, in dem Kinder mit einem Förderschwerpunkt in der emotionalen und sozialen Entwicklung an
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allen sozialen Aktivitäten uneingeschränkt und selbstbestimmt teilhaben können (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012; Symes & Humphrey, 2011). Nach Eagly und Chaiken (1993) handelt es sich bei Einstellungen um psychologische Tendenzen, die Aufschluss darüber geben, ob einem Einstellungsobjekt bzw. einer Entität positiv oder negativ begegnet wird. Die Einstellungen gegenüber einer Entität können entweder kognitiv, affektiv oder behavioral geprägt sein (Triandis, 1975). In Bezug auf die Gestaltung inklusiver Lehr-Lernumgebungen wurden in den vergangenen Jahren vermehrt die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF und mögliche Erklärungsfaktoren für ihre Einstellungen im Rahmen empirischer Studien untersucht (z. B. Bossaert, Colpin, Pijl & Petry, 2011; De Boer, Pijl & Minnaert, 2012; Hellmich & Loeper, 2018; Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015). In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass die befragten Kinder ohne SPF im Allgemeinen neutral bis moderat positiv gegenüber ihren Peers mit SPF eingestellt sind (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). In Bezug auf die untersuchten Förderbedarfe (z. B. geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung, emotionale und soziale Entwicklung, Lernen) konnten z. T. große Unterschiede in den Einstellungsausprägungen der befragten Kinder gefunden werden. Demnach haben die Schülerinnen und Schüler ohne SPF signifikant weniger positiv ausgeprägte Einstellungen gegenüber Peers mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung als gegenüber Peers mit anderen Förderbedarfen (Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015). Trotz der neutralen bis moderat positiven Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler sind Kinder mit einem emotional-sozialen Förderbedarf häufig von sozialer Ausgrenzung im inklusiven Grundschulunterricht betroffen (De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007). De Boer, Pijl und Minnaert (2012) begründen diesen Zusammenhang mit der hohen Varianz in Bezug auf die Einstellungsausprägungen der Kinder ohne SPF. Ihrer Meinung nach ist es bereits ausreichend, wenn wenige Kinder mit negativ ausgeprägten Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der Klasse sind, um ihren Mitschülerinnen und Mitschülern mit emotional-sozialem SPF das Leben im gemeinsamen Unterricht enorm zu erschweren. Vor diesem Hintergrund gilt es in weiterführenden Untersuchungen mögliche Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern ohne SPF gegenüber ihren Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung genauer in den Blick zu nehmen, um auf dieser Grundlage geeignete Interventionen – mit dem Ziel, die soziale Partizipation dieser Kinder zu verbessern – zu entwickeln und im inklusiven Grundschulunterricht umzusetzen. Zu diesem Zweck wird in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an das theoretische Modell zur Wirksamkeit von Empathie nach Davis (2018) untersucht, ob und inwiefern die Einstellungen von Grundschulkindern ohne SPF gegenüber Peers mit
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emotional-sozialem Förderbedarf durch ihre Empathie (Perspektivenübernahme/ Fürsorglichkeitsempfinden), ihr soziales Selbstkonzept und ihren Kontakt zu Peers mit sozial-emotionalem SPF erklärt werden können. Aus bestehenden Forschungsbefunden geht bereits hervor, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern und ihren bisherigen Kontakterfahrungen zu Menschen mit SPF besteht (z. B. Hellmich & Loeper, 2018; Schwab, 2017; MacMillan et al., 2014). Im Detail konnte hierbei gezeigt werden, dass die Qualität der gemachten Kontakterfahrungen einen höheren Erklärungswert für die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF besitzt als die Quantität des Kontakts (z. B. Armstrong et al., 2017; Keith et al., 2015; McManus et al., 2010). Weitgehend ungeklärt ist hingegen die Frage, ob sich die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern mit emotional-sozialem SPF durch ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) und ihr soziales Selbstkonzept erklären lassen. Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen den Einstellungen, der Empathie und dem sozialen Selbstkonzept lassen sich auf der Grundlage des theoretischen Modells von Davis (2018) ableiten. Empirische Befunde, welche den inklusiven Grundschulunterricht im Detail betrachten, stehen gegenwärtig allerdings noch weitgehend aus. Lediglich vereinzelt finden sich Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass Zusammenhänge zwischen der Empathie und dem sozialen Selbstkonzept (Garaigordobil, 2009), zwischen der Empathie und den Einstellungen (Armstrong et al., 2016) sowie zwischen der Empathie und dem Kontakt (Armstrong et al., 2016; Johnston & Glasford, 2018) bestehen. Die Untersuchung der angenommenen Zusammenhänge zwischen den Variablen setzt geeignete – empirisch falsifizierbare – Forschungshypothesen voraus. Diese werden im folgenden Kapitel »Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen« (2.5) aus dem beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund explizit hergeleitet und im Detail vorgestellt.
2.5 Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen Anhand des beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrunds wird ersichtlich, dass die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Peers mit SPF eine zentrale Determinante für die erfolgreiche soziale Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit SPF darstellen (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012).
2.5 Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen
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Doch obwohl die bisher in empirischen Untersuchungen (z. B. De Boer, Pijl & Minnaert, 2012; Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015) befragten Schülerinnen und Schüler im Allgemeinen angegeben haben, neutral bis moderat positiv gegenüber ihren Peers mit SPF eingestellt zu sein, ist die soziale Partizipation ihrer Mitschülerinnen und -schüler mit einem SPF im gemeinsamen Unterricht häufig niedrig ausgeprägt (z. B. Avramidis et al., 2018; Ruijs & Peetsma, 2009; Schwab, 2018). Vor allem Kinder mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung sind in besonderer Weise von dieser Problematik betroffen (De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007). Als Grund für die widersprüchliche Befundlage wird die hohe Varianz in Bezug auf die Einstellungsausprägungen der befragten Grundschulkinder gegenüber Peers mit SPF angesehen, wonach einige Schülerinnen und Schüler zwar sehr positiv, andere Kinder aber auch sehr negativ gegenüber Peers mit SPF eingestellt sind (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). In diesem Zusammenhang ist bereits ein Kind mit negativen Einstellungen ausreichend, um den Schülerinnen und Schülern mit SPF das Leben im inklusiven Unterricht erheblich zu erschweren (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). Vor diesem Hintergrund stellen sich gegenwärtig Fragen nach möglichen Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF, um auf dieser Grundlage geeignete Interventionen gestalten und umsetzen zu können, die zur Verbesserung der sozialen Partizipation von Schülerinnen und Schülern mit sozial-emotionalem SPF im inklusiven Grundschulunterricht beitragen können. Hierzu werden in Abschnitt 2.5 basierend auf dem gegenwärtig vorliegenden Forschungsstand (2.4.3) »Unterscheidungs-« (2.5.1) und »Zusammenhangshypothesen« (2.5.2) formuliert und nachfolgend empirisch überprüft (vgl. Kapitel 3 – »Empirische Studie«).
2.5.1 Unterscheidungshypothesen Unterscheidungshypothese 1. Unterschiede in Bezug auf die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung in Abhängigkeit von Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem Förderbedarf: Die soziale Partizipation von Kindern mit SPF im gemeinsamen Unterricht ist von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Gestaltung und
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Umsetzung inklusiver Grundschulen (Koster et al., 2009). Eine wichtige Gelingensbedingung stellen in diesem Zusammenhang die Einstellungen von Grundschülerinnen und -schülern ohne SPF gegenüber ihren Peers mit SPF dar (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). Diesbezüglich konnte im Rahmen empirischer Studien gezeigt werden, dass die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern maßgeblich über ihr Wissen erklärt werden können, dass sie im Elternhaus, in der Schule (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012) oder im Rahmen experimenteller Interventionen über Förderbedarfe vermittelt bekommen haben (Campbell, 2007). So konnte beispielsweise Campbell (2007) in einer empirischen Studie nachweisen, dass Kinder und Jugendliche, die neben beschreibenden auch erklärende Informationen über Verhaltensweisen von Kindern mit Autismus erhalten haben, den Peers mit Autismus in der Folge positiver gegenüber eingestellt sind als Kinder, denen nur beschreibende oder erklärende Informationen präsentiert wurden. Entsprechende Untersuchungen für den Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung liegen gegenwärtig noch nicht vor. Vor dem beschriebenen empirischen Hintergrund kann die folgende Unterscheidungshypothese angenommen werden: HU1 • Grundschulkinder sind gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung signifikant positiver eingestellt, wenn sie zusätzliches Wissen über einen Förderbedarf in Form von Erklärungen (z. B. soziologische oder medizinische Erklärungen) für das beschriebene Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem SPF erhalten als wenn sie keine zusätzlichen Erklärungen erhalten. Unterscheidungshypothese 2. Geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sowie in Bezug auf die Empathie bei Grundschulkindern: Hinsichtlich der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF besteht gegenwärtig ein großes Interesse darin, Unterschiede in den Einstellungsausprägungen gegenüber Kindern mit SPF unter geschlechtsspezifischem Aspekt zu betrachten. In diesem Zusammenhang geht aus den Ergebnissen verschiedener Studien einheitlich hervor, dass Mädchen signifikant positiver gegenüber ihren Peers mit einem SPF eingestellt sind als Jungen (z. B. De Boer, Pijl, Post, et al., 2012; Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015). Daher kann auf der Grundlage der vorliegenden Forschungsbefunde die folgende Unterscheidungshypothese abgeleitet werden:
2.5 Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen
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HU2 a. Mädchen sind gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung signifikant positiver eingestellt als Jungen. Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden in empirischen Untersuchungen auch bezüglich der Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) von Schülerinnen und Schülern genauer in den Blick genommen (z. B. Bengtsson & Arvidsson, 2011; De Minzi, 2013; Garaigordobil, 2009; Light et al., 2009). Über die einzelnen Studien hinweg konnte einheitlich nachgewiesen werden, dass die beteiligten Mädchen signifikant fürsorglicher sind und die Perspektiven anderer Menschen besser übernehmen können als die Jungen. Dies führt zu der folgenden Unterscheidungshypothese: HU2 b. Mädchen sind gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern signifikant fürsorglicher und können die Perspektiven ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden signifikant besser übernehmen als Jungen. Unterscheidungshypothese 3. Unterschiede in Bezug auf die Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sowie in Bezug auf die Empathie bei Grundschulkindern, die (nicht) mit einem Kind mit sozial-emotionalem SPF befreundet sind: Die soziale Partizipation von Grundschülerinnen und -schülern mit SPF wird als eine zentrale Bedingung für das Gelingen von inklusivem Unterricht betrachtet (De Boer, Pijl & Minnaert, 2012). Als eine wichtige Determinante für die soziale Partizipation können in diesem Zusammenhang Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne SPF angesehen werden (Koster et al., 2009). Nach Vignes et al. (2008) stellen Freundschaften eine besondere Form des Kontakts dar, die sich durch eine hohe Qualität auszeichnet. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung haben Vignes et al. (2008) die Freundschaften und Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit SPF erfasst. Dabei sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einstellungen der befragten Kinder gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern mit SPF signifikant durch ihre Freundschaften zu Peers mit SPF erklärt werden können. Auf der Grundlage der vorliegenden Forschungsbefunde lässt sich die nachfolgend präsentierte Unterscheidungshypothese ableiten:
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
HU3 a. Grundschulkinder, die über Freundschaften zu Peers mit SPF verfügen, sind gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung signifikant positiver eingestellt als Grundschulkinder, die nicht über solche Freundschaften verfügen. Bezüglich eines Zusammenhangs zwischen den Freundschaften von Grundschulkindern zu Peers mit SPF und ihrer Empathie liegen aktuell keine Ergebnisse aus empirischen Forschungsarbeiten vor. In verschiedenen Studien wurde jedoch der Frage nachgegangen, in welcher Relation der Kontakt von Schülerinnen und Schülern mit Menschen mit SPF und ihrer Empathie steht (z. B. Armstrong et al., 2016; Johnston & Glasford, 2018; Mavropoulou & Sideridis, 2014). So konnten beispielsweise Mavropoulou und Sideridis (2014) einen positiven Effekt vom Kontakt zu Menschen mit SPF auf die affektive und kognitive Empathie bei Jungen und auf die affektive Empathie bei Mädchen nachweisen. In einer Untersuchung mit Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 7–16 Jahren kommen Armstrong et al. (2016) zu dem Ergebnis, dass die Empathie einen wesentlichen Prädiktor für die Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF darstellt und den Zusammenhang zwischen den bisherigen Kontakterfahrungen und den Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF vermittelt. Johnston und Glasford (2018) konnten diesen Befund für junge Erwachsene bestätigen. Darüber hinaus geht aus ihren Ergebnissen hervor, dass sich die Empathie der an der Studie beteiligten Personen signifikant durch die Qualität ihrer Kontakterfahrungen erklären lässt. Nach Vignes et al. (2009) stellen Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne SPF eine besondere Art des Kontakts dar, welche durch eine hohe Qualität gekennzeichnet ist. Auf der Grundlage dieser theoretischen Annahme und dem beschriebenen empirischen Hintergrund zum Zusammenhang zwischen dem Kontakt und der Empathie kann die folgende Unterscheidungshypothese hinsichtlich der Freundschaften von Grundschulkindern mit Peers mit SPF und ihrer Empathie abgeleitet werden: HU3 b. Grundschulkinder, die über Freundschaften zu Peers mit SPF verfügen, sind gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern signifikant fürsorglicher und können die Perspektiven ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden signifikant besser übernehmen als Grundschulkinder, die nicht über solche Freundschaften verfügen.
2.5 Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen
61
2.5.2 Zusammenhangshypothesen Zusammenhangshypothese 1. Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung: Beim inklusiven Grundschulunterricht handelt es sich um einen komplexen sozialen Prozess, für dessen Gelingen vielfältige Faktoren auf Seiten der Schülerinnen und Schüler ausschlaggebend sind (z. B. Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF). Während die Zusammenhänge zwischen einzelnen Faktoren (z. B. Einstellungen und Kontakt) in empirischen Studien (z. B. Armstrong et al., 2016; Hellmich & Loeper, 2018; Schwab, 2018) bereits umfassend untersucht wurden, stehen Studien, in denen die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Faktoren betrachtet werden, noch weitgehend aus. Im Sinne des eigenen Forschungsinteresses finden sich gegenwärtig keine empirischen Forschungsarbeiten, in denen die Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden), das soziale Selbstkonzept und der bisherige Kontakt zu Peers mit sozial-emotionalem SPF gemeinsam als Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern ohne SPF gegenüber ihren Peers mit einem Förderschwerpunkt in der emotionalen und sozialen Entwicklung untersucht wurden und welche Mediatoreffekte in Hinblick auf die einzelnen Zusammenhänge bestehen (Abbildung 2.1). Hinweise darauf, dass isolierte Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren bestehen, finden sich sowohl in dem theoretischen Empathiemodell von Davis (2018) als auch in empirischen Studien (vgl. hierzu »Empirische Befunde« – 2.4.3). Während in verschiedenen Untersuchungen (z. B. Armstrong et al., 2016; Hellmich & Loeper, 2018; Schwab, 2018) bereits umfassend nachgewiesen werden konnte, dass sich die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF signifikant durch ihre bisherigen Kontakterfahrungen erklären lassen, stehen Befunde zum Zusammenhang zwischen den Einstellungen und der Empathie von Schülerinnen und Schülern noch aus. Lediglich Armstrong et al. (2016) konnten in ihrer empirischen Untersuchung zeigen, dass der Effekt vom Kontakt der an der Studie beteiligten Kinder und Jugendlichen auf ihre Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF signifikant durch ihre Empathie mediiert wird und die Empathie eine zentrale Determinante zur Erklärung der affektiven und verhaltensbezogenen Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF darstellt.
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Geschlecht Kontakt Klasse
Empathie
Soziales Selbstkonzept
Perspektivenübernahme
Einstellungen ESE
Fürsorglichkeitsempfinden
Abbildung 2.1 Theoretisch angenommenes Strukturgleichungsmodell stellung).
(eigene Dar-
Der Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber ihren Peers mit SPF und ihrem sozialem Selbstkonzept wurde bislang nicht empirisch untersucht. Gegenwärtig liegen lediglich Studien zum Verhältnis von Einstellungen und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bei Kindern im Grundschulalter vor (Hellmich & Loeper, 2018), wonach die Einstellungen von Grundschulkindern signifikant durch ihre Selbstwirksamkeitsüberzeugungen erklärt werden können. Da es sich bei dem sozialen Selbstkonzept und den Selbstwirksamkeitsüberzeugungen um inhaltlich verwandte Konzepte handelt (Moschner & Dickhäuser, 2018), wird für das eigene Forschungsvorhaben explorativ angenommen, dass auch eine empirisch signifikante Relation zwischen den Einstellungen der befragten Grundschülerinnen und -schülern und ihrem sozialen Selbstkonzept besteht. Anhand des vorgestellten theoretischen und empirischen Hintergrunds kann die folgende Zusammenhangshypothese abgeleitet werden:
2.5 Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen
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HZ1 • Die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung können signifikant durch ihren bisherigen Kontakt zu Peers mit sozial-emotionalem SPF, durch ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) sowie durch ihr soziales Selbstkonzept erklärt werden. Zusammenhangshypothese 2. Erklärungsfaktoren für die Empathie von Grundschulkindern: In seinem theoretischen Modell der Empathie geht Davis (2018) davon aus, dass personenbezogene Voraussetzungen (z. B. das soziale Selbstkonzept) wichtige Determinanten sowohl für die affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) als auch die kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie von Menschen darstellen. Für den grundschulischen Bereich liegen aktuell keine Ergebnisse aus empirischen Studien vor, in denen der Zusammenhang zwischen der Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) und dem sozialen Selbstkonzept im Detail untersucht wurde. Die Befunde aus einer empirischen Studie von Garaigordobil (2009) geben jedoch Hinweise darauf, dass signifikante Zusammenhänge zwischen der Empathie und dem sozialen Selbstkonzept bei Kindern und Jugendlichen an weiterführenden Schulen bestehen. Demnach konnten auf der Grundlage einer Stichprobe von N = 313 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 10–14 Jahren getrennt für die Altersbereiche »10–12 Jahre« und »12–14 Jahre« niedrige bis mittlere Korrelationen auf signifikantem Niveau zwischen der Empathie und dem Selbstkonzept gefunden werden (r10-12 Jahre = .48; p ≤ .05; r12–14 Jahre = .21; p ≤ .05). Vor dem Hintergrund des Ergebnisses für die Gruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen kann auch in Bezug auf die teilnehmenden Grundschülerinnen und -schüler angenommen werden, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen ihrer Empathie und ihrem sozialen Selbstkonzept besteht. Darüber hinaus wurde in empirischen Studien untersucht, in welchem Zusammenhang die Empathie und der bisherige Kontakt zu Menschen mit SPF steht. So konnten beispielsweise Mavropoulou und Sideridis (2014) nachweisen, dass Grundschulkinder, die im Rahmen einer experimentellen Untersuchung regelmäßigen Kontakt zu Peers mit Autismus hatten, in der Folge auch eine stärker ausgeprägte Empathie gegenüber diesen Kindern zeigten als Schülerinnen und Schüler ohne solche Kontakterfahrungen. Armstrong et al. (2016) kommen in ihrer Studie mit Kindern und Jugendlichen im Alter
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
zwischen 7–16 Jahren zu dem Ergebnis, dass der Effekt vom Kontakt der Schülerinnen und Schüler zu Menschen mit SPF auf ihre Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderungen durch ihre Empathie mediiert wird und der bisherige Kontakt für ihre Empathie prädiktiv ist. Hinweise darauf, dass ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen der Empathie und bisherigen Kontakterfahrungen mit Peers mit SPF besteht, finden sich auch bei Johnston und Glasford (2018). In ihrer Untersuchung berichten die Autorin und der Autor, dass der Effekt vom Kontakt auf die Hilfsbereitschaft bei benachteiligten Personen signifikant durch die Empathie vermittelt wird. Aus dem beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund ergibt sich somit die folgende Zusammenhangshypothese: HZ2 a. Die Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) von Grundschulkindern kann signifikant durch ihr soziales Selbstkonzept und ihren bisherigen Kontakt zu Peers mit sozial-emotionalem SPF erklärt werden. Darüber hinaus nimmt Davis (2018) in seinem Empathiemodell an, dass komplexe kognitive Empathieprozesse – wie z. B. die Übernahme der Perspektiven anderer Menschen – einen zentralen Prädiktor für affektive Reaktionen – wie z. B. Fürsorglichkeitsempfinden – darstellen. In einer früheren Untersuchung konnte er in diesem Zusammenhang bereits zeigen, dass eine niedrige signifikante Korrelation (r = .33; p ≤ .01) zwischen der Perspektivenübernahme und dem Fürsorglichkeitsempfinden bei Studierenden besteht (Davis, 1980). Für Grundschülerinnen und -schüler stehen entsprechende Befunde gegenwärtig noch aus. Auch wurden gerichtete Zusammenhänge von der kognitiven auf die affektive Empathie, wie sie von Davis (2018) theoretisch angenommen werden, bisher nicht betrachtet. Auf der Grundlage des theoretischen Empathiemodells (Davis, 2018) und der vorliegenden empirischen Ergebnisse (Davis, 1980) kann jedoch die folgende Zusammenhangshypothese angenommen werden: HZ2 b. Das Fürsorglichkeitsempfinden von Grundschulkindern kann signifikant durch ihre Perspektivenübernahme erklärt werden.
2.5 Forschungsdesiderate und Forschungshypothesen
65
Wie im Abschnitt »Empirische Befunde« (2.4.3) bereits berichtet wurde, geht aus den Forschungsergebnissen einer empirischen Studie von Armstrong et al. (2016) hervor, dass der Effekt von den Kontakterfahrungen mit Menschen mit SPF der untersuchten Kinder und Jugendlichen auf ihre Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF signifikant durch ihre Empathie mediiert wird. Basierend auf diesen Befunden werden auch für das eigene Strukturgleichungsmodell (Abbildung 2.1) signifikante Mediatoreffekte für den Zusammenhang zwischen den Kontakterfahrungen und den Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF bei den befragten Grundschulkindern durch ihre Empathie angenommen: HZ2 c. Der Effekt von dem bisherigen Kontakt der Grundschulkinder zu Peers mit sozial-emotionalem SPF auf ihre Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung wird signifikant durch ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) mediiert. Wie im Abschnitt »Empathie« (2.4.2.1) im Detail beschrieben wurde, geht Davis (2018) in seinem theoretischen Empathiemodell davon aus, dass individuelle Unterschiede (z. B. das soziale Selbstkonzept) von Menschen sowohl wesentliche Prädiktoren für ihre affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) als auch ihre kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie darstellen. Die affektive Empathie lässt sich auf der Grundlage dieser Theorie zudem durch die kognitive Empathie erklären. Für die geplante Strukturanalyse kann vor diesem Hintergrund angenommen werden, dass die kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie einen Mediator des Zusammenhangs zwischen individuellen Unterschieden (z. B. soziales Selbstkonzept) und der affektiven (Fürsorglichkeitsempfinden) Empathie von Menschen darstellt. Grundschulspezifische Befunde liegen für diese Beziehung gegenwärtig noch nicht vor. Die folgende Zusammenhangshypothese wird somit vordergründig auf der Grundlage der theoretischen Überlegungen von Davis (2018) aufgestellt: HZ2 d. Der Effekt vom sozialen Selbstkonzept der Grundschulkinder auf ihr Fürsorglichkeitsempfinden wird signifikant durch ihre Fähigkeit, die Perspektiven von Mitschülerinnen und -mitschülern übernehmen zu können, mediiert.
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2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
Die Überprüfung der angenommenen Zusammenhangshypothesen erfolgt im Rahmen einer Strukturgleichungsanalyse in Mplus 7 (Muthén & Muthén, 1998– 2012). Das Geschlecht und die Klassenstufe der Grundschülerinnen und -schüler wurden als Kovariaten kontrolliert (Abbildung 2.1).
3
Empirische Studie
Zur Überprüfung der aufgestellten Forschungshypothesen wurde eine q uantitativempirische Querschnittstudie durchgeführt, die im folgenden Kapitel vorgestellt wird. Hierzu werden in einem ersten Schritt die in dieser Forschungsarbeit verwendeten »Methoden der Datenanalyse und -auswertung« (3.1) beschrieben. Daran schließt sich die »Beschreibung der Studie« (3.2) an, wobei im Besonderen auf die zugrunde liegende »Stichprobe« (3.2.1), die »Durchführung« der Untersuchung (3.2.2) sowie die verwendeten »Messinstrumente« (3.2.3) und die »Überprüfung« ihrer Eignung für die empirische Untersuchung (3.2.4) eingegangen wird. In Abschnitt 3.2.5 wird eine Übersicht der eingesetzten Skalen präsentiert. Abschließend werden die »Ergebnisse« der Studie (3.3) vorgestellt und vor dem beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund diskutiert (3.3.3).
3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung Das Ziel des folgenden Abschnitts besteht darin, einen detaillierten Überblick über die verwendeten Verfahren zur Analyse und Auswertung der empirischen Daten zu geben. Vor diesem Hintergrund werden zunächst diejenigen Analyseund Auswertungsverfahren näher beschrieben, mit denen die eingesetzten Messinstrumente in Bezug auf ihre Güte bzw. Eignung überprüft werden – die explorative und konfirmatorische »Faktorenanalyse« (3.1.1), die »Reliabilitätsanalyse« (3.1.2) sowie die Überprüfung »multipler Gruppenvergleiche (Messinvarianz)« (3.1.3). Im Anschluss daran werden die empirischen Verfahren zur Überprüfung der aufgestellten Zusammenhangshypothesen (»Korrelationen« – 3.1.4) und Unterscheidungshypothesen (»t-Test« – 3.1.5; »Einfaktorielle © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. F. Löper, Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit Förderbedarf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30922-0_3
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3 Empirische Studie
Varianzanalyse« – 3.1.6) vorgestellt. Der Abschnitt endet mit einer theoretischen Beschreibung von »Strukturgleichungsanalysen« (3.1.7) zur Untersuchung von gerichteten Zusammenhängen zwischen manifesten und/oder latenten Variablen. Alle statistischen Analysen und Auswertungen in der vorliegenden Arbeit wurden mithilfe von SPSS 25 (IBM Corporation, 2017) und Mplus 7 (Muthén & Muthén, 1998–2012) durchgeführt.
3.1.1 Faktorenanalyse Im Allgemeinen werden unter der Bezeichnung »Faktorenanalyse« verschiedene multivariate Analyseverfahren zusammengefasst, mit denen eine große Menge direkt beobachtbarer (manifester) Variablen (z. B. Fragebogenitems) auf eine geringere Anzahl nicht beobachtbarer (latenter) Variablen zurückgeführt werden kann (z. B. Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber, 2016; Bühner, 2011; Moosbrugger & Schermelleh-Engel, 2012; Rost, 2013; Wolff & Bacher, 2010). Nach Wolff und Bacher (2010) stellt die Faktorenanalyse ein strukturgebendes Verfahren dar, mit dessen Hilfe Gemeinsamkeiten in den manifesten Variablen durch latente Variablen erklärt werden können. Bei den faktorenanalytischen Verfahren wird zwischen explorativen (»EFA – Exploratory factor analysis«) und konfirmatorischen (»CFA – Confirmatory factor analysis«) Faktorenanalysen unterschieden. Die explorative Faktorenanalyse wird immer dann angewendet, wenn nur wenig über die zugrunde liegenden Strukturen und die Zusammenhänge zwischen den manifesten Variablen bekannt ist. Sie stellt ein hypothesengenerierendes Analyseverfahren dar, in dessen Verlauf die Beziehungen zwischen den manifesten Variablen und die Anzahl latenter Variablen erst entdeckt werden sollen (Wolff & Bacher, 2010). Sind bereits im Vorfeld konkrete Annahmen über die Strukturen und die Anzahl latenter Variablen vorhanden, sollten diese mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse überprüft werden (Moosbrugger & Schermelleh-Engel, 2012). Zu den gängigen explorativen Verfahren zählen die Hauptachsenfaktorenanalyse (»PAF – Principal Axis Factoring«) und die Maximum-Likelihood-Methode (»ML«). Uneinigkeit herrscht darüber, ob es sich bei der Hauptkomponentenanalyse um ein faktorenanalytisches Auswertungsverfahren im engeren Sinn handelt oder ob diese von dem Modell gemeinsamer Faktoren – der eigentlichen Faktorenanalyse – abzugrenzen ist (Wolff & Bacher, 2010). Je nach gewähltem Analyseverfahren werden die latenten Variablen als Faktoren oder (Haupt-)Komponenten bezeichnet. Nach Bühner (2011) hängt die Wahl einer Methode im Wesentlichen davon ab, welche Ziele mit der Faktorenanalyse verfolgt werden sollen. Besteht das Forschungsinteresse darin,
3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung
69
eine große Anzahl an Items auf wenige zugrunde liegende Komponenten zu reduzieren und die Zuordnungen von Items zu Komponenten deskriptiv darzustellen, empfiehlt sich die Durchführung einer Hauptkomponentenanalyse. Wird mit der Analyse das Ziel verfolgt, die Korrelationen zwischen den Items durch wenige latente Faktoren zu erklären und die Strukturen der Faktoren in weiterführenden Analysen (z. B. im Rahmen von Regressionsanalysen) genauer zu untersuchen, sollte eine Hauptachsenfaktorenanalyse durchgeführt werden. Die Maximum-Likelihood-Methode wird immer dann angewendet, wenn eine Kreuzvalidierung der Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse mit denen einer konfirmatorischen Faktorenanalyse geplant ist. Sie wird in empirischen Untersuchungen eher selten eingesetzt. Allen faktorenanalytischen Verfahren ist gemein, dass mit ihrer Hilfe vier übergeordnete Ziele verfolgt werden können (Wolff & Bacher, 2010, S. 335): • Bestimmung der dimensionalen Struktur einer Variablenmenge • Konstruktion von Skalen • Datenreduktion • Orthogonalisierung von Variablen Gängige Methoden zur Bestimmung der Strukturen einer Datenmenge stellen die Hauptachsenfaktorenanalyse und die Hauptkomponentenanalyse dar. Mit beiden Verfahren wird das Ziel verfolgt, die ursprüngliche Variablenanzahl – im Sinne einer »sparsamen Lösung« – auf eine geringere Anzahl an Faktoren zu reduzieren (Wolff & Bacher, 2010, S. 335). Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Vorgehensweisen besteht in der Annahme bzw. Nichtannahme eines Fehlermodells. Während bei der Hauptkomponentenanalyse davon ausgegangen wird, dass empirische Messungen frei von Messfehlern sind und die gesamte Varianz durch die vollständige Hauptkomponentenlösung erklärt werden kann, beinhaltet die Hauptachsenfaktorenanalyse einen Fehlerterm, sodass eine vollständige Varianzaufklärung nicht möglich ist (Wolff & Bacher, 2010). Bei der Hauptachsenfaktorenanalyse werden die Varianzanteile der Variablen, die durch gemeinsame Faktoren erklärt werden können (sog. »Kommunalitäten«; h2), zunächst geschätzt und in die Hauptdiagonale der Korrelationsmatrix eingetragen. Ein perfekter Zusammenhang zwischen einer Variablen und einem Faktor tritt aufgrund des spezifischen Varianzanteils (»uniqueness«), den eine Variable besitzt und mit keiner anderen Variable teilt, im Normalfall nicht auf (Moosbrugger & Schermelleh-Engel, 2012). Bei der Hauptkomponentenanalyse werden die Werte in der Hauptdiagonalen auf eins fixiert (Wolff & Bacher, 2010). In der Praxis liefern beide Verfahren nahezu identische Ergebnisse, sodass die Wahl eines
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3 Empirische Studie
faktorenanalytischen Verfahrens eher mit dem Blick auf die Anwendbarkeit in weiterführenden Analysen zu treffen ist als in Hinblick auf die ermittelten Ergebnisse (Rost, 2013). Ob die explorative Faktorenanalyse zur Bestimmung der zugrunde liegenden Strukturen einer Variablenmenge geeignet ist, kann im Vorfeld mithilfe verschiedener »Bewertungskriterien zur Durchführbarkeit einer Faktorenanalyse« überprüft werden (Bühner, 2011, S. 346). Gängige Beurteilungskriterien sind der Kaiser-Meyer-Olkin-Koeffizient (»KMO«) und der Bartlett-Test (Wolff & Bacher, 2010). Der KMO-Koeffizient gibt Aufschluss darüber, über welche spezifischen Varianzanteile die Items verfügen. Ein niedriger KMO-Koeffizient ( 1 aufweisen. Laut Wolff & Bacher (2010, S. 341) besitzen »diejenigen Faktoren mit Eigenwerten > 1 […] einen Erklärungsgehalt, der über dem einer einzelnen Variable liegt«. Zwick und Velicer (1986) weisen darauf hin, dass die mit dem Kaiser-Kriterium ermittelte Anzahl an Faktoren überschätzt wird und eher als eine obere Grenze anzusehen ist. Eine graphische Erweiterung des Kaiser-Kriteriums stellt der Scree-Test nach Cattell (1966) dar. Hierbei werden die Eigenwerte aller Faktoren in absteigender Größe in einem Diagramm angeordnet. Der entstehende Eigenwertverlauf gibt Aufschluss darüber, an welcher Stelle des Graphen die Differenz zwischen zwei Eigenwerten am größten ist. Diese Stelle
3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung
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wird als »Knick« oder »elbow« bezeichnet. Alle Faktoren, die vor dem »Knick« liegen, sollten nach dem Scree-Kriterium extrahiert werden (Backhaus et al., 2016). Die Ermittlung der genauen Faktorenanzahl mithilfe des Scree-Tests wird immer dann als problematisch angesehen, wenn der »Knick« im Eigenwertverlauf nicht eindeutig bestimmt werden kann und von der subjektiven Entscheidung des Anwenders abhängt (Backhaus et al., 2016). Stimmen die Ergebnisse des Kaiser-Kriteriums und des Scree-Tests nicht überein, sollte die Anzahl an Faktoren zusätzlich mit einem objektiveren Verfahren – z. B. der Parallelanalyse (Horn, 1965; O’Connor, 2000) – überprüft werden (Bühner, 2011). Bei der Parallelanalyse werden die Eigenwerte der zugrunde liegenden Daten mit denen von Zufallsdatensätzen verglichen und Faktoren, deren Eigenwerte größer als die Zufallseigenwerte sind, extrahiert (Bühner, 2011). Nachdem die Anzahl an Faktoren bestimmt wurde, gilt es zu prüfen, ob und inwiefern sich die einzelnen Items den extrahierten Faktoren zuordnen lassen. Der Zusammenhang zwischen den Items und den Faktoren wird durch die Faktorladungen beschrieben (Bühner, 2011). Die Faktorladungen können Werte zwischen –1 und +1 annehmen. Geometrisch können Items als Punkte in einem Koordinatensystem und Faktoren als Koordinatenachsen dargestellt werden. Je näher ein Item im Koordinatensystem an einem Faktor liegt, umso größer ist die Ladung auf den Faktor und umso besser wird der Faktor durch das entsprechende Item repräsentiert (Wolff & Bacher, 2010). Nach Backhaus et al. (2016) stellen manifeste Items mit Ladungen ≥ .50 angemessene Repräsentationen eines latenten Faktors dar. Bei Lösungen mit mehreren Faktoren erweist sich die inhaltliche Interpretation der Faktoren zunächst als schwierig, da die Items zum Teil weit entfernt von den Achsen (Faktoren) im Koordinatensystem liegen und eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist. Zur besseren Interpretierbarkeit werden die Faktoren so rotiert, dass die Items hoch auf einen Faktor laden und niedrige Nebenladungen auf den übrigen Faktoren (sog. »Einfachstruktur«) aufweisen (Bühner, 2011). Bei der Rotation wird zwischen orthogonalen (»rechtwinkligen«; z. B. Varimax) und obliquen (»schiefwinkligen«; z. B. Promax) Verfahren unterschieden. Orthogonale Rotationsverfahren werden immer dann angewendet, wenn die theoretisch begründete Annahme vorliegt, dass die Faktoren unkorreliert sein müssen. Bei obliquen Rotationen wird diese Einschränkung aufgegeben und Korrelationen zwischen den Faktoren werden zugelassen (Wolff & Bacher, 2010). Vor dem eingangs beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund werden die in dieser Forschungsarbeit eingesetzten Messinstrumente zur Erfassung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF, ihres bisherigen Kontakts zu Peers mit sozial-emotionalem SPF, ihrer Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) und ihres sozialen
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3 Empirische Studie
Selbstkonzepts im Rahmen explorativer (3.2.4) und konfirmatorischer (3.3.2.2) Faktorenanalysen auf die zugrunde liegenden Faktorenstrukturen untersucht. Anhand der ermittelten Ergebnisse lassen sich in der Folge manifeste Skalen bilden (vgl. »Skalenübersicht« – 3.2.5), mit deren Hilfe die theoretisch angenommenen Unterscheidungs- und Zusammenhangshypothesen im Rahmen empirischer Analysen überprüft werden können (vgl. »Überprüfung der Unterscheidungs- und Zusammenhangshypothesen« – 3.3.1 & 3.3.2).
3.1.2 Reliabilitätsanalyse Die »Reliabilität« (bzw. »Zuverlässigkeit«) ist ein Kriterium zur Beurteilung der Genauigkeit statistischer Messungen (z. B. Bühner, 2011; Moosbrugger & Kelava, 2012; Rammstedt, 2010; Schermelleh-Engel & Werner, 2012; Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Neben der Objektivität und der Validität zählt die Reliabilität zu den Hauptgütekriterien, die jede »gute« Messung erfüllen sollte (Lienert & Raatz, 1998). Die Überprüfung der Messgenauigkeit beruht auf der Grundannahme der Klassischen Testtheorie (Lord & Novick, 1968), dass sich ein beobachteter Wert xvt aus einem »wahren« Wert τv und einem Messfehler εvt zusammensetzt (Bühner, 2011, S. 143). In der Klassischen Testtheorie (Lord & Novick, 1968) wird davon ausgegangen, dass jede Messung – mehr oder weniger – fehlerbehaftet ist. Mithilfe der Reliabilitätsanalyse kann überprüft werden, »[…]wie viel Prozent der Unterschiede im Antwortverhalten der Personen auf Messfehler zurückgehen« und »[…] wie groß der Messfehler bei jeder Messung ist« (Bühner, 2011, S. 146). Hierzu werden die Unterschiede zwischen den Messwerten der einzelnen Personen betrachtet. Ein Maß zur Beurteilung der Unterschiede zwischen den gemessenen Werten stellt die Varianz (σ2) dar. Dabei gilt – im Sinne der Klassischen Testtheorie (Lord & Novick, 1968) –, dass die Varianz der beobachteten Werte (σ2X) die Summe aus der Varianz der wahren Werte (σ2T) und der Fehlervarianz (σ2E) darstellt. Die Zuverlässigkeit einer Messung ist in diesem Zusammenhang als das Verhältnis zwischen der »wahren« Varianz und der »beobachteten« Varianz definiert: »Die Reliabilität ist […] der Anteil der Varianz der wahren Werte an der Varianz der beobachteten Werte […]« (Bühner, 2011, S. 144) und wird durch den Korrelationskoeffizienten ptt beschrieben. Der Reliabilitätskoeffizient kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Eine hohe Reliabilität liegt vor, wenn die Varianz der Messfehler gering ist und der »wahre« Wert – nahezu – fehlerfrei abgebildet werden kann (Rammstedt, 2010). Mit steigender Fehlervarianz nimmt die Genauigkeit einer Messung ab (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Ein Reliabilitätskoeffizient von .90 ist beispielsweise so zu interpretieren, dass 90 % der beobachteten Varianz
3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung
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durch wahre Unterschiede zwischen den Messwerten erklärt werden können, während die übrigen 10 % der Varianz auf Fehler in der Messung zurückzuführen sind (Rammstedt, 2010). Da die Varianzen der wahren Werte und die Fehlervarianzen in der Praxis nicht eindeutig bestimmt werden können, existieren verschiedene Verfahren, um die Genauigkeit von Messungen näherungsweise zu berechnen. Zu den gängigen Näherungsverfahren zählen die Paralleltest-Methode, die Testhalbierungs-Methode (oder »Split-Half-Methode«), die Retest-Methode und die Konsistenzanalyse (Bühner, 2011; Moosbrugger & Kelava, 2012). Die Konsistenzanalyse1 wird aufgrund ihrer einfachen und effizienten Einsatzmöglichkeiten – weder sind wiederholte Messungen noch Parallelformen eines Tests erforderlich, um die Reliabilität zu bestimmen – in der empirischen Bildungsforschung bevorzugt (Schermelleh-Engel & Werner, 2012). Bei dem Verfahren handelt es sich um eine Erweiterung der Testhalbierungs-Methode. Anders als bei diesem Ansatz werden die zugrunde liegenden Items nicht in gleich große Hälften aufgeteilt und die Korrelationen zwischen den Testhälften untersucht. Vielmehr wird jedes einzelne Item als wesentlicher Bestandteil der Messung angesehen und bei der Überprüfung der Genauigkeit berücksichtigt (Moosbrugger & Kelava, 2012). Anhand der Korrelationen zwischen den einzelnen Items können dann Aussagen über die Genauigkeit einer Messung getroffen werden: »Die interne Konsistenz ist umso höher, je höher die Korrelationen zwischen den Items im Durchschnitt sind« (Schermelleh-Engel & Werner, 2012, S. 131). Der wohl bekannteste und in der empirischen Sozialwissenschaft sowie Psychologie meist verbreitete Koeffizient zur Beurteilung der internen Konsistenz einer Messung ist Cronbachs α (Cronbach, 1951). Er gibt Auskunft darüber, in welcher Beziehung die Items zueinanderstehen (»interrelatedness«; Cortina, 1993), ist jedoch kein Indiz für die Eindimensionalität und Homogenität der Items (Bühner, 2011). Anhaltspunkte zur Beurteilung des α-Koeffizienten finden sich z. B. bei Döring und Bortz (2016). Bei einem Cronbachs α .90 als »hoch« eingeschätzt. Eine weniger restriktive untere Grenze bezüglich der internen Konsistenz einer Skala vertreten George und Mallery (2012, S. 251), die als Minimum ein Cronbachs α von .70 erachten. Die Höhe und exakte Schätzung des α-Koeffizienten hängt maßgeblich von der zugrunde liegenden Itemanzahl und der Trennschärfe ab. Die Trennschärfe r(it) beschreibt den Zusammenhang zwischen einem Item und dem
1Die
Reliabilitäten der einzelnen Messinstrumente wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit mittels Konsistenzanalyse überprüft, weshalb die übrigen Verfahren zwar der Vollständigkeit halber mit aufgeführt, aber nicht näher erläutert werden.
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3 Empirische Studie
Gesamtwert einer Skala. Demnach weisen Personen, die einen hohen Gesamtwert erzielt haben, auch auf den einzelnen Items hohe Werte auf und umgekehrt lassen sich niedrige Gesamtwerte auf niedrige Itemwerte zurückführen (Döring & Bortz, 2016). Die Trennschärfe gibt in diesem Zusammenhang an, wie gut die Gruppen voneinander »getrennt« werden können. Der Trennschärfekoeffizient r(it) kann Werte zwischen –1 und +1 annehmen. Eine Trennschärfe zwischen .30–.50 wird als »mittelmäßig« und > .50 als »hoch« eingeschätzt. Items, die eine Trennschärfe von .30 unterschreiten, sollten zur Verbesserung der internen Konsistenz entfernt werden (Döring & Bortz, 2016). Bühner (2011, S. 178) fasst abschließend zusammen, dass »hohe Trennschärfen […] neben einer hohen Itemanzahl zu einer hohen Reliabilität führen«. Es wird jedoch davon abgeraten, eine hohe Anzahl inhaltlich schwacher Items zugunsten empirisch überprüfter und theoretisch fundierter Items zu verwenden, nur um die interne Konsistenz einer Skala zu erhöhen (Bühner, 2011). Die Reliabilitätsanalyse wird in der vorliegenden Arbeit angewendet, um die im Rahmen der explorativen Faktorenanalyse ermittelten empirischen Skalen auf ihre Zuverlässigkeit zu untersuchen (»Überprüfung der Messinstrumente« – 3.2.4). In diesem Zusammenhang werden die von Döring und Bortz (2016) sowie George und Mallery (2012) festgelegten Richtwerte zur Beurteilung der internen Konsistenz einer Skala als Cut-off-Kriterien berücksichtigt.
3.1.3 Multiple Gruppenvergleiche (Messinvarianz) Der Vergleich von Merkmalsausprägungen in unterschiedlichen Gruppen oder zu verschiedenen Messzeitpunkten setzt den Einsatz geeigneter Erhebungsinstrumente voraus (Temme & Hildebrandt, 2008). Insbesondere bei interkulturellen Vergleichen, längsschnittlichen und experimentellen Untersuchungen oder bei Gruppen, die sich aufgrund ihrer Zusammensetzung voneinander unterscheiden (z. B. Kinder mit und ohne SPF), ist es notwendig, dass den eingesetzten Messinstrumenten ein gemeinsamer Maßstab zugrunde liegt (Schwab & Helm, 2015; Temme & Hildebrandt, 2008). Das Vorliegen gleicher Messmodelle in unterschiedlichen Gruppen bzw. zu verschiedenen Messzeitpunkten wird als »Messinvarianz« (bzw. »Messäquivalenz«) bezeichnet (Kleinke, Schlüter & Christ, 2017). Die Messinvarianz ist eine wichtige Voraussetzung, um Mittelwerte, Veränderungen von Merkmalsauprägungen über die Zeit sowie Beziehungen zwischen latenten Variablen in unterschiedlichen Gruppen miteinander vergleichen und interpretieren zu können (Kleinke et al., 2017; Schwab
3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung
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& Helm, 2015). Ein robustes Verfahren zur Überprüfung der Messvarianz von Erhebungsinstrumenten stellt der Mehrgruppen- oder Längsschnittvergleich konfirmatorischer Modelle dar (Temme & Hildebrandt, 2008). Dabei wird untersucht, welche der folgenden Formen von Messinvarianz vorliegt: • • • • •
Konfigurale Messinvarianz Metrische Messinvarianz Skalare Messinvarianz (starke faktorielle Messinvarianz) Strikte faktorielle Messinvarianz Vollständig faktorielle Messinvarianz
Die schwächste Form von Messinvarianz stellt die »konfigurale Messinvarianz« dar (Kleinke et al., 2017). Konfigurale Messinvarianz ist gegeben, wenn die Messmodelle in den unterschiedlichen Gruppen bzw. zu den verschiedenen Messzeitpunkten identische Faktorstrukturen (gleiche Anzahl an Faktoren und übereinstimmende Ladungsmuster) aufweisen. Das Vorliegen von konfiguraler Messinvarianz ist eine notwendige Bedingung, um die Merkmalsausprägungen in unterschiedlichen Gruppen bzw. zu verschiedenen Messzeitpunkten miteinander vergleichen und interpretieren zu können (Weiber & Mühlhaus, 2014). Andernfalls sind Vergleiche von Gruppen oder Messzeitpunkten unzulässig (Vandenberg & Lance, 2000). Sind zusätzlich zu den Voraussetzungen der konfiguralen Messinvarianz die nicht standardisierten Faktorladungen der manifesten Variablen in den unterschiedlichen Gruppen identisch, liegt »metrische Messinvarianz« vor (Kleinke et al., 2017). Die latenten Konstrukte haben dann in den unterschiedlichen Gruppen die gleiche inhaltliche Bedeutung (Schwab & Helm, 2015) und die Beziehungen zwischen den Konstrukten (β-Koeffizienten) können im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen miteinander verglichen werden (Weiber & Mühlhaus, 2014). Die nächst restriktivere Form von Messinvarianz ist die »skalare Messinvarianz« (Kleinke et al., 2017). Neben identischen Faktorstrukturen und Faktorladungen wird bei der skalaren Messinvarianz vorausgesetzt, dass die »intercepts« der manifesten Variablen in den unterschiedlichen Gruppen gleich sind. Als »intercepts« werden die geschätzten Ausprägungen der manifesten Variablen bezeichnet, wenn die latenten Faktorwerte auf 0 fixiert sind. Identische »intercepts« in den Gruppen sind ein Indiz dafür, dass Personen mit gleichen latenten Faktorwerten auch bei den manifesten Items ähnlich geantwortet haben (Sass, 2011). Das Vorliegen von konfiguraler, metrischer und skalarer Messinvarianz wird zusammengefasst als »starke faktorielle Messinvarianz« bezeichnet (Sass, 2011). Auf dieser Ebene von Messinvarianz können die latenten Faktormittelwerte der Gruppen sinnvoll miteinander
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3 Empirische Studie
verglichen und interpretiert werden (Weiber & Mühlhaus, 2014). Sind darüber hinaus die Messfehlervarianzen in den Gruppen gleich, liegt »strikte faktorielle Messinvarianz« vor, was bedeutet, dass die Messmodelle in den Gruppen gleich reliabel sind (Weiber & Mühlhaus, 2014). Die stärkste Form von Messinvarianz stellt die »vollständige faktorielle Messinvarianz« dar. Bei der vollständigen faktoriellen Messinvarianz sind alle Modellparameter in den Gruppen identisch (Schwab & Helm, 2015). Bei der Überprüfung von Messinvarianz können zwei Vorgehensweisen voneinander unterschieden werden. Während beim »Step-Up-Ansatz« ausgehend von einem nicht restriktiven Basismodell die Veränderungen der Fit-Werte zunehmend restriktiverer Messmodelle im Rahmen von χ2-Differenztests miteinander verglichen werden, wird beim »Step-Down-Ansatz« überprüft, ob sich die Güte der Messmodelle verändert, wenn ausgehend von der restriktivsten Form von Messinvarianz die Gleichheitsrestriktionen schrittweise aufgehoben werden (Brown, 2015). Je nach Forschungsinteresse ist es nicht zwingend notwendig, alle Formen von Messinvarianz zu überprüfen. So ist es beispielsweise für die Analyse der Beziehungen zwischen latenten Variablen ausreichend, wenn metrische Messinvarianz vorliegt. Sollen hingegen die latenten Mittelwerte verschiedener Gruppen miteinander verglichen werden, ist das Vorliegen skalarer Messinvarianz notwendig (Kleinke et al., 2017). Für die Unterscheidungshypothese HU4 (vgl. »Unterscheidungshypothesen – 2.5.1«) wird vor dem beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund angenommen, dass Grundschulkinder signifikant positiver gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF eingestellt sind, wenn sie über Erklärungen für das Verhalten eines Kindes mit diesem Förderbedarf verfügen als wenn dies nicht der Fall ist. Zur Überprüfung der Fragestellung, ob und inwiefern sich die Einstellungsausprägungen der befragten Kinder in Abhängigkeit von Fallbeschreibungen mit und ohne Erklärungen unterscheiden, ist es daher notwendig, dass mindestens skalare Messinvarianz vorliegt, um die latenten Mittelwerte der einzelnen Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung fehlerfrei berechnen und miteinander vergleichen zu können (Kleinke et al., 2017).
3.1.4 Korrelationen Eine »Korrelation« (»Produkt-Moment-Korrelation« oder auch »PearsonKorrelation«) beschreibt den wechselseitigen (linearen) Zusammenhang zwischen zwei Variablen (Döring & Bortz, 2016; Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Die
3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung
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Stärke und Richtung des Zusammenhangs wird durch den Korrelationskoeffizienten r ausgedrückt. Der Korrelationskoeffizient kann Werte zwischen –1 und +1 annehmen (Bühner & Ziegler, 2009). Anhand des Wertebereichs lassen sich drei Ausprägungen bestimmen, die den Zusammenhang zwischen zwei Variablen beschreiben: 1. Eine positive Korrelation liegt vor, wenn die Werte beider Variablen hoch ausgeprägt sind (gleichsinnig). 2. Bei einer negativen Korrelation weist eine Variable einen hohen Wert und die andere Variable einen niedrigen Wert auf (gegensinnig). 3. Es besteht keine Korrelation zwischen den Variablen. Die Variablen sind bei einem Korrelationskoeffizienten von r = 0 nicht korreliert (Field, 2013). Je näher die Werte des Korrelationskoeffizienten an den Grenzen des Wertebereichs liegen, umso größer ist der Zusammenhang zwischen den Variablen (Bühner & Ziegler, 2009). Nach Cohen (1992) hat sich die Konvention etabliert, dass ein »schwacher« Zusammenhang ab | r | = .10, ein »mittlerer« Zusammenhang ab | r | = .30 und ein »starker« Zusammenhang ab | r | = .50 besteht. Ob und inwiefern die ermittelten Zusammenhänge einer Stichprobe auch für die Grundgesamtheit gelten, kann mithilfe eines Signifikanztests überprüft werden (Bühner & Ziegler, 2009). Hierbei wird die Nullhypothese getestet, dass die Variablen nicht korreliert sind. Alternativ hierzu wird die Hypothese aufgestellt, dass ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen den Variablen in der Grundgesamtheit besteht. Bei einem signifikanten Ergebnis kann die Nullhypothese abgelehnt und die Alternativhypothese angenommen werden, was bedeutet, dass die ermittelten Korrelationen auch in der Grundgesamtheit gültig sind. Korrelationen sind stets ungerichtet, d. h. es wird nicht zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen unterschieden. Ohne eine starke theoretische Grundlage ist die kausale Deutung eines Zusammenhangs zwischen zwei Variablen nicht zulässig: »Der Nachweis einer statistischen Korrelation zwischen zwei Variablen ist kein Beweis für Kausalität! Korrelationen dürfen ohne weitere Informationen, insbesondere ohne Prüfung durch Sachlogik, nicht kausal interpretiert werden« (Weiber & Mühlhaus, 2014, S. 16). Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die gerichteten Zusammenhänge zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF, ihrem bisherigen Kontakt zu Peers mit SPF, ihrer Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) und ihrem sozialen Selbstkonzept zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Untersuchung vorab Pearson-Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen-
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3 Empirische Studie
paaren berechnet, um die Pfade zwischen den Variablen in der Strukturgleichungsanalyse sowohl auf der Grundlage theoretischer Vorüberlegungen als auch empirischer Ergebnisse genau spezifizieren zu können. Demnach werden im Strukturgleichungsmodell nur Beziehungen zwischen Variablen angenommen, die theoretisch begründet sind und zwischen denen auch im Rahmen der Berechnung von Korrelationen bivariate Beziehungen gefunden werden konnten.
3.1.5 t-Test Der t-Test für unabhängige Stichproben ist ein Signifikanztest, mit dem überprüft werden kann, ob sich zwei unabhängige (Personen-)Gruppen (z. B. Mädchen und Jungen) in ihrem Antwortverhalten voneinander unterscheiden (z. B. Bühner & Ziegler, 2009; Field, 2013; Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Dabei wird die Nullhypothese getestet, dass die Mittelwerte der beiden Gruppen gleich sind. Wird das Ergebnis des t-Tests signifikant, muss die Nullhypothese abgelehnt werden. Es gilt dann die Alternativhypothese, dass sich die untersuchten Gruppen in ihrem Antwortverhalten voneinander unterscheiden (Bühner & Ziegler, 2009). Um die Mittelwertunterschiede zweier Stichproben bestimmen zu können, müssen die Messwerte beider Gruppen intervallskaliert, normalverteilt und unabhängig voneinander sowie die Varianzen der Verteilungen in beiden Grundgesamtheiten gleich verteilt sein (Varianzhomogenität; Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Ein bewährtes Verfahren zur Prüfung der Varianzhomogenität stellt der Levene-Test dar (Bühner & Ziegler, 2009). Wird das Ergebnis des Levene-Tests signifikant, sind die Varianzen verschieden (heterogen), was bedeutet, dass die gemessenen Standardfehler und die Varianzen in beiden Gruppen verzerrt sind. Die Verzerrungen können durch eine Korrektur der Freiheitsgrade ausgeglichen werden. Solche Korrekturen werden in modernen Statistikprogrammen wie SPSS 25 (IBM Corporation, 2017) automatisch mitberechnet. Der t-Test hat sich bei einer ausreichend großen Gesamtstichprobe und gleich verteilten Gruppen (n1 = n2 > 30) als robust gegenüber Verletzungen der Voraussetzungen erwiesen (Rasch, Friese, Hofmann & Naumann, 2014) und ist anderen Testverfahren – insbesondere nonparametrischen Verfahren wie z. B. dem MannWhitney-U-Test – stets vorzuziehen (Bühner & Ziegler, 2009; Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Zur Beurteilung der Mittelwertunterschiede zweier Gruppen können standardisierte Effektstärken berechnet werden. Standardisierte Effektstärken werden eingesetzt, um die Ergebnisse von Studien miteinander vergleichen zu können, die sich in ihrer methodischen Anlage (z. B. Stichprobengröße und
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eingesetzte Messverfahren) voneinander unterscheiden. Ein Effektstärkemaß, welches häufig im Rahmen von t-Tests berichtet wird, ist Cohens d (Döring & Bortz, 2016). Cohens d gibt an, wie groß die Distanz zwischen den Mittelwerten zweier Stichproben ist. Nach Cohen (1992) liegt ein »kleiner« Effekt ab d = .20, ein »mittlerer« Effekt ab d = .50 und ein »großer« Effekt ab d = .80 vor. Im Rahmen dieser Arbeit werden Mittelwertunterschiede mithilfe von t-Tests berechnet, um geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Grundschülerinnen und -schülern hinsichtlich ihrer Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) und ihren Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF genauer zu untersuchen. Darüber hinaus besteht ein weiteres Forschungsinteresse darin, Unterschiede bezüglich der Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sowie der Empathie bei Kindern mit und ohne Freundschaften zu Peers mit SPF genauer in den Blick zu nehmen (»Überprüfung der Unterscheidungshypothesen« – 3.3.1).
3.1.6 Einfaktorielle Varianzanalyse (mit Messwiederholung) Bei der einfaktoriellen Varianzanalyse (»Analysis of variance«; »ANOVA«) mit Messwiederholung handelt es sich um ein statistisches Verfahren, mit dem überprüft werden kann, ob sich die Merkmalsausprägungen innerhalb abhängiger Gruppen unter verschiedenen Bedingungen signifikant voneinander unterscheiden (Bühner & Ziegler, 2009; Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Sie stellt ein Analyseverfahren im »within-subjects-design« dar. Im Gegensatz zur Varianzanalyse bei unabhängigen Stichproben, bei der die Untersuchung signifikanter Merkmalsunterschiede bei unabhängigen Gruppen im Fokus steht (»betweensubjects-design«), werden bei der Varianzanalyse mit Messwiederholung die Ausprägungen einer Person zu mehreren Messzeitpunkten oder nach Veränderungen der zugrunde liegenden Bedingungen (meist vor und nach Interventionen) miteinander verglichen (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Die einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung stellt eine Verallgemeinerung des t-Tests dar und besitzt gegenüber der Durchführung mehrerer t-Tests den Vorteil, dass die Wahrscheinlichkeit einen α-Fehler zu begehen – hohe Wahrscheinlichkeit, fälschlicherweise die Nullhypothese abzulehnen und die Alternativhypothese anzunehmen –, minimiert wird (Bühner & Ziegler, 2009). Im Rahmen einer Varianzanalyse mit Messwiederholung wird die Nullhypothese getestet, dass sich die Mittelwerte der untersuchten Personen unter verschiedenen Bedingungen oder zu mehreren Messzeitpunkten nicht voneinander
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3 Empirische Studie
unterscheiden. Wird das Ergebnis der Varianzanalyse mit Messwiederholung signifikant, kann die Nullhypothese abgelehnt und die Alternativhypothese, dass sich die verschiedenen Mittelwerte der befragten Personen voneinander unterscheiden, angenommen werden. In diesem Zusammenhang werden einerseits die individuellen Abweichungen der Person vom Gesamtmittelwert aller Personen (Quadratsumme zwischen den Personen) und andererseits die Abweichungen vom persönlichen Gesamtmittelwert (Quadratsumme innerhalb der Personen) über alle Messzeitpunkte berechnet. Der ermittelte F-Wert gibt Aufschluss über die aufgeklärte Varianz. Je mehr Varianz über die Messzeitpunkte aufgeklärt werden kann, umso höher fällt der F-Wert aus. Überschreitet der F-Wert ein im Vorfeld festgelegtes Cut-off-Kriterium, wird der Test signifikant (Bühner & Ziegler, 2009). Um die Merkmalsausprägungen abhängiger Gruppen zu verschiedenen Messzeitpunkten miteinander vergleichen zu können, müssen homogene Varianzen und Korrelationen (sog. Sphärizität) in den verschiedenen Gruppen vorliegen. Ein gängiges Verfahren zur Überprüfung der Voraussetzungen stellt der Mauchly-WTest dar. Wird der Test nicht signifikant, liegt eine Verletzung der Bedingungen vor und die Freiheitsgrade müssen mithilfe eines Korrekturverfahrens (z. B. nach Huyn-Feldt) angepasst werden (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Zur Beurteilung der Mittelwertunterschiede innerhalb abhängiger Gruppen wird bei der einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung die Effektstärke η2 berechnet. Ein »kleiner« Effekt liegt nach Cohen (1988) ab η2 = .01, ein »mittlerer« Effekt ab η2 = .06 und ein »großer« Effekt ab η2 = .14 vor (vgl. hierzu auch Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Die einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung wird in der vorliegenden Arbeit eingesetzt, um die Einstellungen von Grundschülerinnen und -schülern gegenüber Peers mit einem Förderschwerpunkt in der emotionalen und sozialen Entwicklung in Abhängigkeit von Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten eines beschriebenen Kindes mit sozial-emotionalem SPF auf signifikante Ausprägungsunterschiede zu untersuchen.
3.1.7 Strukturgleichungsanalyse Bei der Strukturgleichungsanalyse handelt es sich um ein hypothesenprüfendes Verfahren, mit dem komplexe Sachverhalte abgebildet und empirisch überprüft werden können (Backhaus, Erichson & Weiber, 2015; Kleinke et al., 2017; Weiber & Mühlhaus, 2014). Die Strukturgleichungsanalyse wird angewendet, um
3.1 Methoden der Datenanalyse und -auswertung
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die kausalen Beziehungen zwischen manifesten und/oder latenten Merkmalen zu bestimmen und zu untersuchen. Dabei wird zwischen Erklärungs- und Prognosemodellen unterschieden (Weiber & Mühlhaus, 2014). Während es das Ziel von Erklärungsmodellen ist, die zugrunde liegenden (gerichteten und/ oder ungerichteten) Zusammenhänge zwischen den Variablen zu beschreiben und zu erläutern, geben die Ergebnisse von Prognosemodellen Auskunft über zukünftige Entwicklungen. Die Grundlage der Analyse bilden in allen Fällen sachlogische oder theoretische Überlegungen hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Variablen (Backhaus et al., 2015). Mithilfe von Strukturgleichungsmodellen lassen sich die getroffenen Vorüberlegungen in ein lineares Mehrgleichungssystem (mehrere Regressionsbeziehungen) überführen und die Wirkungsbeziehungen zwischen den einzelnen Variablen sowie die zugrunde liegenden Messfehler empirisch messen (Weiber & Mühlhaus, 2014). Die Strukturgleichungsanalyse setzt sich aus einem Strukturmodell und einem Messmodell zusammen (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Während die Beziehungen zwischen den latenten Variablen durch das Strukturmodell definiert sind, gibt das Messmodell an, mit welchen manifesten Merkmalen die latenten Variablen gemessen wurden und welche Fehlerterme den manifesten Variablen zugrunde liegen. Im Allgemeinen werden bei der Strukturgleichungsanalyse die folgenden Schritte durchlaufen (Backhaus et al., 2015, S. 80): 1. Hypothesenbildung 2. Pfaddiagramm und Modellspezifikation 3. Identifikation der Modellstruktur 4. Parameterschätzungen 5. Beurteilung der Schätzergebnisse Das übergeordnete Ziel bei der Strukturgleichungsanalyse ist es, die im Vorfeld aufgestellten Forschungshypothesen anhand der erhobenen empirischen Daten zu überprüfen. In diesem Zusammenhang gilt es auf der Grundlage sachlogischer und theoretischer Überlegungen festzulegen, in welcher Beziehung die Variablen zueinanderstehen (Backhaus et al., 2015). Bei der Erstellung eines Pfaddiagramms (Modellspezifikation) wird zwischen endogenen und exogenen Variablen unterschieden (Sedlmeier & Renkewitz, 2013; Weiber & Mühlhaus, 2014). Bei den endogenen Variablen handelt es sich um abhängige Variablen, welche durch die exogenen (unabhängigen bzw. »von außen einwirkenden«) Variablen im Rahmen der Strukturgleichungsanalyse erklärt werden sollen. Endogene Variablen sind in Pfaddiagrammen durch Pfeile gekennzeichnet, die auf sie gerichtet sind (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Im Gegensatz
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3 Empirische Studie
zur Regressionsanalyse erlaubt die Strukturgleichungsanalyse die gleichzeitige Überprüfung mehrerer Kausalhypothesen und die Untersuchung von Wechselbeziehungen zwischen den Variablen, sodass eine eindeutige Einteilung in endogen bzw. exogen nicht zwangsläufig gegeben sein muss (Weiber & Mühlhaus, 2014). Variablen, die weder explizit endogen noch exogen sind, werden als intervenierende Variablen bezeichnet (Weiber & Mühlhaus, 2014). Intervenierende Variablen können bei Strukturgleichungsanalysen eine Mediatorfunktion einnehmen, indem sie den direkten Effekt einer unabhängigen Variable auf eine abhängige Variable vermitteln (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Die Stärke eines gerichteten Zusammenhangs zwischen zwei Variablen wird durch den Pfadkoeffizienten β angegeben (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Bei der Untersuchung von Strukturgleichungsmodellen können sowohl standardisierte als auch unstandardisierte Koeffizienten betrachtet werden. Während unstandardisierte Koeffizienten die inhaltliche Interpretation eines Modells vereinfachen, besteht der Vorteil standardisierter Koeffizienten darin, dass sie den Vergleich verschiedener Strukturgleichungsmodelle ermöglichen. Standardisierte Pfadkoeffizienten können Werte zwischen –1 und +1 annehmen. Sie können wie standardisierte Korrelationskoeffizienten interpretiert werden: Ab einem Wert von .10 liegt ein »kleiner«, ab .30 ein »mittlerer« und ab .50 ein »starker« Zusammenhang vor (Cohen, 1992). Wird der Effekt von einer unabhängigen auf eine abhängige Variable durch eine dritte Variable interveniert, liegt ein Mediatoreffekt vor (Urban & Mayerl, 2014). In Bezug auf Mediatoreffekte wird zwischen partiellen und totalen Effekten unterschieden. Bestehen zwischen zwei Variablen sowohl direkte als auch indirekte Effekte über eine Mediatorvariable, handelt es sich um einen partiellen Effekt. Entfällt der direkte Effekt zwischen einer unabhängigen und einer abhängigen Variable durch das Hinzufügen einer Drittvariable in das Modell, liegt ein totaler Effekt vor. Der ursprüngliche Effekt von der unabhängigen auf die abhängige Variable wird dann vollständig durch den Mediator interveniert. Bei der Analyse möglicher Mediatoren in Strukturgleichungsmodellen ist allerdings zu beachten, dass es sich bei indirekten Effekten nicht automatisch auch um Mediatoreffekte handelt (Urban & Mayerl, 2014). Nach Holmbeck (1997, S. 602) müssen hierzu vier Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Zwischen der unabhängigen Variable und dem Mediator besteht ein signifikanter Effekt. 2. Zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variable besteht auch ohne Kontrolle des Mediators ein signifikanter Effekt.
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3. Zwischen dem Mediator und der abhängigen Variable besteht ein signifikanter Effekt. 4. Der ursprüngliche Effekt von der unabhängigen auf die abhängige Variable verringert sich oder entfällt, wenn dem Modell eine Mediatorvariable hinzugefügt wird. Im Weiteren kann mit dem Determinationskoeffizienten R2 Auskunft darüber gegeben werden, in welchem Umfang die Varianz einer abhängigen Variable im Rahmen einer linearen Regression durch eine oder mehrere unabhängige Variablen aufgeklärt werden kann. Der Koeffizient R2 kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Ein Wert nahe 0 deutet darauf hin, dass die unabhängigen Variablen ungeeignet sind, um die abhängige Variable vorherzusagen (Urban & Mayerl, 2014). Ein Wert nahe 1 kennzeichnet eine gute Eignung der unabhängigen Variable zur Erklärung einer abhängigen Variable. Nach Bühner und Ziegler (2009, S. 667) liegt bei Werten für das R2 zwischen .02–.13 ein »geringer bis moderater« Effekt vor. Ein R2 zwischen .13–.26 deutet auf einen »mittleren bis starken« Effekt hin. Das Ziel der Strukturgleichungsanalyse ist es, die unbekannten Parameter so zu schätzen, dass die Unterschiede zwischen der geschätzten (implizierten) und der empirischen Kovarianzmatrix möglichst gering sind (Weiber & Mühlhaus, 2014). Diese Vorgehensweise wird als kovarianzanalytischer Ansatz bezeichnet2. Zunächst werden die Zuordnungen von manifesten zu latenten Variablen im Rahmen konfirmatorischer Faktorenanalysen überprüft. Die latenten (gerichteten und/oder ungerichteten) Zusammenhänge werden dann basierend auf den berechneten Faktorwerten mithilfe von Regressionsanalysen geschätzt (Backhaus et al., 2015). Die Schätzung der unbekannten Parameter erfolgt bei Strukturgleichungsanalysen iterativ. Ausgehend von einem Anfangswert werden die Parameter bei jedem Iterationsschritt so angepasst, dass sich die implizierte Kovarianzmatrix zunehmend der empirischen Kovarianzmatrix annähert. Der Vorgang wird entweder nach einer im Vorfeld angegebenen Anzahl an Iterationen beendet oder wenn zwischen zwei Iterationsschritten keine nennenswerte Annäherung der Kovarianzmatrizen mehr erkennbar ist (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Dabei wird vorausgesetzt, dass alle Parameter bestimmt werden können und das Strukturmodell eindeutig identifizierbar ist (Sedlmeier &
2Der
varianzanalytische Ansatz wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher erläutert.
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3 Empirische Studie
Renkewitz, 2013). Liegen ebenso viele Datenpunkte wie Parameter vor, ist das Strukturmodell »genau identifiziert« (»just identified«). Die implizierte und die empirische Kovarianzmatrix sind in diesem Fall identisch. Existieren weniger Datenpunkte als zu schätzende Parameter, dann gibt es unendlich viele Lösungen des Strukturmodells und das Modell ist »unteridentifiziert« (»underidentified«). In der empirischen Praxis tritt häufig der Fall ein, dass ein Modell »überidentifiziert« (»overidentified«) ist. Es liegen dann mehr Datenpunkte als Parameter vor, sodass die unbekannten Parameter nicht eindeutig durch die zugrunde liegenden Datenpunkte identifiziert werden können. Das hat zur Folge, dass sich die implizierte und die empirische Kovarianzmatrix voneinander unterscheiden und erst mithilfe geeigneter Schätzverfahren näherungsweise bestimmt werden müssen. Die überzähligen Datenpunkte bei überidentifizierten Strukturgleichungsmodellen werden als »Freiheitsgrade« (df) bezeichnet (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Ein verbreitetes Schätzverfahren stellt die »MLR«-Methode (Maximum Likelihood estimation with Robust standard errors) dar. Die MLR-Methode hat sich im Rahmen von Simulationsstudien als robust gegenüber Verletzungen der Voraussetzungen erwiesen (Koziol, 2010; Li, 2014). Die Parameter werden bei der robusten Maximum-Likelihood-Methode so gewählt, dass die implizierte und die empirische Kovarianzmatrix mit hoher Wahrscheinlichkeit übereinstimmen. Mögliche Fehlerquellen bei der Schätzung des Strukturmodells sind zu kleine Stichproben, ungünstige Ausgangswerte für die Parameterschätzung oder fehlerhafte Modellspezifikationen (Sedlmeier & Renkewitz, 2013). Die Eignung eines Strukturgleichungsmodells kann anhand verschiedener Gütekriterien überprüft werden. Ein verbreitetes Maß zur Beurteilung der Güte eines Strukturgleichungsmodells stellt der χ2-Differenztest in Abhängigkeit der Freiheitsgrade (df) dar (Backhaus et al., 2015). Im Rahmen des χ2-Differenztests wird die Nullhypothese getestet, dass die implizierte und die empirische Kovarianzmatrix gleich sind. Wird das Ergebnis des χ2-Differenztests signifikant, unterscheiden sich die Parameter der beiden Matrizen voneinander und das angenommene Strukturmodell erweist sich als ungeeignet, um die gerichteten Zusammenhänge zwischen den latenten Variablen zu untersuchen. Strukturmodelle, denen eine große Stichprobe zugrunde liegt, weisen eine hohe Teststärke auf, sodass bereits kleine Abweichungen der Parameterschätzungen zwischen den Kovarianzmatrizen zu signifikanten Ergebnissen des χ2-Differenztests führen (Weiber & Mühlhaus, 2014). Die implizierte und die empirische Kovarianzmatrix weisen eine »gute« Passung für 0 ≤ χ2/df ≤ 2 und eine »akzeptable« Passung für 2 1 annehmen. Auch für den TLI gilt ein Cut-off-Wert ≥ .90 (Weiber & Mühlhaus, 2014). Bei dem RMSEA handelt es sich um ein Approximationsmaß, welches angibt, wie gut ein theoretisch angenommenes Modell die Realität widerspiegelt. Für eine gute Modellpassung sollten die Werte für den RMSEA möglichst gering ausfallen. Bei Werten ≤ .05 liegt ein »guter« (»close«) Modellfit und bei Werten ≤ .08 ein »akzeptabler« (»reasonable«) Modellfit vor. Werte ≥ .10 deuten auf eine »schlechte« Modellpassung hin (Schermelleh-Engel et al., 2003). Im Rahmen eines Signifikanztests wird überprüft, mit welcher Wahrscheinlichkeit der RMSEA unterhalb des vorgegebenen Cut-off-Kriteriums von 1 aufweisen. Mit Eigenwerten von 1,05–15,07 klären diese Faktoren 75,14 % der Gesamtvarianz auf. Im Verlauf des Screeplots (Abbildung 3.8) ist hingegen ein bedeutsamer Eigenwert-
100
3 Empirische Studie
abfall nach dem ersten Faktor und ein »Knick« an der Stelle des zweiten Faktors erkennbar. Nach dem Scree-Kriterium (Cattell, 1966) müsste demnach ein Faktor extrahiert werden. Der deutliche Unterschied in Hinblick auf die zu extrahierende Anzahl an Faktoren legt die Vermutung nahe, dass die Faktorenanzahl über- bzw. unterschätzt wurde und die tatsächliche Anzahl an Faktoren zwischen einem und fünf Faktoren liegen muss (Zwick & Velicer, 1986). Um die genaue Faktorenanzahl zu bestimmen, wurde zusätzlich eine Parallelanalyse (Horn, 1965; O’Connor, 2000) durchgeführt. Im Rahmen der Parallelanalyse wurden die Eigenwerte aller Faktoren mit denen von 1000 Zufallsdaten verglichen. Faktoren, deren tatsächliche Eigenwerte größer als die entsprechenden Zufallseigenwerte sind, können dabei als bedeutsam angesehen werden. Die tatsächlichen Eigenwerte übersteigen die Zufallseigenwerte an der Stelle des dritten Faktors. Die Ergebnisse der Parallelanalyse deuten damit eine dreifaktorielle Lösung an.
Eigenwerte
Eigenwerte der Parallelanalyse
16 14
Eigenwert
12 10 8
6 4 2 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Faktor
Abbildung 3.8 Screeplot/Parallelanalyse – Skala »Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (ohne, mit soziologischer und mit medizinischer Erklärung; dreifaktorielle Lösung).
Vor dem angenommenen theoretischen Hintergrund, dass sich die Einstellungen der Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF infolge der präsentierten Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und
3.2 Beschreibung der Studie
101
mit »medizinischer« Erklärung in drei Faktoren unterteilen lassen, und der Ergebnisse der Parallelanalyse wurde eine Drei-Faktor-Lösung ausgewählt. Die drei Faktoren klären in der Summe 64,58 % der gesamten Varianz auf. 50,24 % der aufgeklärten Varianz können dabei auf den ersten Faktor, 8,47 % auf den zweiten Faktor und 5,87 % auf den dritten Faktor zurückgeführt werden. Die Faktoren wurden abschließend wie folgt benannt: »Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung ohne Erklärung (Abk.: OHNE)«, »Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung mit soziologischer Erklärung (Abk.: SOZ)« und »Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung mit medizinischer Erklärung (Abk.: MED)«. Die Zuordnungen der Items zu den Faktoren, die Faktorladungen und die Kommunalitäten sind in Tabelle 3.4 veranschaulicht. Die Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse verdeutlichen, dass sich die drei Fragebogenskalen empirisch trennscharf voneinander abgrenzen lassen. Wie theoretisch angenommen, laden die Fragebogenitems der einzelnen Fallbeschreibungen »ohne« Erklärung, mit »soziologischer« Erklärung und mit »medizinischer« Erklärung mit Faktorstrukturkoeffizienten > .50 (Backhaus et al., 2016) jeweils auf einen Faktor. Lediglich das Item (SOZ10) »Ich würde Leonie/ Leon genauso gern mögen wie meine anderen Freunde« der Fallbeschreibung mit »soziologischer« Erklärung verfehlt das Kriterium und wird in nachfolgenden Analysen nicht weiter berücksichtigt. Wie bereits in der Studie von Bossaert und Petry (2013) gezeigt werden konnte, lassen sich die affektive und die behaviorale Einstellungskomponente faktorenanalytisch nicht voneinander trennen. Dieses Ergebnis wurde auch für die vorliegende Untersuchung evident. In Tabelle 3.5 sind die Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse für die drei Einstellungsskalen abgebildet. Die drei Fragebogenskalen weisen jeweils eine »hohe« Reliabilität auf (Döring & Bortz, 2016), welche durch das Entfernen einzelner Items nicht weiter erhöht werden kann: »Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung ohne Erklärung« (α = .93), »Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung mit soziologischer Erklärung« (α = .93) und »Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung mit medizinischer Erklärung« (α = .94). Alle Items erfüllen zudem das Trennschärfekriterium von r(it) > .30 (Döring & Bortz, 2016). Die Ergebnisse der Faktorenanalyse und der Reliabilitätsanalyse verdeutlichen, dass sich die drei Fragebogenskalen dazu eignen, um die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung in Abhängigkeit der Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung angemessen zu erfassen.
102
3 Empirische Studie
Tabelle 3.4 Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse – Skala »Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung« (ohne, mit soziologischer und mit medizinischer Erklärung; dreifaktorielle Lösung) Fragebogenitem
Faktor
1 2 3 h² Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (ohne Erklärung): »Julia/Julian ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Julia/Julian oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht.« (OHNE1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Julia/ Julian neben mir sitzen würde.
.05
.60
–.01
.40
(OHNE2) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian neben mir wohnen würde.
–.08
.83
.03
.64
(OHNE3) Ich würde Julia/Julian ein Geheimnis anvertrauen.
–.08
.64
.04
.38
(OHNE4) Ich würde Julia/Julian zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
.03
.80
–.00
.67
(OHNE5) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian mich zu sich nach Hause einladen würde.
.15
.75
–.07
.65
(OHNE6) In der Pause würde ich gerne mit Julia/Julian spielen.
–.05
.83
.07
.72
(OHNE7) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian in meine –.09 Klasse gehen würde.
.86
.02
.67
(OHNE8) Ich finde, Julia/Julian sollte im selben Klassenraum –.03 wie ich unterrichtet werden.
.76
.07
.62
(OHNE9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Julia/Julian in .09 der Schule zusammenzuarbeiten.
.76
–.04
.63
(OHNE10) Ich würde Julia/Julian genauso gern mögen wie .21 .69 –.06 .64 meine anderen Freunde. Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit soziologischer Erklärung): »Leonie/Leon ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Leonie/Leon oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht. Leonies/Leons Eltern kümmern sich nur wenig um sie/ihn. Um auf sich aufmerksam zu machen, ist Leonie/Leon oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Da Leonie/Leon viel alleine ist, kennt sie/er nur wenige Regeln. Daher folgt sie/er den Anweisungen der Lehrer oft nicht mit Absicht.« (SOZ1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Leonie/ Leon neben mir sitzen würde.
–.09
.02
.76
.50
(Fortsetzung)
3.2 Beschreibung der Studie
103
Tabelle 3.4 (Fortsetzung) Fragebogenitem
Faktor 1
(SOZ2) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon neben mir –.07 wohnen würde.
2
3
h²
–.04
.88
.66
(SOZ3) Ich würde Leonie/Leon ein Geheimnis anvertrauen.
.07
–.09
.65
.42
(SOZ4) Ich würde Leonie/Leon zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
.10
.04
.71
.66
(SOZ5) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon mich zu sich nach Hause einladen würde.
.16
.03
.65
.63
(SOZ6) In der Pause würde ich gerne mit Leonie/Leon spielen.
.03
.08
.74
.67
(SOZ7) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon in meine Klasse gehen würde.
.00
.12
.74
.68
(SOZ8) Ich finde, Leonie/Leon sollte im selben Klassenraum .00 wie ich unterrichtet werden.
.04
.79
.67
(SOZ9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Leonie/Leon in .15 der Schule zusammenzuarbeiten.
–.03
.69
.61
(SOZ10) Ich würde Leonie/Leon genauso gern mögen wie .37 .05 .42 .60 meine anderen Freunde. Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit medizinischer Erklärung): »Hanna/Hannes ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Hanna/Hannes oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht. Seit ihrer/seiner Geburt hat Hanna/Hannes große Probleme damit, wie man sich in bestimmten Situationen richtig verhält. Deshalb kann sie/er den Anweisungen der Lehrer oft nicht folgen. Hanna/Hannes kann ihr/sein Verhalten nicht immer steuern. Daher ist sie/er im Unterricht oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken.« (MED1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Hanna/ Hannes neben mir sitzen würde.
.65
–.01
.05
.46
(MED2) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes neben mir wohnen würde.
.75
–.04
.09
.64
(MED3) Ich würde Hanna/Hannes ein Geheimnis anvertrauen.
.50
–.01
.17
.39
(MED4) Ich würde Hanna/Hannes zu meiner Geburtstagsfeier .75 einladen.
.09
.01
.67
.77
.02
.04
.66
(MED5) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes mich zu sich nach Hause einladen würde.
(Fortsetzung)
104
3 Empirische Studie
Tabelle 3.4 (Fortsetzung) Fragebogenitem
Faktor 1
2
3
h²
(MED6) In der Pause würde ich gerne mit Hanna/Hannes spielen.
.73
.02
.09
.66
(MED7) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes in meine Klasse gehen würde.
.77
.00
.04
.65
(MED8) Ich finde, Hanna/Hannes sollte im selben Klassenraum wie ich unterrichtet werden.
.84
–.06
.01
.66
(MED9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Hanna/Hannes .89 in der Schule zusammenzuarbeiten.
–.01
–.11
.65
(MED10) Ich würde Hanna/Hannes genauso gern mögen wie .86 meine anderen Freunde.
.05
–.07
.71
Anmerkung. Hauptachsenfaktorenanalyse mit Promax-Rotation.
Tabelle 3.5 Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse und deskriptive Statistiken – Skala »Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung« (ohne, mit soziologischer und mit medizinischer Erklärung) Fragebogenitem M SD r(it) α* Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (ohne Erklärung): »Julia/Julian ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Julia/Julian oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht.« (OHNE1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Julia/Julian 3,47 neben mir sitzen würde.
1,35
.61
.93
(OHNE2) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian neben mir wohnen würde.
3,25
1,27
.77
.92
(OHNE3) Ich würde Julia/Julian ein Geheimnis anvertrauen.
2,36
1,29
.59
.93
(OHNE4) Ich würde Julia/Julian zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
3,19
1,32
.77
.92
(OHNE5) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian mich zu sich nach Hause einladen würde.
3,64
1,25
.76
.92
(OHNE6) In der Pause würde ich gerne mit Julia/Julian spielen. 3,50
1,21
.81
.92
(Fortsetzung)
3.2 Beschreibung der Studie
105
Tabelle 3.5 (Fortsetzung) Fragebogenitem
M
SD
r(it)
α*
(OHNE7) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian in meine Klasse gehen würde.
3,48
1,25
.78
.92
(OHNE8) Ich finde, Julia/Julian sollte im selben Klassenraum wie ich unterrichtet werden.
3,38
1,23
.75
.92
(OHNE9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Julia/Julian in der Schule zusammenzuarbeiten.
3,23
1,25
.76
.92
(OHNE10) Ich würde Julia/Julian genauso gern mögen wie 3,47 1,34 .74 .92 meine anderen Freunde. Gesamtskala (10 Items; M = 3,30; SD = 0,99; α = .93) Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit soziologischer Erklärung): »Leonie/Leon ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Leonie/Leon oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht. Leonies/Leons Eltern kümmern sich nur wenig um sie/ihn. Um auf sich aufmerksam zu machen, ist Leonie/Leon oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Da Leonie/Leon viel alleine ist, kennt sie/er nur wenige Regeln. Daher folgt sie/er den Anweisungen der Lehrer oft nicht mit Absicht.« (SOZ1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Leonie/Leon neben mir sitzen würde.
3,45
1,31
.67
.92
(SOZ2) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon neben mir wohnen würde.
3,23
1,27
.78
.92
(SOZ3) Ich würde Leonie/Leon ein Geheimnis anvertrauen.
2,41
1,29
.59
.93
(SOZ4) Ich würde Leonie/Leon zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
3,25
1,31
.77
.92
(SOZ5) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon mich zu sich 3,52 nach Hause einladen würde.
1,30
.76
.92
(SOZ6) In der Pause würde ich gerne mit Leonie/Leon spielen.
3,52
1,24
.78
.92
(SOZ7) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon in meine Klasse gehen würde.
3,47
1,24
.78
.92
(SOZ8) Ich finde, Leonie/Leon sollte im selben Klassenraum wie ich unterrichtet werden.
3,38
1,27
.77
.92
(SOZ9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Leonie/Leon in der Schule zusammenzuarbeiten. Gesamtskala (9 Items; M = 3,27; SD = 1,02; α = .93)
3,19
1,27
.75
.92
(Fortsetzung)
106
3 Empirische Studie
Tabelle 3.5 (Fortsetzung) Fragebogenitem
M
SD
r(it)
α*
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit medizinischer Erklärung): »Hanna/Hannes ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Hanna/Hannes oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht. Seit ihrer/seiner Geburt hat Hanna/Hannes große Probleme damit, wie man sich in bestimmten Situationen richtig verhält. Deshalb kann sie/er den Anweisungen der Lehrer oft nicht folgen. Hanna/Hannes kann ihr/sein Verhalten nicht immer steuern. Daher ist sie/er im Unterricht oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken.« (MED1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Hanna/ Hannes neben mir sitzen würde.
3,50
1,23
.67
.93
(MED2) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes neben mir 3,26 wohnen würde.
1,21
.77
.93
(MED3) Ich würde Hanna/Hannes ein Geheimnis anvertrauen.
2,45
1,27
.60
.94
(MED4) Ich würde Hanna/Hannes zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
3,24
1,27
.79
.93
(MED5) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes mich zu sich nach Hause einladen würde.
3,61
1,23
.76
.93
(MED6) In der Pause würde ich gerne mit Hanna/Hannes spielen.
3,53
1,20
.78
.93
(MED7) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes in meine Klasse gehen würde.
3,48
1,22
.78
.93
(MED8) Ich finde, Hanna/Hannes sollte im selben Klassenraum 3,40 wie ich unterrichtet werden.
1,24
.78
.93
(MED9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Hanna/Hannes in 3,33 der Schule zusammenzuarbeiten.
1,30
.77
.93
(MED10) Ich würde Hanna/Hannes genauso gern mögen wie meine anderen Freunde.
1,37
.79
.93
3,40
Gesamtskala (10 Items; M = 3,33; SD = 1,00; α = .94) Anmerkung. Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (--) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (--), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet. *) Veränderung der internen Konsistenz der Gesamtskala bei Entfernung des Items.
3.2 Beschreibung der Studie
107
3.2.4.2 Messinstrument zur Erfassung der Empathie von Grundschulkindern Im Rahmen einer explorativen Faktorenanalyse wurde das Instrument zur Erhebung der Empathie von Grundschulkindern überprüft. Es konnte vorab gezeigt werden, dass die einzelnen Fragebogenitems und die Korrelationsmatrix »gut« (Bühner, 2011, S. 347) für die Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse geeignet sind (Bartlett-Test: χ2 = 1149,55; df = 45; p ≤ .001; KMO = .85). In der Theorie wird davon ausgegangen, dass die Empathie in eine kognitive (Perspektivenübernahme) und eine emotionale bzw. affektive Empathie (Fürsorglichkeitsempfinden) unterteilt werden kann (Davis, 1980, 2018). Im Rahmen einer Faktorenanalyse konnte in diesem Zusammenhang gezeigt werden, dass die beiden Dimensionen trennscharf voneinander abgegrenzt werden können (Davis, 1980). Vor diesem theoretischen und empirischen Hintergrund wird erwartet, dass den Daten eine zweifaktorielle Struktur zugrunde liegt. Obwohl zwar eine zweifaktorielle Trennung der Empathie aufgrund theoretischer und empirischer Vorannahmen erwartet wird, ist es unwahrscheinlich, dass die angenommenen Dimensionen der Empathie vollkommen statistisch unabhängig voneinander sind (Davis, 1980). Daher wird vermutet, dass signifikante Korrelationen zwischen den beiden Teilkomponenten bestehen. Aus diesem Grund wurde eine Hauptachsenfaktorenanalyse mit Promax-Rotation durchgeführt. Die Ergebnisse der Eigenwertbestimmung und der Parallelanalyse sind nachfolgend in Tabelle 3.6 aufgeführt.
Tabelle 3.6 Ergebnisse der Eigenwertbestimmung und Parallelanalyse – Skala »Empathie« (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden; zweifaktorielle Lösung) Parallelanalyse Faktor 1
Eigenwert
Erklärte Kumulierte Varianz (%) Varianz (%)
Mittlerer Eigenwert
P95
3,64
36,42
1,23
1,29
36,42
2
1,24
12,37
48,79
1,16
1,20
3
1,01
10,06
58,85
1,11
1,15
4
0,74
7,43
66,28
1,02
1,09
… 10
… 0,41
… 4,11
… 100,00
… 0,79
… 0,84
Anmerkung. Hauptachsenfaktorenanalyse mit Promax-Rotation; Bartlett-Test: χ2 = 1149,55; df = 45; p ≤ .001; Kaiser-Meyer-Olkin-Koeffizient (KMO) = .85.
108
3 Empirische Studie
Dem Kaiser-Kriterium entsprechend können drei Faktoren extrahiert werden, die Eigenwerte > 1 aufweisen. Der dritte Faktor erfüllt die Bedingung des Kriteriums mit einem Eigenwert von 1,01 nur schwach und wird aufgrund der theoretischen und empirischen Annahme, dass sich die Empathie in die Komponenten »Perspektivenübernahme« und »Fürsorglichkeitsempfinden« unterteilen lässt, nicht weiter berücksichtigt. Die ersten beiden Faktoren klären zusammen 48,79 % der Gesamtvarianz auf. 36,42 % der Varianz entfallen dabei auf den ersten Faktor und 12,37 % auf den zweiten Faktor. Die Ergebnisse des Screeplots deuten auf einen bedeutsamen Eigenwertabfall nach dem ersten Faktor hin, sodass ein »Knick« im Graphen an der Stelle des zweiten Faktors zu erkennen ist. Nach dem Scree-Kriterium (Cattell, 1966) existiert demzufolge nur ein Faktor, der oberhalb des »Knicks« liegt und extrahiert werden sollte. Zur Überprüfung der genauen Faktorenanzahl wurde abschließend eine Parallelanalyse durchgeführt. Lediglich die Eigenwerte des ersten und zweiten Faktors sind größer als die Eigenwerte der Zufallsdaten. Die Ergebnisse der Parallelanalyse (Abbildung 3.9) bestätigen somit die Annahme, dass den Daten eine zweifaktorielle Struktur zugrunde liegt.
Eigenwerte
Eigenwerte der Parallelanalyse
4
Eigenwert
3
2
1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Faktor
Abbildung 3.9 Screeplot/Parallelanalyse – Skala »Empathie« (Perspektivenübernahme/ Fürsorglichkeitsempfinden; zweifaktorielle Lösung).
3.2 Beschreibung der Studie
109
Aufgrund theoretischer Vorüberlegungen, empirischer Befunde und der Ergebnisse der Parallelanalyse wurde eine Zwei-Faktor-Lösung ausgewählt (vgl. Davis, 1980, 2018). Demnach liegen die beiden Faktoren »Perspektivenübernahme« und »Fürsorglichkeitsempfinden« vor, die insgesamt 48,79 % der Varianz aufklären. In Tabelle 3.7 sind die Zuordnungen der Items zu den Faktoren, die zugehörigen Faktorladungen und die Kommunalitäten der einzelnen Items dargestellt. Es wird deutlich, dass sich die beiden Skalen »Perspektivenübernahme« und »Fürsorglichkeitsempfinden« – wie angenommen – trennscharf voneinander abgrenzen lassen. Allerdings verfehlen die drei Items (PERS2) »Es fällt mir schwer, die Dinge aus der Sicht eines Mitschülers zu sehen.«, (PERS3) »Bevor ich einen Mitschüler kritisiere, versuche ich mir vorzustellen, wie ich mich an seiner Stelle fühlen würde.« und (FUER5) »Wenn ein Mitschüler ausgeschlossen wird, fühle ich mich traurig.« mit Faktorladungen .30. Eine weitere Reduktion der Itemanzahl ist nicht notwendig.
Tabelle 3.8 Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse und deskriptive Statistiken – Skala »Empathie« (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) Fragebogenitem
SD
r(it)
α*
(PERS1)
Wenn ich mich über einen Mitschüler ärgere, 3,16 versuche ich mich auch in seine Lage zu versetzen.
M
1,16
.55
.67
(PERS3)
Bevor ich einen Mitschüler kritisiere, versuche ich mir vorzustellen, wie ich mich an seiner Stelle fühlen würde.
3,59
1,08
.47
.71
(PERS4)
Ich versuche meine Mitschüler besser zu ver- 3,47 stehen, indem ich mich in ihre Lage versetze.
1,17
.62
.62
(PERS5)
Wenn ein Mitschüler etwas nicht versteht, 3,59 versuche ich mich in seine Lage zu versetzen.
1,13
.48
.71
(Fortsetzung)
3.2 Beschreibung der Studie
111
Tabelle 3.8 (Fortsetzung) Fragebogenitem
M
SD
r(it)
α*
Gesamtskala (4 Items; M = 3,26; SD = 0,77; α = .74) (FUER1)
Wenn einem Mitschüler etwas Gutes passiert, 4,41 freue ich mich für ihn.
0,85
.44
.73
(FUER2)
Wenn ein Mitschüler ausgenutzt wird, möchte 4,40 ich ihm helfen.
0,90
.60
.67
(FUER3)
Ich habe Mitgefühl für Mitschüler, denen es nicht so gut geht wie mir.
4,21
0,97
.49
.71
(FUER4)
Wenn ein Mitschüler geärgert wird, möchte ich ihm helfen.
4,37
0,86
.60
.67
(FUER5)
Wenn ein Mitschüler ausgeschlossen wird, fühle ich mich traurig.
3,71
1,11
.46
.73
Gesamtskala (5 Items; M = 4,22; SD = 0,66; α = .75) Anmerkung. Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet. *) Veränderung der internen Konsistenz der Gesamtskala bei Entfernung des Items.
3.2.4.3 Messinstrument zur Erfassung des Kontakts von Grundschulkindern mit Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung Das Instrument zur Erfassung der bisherigen Kontakterfahrungen der befragten Grundschulkinder mit Peers mit sozial-emotionalem SPF wurde im Rahmen einer explorativen Faktorenanalyse überprüft. Dabei bestätigen sowohl die Ergebnisse des Bartlett-Tests (χ2 = 2072,02; df = 21; p ≤ .001) als auch der K aiser-MeyerOlkin-Koeffizient (KMO = .89), dass sich die Items und die Itemkorrelationen für die Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse eignen. Die ermittelten Eigenwerte und die aufgeklärte Varianz durch die Faktoren sind in der folgenden Tabelle 3.9 abgebildet. Lediglich der erste Faktor erfüllt das Kaiser-Kriterium (Guttman, 1954; Kaiser & Dickmann, 1959) mit einem Eigenwert von 4,38 und klärt dabei 62,54 % der Varianz auf. Der im Screeplot (Abbildung 3.10) dargestellte Eigenwertverlauf bestätigt die einfaktorielle Lösung. Ein bedeutsamer Eigenwertabfall ist nach dem ersten Faktor zu verzeichnen und ein »Knick« im Verlauf des Graphen an der Stelle des zweiten Faktors erkennbar.
112
3 Empirische Studie
Tabelle 3.9 Ergebnisse der Eigenwertbestimmung – Skala »Kontakt zu Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (einfaktorielle Lösung) Faktor
Eigenwert
Erklärte Varianz (%)
1
4,38
62,54
62,54
2
0,91
12,98
75,52
…
…
7
Kumulierte Varianz (%)
…
0,24
…
3,49
100,00
Anmerkung. Hauptachsenfaktorenanalyse ohne Rotation; Bartlett-Test: χ2 = 2072,02; df = 21; p ≤ .001; Kaiser-Meyer-Olkin-Koeffizient (KMO) = .89.
Sowohl die Ergebnisse der Eigenwertbestimmung als auch des Screeplots deuten darauf hin, dass den Daten eine Ein-Faktor-Struktur zugrunde liegt, mit der insgesamt 62,54 % der Varianz aufgeklärt werden kann. Da die Anzahl an Faktoren mithilfe der Eigenwertbestimmung und des Screeplots eindeutig bestimmt werden konnte, wurde auf die Durchführung einer Parallelanalyse verzichtet.
Eigenwerte 5
Eigenwert
4
3
2
1
0
1
2
3
4 Faktor
5
6
7
Abbildung 3.10 Screeplot – Skala »Kontakt zu Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung«.
113
3.2 Beschreibung der Studie
In Tabelle 3.10 sind die Ergebnisse der unrotierten Hauptachsenfaktorenanalyse (einfaktorielle Lösung) dargestellt. Alle Fragebogenitems erfüllen mit Faktorladungen > .50 (Backhaus et al., 2016) die vorgegebene Voraussetzung und können in die Skalenbildung miteinbezogen werden.
Tabelle 3.10 Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse – Skala »Kontakt zu Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (einfaktorielle Lösung) Fragebogenitem
Faktor 1
h2
(K1)
Ich habe schon viel Kontakt zu jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes gehabt.
.76
.58
(K2)
Ich habe schon oft mit jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes gesprochen.
.67
.46
(K3)
Ich habe schon oft mit jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes gespielt.
.83
.68
(K4)
Ich habe schon oft jemanden wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes zu mir nach Hause eingeladen.
.85
.72
(K5)
Ich habe schon oft jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes ein Geheimnis anvertraut.
.71
.51
(K6)
Ich habe schon oft jemanden wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes zu meiner Geburtstagsfeier eingeladen.
.80
.65
(K7)
Bei mir hat schon oft jemand wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes übernachtet.
.61
.37
Anmerkung. Hauptachsenfaktorenanalyse ohne Rotation.
Die Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse der Fragebogenskala »Kontakt« sind in Tabelle 3.11 veranschaulicht. Die Skala weist mit einem Cronbachs α von .90 eine »hohe« interne Konsistenz auf (Bühner, 2011, S. 347). Die Reliabilität der Skala kann durch das Entfernen weiterer Items nicht gesteigert werden. Das vorgegebene Kriterium für die Trennschärfe r(it) > .30 wird von allen Fragebogenitems erfüllt. Die Fragebogenskala kann somit in der vorliegenden Form beibehalten werden.
114
3 Empirische Studie
Tabelle 3.11 Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse und deskriptive Statistiken – Skala »Kontakt zu Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« Fragebogenitem
M
SD
r(it)
α*
(K1)
Ich habe schon viel Kontakt zu jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/ Hannes gehabt.
2,69
1,49
.73
.88
(K2)
Ich habe schon oft mit jemandem wie Julia/ 3,18 Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes gesprochen.
1,53
.64
.89
(K3)
Ich habe schon oft mit jemandem wie Julia/ 2,77 Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes gespielt.
1,56
.78
.88
(K4)
2,31 Ich habe schon oft jemanden wie Julia/ Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes zu mir nach Hause eingeladen.
1,48
.79
.87
(K5)
2,00 Ich habe schon oft jemandem wie Julia/ Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes ein Geheimnis anvertraut.
1,36
.67
.89
(K6)
2,40 Ich habe schon oft jemanden wie Julia/ Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes zu meiner Geburtstagsfeier eingeladen.
1,56
.75
.88
(K7)
Bei mir hat schon oft jemand wie Julia/ Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes übernachtet.
1,82
1,35
.57
.90
Gesamtskala (7 Items; M = 2,45; SD = 1,16; α = .90) Anmerkung. Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet. *) Veränderung der internen Konsistenz der Gesamtskala bei Entfernung des Items.
3.2.4.4 Messinstrument zur Erfassung des sozialen Selbstkonzepts von Grundschulkindern Abschließend wurde die Struktur des Erhebungsinstruments zur Erfassung des sozialen Selbstkonzepts der befragten Grundschulkinder überprüft. Hierzu wurde die Skala hinsichtlich ihrer Eignung für die Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse untersucht. Die Ergebnisse des Bartlett-Tests (χ2 = 401,80; df = 6; p ≤ .001) verdeutlichen, dass sich die Daten für eine Faktorisierung eignen. Der KMO-Koeffizient (KMO = .73) hingegen deutet nur eine »mittlere« Eignung (Bühner, 2011) der Items für eine explorative Faktorenanalyse an. Zur Überprüfung der Faktorstruktur wurde eine Hauptachsenfaktorenanalyse durchgeführt. In Tabelle 3.12 sind die Ergebnisse der Eigenwertbestimmung dar-
3.2 Beschreibung der Studie
115
gestellt. Lediglich ein Faktor erfüllt das Kaiser-Kriterium (Guttman, 1954; Kaiser & Dickmann, 1959) mit einem Eigenwert > 1 und klärt 55,10 % der Gesamtvarianz auf. Tabelle 3.12 Ergebnisse der Eigenwertbestimmung – Skala »Soziales Selbstkonzept« (einfaktorielle Lösung) Faktor
Eigenwert
Erklärte Varianz (%)
1
2,20
55,10
55,10
2
0,75
18,84
73,94
…
…
4
0,47
Kumulierte Varianz (%)
…
…
11,76
100,00
Anmerkung. Hauptachsenfaktorenanalyse ohne Rotation; Bartlett-Test: χ2 = 401,80; df = 6; p ≤ .001; Kaiser-Meyer-Olkin-Koeffizient (KMO) = .73.
In Abbildung 3.11 ist der Eigenwertverlauf der Skala »Soziales Selbstkonzept« dargestellt. Ein »Knick« im Verlauf des Graphen wird an der Stelle des zweiten Faktors ersichtlich. Demnach kann der erste Faktor als bedeutsam angesehen werden. Sowohl die Ergebnisse der Eigenwertbestimmung als auch des Screeplots bestätigen, dass den Items der Fragenbogenskala »Soziales Selbstkonzept« ein gemeinsamer Faktor zugrunde liegt.
Eigenwerte 3
Eigenwert
2
1
0
1
2
3
Faktor
Abbildung 3.11 Screeplot – Skala »Soziales Selbstkonzept«.
4
116
3 Empirische Studie
Wie in Tabelle 3.13 verdeutlicht, laden alle Fragebogenitems mit Ladungen von .51–.74 auf diesen einen Faktor und erfüllen das vorgegebene Kriterium von .50 (Backhaus et al., 2016). Tabelle 3.13 Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse – Skala »Soziales Selbstkonzept« (einfaktorielle Lösung) Fragebogenitem
Faktor
(SK1) Ich habe viele Freunde.
1
h2
.74
.55
(SK2) Ich finde schnell Freunde.
.64
.41
(SK3) Ich bin beliebt in meiner Klasse.
.65
.42
(SK4) Ich komme gut mit meinen Mitschülern klar.
.51
.26
Anmerkung. Hauptachsenfaktorenanalyse ohne Rotation.
Die Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse sind nachfolgend in Tabelle 3.14 abgebildet. Die Fragebogenskala »Soziales Selbstkonzept« weist nach George und Mallery (2012) mit einem Cronbachs α von .72 eine angemessene interne Konsistenz auf, die durch das Entfernen weiterer Fragebogenitems nicht gesteigert werden kann. Alle Items erfüllen zudem das Trennschärfekriterium: r(it) = .43–.59. Anhand der Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse und der Reliabilitätsanalyse wird ersichtlich, dass die eingesetzten Fragebogenitems zur Skalenbildung geeignet sind. Die finale Skala zur Erfassung des sozialen Selbstkonzepts der Grundschulkinder umfasst 4 Items. Tabelle 3.14 Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse und deskriptive Statistiken – Skala »Soziales Selbstkonzept« Fragebogenitem
M
SD
r(it)
α*
(SK1) Ich habe viele Freunde.
4,22
0,94
.59
.62
(SK2) Ich finde schnell Freunde.
3,59
1,07
.51
.66
(SK3) Ich bin beliebt in meiner Klasse.
3,00
1,14
.54
.65
(SK4) Ich komme gut mit meinen Mitschülern klar.
4,12
0,91
.43
.71
Gesamtskala (4 Items; M = 3,73; SD = 0,75; α = .72) Anmerkung. Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet. *) Veränderung der internen Konsistenz der Gesamtskala bei Entfernung des Items.
3.2 Beschreibung der Studie
117
3.2.4.5 Multiple Gruppenvergleiche (Messinvarianz) Im Rahmen einer Messinvarianzanalyse wurde überprüft, ob die Einstellungen der befragten Grundschulkinder gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung auf der Grundlage der drei verwendeten Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung in geeigneter Weise gemessen werden können. Vor diesem Hintergrund wurden unterschiedlich restriktive Modelle berechnet und deren Fit-Werte mittels χ2-Differenztest miteinander verglichen. Die Modell-Fit-Werte der konfirmatorischen Faktorenanalysen mit zunehmend restriktiveren Annahmen und die Ergebnisse der χ2-Differenztests sind in Tabelle 3.15 aufgeführt. Nach dem »Step-Up-Ansatz« (siehe »Multiple Gruppenvergleiche« – 3.1.3) wurde zunächst ein Basismodell berechnet, bei dem die »intercepts« der ersten Indikatoren auf 0 gesetzt wurden. Die übrigen »intercepts« und die latenten Mittelwerte wurden frei geschätzt (Kleinke et al., 2017). Da sich die eingesetzten Skalen zur Erfassung der Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung lediglich dadurch unterscheiden, dass ihnen unterschiedliche Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem Förderbedarf zugrunde liegen, kann davon ausgegangen werden, dass die Skalen gemeinsame Varianzanteile enthalten, die miteinander korrelieren. Daher wurden Autokorrelationen zwischen den Residuen gleicher Items in den Skalen zugelassen (Kleinke et al., 2017). Das berechnete Basismodell weist insgesamt eine gute Passung zum hypothetisch angenommenen Modell auf: χ2 = 608,50; p ≤ .001; df = 346; χ2/ df = 1,76; CFI = .971; TLI = .966; RMSEA = .038 (.033–.043). Im nachfolgenden Schritt wurde ein restriktiveres Modell berechnet. Die beiden Modelle unterscheiden sich dahingehend, dass bei dem restriktiveren Modell die Faktorladungen identischer Items gleichgesetzt wurden. Auch das strengere Modell weist gute Fit-Werte auf: χ2 = 626,47; p ≤ .001; df = 363; χ2/df = 1,73; CFI = .971; TLI = .967; RMSEA = .038 (.033–.043). Der Vergleich der Fit-Werte beider Modelle im Rahmen eines χ2-Differenztests verdeutlicht, dass die strengeren Modellannahmen nicht zu einem signifikant schlechteren Modell-Fit führen (Δχ2(df) = 10,99(17); p = .857). Die Annahme, dass die manifesten Variablen gleiche Faktorladungen aufweisen, kann somit aufrechterhalten werden. Auf der Grundlage der Ergebnisse kann metrische Messinvarianz angenommen werden. Die latenten Konstrukte weisen somit eine gleiche inhaltliche Bedeutung auf und die zugrunde liegenden Beziehungen können beispielsweise im Rahmen von Strukturgleichungsanalysen näher untersucht werden.
118
3 Empirische Studie
Abschließend wurde überprüft, ob für die eingesetzten Einstellungsskalen skalare Messinvarianz vorliegt. Zusätzlich zu den bestehenden Restriktionen wurden die »intercepts« identischer Items gleichgesetzt. Das so berechnete Modell weist ebenfalls einen guten Modell-Fit auf: χ2 = 650,18; p ≤ .001; df = 380; χ2/df = 1,71; CFI = .970; TLI = .968; RMSEA = .037 (.032–.042). Im Vergleich zu dem metrischen Modell weist das neu berechnete Modell keine signifikante Verschlechterung der Fit-Werte durch das Gleichsetzen der »intercepts« auf (Δχ2(df) = 22,74(17); p = .158). Das Vorliegen skalarer Messinvarianz für die drei Einstellungsskalen kann somit bestätigt werden. Zusammenfassend konnte für die verwendeten Einstellungsskalen mit den Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem Förderbedarf im Rahmen einer Messinvarianzanalyse gezeigt werden, dass skalare (bzw. starke faktorielle) Messinvarianz vorliegt. Diese Form der Messinvarianz ist notwendig, um die Mittelwerte der Skalen sinnvoll miteinander vergleichen und interpretieren zu können (Weiber & Mühlhaus, 2014). Im Rahmen einer Varianzanalyse mit Messwiederholung soll näher untersucht werden, ob sich die Einstellungen der befragten Grundschulkinder gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung signifikant voneinander unterscheiden.
Tabelle 3.15 Messinvarianz – Skala »Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« (ohne, mit soziologischer und mit medizinischer Erklärung) Messinvarianz
χ2
p
df
χ2/df
CFI
TLI
RMSEA (CI) Δχ2(df)
Baseline
608,50
.00
346
1,76
.971
.966
.038
Metrisch
626,47
.00
363
1,73
.971
.967
Skalar
650,18
.00
380
1,71
.970
.968
p –
–
(.033–.043) .038
10,99(17) .857
(.033–.043) .037 (.032–.042)
22,74(17) .158
3.2 Beschreibung der Studie
119
3.2.5 Skalenübersicht In Tabelle 3.16 sind die deskriptiven Statistiken aller verwendeten Skalen zusammengefasst. Im Rahmen einer explorativen Faktorenanalyse und einer Reliabilitätsanalyse konnte gezeigt werden, dass sich die drei eingesetzten Einstellungsskalen (»ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung) empirisch trennscharf voneinander abgrenzen lassen und jeweils hohe Reliabilitäten aufweisen (α = .93–.94). Die an der Untersuchung beteiligten Grundschulkinder haben im Allgemeinen angegeben, neutral bis moderat positiv gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung eingestellt zu sein. Zwischen den Einstellungen der Schülerinnen und Schüler basierend auf den Fallbeschreibungen »ohne« Erklärung (10 Items; M = 3,30; SD = 0,99), mit »soziologischer« Erklärung (9 Items; M = 3,27; SD = 1,02) und mit »medizinischer« Erklärung (10 Items; M = 3,33; SD = 1,00) für das Verhalten des Kindes mit SPF konnten lediglich geringe Unterschiede gefunden werden. Ob und inwiefern sich die Einstellungen der Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF in Abhängigkeit der verwendeten Fallbeschreibungen signifikant voneinander unterscheiden, wird nachfolgend im Rahmen einer Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholung überprüft. Die Standardabweichungen von SD = 0,99–1,02 weisen auf eine nicht unwesentliche Streuung im Antwortverhalten der Schülerinnen und Schüler hin. Während einige Kinder sehr positiv gegenüber Peers mit emotional-sozialem SPF eingestellt sind, haben andere Kinder angegeben, negative Einstellungen gegenüber diesen Peers zu besitzen. Im Rahmen der Überprüfung der Erhebungsinstrumente konnte – wie theoretisch und empirisch angenommen – gezeigt werden, dass die Empathie in eine kognitive (Perspektivenübernahme) und eine emotionale Komponente (Fürsorglichkeitsempfinden) unterteilt werden kann. Die befragten Grundschülerinnen und -schüler haben in Bezug auf ihre Empathie tendenziell angegeben, die Perspektiven anderer Menschen übernehmen zu können (4 Items; M = 3,45; SD = 0,86; Beispielitem: »Bevor ich einen Mitschüler kritisiere, versuche ich mir vorzustellen, wie ich mich an seiner Stelle fühlen würde.«). Mit einer Standardabweichung von SD = 0,86 weist die Skala eine mittlere Streuung auf. Darüber hinaus schätzen sich die beteiligten Kinder im Allgemeinen als fürsorglich ein (5 Items; M = 4,25; SD = 0,66; Beispielitem: »Wenn ein Mitschüler geärgert wird, möchte ich ihm helfen.«). Die beiden Subskalen der Empathie weisen mit Werten für den Cronbachs α von .74–.75 mittlere interne Konsistenzen auf. Hinsichtlich ihrer Kontakterfahrungen zu Menschen mit SPF berichten die im Rahmen der Untersuchung befragten Schülerinnen und Schüler, dass sie bisher nur wenig Kontakt zu Menschen mit SPF hatten (7 Items; M = 2,45; SD = 1,16;
120
3 Empirische Studie
Beispielitem: »Ich habe schon oft mit jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes gespielt.«). Die mittlere Streuung im Antwortverhalten der Kinder verdeutlicht darüber hinaus, dass einige Kinder bereits über umfassende Kontakterfahrungen mit Menschen mit SPF verfügen, während andere Kinder bisher gar keinen Kontakt zu Menschen mit SPF hatten. Für die Skala liegt eine hohe Reliabilität vor (α = .90). Vertiefend wurden die Freundschaften der Grundschulkinder mit Peers mit SPF mithilfe eines dichotomen Items erfasst. In diesem Zusammenhang berichtet die Mehrzahl der befragten Schülerinnen und Schüler (n1 = 345), nicht mit einem Kind mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung befreundet zu sein. Lediglich ein kleiner Anteil der befragten Kinder (n2 = 164) hat angegeben, eine Freundin oder einen Freund mit sozial-emotionalem SPF zu haben. Von drei Grundschulkindern liegen keine Aussagen vor. Abschließend wurden die Grundschülerinnen und -schüler zu ihrem sozialen Selbstkonzept befragt. Im Durchschnitt schätzen die Kinder ihr soziales Selbstkonzept als neutral bis moderat positiv ein (4 Items; M = 3,73; SD = 0,75; Beispielitem: »Ich komme gut mit meinen Mitschülern klar.«). Die geringe Standardabweichung deutet darauf hin, dass die Grundschulkinder die Fragebogenitems weitgehend einheitlich beantwortet haben. Tabelle 3.16 Skalenübersicht Skala OHNE
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (ohne Erklärung)
SOZ
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit soziologischer Erklärung)
MED
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit medizinischer Erklärung)
PERS
Perspektivenübernahme
Items
M
SD
α
10
3,30
0,99
.93
9
3,27
1,02
.93
10
3,33
1,00
.94
4
3,45
0,86
.74
FUER
Fürsorglichkeitsempfinden
5
4,22
0,66
.75
K
Kontakt zu Menschen mit SPF
7
2,45
1,16
.90
SK
Soziales Selbstkonzept
4
3,73
0,75
.72
Anmerkung. Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet.
3.3 Ergebnisse
121
3.3 Ergebnisse Im folgenden Abschnitt sind die Ergebnisse der durchgeführten quantitativempirischen Querschnittstudie getrennt für die angenommenen Unterscheidungshypothesen (3.3.1) und die Zusammenhangshypothesen (3.3.2) dargestellt.
3.3.1 Überprüfung der Unterscheidungshypothesen Im Rahmen einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung (ANOVA – »Analysis of variance«) wurde überprüft, ob sich die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung in Abhängigkeit von Fallbeschreibungen mit und ohne Erklärungen für das Verhalten eines beschriebenen Kindes mit diesem Förderbedarf unterscheiden (Unterscheidungshypothese HU1). Den Schülerinnen und Schülern wurden hierzu drei Fallbeschreibungen von Kindern mit sozialemotionalem Förderbedarf präsentiert. Während in der ersten Fallvignette ausschließlich das Verhalten eines Kindes mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung beschrieben wird (»Julia/Julian ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Julia/Julian oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht.«), beinhalten die übrigen Fallvignetten darüber hinaus Wissen in Form von Erklärungsansätzen, auf die das Verhalten des jeweils dargestellten Kindes mit sozial-emotionalem Förderbedarf zurückgeführt werden kann. Der zweiten Fallbeschreibung liegt ein soziologischer Erklärungsansatz zugrunde: »Leonie/ Leon ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Leonie/Leon oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht. Leonies/Leons Eltern kümmern sich nur wenig um sie/ihn. Um auf sich aufmerksam zu machen, ist Leonie/Leon oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Da Leonie/Leon viel alleine ist, kennt sie/ er nur wenige Regeln. Daher folgt sie/er den Anweisungen der Lehrer oft nicht mit Absicht.« In der dritten Fallbeschreibung wird das Verhalten des Kindes mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung aus einer medizinischen Perspektive erläutert: »Hanna/Hannes ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Im Unterricht ist Hanna/Hannes oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht. Seit ihrer/seiner Geburt hat Hanna/Hannes große Probleme damit, wie man sich in bestimmten Situationen richtig verhält. Deshalb kann sie/er den Anweisungen
122
3 Empirische Studie
der Lehrer oft nicht folgen. Hanna/Hannes kann ihr/sein Verhalten nicht immer steuern. Daher ist sie/er im Unterricht oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken.« Die Ergebnisse der einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung (Abbildung 3.12) belegen, dass sich die Einstellungen der Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf in Abhängigkeit der präsentierten Fallbeschreibungen nicht voneinander unterscheiden (F(1,95; 343,04) = 1,10; p = .33; η2= .002). Im Rahmen von paarweisen Vergleichen mit Bonferroni-Korrektur konnten keine Unterschiede in den Einstellungen der befragten Kinder bei zugrunde liegender Fallbeschreibung »ohne« Erklärung (M = 3,30; SD = 0,99), mit »soziologischer« Erklärung (M = 3,27; SD = 1,02) und mit »medizinischer« Erklärung (M = 3,33; SD = 1,00) gefunden werden (Sphärizität nicht angenommen: Mauchly-W(2) = .97; p ≤ .01; Korrektur nach Huyn-Feldt). Die Unterscheidungshypothese HU1 muss auf der Grundlage der berichteten Ergebnisse daher zurückgewiesen werden.
Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung 5
4 3.30
3.27
3.33
ohne Erklärung
mit soziologischer Erklärung
mit medizinischer Erklärung
3
2
1
Abbildung 3.12 Mittelwertunterschiede zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung« in Abhängigkeit von Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem Förderbedarf. Anmerkung. Listenweiser Fallausschluss (N = 512). Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet.
3.3 Ergebnisse
123
In einem weiteren Schritt wurde der Frage nachgegangen, inwieweit sich die befragten Grundschulkinder in Bezug auf ihre Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf und ihre Empathie unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten (Unterscheidungshypothesen HU2a/b) sowie bezüglich der Freundschaften zu Peers mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (Unterscheidungshypothesen HU3a/b) voneinander unterscheiden. In Abbildung 3.13 sind die geschlechtsspezifischen Mittelwertunterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF getrennt für die drei untersuchten Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung dargestellt.
Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung Mädchen (N = 275)
Jungen (N = 237)
5
4
3.49
3
2
1
3.60
3.48 3.07
3.03
3.00
SD = 0,90 vs. SD = 1,05
SD = 0,92 vs. SD = 1,07
SD = 0,89 vs. SD = 1,02
t(467,71) = 4,78
t(469,81) = 5,14
t(510) = 7,12
p
.001
p
.001
p
.001
d = 0,43
d = 0,45
d = 0,63
ohne Erklärung
mit soziologischer Erklärung
mit medizinischer Erklärung
Abbildung 3.13 Mittelwertunterschiede zwischen Mädchen und Jungen hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Anmerkung. Listenweiser Fallausschluss (N = 512). Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet.
124
3 Empirische Studie
Anhand der Ergebnisse eines im Vorfeld durchgeführten Levene-Tests wird deutlich, dass für die Einstellungsskalen »ohne« und mit »soziologischer« Erklärung keine Varianzhomogenität in den Schülerinnen- und Schülergruppen vorliegt. Die Freiheitsgrade wurden daher für die Durchführung eines t-Tests korrigiert. In Hinblick auf den geschlechtsspezifischen Vergleich der Einstellungen von Grundschülerinnen und -schülern gegenüber Peers mit sozialemotionalem SPF bei zugrunde liegender »medizinischer« Erklärung für das Verhalten des Kindes mit sozial-emotionalem SPF ergaben sich im Rahmen des Levene-Tests homogene Varianzen. Eine Korrektur der Freiheitsgrade ist in diesem Fall nicht notwendig. Die Ergebnisse des t-Tests belegen, dass sich die befragten Grundschulkinder in Bezug auf ihre Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung unter geschlechtsspezifischem Gesichtspunkt unterscheiden. Demnach sind die Mädchen (N = 275) signifikant positiver gegenüber Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf eingestellt als die Jungen (N = 237). Das Ergebnis ist sowohl für die Einstellungsskalen in Abhängigkeit von Fallbeschreibungen mit als auch ohne Erklärungen für das Verhalten eines beschriebenen Kindes mit sozial-emotionalem SPF evident: »ohne« Erklärung (M = 3,49; SD = 0,90 vs. M = 3,07; SD = 1,05; t(467,71) = 4,78; p ≤ .001; d = 0,43), mit »soziologischer« Erklärung (M = 3,48; SD = 0,92 vs. M = 3,03; SD = 1,07; t(469,81) = 5,14; p ≤ .001; d = 0,45), mit »medizinischer« Erklärung (M = 3,60; SD = 0,89 vs. M = 3,00; SD = 1,02; t(510) = 7,12; p ≤ .001; d = 0,63). Für die untersuchten Mittelwertunterschiede liegen kleine bis mittlere Effekte vor (Cohen, 1992). Die Unterscheidungshypothese HU2a kann damit vollständig bestätigt werden. Geschlechtsspezifische Mittelwertunterschiede zwischen den untersuchten Grundschülerinnen und -schülern konnten zudem in Bezug auf ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) gefunden werden (Abbildung 3.14).
3.3 Ergebnisse
125
Empathie Mädchen (N = 275)
Jungen (N = 237)
5 4.33 4
3.56
4.10
3.31
3
2
1
SD = 0,82 vs. SD = 0,88
SD = 0,61 vs. SD = 0,70
t(510) = 3,27
t(510) = 4,00
p
.01
p
.001
d = 0,30
d = 0,35
Perspektivenübernahme
Fürsorglichkeit
Abbildung 3.14 Mittelwertunterschiede zwischen Mädchen und Jungen hinsichtlich ihrer Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden). Anmerkung. Listenweiser Fallausschluss (N = 512). Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet.
Die Ergebnisse der Levene-Testungen sind für alle Gruppenvergleiche signifikant, sodass in allen Fällen Varianzhomogenität vorliegt und eine Korrektur der Freiheitsgrade nicht notwendig ist. Anhand der Ergebnisse eines t-Tests wird deutlich, dass die Kinder ihre Fähigkeit, die Perspektiven von Mitschülerinnen und -schülern übernehmen zu können, im Allgemeinen neutral bis moderat positiv einschätzen. Die Mädchen gaben dabei an, die Perspektiven ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden signifikant besser übernehmen zu können (M = 3,56; SD = 0,82 vs. M = 3,31; SD = 0,88; t(510) = 3,27; p ≤ .01; d = 0,30) und signifikant fürsorglicher zu sein als die Jungen (M = 4,33; SD = 0,61 vs. M = 4,10; SD = 0,70; t(510) = 4,00; p ≤ .001; d = 0,35). Nach Cohen (1992) liegen für beide Gruppenvergleiche kleine Effekte vor. Auch die Unterscheidungshypothese HU2b kann somit angenommen werden. Im Weiteren wurde untersucht, ob sich Grundschülerinnen und -schüler, die mit Kindern mit sozial-emotionalem SPF befreundet sind, hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der sozialen emotionalen Entwicklung und ihrer Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) von denjenigen Kindern unterscheiden, die nicht über solche Freundschaften verfügen (Abbildung 3.15 und 3.16).
126
3 Empirische Studie
Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung keine Freunde mit SPF (N = 345)
Freunde mit SPF (N = 164)
5
4
3.57
3.53
3.51 3.19
3.21
3.15
3
2
1
SD = 1,01 vs. SD = 0,93
SD = 1,02 vs. SD = 0,97
SD = 1,02 vs. SD = 0,93
t(507) = 3,48
t(507) = 3,95
t(507) = 3,80
p
.01
p
.001
p
.01
d = 0,33
d = 0,38
d = 0,36
ohne Erklärung
mit soziologischer Erklärung
mit medizinischer Erklärung
Abbildung 3.15 Mittelwertunterschiede zwischen Grundschulkindern mit und ohne Freundschaften zu Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Anmerkung. Listenweiser Fallausschluss (N = 509); Drei Kinder haben keine Angaben zu ihren Freundschaften mit Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung gemacht. Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet.
In diesem Zusammenhang haben N = 164 Schülerinnen und Schülern angegeben, mit einem Kind mit sozial-emotionalem SPF befreundet zu sein. Bei N = 345 Kindern trifft dies nicht zu. Drei Grundschulkinder haben keine Angaben zu ihren Freundschaften mit Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf gemacht. Die ungleichen Substichprobengrößen lassen sich dadurch begründen, dass die Befragung an Schulen durchgeführt wurde, an denen zu dem Zeitpunkt der Studie kein inklusiver Grundschulunterricht durchgeführt wurde. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit besitzen, außerhalb der Schule Freundschaften mit Peers mit sozial-emotionalem SPF zu schließen. Anhand der Ergebnisse der Mittelwertvergleiche wird ersichtlich, dass Grundschülerinnen und -schüler, die angegeben haben, mit einem Kind mit sozial-emotionalem SPF befreundet zu sein, auf allen Einstellungsskalen signifikant positivere Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen
3.3 Ergebnisse
127
und sozialen Entwicklung geäußert haben als ihre Klassenkameradinnen und -kameraden, die nicht mit einem Kind mit SPF befreundet sind: »ohne« Erklärung (M = 3,19; SD = 1,01 vs. M = 3,51; SD = 0,93; t(507) = 3,48; p ≤ .01; d = 0,33), mit »soziologischer« Erklärung (M = 3,15; SD = 1,02 vs. M = 3,53; SD = 0,97; t(507) = 3,95; p ≤ .001; d = 0,38), mit »medizinischer« Erklärung (M = 3,21; SD = 1,02 vs. M = 3,57; SD = 0,93; t(507) = 3,80; p ≤ .01; d = 0,36). Für die Vergleiche von Kindern mit und ohne Freundschaften in Bezug auf ihre Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung liegen kleine Effektstärken von d = 0,33–0,38 vor (Cohen, 1992). Die Unterscheidungshypothese HU3a kann damit bestätigt werden. In Abbildung 3.16 sind die Gruppenvergleiche von Grundschulkindern mit und ohne Freundschaften zu Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf in Bezug auf ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) dargestellt. Für alle Gruppenvergleiche konnten homogene Varianzen im Rahmen eines im Vorfeld durchgeführten Levene-Tests gefunden werden. Die Freiheitsgrade mussten nicht korrigiert werden.
Empathie keine Freunde mit SPF (N = 345)
Freunde mit SPF (N = 164)
5 4.27
4.20 4
3.49
3.43
3 2 1 0
SD = 0,86 vs. SD = 0,86
SD = 0,66 vs. SD = 0,67
t(507) = 0,77
t(507) = 1,10
p = .44
p = .27
d = 0,07
d = 0,11
Perspektivenübernahme
Fürsorglichkeit
Abbildung 3.16 Mittelwertunterschiede zwischen Grundschulkindern mit und ohne Freundschaften zu Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung hinsichtlich ihrer Empathie. Anmerkung. Listenweiser Fallausschluss (N = 509); drei Kinder haben keine Angaben zu ihren Freundschaften mit Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung gemacht. Das Antwortformat der einzelnen Fragebogenskalen reicht von 1 (–) bis 5 (++), wobei 1 »stimmt überhaupt nicht« (–), 2 »stimmt nur teilweise« (-), 3 »unentschieden« (0), 4 »stimmt größtenteils« (+) und 5 »stimmt genau« (++) bedeutet.
128
3 Empirische Studie
Für das Fürsorglichkeitsempfinden und die Fähigkeit, die Perspektiven von Mitschülerinnen und Mitschülern übernehmen zu können, liegen keine statistisch bedeutsamen Unterschiede zwischen Grundschulkindern vor, die mit Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf befreundet sind (M = 3,43; SD = 0,86 vs. M = 3,49; SD = 0,86; t(507) = 0,77; p = .44; d = 0,07) und Kindern, die nicht über solche Freundschaften verfügen (M = 4,20; SD = 0,66 vs. M = 4,27; SD = 0,67; t(507) = 1,10; p = .27; d = 0,11). Für die berechneten Gruppenvergleiche liegen nach Cohen (1992) keine Effekte vor. Die Unterscheidungshypothese HU3b ist daher nicht haltbar und muss zurückgewiesen werden.
3.3.2 Überprüfung der Zusammenhangshypothesen Die Überprüfung der theoretisch angenommenen Zusammenhangshypothesen erfolgt im Rahmen der Berechnung bivariater »Korrelationen« (3.3.2.1) und einer »Strukturgleichungsanalyse« (3.3.2.3). Für die Analyse struktureller Zusammenhänge wird dabei insbesondere vorausgesetzt, dass die betrachteten manifesten Variablen in geeigneter Weise durch die zugrunde liegenden latenten Variablen repräsentiert werden (Kleinke et al., 2017). Zu diesem Zweck wird basierend auf den Ergebnissen der bereits berichteten explorativen Faktorenanalysen und der Reliabilitätsanalysen ergänzend eine »konfirmatorische Faktorenanalyse« (3.3.2.2) durchgeführt, um ein geeignetes Messmodell für die Durchführung der Strukturgleichungsanalyse zu spezifizieren (Kleinke et al., 2017).
3.3.2.1 Korrelationen In Tabelle 3.17 sind die Korrelationen zwischen den latenten Einstellungsskalen mit und ohne Erklärungsansätze für die in der Fallvignette beschriebenen Kinder mit sozial-emotionalem SPF im Überblick dargestellt.
3.3 Ergebnisse
129
Tabelle 3.17 Korrelationen zwischen den latenten Einstellungsskalen mit und ohne Erklärungen Skala
(2)
(3)
(1) Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (ohne Erklärung)
.64***
.63***
(2) Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit soziologischer Erklärung)
.73***
(3) Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit medizinischer Erklärung) Anmerkung. Pearson-Korrelation (bivariat); listenweiser Fallausschluss (N = 512); ***) p ≤ .001.
Anhand der Ergebnisse wird ersichtlich, dass ein starker signifikanter Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung »ohne« eine Erklärung für das Verhalten des Kindes mit SPF und ihren Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF bei zugrunde liegender »soziologischer« (r = .64; p ≤ .001) sowie »medizinischer« Erklärung (r = .63; p ≤ .001) besteht. Die Einstellungen der Grundschulkinder basierend auf den Fallbeschreibungen mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung korrelieren ebenfalls auf einem hoch ausgeprägten Niveau miteinander (r = .73; p ≤ .001). Aufgrund der hohen Korrelationen zwischen den einzelnen Einstellungsskalen mit und ohne Erklärungsansätzen kann vermutet werden, dass den Variablen ein hohes Maß an gemeinsamer Varianz und demzufolge ein Faktor höherer Ordnung zugrunde liegt. Diese Annahme konnte im Rahmen einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (3.3.2.2) bestätigt werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Einstellungen der befragten Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF daher als ein Faktor höherer Ordnung operationalisiert. In Tabelle 3.18 sind die Korrelationen zwischen allen Variablen abgebildet. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass niedrige Zusammenhänge auf höchst signifikantem Niveau zwischen den Einstellungen der befragten Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihrer Fähigkeit, die Perspektiven anderer Kinder übernehmen zu können (r = .17; p ≤ .001), sowie ihrem Fürsorglichkeitsempfinden (r = .28; p ≤ .001) bestehen. Die Einstellungen der an der Untersuchung beteiligten Schülerinnen und Schüler korrelieren darüber hinaus mit ihrem bisherigen Kontakt zu Kindern mit Förderbedarfen (r = .35; p ≤ .001). Die Korrelation ist auf dem 0,1 %-Niveau signifikant. Entgegen der theoretischen Annahme konnte keine signifikante Relation zwischen
130
3 Empirische Studie
den berichteten Einstellungen der Grundschülerinnen und -schüler und ihren sozialen Selbstkonzepten gefunden werden (r = .06; p = .21). Nach Davis (1980, 2018) lässt sich die Empathie in eine affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) und eine kognitive (Perspektivenübernahme) Dimension unterteilen. Trotz der empirisch trennscharfen Abgrenzung in die beiden angenommenen Teilkomponenten konnte bereits in vorausgehenden Untersuchungen gezeigt werden, dass kleine bis mittlere Zusammenhänge zwischen den Empathiedimensionen bestehen und diese nicht als gänzlich unabhängig voneinander zu betrachten sind (Davis, 1980). In der vorliegenden Studie konnte diese Annahme bestätigt werden, indem das Fürsorglichkeitsempfinden und die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme der beteiligten Grundschulkinder auf einem mittleren, aber höchst signifikanten Niveau miteinander korreliert sind (r = .50; p ≤ .001). Darüber hinaus konnten kleine bis mittlere Zusammenhänge zwischen der Perspektivenübernahme der Schülerinnen und Schüler, ihrem bisherigen Kontakt zu Kindern mit SPF (r = .11; p ≤ .05) und ihren sozialen Selbstkonzepten (r = .40; p ≤ .001) gefunden werden. Das Fürsorglichkeitsempfinden der Schülerinnen und Schüler und ihre sozialen Selbstkonzepte weisen einen niedrigen, aber höchst signifikanten Zusammenhang zueinander auf (r = .34; p ≤ .001). Für die Zusammenhänge zwischen den bisherigen Kontakterfahrungen der Grundschulkinder mit Peers mit SPF und ihrem Fürsorglichkeitsempfinden (r = .06; p = .16) sowie ihren sozialen Selbstkonzepten (r = .00; p = .96) liegen keine signifikanten Ergebnisse vor. Tabelle 3.18 Korrelationen zwischen den latenten Variablen Skala
(3)
(4)
(5)
(1) Einstellungen gegenüber Peers mit .17*** SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (Faktor höherer Ordnung)1
.28***
.35***
.06 (p = .21)
(2) Perspektivenübernahme
.50***
.11*
.40***
.06 (p = .16)
.34***
(3) Fürsorglichkeitsempfinden (4) Kontakt zu Peers mit SPF
(2)
.00 (p = .96)
(5) Soziales Selbstkonzept Anmerkung. Pearson-Korrelation (bivariat); listenweiser Fallausschluss (N = 512); *) p ≤ .05; **) p ≤ .01; ***) p ≤ .001; 1) Die Einstellungsskalen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung wurden zu einem Faktor höherer Ordnung zusammengefasst.
3.3 Ergebnisse
131
3.3.2.2 Konfirmatorische Faktorenanalyse In Tabelle 3.19 sind die Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse aufgeführt. Die dargestellten Zuordnungen von manifesten zu latenten Variablen bilden das Messmodell, welches dem zu berechnenden Strukturmodell zugrunde liegt. Insgesamt weist das konfirmatorische Modell gute FitWerte auf (χ2 = 1926,03; df = 1182; χ2/df = 1,63; p ≤ .001; RMSEA = .04; pclose = 1,00; CI [.032–.038]; CFI = .94; TLI = .94; SRMR = .05). Fragebogenitems, die sich im Rahmen der bereits durchgeführten explorativen Faktorenanalysen und der Reliabilitätsanalysen (3.2.4) als ungeeignete Repräsentationen der latenten Variablen erwiesen haben, wurden bei der Durchführung der konfirmatorischen Faktorenanalyse nicht berücksichtigt. Konform zu den Ergebnissen der explorativen Faktorenanalyse lassen sich die drei theoretisch angenommenen Einstellungsskalen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung empirisch trennscharf voneinander abgrenzen. Die einzelnen Fragebogenitems laden dabei mit Koeffizienten von λ = .62–.84 auf den jeweiligen Faktoren. Die berechneten Korrelationen (r = .63–.73; p ≤ .001) zwischen den einzelnen Einstellungsskalen und das Ergebnis der Varianzanalyse4 deuten jedoch darauf hin, dass die Variablen einen hohen Anteil an gemeinsamer Varianz besitzen und ihnen ein Faktor höherer Ordnung zugrunde liegt. Diese Annahme wurde im Rahmen der vorliegenden konfirmatorischen Faktorenanalyse näher untersucht. Hierzu wurde die Zuordnung der Variablen auf einen übergeordneten Faktor modelliert. Aus den Ergebnissen der Analyse geht hervor, dass sich die drei Einstellungsvariablen mit Faktorladungen von λ = .76–.87 einem gemeinsamen Faktor höherer Ordnung zuordnen lassen. Die theoretisch und empirisch angenommene Unterteilung der Empathie in eine affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) und eine kognitive Dimension (Perspektivenübernahme) konnte auch im Rahmen einer konfirmatorischen Faktorenanalyse belegt werden. Mit Ausnahme des Items PERS2, welches sich bereits bei der explorativen Faktorenanalyse und der Reliabilitätsanalyse als ungeeignet für die Skalenbildung erwiesen hat und aus diesem Grund bei
4Im
Rahmen einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung (BonferroniKorrektur) konnten keine signifikanten Mittelwertunterschiede zwischen den drei Einstellungsskalen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten des vorgestellten Kindes mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung gefunden werden (F(1,95; 343,04) = 1,10; p = .33; η2 = .002).
132
3 Empirische Studie
Tabelle 3.19 Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse Variable
λ
S.E.
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (ohne Erklärung) (OHNE1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Julia/Julian neben mir .63*** sitzen würde.
.03
(OHNE2) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian neben mir wohnen würde.
.79***
.01
(OHNE3) Ich würde Julia/Julian ein Geheimnis anvertrauen.
.62***
.03
(OHNE4) Ich würde Julia/Julian zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
.79***
.02
(OHNE5) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian mich zu sich nach Hause einladen würde.
.79***
.02
(OHNE6) In der Pause würde ich gerne mit Julia/Julian spielen.
.84***
.01
(OHNE7) Ich würde mich freuen, wenn Julia/Julian in meine Klasse gehen .79*** würde.
.03
(OHNE8) Ich finde, Julia/Julian sollte im selben Klassenraum wie ich unterrichtet werden.
.78***
.03
(OHNE9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Julia/Julian in der Schule zusammenzuarbeiten.
.79***
.02
(OHNE10) Ich würde Julia/Julian genauso gern mögen wie meine anderen .77*** Freunde.
.02
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit soziologischer Erklärung) (SOZ1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Leonie/Leon neben mir sitzen würde.
.68***
.03
(SOZ2) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon neben mir wohnen würde.
.80***
.03
(SOZ3) Ich würde Leonie/Leon ein Geheimnis anvertrauen.
.62***
.03
(SOZ4) Ich würde Leonie/Leon zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
.79***
.02
(SOZ5) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon mich zu sich nach Hause einladen würde.
.79***
.02
(SOZ6) In der Pause würde ich gerne mit Leonie/Leon spielen.
.82***
.02
(SOZ7) Ich würde mich freuen, wenn Leonie/Leon in meine Klasse gehen .82*** würde.
.03
(SOZ8) Ich finde, Leonie/Leon sollte im selben Klassenraum wie ich unterrichtet werden.
.81***
.02
(SOZ9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Leonie/Leon in der Schule zusammenzuarbeiten.
.79***
.02
(Fortsetzung)
3.3 Ergebnisse
133
Tabelle 3.19 (Fortsetzung) Variable
λ
S.E.
(MED1) Ich würde es nicht schlimm finden, wenn Hanna/Hannes neben mir sitzen würde.
.69***
.04
(MED2) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes neben mir wohnen würde.
.81***
.02
(MED3) Ich würde Hanna/Hannes ein Geheimnis anvertrauen.
.64***
.03
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit medizinischer Erklärung)
(MED4) Ich würde Hanna/Hannes zu meiner Geburtstagsfeier einladen.
.80***
.02
(MED5) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes mich zu sich nach Hause einladen würde.
.78***
.02
(MED6) In der Pause würde ich gerne mit Hanna/Hannes spielen.
.81***
.02
(MED7) Ich würde mich freuen, wenn Hanna/Hannes in meine Klasse gehen würde.
.81***
.02
(MED8) Ich finde, Hanna/Hannes sollte im selben Klassenraum wie ich unterrichtet werden.
.81***
.02
(MED9) Ich würde mich gut dabei fühlen, mit Hanna/Hannes in der Schule .79*** zusammenzuarbeiten.
.02
(MED10) Ich würde Hanna/Hannes genauso gern mögen wie meine anderen Freunde.
.80***
.02
(PERS1) Wenn ich mich über einen Mitschüler ärgere, versuche ich mich auch in seine Lage zu versetzen.
.65***
.04
(PERS3) Bevor ich einen Mitschüler kritisiere, versuche ich mir vorzustellen, wie ich mich an seiner Stelle fühlen würde.
.61***
.04
(PERS4) Ich versuche meine Mitschüler besser zu verstehen, indem ich mich in ihre Lage versetze.
.75***
.04
(PERS5) Wenn ein Mitschüler etwas nicht versteht, versuche ich mich in seine Lage zu versetzen.
.58***
.04
(FUER1) Wenn einem Mitschüler etwas Gutes passiert, freue ich mich für .53*** ihn.
.07
(FUER2) Wenn ein Mitschüler ausgenutzt wird, möchte ich ihm helfen.
.71***
.05
(FUER3) Ich habe Mitgefühl für Mitschüler, denen es nicht so gut geht wie mir.
.61***
.06
Perspektivenübernahme
Fürsorglichkeitsempfinden
(Fortsetzung)
134
3 Empirische Studie
Tabelle 3.19 (Fortsetzung) Variable
λ
S.E.
(FUER4) Wenn ein Mitschüler geärgert wird, möchte ich ihm helfen.
.72***
.04
(FUER5) Wenn ein Mitschüler ausgeschlossen wird, fühle ich mich traurig.
.55***
.04
.75***
.03
(K2) Ich habe schon oft mit jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder .68*** Hanna/Hannes gesprochen.
.04
(K3) Ich habe schon oft mit jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder .82*** Hanna/Hannes gespielt.
.02
(K4) Ich habe schon oft jemanden wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes zu mir nach Hause eingeladen.
.85***
.02
(K5) Ich habe schon oft jemandem wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes ein Geheimnis anvertraut.
.71***
.03
(K6) Ich habe schon oft jemanden wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes zu meiner Geburtstagsfeier eingeladen.
.81***
.02
(K7) Bei mir hat schon oft jemand wie Julia/Julian, Leonie/Leon oder Hanna/Hannes übernachtet.
.62***
.04
Kontakt (K1) Ich habe schon viel Kontakt zu jemandem wie Julia/Julian, Leonie/ Leon oder Hanna/Hannes gehabt.
Soziales Selbstkonzept (SK1) Ich habe viele Freunde.
.72***
.04
(SK2) Ich finde schnell Freunde.
.67***
.05
(SK3) Ich bin beliebt in meiner Klasse.
.61***
.03
(SK4) Ich komme gut mit meinen Mitschülern klar.
.53***
.05
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (ohne Erklärung)
.76***
.04
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit soziologischer Erklärung)
.87***
.04
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (mit medizinischer Erklärung)
.87***
.02
Einstellungen gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung (Faktorenmodell höherer Ordnung)
Anmerkung. χ2 = 1926,03; df = 1182; χ2/df = 1,63; p ≤ .001; RMSEA = .04; pclose = 1,00; CI [.032–.038]; CFI = .94; TLI = .94; SRMR = .05; ***) p ≤ .001.
3.3 Ergebnisse
135
weiterführenden Analysen nicht berücksichtigt wurde, stellen alle manifesten Fragebogenitems geeignete Repräsentationen der latenten Variablen dar und können den theoretisch angenommenen Faktoren zugeordnet werden (λ = .53– .76). Wie bereits im Rahmen der explorativen Faktorenanalyse gezeigt werden konnte, laden auch in der konfirmatorischen Faktorenanalyse die manifesten Kontakt- und Selbstkonzeptitems auf den jeweils theoretisch angenommenen latenten Faktor (Kontakt: λ = .62–.85; soziales Selbstkonzept: λ = .53–.72).
3.3.2.3 Strukturgleichungsanalyse Das in Mplus 7 (Muthén & Muthén, 1998–2012) berechnete Strukturgleichungsmodell (Abbildung 3.17) weist insgesamt eine gute Passung zu dem theoretisch angenommenen Modell auf (χ2 = 1921,59; df = 1181; χ2/df = 1,63; p ≤ .001; RMSEA = .04; pclose = 1,00; CI [.032–.038]; CFI = .95; TLI = .94; SRMR = .05).
Abbildung 3.17 Empirisches Strukturgleichungsmodell (eigene Darstellung).
Eine gute Modellpassung liegt vor, wenn der Quotient χ2/df einen Wert ≤ 2 aufweist (Schermelleh-Engel et al., 2003). Für das vorliegende Modell konnte ein Wert von 1,63 ermittelt werden, welcher auf eine zufriedenstellende Passung der Kovarianzmatrizen des theoretisch angenommenen und des empirischen
136
3 Empirische Studie
Strukturgleichungsmodells hindeutet (χ2/df = 1,63). Das erreichte Signifikanzniveau ≤ .001 in Bezug auf den χ2-Differenztest sollte vor dem Hintergrund der vorliegenden Stichprobengröße von N = 512 befragten Grundschulkindern nicht überinterpretiert werden, da der χ2-Differenztest bei großen Stichproben zu signifikanten Ergebnissen und zur Ablehnung der Nullhypothese führen kann (Weiber & Mühlhaus, 2014). Um die Eignung eines empirischen Strukturgleichungsmodells weitergehend beurteilen zu können, sollten neben dem χ2-Differenztest noch weitere Gütemaßstäbe berücksichtigt werden. Aus diesem Grund wurden für das vorgestellte Strukturgleichungsmodell zusätzlich der RMSEA (»Root Mean Square Error of Approximation«), der CFI (»Comparative Fit Index«), der TLI (»Tucker-Lewis Index«) und der SRMR (»Standardized Root Mean square Residual«) berechnet. Der ermittelte RMSEA = .04 lässt sich mit einem Wert unterhalb des festgelegten Cutoff-Kriteriums von ≤ .05 (Hu & Bentler, 1999) dahingehend interpretieren, dass das empirische und das theoretisch angenommene Strukturgleichungsmodell eine gute Passung zueinander aufweisen. Die Nullhypothese, dass der vorgegebene Wert von .05 überschritten wird, kann mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 100 % abgelehnt werden (pclose = 1,00; CI [.032–.038]). Die Eignung des empirischen Strukturmodells kann zudem durch einen CFI = .95 und einen TLI = .94 oberhalb der vorgegebenen Toleranzgrenze von .90 bestätigt werden (Weiber & Mühlhaus, 2014). Der SRMR deutet mit einem Wert von .05 ebenfalls auf eine gute Anpassung von hypothetischem und empirischem Modell hin (Weiber & Mühlhaus, 2014). Das berechnete Strukturgleichungsmodell erweist sich somit als geeignet, um die angenommenen Zusammenhangshypothesen empirisch zu überprüfen. In der Zusammenhangshypothese HZ1 wird angenommen, dass sich die Einstellungen der beteiligten Grundschülerinnen und -schüler gegenüber Kindern mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung signifikant durch ihren bisherigen Kontakt zu Peers mit sozial-emotionalem SPF, ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) und ihr soziales Selbstkonzept erklären lassen. In Abbildung 3.18 sind die ermittelten Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung hervorgehoben. Wie bereits anhand der Korrelationen gezeigt werden konnte, besteht zwischen den Einstellungen der Kinder und ihrem sozialen Selbstkonzept kein signifikanter Zusammenhang. Der entsprechende Pfad wurde daher nicht im Strukturmodell spezifiziert.
3.3 Ergebnisse
137
Abbildung 3.18 Empirisches Strukturgleichungsmodell – Erklärungsfaktoren für die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (eigene Darstellung).
Aus den Ergebnissen der Strukturgleichungsanalyse geht hervor, dass die Einstellungen der an der Untersuchung beteiligten Grundschulkinder gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sowohl durch ihre bisherigen Kontakterfahrungen mit Kindern mit SPF (β = .38; p ≤ .001) als auch durch ihr Fürsorglichkeitsempfinden (β = .32; p ≤ .001) erklärt werden können. Entgegen der theoretischen Annahme stellen die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme (β = –.09; p = .23) und das soziale Selbstkonzept der Kinder keine signifikanten Prädiktoren für ihre Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF dar. Die bisherigen Kontakterfahrungen und das Fürsorglichkeitsempfinden klären gemeinsam 32 % der Varianz in den Einstellungen der befragten Kinder gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung auf. Die Zusammenhangshypothese HZ1 kann nur zu Teilen bestätigt werden.
138
3 Empirische Studie
Abbildung 3.19 Empirisches Strukturgleichungsmodell – Erklärungsfaktoren für die Perspektivenübernahme von Grundschulkindern (eigene Darstellung).
Im Weiteren wurde die Zusammenhangshypothese HZ2a untersucht, in der aufgrund des theoretischen und empirischen Hintergrunds davon ausgegangen wird, dass das soziale Selbstkonzept und der bisherige Kontakt signifikante Prädiktoren für die Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) der Grundschülerinnen und -schüler darstellen. Darüber hinaus wurde angenommen, dass das Fürsorglichkeitsempfinden der beteiligten Kinder signifikant durch ihre Perspektivenübernahme erklärt werden kann (Zusammenhangshypothese HZ2b). Im Rahmen der Strukturgleichungsanalyse konnte diesbezüglich nachgewiesen werden, dass das soziale Selbstkonzept der Grundschulkinder für ihre Fähigkeit, die Perspektiven von Kindern mit sozial-emotionalem SPF übernehmen zu können (β = .54; p ≤ .001), prädiktiv ist. Das soziale Selbstkonzept klärt dabei 34 % der Varianz in Bezug auf die Perspektivenübernahme der Schülerinnen und Schüler auf (Abbildung 3.19). Zwischen dem bisherigen Kontakt und der Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) bestehen keine signifikanten Zusammenhänge.
3.3 Ergebnisse
139
Abbildung 3.20 Empirisches Strukturgleichungsmodell – Erklärungsfaktoren für das Fürsorglichkeitsempfinden von Grundschulkindern & Mediation des Effekts vom sozialen Selbstkonzept auf das Fürsorglichkeitsempfinden durch die Perspektivenübernahme (eigene Darstellung).
Das Fürsorglichkeitsempfinden der Schülerinnen und Schüler kann mit einer aufgeklärten Varianz von 43 % durch das soziale Selbstkonzept (β = .17; p ≤ .01) und die Perspektivenübernahme (β = .52; p ≤ .001) erklärt werden (Abbildung 3.20). Die Zusammenhangshypothese HZ2a kann nur zu Teilen bestätigt werden. HZ2b kann vollständig angenommen werden. Zur Überprüfung der Forschungshypothese HZ2d wurden die Zusammenhänge zwischen dem sozialen Selbstkonzept, der Perspektivenübernahme und dem Fürsorglichkeitsempfinden im Detail betrachtet. Dabei wird vor dem dargestellten theoretischen Hintergrund (Davis, 2018) davon ausgegangen, dass die kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie einen signifikanten Mediator in Bezug auf den Effekt vom sozialen Selbstkonzept auf die affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) Empathie darstellt. Erwartungskonform konnte nachgewiesen werden, dass für den ermittelten Zusammenhang zwischen dem sozialen Selbstkonzept der Kinder und ihrem Fürsorglichkeitsempfinden ein partieller Mediatoreffekt vorliegt. Demnach wird der Effekt vom sozialen Selbstkonzept der an der Studie beteiligten Grundschulkinder auf ihr Fürsorglichkeitsempfinden vermittelt durch ihre Fähigkeit, die
140
3 Empirische Studie
Perspektiven anderer Kinder zu übernehmen (βindirekt = .28; p ≤ .001; βtotal = .45; p ≤ .001). Somit kann die Zusammenhangshypothese HZ2d angenommen werden. Zuletzt wurde der Frage nachgegangen, auf welche Weise die Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) den Zusammenhang zwischen den bisherigen Kontakterfahrungen mit Peers mit sozial-emotionalem SPF und den Einstellungen gegenüber Kindern mit diesem Förderbedarf mediiert (Zusammenhangshypothese HZ2c). Anhand der berechneten Korrelationen (3.3.2.1) wird hierbei bereits ersichtlich, dass zwischen dem Kontakt und dem Fürsorglichkeitsempfinden kein signifikanter Zusammenhang besteht und die Hypothese für die affektive Empathie nicht aufrechterhalten werden kann. Auch für die kognitive Empathie muss die angenommene Hypothese verworfen werden, da weder direkte signifikante Pfade zwischen dem Kontakt und der Perspektivenübernahme noch zwischen der Perspektivenübernahme und den Einstellungen bestehen. Demzufolge liegt keine Mediation oder ein indirekter Effekt vor. Die Zusammenhangshypothese HZ2c muss demzufolge vollständig abgelehnt werden. Dennoch konnten über die eigentliche Hypothesenprüfung hinaus weitere indirekte Effekte gefunden werden (Abbildung 3.21).
Abbildung 3.21 Empirisches Strukturgleichungsmodell – Indirekter Effekt vom sozialen Selbstkonzept auf die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung über die Perspektivenübernahme und das Fürsorglichkeitsempfinden (eigene Darstellung).
3.3 Ergebnisse
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So besteht beispielsweise ein schwacher, aber signifikanter indirekter Effekt vom sozialen Selbstkonzept auf die Einstellungen der Grundschülerinnen und -schüler gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung über ihre Perspektivenübernahme und ihr Fürsorglichkeitsempfinden (βindirekt = .09; p ≤ .001). Da zwischen dem Selbstkonzept und den Einstellungen sowie zwischen der Perspektivenübernahme und den Einstellungen keine direkten Effekte gefunden werden konnten, liegt auch kein Mediatoreffekt vor (Holmbeck, 1997). Ein indirekter Effekt liegt zudem für den Zusammenhang zwischen der Perspektivenübernahme und den Einstellungen der Grundschülerinnen und -schüler über ihr Fürsorglichkeitsempfinden vor (Abbildung 3.22): βindirekt = .06; p ≤ .05. Auch hierbei handelt es sich nicht um einen Mediatoreffekt im eigentlichen Sinn, da zwischen der Perspektivenübernahme und den Einstellungen der beteiligten Grundschulkinder kein direkter Zusammenhang besteht. Ein direkter Effekt von der Perspektivenübernahme auf die Einstellungen ist auch dann nicht zu finden, wenn das Fürsorglichkeitsempfinden aus dem Strukturgleichungsmodell ausgeschlossen wird.
Abbildung 3.22 Empirisches Strukturgleichungsmodell – Indirekter Effekt von der Perspektivenübernahme auf die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung über das Fürsorglichkeitsempfinden (eigene Darstellung).
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3 Empirische Studie
Zuletzt konnte ein indirekter Effekt für den Zusammenhang zwischen dem sozialen Selbstkonzept der befragten Schülerinnen und Schüler und ihren Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF über ihr Fürsorglichkeitsempfinden gefunden werden (βindirekt = .17; p ≤ .001). Das zugehörige Strukturgleichungsmodell ist in Abbildung 3.23 dargestellt. Selbst bei Entfernung der Variable »Fürsorglichkeitsempfinden« liegt kein signifikanter direkter Zusammenhang zwischen dem Selbstkonzept und den Einstellungen der Kinder gegenüber Peers mit emotionalem und sozialem Förderbedarf vor, sodass nach Holmbeck (1997) lediglich ein indirekter Effekt, aber kein Mediatoreffekt vorhanden ist.
Abbildung 3.23 Empirisches Strukturgleichungsmodell – Indirekter Effekt vom sozialen Selbstkonzept auf die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung über das Fürsorglichkeitsempfinden (eigene Darstellung).
Die berichteten Forschungsergebnisse werden im folgenden Abschnitt (3.3.3) abschließend zusammengefasst und vor dem eingangs beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund (2) diskutiert.
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3.3.3 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse In der vorliegenden Forschungsarbeit wurden drei zentrale Ziele verfolgt. Übergeordnet wurde der Frage nachgegangen, ob sich die Einstellungen von Grundschülerinnen und -schülern gegenüber ihren Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung durch ihre Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden), ihren bisherigen Kontakt zu Peers mit s ozialemotionalem SPF sowie ihr soziales Selbstkonzept erklären lassen. Ein weiteres Forschungsinteresse bestand darin, die Unterschiede in den Einstellungsausprägungen der beteiligten Schülerinnen und Schüler in Abhängigkeit von Fallbeschreibungen mit und ohne Erklärungen für das Verhalten eines präsentierten Kindes mit einem SPF in der emotionalen und sozialen Entwicklung zu untersuchen. Zuletzt wurde im Rahmen der hier vorgestellten empirischen Studie näher in den Blick genommen, ob und inwiefern sich die befragten Grundschulkinder hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihrer Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) unter geschlechtsspezifischem Gesichtspunkt sowie bezüglich ihrer Freundschaften zu Peers mit emotionalem und sozialem Förderbedarf voneinander unterscheiden. Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden N = 512 Kinder aus dritten und vierten Grundschulklassen in Nordrhein-Westfalen darum gebeten, ihre Einstellungen gegenüber fiktiven Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung anhand von Fallbeschreibungen einzuschätzen. Die verwendeten Fallvignetten unterscheiden sich dahingehend voneinander, dass den beteiligten Schülerinnen und Schülern in einer Vignette lediglich das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem SPF im Unterricht beschrieben wird, während ihnen in den übrigen Fallbeschreibungen soziologische oder medizinische Erklärungen für das Verhalten dieses Kindes vorgelegt werden. Die Fallbeschreibungen, die den Grundschulkindern jeweils vor der Beantwortung der Fragebogenitems präsentiert wurden, stammen aus empirischen Untersuchungen von Schwab (2015) und von De Boer et al. (2014). Die Erfassung der Einstellungen erfolgte mithilfe einer angepassten Version der CATCH-Skala von Rosenbaum et al. (1986) bzw. deren Kurversion von Bossaert und Petry (2013). Darüber hinaus wurden die Grundschülerinnen und -schüler im Rahmen der vorliegenden Studie darum gebeten, ihre Empathie anhand von kindgerecht aufbereiteten Fragebogenitems aus dem »Interpersonal Reactivity Index« (IRI) von Davis (1980) einzuschätzen. Hierbei sollten sie insbesondere Auskunft über ihre kognitive (Perspektivenübernahme) und affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) Empathie geben. Der bisherige Kontakt der Schülerinnen und Schüler wurde
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3 Empirische Studie
mithilfe von Kontaktitems erhoben, die auf der Grundlage der CATCH-Skala (Rosenbaum et al., 1986) entwickelt wurden. Zur Erfassung des sozialen Selbstkonzepts der Kinder konnten Fragebogenitems aus einer Studie von Avramidis (2013) adaptiert werden. Die Güte der eingesetzten Messinstrumente wurde vorab im Rahmen von explorativen und konfirmatorischen Faktorenanalysen, Reliabilitätsanalysen sowie multiplen Gruppenvergleichen überprüft. Aus den Ergebnissen der Faktoren- und Reliabilitätsanalysen geht hervor, dass es sich bei allen Fragebogenskalen um valide und reliable Messinstrumente zur Erfassung der latenten Konstrukte handelt. Lediglich für die eingesetzten Empathieskalen (Perspektivenübernahme: α = .74; Fürsorglichkeitsempfinden: α = .75) und die Skala zum sozialen Selbstkonzept (α = .72) konnten nach Döring und Bortz (2016) vergleichsweise niedrig ausgeprägte interne Konsistenzen gefunden werden. Unter Berücksichtigung der Kriterien für das Cronbachs α nach George und Mallery (2012, S. 251) konnten die Skalen allerdings als ausreichend reliabel eingeschätzt werden, um im Rahmen der vorliegenden Studie in geeigneter Weise eingesetzt zu werden. Bei dem Einsatz der Messinstrumente in weiterführenden Untersuchungen sollte jedoch der Frage nachgegangen werden, inwiefern die internen Konsistenzen der Empathieskalen und der Selbstkonzeptskala noch verbessert werden können. Der ursprüngliche IRI-Fragebogen wurde von Davis (1980) zur Erfassung der Empathie von Universitätsstudierenden entwickelt und in der vorliegenden Untersuchung für den Einsatz bei Grundschülerinnen und -schülern sprachlich angepasst. Trotz der sprachlichen Vereinfachungen wird deutlich, dass den Schülerinnen und Schülern die Beantwortung der kognitiven Empathieitems schwerer gefallen ist als die Beantwortung der affektiven Items (Tabelle 3.8). Nach Hoffman (1984) handelt es sich bei der Perspektivenübernahme um einen komplexen kognitiven Prozess, der sich erst im späten Kindesalter und/oder in der Jugend entwickelt. So kann vermutet werden, dass die Fähigkeit, die Perspektiven einer anderen Person übernehmen zu können, noch nicht bei allen befragten Kindern ausgeprägt ist. Für die Verwendung der Skalen in weiterführenden Studien sollten die Itemwortlaute daher überprüft und gegebenenfalls weiter an die sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten von Grundschulkindern angepasst werden, um eine zuverlässige Erfassung der Empathie zu gewährleisten. Auch in Bezug auf die Selbstkonzeptskala wäre es denkbar, die eher allgemein formulierten Items in weiterführenden Untersuchungen dahingehend abzuändern, dass mit ihrer Hilfe gezielt die Selbstkonzepte von Kindern in Spielund Lernsituationen im inklusiven Unterricht erfasst werden können. In einem weiteren Schritt wurden die Einstellungsskalen basierend auf den Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer«
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Erklärung im Rahmen eines multiplen Gruppenvergleichs auf Messinvarianz überprüft. Mit dem Vorliegen von Messinvarianz wird sichergestellt, dass den Erhebungsinstrumenten jeweils der gleiche Maßstab zugrunde liegt (Temme & Hildebrandt, 2008). Für die verwendeten Einstellungsskalen in Abhängigkeit der Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung konnte in der vorliegenden Studie skalare (bzw. starke faktorielle) Messinvarianz nachgewiesen werden. Diese Form der Messinvarianz ist notwendig, um die latenten Einstellungsmittelwerte in geeigneter Weise miteinander vergleichen und interpretieren zu können (Weiber & Mühlhaus, 2014). Im Rahmen explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalysen, Reliabilitätsanalysen sowie eines multiplen Gruppenvergleichs konnte somit gezeigt werden, dass die verwendeten Messinstrumente dazu geeignet sind, die latenten Konstrukte auf angemessene Weise erfassen und die erhobenen Daten hinsichtlich der theoretisch sowie empirisch angenommenen Forschungshypothesen analysieren zu können. Zur Überprüfung der ersten Unterscheidungshypothese HU1 wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung durchgeführt. Aus den Ergebnissen der Analyse geht hervor, dass keine Unterschiede zwischen den Einstellungen der befragten Grundschülerinnen und -schüler gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung bei zugrunde liegenden Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten des beschriebenen Kindes mit sozial-emotionalem Förderbedarf vorliegen. Die ermittelten Befunde stehen damit im Widerspruch zu den Forschungsergebnissen aus einer Untersuchung von Campbell (2007), der seinerseits nachweisen konnte, dass Kinder und Jugendliche, denen im Rahmen einer Intervention mehr Wissen über den Förderbedarf Autismus in Form beschreibender und erklärender Elemente vermittelt wurde, in der Folge positiver gegenüber Menschen mit Autismus eingestellt sind als Kinder und Jugendliche, denen lediglich Beschreibungen oder Erklärungen für autistisches Verhalten präsentiert wurden. Die angenommene Unterscheidungshypothese HU1 muss für den untersuchten Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung auf der Grundlage des bestehenden theoretischen und empirischen Hintergrunds somit abgelehnt werden. Möglicherweise kann der erwartungswidrige Befund auf die methodische Anlage der eigenen Studie zurückgeführt werden. So wurden den Grundschülerinnen und -schülern im Rahmen der Untersuchung die drei Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung im Fragebogen unmittelbar hintereinander präsentiert und sie in kurzer zeitlicher Abfolge darum gebeten, ihre Einstellungen gegenüber den beschriebenen Kindern mit sozial-emotionalem SPF zu konkretisieren. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass
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3 Empirische Studie
die Fallbeschreibungen aufgrund des hohen Umfangs und Informationsgehalts nicht sorgfältig gelesen und die Fragebogenitems ohne Berücksichtigung der jeweiligen Fallbeschreibung mit und ohne Erklärung beantwortet wurden. Denkbar wäre auch, dass die Schülerinnen und Schüler der eher negativ konnotierten Verhaltensbeschreibung (»Julia/Julian ist neu in der Stadt und besucht dieselbe Schulklasse wie du. Julia/Julian ist im Unterricht oft unruhig, zappelig und leicht abzulenken. Den Anweisungen der Lehrer folgt sie/er oft nicht.«) einen höheren Stellenwert beigemessen haben als der beigefügten Erklärung und ihre Antworten daher vordergründig auf dieser Basis getroffen haben. In weiterführenden Untersuchungen sollte daher überlegt werden, die einführende Beschreibung zu variieren und/oder positiver zu formulieren. In Anlehnung an die Studie von Campbell (2007) könnte das methodische Vorgehen auch dahingehend abgeändert werden, dass den Grundschülerinnen und -schülern das Verhalten eines Kindes mit sozial-emotionalem SPF einleitend anhand eines Videos präsentiert wird. Demnach bieten reale (»in vivo«) und »quasi«-reale Kontakterfahrungen (z. B. in Form von Videos) mit einer Person mit SPF ein höheres Identifikationspotenzial (z. B. durch gemeinsame Interessen) und können Einstellungsveränderungen positiv begünstigen (Morton & Campbell, 2008). Im Weiteren wurde in der vorliegenden Studie genauer untersucht, ob Unterschiede in Bezug auf die Einstellungen gegenüber Peers mit einem sozial-emotionalen Förderbedarf und die Empathie (Perspektivenübernahme/ Fürsorglichkeitsempfinden) zwischen Grundschülerinnen und -schülern einerseits sowie zwischen Kindern mit und ohne Freundschaften zu Peers mit s ozialemotionalem SPF andererseits bestehen. Zur Überprüfung der angenommenen Unterscheidungshypothesen wurden die Mittelwerte der einzelnen Gruppen im Rahmen von t-Tests miteinander verglichen. In einem ersten Schritt wurden zunächst die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen hinsichtlich ihrer Einstellungen gegenüber Peers mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung in den Blick genommen (Unterscheidungshypothese HU2a). Annahmekonform zu den gegenwärtig vorliegenden empirischen Befunden (z. B. De Boer, Pijl, Post, et al., 2012; Hellmich et al., 2017; Schwab, 2015) belegen die ermittelten Forschungsergebnisse, dass die Mädchen signifikant positiver gegenüber ihren Peers mit sozial-emotionalem SPF eingestellt sind als die Jungen. Der Befund ist sowohl für die Einstellungen der befragten Schülerinnen und Schüler bei zugrunde liegenden Fallbeschreibungen mit »soziologischer« und »medizinischer« Erklärung als auch »ohne« Erklärung für das Verhalten des beschriebenen Kindes mit sozial-emotionalem Förderbedarf evident. Die angenommene Unterscheidungshypothese (HU2a) kann damit vollständig bestätigt werden. In einem zweiten Schritt wurde unter geschlechtsspezifischem Aspekt
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untersucht, ob sich Mädchen und Jungen bezüglich ihrer affektiven (Fürsorglichkeitsempfinden) und kognitiven (Perspektivenübernahme) Empathie voneinander unterscheiden (Unterscheidungshypothese HU2b). Zu diesem Zweck wurden die beteiligten Grundschülerinnen und -schüler um Selbsteinschätzungen ihres Fürsorglichkeitsempfindens und ihrer Perspektivenübernahme gebeten. Anhand der Ergebnisse der durchgeführten t-Testungen wird ersichtlich, dass sich die beteiligten Mädchen signifikant fürsorglicher einschätzen und angegeben haben, die Perspektiven ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler signifikant besser übernehmen zu können als die Jungen. Die ermittelten Forschungsergebnisse decken sich erwartungsgemäß mit den Befunden aus aktuellen empirischen Studien (z. B. Bengtsson & Arvidsson, 2011; De Minzi, 2013; Garaigordobil, 2009; Light et al., 2009), in denen ebenfalls höhere Empathiewerte zugunsten der Mädchen gefunden werden konnten. Die Unterscheidungshypothese HU2b kann aufgrund der ermittelten Befunde ebenfalls vollständig bestätigt werden. Darüber hinaus wurden in der vorliegenden Forschungsarbeit Unterschiede in den Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF von Grundschulkindern untersucht, die (nicht) mit einem Kind mit sozial-emotionalem SPF befreundet sind. Bei den Freundschaften zwischen Kindern mit und ohne SPF handelt es sich nach Vignes et al. (2009) um eine besondere Form des Kontakts, die sich durch eine hohe Qualität auszeichnet. Vignes et al. (2008) konnten in einer empirischen Studie zeigen, dass bestehende Freundschaften von Kindern und Jugendlichen mit Peers mit SPF einen bedeutsamen Prädiktor für ihre Einstellungen gegenüber Peers mit SPF darstellen. Für die eigene Arbeit wird auf der Grundlage dieses empirischen Befunds angenommen, dass Grundschülerinnen und -schüler, die mit einem Kind mit sozial-emotionalem SPF befreundet sind, auch im Allgemeinen positivere Einstellungen gegenüber Peers mit diesem Förderbedarf haben als Schülerinnen und Schüler ohne solche Freundschaften (Unterscheidungshypothese HU3a). Die angenommene Forschungshypothese HU3a kann auf der Grundlage der Schülerinnen- und Schüleraussagen annahmekonform bestätigt werden, sodass diejenigen Kinder, die bei der Beantwortung des Fragebogens angegeben haben, mit einem Peer mit sozial-emotionalem SPF befreundet zu sein, auch signifikant positiver gegenüber Peers mit diesem Förderbedarf eingestellt sind als Kinder ohne solche Freundschaften. Das Ergebnis ist für alle eingesetzten Einstellungsskalen evident. Die Unterscheidungshypothese HU3b, in der angenommen wird, dass Grundschülerinnen und -schüler signifikant fürsorglicher sind und die Perspektiven von Mitschülerinnen und -schülern besser übernehmen können, wenn sie über Freundschaften zu Peers mit SPF verfügen, muss jedoch zurückgewiesen werden. Demnach bestehen keine Unterschiede hinsichtlich des Fürsorglich-
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keitsempfindens und der Perspektivenübernahme zwischen befragten Grundschulkindern, die mit Peers mit SPF befreundet sind und Kindern ohne Freundschaften. Die ermittelten Forschungsergebnisse erweisen sich damit als erwartungswidrig zur gegenwärtigen Befundlage (Armstrong et al., 2016; Johnston & Glasford, 2018; Mavropoulou & Sideridis, 2014). Zur Überprüfung der aufgestellten Zusammenhangshypothesen wurden in einem ersten Schritt die wechselseitigen Korrelationen zwischen den latenten Variablen betrachtet. Auf diese Weise konnten erste Beziehungsstrukturen zwischen den Variablen sichtbar gemacht werden. Dabei zeigte sich insbesondere, dass zwischen den Einstellungen der Grundschülerinnen und -schüler gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF bei zugrunde liegenden Fallbeschreibungen »ohne«, mit »soziologischer« und mit »medizinischer« Erklärung für das Verhalten des dargestellten Kindes mit SPF starke Zusammenhänge auf höchst signifikantem Niveau bestehen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der Varianzanalyse, in der gezeigt werden konnte, dass keine signifikanten Einstellungsunterschiede in Abhängigkeit der unterschiedlichen Fallbeschreibungen bestehen, liegt die Vermutung nahe, dass die Variablen ein hohes Maß an gemeinsamer Varianz aufweisen und ihnen demzufolge ein Faktor höherer Ordnung zugrunde liegt. Diese Annahme konnte im Rahmen einer konfirmatorischen Faktorenanalyse bestätigt werden. Die einzelnen Einstellungsskalen wurden vor diesem Hintergrund zu einem übergeordneten Faktor zusammengefasst. Bei der weiteren Datenanalyse wurde stets dieser Generalfaktor berücksichtigt. Darüber hinaus konnte im Rahmen der Korrelationsanalyse erwartungskonform nachgewiesen werden, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Einstellungen der befragten Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozialemotionalem SPF, ihrer affektiven (Fürsorglichkeitsempfinden) und kognitiven (Perspektivenübernahme) Empathie (Armstrong et al., 2016) sowie ihrem bisherigen Kontakt zu Peers mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung (z. B. Armstrong et al., 2017; Hellmich & Loeper, 2018; MacMillan et al., 2014; Schwab, 2017) besteht. Entgegen der Annahme konnte keine signifikante Korrelation zwischen den Einstellungen und dem sozialen Selbstkonzept der Schülerinnen und Schüler gefunden werden. Auf der Grundlage einer Studie von Hellmich und Loeper (2018), in der ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen den Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen nachgewiesen werden konnte, wurde für das eigene Forschungsvorhaben vermutet, dass aufgrund der inhaltlichen Nähe der beiden Konstrukte (Moschner & Dickhäuser, 2018) auch ein Zusammenhang zwischen den Einstellungen und dem
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sozialen Selbstkonzept besteht. Die Annahme konnte jedoch nicht bestätigt werden. Ein entsprechender Pfad im Strukturmodell wurde deshalb nicht bestimmt. Im Gegensatz zu der Studie von Hellmich und Loeper (2018), in der die Erfassung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen von Grundschülerinnen und -schülern für spezifische soziale Interaktionen mit Peers mit sozial-emotionalem SPF und im Bereich Lernen im inklusiven Grundschulunterricht erfolgte, wurde das soziale Selbstkonzept der Kinder in der vorliegenden Studie eher allgemein erfasst. Möglicherweise ist der fehlende Zusammenhang darauf zurückzuführen, dass die beteiligten Kinder keine inhaltliche Relation zwischen ihren allgemeinen sozialen Fähigkeiten und ihren konkreten Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF erkannt haben. Für den Einsatz in weiterführenden Untersuchungen sollten die Fragebogenitems zum sozialen Selbstkonzept daher auf konkrete soziale Situationen zwischen Kindern mit und ohne SPF im gemeinsamen Grundschulunterricht bezogen werden. Denkbar wären z. B. spezifische Situationsbeschreibungen oder Szenarien aus dem inklusiven Unterricht, die den Kindern vor der Beantwortung der Fragebogenaussagen in schriftlicher Form oder anhand von Videovignetten präsentiert werden. Auf diese Weise könnte gewährleistet werden, dass die Grundschülerinnen und -schüler tatsächlich ihre sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Kindern mit sozial-emotionalem SPF einschätzen. Aus den Ergebnissen der Zusammenhangsanalyse geht zudem hervor, dass eine statistisch bedeutsame Korrelation zwischen der Perspektivenübernahme und dem Fürsorglichkeitsempfinden besteht. Dieser Befund ist konform zu dem Ergebnis aus einer Studie von Davis (1980), der zeigen konnte, dass die affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) und kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie zwar faktorenanalytisch trennscharf voneinander abgegrenzt werden können, aber dennoch eine statistisch signifikante Relation zwischen den beiden Dimensionen besteht. Entgegen der theoretischen Annahme konnte zwischen dem Fürsorglichkeitsempfinden der beteiligten Grundschulkinder und ihrem bisherigen Kontakt zu Peers mit sozial-emotionalem SPF kein signifikanter Zusammenhang gefunden werden. Der Befund erweist sich somit als erwartungswidrig zur gegenwärtig vorliegenden Befundlage (z. B. Armstrong et al., 2016; Johnston & Glasford, 2018; Mavropoulou & Sideridis, 2014), aus der hervorgeht, dass signifikante Zusammenhänge zwischen der Empathie und dem Kontakt bestehen bzw. die Empathie den Effekt bisheriger Kontakterfahrungen auf die Einstellungen gegenüber Menschen mit SPF signifikant mediiert. Möglicherweise kann der erwartungswidrige Befund dadurch erklärt werden, dass die Untersuchung an Grundschulen durchgeführt wurde, die zum Zeitpunkt der Erhebung keinen
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inklusiven Unterricht umgesetzt haben. Demnach haben die Schülerinnen und Schüler bisher keine oder nur wenige Gelegenheiten bekommen, um mit Peers mit SPF sozial zu interagieren und sich diesen Kindern gegenüber fürsorglich zu verhalten. Abschließend konnte der Befund aus einer empirischen Studie von Garaigordobil (2009) mit N = 313 Kindern zwischen 10–14 Jahren bestätigt werden, wonach ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Empathie und dem Selbstkonzept der beteiligten Schülerinnen und Schüler besteht. Um die komplexen Beziehungen zwischen den latenten Konstrukten in geeigneter Weise empirisch überprüfen zu können, wurde im Rahmen dieser Forschungsarbeit eine Strukturgleichungsanalyse in Mplus 7 (Muthén & Muthén, 1998-2012) basierend auf dem theoretischen Modell der Empathie nach Davis (2018) durchgeführt. Das entsprechende Modell ist in Abbildung 3.17 dargestellt. Die ermittelten Fit-Werte deuten auf eine geeignete Passung zwischen dem theoretisch angenommenen Modell und den empirischen Daten hin. Aus den Ergebnissen der Strukturgleichungsanalyse geht annahmekonform hervor, dass sich die Einstellungen der beteiligten Grundschulkinder gegenüber Peers mit einem sozial-emotionalen SPF signifikant durch ihren bisherigen Kontakt zu Peers mit SPF (z. B. Armstrong et al., 2017; Hellmich & Loeper, 2018; MacMillan et al., 2014; Schwab, 2017) und durch ihre affektive Empathie (Fürsorglichkeitsempfinden) erklären lassen (Armstrong et al., 2016; Davis, 2018). Entgegen der theoretischen Annahme, dass auch die kognitive Empathie (Perspektivenübernahme) einen signifikanten Prädiktor für die Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf darstellt, konnte im vorliegenden Modell kein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen den beiden Variablen gefunden werden. Der Befund widerspricht somit den theoretischen Überlegungen von Davis (2018) und den Ergebnissen aus einer Studie von Armstrong et al. (2016). Denkbar wäre in diesem Zusammenhang, dass sich der unerwartete Befund damit erklären lässt, dass die beteiligten Grundschülerinnen und -schüler noch nicht die komplexen kognitiven Fähigkeiten ausgebildet haben, die notwendig sind, um die Perspektiven eines Peers mit sozial-emotionalem SPF umfassend übernehmen (Hoffman, 1984) und die sozialen Schwierigkeiten, welche dieses Kind in der Klassengemeinschaft erfährt, nachvollziehen zu können. Demzufolge fehlt den Kindern womöglich noch die kognitive Grundlage, auf der sich positive Einstellungen gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF entwickeln (Rosenberg & Hovland, 1960). Der ursprünglich angenommene Zusammenhang zwischen den Einstellungen der befragten Grundschulkinder gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihrem sozialen Selbstkonzept musste bereits aufgrund einer nicht signifikanten Korrelation zwischen den Variablen zurückgewiesen werden (vgl.
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3.3.2.1). Ein entsprechender Pfad wurde aus diesem Grund im Strukturmodell nicht spezifiziert. Die angenommene Zusammenhangshypothese HZ1 kann somit nur zu Teilen bestätigt werden. Weiterhin zeigt sich anhand der Ergebnisse der Strukturgleichungsanalyse wie erwartet, dass das soziale Selbstkonzept der Grundschülerinnen und -schüler sowohl für ihre affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) als auch kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie prädiktiv ist. Das Ergebnis ist damit konsistent zu den Befunden aus einer Untersuchung von Garaigordobil (2009), in der für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10–14 Jahren ein mittlerer signifikanter Zusammenhang zwischen dem sozialen Selbstkonzept und der Empathie nachgewiesen werden konnte und den theoretischen Annahmen von Davis (2018), demzufolge individuelle Unterschiede (z. B. das soziale Selbstkonzept) einen wesentlichen Erklärungsfaktor für die affektive (Fürsorglichkeitsempfinden) und kognitive (Perspektivenübernahme) Empathie darstellen. Entgegen der Erwartung lassen sich das Fürsorglichkeitsempfinden und die Perspektivenübernahme der befragten Kinder nicht durch ihre bisherigen Kontakterfahrungen mit Peers mit sozial-emotionalem SPF erklären. Da die Untersuchung in Schulen durchgeführt wurde, die nicht inklusiv ausgerichtet sind, wird vermutet, dass die Schülerinnen und Schüler bisher nicht mit Kindern mit sozial-emotionalem SPF interagiert haben und sich somit keine Gelegenheiten in der Schulpraxis ergeben haben, in denen sich die Kinder fürsorglich gegenüber Peers mit SPF verhalten oder ihre Perspektiven übernehmen mussten. Die Zusammenhangshypothese HZ2a muss daher zu Teilen zurückgewiesen werden Erwartungskonform zu den theoretischen Vorüberlegungen von Davis (2018) und seinen empirischen Befunden aus einer früheren Untersuchung (Davis, 1980) zeigt sich auch anhand der Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells, dass die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme der beteiligten Grundschülerinnen und -schüler signifikant durch ihr Fürsorglichkeitsempfinden erklärt werden kann. Die Zusammenhangshypothese HZ2b kann damit vollständig angenommen werden. Zudem wurde in der vorliegenden Strukturgleichungsanalyse die Empathie (Perspektivenübernahme/Fürsorglichkeitsempfinden) als möglicher Mediator für den Effekt vom bisherigen Kontakt der Schülerinnen und Schüler mit Peers mit sozial-emotionalem Förderbedarf auf ihre Einstellungen gegenüber Kindern mit diesem SPF genauer betrachtet (Zusammenhangshypothese HZ2c). Entgegen der Erwartung konnte weder ein indirekter Effekt noch ein Mediatoreffekt für den beschriebenen Zusammenhang gefunden werden. Anhand der ermittelten Korrelationen (3.3.2.1) wurde bereits ersichtlich, dass die bisherigen Kontakterfahrungen der befragten Grundschülerinnen und -schüler in keinem
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signifikanten Zusammenhang zu ihrer affektiven (Fürsorglichkeitsempfinden) Empathie stehen. Die Zusammenhangshypothese HZ2c muss daher vollständig zurückgewiesen werden. Abschließend wurde im Rahmen der Strukturgleichungsanalyse untersucht, ob der Effekt vom sozialen Selbstkonzept der beteiligten Grundschulkinder auf das Fürsorglichkeitsempfinden durch ihre Perspektivenübernahme mediiert wird (Zusammenhangshypothese HZ2d). Hinweise darauf, dass ein solcher Mediatoreffekt besteht, finden sich im theoretischen Empathiemodell von Davis (2018). Seine theoretische Annahme, dass der Zusammenhang zwischen individuellen Unterschieden (z. B. soziales Selbstkonzept) und der affektiven Empathie (Fürsorglichkeitsempfinden) durch die kognitive Empathie (Perspektivenübernahme) mediiert wird, konnte anhand der Ergebnisse des berechneten Strukturgleichungsmodells bestätigt werden. Die Forschungshypothese HZ2d kann somit vollständig angenommen werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Einstellungen der beteiligten Grundschülerinnen und -schüler signifikant durch ihre affektive Empathie (Fürsorglichkeitsempfinden) und ihre bisherigen Kontakterfahrungen mit Peers mit sozial-emotionalem SPF erklärt werden können. Dabei erweisen sich die affektive Empathie (Fürsorglichkeitsempfinden) und der bisherige Kontakt gleichermaßen als wichtige Prädiktoren der Einstellungen. Basierend auf diesen Ergebnissen müsste in Bezug auf die soziale Partizipation von Kindern mit SPF im inklusiven Grundschulunterricht überlegt werden, wie die Einstellungen von Grundschulkindern in Zukunft positiv verändert werden können. Vor allem Schülerinnen und Schüler mit sozial-emotionalem SPF sind in besonderer Weise von den niedrig ausgeprägten Einstellungen ihrer Mitschülerinnen und -schüler und demzufolge einem erhöhten Risiko, aus dem gemeinsamen Unterricht sozial ausgegrenzt zu werden, betroffen (De Monchy et al., 2004; Krull et al., 2014a; Mand, 2007). Als geeignete Möglichkeit, um die Einstellungen von Kindern im Grundschulalter gegenüber ihren Peers mit einem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung zu verbessern, können Interventionen angesehen werden, in denen es Grundschulkindern mit und ohne SPF unter vorgegebenen Bedingungen (vgl. Kontakttheorie; Allport, 1954) ermöglicht wird, miteinander sozial zu interagieren sowie Freundschaften und positive Beziehungen zu schließen. Gegenwärtig liegen verschiedene Interventionsansätze vor, die darauf abzielen, die soziale Partizipation von Kindern mit SPF positiv zu beeinflussen. Ein erprobtes Verfahren stellt der Ansatz »Stay, Play, Talk« (Englisch, Shafer, Goldstein & Kaczmarek, 1997) dar, in dem Vor- und Grundschulkinder Interaktionsstrategien lernen und in Spielsituationen mit Peers mit SPF erproben. In Evaluationsstudien konnten hinsichtlich der Wirksamkeit der
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Intervention positive Effekte auf die Dauer, Häufigkeit und Qualität sozialer Interaktionen (Goldstein, Englisch, Shafer & Kaczmarek, 1997) sowie auf die soziale Akzeptanz der Kinder mit SPF durch ihre Peers ohne SPF (Batchelor & Taylor, 2005) nachgewiesen werden. Für die Vor- und Grundschule liegt mit dem Ansatz »Circle of friends« zudem eine weitere Intervention vor. Das Ziel des Verfahrens ist es, dass Kinder mit und ohne SPF in sozialen Netzwerken (»circles«) miteinander interagieren und auf diese Weise die gegenseitige soziale Akzeptanz verbessert wird. Diesbezüglich konnten in empirischen Studien zwar positive Effekte gefunden werden, die allerdings nicht über das Ende der Intervention andauerten (z. B. Frederickson & Turner, 2003; Frederickson, Warren & Turner, 2005; Kalyva & Avramidis, 2005). Ob und inwiefern die Einstellungen von Grundschulkindern gegenüber Peers mit sozial-emotionalem SPF in schulischen Interaktionen tatsächlich handlungsleitend sind, wurde hingegen noch nicht empirisch überprüft. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen konkretem Verhalten und den Einstellungen finden sich in Ajzens (1991) »Theorie des geplanten Verhaltens«. Demnach lassen sich konkrete Verhaltensweisen durch Verhaltensintentionen erklären. Für die Intention, ein bestimmtes Verhalten ausführen zu wollen, sind wiederum die zugrunde liegenden Einstellungen, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und subjektiv wahrgenommenen Werte sowie Normen ausschlaggebend. Die Theorie des geplanten Verhaltens ist für die Umsetzung inklusiven Unterrichts aus der Sicht von Lehrkräften sowohl national als auch international umfassend erforscht (z. B. MacFarlane & Woolfson, 2013; Schüle, Schriek, Besa & Arnold, 2016). In Bezug auf die sozialen Interaktionen zwischen Grundschulkindern mit und ohne SPF stehen Forschungsbefunde aktuell noch aus. Abschließend ist anzumerken, dass die hier präsentierten Forschungsergebnisse lediglich zu einem Messzeitpunkt im Querschnitt erhoben wurden. Die Interpretation der Befunde hinsichtlich konkreter Ursache-WirkungsZusammenhänge ist auf dieser Grundlage unzulässig. Demnach lassen sich anhand der vorliegenden Daten keine Aussagen über Wirkungen der Empathie, des Kontakts zu Peers mit sozial-emotionalem SPF und dem sozialen Selbstkonzept auf die Einstellungen der beteiligten Grundschulkindern gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern mit diesem Förderschwerpunkt treffen. Zur Überprüfung kausaler Wirkzusammenhänge müssten die Grundschulkinder im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung zu mehreren Messzeitpunkten befragt werden. Eine weitere Limitation dieser Untersuchung besteht darin, dass die Kinder um Selbsteinschätzungen ihrer Einstellungen, ihrer Empathie, ihres bisherigen Kontakts zu Peers mit sozial-emotionalem SPF und ihres sozialen Selbstkonzepts gebeten wurden. Um allgemeingültige und umfassende Aussagen über
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3 Empirische Studie
die Ausprägungen dieser Konzepte treffen zu können, sollten die Forschungsergebnisse in weiterführenden Studien um Einschätzungen wichtiger Bezugspersonen (z. B. Eltern, Lehrer etc.) oder Beobachtungen von Spiel- und Lernsituationen ergänzt werden.
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© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. F. Löper, Einstellungen von Kindern gegenüber Peers mit Förderbedarf, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30922-0
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