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German Pages 333
Schriften zum Völkerrecht Band 171
Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen Klagen von Bürgern gegen einen fremden Staat oder ausländische staatliche Funktionsträger vor nationalen Gerichten
Von
Christian Appelbaum
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN APPELBAUM
Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen
Schriften zum Völkerrecht Band 171
Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen Klagen von Bürgern gegen einen fremden Staat oder ausländische staatliche Funktionsträger vor nationalen Gerichten
Von
Christian Appelbaum
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-12557-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Schrift wurde von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum im Sommersemester 2006 als Dissertation angenommen und nach der mündlichen Doktorprüfung am 13. Dezember 2006 mit der Note summa cum laude bewertet. Meiner Doktormutter, Frau Professor Dr. Adelheid Puttler, LL.M., möchte ich für ihre sehr engagierte Betreuung dieser Arbeit herzlich danken. Die Unterstützung, insbesondere durch ihre kritischen, stets hilfreichen Anmerkungen, ihre Ratschläge bei der Umsetzung des Dissertationsprojekts und auch die Kenntnisse, die ich im Rahmen der dreijährigen Mitarbeit an ihrem Lehrstuhl gewinnen konnte, hatten große Bedeutung bei der Entstehung dieser Arbeit. Herrn Prof. Dr. Cremer danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens, dem ich klärende Anmerkungen entnehmen konnte. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei dem gesamten Team des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht und bei den Mitarbeitern und Studenten der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum für die gute Zusammenarbeit und die schöne Zeit in Bochum bedanken. Besonderer Dank gebührt auch dem Auswärtigen Amt für die Unterstützung bei der Recherche. Der internationalen Anwaltssozietät Shearman & Sterling LLP danke ich für die finanzielle Förderung der Veröffentlichung der Dissertation. Ich widme diese Arbeit denjenigen, die mir besonders nahe stehen und denen hiermit mein größter Dank gilt. Dies sind meine Eltern Ingrid und Fritz Appelbaum, die ihre Kinder immer uneingeschränkt gefördert und liebevoll unterstützt haben, und mein Bruder Dr. Friedrich Appelbaum. Düsseldorf, im April 2007
Christian Appelbaum
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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A. Erläuterung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erster Teil Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger A. Begriff der Staatenimmunität und Abgrenzungen zu anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatenimmunität – Begriff und Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Jurisdiktion und ihre Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Act of State Doctrine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verankerung der Staatenimmunität im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einwände gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Gewährung von Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analyse, ob die Immunitätsgewährung auf völkerrechtlicher Verpflichtung beruht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praxis in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt: Die Entscheidung des Supreme Court im Fall Schooner Exchange und ihre Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praxis nach der Entscheidung im Schooner-Fall . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praxis weiterer nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praxis internationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Jurisdiktion und Staatenimmunität: Grundsatz und Ausnahme? . . . . . . . . I. Jurisdiktion des Forumstaates und Nichtbestehen von Staatenimmunität als Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analyse des Arguments vom Vorrang der Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
29 29 30 33 33 34 34 35 35 36 37 40 41 42 43 43 44 44 45 47
8
Inhaltsverzeichnis
D. Entwicklungen im Bereich der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Übergang von der absoluten zur restriktiven Immunität . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkungen der Staatenimmunität in den Kodifikationen des Immunitätsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Immunität im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 47 50 51 53
E. Grundlagen der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Würde eines Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gleichheit der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwände gegen die Staatengleichheit als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen des Gedankens der Staatengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichheit als souveräne Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Analyse und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 54 54 54 55 57 58
F. Immunität staatlicher Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Differenzierung zwischen den zentralen Staatsorganen des Völkerrechtsverkehrs und sonstigen staatlichen Funktionsträgern . . . . . . . . . . . . II. Immunität der zentralen Staatsorgane im Völkerrechtsverkehr . . . . . . . . . 1. Immunität von Staatsoberhäuptern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen der Immunität von Staatsoberhäuptern . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zur Immunität von Diplomaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reichweite des Immunitätsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immunität der weiteren zentralen Organe eines Staates im Völkerrechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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66 68 70
G. Folgen des Bestehens von Immunitätsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Immunität als ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis II. Immunität als Verfahrenshindernis eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Immunität und materieller Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 70 71 71
59 60 60 60 61 63
Zweiter Teil Verzicht des Staates auf seine Immunität bzw. die seiner Funktionsträger
73
A. Anerkennung und Anforderungen an einen Immunitätsverzicht . . . . . . . . .
73
B. Immunitätsverzicht im Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Völkervertragliche Verzichtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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Dritter Teil Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns A. Klagen gegen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung zwischen Handlungen iure imperii und Handlungen iure gestionis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungsansätze und ihre Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abstellen auf den Zweck der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abstellen auf die Natur der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Untersuchung, ob die Handlung auch durch eine Privatperson vorgenommen werden kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entwicklung und Inhalt des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übertragung des Ansatzes auf Menschenrechtsverletzungen durch das Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anwendung auf Menschenrechtsverletzungen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Alternative Abgrenzungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Völkerrechtswidriges Handeln als nichthoheitliches Handeln . . . . . . . . . . 1. Beispiel: Der Fall Distomo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Argumentation eines Teils der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Argumentation eines Teils der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme zur Bewertung völkerrechtswidrigen Handelns als nichthoheitlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatenpraxis zu handlungsbezogenen Immunitätsausnahmen . . . . . . . . . . 1. Praxis in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Praxis vor Erlass des FSIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Handlungsbezogene Differenzierung vor dem Hintergrund des FSIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungen sonstiger nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidungen des House of Lords im Fall Pinochet . . . . . . . . . . . . . a) Argumentation in der ersten Pinochet-Entscheidung . . . . . . . . . . . . b) Argumentation in der dritten Pinochet-Entscheidung . . . . . . . . . . . c) Bewertung der Ausführungen der Lordrichter . . . . . . . . . . . . . . . . .
79 79 79 80 81 82 82 83 83 84 85 86 87 88 89 89 90 91 92 94 94 95 95 95 95 96 99 101 102 103 104 105
10
Inhaltsverzeichnis
II.
4. Das Urteil des IGH im Haftbefehls-Fall und die Separate Opinion der Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Literaturauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Unterscheidung zwischen der Eigenschaft als Staatsorgan und der persönlichen Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Völkerrechtswidriges Handeln als „nichtamtlich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
III. IV. V.
Analyse der Rechtsprechung und des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Immunität nur für offen gesetzte Hoheitsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Vierter Teil Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen auf dem Gebiet des Forumstaates
114
A. Grundlagen der Territorial-Nexus-Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der gebietsbezogenen Deliktsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Praxis in Staaten mit einem Immunitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Praxis in den Vereinigten Staaten und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Praxis in weiteren Staaten mit einem Immunitätsgesetz . . . . . . . . . . . . 122 II.
III. IV.
V.
Praxis in Staaten ohne Immunitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Entscheidung des Areopag und des Obersten Sondergerichts Griechenlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Der Fall McElhinney vor dem irischen Supreme Court und dem EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Weitere Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4. Völkervertragliche Regelungen und Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Literaturauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Bewertung und Analyse der völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Anerkennung bei Handlungen bewaffneter Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . 131 2. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Immunitätsausnahme im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Differenzierung zwischen dem Entstehen und dem partiellen Untergang einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
C. Staatliche Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 D. Gesamtergebnis zum Vierten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Inhaltsverzeichnis
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Fünfter Teil Implizite Immunitätsausnahmen aus Verträgen zum Schutz der Menschenrechte
137
A. Probleme und Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Probleme bei der Inkorporierung völkerrechtlicher Verträge in nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Differenzierung zwischen materiellen und prozessualen Vertragspflichten 138 B. Materielle Vertragspflichten als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Völkerrechtliche Verträge ohne spezifischen Menschenrechtsbezug . . . . 1. Auffassungen in der nationalen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung der Auffassungen in der Rechtsprechung und im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verträge zum Schutz von Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immunitätsausnahme aus der Völkermordkonvention . . . . . . . . . . . . . . 2. Immunitätsausnahme aus dem Folterverbot der UN-Folterkonvention a) Anknüpfungspunkt für eine Immunitätsausnahme . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Immunitätsausnahme aus dem Folterverbot der EMRK . . . . . . . . . . . . a) Beispielsfall: Al-Adsani v. The United Kingdom . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragsauslegung durch den EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auffassung eines Teils der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidung des EGMR im Fall Al-Adsani . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bewertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis zu einer Immunitätsausnahme aus materiellen Vertragspflichten
138 138 139 143
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die in Betracht kommenden Regelungen . . . . . . . . . . . . . . II. Immunitätsausnahme aus Art. 14 UN-Folterkonvention . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispielsfall und Inhalt des Art. 14 UN-Folterkonvention . . . . . . . . . . 2. Analyse der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung des Art. 14 UN-Folterkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Immunitätsausnahme aus Art. 2 Abs. 3 und Art. 14 IPbürgR . . . . . . . . . . 1. Beispielsfälle und Inhalt der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyse von Art. 2 Abs. 3 IPbürgR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Analyse von Art. 14 IPbürgR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
156 156 157 157 158 160 163 163 163 165 166
143 145 145 146 147 147 148 150 151 152 152 153 154 154 155 156
12
Inhaltsverzeichnis
IV.
V.
4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunitätsbeschränkung aufgrund der prozessualen Garantien der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispielsfälle und Überblick über die prozessualen Garantien der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betroffenheit des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung der Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abweichende Auffassung des Richters Loucaides . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäische Kommission für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertreter einer Immunitätsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertreter gegen eine Immunitätsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bewertung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtergebnis zu den Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168 168 168 170 170 172 173 173 174 175 175 177 178 182 182
Sechster Teil Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen aus dem Völkergewohnheitsrecht A. Klagen von Bürgern gegen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklungen in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansatz einer echten Immunitätsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Fall Amerada Hess und die Folgerechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . a) Der Fall Amerada Hess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung der Amerada-Rechtsprechung auf Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Klagen von Holocaust-Opfern gegen Deutschland . . . . . . . . . . . . . d) Klagen der Opfer von Kriegsverbrechen gegen Japan . . . . . . . . . . e) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Änderung des FSIA und die folgende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . a) Gesetzesvorschläge zur Änderung des FSIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderung durch den Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung der neuen Immunitätsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung der Praxis in den Vereinigten Staaten nach der Änderung des FSIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183 183 183 183 184 184 185 186 189 190 191 191 192 193 195
Inhaltsverzeichnis II. III.
13
Praxis in weiteren Staaten mit einem Immunitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . Praxis in Staaten ohne ein Immunitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anmerkungen des neuseeländischen Court of Appeal im Fall Auditor-General v. Davison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungen im Distomo-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung des Corte di cassazione im Fall Ferrini v. Repubblica Federale di Germania . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Al-Adsani . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Kalogeropoulou . . . . . . . . . . . . Analyse der Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückwirkende Anwendbarkeit von Immunitätsregelungen . . . . . . . . . . a) Praxis in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Völkerrechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtbewertung der Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196 200
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Immunität der zentralen Staatsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immunität während der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klagen gegen Staatsoberhäupter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entscheidungen nationaler Gerichte im Zivilverfahren . . . . . . bb) Entscheidungen nationaler Gerichte im Strafverfahren . . . . . . cc) Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . dd) Bewertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Immunität von Regierungschefs und Außenministern . . . . . . . . . . . aa) Entscheidungen nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung des IGH und Auffassungen im Schrifttum . . cc) Bewertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immunität der zentralen Staatsorgane im Völkerrechtsverkehr nach dem Ausscheiden aus dem Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Immunität von Staatsoberhäuptern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entscheidungen nationaler Gerichte in Zivilsachen . . . . . . . . . bb) Entscheidungen nationaler Gerichte in Strafsachen . . . . . . . . . cc) Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . dd) Bewertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
212 212 214 214 214 214 216 219 220 221 221 222 223
IV.
V.
VI.
200 201 202 203 205 205 207 207 207 207 210 210 211 211 212
224 224 224 228 229 229
14
Inhaltsverzeichnis
III.
IV.
b) Sonstige ehemalige zentrale Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidungen nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Immunität staatlicher Funktionsträger im Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Immunität nach dem Ausscheiden aus dem Amt . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literaturauffassungen zur Immunität einfacher staatlicher Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis zur Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger . . . . . . . Gesamtergebnis zur Immunität staatlicher Funktionsträger . . . . . . . . . . . .
230 230 231 231 233 233 233 234 235 235 237 237
Siebter Teil Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung und dem besonderen Status von Menschenrechten
238
A. Differenzierung zwischen Verpflichtungen erga omnes und ius cogens . . . 238 B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage einer Ausnahme zur Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kreis der Menschenrechte, die erga omnes-Verpflichtungen begründen . . II. Rechtliche Folgen einer erga omnes-Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kreis der Reaktionsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auffassungen zur Frage der Reaktionsberechtigung . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung des Kreises der Reaktionsberechtigten . . . . . . . . . . . aa) Ausführungen des IGH im Fall Barcelona Traction . . . . . . . . . bb) Spätere IGH-Rechtsprechung und ihre Bewertung . . . . . . . . . . cc) Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien . . . . c) Analyse der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kreis der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansätze in der Staatenpraxis und in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung des IGH und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240 240 241 241 242 242 242 243 244 245 246 247 248 248 249 250 251 252
Inhaltsverzeichnis C. Ableitung einer Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundgedanke der Immunitätsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Probleme bei der Qualifizierung von Menschenrechten als ius cogens . . 1. Allgemeine Rechtsgrundsätze als Quelle des ius cogens . . . . . . . . . . . 2. Völkergewohnheitsrecht als Quelle des ius cogens . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung und Untersuchung von Beispielen für die Entwicklung von ius cogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Existenz einer völkerrechtlichen Normenhierarchie mit ius cogens an der Spitze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedenken gegenüber einer Normenhierarchie im Völkerrecht . . . . . . 2. Entwicklung des ius cogens in der Rechtsprechung internationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis der ius cogens-Menschenrechte zu den Regeln der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehen eines Vorrangverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) These vom Vorrang der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse der Vorrangthese anhand der Grundlagen der Staatenimmunität und der Menschenrechte im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herstellung eines Ausgleichs zwischen Menschenrechten und der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition der Grenzen zwischen menschenrechtlichem ius cogens und staatlicher Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Differenzierende Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kollision zwischen Menschenrechten und Staatenimmunität mit der Folge eines automatischen Derogationseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen einer Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ius cogens gebietet auch seine prozessuale Durchsetzung . . . . . . . . . . 3. Zwei verschiedene Arten von Regeln, die nicht aufeinander einwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 252 252 253 253 254 254 255 256 257 258 259 260 260 260 262 263 263 263 264 265 266 266 267 268 269 271
D. Abschließende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
16
Inhaltsverzeichnis Achter Teil Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
273
A. Impliziter Immunitätsverzicht durch die Verletzung von Menschenrechten I. Rechtsprechung nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auffassungen im völkerrechtlichen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273 273 275 276 277
B. Ausschluss der Immunität aufgrund Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Argumentation eines Teils der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analyse des Verwirkungsarguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlage des Verwirkungsarguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit des Rückgriffs auf allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . 3. Vorliegen einer verwirkbaren Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277 277 278 279 280 281 282 283
C. Immunitätsverweigerung als Gegenmaßnahme zum Schutz eigener Staatsbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Möglichkeit der Immunitätsverweigerung als Gegenmaßnahme . . . . . . . . 1. Immunitätsrecht als „self-contained régime“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansätze des Arguments in der Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erstinstanzliche Entscheidung im Fall Princz . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Regelung in § 1605 (a) (7) FSIA und ihre Bewertung . . . . . . II. Erfüllung der Voraussetzungen für einen Immunitätsverlust als Gegenmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorangegangenes, von einem Staat völkerrechtlich zu vertretendes Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufforderung an den verantwortlichen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnismäßigkeit der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schlussbetrachtung
283 283 283 284 284 285 285 285 287 288 289 289
290
A. Immunitätsausnahmen als Gewinn für den Menschenrechtsschutz? . . . . . . 290 B. Alternativen gegenüber Schadensersatzklagen vor nationalen Gerichten . . 292 C. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Erster Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 II. Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Inhaltsverzeichnis III. IV. V. VI. VII. VIII.
Dritter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechster Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siebter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 294 295 295 295 296 296
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entscheidungen internationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ständiger Internationaler Gerichtshof (StIGH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationaler Gerichtshof (IGH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) . . . . . . . . . . . . 4. Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Entscheidungen weiterer internationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Entscheidungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte und der Internationalen Kommission für Menschenrechte . . . . . . . . . . II. Entscheidungen nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidungen deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungen österreichischer und schweizerischer Gerichte . . . . . 3. Entscheidungen belgischer, französischer und niederländischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidungen italienischer, griechischer und ägyptischer Gerichte 5. Entscheidungen der Gerichte des Vereinigten Königreichs . . . . . . . . . 6. Entscheidungen der Gerichte Irlands, Kanadas und Neuseelands . . . . 7. Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) US Supreme Court . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) US Courts of Appeals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) US District Courts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) State Courts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312 312 312 312 313 313 314
Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internationale Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige internationale Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nationale Gesetzgebung und weitere nationale Dokumente . . . . . . . . . . .
323 323 323 324 326
314 314 314 315 315 316 316 317 318 318 318 320 322
Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Sach- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Abkürzungsverzeichnis a. E. AEDPA AEMR ALI Ariz. L. Rev. Art. ASIL ATS/ATCA Aufl. Australian Yb. Int’l L. Austrian J. Publ. Intl. Law AVR Bd. BdDGV Beschl. BGBl. BGE BGH BGHSt Boston U.L.J. British Yb. Int’l L. Brook. J. Int’l L. BVerfG BVerfGE bzw. c. Cal. L. Rev. Cass. CCPR Chi. J. Int’l L. Col. L. Rev. Cong. Conn. J. Int’l L. Denv. J. Int’l L. & Pol’y Dep. d. h. Dick. J. Int’l L.
am Ende Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act Allgemeine Erklärung der Menschenrechte American Law Institute Arizona Law Review Artikel American Society of International Law Alien Tort Statute/Alien Tort Claims Act Auflage Australian Yearbook of International Law Austrian Journal of Public International Law Archiv des Völkerrechts Band Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Beschluss Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizer Bundesgerichts Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof in Strafsachen Boston University Law Journal British Yearbook of International Law Brooklyn Journal of International Law Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise contre California Law Review Cassazione Covenant on Civil and Political Rights Chicago Journal of International Law Columbia Law Review Congress Conneticut Journal of International Law Denver Journal of International Law and Policy Department das heißt Dickinson Journal of International Law
Abkürzungsverzeichnis
19
Duke J. Comp. & Int’l L. Duke Journal of Comparative and International Law Duke L.J. Duke Law Journal ECHR European Court of Human Rights E.D. Eastern District EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EJIL European Journal of International Law EMRK Europäische Menschenrechtskonvention Entsch. Entscheidung EPIL Encyclopedia of Public International Law et al. et alii etc. et cetera ETS European Treaty Series EuGRZ Europäische Grundrechte Zeitschrift EÜStI Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität EWCA England and Wales Court of Appeal Ford. L. Rev. Fordham Law Review FSIA Foreign Sovereign Immunities Act F.Supp. Federal Supplement GC Grand Chambre Geo. L.J. Georgetown Law Journal German Yb. Int’l L. German Yearbook of International Law GG Grundgesetz Giur.it. Giurisprudenza Italiana h. A. herrschende Auffassung Harv. Hum. Rts. J. Harvard Human Rights Journal Houston J. Int’l L. Houston Journal of International Law HRLJ Human Rights Law Journal H.R. Rep. House of Representatives Report Hrsg. Herausgeber HS. Halbsatz HuV Humanitäres Völkerrecht IACourtHR Inter American Court of Human Rights ICJ Rep. International Court of Justice Reports ICLQ International and Comparative Law Quarterly ICTY International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia IDI Institut De Droit International i. d. R. in der Regel IGH Internationaler Gerichtshof IHRR International Human Rights Reports ILC International Law Commission ILM International Legal Materials ILR International Law Reports IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts
20 IStGH i.V. m. i. w. S. JA JBl. Jh. J. Int’l Legal Stud. J.T. jur. Diss. JZ KJ Law & Contemp. Probs. Leiden J. Int’l L. LG Loy. L.A. Int’l & Comp. L.J. Mich. J. Int’l L. Mich. L. Rev. Minn. MOGE MPUNYB MüKo ZPO N.D. New Eng. L. Rev. New York Int’l L. Rev. NILR NJ NJW Nordic J. Int’l L. NStZ OGH ÖJZ OLG PCIJ P.D. Pub. L. RdC RG RHDI R.I.A.A. Rn. S.D. Ser.
Abkürzungsverzeichnis Internationaler Strafgerichtshof in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Jahrhundert Journal of International Legal Studies Journal des tribunaux juristische Dissertation Juristische Zeitschrift Kritische Justiz Law and Contemporary Problems Leiden Journal of International Law Landgericht Loyola of Los Angeles International & Comparative Law Journal Michigan Journal of International Law Michigan Law Review Minnesota Mianmar Oil and Gas Enterprise Max Planck Yearbook of United Nations Law Münchner Kommentar zur Zivilprozeßordnung Northern District New England Law Review New York International Law Review Netherlands International Law Review Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nordic Journal of International Law Neue Zeitschrift für Strafrecht Oberster Gerichtshof Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Permanent Court of International Justice Probate Divorce and Admiralty Division Public Law Recueil des Cours Reichsgericht Revue Hellénique de Droit International Reports of International Arbitral Awards Randnummer Southern District Serie
Abkürzungsverzeichnis
21
SIA State Immunity Act SLORC State Law and Order Restoration Council sog. so genannt StGB Strafgesetzbuch StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof StPO Strafprozessordnung Temp. Int’l & Comp. L.J. Temple International and Comparative Law Journal Tex. Int’l L.J. Texas International Law Journal T. Jefferson L. Rev. Thomas Jefferson Law Review u. a. unter anderem U. Cin. L. Rev. University of Cincinnati Law Review U.C.L. Rev. University of California Law Review UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UK United Kingdom UN United Nations UNCIO United Nations Conference on International Organization Documents UNTS United Nations Treaty Series U. Pa. L. Rev. University of Pennsylvania Law Review Urt. Urteil US United States U.S.C.C.A.N United States Code, Congressional and Administrative News Volume U.S.F.L. Rev. University of San Francisco Law Review v. versus; vom Va. J. Int’l L. Virginia Journal of International Law vol. Volume Vor Vorbemerkung W.D. Western District Whittier L. Rev. Whittier Law Review WÜD Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen WÜK Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen WVRK Wiener Vertragsrechtskonvention Yb. ILC Yearbook of the International Law Commission ZaÖRV Zeitschrift für ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. zum Beispiel Ziff. Ziffer ZPO Zivilprozessordnung ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft ZVglRWiss Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
Einleitung A. Erläuterung des Untersuchungsgegenstandes In jüngster Zeit mussten sich nationale Gerichte in Strafverfahren gegen staatliche Funktionsträger und in Zivilverfahren gegen einen ausländischen Staat oder seine Funktionsträger mit der Verletzung von Menschenrechten beschäftigen. Ein Teilaspekt dieser Verfahren ist die Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger. Immunität bedeutet, dass ein Staat oder seine Funktionsträger nicht der Hoheitsgewalt anderer Staaten, im vorliegenden Fall deren Gerichtsbarkeit, unterworfen ist.1 Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage der Immunität von Staaten und ihren Funktionsträgern, wenn sie von Privatpersonen vor den Gerichten eines anderen Staates als denen des beklagten unter dem Vorwurf schwerer Menschenrechtsverletzungen verklagt werden. In erster Linie sind dies Klagen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf Entschädigung. Zunächst einmal geht es um Klagen gegen den ausländischen Staat selbst. Zur Veranschaulichung sollen vier typische Sachverhaltskonstellationen kurz dargestellt werden. Zum einen gibt es Fälle, in denen Staatsbürger des die Menschenrechte verletzenden Staates in einen anderen Staat geflohen sind und dort gegen den mutmaßlichen Verletzerstaat Klage erhoben. Ein Beispiel hierfür ist die Rechtssache Siderman v. Argentina,2 in dem Mitglieder der argentinischen Militärjunta in das Haus der Familie Siderman eindrangen, José Siderman fesselten, entführten, schlugen und folterten. Nachdem Siderman mit seiner Familie in die USA geflohen war, erhob er dort Klage. Es gibt auch Fälle, in denen Bürger des Gerichtsstaates sich in einem anderen Staat aufhielten (z. B. um dort zu arbeiten) und dort Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden. Bei ihrer Rückkehr in ihren Heimatstaat verklagten sie den Aufenthaltsstaat, wie es z. B. in der Rechtsangelegenheit Al-Adsani v. Government of Kuwait3 geschah. Ein britischer und zugleich kuwaitischer 1
Siehe statt vieler: Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615. US Court of Appeals, 9th Circuit, Siderman de Blake and others v. The Republic of Argentina, Entsch. v. 22.05.1992, 965 F2d 699. 3 High Court, Al-Adsani v. Government of Kuwait and others, Entsch. v. 15.03. 1995, 103 ILR 420 (1996); Court of Appeal, Entsch. v. 12.03.1996, 107 ILR 536 (1996). 2
24
Einleitung
Staatsangehöriger klagte gegen die Regierung Kuwaits auf Schadensersatz wegen körperlicher und psychischer Verletzungen, die ihm nach seinen Angaben durch Folterhandlungen in Kuwait und Drohungen gegen sein Leben und Wohlergehen nach seiner Rückkehr ins Vereinigte Königreich zugefügt wurden. Etwas außergewöhnlicher sind die Fälle, in denen ein Staat Menschenrechtsverletzungen auf fremdem Staatsgebiet begeht wie z. B. im Verfahren Letelier v. Republic of Chile,4 in dem der frühere chilenische Außenminister und Botschafter in Washington, Orlando de Letelier, und eine Begleiterin in Washington D.C. mit einer Autobombe getötet wurden. Die Hinterbliebenen Leteliers machten die Geheimdienste des chilenischen Generals Pinochet für das Attentat verantwortlich und klagten gegen Chile vor dem District Court of Columbia. Recht häufig werden auch Klagen wegen zeitlich bereits weit zurückliegender Menschenrechtsverletzungen erhoben. Die Besonderheit dieser Fallgruppe ist, dass sich die streitgegenständlichen Geschehnisse zu einem Zeitpunkt ereigneten, als der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz noch sehr schwach und die Stellung der Staaten sehr stark ausgeprägt war. Im Distomo-Fall klagten Angehörige der Opfer von Wehrmachtsverbrechen in Griechenland gegen die Bundesrepublik Deutschland, weil ein SS-Panzergrenadierregiment große Teile der Bevölkerung des Dorfes Distomo getötet und das Dorf niedergebrannt hatte.5 Des Weiteren setzt sich die vorliegende Arbeit mit Klagen gegen die Funktionsträger ausländischer Staaten auseinander. Die Klägerfreundlichkeit des USamerikanischen Rechtssystems und die Tatsache, dass viele ehemalige führende Funktionsträger in die USA ins Exil gegangen sind, haben zur Folge, dass die Verfahren überwiegend vor US-amerikanischen Gerichten ausgetragen werden. Bei den Klagen kann danach unterschieden werden, ob sich der Funktionsträger noch im Amt befindet oder nicht mehr bzw. ob es sich bei der Person um ein Staatsorgan, dem im Völkerrecht eine besondere Stellung beigemessen wird, oder einen sonstigen staatlichen Funktionsträger, der nach nationalem Recht hoheitlich tätig wird, handelt. Damit können vier Fallgruppen differenziert werden.
4 US District Court, District of Columbia, Letelier v. Republic of Chile, Entsch. v. 11.03.1980, 488 F.Supp. 665. 5 LG Livadia, Entsch. v. 30.10.1997 (Az.: 137/1997) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt. Siehe Urteilsbesprechungen von: Bantekas, 92 AJIL 765 (1998); Gavouneli, 50 RHDI 595 (1997). Die Angaben zum Geschehen in Distomo variieren. Die Vorfälle in Distomo stellen keinen Einzelfall dar. Die Wehrmacht verübte auch in anderen besetzten Gebieten Massaker. Als Reaktion auf einen Partisanen-Angriff erschoss die Wehrmacht allein in der griechischen Kleinstadt Kalávrita 511 griechische Männer. Siehe hierzu: Kämmerer, AVR 1999, 283.
A. Erläuterung des Untersuchungsgegenstandes
25
Ein Beispiel ist die Klage mehrerer Staatsangehöriger Zimbabwes gegen den amtierenden Präsidenten Zimbabwes Robert Mugabe und den Außenminister Stan Mudenge vor einem New Yorker Bundesgericht, als sich diese wegen des Millennium-Gipfels der Vereinten Nationen in New York aufhielten.6 Die Kläger behaupteten, dass sie bzw. ihre verstorbenen Verwandten Opfer von Mord, Folter und anderen Gewalttaten als Teil einer von Präsident Mugabe befohlenen Kampagne zur Einschüchterung politischer Gegner geworden seien. Eine Klage gegen einen ehemaligen hochrangigen staatlichen Funktionsträger wurde im Fall Abiola v. Abubakar7 erhoben. Nigerianische Staatsbürger behaupteten, dass sie bzw. ihre Angehörigen unter dem nigerianischen Militärregime schwere Menschenrechtsverletzungen erlitten hätten, und klagten gegen Abdusalami Abubakar, der vom 8.06.1998 bis zum Ende der Herrschaft der Militärjunta, am 29.05.1999, Staatsoberhaupt war. In dem sehr aktuellen Verfahren Jones v Ministry of the Interior8 behaupteten die Kläger Jones, zwei weitere britische und ein kanadischer Staatsangehöriger, Opfer systematischer Folterhandlungen in einem saudi-arabischen Gefängnis geworden zu sein. Nach der Rückkehr in das Vereinigte Königreich klagten sie dort u. a. gegen die mutmaßlich verantwortlichen Amtsträger der Polizeistreitkräfte und gegen das saudi-arabische Innenministerium. Der sehr bekannt gewordenen Entscheidung des US Court of Appeals des zweiten Bezirks im Fall Filartiga v. Peña-Irala9 lag ein Verfahren gegen einen ehemaligen einfachen staatlichen Funktionsträger zugrunde. Paraguayische Staatsbürger, die in den USA lebten, warfen dem ehemaligen Polizeioffizier von Asunción, Peña-Irala, vor, dass er in Ausübung seines Amtes ihren 17-jährigen Sohn bzw. Bruder als Vergeltung für die politischen Aktivitäten seines Vaters, der ein Gegner des damals in Paraguay herrschenden Stroessner-Regimes war, zu Tode gefoltert habe. Die skizzierten Gerichtsverfahren geben Anlass zu untersuchen, ob und unter welchen Voraussetzungen Staaten und ihre Funktionsträger bei schweren Menschenrechtsverletzungen völkerrechtliche Immunität genießen.
6 US District Court, S.D. New York, Tachiona v. Mugabe, Entsch. v. 30.10.2001, 169 F.Supp.2d 259. 7 US District Court, N.D. Illinois, Hafsat Abiola et al. v. Gen. Abdusalami Abubakar, Entsch. v. 27.06.2003, 267 F.Supp. 2d 907. 8 Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/ 1394.html (15.04.2005). 9 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Filartiga v. Peña-Irala, Entsch. v. 30.06.1980, 630 F.2d 876.
26
Einleitung
B. Gang der Untersuchung Der Hauptgegenstand der Untersuchung besteht darin, die in der Rechtsprechung und Literatur zur Immunität von Staaten und ihren Funktionsträgern bei schweren Menschenrechtsverletzungen vertretenen Ansätze genau herauszuarbeiten und zu bewerten, um den gegenwärtigen Stand des Völkerrechts zu ermitteln. Die Untersuchung besteht aus acht Teilen. Im ersten Teil sollen nach einer kurzen begrifflichen Abgrenzung Rechtsnatur, Inhalt und Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger analysiert werden. Es bedarf insbesondere der Erläuterung, ob nationale Gerichte fremden Staaten und ihren Funktionsträgern aufgrund des Bestehens eines völkerrechtlichen Rechtssatzes Immunität gewähren müssen. In den folgenden sieben Abschnitten sollen Ausnahmefälle zur Immunität von Staaten bzw. ihrer Funktionsträger untersucht werden. Zunächst werden im zweiten bis vierten Teil die anerkannten und nicht spezifisch im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen vertretenen Ausnahmetatbestände geprüft. Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem Verzicht des Staates auf seine Immunität bzw. die seiner Funktionsträger, der allgemein für zulässig gehalten wird. Im dritten Teil wird eingehend untersucht, ob und inwiefern Menschenrechtsverletzungen von Staaten und ihren Funktionsträgern als hoheitliches bzw. amtliches Handeln qualifiziert werden können und damit bei Klagen gegen Staaten (Dritter Teil, A.) und staatliche Funktionsträger (Dritter Teil, B.) Immunitätsschutz genießen. Der vierte Teil beschäftigt sich mit der Frage, ob bei der Begehung von Menschenrechtsverletzungen auf dem Gebiet des Forumstaates eine Immunitätsausnahme besteht. In den folgenden drei Teilen der Arbeit sollen Tatbestände analysiert werden, die den Schwerpunkt auf den besonderen Schutz der Menschenrechte im Völkerrecht legen. Die Bedeutung des internationalen Menschenrechtsschutzes hat seit 1945 unter dem Eindruck der Schrecken der beiden Weltkriege erheblich zugenommen. Der Ausgangspunkt kann in der UN-Charta von 194510 gesehen werden. Art. 1 Ziff. 3 der Charta erklärt die Förderung und Festigung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu einem der Ziele der UN. Dieses Ziel wurde in den folgenden Jahren mit der Allgemeinen Erklärung der Men-
10
Charta of the United Nations, 26.06.1945, 15 UNCIO 335.
B. Gang der Untersuchung
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schenrechte (AEMR) der Generalversammlung der Vereinten Nationen11 und zahlreichen Kodifikationsarbeiten12 weiter verfolgt. Durch die Menschenrechtspakte werden bereits sehr weite Bereiche menschlichen Lebens abgedeckt. In intensiverem Maß hat auf regionaler Ebene der Menschenrechtsschutz an Gewicht gewonnen. Dabei sind die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK),13 die Amerikanische Konvention über Menschenrechte14 und die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker15 zu nennen, die neben umfangreichen Menschenrechtskatalogen im Vergleich zum allgemeinen Völkerrecht stärker ausgeprägte Durchsetzungsmechanismen vorsehen. Mittlerweile wird zudem ein gewohnheitsrechtlicher Grundbestand an Menschenrechten, den zu beachten auch der vertraglich nicht gebundene Staat verpflichtet ist, anerkannt.16 Zunächst wird im fünften Teil geprüft, ob sich aus völkerrechtlichen Verträgen Immunitätsausnahmen ableiten lassen. Innerhalb der Verträge kommen materielle Vertragsregelungen (Fünfter Teil, B.) und Regelungen prozessualen Inhalts (Fünfter Teil, C.) als Grundlage für eine Immunitätsausnahme in Betracht. Hiernach soll im sechsten Teil analysiert werden, inwieweit das Völkergewohnheitsrecht eine Immunitätsausnahme bei Klagen gegen Staaten (Sechster Teil, A.) und staatliche Funktionsträger (Sechster Teil, B.) wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen zulässt. Im siebten Teil sollen Ansätze analysiert werden, die aus der Verpflichtungswirkung von Menschenrechten bzw. dem Status, den bestimmte Menschenrechte besitzen, Immunitätsausnahmen ableiten. Es wird der Behauptung auf den Grund gegangen, fundamentale Menschenrechte begründeten erga omnesVerpflichtungen, die alle Staaten dazu berechtigten, dem Verletzerstaat den Immunitätsschutz zu verweigern (Siebter Teil, B). Außerdem wird der Argumenta11 Die AEMR wurde als Resolution der Generalversammlung angenommen: Universal Declaration on Human Rights, 10.12.1948, GA Res. 217 A (III), United Nations, General Assembly, Official Record of the third Session of the General Assembly, part I, Resolutions, UN Doc. A/810, S. 71. 12 Die wichtigsten sind: Convention on the Punishment of the Crime of Genocide, 9.12.1948, 78 UNTS 277; International Covenant on Civil and Political Rights, 16.12.1966, 999 UNTS 171; International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 16.12.1966, 993 UNTS 3; International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, 7.03.1966, 660 UNTS 195; Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, 10.12.1984, 1465 UNTS 85. 13 European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, 4.11.1950, 213 UNTS 221. 14 American Convention on Human Rights, 22.11.1969, 9 ILM 673 (1970). 15 African Charter on Human and Peoples’ Rights, 26.06.1981, 21 ILM 59 (1982). 16 Siehe hierzu: Henkin, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 886, 889; Tomuschat, S. 34 f.
28
Einleitung
tion mit dem Status elementarer Menschenrechte als sog. ius cogens nachgegangen (Siebter Teil, C.). Im achten Teil werden Ansätze untersucht, denen der Gedanke zugrunde liegt, dass Menschenrechtsverletzungen durch die Verweigerung des Immunitätsschutzes sanktioniert werden können. Schwere Menschenrechtsverletzungen sollen einen impliziten Immunitätsverzicht bedeuten können (Achter Teil, A.). Die Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen könne zu einer Verwirkung des Immunitätsschutzes führen (Achter Teil, B.). Die Immunitätsverweigerung sei eine Gegenmaßnahme (Repressalie) eines Staates als Reaktion auf die Verletzung der Menschenrechte seiner eigenen Staatsangehörigen und damit völkerrechtlich zulässig (Achter Teil, C.). Im Schlussteil wird der Frage nachgegangen, ob Immunitätsausnahmen bei Schadensersatzklagen gegen Staaten bzw. ihre Funktionsträger wirklich der Durchsetzung des Menschenrechtsschutzes dienen und welche anderen Wege es gibt, Menschenrechten zu stärkerer Durchsetzung zu verhelfen.
Erster Teil
Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger Zu Beginn der Untersuchung sollen Rechtsnatur, Inhalt und Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger analysiert werden. Am Ende dieses Abschnitts werden die Folgen des Bestehens von Immunitätsschutz beschrieben.
A. Begriff der Staatenimmunität und Abgrenzungen zu anderen Rechtsinstituten Wenn ein Staat Rechtsprechungsgewalt ausübt, stellt sich als erstes die Frage, ob er dies überhaupt darf. Im nächsten Schritt muss dann untersucht werden, ob auch Staaten und ihre Funktionsträger der Gerichtsbarkeit unterworfen sind oder, ob sie Immunität genießen. Die vorliegende Untersuchung will sich auf den zweiten Schritt, der Immunität von Staaten und ihren Funktionsträgern konzentrieren. Neben dem Vorliegen von Jurisdiktion werden im Zusammenhang mit der Immunitätsfrage auch die der internationalen Zuständigkeit und der sog. Act of State Doctrine behandelt, die nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein sollen. Während im deutschen Recht die Begrifflichkeiten klar unterschieden werden, ist dies, wie sich bei der späteren Analyse der Staatenpraxis noch zeigen wird, in anderen Rechtsordnungen nicht der Fall.
I. Staatenimmunität – Begriff und Differenzierungen Die Regeln der Staatenimmunität umschreiben die Fälle, in denen ein Staat nicht der Jurisdiktion, konkret der Gerichtsbarkeit anderer Staaten, unterworfen ist.1 Immunität bedeutet nicht die Befreiung von der materiellen Rechtsordnung des Forumstaates.2 Sie soll den fremden Staat nur davor bewahren, vor den Ge1 2
Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615; Malanczuk, S. 109. Damian, S. 73.
30
1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
richten eines ausländischen Staates zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Staatenverantwortlichkeit bleibt unberührt. Es ist zwischen der Immunitätsgewährung für jegliches staatliches Handeln und der Immunität, die nur hoheitlichen Staatshandlungen zukommt, zu differenzieren. Nach der absoluten Immunitätslehre genießt jegliches staatliches Handeln Immunitätsschutz. Die restriktive Immunitätslehre beschränkt den Immunitätsschutz auf einen Teil staatlichen Handelns. Es wird zwischen hoheitlichen Staatshandlungen, den Handlungen iure imperii, und nichthoheitlichen – etwa kommerziellen – Staatshandlungen, den Handlungen iure gestionis, differenziert. Nach der restriktiven Immunitätslehre genießt nur das Handeln iure imperii Immunitätsschutz.3
II. Jurisdiktion und ihre Voraussetzungen Jurisdiktion bezeichnet die Befugnis eines Staates, über Personen und Eigentum auf der Grundlage seines nationalen Rechts Hoheitsmacht auszuüben, sei es im Wege der Gesetzgebung (Legislative), Rechtsprechung (Judikative) und Durchsetzung der aufgestellten Regeln (Exekutive).4 Ein Teilbereich der Jurisdiktion ist die Gerichtsbarkeit, d. h. die sich aus der Souveränität eines Staates ergebende Befugnis, durch seine Gerichte Hoheitsrechte über eine bestimmte Person oder einen bestimmten Gegenstand auszuüben.5 Die Frage nach dem Vorliegen der Jurisdiktion des Forumstaates geht der Frage nach einer Immunität von dieser Jurisdiktion voraus.6 Jurisdiktion setzt das Vorliegen eines sinnvollen Anknüpfungspunktes (sog. „genuine link“) zum Forumstaat voraus.7 Bei allen Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen müsste also grundsätzlich zunächst das Voliegen eines solchen Anknüpfungspunktes festgestellt werden. Wenn dieser nicht besteht, ist schon aus diesem Grund die Ausübung der Gerichtsbarkeit völkerrrechtswidrig. Der wichtigste Anknüpfungspunkt ist die Territorialität. Der Forumstaat besitzt Gerichtsbarkeit, wenn eine Verbindung zu seinem Territorium besteht.8 Eine solche wird durch die Anwesenheit des Beklagten auf seinem Gebiet, sei3 Siehe statt vieler: Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 616 ff.; Herndl, JBl. 1962, 15 ff. Siehe unten: Erster Teil, D. 4 Malanczuk, S. 109. 5 Kren Kostkiewicz, S. 104; Geimer, S. 148, Rn. 371. 6 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 46. 7 Vgl. im Hinblick auf die Bestimmung der Nationalität das Urteil des IGH im Fall Nottebohm: IGH, „Nottebohm-Case“, Liechtenstein v. Guatemala, Urt. v. 18.11.1953, ICJ Rep. 1955, 4; Verdross/Simma, S. 778, § 1183. 8 Siehe statt vieler: Hobe/Kimminich, S. 97.
A. Staatenimmunität und Abgrenzungen zu anderen Rechtsinstituten
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nen dortigen Aufenthalt oder Wohnsitz hergestellt. Darüber hinaus ist eine ausreichende Verbindung auch dann vorhanden, wenn über ein im Forumstaat stattfindendes Verhalten entschieden werden soll (sog. Forumstaatsdelikte). Diese Konstellation der Menschenrechtsverletzungen auf fremden Staatsgebiet war in dem oben (siehe Einleitung, A.) dargestellten Fall Letelier v. Republic of Chile gegeben. Problematischer ist es, wenn ein Verhalten nur Auswirkungen im Forumstaat hat (sog. Wirkungsprinzip oder objektives Territorialitätsprinzip). Als weiterer Anknüpfungspunkt wird die Staatsangehörigkeit genannt. Es ist anerkannt, dass ein Gerichtsstaat über einen Auslandssachverhalt urteilen darf, wenn es um das Handeln seiner eigenen Staatsbürger geht (sog. aktives Personalitätsprinzip).9 Im Bereich des Zivilrechts ist es noch streitiger als bei der Jurisdiktion in Strafsachen, ob Angriffe auf eigene Staatsbürger die Grundlage für eine Jurisdiktion bilden können (sog. passives Personalitätsprinzip).10 Als Anknüpfungspunkt für die Jurisdiktion eines Staates wird auch das sog. Schutzprinzip diskutiert. Es begründet die Jurisdiktion eines Staates, wenn sein Bestand oder seine Unabhängigkeit bedroht ist. Es reicht nicht, dass der Staat beliebige Interessen für die Ausübung von Jurisdiktion geltend machen kann.11 Bei Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzung kommt als Anknüpfungspunkt für die Ausübung der Gerichtsbarkeit vor allem das Universalitätsoder Weltrechtsprinzip in Betracht. Im Bereich des Strafrechts wird anerkannt, dass es auch ohne Bestehen eines Anknüpfungspunktes Sachverhalte gibt, für die jeder Staat im Gemeininteresse Regelungen treffen darf.12 Die gewohnheitsrechtliche Verankerung des Universalitäts- oder Weltrechtsprinzips bei zivilrechtlichen Klagen ist bisher ungeklärt.13 Die Europäische Kommission beschäftigte sich in ihrem Amicus Brief zum Fall Sosa v. Alvarez Machain vor dem US Supreme Court mit der Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips auf zivilrechtliche Klagen.14 Das US-amerikanische 9
Malanczuk, S. 111; Herdegen, § 26, Rn. 9. Shaw, S. 589 f. 11 Siehe hierzu: Schachter, S. 254. 12 Herdegen, § 26, Rn. 13, S. 189; Shaw, S. 592 ff. 13 Das Universalitätsprinzip wird bei Schadensersatzverfahren in den Vereinigten Staaten angewandt. Siehe: US Court of Appeals, 2nd Circuit, Filartiga v. Peña-Irala, Entsch. v. 30.06.1980, 630 F.2d 876; US Court of Appeals, 9th Circuit, Agapita Trajano v. Ferdinand E. Marcos und Imee Marcos-Manotoc, Entsch. v. 21.10.1992, 978 F.2d 493, 499 (Zivilgerichtsbarkeit über auf Folter gestützte Klagen); dafür auch: Randall, Federal Courts and the International Human Rights Paradigm, 1990, S. 157; Paust, 49 Houston J. Int’l L. 49, 69 (1985). Kritisch: Tomuschat, S. 308; Lüke, S. 58. 14 Brief of Amicus Curiae the European Commission in support of neither party, in dem Fall: Jose Francisco Sosa, Petitioner, v. Humberto Alvarez-Machain et al., Respondents, On writ of Certiorari to the United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, 23.01.2004, 2003 U.S. Briefs 339, 1. 10
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Alien Tort Statute15 (ATS) könne in Fällen, in denen die Vereinigten Staaten die „jurisdiction to prescribe“ besäßen, so interpretiert werden, dass es alle deliktischen Handlungen, die das Völkerrecht verletzten, inkorporiere. Wenn keine der klassischen Jurisdiktionsgrundlagen eingreife, komme das Weltrechtsprinzip in Betracht. Soweit universelle Zivilgerichtsbarkeit („universal civil jurisdiction“) anerkannt werde, finde sie aber nur in einer engen Kategorie von Fällen Anwendung. In der Kommentierung zum Restatement Third des Foreign Relations Law of the United States16 und in der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – ICTY)17 wird vertreten, dass das Weltrechtsprinzip nicht auf den Bereich des Strafrechts beschränkt sei, sondern auch auf zivilrechtliche Entschädigungsklagen angewandt werden könne. Bei der Übertragung der für den Bereich des Strafrechts entwickelten Grundsätze auf zivilrechtliche Entschädigungsklagen sind jedoch die strukturellen Unterschiede zwischen ziviler und strafrechtlicher Jurisdiktion zu beachten. Dies betont auch die Europäische Kommission in ihrem Amicus Brief.18 Sie verweist auf Einschränkungen der Ausübung nationaler Strafgerichtsbarkeit, die bei der Zivilgerichtsbarkeit grundsätzlich nicht bestehen. Strafverfolgungsbehörden würden normalerweise erst tätig, wenn der Beschuldigte sich in staatlicher Obhut befinde. Die Verfahren würden i. d. R. von staatlichen Behörden eingeleitet, die bei ihren Entscheidungen einen gewissen Spielraum besäßen, bei dem sie auch Aspekte in Betracht ziehen können, die gegen eine Verfahrenseinleitung sprechen. Die Kommission erkennt auch, dass einige Rechtssysteme in Strafverfahren die Möglichkeit einer Entschädigung des Opfers vorsehen,19 sodass eine strikte Trennung zwischen beiden Jurisdiktionsarten schwierig ist. Da im Hinblick auf durch Privatpersonen eingeleitete Verfahren eine größere Gefahr missbräuchlicher Verfahrenseinleitung besteht20 als bei den durch staatliche Behörden initiierten Strafverfahren, ist bei der Anwendung des Weltrechtsprinzips auf zivilrechtliche Entschädigungsklagen Vorsicht geboten. Es be-
15 Alien Tort Statute, 24.09.1789, 28 U.S.C. § 1350. Das Alien Tort Statute wird auch Alien Tort Claims Act (ATCA) genannt. 16 ALI, Restatement of the Law, The Foreign Relations Law of the United States, vol. I, §§ 1–488, 14.05.1986, § 404, cmt. B. 17 ICTY, Prosecutor v. Furundzija, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317, 349 (1999), Ziff. 155. 18 Brief of Amicus Curiae the European Commission in support of neither party, 2003 U.S. Briefs 339, 1, 19. 19 Vgl. im deutschen Recht das sog. Adhäsionsverfahren in § 403–406 c StPO. 20 Lüke, S. 60.
A. Staatenimmunität und Abgrenzungen zu anderen Rechtsinstituten
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darf einer Begrenzung. Einen diskussionswürdigen Ansatz vertritt die Europäische Kommission. Voraussetzung der Anwendbarkeit des Universalitätsprinzips in Zivilverfahren soll sein, dass der Kläger zunächst die Rechtsbehelfe im Verletzerstaat erschöpft (sog. local remedies rule) und er auf der Grundlage der anerkannten Prinzipien wie Territorialität oder Personalität keinen Rechtsschutz gefunden hat.21 Die Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips auf zivilrechtliche Klagen ist noch nicht absolut anerkannt und bedarf einer restriktiven Handhabung. Es wird deutlich, dass bei Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen außer bei Forumstaatsdelikten bereits das Vorliegen der Gerichtsbarkeit als Vorfrage zur Immunität problematisch ist.
III. Internationale Zuständigkeit Der Begriff der Jurisdiktion wird nicht immer klar von dem Begriff der internationalen Zuständigkeit unterschieden. Überwiegend, insbesondere auch im deutschen internationalem Verfahrensrecht, erfolgt eine Differenzierung.22 Internationale Zuständigkeit setzt das Vorhandensein der Gerichtsbarkeit voraus.23 Mit seinen Regeln zur internationalen Zuständigkeit definiert ein Staat, über welche Angelegenheiten mit extraterritorialem Bezug seine Gerichte entscheiden.24 Während die Gerichtsbarkeit absteckt, inwieweit der Staat Rechtsprechungsaufgaben wahrnehmen darf, legen die Regeln der internationalen Zuständigkeit fest, in welchem Umfang ein Staat von dieser Gerichtsbarkeit Gebrauch machen will. Durch die Festlegung soll vermieden werden, dass Streitigkeiten, die keinen Bezug zum Inland haben und an denen kein öffentliches Interesse besteht, vor die Gerichte des Landes gebracht werden.25
IV. Act of State Doctrine Von der Staatenimmunität abzugrenzen ist auch die sog. „Act of State Doctrine“. Diese aus dem angloamerikanischen Rechtskreis stammende Lehre besagt, dass Gerichte nicht über die Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit der Ho21 Brief of Amicus Curiae the European Commission in support of neither party, 2003 U.S. Briefs 339, 1, 4. Das Universalitätsprinzip wird also ähnlich wie die Komplementariät des Internationalen Strafgerichtshofs gehandhabt. Siehe: Art. 17 Abs. 1 a), b) des Rom Statuts (Rome Statute of the International Criminal Court, 17.07.1998, 2187 UNTS 3). 22 Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615; Geimer, S. 249, Rn. 644. 23 BGH, Urt. v. 26.06.2003, NJW 2003, 3488 f. = DVBl. 2004, 37 = 42 ILM 1027, 1045 (2003). 24 Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615. 25 Kren Kostkiewicz, S. 104.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
heitsakte fremder Staaten etwa als Vorfrage in einem Streitfall, in dem der fremde Staat nicht beteiligt ist, urteilen dürften.26 Akte, die eine Regierung im Hinblick auf Personen, Sachen oder Rechte, die sich auf ihrem Staatsgebiet befinden, setzt und die Rechtswirkungen, die diese Akte im Ausland nach sich ziehen, müssen hiernach von den Organen der inneren Vollziehung eines Staates (Gerichte und Verwaltungsbehörden) als rechtmäßig angesehen werden.27 Die Act of State Doctrine ist nur in der amerikanischen und britischen Rechtsordnung enthalten. Hier hat sie im Rahmen der Begründetheitsprüfung die Funktion, die Zuständigkeiten zwischen exekutiver und judikativer Gewalt abzugrenzen.28 Eine völkergewohnheitsrechtliche Regel, wonach sich der Gerichtsstaat nicht nur dann zurückhalten müsse, wenn der ausländische Staat und seine Organe unmittelbar zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, sondern auch dann, wenn die Verfahrensbeteiligten Privatleute sind, deren Rechtsverhältnisse aber von der Rechtmäßigkeit ausländischer Hoheitsakte abhängig sind, besteht nicht.29
B. Verankerung der Staatenimmunität im Völkerrecht Nachdem der Begriff der Staatenimmunität festgestellt und zu anderen Rechtsbegriffen abgegrenzt worden ist, stellt sich die Frage, ob ein völkerrechtlicher Rechtssatz der Staatenimmunität überhaupt existiert. Wenn dies nicht der Fall ist, wären der Ausübung der Gerichtsbarkeit bei schweren Menschenrechtsverletzungen jedenfalls durch die Immunität keine Grenzen gesetzt. In vielen Abhandlungen zur Staatenimmunität wird die Existenz einer Völkerrechtsregel der Staatenimmunität unterstellt. Bei genauerem Hinschauen erscheint dies jedoch äußerst umstritten.
I. Einwände gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Gewährung von Immunität In der US-amerikanischen Gerichtspraxis ist häufig die Sichtweise zu finden, dass Staatenimmunität in erster Linie aufgrund von comity gewährt werde.30 26 Fonteyne, in: Bernhardt, EPIL, Bd. I, 1992, S. 17 ff.; Sinclair, RdC 167 (1980 II), 113, 213 f. 27 Hobe/Kimminich, S. 346 f. 28 US Supreme Court, Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, Entsch. v. 23.03. 1964, 376 U.S. 398. 29 BVerfG, Beschl. v. 10.06.1997, E 96, 68, 90; Dahm, S. 153, 175 ff.; Heß, JBl. 1989, 285, 290. 30 Vgl. etwa: US Supreme Court, Verlinden BV v. Central Bank of Nigeria, Entsch. v. 23.05.1983, 461 U.S. 480, 486: „foreign sovereign immunity is a matter of grace and comity [. . .] and not a restriction imposed by the Constitution“; US Court of
B. Verankerung der Staatenimmunität im Völkerrecht
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Auf dieser Linie bewegen sich auch Literaturstimmen, die die Staatenimmunität in „practical courtesy“ verankert sehen.31 Als „comity“ im Sinne der klassischen Definition werden solche Handlungen, Praktiken und Regelungen des goodwill bezeichnet, die Staaten im gegenseitigen Umgang miteinander ohne das Gefühl einer rechtlichen Verpflichtung vornehmen.32 Das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung (opinio iuris sive necessatis) unterscheidet comity vom Völkergewohnheitsrecht. Bei einer Qualifizierung der Immunitätsgewährung als comity bestünde für eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen keine rechtliche Beschränkung, und die Nichtbeachtung wäre völkerrechtlich folgenlos.33 In dieser Weise argumentiert u. a. Caplan, nach dessen Auffassung das Völkergewohnheitsrecht nicht dazu zwinge, Immunitätsschutz für Menschenrechtsverletzungen zu gewähren. Jegliche Immunität, die ein Staat erhalte, werde ausschließlich aufgrund nationalen Rechts gewährt, indem der Territorialstaat freiwillig auf seine Jurisdiktion verzichte.34
II. Analyse, ob die Immunitätsgewährung auf völkerrechtlicher Verpflichtung beruht Es ist erforderlich zu untersuchen, ob Staaten anderen Staaten Immunität aufgrund einer völkerrechtlichen Verpflichtung oder nur als freundliches Entgegenkommen, um Missstimmungen in der Staatengemeinschaft zu vermeiden, gewähren. 1. Praxis in den Vereinigten Staaten Zunächst soll als einer der leading cases, aus denen die Befreiung ausländischer Staaten von der Gerichtsbarkeit des Forumstaates abgeleitet wird, der Fall The Schooner Exchange v. Mc Faddon35 betrachtet werden. Appeals, 9th Circuit, Maria V. Altmann v. Republic of Austria, Entsch. v. 12.12.2002, 317 F.3d 954, 965: „[. . .] [t]he Austrians could not have had any expectation, much less a settled expectation, that the State Department would have recommended immunity as a matter of grace and comity for the wrongful appropriation of Jewish property“. Dissenting Opinion of Judge Wald, in: US Court of Appeals, District of Columbia Circuit, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 1.07.1994, 26 F.3d 1166, 1176. 31 Caplan, 97 AJIL 741, 751 (2003); Orakhelashvili, EJIL 2003, 529, 557 ff. 32 Macalister-Smith, in: Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 671. 33 So auch: Caplan, 97 AJIL 741, 755 (2003). 34 Caplan, 97 AJIL 741, 757 (2003). 35 US Supreme Court, The Schooner Exchange v. McFaddon, Entsch. v. 24.02. 1812, 11 U.S. 116 (Cranch).
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
a) Ausgangspunkt: Die Entscheidung des Supreme Court im Fall Schooner Exchange und ihre Bewertung Das Schiff „Schooner Exchange“ war als Kriegsschiff des französischen Herrschers Napoleon in den Hafen von Philadelphia eingelaufen. Der frühere Eigentümer Schooner erhob unter Berufung darauf, dass ihm das Schiff 1810 auf Hoher See von französischen Seestreitkräften weggenommen und daraufhin in ein Kriegsschiff umgewandelt wurde, Klage auf Herausgabe des Schiffes. Der Chief Justice am Supreme Court, Marshall, betonte, dass die Jurisdiktion eines Staates exklusiv und absolut und keinen Beschränkungen unterworfen sei, außer denjenigen, die der Staat sich selbst auferlege: „The jurisdiction of the nation within its territory is necessarily exclusive and absolute. It is susceptible of no limitation not imposed by itself.“36
Im nächsten Schritt befand der Richter, dass weder ausländische Souveräne noch souveräne Rechte Gegenstand dieser absoluten territorialen Jurisdiktion seien. Ein Souverän schulde gegenüber dem anderen keinen Gehorsam. „This full and absolute territorial jurisdiction being alike the attribute of every sovereign, and being incapable of conferring extra-territorial power, would not seem to contemplate foreign sovereigns nor their sovereign rights as its objects. One sovereign being in no respect amenable to another [. . .].“
Chief Justice Marshall nennt die Gleichheit und Unabhängigkeit der Souveräne und das gemeinsame Interesse am gegenseitigen Umgang und am Austausch guter Beziehungen miteinander als Grundlagen dafür, dass eine Gruppe von Fällen entstanden sei, in denen ein Souverän so verstanden werde, dass er auf die Ausübung eines Teils seiner exklusiven territorialen Jurisdiktion verzichte. „This perfect equality and absolute independence of sovereigns, and this common interest impelling them to mutual intercourse and an interchange of good offices with each other, have given rise to a class of cases in which every sovereign is understood to waive the exercise of a part of that complete exclusive territorial jurisdiction, which has been stated to be the attribute of every nation.“37
Chief Justice Marshall befand einerseits, dass es ein „principle of public law“ sei, dass Kriegsschiffe, die in den offenen Hafen einer anderen Macht einfahren als von der Jurisdiktion dieser Macht befreit anzusehen seien. Diese Formulierung spricht dafür, dass es sich bei der Staatenimmunität um einen bindenden Völkerrechtssatz handelt. „It seems to be a principle of public law, that national ships of war, entering the port of a friendly power open for their reception, are to be considered as exempted by the consent of that power from its jurisdiction.“38 36 37 38
US Supreme Court, 11 U.S. 116, 136. US Supreme Court, 11 U.S. 116, 137. US Supreme Court, 11 U.S. 116, 145 f.
B. Verankerung der Staatenimmunität im Völkerrecht
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Andererseits gesteht der Richter dem Forumstaat aber auch zu, dass er selbst die Jurisdiktionsbeschränkung wieder aufheben könne. Dies müsse er nur unmissverständlich zum Ausdruck bringen. „Without doubt, the sovereign of the place is capable of destroying this implication. He may claim an exercise of jurisdiction either by employing force, or by subjecting such vessels to the ordinary tribunals. But until such power be exerted in a manner not to be misunderstood, the sovereign cannot be considered as having imparted to the ordinary tribunals a jurisdiction, which it would be a breach of faith to exercise.“39
Insgesamt lässt sich dieser Entscheidung nicht deutlich entnehmen, ob Immunität nur aufgrund freiwilliger Selbstbeschränkung staatlicher Jurisdiktion durch das nationale Recht gewährt wird oder, ob Immunität ein bindendes völkerrechtliches Prinzip darstellt. b) Praxis nach der Entscheidung im Schooner-Fall Im Folgenden soll ein Blick auf die Rechtsprechungspraxis nach der Entscheidung des Supreme Court im Fall Schooner Exchange geworfen werden. Der Supreme Court dehnte in seiner Entscheidung zum Fall Berizzi Brothers Company v. Steamship Pesaro40 114 Jahre nach der Entscheidung im SchoonerFall den für Kriegsschiffe bejahten Immunitätsschutz auf Handelsschiffe aus.41 Er befand unter Bezugnahme auf die Völkerrechtslehre, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes vom 24.09.1789, das den Distriktgerichten die Gerichtsbarkeit in Meeresfragen verlieh, ein von allen zivilisierten Nationen akzeptiertes Rechtsprinzip bestanden habe, dass eine souveräne Macht Klagen nicht unterworfen sei und sich dieser Ausschluss der Klagbarkeit auch auf das Eigentum eines Souveräns erstrecke: „At the time of the adoption of the Act of September 24, 1789, it was a principle of law accepted among all civilized nations that sovereignty was not subject to suit, and it was recognized and agreed by the founders that grants of jurisdictional power embodied in the Federal Constitution should, in their construction, be limited accordingly. [. . .] The principle of the non-suability of a sovereign power was also then considered as extending to the sovereign’s property.“
Staatenimmunität wird in dieser Entscheidung als Rechtsprinzip und nicht nur als freiwilliger Jurisdiktionsverzicht verstanden.42 39
US Supreme Court, 11 U.S. 116, 146. US Supreme Court, Berizzi Brothers Company v. Steamship Pesaro, Entsch. v. 7.06.1926, 271 U.S. 562. 41 US Supreme Court, 271 U.S. 562, 574. 42 So wird diese Entsch. auch in der späteren Rechtsprechung interpretiert. Siehe: US District Court, S.D. New York, Carl Marks & Co., Inc. et al. v. Union of Soviet Republics, Entsch. v. 31.07.1987, 665 F.Supp. 323, 337. 40
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Auch in den späteren Entscheidungen gewährten die US-amerikanischen Gerichte ausländischen Staaten Immunität allerdings weniger unter Berufung auf die Staatenpraxis als vielmehr aufgrund der Politik des State Department, das sog. „suggestions of immunity“ machte. Der Supreme Court vertrat in dem Fall Republic of Mexico v. Hoffman die Auffassung, es sei nicht Sache der Gerichte, Immunität zu gewähren, wenn die Regierung sie nicht erlaubte oder Immunität zu verneinen, wenn die Regierung sie anerkannte.43 Die Entscheidung über die Gewährung von Immunität scheint hiernach ganz in der Hand der Exekutive zu liegen, die sich wiederum an den nationalen Interessen orientiert. Diese Praxis führt zu einer Erschwerung der Erkenntnismöglichkeiten von Völkerrechtssätzen auf dem Gebiet des Immunitätsrechts. Die Entscheidungen der Exekutive, denen die Gerichte folgen, können nur vorsichtig als Erkenntnismittel herangezogen werden, da es schwer ersichtlich ist, ob sie aus rechtlichen oder politischen Gründen getroffen wurden.44 Andererseits ist unbestritten, dass ein Gericht Immunität auch gewähren konnte, wenn eine Stellungnahme der Exekutive nicht vorlag. Damit beschränkte sich die Stellungnahme der politischen Behörden darauf, eine über das von den Gerichten in eigener Anwendung der einschlägigen Regeln gewährte Maß hinausgehende Immunität durchzusetzen.45 Deshalb lassen sich bis in die Mitte des 20. Jh. auch keine US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen finden, in denen keine Immunität gewährt wurde. Trotz der zu Beginn des 20. Jh. ausgeübten Einflussnahmen der Exekutive auf die Entscheidung über die Immunitätsgewährung ist festzustellen, dass die amerikanische Rechtspraxis überwiegend davon ausging, dass das Prinzip der Immunität fremder Staaten auf einer Norm des Völkergewohnheitsrechts beruhe.46 Auch das State Department schien davon auszugehen. Der Legal Adviser des State Department, Jack B. Tate, erkannte, dass die Exekutive die Gerichte nicht kontrollieren könne, die Gerichte aber mit weniger Wahrscheinlichkeit eine Berufung auf Immunität zulassen würden, wo die Exekutive dies abgelehnt habe. Die Vereinigten Staaten erkannten, dass in praktisch allen Ländern die nationalen Gerichte über Staatenimmunität als völkerrechtliche Frage entschieden und dass die USA, wenn sie vor ausländischen Gerichten verklagt wurden, nicht von einer nationalen Behörde eine „suggestion of immunity“ ersuchen konnten. Dies führte zum Erlass des Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) im Jahre
43 US Supreme Court, Republic of Mexico v. Hoffmann, Entsch. v. 5.02.1945, Annual Digest and Reports of Public International Law Cases 1943–1945, 143, 145. 44 Alexy, ZaöRV 22 (1962), 661, 692. 45 Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 10. 46 Alexy, ZaöRV 22 (1962), 661, 695.
B. Verankerung der Staatenimmunität im Völkerrecht
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1976,47 in dem der Kongress die Jurisdiktion der US-amerikanischen Gerichte festlegte. § 1602 FSIA bringt das Ziel des Kongresses zum Ausdruck, dass mit dem Erlass des Gesetzes die Gerichte über Immunitätsfragen entscheiden sollen. Damit soll die Entscheidung über die Immunitätsgewährung frei von Einflussnahmen ausländischer Regierungen, die das State Department zu einer „suggestion of immunity“ drängen könnten, erfolgen.48 Die Normierung soll die völkerrechtlichen Mindestverpflichtungen zur Gewährung von Immunität berücksichtigen. In den Materialien zum FSIA wird Immunität als eine Lehre des Völkerrechts bezeichnet, wonach nationale Gerichte auf die Jurisdiktion über einen ausländischen Staat verzichten: „Sovereign Immunity is a doctrine of international law under which domestic courts, in appropriate cases, relinquish jurisdiction over a foreign state.“49
Der Kongress ging beim Erlass des FSIA davon aus, dass Staatenimmunität eine Regel des Völkerrechts sei. In eine andere Richtung weist die aktuelle Entscheidung des Supreme Court im Fall Austria v. Altmann.50 Das Gericht argumentierte nicht mit der Völkerrechtspraxis, sondern mit der der US-Gerichte und des State Department, also allein der nationalen Rechtspraxis. Vor 1976 hätten ausländische Staaten eine berechtigte Erwartung als eine Frage von comity gehabt, dass US-Gerichte ihnen Immunität für hoheitliches Handeln gewährten, aber sie hätten kein Recht auf Immunität besessen: „Prior to 1976 foreign States had a justifiable expectation that, as a matter of comity, United States courts would grant them immunity for their public acts (pro47 Der FSIA ist in den US-Code 28 über die Gerichte und das Gerichtsverfahren eingegliedert. Foreign Sovereign Immunities Act, 21.10.1976, 28 USC §§ 1602–1611, auch abgedruckt in: 15 ILM 1388 (1976). 48 Dieses Ziel wird in der Begründung zum FSIA unterstrichen: „A principle purpose of this bill is to transfer the determination of sovereign immunity from the executive branch to the judicial branch, thereby reducing the foreign policy implications of immunity determinations and assuring the litigants that these often crucial decisions are made on purely legal grounds and under procedures that insure due process. The Department of would be freed from pressures from foreign governments to recognize their immunity from suit and from any adverse consequences resulting from an unwillingness of the Department to support that immunity.“ Siehe: Congressional Committee Report on the Jurisdiction of United States Courts in Suits against foreign States, 9.09.1976, H.R. Rep. 94-1487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6606; auch abgedruckt in: 15 ILM 1398, 1402 (1976). 49 H.R. Rep. 94-1487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6606, auch abgedruckt in: 15 ILM 1398, 1402 (1976). 50 US Supreme Court, Republic of Austria et al. v. Maria V. Altmann, Entsch. v. 25.02.2004, 124 S. Ct. 2240; siehe die Entscheidung in der Vorinstanz: US Court of Appeals, 9th Circuit, Maria V. Altmann v. Republic of Austria et al., Entsch. v. 12.12. 2002, 317 F.3d 954.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger vided the State Department did not recommend otherwise), but they had no ,right‘ to such immunity.“51
Da die Richtermehrheit des Supreme Court den Rechtscharakter der Immunität verneinte, sah sie sich auch nicht durch das Völkerrecht gehindert, das Immunitätsgesetz rückwirkend auf Geschehnisse vor seinem Erlass anzuwenden. 2. Praxis weiterer nationaler Gerichte In der Praxis der Gerichte europäischer Staaten wird deutlich, dass Immunität aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen gewährt wird. Das Reichsgericht befand, dass ein völkerrechtlicher Grundsatz bestehe, dass ausländische Staaten selbst in reinen Privatrechtsstreitigkeiten grundsätzlich von der inländischen Gerichtsbarkeit befreit seien.52 Die Leitentscheidung in der Rechtsprechungspraxis des Vereinigten Königreichs ist die des Court of Appeal im Fall Parlement Belge, in dem das Gericht die Immunität eines belgischen Schiffes, das Post zwischen Dover und Ostende transportierte und das auch für Handelszwecke verwendet wurde, bejahte.53 Die absolute Unabhängigkeit jeder souveränen Autorität und international comity veranlasse jeden Staat, die Unabhängigkeit und Würde jedes anderen souveränen Staates zu respektieren und von seiner territorialen Jurisdiktion abzusehen: „The principle to be deduced from all these cases is that, as a consequence of the absolute independence of every sovereign authority, and of the international comity which induces every sovereign state to respect the independence and dignity of every other sovereign state, each and every one declines to exercise by means of its Courts any of its territorial jurisdiction over the person of any sovereign or ambassador of any other state or over the public property of any state which is destined to public use, or over the property of any ambassador, though such sovereign, ambassador, or property be within its territory, and, therefore, but for the common agreement, subject to its jurisdiction.“54
Das House of Lords bestätigte im Fall The Cristina, in dem es um die Immunität eines Schiffes, das im Dienst der spanischen Regierung stand, ging, den Grundsatz, dass ein souveräner Staat ohne sein Einverständnis weder direkt noch indirekt vor den Gerichten eines anderen Staates verklagt werden könne.55 In einer aktuellen Entscheidung des House of Lords betonte Lord Millett, dass
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US Supreme Court, 124 S.Ct. 2240, 2251. RG, Urt. v. 10.12.1921, Z 103, 274, 275 ff. 53 Court of Appeal, The Parlement Belge, Entsch. v. 27.02.1880, 5. P.D. 197 (1880). 54 Court of Appeal, 5. P.D. 197, 217. 55 House of Lords, The Cristina, Entsch. v. 3.03.1938, Annual Digest and Reports of Public International Law Cases, Years 1938–1946, 250, 252 ff. 52
B. Verankerung der Staatenimmunität im Völkerrecht
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Staatenimmunität ein Geschöpf des Völkerrechts sei, das sich aus dem Prinzip der souveränen Staatengleichheit ableite. Es handle sich nicht um eine Jurisdiktionsbegrenzung, die sich das Vereinigte Königreich selbst auferlegt habe, sondern um eine Begrenzung der Souveränität des Vereinigten Königreichs von außen: „State immunity [. . .] is a creature of customary international law and derives from the equality of sovereign states. It is not a self-imposed restriction on the jurisdiction of its courts which the United Kingdom has chosen to adopt. It is a limitation imposed from without upon the sovereignty of the United Kingdom itself.“56
Auch in Staaten außerhalb Europas lassen sich Gerichtsentscheidungen finden, die deutlich machen, dass Staatenimmunität kraft rechtlicher Verpflichtung gewährt wird. So spricht das Berufungsgericht aus dem ägyptischen Alexandrien in einer Entscheidung aus dem Jahre 1920 von der Regel des Völkerrechts, die aus der Unabhängigkeit und Souveränität der Staaten abgeleitet werde, dass ein Staat nicht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten unterworfen sei.57 3. Praxis internationaler Gerichte Der Internationale Gerichtshof untersuchte im Haftbefehls-Fall, ob dem kongolesischen Außenminister Immunitätsschutz bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zukomme. Der Gerichtshof überprüfte dies anhand des Völkergewohnheitsrechts und verneinte schließlich eine völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme.58 Dass Staatenimmunität eine Völkerrechtsregel darstellt, wird – anscheinend als selbstverständlich – unterstellt. Die Bestimmung der Rechtsnatur der Staatenimmunität durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erscheint dagegen nicht ganz klar. Der Gerichtshof bezeichnet die Staatenimmunität einerseits als völkerrechtliches Konzept („concept of international law“), das aus dem Prinzip „par in parem non habet imperium“ hervorgehe. Anschließend heißt es aber, dass die Gewährung der Staatenimmunität im Rahmen eines Zivilprozesses das legitime Ziel der Beachtung des Völkerrechts verfolge, um den höflichen Umgang (comity) und die guten Beziehungen zwischen den Staaten durch Achtung der Souveränität anderer Staaten zu fördern.59 56 Lord Millett, in: House of Lords, Holland v. Lampen-Wolfe, Urt. v. 20.07.2000, 119 ILR 367, 383 f. (2002). 57 Cour d’Appell mixte d’Alexandrie, Entsch. v. 24.11.1920, Clunet 48 (1921), 270. 58 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 58. 59 EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 54; EGMR, McElhinney v. Ireland, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
4. Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft Lauterpacht vertrat in einem 1951 erschienenen Beitrag, der in der Völkerrechtswissenschaft viel Aufmerksamkeit fand, die Auffassung, dass es im Völkerrecht keine Regel gebe, die Staaten dazu verpflichte, anderen Staaten Immunität zu gewähren.60 Wenn Immunität gegenüber fremder Jurisdiktion eine Regel des Völkerrechts sei, könne nicht erklärt werden, warum diese Regel im Lauf der Zeit nur noch für einen Teil staatlichen Handelns gelten solle. Lauterpacht erkannte aber auch, dass er sich zu der im völkerrechtlichen Schrifttum fast einheitlich vertretenen Auffassung in Widerspruch setzte. Die ganz überwiegende Völkerrechtslehre betont den Rechtscharakter der Staatenimmunität, die jedoch als Norm des Völkergewohnheitsrechts als veränderbar behandelt wird.61 Besonderes Gewicht maß dagegen die sowjetrussische Rechtslehre dem Grundsatz der Staatenimmunität zu. Hiernach wurde die Staatenimmunität nicht als bloße Norm des Völkergewohnheitsrechts, die bei einer Veränderung der Staatenpraxis Wandlungen unterworfen ist, qualifiziert. Vielmehr sollte die Immunität als Ausfluss staatlicher Souveränität so lange unabänderlich sein, wie der Staat unabhängig und souverän sei.62 In der US-amerikanischen Rechtswissenschaft wird die Auffassung, dass Immunität kraft Völkerrechts zu gewähren sei, auch vertreten. Eine Gruppe von amerikanischen Rechtswissenschaftlern des sog. American Law Institute (ALI), erarbeitete ein als Zusammenfassung der Rechtsregeln des common law gedachtes Dokument, das Restatement Third des Foreign Relations Law of the United States. In § 451 des Restatement Third kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass Staatenimmunität eine Regel des Völkerrechts sei: „Under international law, a state or state instrumentality is immune from the jurisdiction of the court of another state, except with respect to claims arising out of activities of the kind that may be carried on by private persons.“63
Das Restatement wird, obwohl ihm nicht die Autorität eines nationalen Gesetzes zukommt (bloße sog. secondary source), im Rahmen rechtlicher Argumentation auch von den US-amerikanischen Gerichten herangezogen.
2002, 411, Ziff. 35; EGMR, Fogarty v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 157, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415, Ziff. 34. 60 Lauterpacht, 28 British Yb. Int’l L. 220, 228. 61 Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 17 ff.; Hess, S. 29; Fox, S. 17; Kren Kostkiewicz, S. 104; Hobe/Kimminich, S. 347; Verdross/Simma, S. 762 ff., § 1168 ff. 62 Boguslawskij, S. 20 f. 63 ALI, Restatement of the Law, The Foreign Relations Law of the United States, 1987, vol. I, § 451.
B. Verankerung der Staatenimmunität im Völkerrecht
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5. Bewertung Die Praxis in den USA zeigt ein uneinheitliches Verständnis der Rechtsnatur der Staatenimmunität. Wenngleich in manchen Entscheidungen Immunitätsschutz mit comity begründet wird, so ist zu beachten, dass der Begriff comity sehr unterschiedlich verwendet wird. In einigen Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte werden die Begriffe „comity“ und „International Law“ in einem Atemzug genannt. Unter „comity“ wird auch nicht allein Höflichkeit und guter Wille verstanden. Der Gedanke ist vielmehr, dass ausländischen Staaten das zugestanden werden soll, was man auch von diesen erwartet.64 Der Supreme Court verkennt in seiner Entscheidung im Fall Altmann die Anmerkungen des Kongresses, wonach die Gewährung von Staatenimmunität durch das Völkerrecht geboten sei. Außerhalb der Vereinigten Staaten wird fast einhellig davon ausgegangen, dass Staatenimmunität seine Wurzeln im Völkergewohnheitsrecht habe. Dem Argument von Lauterpacht, dass sich nicht erklären lasse, warum die mutmaßliche Immunitätsregel nur noch für einen Teil staatlichen Handelns gelten solle, kann mit einem Verweis auf die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts entgegengetreten werden. Dass es schwierig ist, zu bestimmen, wann das Völkerrecht Immunitätsschutz erfordert und wann nicht, ist kein Argument, den Rechtscharakter des Immunitätsschutzes ganz infrage zu stellen.
III. Ergebnis Staatenimmunität wird aufgrund Völkergewohnheitsrechts und nicht aufgrund freiwilliger Jurisdiktionsbeschränkung gewährt. Eine Abschaffung der Staatenimmunität, wie sie teilweise gefordert wird,65 kann damit nur unter den Voraussetzungen der Bildung einer neuen völkergewohnheitsrechtlichen Regel erfolgen. Wenn ein Staat in Fällen, in denen Immunität besteht, diese verneint, verletzt er das Völkerrecht. Ein Staat ist grundsätzlich aber nicht gehindert, weiter gehende Immunitäten zu gewähren als das Völkerrecht es verlangt.66
64 Siehe hierzu etwa: US District Court, E.D. New York, Lafontant v. Aristide, Entsch. v. 27.01.1994, 844 F.Supp. 128, 132: „[. . .] neither a matter of absolute obligation nor of mere courtesy and good will but it is the recognition which one nation allows within its territory to the legislative executive or judicial acts of another nation, having due regard both to international duty and convenience, and to the rights of its own citizens or other persons who are under the protection of its laws.“ 65 Garnett, 20 Australian Yb. Int’l L. 175 (1999). 66 Damrosch/Henkin/Crawford Pugh/Schachter/Smit, S. 1197.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
C. Jurisdiktion und Staatenimmunität: Grundsatz und Ausnahme? Nach der Feststellung, dass Staatenimmunität eine Regel des Völkerrechts darstellt, ist aber noch nicht die Frage geklärt, wie das Verhältnis zur Jurisdiktion des Forumstaates ist. Zu untersuchen ist, ob im Grundsatz die Jurisdiktion des Forumstaates Vorrang hat, sodass die Immunität des beklagten Staates im Einzelfall immer nachgewiesen werden muss, oder, ob grundsätzlich vom Bestehen staatlicher Immunität auszugehen ist, sodass Ausnahmen von dieser eines ausdrücklichen Nachweises bedürfen.
I. Jurisdiktion des Forumstaates und Nichtbestehen von Staatenimmunität als Regelfall Es wird, u. a. unter Bezugnahme auf die Formulierung im Schooner-Fall, wonach die Jurisdiktion eines Staates innerhalb seines eigenen Staatsgebiets „exclusive and absolute“ ist, vertreten, dass die Staatenimmunität nur eine Ausnahme zu der Gerichtsbarkeit des Forumstaates ist, die das alles überragende Prinzip sei.67 Immunität sei nicht die Regel, von der Ausnahmen gerechtfertigt werden müssen. Vielmehr sei die Jurisdiktion des Forumstaates und das Nichtbestehen von Immunität die Regel. Diese Sichtweise hat auch Bedeutung für die Beurteilung der staatlichen Immunität bei Menschenrechtsverletzungen. Nach Auffassung von Caplan ist aus einer Analyse der Fälle, in denen Staaten anderen Staaten Immunität gewährten, abzuleiten, dass der Immunitätsschutz eines Staates, der fundamentale Menschenrechte verletzt, nie bestanden habe. Im Schooner-Fall habe der Chief Justice die Rechtfertigung für die Gewährung von Immunität in dem wechselseitigen Nutzen, dem „mutual benefit“, für die Staatengemeinschaft gesehen.68 Caplan versucht auch mit den Ausführungen des IGH im Haftbefehls-Fall zu argumentieren.69 Er will das Kriterium des Nutzens für die Staatengemeinschaft und zwischenstaatlichen Beziehungen zum entscheidenden Abgrenzungsmerkmal erheben.70 Dabei knüpft er an Ausführun-
67 Sinclair, RdC 167 (1980 II), 113, 215; Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 24 f.; Albert, S. 34; Kren Kostkiewicz, S. 280. 68 Caplan bezieht sich hier auf die Formulierung: „[. . .] common interest impelling them to mutual intercourse and an interchange of good offices with each other, have given rise to a class of cases in which every sovereign is understood to waive the exercise of a part of that complete exclusive territorial jurisdiction [. . .].“ US Supreme Court, The Schooner Exchange v. McFaddon, Entsch. v. 24.02.1812, 11 U.S. 116, 137. 69 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3. 70 Caplan, 97 AJIL 741, 759 und 777 (2003).
C. Jurisdiktion und Staatenimmunität: Grundsatz und Ausnahme?
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gen des Gerichtshofs an, die den Immunitätsschutz von Außenministern mit dem Erfordernis der effektiven Funktionsausübung im Auftrag ihres Heimatstaates, die auch im Interesse guter zwischenstaatlicher Beziehungen liege, begründen. Nach Auffassung von Caplan genießt ein Verhalten, das nicht günstigen zwischenstaatlichen Beziehungen dient, keine Immunität. Das gelte besonders für ein Handeln, das die Interessen des Gerichtsstaates verletze, wie die Begehung von Menschenrechtsverletzungen gegen seine Staatsangehörigen.71
II. Analyse des Arguments vom Vorrang der Jurisdiktion Es ist zu untersuchen, ob im Grundsatz von einem Nichtbestehen des Immunitätsschutzes auszugehen ist und die Immunitätsgewährung von einem besonderen Nachweis, insbesondere wertenden Elementen, abhängig ist. Wenn Caplan behauptet, dass Menschenrechtsverletzungen mangels mutual benefit nicht durch Immunität geschützt sein sollen, stellt er auf die Handlung des Staates, der Menschenrechte verletzt, ab. Im Haftbefehls-Fall erließ ein belgischer Untersuchungsrichter einen Haftbefehl gegen den kongolesischen Außenminister. Dem Außenminister wurden Hassreden gegen die Tutsi vorgeworfen, die ein Massaker verursachten. Wenn auf die dem kongolesischen Außenminister vorgeworfenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgestellt worden wäre, hätte der Nutzen für die zwischenstaatlichen Beziehungen ebenso durch den IGH verneint werden müssen. Gerade das Urteil des IGH spricht dafür, von einem grundsätzlich bestehenden Immunitätsschutz auszugehen. Es stellte sich das Problem, dass es zur Immunität von Außenministern, denen völkerrechtliche Verbrechen vorgeworfen werden, noch keine Gerichtsentscheidungen gab, die als Staatenpraxis zur Herleitung einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel dienen konnten. Der IGH schloss nicht aus der These, dass Staatenimmunität nur die Ausnahme zu einer grundsätzlich bestehenden Jurisdiktion eines Staates sei, auf das Nichtbestehen der Immunität. Vielmehr kam er zu dem Ergebnis, dass ein amtierender Außenminister gegenüber nationaler Strafverfolgung Immunität genieße. Im Folgenden untersucht das Gericht, ob bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die 71 Caplan, 97 AJIL 741, 777: „[. . .] conduct of a foreign state that does not conform with the development of beneficial interstate relations falls outside the state immunity ,agreement‘ and thus is not immune by virtue of international custom. The most obvious example excludes foreign state conduct that does significant harm to the vital interests of the forum state, such as the commission of human Rights abuses against the forum state’s nationals.“
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Menschlichkeit eine Ausnahme vom Grundsatz der Immunität besteht.72 Dies verneint der IGH, wobei er in einem obiter dictum vier Fälle aufzählt, in denen kein Immunitätsschutz besteht.73 Diese Vorgehensweise spricht dagegen, im Grundsatz vom Nichtbestehen von Immunität auszugehen. Die Systematik der Kodifikationen des Immunitätsrechts deutet auf einen Grundsatz staatlicher Immunität hin.74 Der erste Kodifizierungsversuch war das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität (EÜStI), das am 11.06.1976 in Kraft trat und von Deutschland mit Wirkung zum 16.08. 1990 ratifiziert wurde.75 Das Abkommen ist bisher nur von acht Staaten ratifiziert bzw. neun unterschrieben worden.76 Art. 15 EÜStI bestimmt, dass ein Vertragsstaat vor den Gerichten eines anderen Staates Immunität genießt, wenn die Verfahren nicht unter Art. 1 bis 14 EÜStI fallen: „A contracting State shall be entitled to immunity from the jurisdiction of the courts of another Contracting State if the proceedings do not fall within Articles 1 to 14; the court shall decline to entertain such proceedings even if the State does not appear.“
Auch der amerikanische FSIA aus dem Jahre 1976 geht vom Grundsatz der Immunität von Staaten aus (vgl. § 1604 FSIA) und bestimmt in den § 1604 ff. Immunitätsausnahmen. Eine ähnliche Regelungssystematik findet sich auch im State Immunity Act des Vereinigten Königreichs aus dem Jahre 197877 (§ 1 StIA), in dem Singapore State Immunity Act 1979 aus dem Jahre 197978 (§ 3 Abs. 1 des Act), in der Pakistani State Immunity Ordinance aus dem Jahre 198179 (§ 3 der Ordinance), im südafrikanischen Foreign States Immunities Act aus dem Jahre 198180 (§ 2 des Act), im kanadischen State Immunity Act von 198281 (vgl. § 3 Abs. 1 des kanadischen StIA) und im australischen Foreign 72 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 56 ff. 73 IGH, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 61. 74 Geiger, NJW 1987, 1124. 75 European Convention on State Immunity and Additional Protocol, 16.05.1972, 11 ILM 470 (1972). 76 Österreich, Belgien, Zypern, Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Schweiz und das Vereinigte Königreich. Portugal hat das Abkommen bisher nur unterschrieben. Siehe zum Stand: Council of Europe Treaty Office, http://conventions.coe.int/ (28.02. 2005). 77 United Kingdom: State Immunity Act 1978, 17 ILM 1123 (1978). 78 Singapore State Immunity Act 1979. Siehe: Badr, Appendix IV, S. 203 ff., auch abgedruckt bei: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 504. 79 Pakistani State Immunity Ordinance, 11.03.1981, zitiert nach: Badr, Appendix V, S. 211; auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 496, Ziff. 5.085 ff. 80 South African Foreign States Immunities Act, 20.11.1981, zitiert nach: Badr, Appendix VI, S. 219; auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 513, Ziff. 5.125 ff.
D. Entwicklungen im Bereich der Staatenimmunität
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States Immunities Act aus dem Jahre 198582 (vgl. § 9 des australischen FStIA). Auch die am 2.12.2004 von der UN Generalversammlung angenommene UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property83 geht in ihrem Art. 5 im Grundsatz vom Bestehen des Immunitätsschutzes aus.
III. Ergebnis Ein Grundsatz vom Vorrang der Jurisdiktion und des Nichtbestehens von Immunität ist nicht auszumachen. Der Immunitätsschutz für das menschenrechtsverletzende Handeln eines Staates entfällt nicht schon aus dem Grund, dass Immunität nur bei einem besonderen Nutzen für die Staatengemeinschaft gewährt wird.
D. Entwicklungen im Bereich der Staatenimmunität Das Recht der Staatenimmunität veränderte sich im Lauf der Zeit. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Immunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen hat.
I. Übergang von der absoluten zur restriktiven Immunität Die Gerichte gewährten bis zum Ende des 19. Jh. Staaten fast ausschließlich absolute Immunität. Da Staaten nicht nur öffentliche Funktionen, so genannte Handlungen iure imperii, ausübten, sondern auch kommerzielle bzw. private Transaktionen tätigten, so genannte Handlungen iure gestionis, erwies sich die Doktrin der absoluten Staatenimmunität als zweifelhaft. Absolute Immunität erschien vor dem Hintergrund weltwirtschaftlicher Erfordernisse als ungeeignet. Wenn der Staat wie ein Privatmann geschäftlich agiert, soll er sich für seine Handlungen auch wie ein solcher gerichtlich verantworten müssen und nicht den Nachteilen seines Handelns durch Berufung auf seine Souveränität ausweichen können. Als italienische84 und belgische85 Gerichte sich zum Ende des 19. Jh. mit der privatwirtschaftlichen Betätigung von Staaten befassen mussten, verneinten sie 81 Canadian State Immunity Act, 15.07.1982, 21 ILM 798 (1982); auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 488, Ziff. 5.067 ff. 82 Australian Foreign Sovereign Immunities Act 1985, 1.04.1986, 25 ILM 715 (1986), auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 469, Ziff. 5.021 ff. 83 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property, 2.12.2004, Doc. A/RES/59/38. 84 Siehe hierzu: Cass. Napoli, Urt. v. 16.03.1886, Giur.it. 1886, I, 1, 228 ff.; Cass. Firenze, Urt. v. 25.07.1886, Giur.it. 1886, I, 1, 486 f. Siehe auch die Darstellung bei: Kronke, IPRax 9 (1989), 176).
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
eine Anwendbarkeit der Immunitätsregel. Später folgten die österreichischen86 und schweizerischen87 Gerichte. Die Gerichte der Vereinigten Staaten schlossen sich seit dem Tate letter der restriktiven Immunitätstheorie an. Am 19.05.1952 verkündete der Legal Adviser des State Department, Jack B. Tate, dass das State Department die sog. absolute Immunitätstheorie aufgebe und von nun an der sog. restriktiven Immunitätstheorie folge.88 Mit Erlass des FSIA folgte der Kongress der restriktiven Immunitätstheorie, d. h. der Beschränkung der Immunitätsgewährung auf hoheitliches Staatshandeln (vgl. § 1602 S. 2 und S. 3 FSIA): „Under international law, states are not immune from the jurisdiction of foreign courts insofar as their commercial activities are concerned, and their commercial property may be levied upon for the satisfaction of judgments rendered against them in connection with their commercial activities. Claims of foreign states to immunity shall henceforth be decided by courts of the United States and of the States in conformity with the principles set forth in this chapter.“
Vor diesem Hintergrund befand das BVerfG in einem Beschluss aus dem Jahre 1963, dass sich im Hinblick auf das nicht hoheitliche Handeln eines Staates ein von der weitaus größeren Zahl der Staaten im Bewusstsein rechtlicher Verpflichtung geübter Brauch, einen ausländischen Staat von inländischer Gerichtsbarkeit freizustellen, nicht mehr nachweisen lasse.89 Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Betätigung der Staaten gewann der restriktive Immunitätsansatz, wonach sich ausländische Staaten nur bei hoheitlichen Handlungen, den Handlungen iure imperii, auf Immunität berufen können, zunehmend an Boden. Die Gerichte des Vereinigten Königreichs gingen erst später zur restriktiven Immunitätstheorie über. Im Fall Philippine Admiral wurde einem Schiff, dass der philippinischen Regierung gehörte, die absolute Immunität abgesprochen.90 Im Fall Trendtex Trading Corporation v. Central Bank of Nigeria ging der Court of Appeal noch einen Schritt weiter und wendete die restriktive Theorie 85 Tribunal Bruxelles, Urt. v. 07.07.1937, J. T. 1938, 166. Siehe auch: Kronke, IPRax 9 (1989), S. 176. 86 Österreichischer OGH, Dralle gegen Tschechoslowakei, Entsch. v. 10.05.1950, ÖJZ 1950, 341, 347; auch abgedruckt in: 17 ILR 155, 163 (1950). 87 Schweizer Bundesgericht, République Arabe Unie contre Dame X, Entsch. v. 10.02.1960, BGE 86 I 23, 27; auch abgedruckt in: 65 ILR 385 ff. (1984). 88 Letter of Acting Legal Adviser, Jack B. Tate, to Department of Justice, 19.05. 1952, 26 Department of State Bulletin 984 (1952). 89 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27, 34 (Heizungsreparatur-Fall). 90 Judicial Committee of the Privy Council, Philippine Admiral v. Wallem Shipping Ltd. and another, Entsch. v. 05.11.1975, 64 ILR 90 (1983).
D. Entwicklungen im Bereich der Staatenimmunität
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bei direkt gegen ausländische Staaten gerichteten Klagen (sog. Klagen in personam) an, indem er befand, dass Staaten für wirtschaftliche Handlungen keine Immunität zukomme.91 Der Beschränkung des Immunitätschutzes auf hoheitliches Staatshandeln widersetzten sich dagegen besonders die sozialistischen Staaten. In der sowjetischen Rechtswissenschaft wurde betont, dass der Staat nicht in zwei selbständige Personen als Hoheitsträger und als Subjekt privatrechtlicher Beziehungen zerlegt werden könne.92 Mittlerweile sind fast alle Staaten93 zur restriktiven Immunität übergegangen. Hierfür mögen auch praktische Erwägungen leitend gewesen sein. Wenn ein Staat, der beim Handeltreiben wie ein Privater auftritt, auch wie einen solcher behandelt wird, bringt dies für ihn nicht nur Nachteile. Hierdurch wird nämlich auch die „Kreditwürdigkeit“ des Staates erhöht und vielfach erst die Voraussetzung geschaffen, dass andere Staaten oder Private mit ihm in Handelsbeziehungen treten. Mit dem Übergang zur restriktiven Immunität entstand das Problem der Abgrenzung zwischen Handlungen iure gestionis und Handlungen iure imperii. Überwiegend wird auf die Natur der staatlichen Handlung und ihre Beziehung zu den staatlichen Funktionen, nicht aber auf das Motiv oder den Zweck der staatlichen Handlung abgestellt, da nahezu jede staatliche Tätigkeit mit hoheitlichen Zwecken und Aufgaben im Zusammenhang steht.94 Wenn ein Staat für die Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht wird, ist dies für ihn im Unterschied zu der Immunitätsausnahme bei wirtschaftlichen Aktivitäten ausschließlich nachteilig. Es wird zu untersuchen sein, ob und inwieweit die Beschränkung der Staatenimmunität auf Handlungen iure imperii Auswirkungen auf die Beurteilung der Verletzung fundamentaler Menschenrechte haben kann.95
91 Court of Appeal, Trendtex Trading Corporation v. Central Bank of Nigeria, Entsch. v. 13.01.1977, 64 ILR 111, 129 ff. (1983). Siehe auch: House of Lords, Iº Congreso Del Partido, Entsch. v. 16.07.1981, 64 ILR 307, 311 (1983). 92 Boguslawskij, S. 16 ff. 93 Die absolute Immunitätsdoktrin praktiziert noch China. Siehe: Doehring, § 4, Rn. 292. 94 Siehe: § 1603 (d) FSIA: „[. . .] the commercial character of an activity shall be determined by reference to the nature of the course of conduct or particular transaction or act, rather than by reference to its purpose [. . .]“; BVerfGE 16, 27, 61. 95 Siehe: Dritter Teil.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
II. Beschränkungen der Staatenimmunität in den Kodifikationen des Immunitätsrechts Die nationalen Kodifikationen der Staatenimmunität und das EÜStI vermindern das Problem der Abgrenzung zwischen Handlungen iure imperii und Handlungen iure gestionis, indem sie die Ausnahmen zur Staatenimmunität durch die Bildung typischer Fallgruppen bestimmen. Nach § 1605 (a) Abs. 2 FSIA genießt ein Staat keine Immunität gegenüber der Gerichtsbarkeit der US-Gerichte, wenn eine kommerzielle Handlung mit Bezug zu dem Territorium der Vereinigten Staaten vorgenommen wurde. „A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case – [. . .] (2) in which the action is based on a commercial activity carried on in the United States by the foreign state; or upon an act performed in the United States in connection with a commercial activity of the foreign state elsewhere; or upon an act outside the territory of the United States in connection with a commercial activity of the foreign state elsewhere and that act causes a direct effect in the United States [. . .].“
Ein kommerzielles Handeln außerhalb der Vereinigten Staaten muss mindestens eine direkte Auswirkung in den Vereinigten Staaten haben, um eine Immunitätsausnahme zu begründen. Dieses Erfordernis wird in der Rechtsprechung eng gehandhabt. Einem schwarzen amerikanischen Staatsbürger wurde nach einem Autounfall in Südafrika die medizinische Behandlung in einem staatlichen südafrikanischen Krankenhaus verweigert. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten war er behindert, litt also unter den Folgen der Nichtbehandlung. Obwohl sich Folgewirkungen der fehlenden medizinischen Behandlung bei der Rückkehr in die USA zeigten, verneinte die Rechtsprechung eine direkte Auswirkung in den Vereinigten Staaten.96 Im Rahmen der Gesetzgebung zum UK SIA wurde sehr kontrovers diskutiert, ob die Immunitätsausnahme für kommerzielle Handlungen auch einen territorialen Nexus erfordern solle97 (siehe § 3 Abs. 1 b und Abs. 2 SIA 1978). Es wurde aber – wie in anderen nationalen Immunitätsregelungen – auf das Erfordernis der territorialen Verbindung verzichtet. Dies wir damit begründet, dass der territoriale Bezug eine Frage der Jurisdiktion der örtlichen Gerichte und nicht der Immunität umschreibt.98 Der Großteil der nationalen Immunitätsgesetze sieht auch eine Immunitätsausnahme bei unerlaubten Handlungen eines Staates auf fremdem Staatsgebiet 96 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Martin v. Republic of South Africa, Entsch. v. 29.12.1987, 836 F.2d 91, 95 f. 97 Siehe hierzu: Trooboff, RdC 200 (1986 V), 237, 322 ff. 98 So auch: Higgins, 29/30 NILR 265, 273 (1982/83).
D. Entwicklungen im Bereich der Staatenimmunität
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vor. Nach § 1605 (a) (5) FSIA besitzt ein Staat keine Immunität bei bestimmten unerlaubten Handlungen, die sich in den Vereinigten Staaten ereignen und durch eine Handlung oder Unterlassung eines ausländischen Staates oder eines Beamten oder Angestellten des Staates in Ausübung seines Amtes verursacht wurden: „A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case – [. . .] (5) not otherwise encompassed in paragraph (2) above, in which money damages are sought against a foreign state for personal injury or death, or damage to or loss of property, occurring in the United States and caused by the tortious act or omission of that foreign state or of any official or employee of that foreign state while acting within the scope of his office or employment; except this paragraph shall not apply to – [. . .].“
Es ist zu untersuchen, ob die nationalen Immunitätsgesetze, die eine solche Immunitätsausnahme enthalten, über die Differenzierung zwischen Handlungen iure imperii und iure gestionis hinausgehen. Skepsis gegenüber diesen Regelungen zeigen Steinberger und Damian. Eine solche Immunitätsausnahme verbinde die internationale Zuständigkeit des Forumstaates normativ mit dessen Gerichtsgewalt. Die Beantwortung der Frage, ob Gegenstand eines Verfahrens ein Verhalten ist, das eine enge Beziehung zum Hoheitsgebiet des Gerichtsstaates aufweist, sei für die Sachurteilsvoraussetzungen der internationalen Zuständigkeit erforderlich.99 Es sei zweifelhaft, ob sich diese Regelungen auf eine ausreichende Staatenpraxis stützen können, um eine Abweichung vom allgemeinen Völkerrecht zu ermöglichen.100 Der Standardfall für die Begründung der hier untersuchten Immunitätsausnahme, die Straßenverkehrsunfälle, könnten auch als Handlungen iure gestionis qualifiziert und somit der Gerichtsbarkeit unterworfen werden. Es bedarf eingehender Untersuchung, ob auch Menschenrechtsverletzungen auf dem Gebiet des Forumstaates von dieser Immunitätsausnahme in den nationalen Immunitätsgesetzen erfasst werden sollen und ob das Völkerrecht eine solche Immunitätsausnahme erlaubt.
III. Immunität im Vollstreckungsverfahren Bei Klagen von Bürgern gegen Staaten ist zwischen der Immunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren zu differenzieren.101 Die Vollstreckung eines stattgebenden Urteils kann im Gerichtsstaat nur erfolgen, wenn auf dessen Gebiet auch Vermögen des unterlegenen Staates vorhanden ist. Befindet sich das Vermögen des unterlegenen Staates in einem Dritt99
Damian, S. 114. Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 627. 101 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 13.12.1977, E 46, 342, 347 (Botschaftskonto-Fall); von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2985. 100
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
staat, so besteht nur dann ein Zugriff hierauf, wenn der Drittstaat bereit ist, das fremde Urteil anzuerkennen und zu vollstrecken. Bei der Frage, ob in das Vermögen des ausländischen Staates vollstreckt werden kann, ist – im Unterschied zum Erkenntnisverfahren – nach allgemein anerkannter Auffassung darauf abzustellen, ob das Vollstreckungsobjekt im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient oder dem Geschäftsvermögen des fremden Staates zugerechnet werden kann.102 Die Abgrenzung nach diesem strengeren Kriterium beruht auf dem Gedanken, dass die Zwangsvollstreckung einen noch viel stärkeren Eingriff in die Souveränität des ausländischen Staates darstellt als ein Urteil im Erkenntnisverfahren.103 Teilweise, z. B. in § 1610 (a) Abs. 2 FSIA,104 wird eine materielle Konnexität zwischen dem titulierten Anspruch und dem kommerziellen Vollstreckungsobjekt gefordert. Eine solche verlangt das allgemeine Völkerrecht jedoch nicht.105 Wenn also festgestellt wurde, dass ein Staat im Erkenntnisverfahren keine Immunität genießt, dann heißt dies nicht, dass auch die Zwangsvollstreckung zulässig wäre. Diese Differenzierung kann dazu führen, dass ein Gläubiger zwar mit hohem Kostenaufwand einen Titel gegen einen fremden Staat erlangt, diesen aber praktisch nicht durchsetzen kann. Die Zweckbestimmung ist nicht leicht. Im Distomo-Fall,106 in dem versucht wurde, in deutsches Eigentum in Griechenland zu vollstrecken, erscheint hinsichtlich des Goethe-Instituts und des Deutschen Archäologischen Instituts die hoheitliche Zweckbestimmung nicht offensichtlich. Das Goethe-Institut und das Archäologische Institut dienen jedoch der deutschen auswärtigen Gewalt.107 Zur auswärtigen Gewalt eines Staates zählen nicht allein der diplomatische Verkehr, sondern auch die Repräsentation von Kultur und Wissenschaft. Die Repräsentation kann auch durch Mittlerorganisationen erfolgen, die entweder über Art. 87 Abs. 1 GG als unmittelbarer Bestandteil der Bundesverwaltung oder als Beliehene in die staatliche Verwaltung eingegliedert, jedenfalls aber nach ihrer Funktion und Organisation sowie nach ihrem Einsatzort vom Staat als Träger der auswärtigen Kulturpolitik abhängig sind. Vor diesem Hintergrund stellt der Versuch der Vollstreckung in Liegenschaften der Bundesrepublik Deutschland, die
102 BVerfGE 46, 342, 388; Verdross/Simma, S. 771, § 1175; Jennings/Watts, Bd. I, Peace, 1992, S. 342 ff.; Doehring, § 4, Rn. 666 f. 103 von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2985. 104 Dies wurde relevant im Vollstreckungsverfahren im Letelier-Fall: US Court of Appeals, 2nd Circuit, Letelier v. Republic of Chile and Linea Aerea Nacional-Chile, Entsch. v. 20.11.1984, 748 F.2d 790, 795 f. 105 Steinberger, in: Rüthers/Stern, S. 451, 459 f. 106 Siehe Einleitung, A. 107 Kempen, in: Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann, S. 179, 183.
E. Grundlagen der Staatenimmunität
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vom Goethe-Institut und vom Deutschen Archäologischen Institut genutzt werden, eine Verletzung der Vollstreckungsimmunität der Bundesrepublik dar.108
IV. Ergebnis Staaten genießen nur noch für hoheitliches Handeln (Handlungen iure imperii) Immunitätsschutz. Während im Erkenntnisverfahren bei der Differenzierung zwischen immunitätsgeschützten Handlungen iure imperii und nicht immunitätsgeschützten Handlungen iure gestionis auf die Natur der Handlung abgestellt wird, erfolgt im Vollstreckungsverfahren die Abgrenzung nach dem Zweck, dem das Vollstreckungsobjekt dient.
E. Grundlagen der Staatenimmunität Um später das Verhältnis der Regeln zur Staatenimmunität zum völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz untersuchen zu können, bedarf es zunächst einer Bestimmung der Grundlagen der Staatenimmunität. Im Fall Schooner Exchange deutete Chief Justice Marshall bereits als Grundlagen der Staatenimmunität die Würde, die Gleichheit, die Souveränität und Unabhängigkeit der Staaten an.109 Es wird aber bezweifelt, ob diese Aspekte eine ausreichende Grundlage für die Immunitätsdoktrin liefern können.110
I. Würde eines Staates In der älteren Literatur und Rechtsprechung wurde die Staatenimmunität aus der Würde des beklagten Staates abgeleitet.111 Diese Auffassung stammt noch aus einer Zeit, als der Monarch in seiner Person Träger des Immunitätsanspruchs war. Da die Zeit des Absolutismus, in der der Monarch und der Staat gleich gesetzt wurden („L’état c’est moi“), überwunden ist, wird die Würde zumindest als alleinige Grundlage der Staatenimmunität heute als überholt betrachtet.112 Aus der Tatsache, dass die bloße Feststellung einer Völkerrechtsver108 Kempen, in: Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann, S. 179, 183; Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 32. 109 US Supreme Court, 11 U.S. 116, 137. 110 Albert, S. 30 ff. 111 US Supreme Court, Annual Digest and Reports of Public International Law Cases 1943–1945, 143, 145: „The judicial seizure of the property of a friendly state may be regarded as such an affront to its dignity and may so affect our relations with it, that it is an accepted rule of substantive law governing the exercise of the jurisdiction of the courts that they accept and follow the executive determination that the vessel shall be treated as immune.“ 112 Damian, S. 14; Lüke, S. 212.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
letzung und eine förmliche Entschuldigung gegenüber dem verletzten Staat Formen der Wiedergutmachung ideeller Schäden sind, wird jedoch abgeleitet, dass die Würde eines Staates im Völkerrechtsverkehr nicht völlig bedeutungslos geworden sei.113
II. Gleichheit der Staaten Des Weiteren kommt die Gleichheit der Staaten als Grundlage in Betracht. 1. Einwände gegen die Staatengleichheit als Grundlage Hiergegen wird eingewandt, dass es sich bei der Gleichheit lediglich um ein formales Prinzip handele, nach dem Gleiches gleich zu behandeln sei. Die Staaten befänden sich aber bereits in einer ungleichen Situation, indem dem einen Staat, dem Gerichtsstaat, aufgrund seiner Territorialhoheit eine besondere Stellung zukomme, und dem anderen Staat, der der Gerichtsbarkeit unterworfen wird, nicht.114 Die Territorialhoheit gebe dem einen Staat für sein Gebiet eine ausschließliche und umfassende Jurisdiktion, in deren Bereich der fremde Staat nicht als „gleichgestellt“ angesehen werden könne. Es wird auch behauptet, dass der Gleichheit auch dann Genüge getan sei, wenn jeder Staat ohne Einschränkung über den anderen Gerichtsbarkeit ausüben dürfe.115 Eine offensichtliche Behinderung der Gleichheit, der Unabhängigkeit und der Würde liege, wenn ein Staat den Gerichtsverfahren innerhalb des Territoriums eines ausländischen Staates unterworfen werde, insbesondere dann nicht vor, wenn der Staat sich selbst seinen eigenen Gerichten bei gegen ihn erhobenen Klagen unterwerfe.116 2. Grundlagen des Gedankens der Staatengleichheit Die Grundlage der Gleichheit der Staaten wird von Christian Wolff 117 und – ihm folgend – von Emer de Vattel118 darin gesehen, dass die Menschen von Natur her gleich sind. Da die Menschen von ihrer Natur her gleich und ihre Rechte und Verpflichtungen dieselben seien, zumal sie ebenfalls ihren Ursprung 113
Heß, S. 304 f. Albert, S. 31; Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 14 f. 115 Damian, S. 15; Kren Kostkiewicz, S. 276; Dahm, in: Bötticher, S. 153, 155; Karagiannakis, 11 Leiden J. Int’l L. 9, 20 (1998). 116 Jennings/Watts, Bd. I, Peace, S. 342; Lauterpacht, 28 British Yb. Int’l L. 220, 229 (1951). Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 14 f; Herndl, JBl. 1962, 15, 23. 117 Wolff, zitiert nach: Garber, § 1089. 118 De Vattel, Préliminaires, § 18. Deutsche Übersetzung von Euler/Guggenheim, in: Die Klassiker des Völkerrechts, Bd. III, 1959, Einleitung, § 18. 114
E. Grundlagen der Staatenimmunität
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in der Natur hätten, seien ebenso die aus Menschen zusammengesetzten Nationen vermöge ihrer Gleichstellung mit freien, im Naturzustand zusammenlebenden Personen, von der Natur her gleich. Notwendige Folge dieser Gleichheit sei, dass das, was einer Nation erlaubt ist, auch jeder anderen Nation erlaubt sei, und was der einen nicht erlaubt ist, ebenso wenig jeder anderen erlaubt sei.119 Aus diesen Erkenntnissen folgert Vattel, dass eine Nation „Herrin ihrer Handlungen“ sei, soweit diese nicht die vollkommenen Rechte einer anderen berühren, die Nation nur durch eine interne, nicht jedoch eine externe vollkommene Verpflichtung gebunden sei. Missbrauche die Nation ihre Freiheit, so sündige sie, aber die anderen müssten es erdulden, weil sie kein Recht hätten, es ihr zu befehlen.120 Da die Nationen frei, unabhängig und gleich seien und jede nach ihrem Gewissen entscheiden müsse, was sie zur Erfüllung ihrer Pflichten zu tun habe, werde wenigstens nach außen hin eine völlige Rechtsgleichheit zwischen den Nationen in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verfolgung ihrer Ansprüche erzielt, ohne Rücksicht auf die ihrem Verhalten innewohnende Gerechtigkeit, über die dem anderen Staat kein endgültiges Urteil zustehe.121 Es kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass kein Staat über das Verhalten eines anderen Staates richten darf. Im Hinblick auf den Souverän schreibt Vattel, dass es keiner fremden Macht zustehe, sich um die Amtsführung des Souveräns zu kümmern, sich zum Richter über sein Verhalten aufzuwerfen und ihn zu einer Änderung zu veranlassen: „Il n’appartient donc à aucune puissance étrangère de prendre connaissance de l’administration de ce souverain, de s’ériger en juge de sa conduite, et de l’obliger à y rien changer.“122
3. Gleichheit als souveräne Gleichheit Die Argumentation, die unter „Gleichheit“ eine formale Gleichsetzung versteht, steht mit der oben dargestellten Staatenpraxis und der Struktur der Staa119 Wolff, zitiert nach: Garber, § 1089: „Vermöge des nothwendigen Völkerrechts haben die Völker alle einerley Verbindlichkeit und Rechte (§ 69), und deretwegen sind sie von Natur alle einander gleich (§ 70), keines hat ein Vorrecht (§ 71), oder einen Rang für dem andern (§ 75). Keinem steht ein Recht über die Handlungen des andern zu (§ 76): Alle und jede leben in Freiheit (§ 77), deren Gebrauch von einem andern Volcke nicht gehindert werden muß (§ 78).“ 120 De Vattel, Préliminaires, § 20. Deutsche Übersetzung: Euler/Guggenheim, in: Die Klassiker des Völkerrechts, Bd. III, 1959, Einleitung, § 20. 121 De Vattel, Le Droit Des Gens ou Principes de la Loi Naturelle, Préliminaires, 1830, Préliminaires, § 21. Deutsche Übersetzung: Euler/Guggenheim, Einleitung, § 21. 122 De Vattel, Livre II, Chapitre IV, § 55. Deutsche Übersetzung: Euler/Guggenheim, in: Die Klassiker des Völkerrechts, Bd. III, Buch II, Kapitel IV, § 55.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
tengemeinschaft, die – wenn im Laufe der Zeit auch mit restriktiver Tendenz – Staaten Immunität gegenüber der Gerichtsbarkeit des Forumstaates gewährt, im Widerspruch.123 Die Ausführungen im letzten Abschnitt zeigen, dass Gleichheit eben keine formale Gleichsetzung meint. Gleichheit ist vielmehr untrennbar mit der Souveränität eines Staates verbunden. Hier sind wiederum die Ausführungen von Vattel aufschlussreich. Genauso, wie ein Zwerg ebenso ein Mensch sei wie ein Riese, so sei eine kleine Republik nicht weniger ein souveräner Staat als das mächtigste Königreich.124 Gleichheit bedeutet „souveräne Gleichheit“. Deshalb wird in der Völkerrechtslehre125 und Völkerrechtspraxis126 auch in eben dieser souveränen Gleichheit der Staaten die Grundlage der Staatenimmunität gesehen. Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten wird auch aus der Existenz des Staatensystems in seiner historisch vorgefundenen Gestalt abgeleitet.127 Er reflektiert die Grundstruktur des Völkerrechts als eine Rechtsordnung von koordinierten, nebeneinander gestellten politischen Einheiten, im Unterschied zu einer civitas maxima oder Weltstaatenordnung.128 Die grundlegenden, aus der Souveränität fließenden völkerrechtlichen Rechte und Pflichten stehen jedem Staat, unabhängig von etwa seiner Größe oder Staatsform, gleichermaßen zu.129 Die Verbindung zwischen Staatengleichheit, Unabhängigkeit und Souveränität der Staaten kommt auch in Art. 2 Abs. 1 UN-Charta zum Ausdruck. Auch Vertreter des Schrifttums, welche die Gleichheit als alleinige Grundlage der Staatenimmunität ablehnen, können den Zusammenhang zwischen Souveränität und Gleichheit nicht leugnen.130 Nach Auffassung des IGH ist eine Folge der souveränen Staatengleichheit das sog. Interventionsverbot.131 Dieses verbie123
Heß, S. 307. De Vattel, Préliminaires, § 18. Deutsche Übersetzung: Euler/Guggenheim, in: Die Klassiker des Völkerrechts, Bd. III, 1959, Einleitung, § 18. 125 Stein/von Buttlar, S. 270, Rn. 714; Epping, in: Ipsen, § 26 Rn. 16; Boguslawskij, S. 16 ff. 126 Explanatory Report on the European Convention on State Immunity, ETS No. 074, abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 35, 36. 127 Die Gleichheit wird auch durch die „par in parem non habet imperium“ umschrieben. Historisch wird diese Maxime jedoch in ganz anderen Bereichen verwendet und erscheint daher nicht auf Staaten übertragbar. 128 Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 515. Ebenso: Sornarajah, 31 ICLQ 661, 664 (1982): „Yet, the more fundamental basis of sovereign immunity was that the international order is a horizontal order without a supranational authority and that efforts by one sovereign to subject another to its decisions would result in the upsetting of that international order.“ 129 Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 515; Geiger, S. 326. 130 Damian, S. 15. 131 IGH, Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, Urt. v. 27.06.1986, ICJ Rep. 1986, 14, Ziff. 202. Siehe zu diesem Verbot bereits: De Vattel, Livre I, Chapitre Premier, § 37 124
E. Grundlagen der Staatenimmunität
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tet auch gerichtliche Übergriffe in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.132
III. Analyse und Folgerungen Bei der Ausübung von Gerichtsbarkeit treffen zwei staatliche Souveränitätsbereiche aufeinander. Es kann sich auch der Forumstaat auf Souveränität, die sog. innere Souveränität, berufen, wenn er Jurisdiktion ausübt. Dies hob der Chief Justice Marshall im Schooner-Fall hervor, wenn er feststellt, dass die Jurisdiktion eines Staates innerhalb seines Territoriums „exclusive and absolute“ ist.133 Die innere Souveränität eines Staates umschließt die Befugnis, auf dem Staatsgebiet die alleinige Hoheitsgewalt auszuüben, wozu auch die Gerichtsbarkeit zählt. Die Ausübung der Gerichtsgewalt des Forumstaates auf seinem Staatsgebiet führt zu einer Durchsetzung der Rechtsordnung im Inland und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegenüber allen Staatsbürgern bzw. Rechtsschutzsuchenden. Andererseits kann die Ausübung der Souveränität durch den Forumstaat Beeinträchtigungen der (äußeren) Souveränität (Unabhängigkeit) anderer Staaten mit sich bringen. Jeder Staat hat gegenüber jedem anderen Staat das Recht, seine Staatsgewalt ungestört und unabhängig von diesem auszuüben.134 Wenn der inneren Souveränität des Forumstaates Vorrang gegenüber der äußeren Souveränität des beklagten Staates zukäme, könnte ein Staat trotzdem fremder Gerichtsbarkeit unterworfen sein. Es wurde aber bereits oben ausgeführt, dass ein solcher Vorrang nicht besteht.135 Ein Staat wird als souverän angesehen, wenn er nur dem Völkerrecht, aber nicht dem nationalen Recht anderer Staaten unterworfen, d. h. rechtlich unabhängig ist.136 Die Durchführung („Aucune Puissance étrangère n’est en droit de s’en mêler“) und Livre II, Chapitre II, § 54. Deutsche Übersetzung bei: Euler/Guggenheim, Erstes Buch, Erstes Kapitel, § 37 und Buch II, Kapitel II, § 54. 132 Heß, in: Geimer, S. 269, 280. 133 US Supreme Court, The Schooner Exchange v. McFaddon, Entsch. v. 24.02. 1812, 11 U.S. 116, 136. 134 Siehe hierzu den Schiedsgerichtsspruch von Max Huber: Permanent Court of Arbitration, The Island of Palmas, Entsch. v. 4.04.1928, 22 AJIL 868, 875 (1928). Huber unterscheidet auch zwischen der territorialen Souveränität und der Unabhängigkeit. Zu letzterer merkt Huber an: „Sovereignty in the relations between States signifies independence. Independence in regard to a portion of the globe is the right to exercise therein, to the exclusion of any other State, the functions of the State“. 135 Siehe: Erster Teil, C. 136 Kelsen formulierte dies folgendermaßen: „A State’s legal authority may be said to be ,supreme‘ insofar as it is not subjected to the legal authority of any other State and the State is then sovereign when it is subjected only to international law, not to the national law of any other State. Consequently, the State’s sovereignty under international law is its legal independence from other States.“ Kelsen, 53 Yale L.J. 207,
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
eines Gerichtsverfahrens gegen einen anderen Staat ohne dessen Einverständnis führt zu einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit dieses Staates. Das Korrelat zur Unabhängigkeit eines Staates liegt in dem Interventionsverbot anderer Staaten. Die Behauptung, dass Gleichheit und Unabhängigkeit eines Staates jedenfalls dann nicht beeinträchtigt seien, wenn der Staat sich selbst der Gerichtsbarkeit seiner eigenen Gerichte bei gegen ihn vorgebrachten Klagen unterwerfe,137 vermag nicht zu überzeugen. Es ist ein Unterschied, ob das Handeln eines Staates von seinen eigenen Gerichten oder von den Gerichten eines anderen Staates beurteilt wird.138 Wenn ein Staat vor seinen eigenen Gerichten verurteilt werden kann und er den Klageanspruch auch befriedigt, liegt dies daran, dass er diese Gerichtsbarkeit ermöglicht hat und er somit auch keinen Grund hat, die Befriedigung des Urteilsspruchs zu verweigern.139 Wenn ein Staat vor dem Gericht eines fremden Staates verklagt wird, beurteilen gerade nicht die eigenen Gerichte des Staates sein Verhalten, sondern die Gerichte eines fremden Staates. Bei der Durchführung des Gerichtsverfahrens besteht die Gefahr, dass grundlegende Wertvorstellungen des Gerichtsstaates zum Maßstab der Beurteilung des Organhandelns des beklagten Staates gemacht werden.
IV. Ergebnis Die Staatenimmunität hat ihre Grundlage in dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit. Alle Staaten sind in ihren Souveränitätsinteressen gleichberechtigt. Jeder Staat ist im Grundsatz nur dem Völkerrecht, nicht aber der Gerichtsgewalt anderer Staaten unterworfen.
208 (1943/1944); derselbe, Principles of International Law, 1966, S. 249 und 357 f. Siehe auch: Verdross/Simma, S. 29 f., § 35; Heß, S. 307. 137 Vgl.: Jennings/Watts, Bd. I, Peace, 1992, S. 342; Lauterpacht, 28 British Yb. Int’l L. 220, 229 (1951); Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 14 f; Herndl, JBl. 1962, 15, 23. 138 Boguslawskij, S. 20; Heß, S. 308. Heß verweist auch darauf, dass die Kontrolle über staatliches Handeln zumindest in den Staaten des kontinentalen Rechtskreises durch eine spezielle Gerichtsbarkeit, nämlich die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erfolgt. 139 Fitzmaurice, 14 British Yb Int’l L. 101, 120 (1933). Fitzmaurice sieht einen weiteren Unterschied darin, dass bei Klagen vor den eigenen Gerichten das öffentliche Bewusstsein auch die Befriedigung der Urteile des eigenen nationalen Gerichts fordert, wohingegen bei ausländischen Gerichten das öffentliche Bewusstsein es sogar billige, wenn der Staat die Verfahren und Urteile ignoriere.
F. Immunität staatlicher Funktionsträger
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F. Immunität staatlicher Funktionsträger In diesem Abschnitt sollen Rechtsnatur, Inhalt und Grundlagen der Immunität staatlicher Funktionsträger analysiert werden.
I. Differenzierung zwischen den zentralen Staatsorganen des Völkerrechtsverkehrs und sonstigen staatlichen Funktionsträgern Staaten können nur durch Menschen handeln, die in ihrem Namen Staatsgewalt ausüben. Ursprünglich lag die gesamte Regierungsgewalt eines Staates im Außenverkehr in der Hand des Staatsoberhaupts. Später gingen viele Staaten dazu über, die Regierungsgewalt in die Hände des Regierungschefs (Premierminister, Kanzler) zu legen und das Staatsoberhaupt formell in der Verfassung als höchsten Repräsentanten des Staates festzulegen. Das Völkerrecht bestimmt die Organe, die im Namen von Staaten verbindlich handeln können. Die Bestellung der Organe erfolgt nach den innerstaatlichen Rechtsordnungen.140 Art. 7 Ziff. 2 a) WVRK141 bestimmt, dass Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister die Befugnis zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge besitzen. Der besondere Status von Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern kommt auch in Art. 1 Ziff. 1 a) der Diplomatenschutzkonvention142 zum Ausdruck, wonach diese Personengruppen völkerrechtlich geschützte Personen sind, wenn sie sich in einem fremden Staat aufhalten. Über das Recht der Verträge hinaus rechnet das Völkerrecht dem Staat alle Willensäußerungen und Akte zu, die ein Staatsoberhaupt, aber auch ein Regierungschef oder Außenminister in seiner Eigenschaft auf dem Gebiet der völkerrechtlichen Beziehungen vollzieht. Im Hinblick auf Außenminister betonte dies bereits im Jahre 1933 der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) im Fall betreffend den rechtlichen Status von Ostgrönland. Der StIGH sah Norwegen an eine mündliche Stellungnahme seines Außenministers Ihlen, wonach Norwegen im Hinblick auf die dänischen Souveränitätsansprüche auf Grönland keine Schwierigkeiten mache, rechtlich gebunden.143 Wenn statt des Außenministers der Minister des jeweiligen Fachressorts grenzüberschreitend tätig wird, wird erwogen, dem Minister eine ähnliche Stellung einzuräumen.144 140
Verdross/Simma, S. 559, § 873 f. Vienna Convention on the Law of Treaties, 23.05.1969, 1155 UNTS 331. 142 Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including Diplomatic Agents, 14.12.1973, 1035 UNTS 167. 143 StIGH, Legal Status of Eastern Greenland, Denmark v. Norway, Urteil v. 5.04. 1933, PCIJ ser. A./B. no. 53 (1933), 3, 53. 144 Vgl.: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, § 30, S. 257 f. 141
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Die Gesamtheit der nach außen hin auftretenden zentralen Organe eines Staates, d. h. in erster Linie Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister, bildet seine Regierung im Sinne des Völkerrechts,145 worin eine begriffliche Differenzierung zur Regierung nach nationalem Verfassungsrecht liegt. Von diesen zentralen Staatsorganen des Völkerrechtsverkehrs können die sonstigen staatlichen Funktionsträger, denen kraft nationalen Rechts die Befugnis zusteht, hoheitlich zu handeln, unterschieden werden. Aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten wird im Grundsatz auch die Immunität der Funktionsträger fremder Staaten für ihr hoheitliches Handeln abgeleitet.146
II. Immunität der zentralen Staatsorgane im Völkerrechtsverkehr Da die nach außen hin auftretenden zentralen Staatsorgane einen besonderen völkerrechtlichen Status genießen, wird ihre Immunität getrennt von der der übrigen staatlichen Funktionsträger analysiert. 1. Immunität von Staatsoberhäuptern Zunächst soll die Immunität von Staatsoberhäuptern untersucht werden. a) Grundlagen der Immunität von Staatsoberhäuptern Bereits Vattel schreibt, dass auch der größte Monarch jedem anderen Souverän die seinem hohen Rang zukommende Achtung entgegenbringen müsse. Die Unabhängigkeit und Gleichberechtigung der Nationen, die wechselseitigen Humanitätspflichten, all das solle ihn veranlassen, auch dem Oberhaupt eines kleinen Volkes die Rücksichten zu erweisen, die man seiner Stellung schuldig sei.147 Früher wurde das Staatsoberhaupt als identisch mit dem Staat selbst behandelt. Der Staat war der Monarch, und der Monarch war der Staat.148 Die Handlungen des Staatsoberhauptes und die Handlungen des Staates selbst wurden 145
Verdross/Simma, S. 560, § 878. BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 10.06.1997, E 96, 68, 85; Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 35; Wengler, Bd. II, 1964, S. 951 f. 147 De Vattel, Livre II, Chapitre III, § 47. Deutsche Übersetzung: Euler/Guggenheim, in: Die Klassiker des Völkerrechts, Bd. III, 1959, Buch II, Kapitel III, § 47. 148 Lord Nicholls, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and other – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419, 439 (1998); US District Court, N.D. California, Republic of Philippines v. Marcos, Entsch. v. 10.02.1987, 665 F.Supp. 793, 796; District Court, N.D. Illinois, Hafsat Abiola et al. v. Gen. Abdusalami Abubakar, Entsch. v. 27.06.2003, 267 F.Supp.2d 907, 911. 146
F. Immunität staatlicher Funktionsträger
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nicht unterschieden. Der Ursprung des Immunitätsschutzes für Staatsoberhäupter wird in der Gleichsetzung zwischen dem Staat und dem Oberhaupt gesehen, und auch heute noch wird diese Argumentation bemüht.149 Heute wird jedoch zwischen dem ausländischen Staat als rechtliche Einheit und dem Individuum selbst differenziert.150 Der Souverän ist nur noch der Staat. Auch heute wird das Staatsoberhaupt jedoch noch so betrachtet, dass es Geist und Größe der gesamten Nation repräsentiert.151 Die dem Staatsoberhaupt entgegengebrachte Ehre soll ihm stellvertretend für den Staat zukommen. Ein Angriff auf sein Oberhaupt würde auch als ein Angriff auf den Staat empfunden. In diesem Bereich lebt noch die Würde als Grundlage der Immunität fort.152 Die Immunität ist kein individuelles Recht des Staatsoberhaupts.153 Sie stellt ein Attribut staatlicher Souveränität dar.154 b) Verhältnis zur Immunität von Diplomaten Teilweise wird Staatsoberhäuptern in Analogie zum Diplomatenrecht Immunität gewährt.155 Nach Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen156 (WÜD) genießen Diplomaten gegenüber der Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit fremder Staaten Immunität. Konsuln unterliegen nach Art. 43 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen157 (WÜK) wegen Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen worden sind, nicht der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates.
149 US District Court, E.D. New York, Lafontant v. Aristide, Entsch. v. 27.01.1994, 844 F.Supp. 128, 132; Lord Browne Wilkinson, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581, 592 (1999). 150 US Court of Appeals, 5th Circuit, Marcos Perez Jimenez v. Manuel Aristeguieta, Entsch. v. 12.12.1962, 311 F.2d 547, 557; Mallory, 86 Colum. L. Rev. 169, 170, insbes. Fn. 10 (1986). 151 Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 32. 152 Vgl. Art. 2 Abs. 3 der Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including diplomatic agents: „[. . .] obligation of States Parties under International Law to take all appropriate measures to prevent other attacks on the person, freedom or dignity of an internationally protected person.“ Siehe auch: Doehring, Völkerrecht, 2004, § 12, Rn. 672. 153 US Court of Appeals, 9th Circuit, In Re Grand Jury Proceedings, Entsch. v. 05.05.1987, 817 F.2d 1108, 1110 f; Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 35 f. 154 US District Court, E.D. New York, 844 F.Supp. 128, 132; US District Court, S.D. New York, Tachiona v. Mugabe, Entsch. v. 30.10.2001, 169 F.Supp. 2d 259, 292. 155 Schweizer Bundesgericht, Marcos c. Office féderal de la police, Entsch. v. 2.11. 1989, BGE 115 Ib 496, 501; auch abgedruckt in: 102 ILR 198, 203 (1990). 156 Vienna Convention on Diplomatic Relations, 18.04.1961, 500 UNTS 95. 157 Vienna Convention on Consular Relations, 24.04.1963, 596 UNTS 261.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Im Vereinigten Königreich erklärt § 20 Abs. 1 UK SIA den Diplomatic Privileges Act 1964 auf ein Staatsoberhaupt, seine Familie und privaten Bediensteten für anwendbar. Über diesen Act findet die Wiener Diplomatenrechtskonvention Anwendung. Einen vergleichbaren Verweis enthält § 36 Abs. 1 des australischen Foreign States Immunities Act. Eine Analogie zum Diplomatenrecht würde bedeuten, dass nach Art. 32 Abs. 2 des WÜD ein Immunitätsverzicht stets ausdrücklich erklärt werden müsste.158 Der IGH befand im Haftbefehls-Fall, dass die Diplomatenrechtskonvention, die Konsularrechtskonvention und die Konvention über Spezialmissionen159 eine nützliche Leitlinie im Hinblick auf bestimmte Aspekte in Immunitätsfragen böten. Da sie allerdings keine Regelungen betreffend die Immununitäten von Außenministern enthielten, müsse das Gericht diese Frage auf der Grundlage des Völkergewohnheitsrechts entscheiden.160 Der IGH vermeidet also eine Analogie zu diesen Regelungen zur Bestimmung der Immunität von Staatsorganen. Es ist zweifelhaft, ob bei Staatsoberhäuptern bzw. anderen Staatsorganen einerseits und bei Diplomaten andererseits die für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage besteht. Die diplomatische Immunität dient der Aufgabenwahrnehmung der diplomatischen Mission (dies wird im Lateinischen mit der Formulierung ne impediatur legatio umschrieben) und i. w. S. der Sicherung der rechtlichen und politischen Beziehungen innerhalb der Staatengemeinschaft.161 Die Immunität für dienstliche Handlungen erklärt sich eigenständig aus dem besonderen Status des Diplomaten. Dessen Anwesenheit auf dem Territorium des Empfangsstaates und seine Befugnis, dort für den Entsendestaat tätig zu werden, beruhen auf der Zustimmung des Empfangsstaates in Form des sog. Agrément (Art. 4 WÜD). Hieraus rechtfertigt sich die persönliche wie funktionelle diplomatische Immunität. Staatsorgane befinden sich dagegen allenfalls nur als Besucher in dem ausländischen Staat und gewinnen ihren Status durch innerstaatlichen Kreationsakt.162 Da Drittstaaten der Tätigkeit des Diplomaten nicht zugestimmt haben, wirkt diplomatische Immunität auch nur im Empfangsstaat.163 Nach Auffassung 158 So auch: Schweizer Bundesgericht, Marcos c. Office féderal de la police, BGE 115 Ib 496, 501; auch abgedruckt in: 102 ILR 198, 203 (1996); Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 68. 159 Convention on Special Missions, 8.12.1969, 8 ILM 73 (1969). 160 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 52. 161 Doehring, § 12, Rn. 657. 162 BVerfGE 96, 68, 86; Lord Nicholls, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419, 438 (1998). 163 BVerfGE 96, 87; a. A.: Doehring/Ress, AVR 37 (1999), 68, 75 ff.
F. Immunität staatlicher Funktionsträger
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des BVerfG können die Vorschriften des Diplomatenrechts deshalb auch nicht im Wege der Analogie auf die Immunität von Staatsorganen angewendet werden. Der Grund für das Erfordernis eines ausdrücklichen Immunitätsverzichts im Diplomatenrecht (Art. 32 Abs. 2 WÜD) ist, dass bei der Anerkennung eines impliziten Immunitätsverzichts es weniger sichergestellt wäre, dass der Entsendestaat über das Verfahren gegen den Diplomaten informiert würde.164 Wenn ein Staatsorgan verklagt wird, das sich normalerweise nicht im Ausland aufhält, erfährt der Heimatstaat eher davon, sodass diese Gefahr und damit die vergleichbare Interessenlage nicht vorhanden ist. Eine vergleichbare Interessenlage und damit die Rechtfertigung für eine entsprechende Anwendung besteht damit nur, wenn ein Staatsoberhaupt sich im Ausland aufhält. c) Reichweite des Immunitätsschutzes Nicht alle Staaten, die Regelungen zur Immunität von Staaten getroffen haben, besitzen auch Regelungen zur Immunität von Staatsoberhäuptern. Nach § 14 Abs. 1 (a) UK SIA, § 16 Abs. 1 (a) Singapore State Immunity Act, § 15 Abs. 1 (a) Pakistani State Immunity Ordinance, § 2 (a) South African Foreign States Immunities Act, § 2 a) Canadian State Immunity Act, und § 3 (3) (b) des australischen Foreign States Immunities Act (letzterer unter dem Vorbehalt, dass nichts Gegenteiliges zum Ausdruck kommt) schließt der Begriff „Staat“ auch das Staatsoberhaupt ein. In den USA gehen die Auffassungen darüber auseinander, ob der FSIA auch bei Klagen gegen staatliche Funktionsträger Anwendung findet. Bei der Bestimmung der Immunität von Staatsorganen spielt die Exekutive eine zentrale Rolle.165 So erlässt das State Department bei einem ausländischen Staatsorgan sog. suggestions of Immunity, wenn es der Auffassung ist, dass durch das Gerichtsverfahren die außenpolitischen Ziele beeinträchtigt werden.166 Dies bedeutet aber nicht, dass die Gerichte nicht noch eine eigene Prüfung vornehmen.167 Die Immunitätsgewährung hängt von der Anerkennung des Staates bzw. seines Staatsoberhauptes durch die Exekutive ab.168 164
Denza, S. 278. Siehe: US District Court, District of Columbia, First American Corp. et al. v. Sheikh Zayed Bin Sultan Al-Nahyan, Entsch. v. 26.11.1996, 948 F.Supp. 1107; US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp.2d 259, 292. 166 Siehe hierzu den 28 U.S.C.S. § 517: „The Solicitor General, or any officer of the Department of Justice, may be sent by the Attorney General to any State or district in the United States to attend to the interests of the United States in a suit pending in a court of the United States, or in a court of a State, or to attend to any other interest of the United States.“ 167 US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp.2d 259, 265 ff. 168 US District Court, S.D. Florida, United States v. Noriega and others, Entsch. v. 8.06.1990, 746 F.Supp. 1506, 1519; US District Court, District of Columbia, John 165
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Es wird überwiegend vertreten, dass nach dem Völkergewohnheitsrecht ein Staatsoberhaupt, solange es im Amt ist, absolute Immunität genieße, d. h. im Unterschied zu dem Staat weder für seine privaten noch seine hoheitlichen Handlungen der nationalen Gerichtsbarkeit in Straf-, Zivil- und Verwaltungsfragen unterliegt (sog. persönliche Immunität).169 Die Beschränkung der Immunität von Staaten auf Handlungen iure imperii soll für die Immunität von Staatsoberhäuptern also nicht gelten. Wenn ein Staatsoberhaupt sich also aus geschäftlichen Gründen in einem ausländischen Staat aufhält, dann bedeutet dies nicht, dass ihm für sein in diesem Zusammenhang begangenes Handeln keine Immunität zukommt.170 Der absoluten Immunität liegt der Gedanke zugrunde, dass die Person und die Würde des Führers einer ausländischen Nation durch die Ausübung der Gerichtsbarkeit einer anderen Nation vor den Kopf zu stoßen, ein größeres Potenzial für die Belastung der zwischenstaatlichen Beziehungen hat, als wenn ausländische Geschäftsstellen der Gerichtsgewalt in kommerziellen Streitigkeiten unterworfen werden.171 Es sind aber auch Ansätze zu finden, wonach einem amtierenden Staatsoberhaupt keine Immunität für privates Handeln zukommt. Dem Präsidenten Zaires, Mobuto, wurde vor französischen Gerichten die Berufung auf Immunität gegenüber einer Klage aus einem Kaufvertrag über die Bestellung von Zelten zu seinem 60. Geburtstag untersagt, weil hierdurch Mobuto persönlich als Bürger betroffen gewesen sei.172 Nach Auffassung des Institut de Droit International genießt ein amtierendes Staatsoberhaupt und ebenso ein amtierender Regierungschef (vgl. Art. 15 Abs. 1 der Resolution) keine Immunität vor ausländischen Gerichten in Zivil- und Verwaltungsangelegenheiten, außer, wenn die Klage sich auf Handlungen beziehe, die in der Ausübung amtlicher Funktionen vorgenommen wurden (Art. 3 der Resolution).173
Doe I et al. v. State of Israel et al., Entsch. v. 10.11.2005, 400 F. Supp. 2d 86, 110 f.; US District Court, E.D. New York, 844 F.Supp. 128, 132. 169 (Zum Strafverfahren:) Cour de Cassation, H.S.A. et al. v. S.A. et al., Decision related to the Indictment of Ariel Sharon, Amos Yaron and others, Entsch. v. 12.02. 2003, 42 ILM 596, 599 f. (2003); OLG Köln, Beschl. v. 16.05.2000, NStZ 2000, 667; Hobe/Kimminich, S. 348. (Zum Zivilverfahren:) Österreichischer OGH, Prince of Liechtenstein Road Accident Case, Entsch. v. 25.06.1964, 65 ILR 13, 14 (1984); Cour Civil de Bruxelles, Mobuto v. SA Cotoni, Entsch. v. 29.12.1988, 91 ILR 259, 260 (1993); Österreichischer OGH, Anita W. gegen Johannes Adam, Fürst von Liechtenstein u. a., Entsch. v. 14.02.2001, EuGRZ 2001, 513, 514 (zu einer Vaterschaftsklage); (Zur Immunität insgesamt:) Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 53 ff.; Doehring, § 12, Rn. 671 f. 170 Österreichischer OGH, 65 ILR 13, 14 (1984). 171 US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp.2d 259, 291. 172 Court of Appeal of Paris, Mobuto and Republic of Zaire v. Société Logrine, Entsch. v. 31.05.1994, 113 ILR 481, 483 f. (1999). 173 Institut de Droit International, Session of Vancouver, 26.08.2001, Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of State and of Government in International
F. Immunität staatlicher Funktionsträger
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Nach Beendigung der Amtszeit wird angenommen, dass der Immunitätsschutz eines Staatsoberhauptes für privates Handeln fortfällt.174 So genießt nach Auffassung des IDI ein ehemaliges Staatsoberhaupt keine Immunität in Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren, außer im Hinblick auf Handlungen, die in Ausübung amtlicher Funktionen durchgeführt wurden und sich hierauf beziehen (Art. 13 Abs. 2 S. 1 der Resolution, sog. funktioneller Immunitätsschutz).175 Ob ein Immunitätsschutz bei schweren Menschenrechtsverletzungen fortbesteht, bedarf der Klärung.176 Eine weitere Frage ist, inwieweit Familienangehörige von Staatsoberhäuptern Immunität genießen. Es wird vertreten, den Familienangehörigen eines Staatsoberhauptes den gleichen Immunitätsschutz zu gewähren wie den zum Haushalt eines Diplomaten gehörenden Familienmitgliedern.177 Dies erscheint jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn dass Staatsoberhaupt sich mit seiner Familie im Ausland aufhält. Hierfür spricht Art. 1 Abs. 1 a) der Diplomatenschutzkonvention,178 wonach zu den geschützten Personen auch Familienangehörige zählen, die ein Staatsoberhaupt begleiten. Hierüber hinaus erscheint die Staatenpraxis zum Immunitätsschutz von Familienangehörigen uneinheitlich. Das US State Department machte auch zugunsten der Frau eines Präsidenten, im konkreten Fall der Frau des mexikanischen Präsidenten, eine „suggestion of immunity“, wodurch das Gericht, der Supreme Court of New York, sich gebunden fühlte und seine Rechtsprechungsbefugnis verneinte.179 Nach Auffassung des Supreme Court of New York genießen auch die unmittelbaren Familienangehörigen eines Staatsoberhaupts Immunität.180 Es wurde dagegen von einem belgischen Gericht entschieden, dass bezüglich Klagen betreffend privates Eigentum der Ehefrau des Präsidenten Mobuto und seinen erwachsenen Kindern keine Immunität zu gewähren sei.181
Law, 13th Commission, Rapporteur Joe Verhoeven, Annuaire vol. 69, Tome I (2000), 742, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 212, Ziff. 2.122, Art. 3. 174 Cour d’Appel Paris, Ex-King Farouk of Egypt v. Christian Dior, Entsch. v. 11.04.1957, 24 ILR 228 f. (1957); Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 88; Jennings/Watts (Hrsg.), Bd. I, Peace, S. 1043, § 456; Doehring, § 12, Rn. 672. 175 Institut de Droit International, Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of State and of Government in International Law, Art. 13 Abs. 2. 176 Siehe: Sechster Teil, B. 177 Österreichischer OGH, EuGRZ 2001, 513, 514; Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 76; Doehring, § 12, Rn. 671. 178 Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including Diplomatic Agents, 14.12. 1973, 1035 UNTS 167. 179 Supreme Court of New York, New York County, Kline et al. v. Kaneko et al., Entsch. v. 31.10.1988, 141 Misc.2d 787. 180 Supreme Court of New York, 141 Misc. 2d 787, 788. 181 Cour Civil de Bruxelles, Ex-King Farouk of Egypt v. Christian Dior, Entsch. v. 11.04.1957, 91 ILR 259, 260 (1993).
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Es wird Familienangehörigen also eher Immunitätsschutz gewährt, wenn sie noch minderjährig sind und im Haushalt des Staatsoberhauptes wohnen. Bei Familienangehörigen, die nicht im gleichen Haushalt wohnen, und erwachsenen Kindern ist der Immunitätsschutz eher zu verneinen. 2. Immunität der weiteren zentralen Organe eines Staates im Völkerrechtsverkehr Wenn hier von Regierungsmitgliedern gesprochen wird, ist die Regierung im völkerrechtlichen Sinne gemeint, d. h. die Gesamtheit der nach außen hin auftretenden zentralen Organe eines Staates. Dies sind in erster Linie Regierungschefs und Außenminister. Zur Immunität von Regierungsmitgliedern gibt es noch relativ wenige Entscheidungen nationaler und internationaler Gerichte. In weiten Teilen der Literatur und nationalen Rechtsprechung wird Regierungschefs und Außenministern in gleichem Umfang Immunität gewährt wie Staatschefs.182 In der Staatenpraxis repräsentierten der Regierungschef und der Außenminister den Staat (vgl. ihre Vertragsabschlusskompetenz in Art. 7 Abs. 2 WVRK), weshalb für sie der gewohnheitsrechtliche Grundsatz der Immunität im gleichen Umfang wie für das Staatsoberhaupt Geltung besitze. Das Institut de Droit International setzt in seiner Resolution aus dem Jahre 2001 die Position des Regierungschefs mit der des Staatsoberhauptes gleich. Der IGH weist im Haftbefehls-Fall auch auf die Immunität von Regierungschefs in Zivil- und Strafsachen hin.183 Der IGH entschied, dass ein amtierender Außenminister sowohl für amtliches als auch privates Handeln Immunität gegenüber nationaler Strafverfolgung genieße.184 Das Gericht argumentierte weniger mit der Staatenpraxis als damit, dass Außenminister zur effektiven Amtsausübung Immunitäten benötigten. Deshalb wurde dem Gerichtshof auch vorgeworfen, die Grundsätze für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht missachtet zu haben.185 Der Entscheidung lag die Annahme zugrunde, dass die Immunität der Grundsatz sei und Ausnahmen von der Immunität eines Nachweises bedürften.186 Es sind aber bereits vor dem IGH-Urteil Fälle zu finden, in denen behauptet wurde, dass Außenministern Immunität zukomme. So vertrat bereits im Fall 182 Siehe zur Immunität der britischen Premierministerin: US District Court, District of Columbia, Saltany et al. v. Reagan et al., Entsch. v. 23.12.1988, 702 F.Supp. 319 f.; Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 36; Fox, S. 423. 183 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 51. 184 IGH, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 53. 185 Zeichen/Hebenstreit, AVR 41 (2003), 182, 188. 186 Siehe: Erster Teil, C. II.
F. Immunität staatlicher Funktionsträger
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The Schooner Exchange v. McFaddon der Chief Justice die Auffassung, dass Außenministern Immunität zustehe.187 Ein weiterer Fall ist Chong Boon Kim v. Kim Yong Shik, in dem der Außenminister Koreas während eines offiziellen Besuchs der Vereinigten Staaten vor dem District Court of Hawai verklagt wurde. Der Attorney General machte eine suggestion of immunity,188 in der er die Auffassung vertrat, dass nach völkergewohnheitsrechtlichen Regeln das Oberhaupt einer ausländischen Regierung und sein Außenminister Immunität genössen. Daraufhin wies das Gericht die Klage mangels Gerichtsbarkeit ab. Art. 21 Abs. 2 UN Convention on Special Missions189 scheint vorauszusetzen, dass Außenministern wie auch Regierungschefs Immunität gewährt werden.190 Hiernach sollen Regierungschefs, Außenminister und andere Personen hohen Ranges, wenn sie an einer Spezialmission teilnehmen, im Empfangsstaat oder in einem dritten Staat, zusätzlich zu dem, was durch die Artikel der Konvention garantiert wird, die Privilegien und Immunitäten des Völkerrechts genießen: „The Head of the Government, the Minister for Foreign Affairs and other persons of high rank [. . .] shall enjoy [. . .] in addition to what is granted by these articles, the facilities, privileges and immunities accorded by international law.“
Nach dem Ausscheiden aus dem Amt wird ein Fortbestehen des Immunitätsschutzes für Amtshandlungen vertreten (sog. funktioneller Immunitätsschutz).191 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es sich bei Handlungen in Ausübung des hoheitlichen Amtes in erster Linie um Handlungen des Staates und nicht des Organs handelt. Fraglich ist, ob neben Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern den weiteren Mitgliedern einer nationalen Regierung derselbe persönliche Immunitätsschutz zukommt. Den Ausführungen des IGH im Haftbefehls-Fall, wonach gewisse Inhaber hochrangiger Staatsämter, wie Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister Immunitätsschutz in Zivil- und Strafsachen genießen, lässt sich andeutungsweise entnehmen, dass grundsätzlich auch anderen hochrangigen staatlichen Funktionsträgern derselbe Schutz zukommen kann. Die vom IGH genannten Kategorien scheinen nur Beispiele zu sein, und der IGH betonte zudem,
187 Supreme Court, The Schooner Exchange v. McFaddon, Entsch. v. 24.02.1812, 11 U.S. 116, 138. 188 Suggestion of Interest submitted on behalf of the United States, District Court, 1st Circuit, State of Hawai, Chong Boon Kim v. Kim Yong Shik and David Kim, 58 AJIL 186 (1964). 189 Convention on Special Missions, 8.12.1969, 8 ILM 73 (1969). 190 So auch: Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 103 f. 191 Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 112.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
dass er nur über die Immunität eines Außenministers in Strafsachen zu entscheiden gehabt hätte.192 Vor diesem Hintergrund wird vertreten, dass auch Verteidigungsminister in diese Kategorie fallen, da diese ebenso zur Erfüllung ihrer Funktionen den Immunitätsschutz benötigten. Für Innenminister, Arbeitsminister, Umweltminister und Minister für Kultur und Sport soll dies dagegen nicht gelten.193 Das Völkerrecht verleiht grundsätzlich nur Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern eine besondere Stellung im Außenrechtsverkehr.194 Den weiteren Regierungsmitgliedern kann jedoch als diplomatischer Vertreter in einer besonderen Mission195 Immunitätsschutz zukommen. Regierungsmitglieder, die ihre Staaten bei den internationalen Organisationen und deren Sitzungen und Tagungen vertreten, genießen aufgrund besonderer Verträge die Vorrechte und Befreiungen von Diplomaten oder einen vergleichbaren völkerrechtlichen Status.196 Ein persönlicher Immunitätsschutz, der sich allein aus dem Status als Mitglied der nationalen Regierung ergibt, lässt sich bei den weiteren Regierungsmitgliedern im Unterschied zu den zentralen Staatsorganen im Völkerrechtsverkehr nicht klar nachweisen.197 Ihnen kommt damit grundsätzlich nur funktioneller Immunitätsschutz zu.
III. Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger Der Kreis der nach außen hin auftretenden zentralen Organe eines Staates ist klein. Es gibt aber einen weiten Kreis staatlicher Funktionsträger, die kraft gesetzlicher oder behördlicher Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln befugt sind (z. B. Polizisten, Gefängniswärter etc.).
192 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 51: „[. . .] certain holders of high-ranking office in a State, such as the Head of State, Head of Government and Minister for Foreign Affairs, enjoy immunities from jurisdiction in other States, both civil and criminal. For the purposes of the present case, it is only the immunity from criminal jurisdiction and the inviolability of an incumbent Minister for Foreign Affairs that fall for the Court to consider.“ 193 District Judge CL Pratt – Bow Street, Entsch. v. 12.02.2004, zitiert nach: Warbrick, 53 ICLQ 769, 773 (2004). 194 Siehe: Erster Teil, F. I. 195 Siehe hierzu: Convention on Special Missions, 8.12.1969, 8 ILM 73 (1969). 196 Vgl. z. B. Art. IV, Section 11 der Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, 13.02.1946, 1 UNTS 15. 197 Vgl.: Fox, S. 423.
F. Immunität staatlicher Funktionsträger
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Vereinzelt wird vertreten, dass die Immunität für hoheitliches Handeln nur einem Staat, aber nicht den Personen in seinem Dienst zukomme.198 Dem steht jedoch die überwiegende Staatenpraxis und die herrschende Literaturauffassung entgegen, die über den Kreis der zentralen Staatsorgane hinaus staatlichen Bediensteten funktionellen Immunitätsschutz gewährt, wenn diese hoheitliche Handlungen für ihren Anstellungsstaat vornehmen.199 Wenn die Organe eines fremden Staates amtliche Handlungen vornehmen, handelt es sich um Handlungen des fremden Staates, die als unmittelbares staatliches Handeln angesehen und in diesem Bereich dem jeweils zum Handeln Berufenen nicht als private Tätigkeit zugeordnet werden.200 Der Immunitätsschutz souveräner Staaten im hoheitlichen Bereich würde inhaltsleer, wenn das staatliche Handeln durch Zugriff auf das handelnde ausländische Organ der Gerichtsbarkeit unterworfen könnte.201 Damit wurzelt die (funktionelle) Immunität staatlicher Bediensteter unmittelbar in der Staatenimmunität.202 Das Verhalten der staatlichen Bediensteten muss jedoch dem Staat zugerechnet werden können, und es darf sich nicht um eine private Tätigkeit des Bediensteten handeln. Hierbei wird vielfach verlangt, dass die Organe offen erkennen lassen müssten, dass sie im Dienste des Staates tätig geworden bzw. offen als staatliche Organe aufgetreten seien, damit ihre Handlungen dem Staat zugerechnet werden könnten.203 Wenn das Organ den amtlichen Charakter nicht erkennen lasse, hafte es persönlich. Der Schutzzweck, dass die Immunität des Staates für hoheitliches Handeln nicht durch Zugriff auf das handelnde ausländische Organ der nationalen Gerichtsbarkeit unterworfen werden kann, greift jedenfalls dann nicht mehr, wenn die in der Klage beanstandete Handlung mit der dienstlichen Betätigung in keinem Zusammenhang mehr steht.204
198 Court of Appeals of Amsterdam, Edwards v. BV Bureau Wijsmuller, Entsch. v. 18.06.1987, 94 ILR 361 364 f. (1994). 199 BGH, Urt. v. 26.09.1978, NJW 1979, 1101; US District Court, District of Columbia, 702 F.Supp. 319, 321 f; US District Court, District of Columbia, Herbage v. Meese, Entsch. v. 20.09.1990, 747 F.Supp. 60, 65; Wengler, Bd. II, S. 952 f. 200 BGH, NJW 1979, 1101 f.; Ontario Court of Appeal, Jaffe v. Miller and others, 17.06.1993, 95 ILR 446 (1994); US District Court, District of Columbia, John Doe I et al. v. State of Israel et al., Entsch. V. 10.11.2005, 400 F. Supp. 2d 86, 104; Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 29; Gornig, NJ 1992, 4, 13; Bothe, ZaöRV 31 (1971), 246, 252; Lüke, S. 188. 201 BGH, Urt. v. 26.09.1978, NJW 1979, 1101, 1102; Ontario Court of Appeal, 95 ILR 446, 459 (1994). 202 Tomonori, 29 Denv. J. Int’l L. & Pol’y 101, 114 (2001). 203 Verdross/Simma, S. 773, § 1177; Gornig, NJ 1992, 4, 13. 204 BGH, NJW 1979, 1101, 1102.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
IV. Ergebnis Während den zentralen Staatsorganen im Völkerrechtsverkehr, d. h. Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern, aufgrund ihrer hervorgehobenen Stellung als Repräsentanten ihres Heimatstaates besonderer personaler Immunitätsschutz zukommt, genießen sonstige staatliche Funktionsträger bei hoheitlichem Handeln einen aus der Staatenimmunität abgeleiteten funktionellen Immunitätsschutz.
G. Folgen des Bestehens von Immunitätsschutz Im Folgenden sollen kurz die Folgen des Bestehens von Immunitätsschutz aufgezeigt werden.
I. Immunität als ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis In den meisten Prozessen, in denen ein Staat oder seine Funktionsträger unter dem Vorwurf schwerer Menschenrechtsverletzungen verklagt werden, bleiben die Beklagten untätig. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, zu bestimmen, welche prozessualen Folgen das Nichterscheinen im Gerichtsverfahren hat. In den Gesetzgebungsmaterialien zum FSIA wird Staatenimmunität als affirmative defense bezeichnet.205 Der beklagte Staat müsse nachweisen, dass ein hoheitliches Handeln vorlag und keine der im FSIA enthaltenen Immunitätsausnahmen einschlägig sei. Erst danach gehe die Beweislast auf den Kläger über. Es ist jedoch ein Widerspruch, wenn die Gesetzesmaterialien zum FSIA einerseits den Immunitätsschutz als völkerrechtlich geboten qualifizieren und andererseits ausführen, dass die Staatenimmunität nicht von Amts wegen zu beachten sei. In aktuelleren US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen wird vertreten, dass, auch wenn ein Staat nicht vor Gericht auftritt und sich auf seine Immunität beruft, zunächst bestimmt werden müsse, dass kein Immunitätsschutz besteht.206
205 H.R. Rep. No. 94-1487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6616, auch abgedruckt in: 15 ILM 1398, 1407 (1976): „[. . .] since sovereign immunity is an affirmative defence which must be specially pleaded, the burden will remain on the foreign state to produce evidence in support of its claim of immunity.“ 206 US Supreme Court, Verlinden BV v. Central Bank of Nigeria, Entsch. v. 23.05. 1983, 461 U.S. 480, 493 f.; US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 9.03.1990, 736 F.Supp. 1, 4.
G. Folgen des Bestehens von Immunitätsschutz
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Nach der überwiegenden Auffassung in der nationalen Rechtsprechung207 und im Schrifttum ist Staatenimmunität ein von einem Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis.208
II. Immunität als Verfahrenshindernis eigener Art Das Nichtbestehen von Staatenimmunität ist mehr als eine bloße Prozessvoraussetzung. Sie wirkt sich auf sämtliche Verfahrenshandlungen aus. Besitzt ein Staat oder ein Amtsträger Immunität, so sind bereits die Verfahrenseinleitung, die Zustellung der Klageschrift, die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung oder auch die Vernehmung als Zeuge unzulässig.209 Vor diesem Hintergrund wird die Immunität auch als Verfahrenshindernis eigener Art eingeordnet.210 Wenn das Bestehen von Immunitätsschutz nicht eindeutig feststeht oder im Streit ist, kann und muss eine gerichtliche Überprüfung stattfinden, eine Terminsanberaumung vorgenommen und die Klage zugestellt werden, weil andernfalls die bloße Möglichkeit einer Immunitätsverletzung jegliche gerichtliche Nachprüfung verhindern würde und die gesamte Gerichtsbarkeit blockiert werden könnte.211 Zustellungen sind dabei auf diplomatischem Weg möglich.212 Wenn unter Nichtbeachtung der Immunität eines Staates ein Urteil erlassen wird, ist dieses nach herschender Auffassung nichtig.213
III. Immunität und materieller Anspruch Abzugrenzen ist die prozessuale Frage der Immunität eines Staates gegenüber ausländischer Gerichtsbarkeit von der materiellrechtlichen Frage des Vorliegens eines Anspruchs. 207 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 13.12.1977, E 46, 342, 359 (Botschaftskonto-Fall); BGH, Beschl. v. 28.05.2003, NJW-RR 2003, 1218, 1219; US Court of Appeals, 7th Circuit, Lois Frolova v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 1.05.1985, 761 F.2d 370, 373. 208 Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 241 f., 3.025 f; Wolf, in: Lüke/Wax, MüKo ZPO, Bd. 3, Vor §§ 18 bis 20 GVG, Rn. 4; Stephens/Ratner, S. 126; Damian, S. 40, Geimer, S. 292, Rn. 843 c. Siehe auch: Art. 15 2. HS. EÜStI. 209 OLG München, Beschl. v. 12.08.1975, NJW 1975, 2144, 2145; Wolf, in: Lüke/ Wax, MüKo ZPO, Bd. 3, Vor §§ 18 bis 20 GVG, Rn. 3; Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 18. 210 Wolf, in: Lüke/Wax, MüKo ZPO, Bd. 3, Vor §§ 18 bis 20 GVG, Rn. 3. 211 BGH, Beschl. v. 28.05.2003, NJW-RR 2003, 1218, 1220; Wolf, in: Lüke/Wax, MüKo ZPO, Bd. 3, Vor §§ 18 bis 20 GVG, Rn. 4. 212 Wolf, in: Lüke/Wax, MüKo ZPO, Bd. 3, Vor §§ 18 bis 20 GVG, Rn. 4. 213 Siehe statt vieler: Österreichischer OGH, Entsch. v. 19.01.1962, JBl. 1962, 271, 272; Wolf, in: Lüke/Wax, MüKo ZPO, Bd. 3, Vor §§ 18 bis 20, Rn. 4.
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1. Teil: Grundlagen der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger
Die Anspruchsgrundlage für die Klage gegen einen ausländischen Staat kann sich aus dem Völkerrecht oder aus nationalem Recht ergeben. Das völkerrechtswidrige Verhalten eines Staates in Bezug auf einen fremden Staatsangehörigen verletzt nach dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts grundsätzlich nicht den Staatsangehörigen, sondern dessen Heimatstaat.214 Eine gewisse Modifikation hat diese sog. Mediatisierung des Individuums durch den Staat aufgrund der Kodifikation des internationalen Menschenrechtsschutzes gefunden. Den Individuen wird aber auf der Ebene des Völkerrechts erst dann eine wirkliche Rechtsposition eingeräumt, wenn zum einen die Staaten völkerrechtliche Normen schaffen, durch die dem Einzelnen bestimmte Rechte oder Pflichten zugesprochen bzw. zugeordnet werden und wenn zum anderen auch ein völkerrechtliches Verfahren zur Durchsetzung der zugeordneten Rechte eingeräumt wird.215 Diese engen Voraussetzungen werden z. B. von der EMRK erfüllt. Sie sieht für Verletzungen einen einklagbaren Schadensersatzanspruch vor (vgl. Art. 5 Abs. 5 EMRK) und eröffnet durch Art. 34 EMRK die Möglichkeit, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anzurufen. Im Regelfall kann sich ein Anspruch des Individuums nur aus dem nationalen Recht ergeben. Menschenrechtsverletzungen stellen unerlaubte Handlungen dar, für die die Anspruchsgrundlagen des Deliktsrechts einschlägig sind. Wenn Amtsträger gehandelt haben, wird das nationale Deliktsrecht in vielen Rechtsordnungen durch das Recht der öffentlichen Ersatzleistungen überlagert oder ganz verdrängt. Beim Handeln deutscher Amtsträger kommt ein Anspruch aus Art. 34 S. 1 GG, § 839 BGB gegen den deutschen Staat in Betracht.
214
Epping, in: Ipsen, § 7, Rn. 3. LG Bonn, Urt. v. 10.12.2003, NJW 2004, 525 (Varvarin-Fall); Pisillo-Mazzeschi, in: Randelzhofer/Tomuschat, S. 149, 172. 215
Zweiter Teil
Verzicht des Staates auf seine Immunität bzw. die seiner Funktionsträger Im ersten Teil wurde festgestellt, dass Staaten grundsätzlich für ihr hoheitliches Handeln Immunitätsschutz genießen. Der Forumstaat kann Gerichtsbarkeit über einen ausländischen Staat ausüben, wenn und soweit dieser auf seine Immunität verzichtet hat.1 In einem solchen Fall bedarf es keiner weiteren Untersuchung, ob Menschenrechtsverletzungen überhaupt ein immunitätsgeschütztes Verhalten darstellen. Die nationalen Immunitätsregelungen sehen den Immunitätsverzicht im Anschluss an die Grundregel, das Bestehen des Immunitätsschutzes, als ersten Ausnahmetatbestand vor (siehe z. B. § 1605 (a) (1) FSIA, § 4 des kanadischen SIA, § 10 des australischen Foreign Sovereign Immunities Act).
A. Anerkennung und Anforderungen an einen Immunitätsverzicht Verzicht bedeutet, dass ein Staat willentlich ein Recht aufgibt.2 Der Immunitätsverzicht kann durch eine ausdrückliche Erklärung (z. B. Art. 2 EÜStI; Art. 7 Ziff. 1 der von der Generalversammlung beschlossenen UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property) oder durch konkludentes Handeln eines Staates erfolgen. Zum Beispiel kennt § 1605 (a) Abs. 1 FSIA sowohl den ausdrücklichen Immunitätsverzicht („waiver“) als auch den Immunitätsverzicht durch konkludentes Handeln („implicit waiver“). Da zwischen der Immunität im Erkenntnisverfahren und der Immunität im Vollstreckungsverfahren zu unterscheiden ist,3 bedeutet ein im Erkenntnisverfahren erklärter Verzicht nicht, dass ein ausländischer Staat zugleich auf die Immunität gegenüber Zwangsmaßnahmen verzichtet hat.4 Die Unzulässigkeit eines Schlusses von einem Verzicht im Erkenntnisverfahren auf einen Verzicht 1 Siehe hierzu: Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, 2000, S. 615, 622; Brownlie, S. 335 f. 2 Trebilcock, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, S. 1327 f. 3 Siehe: Erster Teil, D. III. 4 Jennings/Watts, S. 350; Brownlie, S. 338; Kren Kostkiewicz, S. 443; Damian, S. 44.
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2. Teil: Verzicht des Staates auf seine Immunität
im Vollstreckungsverfahren sehen ausdrücklich z. B. Art. 20 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property und § 13 Abs. 3 des UK SIA vor. Der Immunitätsverzicht muss vom Staat selbst und nicht von dem Individuum, das die Handlung ausgeführt hat, ausgehen.5 Es muss das zuständige staatliche Organ handeln, damit der Verzicht auch wirksam ist.6 Zuständig sind u. a. die Organe, die den Staat im völkerrechtlichen Verkehr repräsentieren oder die ausdrücklich für den spezifischen Fall für zuständig erklärt wurden.7 Hierzu gehören auch die Prozessbevollmächtigten eines fremden Staates. Der Verzicht ist eine empfangsbedürftige Erklärung. Neben den zentralen Organen des völkerrechtlichen Verkehrs werden auch die nationalen Gerichte für empfangsberechtigt gehalten.8 Bei der Immunität staatlicher Funktionsträger ist zu beachten, dass die Zubilligung des Immunitätsprivilegs nicht dem Schutz des Individualinteresses des jeweiligen Amtsinhabers, sondern der Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns dient.9 Deshalb ist es auch hier der Staat und nicht der Funktionsträger, dem die Entscheidung über einen Immunitätsverzicht zusteht.10 In der Literatur wird es als Indiz für einen impliziten Immunitätsverzicht gewertet, wenn der Heimatstaat selbst gegen sein ehemaliges Organ Verfahrenshandlungen vornimmt, oder wenn er die Auslieferung begehrt.11 Ein Immunitätsverzicht kann u. a. durch Mitteilung auf diplomatischem Wege, etwa durch eine einseitige Erklärung, erfolgen. Beispielsweise teilte das philippinische Außenministerium in einer Verbalnote vom 17.10.1988 der USamerikanischen Botschaft in Manila ihren Verzicht auf die Immunität des ehemaligen philippinischen Staatsoberhaupts Marcos mit.12 Im Zusammenhang mit 5
Fox, S. 265. Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 622; Damian, S. 36. 7 Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 622; Geimer, S. 196, Rn. 509. 8 Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 622 f.; Damian, S. 37. 9 Schweizer Bundesgericht, Marcos c. Office féderal de la police, BGE 115 Ib 496, 501; auch abgedruckt in: 102 ILR 198, 203 (1996); IDI, Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of State and of Government in International Law, zitiert nach: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 212, Ziff. 2.122. 10 US Court of Appeals, 9th Circuit, In Re Grand Jury Proceedings, Entsch. v. 5.05.1987, 817 F.2d 1108, 1111; IDI, Imunities from Jurisdiction and Execution of Heads of State and of Government in International Law, Art. 7 Abs. 2. Aus diesem Grunde überdauert die Immunität eines Funktionsträgers auch nicht die Immunität des Staates. Siehe hierzu: BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 24.10.1996, E 95, 96, 129. 11 Watts, RdC 247 (1994, III), 9, 113. 12 Der Verzicht lautete in englischer Übersetzung: „Taking note of this Treaty (on mutual assistance concluded betweeen the two States), the Philippine Government hereby waives all immunity (1) of the State, (2) of the Head of State and (3) diplomatic immunity which the former Philippine President Ferdinand Marcos and his wife 6
B. Immunitätsverzicht im Gerichtsverfahren
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den Verfahren gegen Prosper Avril, dem ehemaligen General der Streitkräfte Haitis und Militärherrscher Haitis, erklärte der Justizminister der haitianischen Regierung, dass Avril in keiner Weise Immunität weder im Erkenntnis- noch im Vollstreckungsverfahren genieße.13 Ein Immunitätsverzicht lag auch im Fall des ehemaligen Präsidenten des Tschad Hissène Habré, der sich im Senegal im Exil aufhält und gegen den die belgische Justiz ermittelt, vor. Mit Schreiben vom 7.10.2002 gab der Justizminister des Tschad Djimnain Joudij-Gaou dem zuständigen belgischen Ermittlungsrichter kund, dass sein Land auf jegliche Immunität Habrés verzichte.14
B. Immunitätsverzicht im Gerichtsverfahren Ein Weg des Immunitätsverzichts ist die Unterwerfung in einem Gerichtsverfahren. Ein Verzicht kann sowohl im Voraus für künftige Rechtsstreitigkeiten wie auch nach Auftreten eines Rechtsstreites, sowohl vor wie nach Klageerhebung erfolgen.15 Wenn ein Staat sich in einem konkreten Fall der Gerichtsbarkeit unterworfen hat, kann diese Erklärung nicht widerrufen werden.16 Ein Staat kann konkludent auf seine Immunität verzichten, indem er sich im Gerichtsverfahren zur Sache einlässt (siehe z. B. Art. 3 EÜStI) und nicht zugleich ausdrücklich auf seiner Immunität beharrt.17 Wenn ein Staat, wie Deutschland im
Imelda Marcos might enjoy or might have enjoyed on the basis of American law or international law, including but not exclusively immunity under Article 39 (2) of the Vienna Convention, by virtue of the functions which those persons lately occupied in the Government of the Republic of Philippines. This waiver covers the proceedings brought against Ferdinand and Imelda Marcos in the case mentioned above (enquiry conducted by the Public Prosecutor for the State of New York), as well as any criminal act or other connected matter in relation to which the persons in question might seek to invoke their immunity. This waiver does not, however, affect the Philippine Government itself or any former or present member of that Government.“ Zitiert in: Schweizer Bundesgericht, Marcos c. Office féderal de la police, Entsch. v. 2.11.1989, BGE 115 IB 496, 502; auch abgedruckt in: 102 ILR 198, 203 (1996). 13 Der Verzicht lautete: „Prosper Avril, ex-Lieutenant-General of the Armed Forces of Haiti and former President of the Military Government of the Republic of Haiti, enjoys absolutely no form of immunity, whether it be of a sovereign, a chief of state, a former chief of state; whether it be diplomatic, consular, or testimonial immunity, or all other immunity, including immunity against judgment, or process, immunity against enforcement of judgments and immunity against appearing before court before and after judgment.“ Zitiert nach: US District Court, S.D. Florida, Evans Paul et al. v. Prosper Avril, Entsch. v. 10.10.1992, 812 F.Supp. 207, 210. 14 Siehe das Schreiben unter: http://www.hrw.org/press/2002/12/habre1205.htm (02.08.2004). 15 Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 29. 16 Österreichischer OGH, Entsch. v. 25.06.1964, JBl. 1964, 567. 17 Scheffler, S. 77. House Report (Judiciary Committee) No. 94-1487, 9.09.1976, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6617, auch abgedruckt in: 15 ILM 88, 106 f. (1976): „An
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2. Teil: Verzicht des Staates auf seine Immunität
Distomo-Fall,18 Rechtsmittel einlegt, mit dem es die Sachurteilsvoraussetzungen rügt, liegt keine Einlassung zur Sache vor.19 Die Bundesregierung ließ u. a. in einer Verbalnote zum Prinzip der Staatenimmunität vom 18.10.1995 ihre ablehnende Haltung gegenüber den erhobenen Ansprüchen erkennen.20 Wenn ein Staat selbst klagt, verzichtet er auf seine Immunität im Hinblick auf Widerklagen aus demselben Sachverhalt (vgl. z. B. § 1607 (b) FSIA).21 Die Immunitätsverweigerung wird dadurch gerechtfertigt, dass ein Staat, der Klage erhebt, Vorteile aus dem Rechtssystem des Forumstaates ziehe.22 In Klageverfahren wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gibt es Versuche einer extensiven Bewertung der Vornahme von Verfahrenshandlungen durch einen Staat als Immunitätsverzicht. Ein Beispiel ist der Fall Siderman v. Argentina.23 Siderman und Mitglieder seiner Familie verklagten Argentinien wegen Folterhandlungen, die ihm aus antisemitischen Beweggründen durch argentinische Militärbedienstete zugefügt worden seien, und wegen nicht rechtmäßiger Enteignung auf Schadensersatz. Umgekehrt wurde seitens argentinischer Behörden ein Strafverfahren wegen Betrugsvorwürfen gegen Siderman betrieben. Siderman soll Land verkauft haben, das ihm nicht gehörte. Der Staatsanwalt der argentinischen Provinz Tucuman ersuchte 1980 ein Gericht in Los Angeles, Siderman eine Anklageschrift zuzustellen. Der Court of Appeals des neunten Bezirks sah in dem Rechtshilfeersuchen einen konkludenten Immunitätsverzicht Argentiniens gegenüber der Folterklage. Ein Zusammenhang zwischen den Aktivitäten des argentinischen Staates vor den US-Gerichten und der Entschädigungsklage Sidermans liege bereits darin, dass die argentinischen Militärs die US-Justiz bewusst in die Verfolgung der Sidermans einbezogen hätten.24 Diese Entscheidung wird von Teilen des völkerrechtlichen Schrifttums als Beleg dafür interpretiert, dass die Immunitätsausnahme aufgrund impliziten Immunitätsverzichts einer weiten Auslegung zugänglich sei.25 Das Vorliegen eines wirklichen Immunitätsverzichts erscheint jedoch zweifelhaft. Ähnlich wie bei der für Widerklagen anerkannten Immunitätsausnahme kann ein Immunitätsverzicht nur bei Verfahrenshandlungen angenommen werimplicit waiver would also include a situation where a foreign state has filed a responsive pleading in an action without raising the defence of sovereign immunity.“ 18 Siehe: Einleitung, A. I. 2. 19 Kämmerer, AVR 1999, 283, 307 f., insbes. Fn. 106. 20 Zitiert von Grote, ZaöRV 57 (1997), 941. 21 Brownlie, S. 320. 22 Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 623. 23 US Court of Appeals, 9th Circuit, Siderman de Blake and others v. The Republic of Argentina, Entsch. v. 22.05.1992, 965 F.2d 699. 24 US Court of Appeals, 9th Circuit, 965 F.2d 699, 721 f. 25 Bianchi, 46 Austrian J. Publ. Intl. Law 195, 214 (1994).
C. Völkervertragliche Verzichtsklauseln
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den, die dasselbe Rechtsverhältnis betreffen, das Klagegegenstand ist.26 Ein Staat, der von einem anderen Rechtshilfe in einer Strafsache ersucht, rechnet nicht damit, sich im ersuchten Staat später wegen der Verfolgung Unschuldiger verantworten zu müssen.27 Es fehlt an einem Zusammenhang zwischen dem Rechtshilfeersuchen und der Klage Sidermans.
C. Völkervertragliche Verzichtsklauseln Ein Immunitätsverzicht kann sich auch aus völkervertraglichen Verzichtsklauseln ergeben. Freundschaftsverträge, Handels- und Schifffahrtsverträge enthalten vielfach Regelungen zur Immunität.28 Ein Vertrag, in dem Staaten ausdrücklich Ausnahmen zur Staatenimmunität festlegen, ist das EÜStI.29 Das EÜStI sieht ebenso wie die UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property,30 die noch nicht in Kraft getreten ist, keine Immunitätsausnahme bei Menschenrechtsverletzungen vor. Verträge, in denen Staaten auch bei schweren Menschenrechstverletzungen ausdrücklich Ausnahmen festlegen, bestehen bis auf das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs31 nicht. In Art. 5 Abs. 1 Rom-Statut wird die Gerichtsbarkeit für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression begründet. Art. 27 Abs. 1 S. 1 des Statuts bestimmt, dass es für alle Personen ohne Unterschied auf ihre amtliche Eigenschaft gilt. Nach Art. 27 Abs. 1 S. 2 enthebt die amtliche Eigenschaft als Staats- oder Regierungschef, als Mitglied einer Regierung oder eines Parlaments, als gewählter Vertreter oder als Amtsträger einer Regierung, diese Person nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Absatz 2 stellt klar, dass Immunitäten, die mit der amtlichen Eigenschaft einer Person verbunden sind, den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person hindern: „Immunities or special procedural rules which may attach to the official capacity of a person, whether under national or international law, shall not bar the Court from exercising its jurisdiction over such a person.“
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Vgl. Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 623. So auch: Scheffler, S. 78. 28 Diese Beispiele nennen auch: House Report (Judiciary Committee) No. 94-1487, H.R. Rep. 94-1487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6616, auch abgedruckt in: 15 ILM 88, 106 (1976); Trebilcock, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, S. 1327, 1329. 29 European Convention on State Immunity and Additional Protocols, 16.05.1972, 11 ILM 470 (1972). 30 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property, 02.12. 2004, Doc. A/RES/59/38. 31 Rome Statute of the International Criminal Court, 17.07.1998, 2187 UNTS 3. 27
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2. Teil: Verzicht des Staates auf seine Immunität
Das Statut betrifft nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Verträge über die Errichtung internationaler Gerichtshöfe können nicht zur Begründung der nationalen Gerichtsbarkeit herangezogen werden. Dies wurde vom IGH im Haftbefehls-Fall betont.32 Internationale Gerichtshöfe wurden gerade deshalb errichtet, um die Defizite der nationalen Rechtsprechung zu beheben.33 Der Verzicht einiger Staaten auf die Immunität ihrer Repräsentanten vor dem Internationalen Strafgerichtshof beruht darauf, dass die Staaten, auf die Neutralität und Sachkunde der internationalen Strafgerichtsbarkeit vertrauen. Dieses Vertrauen bringen sie aber nicht der Justiz eines jeden beliebigen Staates entgegen.34
D. Ergebnis Ein Immunitätsverzicht von Staaten bei schweren Menschenrechtsverletzungen liegt praktisch kaum vor. Der besonderen Fragestellung, ob ein Vertrag zum Schutz der Menschenrechte im Wege effektiver Vertragsauslegung so ausgelegt werden könne, dass er auch eine Immunitätsausnahme bei Verletzung der vertraglich normierten Rechte gebietet, soll ein eigener Abschnitt gewidmet werden.35
32 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 58. 33 Separate Opinion of President Guillaume, in: Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02. 2002, ICJ Rep. 2002, 3, 35, Ziff. 11. 34 Maierhöfer, EuGRZ 2003, 545, 552. 35 Siehe: Fünfter Teil.
Dritter Teil
Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns Wenn ein Staat nicht auf Immunität verzichtet hat, müssen die Gerichte untersuchen, ob dem Handeln des Staates bzw. seiner Funktionsträger Immunitätsschutz zukommt. Wie bereits im ersten Teil ausgeführt worden ist, genießen Staaten nur noch für hoheitliches Handeln Immunitätsschutz. Im vorliegenden Kapitel soll untersucht werden, ob die Verletzung von Menschenrechten als immunitätsgeschütztes hoheitliches Handeln qualifiziert werden kann.1
A. Klagen gegen Staaten Zuerst werden handlungsbezogene Immunitätsausnahmen bei Klagen gegen Staaten analysiert. Ein Beispiel, in dem es auf die Qualifikation staatlichen Handelns ankam, ist der Fall Nelson v. Saudi-Arabia.2 Der US-amerikanische Staatsbürger Nelson unterschrieb in den USA einen Arbeitsvertrag mit einem saudi-arabischen Krankenhaus und begann im Dezember 1983 in Saudi-Arabien zu arbeiten. Bei seiner Tätigkeit entdeckte er Sicherheitsdefizite, die er sowohl den Leitern des Krankenhauses als auch Regierungskommissionen meldete. Weil Nelson dies aufdeckte, wurde er verhaftet, in seiner Gefängniszelle gefoltert und geschlagen. Nelson erhob in den USA Schadensersatzklage und behauptete, dass Saudi-Arabien für Folterhandlungen keine Immunität genieße.
I. Abgrenzung zwischen Handlungen iure imperii und Handlungen iure gestionis Vor dem Hintergrund der zur Abgrenzung zwischen immunitätsgeschützten Handlungen iure imperii und nicht immunitätsgeschützten Handlungen iure ges1 Da bei einer Qualifizierung von Menschenrechtsverletzungen als nichthoheitliches Handeln schon kein Handeln vorliegt, dass den Tatbestand der Immunität erfüllt, wird dieser Ansatz auch als Tatbestandslösung bezeichnet. Vgl. zur Immunität von staatlichen Funktionsträgern in Strafsachen: Bank, ZaÖRV 59 (1999), 677, 690 ff. 2 Sachverhalt nach: US Court of Appeals, Nelson v. Saudi Arabia, Entsch. v. 21.02.1991, 923 F2d 1528.
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
tionis vertretenen Theorien soll untersucht werden, wie das menschenrechtsverletzende Handeln eines Staates qualifiziert werden kann. 1. Ausgangspunkt der Qualifikation Es muss zuallererst entschieden werden, nach welchem Recht die Abgrenzung zwischen den Handlungen zu erfolgen hat. In Betracht kommt eine Bewertung auf der Grundlage des Rechts des beklagten Staates. Dann könnte aber jeder Staat bestimmen, inwieweit er oder seine Funktionsträger vor ausländischen Gerichten verklagt werden können. Deshalb ist eine Abgrenzung anhand des Rechts des beklagten Staates abzulehnen.3 Nach dem u. a. vom BVerfG im Heizungsreparatur-Fall vertretenen Standpunkt soll die Qualifikation der Tätigkeit als hoheitlich oder nicht hoheitlich nach Maßgabe des Rechts des Gerichtsstaates erfolgen (sog. lex fori), da das Völkerrecht selbst keine Kriterien für diese Abgrenzung enthalte.4 Dennoch werde der lex fori durch das Völkerrecht Schranken gesetzt. Vom hoheitlichen Bereich und damit von der Immunität dürften nicht solche Handlungen ausgenommen werden, „die nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung zum Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn gehören.“5 Zu diesem „Kernbereich der Staatsgewalt“ zählt das BVerfG auch die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege. Teilweise stellen die nationalen Gerichte6 und die Literatur7 bei der Qualifikation auf das Völkerrecht ab. Zwar enthalte das Völkerrecht keine Definition, die es erlaube, die Bereiche hoheitlichen und nichthoheitlichen Verhaltens positiv dem Inhalt nach zu erfassen, und die sich nicht auf Negativabgrenzungen beschränke. Dies schließe eine Bestimmung nach völkerrechtlichen Maßstäben aber nicht aus. Ob ein Verhalten ein actum iure imperii oder ein actum iure gestionis darstellt, könne ohne Heranziehung nationalen Rechts festgestellt werden, wenn dieses Verhalten als eine Ausprägung eines völkerrechtlichen Strukturtypus „actum iure gestionis“ oder „actum iure imperii“ angesehen und die Qualifikation als ein Vorgang wertender Zuordnung des Verhaltens zu einem Typus verstanden werde. Es wird auch vorgeschlagen, auf die nach der Ent3
Stein/von Buttlar, S. 272, Rn. 719. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27, 62 (Heizungsreparatur-Fall); OLG München, Beschl. v. 12.08.1975, NJW 1975, 2144; LG Frankfurt, Urt. v. 2.12.1975, NJW 1976, 1044, 1045; AG Bonn, Beschl. v. 29.09.1987, NJW 1988, 1393, 1394; Malina, S. 215 ff. 5 BVerfGE 16, 27, 63; Herndl, JBl. 1962, 15, 20. 6 Österreichischer OGH, Beschl. v. 11.04.1995, IPRax 16 (1996), 41, 42. 7 Damian, S. 98 f. 4
A. Klagen gegen Staaten
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scheidung des Bundesverfassungsgerichts im Heizungsreparatur-Fall entstandenen nationalen Immunitätsgesetze zurückzugreifen. Schreuer will auf das Völkerrecht abstellen und dabei die Immunitätsausnahmen ausdehnen. Sobald sich bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung herausstelle, dass bestimmte Aufgaben in einigen Staaten auch von Privaten erfüllt werden könnten, seien die Handlungen ausländischer Staaten nicht mehr als hoheitlich einzustufen.8 Damit versucht er offenbar, Entwicklungen in Richtung einer zunehmenden Beschränkung der Staatenimmunität zu beschleunigen. Schon das Verhalten einiger Staaten ausreichen zu lassen, um ein staatliches Handeln nicht mehr als hoheitlich zu qualifizieren, ist angesichts der Voraussetzungen für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht9 äußerst problematisch. Heute werden viele typische Staatsaufgaben von Privaten vorgenommen. Hochrangige staatliche Funktionsträger werden durch private Sicherheitsunternehmen beschützt (z. B. die saudi-arabische Königsfamilie, der afghanische Präsident Hamid Karzai); Armeen werden etwa durch private amerikanische Unternehmen ausgebildet; sogar Gefängnisse werden privatisiert.10 Wenn man es ausreichen ließe, dass bestimmte Aufgaben in einigen Staaten auch von Privaten erfüllt werden, würde angesichts dieser ausgreifenden Privatisierung von Hoheitsaufgaben auch der oben genannte Kernbereich der Staatsgewalt nicht mehr durch die Staatenimmunität geschützt. Auch von Vertretern, die auf das Völkerrecht abstellen, wird zugestanden, dass der Rückgriff auf das nationale Recht nicht schlechthin völkerrechtswidrig sei. Der Gerichtsstaat verstoße nur dann gegen allgemeines Völkerrecht, wenn die Anwendung nationalen Rechts dazu führe, dass ein Handeln, das nach völkerrechtlichen Maßstäben als actum iure imperii zu qualifizieren ist, als actum iure gestionis eingestuft und daher keine Immunität gewährt werde.11 Hierzu kommt es jedoch nicht, da zwar maßgeblich auf das Recht des Gerichtsstaates abgestellt wird, dieser Auslegung aber durch das Völkerrecht Schranken gesetzt werden. Der letztendliche Qualifikationsmaßstab ist mithin das allgemeine Völkerrecht.12 2. Abgrenzungsansätze und ihre Anwendung Eine Abgrenzung zwischen dem Handeln iure imperii und iure gestionis ist grundsätzlich schwierig. Dieses Problem wird von Lauterpacht auch als Argument gegen die Staatenimmunität insgesamt angeführt.13 8
Schreuer, ÖJZ 1991, 41, 43 f. Siehe hierzu statt vieler: Bernhardt, in: Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 898 ff. 10 Siehe: Hing Wen, 103 Col. L. Rev. 1538 ff. (2003). 11 Damian, S. 100. 12 Steinberger, in: Rüthers/Stern, S. 451, 465. 9
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Im Folgenden sollen die verschiedenen Abgrenzungsversuche dargestellt und auf die Verletzung von Menschenrechten angewendet werden. a) Abstellen auf den Zweck der Handlung Vereinzelt stellten Gerichte auf den Zweck der Handlung ab und gewährten Staaten Immunität, wenn ein fremder Staat mit seinem Akt einen hoheitlichen Zweck verfolgte. Dies wurde z. B. beim Ankauf von Zigaretten für die Versorgung seiner Armee angenommen.14 Ein Abstellen auf den Zweck staatlicher Tätigkeit bzw. die Differenzierung nach politischen oder privaten Zielen erscheint als Abgrenzungskriterium jedoch schwer hilfreich. Da staatliche Handlungen letzten Endes immer staatliche Ziele verfolgen oder vorgeben zu verfolgen, würde eine alleinige Anwendung dieses Kriteriums im Ergebnis wieder der Gewährung absoluter Immunität gleichkommen.15 b) Abstellen auf die Natur der Handlung Überwiegend wird objektiv, nämlich auf die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses, abgestellt.16 Probleme bereitet die Konkretisierung der „Natur der staatlichen Handlung“. Da der Begriff für sich noch nicht viel aussagt, wird teilweise eine funktionale Betrachtungsweise für erforderlich gehalten, die auch andere Kriterien bzw. die enge Verbindung der Handlung zu staatlichen Aufgaben berücksichtigt.17 Eine ähnliche Vorgehensweise sieht Art. 2 Abs. 2 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property18 vor. Bei der Bestimmung, was eine geschäftliche Transaktion ist, soll primär auf die Natur des Vertrags oder der Transaktion abgestellt, aber auch der Zweck der staatlichen Tätigkeit einbezogen werden. An dieser Regelung wird aber zu Recht kritisiert, dass sie die Möglichkeit eines Staates, sich auf seine Immunität zu berufen, nicht unerheblich erweitert.19
13 Lauterpacht, 28 British Yb. Int’l L. 220, 236 f. (1951). Siehe zu der Auffassung Lauterpachts auch: Erster Teil, B. II. 4. 14 Cour d’Appel, Gugenheim c. Etat Vietnamien, Urt. v. 7.01.1955, 22 ILR 224, 225 (1955). 15 BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27, 61 (Heizungsreparatur-Fall); Kren Kostkiewicz, S. 293. 16 BVerfGE 16, 27, 62; House of Lords, Iº Congreso Del Partido, Urt. v. 16.07. 1981, 64 ILR 307 ff. (1983). 17 Stein, in: Seidl-Hohenveldern, S. 167, 169. 18 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property, 2.12.2004, Doc. A/RES/59/38. 19 Trooboff, RdC 200 (1986 V), 237, 316 f.
A. Klagen gegen Staaten
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aa) Untersuchung, ob die Handlung auch durch eine Privatperson vorgenommen werden kann (1) Entwicklung und Inhalt des Ansatzes Das BVerfG richtet sich danach, „ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt, also öffentlichrechtlich, oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist.“20 Das House of Lords forderte im Fall Iº Congreso Del Partido bei der Abgrenzung auf den Gesamtkontext, in dem die Klage gegen einen anderen Staat erhoben wird, darauf abzustellen, ob die Handlungen, auf denen die Klage basiert, in den geschäftlichen Tätigkeitsbereich fallen bzw. sonstigen privatrechtlichen Charakter haben oder, ob sie außerhalb dieses Bereichs anzusiedeln sind und in die Sphäre der Regierungshandlungen bzw. sonstigen souveränen Handlungen fallen.21 Nach Auffassung anderer Gerichte und großer Teile des Schrifttums soll es darauf ankommen, ob eine Handlung durch jedermann oder nur durch einen Hoheitsträger vorgenommen werden könne.22 Eine Ausübung von Hoheitsgewalt erfolge nicht, wenn etwas getan werde, das auch jede einfache Privatperson tun könne.23 Handlungen wie Gesetzgebung, Ausweisung eines Ausländers oder Rechtsschutzverweigerung könnten nicht durch ein Individuum im eigenen Namen, sondern nur durch den Staat in seiner Eigenschaft als Staat verübt werden. Da auch ein Individuum einen Kaufvertrag abschließen könne, stelle der Abschluss von Kaufverträgen ein Handeln iure gestionis dar. Problematisch ist die Abgrenzung bei unerlaubten Handlungen. Teilweise wird behauptet, dass die Abstellung auf die Natur der Handlung bei unerlaubten Handlungen ganz versage.24 Die Gegenauffassung argumentiert, dass unerlaubte Handlungen auch durch einen Privaten begangen werden könnten und deshalb 20 BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27, 62 (Heizungsreparatur-Fall); Schweizer Bundesgericht, République Arabe Unie c. Dame X, Entsch. v. 10.02.1960, BGE 86 I 23, 27; auch abgedruckt in: 65 ILR 385, 389 ff. (1984). 21 House of Lords, Iº Congreso Del Partido, Urt. v. 16.07.1981, 64 ILR 307, 318 (1983). 22 House of Lords, 64 ILR 307, 319 f. (1983): „Everything done by the Republic of Cuba in Relation to Playa Larga could have been done, and, so far as evidence goes, was done, as owners of the ship; it had not exercised, and had no need to exercise, sovereign powers. It acted, as owners of the ship: it had not exercised, and had no need to exercise, sovereign powers. It acted, as any owner of the ship would act, through Mambisa, the managing operators. It invoked no governmental authority.“ US Supreme Court, Republic of Argentina v. Weltover, Inc., Entsch. v. 12.06.1992, 112 S.Ct. 2160, 2166: „[. . .] when a foreign government acts, not as regulator of a market, but in the manner of a private player within it, the foreign sovereign’s actions are „commercial“ within the meaning of the FSIA.“ Trooboff, RdC 200 (1986 V), 237, S. 316 f. 23 Jennings, S. 8; Stein/von Buttlar, S. 272, Rn. 719. 24 Ress, in: de Salvia/Villinger, S. 175, 182.
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Staaten und ihre Funktionsträger für sie keine Immunität genössen.25 Zumindest für einen Bereich deliktischer Handlungen, nämlich für Straßenverkehrsunfälle, kann dieser These gefolgt werden. Die Haltung und der Betrieb von Kraftfahrzeugen und die Teilnahme am Straßenverkehr gehören einem Lebensbereich an, in dem sich jeder Bürger bewegt. Hier stehen sich alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt gegenüber.26 Wenn ausländische Beamte einen Verkehrsunfall verursachen, kann sich ihr Anstellungsstaat nicht unter Verweis auf den hoheitlichen Zweck der Fahrt auf seine Immunität berufen.27 Ein Grund, warum man bei Verkehrsunfällen eine Qualifizierung als nichthoheitliches und damit nicht durch die Staatenimmunität geschütztes Handeln vornimmt, ist, dass ein ausländischer Staat an der Erfüllung seiner Aufgaben nicht gehindert wird, wenn er so wie andere Verkehrsteilnehmer nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zur Haftung für einen Verkehrsunfall herangezogen wird.28 Wenn ein Staat wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen verklagt wird, geht es auch um die Immunität bei unerlaubten Handlungen. Hier erscheint die Qualifizierung des Handelns als nichthoheitlich jedoch schwieriger. (2) Übertragung des Ansatzes auf Menschenrechtsverletzungen durch das Schrifttum Crawford sieht gute Gründe dafür, in einem politischen Mord ein Handeln iure gestionis zu sehen, denn ein solches Handeln sei nicht charakteristisch für einen Staat.29 Es wird auch argumentiert, dass Folter, Sklaverei oder Kriegsverbrechen auch durch Privatpersonen begangen werden könnten, auch wenn die völkerrechtlichen Verbotstatbestände nur von der Staatsgewalt selbst erfüllt werden könnten (vgl. Art. 1 UN-Folterkonvention). Deshalb seien sie ihrer Natur nach den Handlungen iure gestionis ähnlicher als den Handlungen iure imperii.30 Der Staat verhalte sich zwar nicht wie ein privater Geschäftsmann, aber doch praktisch wie ein privater Deliktstäter und solle sich deshalb nicht auf Immunität berufen können.31
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Lauterpacht, 28 British Yb. Int’l L. 220, 225 (1951). Eine Ausnahme liegt vor, wenn so genannte Sonderrechte (vgl. § 35 Abs. 1 a) StVO), etwa von ausländischen Beamten, die aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen zur Nacheile oder Observation im Inland berechtigt sind, vorgenommen werden. 27 Österreichischer OGH, Entsch. v. 10.02.1961, JBl. 1962, 43, 44. 28 Österreichischer OGH, JBl. 1962, 43, 45. 29 Crawford, 8 Australian Yb. Int’l L. 8 (1983) 71, 89. 30 Orakhelashvili, German Yb. Int’l L. 45 (2002), 227, 237. 31 Heidbrink, S. 88. 26
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(3) Anwendung auf Menschenrechtsverletzungen in der Rechtsprechung Hilfreich bei der Qualifizierung von Menschenrechtsverletzungen sind die Entscheidungen im Fall Nelson v. Saudi Arabia.32 Nelson vertrat in seiner Klage den Standpunkt, dass Saudi-Arabien keine Immunität genieße, da es eine kommerzielle Handlung in den USA getätigt habe und damit der Ausnahmetatbestand des FSIA eingreife. Während der District Court for the Southern District of Florida die Klage abwies, revidierte der Court of Appeals des elften Bezirks die Entscheidung. Die Anwerbung und Einstellung in den USA seien „commercial activities“ i. S. v. § 1605 (a) (2) FSIA.33 Festnahme und Folter seien mit der Beschäftigung im Krankenhaus verknüpft, da sie auf der Anstellung und Anwerbung in den USA beruhten.34 Der Bericht von Sicherheitsdefiziten stelle eine Handlung im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses dar, für das Nelson in den USA angeworben und eingestellt wurde. Anders argumentierte der Supreme Court.35 Das Gericht unterschied zwischen den geschäftlichen Handlungen („commercial activities“), für die ein Staat keine Immunität genieße und den souveränen Handlungen („sovereign activities“), bei denen ein Staat sich auf Immunität berufen könne. Er betonte, dass bei dieser Abgrenzung die Natur der kommerziellen Betätigung („nature of the course of conduct“) maßgebend sei. Dabei müsse es sich um eine Tätigkeit handeln, die auch eine Privatperson vornehmen würde. Im Unterschied zum Court of Appeals hielt der Supreme Court aber nicht die Anwerbung und Einstellung in den USA, sondern die Festnahme, Inhaftierung und Folterhandlungen der Regierungspolizei für maßgebend. Festnahme, Inhaftierung und Folter setzten einen neuen Handlungsablauf in Gang. Einen Grundsatz, wonach ein Staat, der einmal wie ein Geschäftsmann auftritt, immer ein solcher bleibt, akzeptiert das Gericht nicht. Privatleute führten keine Polizeiaufgaben aus. Auch wenn die rechtwidrige Festnahme, Inhaftierung und Folter einen Machtmissbrauch der Regierungspolizei darstellten, so sei die Ausübung der Polizeigewalt nach dem herkömmlichen Verständnis als souveräne Handlung („sovereign activity“) zu qualifizieren.36 Die Ausführungen des Supreme Court griff der District Court des Central District of California im Fall Doe v. Unocal 37 auf. In diesem wurde u. a. der „State Law and Order Restoration Council“ (SLORC), die myanmarische (bur32
Siehe den Sachverhalt nach Dritter Teil, A. US Court of Appeals, 923 F2d 1528. 34 US Court of Appeals, 923 F2d 1528, 1535. 35 US Supreme Court, Saudi Arabia and others v. Nelson, Entsch. v. 23.03.1993, 507 U.S 349. 36 US Supreme Court, 507 U.S. 349, 361. 37 US District Court, Central District of California, John Doe I et al. v. Unocal Corp. et al., Entsch. v. 31.08.2000, 963 F.Supp. 880. 33
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
mesische) Militärjunta und die „Mianmar Oil and Gas Enterprise“ (MOGE), ein staatseigener Betrieb, wegen Menschenrechtsverletzungen in Myanmar, dem früheren Burma, verklagt. Die Kläger, Bauern aus der Tenasserim-Region Myanmars (Burmas), warfen den Beklagten vor, zur Durchführung eines Pipeline-Projekts Gewalt und Einschüchterung verwendet, Bauern aus der Region versklavt und ihnen ihr Eigentum weggenommen zu haben. Bei der Beurteilung der Immunitätsfrage war zu untersuchen, ob die Immunitätsausnahme für „commercial activities“ wegen des Zusammenhanges der Menschenrechtsverletzungen mit der Durchführung des kommerziellen Pipeline-Projekts Anwendung finde. Das Gericht befand, dass SLORC und MOGE ähnlich wie ein privater Bürger in das Pipelineprojekt eingestiegen seien und damit Handlungen „in connection with a commercial activity“ vorgenommen hätten. Die Menschenrechtsverletzungen fielen jedoch nicht hierunter. Da die Kläger behaupteten, dass SLORC und MOGE ihre Polizeigewalt missbrauchten, seien die Handlungen souveräner Natur und nicht von der Ausnahme erfasst: „Because plaintiffs essentially allege that SLORC and MOGE abused their police power, the foreign sovereign defendants’ acts that form the basis of plaintiffs’ claims are ,peculiarly sovereign in nature‘ and do not come within the commercial activity exception to the FSIA.“38
Ähnlich wie der US-amerikanische Supreme Court im Fall Nelson argumentierte auch der kanadische Ontario Superior Court im Fall Bouzari v. Islamic Republic of Iran.39 Ein iranischer Bürger wurde durch Amtsträger im Iran verhaftet und daraufhin in einem Staatsgefängnis gefoltert. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass, selbst wenn der Zweck des Handelns der staatlichen Funktionsträger gewesen sei, Geld in Form von Lösegeldzahlungen zu bekommen oder den Kläger aus einem Geschäftsprojekt zu treiben, immer noch ein Handeln staatlicher Beamter vorliege. Unabhängig vom staatlichen Ziel handle es sich bei der Ausübung polizeilicher Gewalt, der Durchsetzung von Gesetzen und Ausübung der Sicherheitsmacht um die Ausübung von Regierungsmacht und Souveränität.40 (4) Schlussfolgerung Das Verbot, Menschenrechte zu verletzen, verpflichtet in erster Linie Staaten. Menschenrechtsverletzungen werden in der Regel aber in Ausübung polizeilicher und militärischer Gewalt verübt. Polizeiliche und militärische Aufgaben 38
US District Court, Central District of California, 963 F.Supp. 880, 888. Ontario Superior Court of Justice, Bouzari and others v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 01.05.2002, 124 ILR 427, 435 (2002). 40 Ontario Superior Court of Justice, 124 ILR 427, 435 (2002). 39
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werden vom Staat, aber nicht auch durch Privatpersonen wahrgenommen. Deshalb genießt militärisches und polizeiliches Handeln als seiner Natur nach typisch souveränes Handeln Immunitätsschutz. bb) Alternative Abgrenzungsversuche Als Alternative zu dem Test, ob eine Handlung auch durch einen Privaten vorgenommen werden kann, erwägt Lauterpacht, einen Staat in dem Umfang Klagen zu unterwerfen, wie er selbst der Rechtsprechung seiner eigenen Gerichte unterworfen ist.41 Dies überzeugt nicht. Wie bereits erläutert wurde,42 ist es ein Unterschied, ob das Handeln eines Staates von seinen eigenen Gerichten beurteilt wird oder von den Gerichten eines anderen Staates. Wenn über das Handeln von den eigenen Gerichten entschieden wird, hat der Staat selbst die Ausübung der Rechtsprechungsgewalt ermöglicht. Dies besagt nicht, dass der Staat auch einverstanden ist, dass fremde Staaten sein Handeln beurteilen.43 Nach einem von der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht vorgelegten Bericht sind die für die Handlung oder den Sachverhalt charakteristischen Merkmale, die ihre eigentliche Natur ausmachen, daraufhin zu überprüfen, ob die Handlung des ausländischen Staates zu den spezifischen oder typischen Staatsaufgaben gehöre.44 Ausgangspunkt für diese Qualifikation ist der Begründungsansatz für die Gewährung der Immunität, wonach die Souveränität des fremden Staates geschützt werden soll. Es könnten nur diejenigen Handlungen oder Rechtsverhältnisse erfasst werden, die ein Staat aufgrund seiner Herrschaftsgewalt vorgenommen oder begründet hat. Das Vorliegen eines hoheitlichen Aktes oder Rechtsverhältnisses soll stets dann bejaht werden, „wenn es sich dabei um die Vollziehung allgemein anerkannter Staatsaufgaben, die auf Grund der Souveränität erfolgt sind, gehandelt hat.“45 Anhaltspunkte für die wesentlichen staatlichen Funktionen, die unter den Schutz der Immunität fallen, sollen in einer Gesamtschau der Handlung oder des Rechtsverhältnisses im Wege der Rechtsvergleichung ermittelt werden. Dabei wird unter anderem auf die Ausführungen des BVerfG im Heizungsreparatur-Fall Bezug genommen, wonach es eine Reihe von staatlichen Handlungen gebe, die nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung zum Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinne zu zählen seien und damit nicht von der Immunität aus-
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Lauterpacht, 28 British Yb. Int’l L. 220, 226 (1951). Siehe: Erster Teil, C. V. Vgl. die Ausführungen: Erster Teil, E. III. Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 1, 289. Malina, S. 239.
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
geschlossen werden dürften.46 Immunität soll nur gewährt werden, wenn eine Handlung oder ein Rechtsverhältnis in unmittelbaren Zusammenhang mit den „wesentlichen staatlichen Funktionen“ steht, sodass eine Verweigerung der Immunität zu einer direkten Beeinträchtigung dieser Aufgaben und damit auch der Souveränität des ausländischen Staates führen würde.47 Fraglich ist, inwieweit sich diese Ausführungen auf Menschenrechtsverletzungen von Staaten übertragen lassen. Lord Browne-Wilkinson betonte in der dritten Pinochet-Entscheidung des House of Lords im Hinblick auf die Immunität des ehemaligen chilenischen Staatschefs Pinochet in Strafsachen, dass Folter, wie sie in der Folterkonvention definiert ist, keine Staatsfunktion sei.48 Dieses Argument wurde auch in der Berufungsentscheidung im Fall Bouzari v. Islamic Republic of Iran diskutiert. Der Ontario Court of Appeal verwies jedoch darauf, dass drei Lordrichter im Pinochet-Fall ausdrücklich zwischen der Bestrafung eines Individuums wegen Folterhandlungen und der Immunität eines Staates im zivilrechtlichen Entschädigungsverfahren unterschieden. Im ersteren Fall könne die Bestrafung einem Individuum auferlegt werden, ohne den Staat der Gerichtsbarkeit zu unterwerfen und damit dessen Souveränität zu beeinträchtigen. Dies sei im letzteren Fall nicht so. Die Argumentation sei daher nicht übertragbar.49 Die Ausübung polizeilicher und militärischer Gewalt zählt zu den anerkannten Staatsaufgaben und genießt daher grundsätzlich Immunitätsschutz. Ob unter dem Hinweis, dass ein staatliches Handeln völkerrechtswidrig ist, der Immunitätsschutz verweigert werden darf, soll im nächsten Abschnitt analysiert werden. c) Ergebnis Bei Anwendung der im Völkerrecht zur Abgrenzung zwischen Handlungen iure imperii und Handlungen iure gestionis vertretenen Abgrenzungsversuche lassen sich schwere Menschenrechtsverletzungen nicht als vom Immunitätsschutz ausgenommene Handlungen iure gestionis qualifizieren.
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BVerfGE 16, 27, S. 63 ff. Malina, S. 246. 48 Lord Browne-Wilkinson, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581, 593 (1999). 49 Ontario Court of Appeal, Bouzari v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.06. 2004, http:/ /www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.pdf (22.04. 2005), Ziff. 91. 47
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II. Völkerrechtswidriges Handeln als nichthoheitliches Handeln Nach einem in der nationalen Rechtsprechung und im völkerrechtlichen Schrifttum vertretenen Standpunkt kann völkerrechtswidriges Handeln nicht als hoheitliches Handeln qualifiziert werden und der das Völkerrecht verletzende Staat sich nicht auf seine Immunität berufen.50 Insbesondere soll dies für Handlungen gelten, die das völkerrechtliche ius cogens verletzen. Die Existenz des ius cogens wurde in den Art. 53 und 64 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVRK)51 erstmals formell anerkannt und definiert. Art. 53 WVRK lautet in seiner deutschen Übersetzung: „Ein Vertrag ist nichtig, wenn er im Zeitpunkt seines Abschlusses im Widerspruch zu einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts steht. Im Sinne des Übereinkommens ist eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann.“
1. Beispiel: Der Fall Distomo Während der deutschen Besetzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Wehrmacht und griechischen Partisanen in der Nähe des Dorfes Distomo, bei denen deutsche Soldaten getötet wurden. Daraufhin umstellten am 10.06.1944 Mitglieder des in die Wehrmacht eingegliederten 2. SS-Panzergrenadierregiments das Dorf Distomo. Im Rahmen einer sog. Sühneaktion wurden große Teile der Bevölkerung des Dorfes, die an den Partisanenkämpfen unbeteiligt war, darunter auch Frauen und Kinder, brutal ermordet. Das Dorf wurde niedergebrannt. Diese Handlungen stellten Verstöße gegen das „Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges“ vom 18.12.1907 (IV. Haager Abkommen) i.V. m. der Anlage, der sog. Haager Landkriegsordnung,52 dar. Am 27.11.1995 klagte die
50 Paust, 49 Houston J. Int’l L. 49, 57 ff. (1985); Belsky/Merva/Roht-Arriaza, 77 Cal. L. Rev. 365, 367 (1989); Richman, 19 Brook J. Int’l L. 967, 979 (1993). 51 Vienna Convention on the Law of Treaties, 23.05.1969, 1155 UNTS 331. 52 Convention concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre, 18.10.1907, in: de Martens, Sér. 3, Tome III, S. 461 (1910). Griechenland zählte nicht zu den Vertragsstaaten. Es wurden aber bereits von der Völkergemeinschaft akzeptierte Regeln normiert (Laun, S. 21 ff.), die somit auch auf Griechenland Anwendung fanden. Nach Art. 46 der Haager Landkriegsordnung soll u. a. „das Leben der Bürger und das Privateigentum“ im besetzten Gebiet geachtet werden. Nach Art. 50 der Haager Landkriegsordnung darf „[k]eine Strafe in Geld oder anderer Art“ [. . .] „über eine ganze Bevölkerung wegen der Handlungen einzelner verhängt werden, für welche die Bevölkerung nicht als mitverantwortlich angesehen werden kann.“
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Präfektur Böotiens stellvertretend für die Angehörigen der Opfer des Massakers gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem LG Livadia.53 2. Argumentation eines Teils der Rechtsprechung Das LG Livadia vertrat im Distomo-Fall die Auffassung, dass die Handlungen der in die Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit nicht durch die Staatenimmunität geschützt seien. Durch die militärische Besetzung erfolge kein Übergang der Souveränität, sondern nur der vorläufige Wechsel des sie ausübenden Trägers auf den Besatzer. Dieser sei gem. Art. 43 Haager Landkriegsordnung verpflichtet, die Gesetze des besetzten Landes und die Regeln der Haager Landkriegsordnung selbst zu beachten. Hierzu gehöre nach Art. 46 Haager Landkriegsordnung, dass die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger und das Privateigentum zu achten seien. Diese Regel sei nicht nur als völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung für das Besatzungsheer anerkannt, sondern stelle sogar völkerrechtliches ius cogens dar. Ein Staat verliere nach der vom Gericht als herrschend bewerteten Auffassung die Möglichkeit, sich auf seine Immunität zu berufen, wenn die streitige Handlung wegen der er verklagt wird, unter Verletzung einer ius cogens-Norm vorgenommen worden sei. Dies glaubt das Gericht aus der Rechtsprechung des Nürnberger Militärgerichts ableiten zu können. Dieses führte zur Immunität aus: „The principle of international law, which under certain circumstances, protects the representatives of a state, cannot be applied to acts which are condemned as criminal by international law.“54
Staatenimmunität gilt nach Auffassung des LG Livadia nicht bei Delikten oder Handlungen, die durch das Völkerrecht missbilligt werden. Staatshandlungen, die zwingende völkerrechtliche Vorschriften verletzen, hätten nicht die Qualität hoheitlicher Handlungen, sondern vielmehr werde angenommen, dass der Staat nicht im Rahmen seiner Hoheitsgewalt gehandelt habe. Diesen Gedanken greift auch der Aeropag auf.55 Von der Staatenimmunität würden nicht die verbrecherischen Handlungen der Organe der Besatzungsmacht gedeckt, die unter Missbrauch ihrer souveränen Gewalt als Vergeltungsmaßnahmen für Sabotageakte von Widerstandsgruppen zu Lasten konkreter, zahlenmäßig beschränkter, am Kampf völlig unbeteiligter und unschuldiger Bürger begangen werden.
53 LG Livadia, Entsch. v. 30.10.1997 (Az. 137/1997) – unveröffentlicht; Urteilsbesprechungen von: Bantekas, 92 AJIL 765 (1998); Gavouneli, 50 RHDI 595 (1997). 54 International Military Tribunal (Nuremberg), Urteil und Strafen verkündet am 1.10.1946, 41 AJIL 172, 221 (1947). 55 Areopag, Entsch. v. 04.05.2000 (Az. 11/2000) – unveröffentlicht, siehe: KJ 2000, 472, 474 f.; Gavouneli/Bantekas, 95 AJIL 198, 200 (2001).
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3. Argumentation eines Teils der Literatur Dieser Ansatz ist auch in der Literatur zu finden.56 Die Begründungen sind jedoch unterschiedlich. Belsky, Merva und Roht-Arriaza sind der Auffassung, dass ius cogens die Ausübung der staatlichen Souveränität begrenze.57 Eine Handlung, die ius cogens verletze, könne kraft Definition keine souveräne Handlung darstellen. Deshalb könne ein Staat, der ius cogens verletzt, auch keine Immunität genießen. Paust meint, es sei implizit in der UN-Charta und der AEMR anerkannt, dass der Schutzmantel der Souveränität dort ende, wo das Völkerrecht beginne.58 Souveränität sei bedingt durch den Gehorsam gegenüber dem Völkerrecht.59 Eine unrechtmäßige Handlung könne nicht durch die Gerichte geschützt werden. Andernfalls führe diese Unrechtmäßigkeit zu weitererem Unrecht. Paust argumentiert mit Art. 2 Abs. 7 der UN-Charta, wonach aus der „Charta eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden“ könne. Art. 2 Abs. 7 UN-Charta erkenne umgekehrt implizit die Kompetenz zur Einmischung in Angelegenheiten an, die sich nicht essenziell innerhalb der Zuständigkeit eines Staates befänden wie z. B. Verletzungen des Völkerrechts.60 Ähnlich argumentieren auch andere Autoren. Die Souveränität fremder Staaten, die es durch Beachtung der Immunitätsregeln zu respektieren und zu schützen gelte, erstrecke sich nicht auf die Begehung grob völkerrechtswidriger Akte wie z. B. Völkermord, Sklaverei und Folter.61 Die Betätigung eines auf gravierende Menschenrechtsverletzungen gerichteten Staatswillens durch Organe dieses Staates könne es nicht geben. Gornig betont, dass wegen der weltweit bestehenden Verpflichtung der Staaten, die Menschenrechte zu akzeptieren, die Verletzung von fundamentalen Menschenrechten nicht mehr als hoheitliches 56 Paust, 49 Houston J. Int’l L. 49, 57 ff. (1985); Fastiggi, 12 Dick. J. Int’lL. 387, 397 (1994); Adams, in: Scott, S. 247, 271; Randall, S. 99. 57 Belsky/Merva/Roht-Arriaza, 77 Cal. L. Rev. 365, 377 ff. (1989); sich anschließend: Bucci, 3 J. Int’l Legal Stud. 293, 308 (1997); Adams, in: Scott, S. 247, 271. Adams erkennt jedoch, dass die Umsetzung dieses Ansatzes Probleme bereitet. Belsky, Merva und Roht-Arriaza und mit ihnen zahlreiche weitere Vertreter im amerikanischen Schrifttum wollen die Verletzung von ius cogens-Normen als impliziten Immunitätsverzicht bewerten und somit unter § 1605 (a) (1) FSIA erfassen (siehe hierzu: Achter Teil, A.). 58 Paust, 49 Houston J. Int’l L. 49, 59 (1985). 59 Vgl. auch: Anand, RdC 197 (1986 II), 9, 36: „States are still independent, as individuals in a free society are, but they are independent only within the law.“ 60 Paust, 23 Va. J. Int’l L. 191, 221 (1983). 61 Tangermann, S. 214 f.
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Handeln behandelt werden könne.62 Trotzdem werde durch eine solche Beurteilung nicht die Grundlage für eine Staatenhaftung entzogen. Die Handlung könne dem Staat zugerechnet werden, soweit er nicht zu verhindern gewusst habe, dass seine Repräsentanten Menschenrechte verletzten. Damit will Gornig dem Einwand entgegentreten, dass die Einstufung von Menschenrechtsverletzungen als nichthoheitliches Handeln und die gleichzeitige Zurechnung des Handelns zum Staat im Rahmen der Staatenverantwortlichkeit widersprüchlich sei. 4. Stellungnahme zur Bewertung völkerrechtswidrigen Handelns als nichthoheitlich Im aktuellen Völkerrecht erfolgt die Abgrenzung zwischen den durch die Immunität geschützten Handlungen und den nicht durch die Immunität geschützten Handlungen anhand der Kategorien „acta iure imperii“ und „acta iure gestionis“ und nicht anhand der Kategorien völkerrechtmäßig und völkerrechtswidrig.63 Wenn ein staatliches Handeln, das völkerrechtswidrig ist, weder ein Handeln iure imperii noch ein Handeln iure gestionis sein soll, stellt sich die Frage, wie es dann qualifiziert werden kann.64 Vereinzelt wird das Problem der Qualifizierung erkannt und die Existenz einer weiteren Kategorie, der Handlungen contra legem, die Völkerrecht und regelmäßig auch nationales Recht verletzen, diskutiert.65 Gegenüber einer Immunitätsausnahme bei solchen Handlungen bestehen Bedenken. Die nationalen Immunitätsregelungen sehen in bestimmten Fällen vor, dass bei völkerrechtswidrigem Handeln kein Immunitätsschutz bestehen soll. Ein Beispiel ist § 1605 (a) Abs. 3 FSIA betreffend völkerrechtswidrige Enteignungen. Auch eine völkerrechtswidrige Enteignung stellt vor dem Hintergrund der obigen Abgrenzungsversuche ein Handeln iure imperii dar. Damit existiert ein Ausnahmefall, bei dem auch für ein solches Handeln keine Immunität vorliegt. Die Normierung eines derartigen Ausnahmefalles deutet im Umkehrschluss darauf hin, dass in allen anderen Fällen völkerrechtswidrigen Handelns Immunität zu gewähren ist.66 Ein noch gewichtigeres Argument gegen diesen Ansatz ist die Tatsache, dass es bereits dem Prinzip der Immunität widerspricht, wenn ein nationales Gericht die Völkerrechtsmäßigkeit des Handelns eines fremden Staates überprüfen
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Gornig, in: Ipsen/Schmidt-Jortzig, S. 457, 482 f. Siehe: Dritter Teil, A. I. 64 Caplan, 97 AJIL 741, 775 (2003). 65 Bianchi, 46 Austrian J. Publ. Intl. Law 195, 227 (1994). 66 US Supreme Court, Argentina v. Amerada Hess Shipping Corporation and others, Entsch. v. 23.01.1989, 488 U.S. 428, 435 f.; Schachter, S. 244 f. 63
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würde.67 Das BVerfG befand im „Botschaftskonto-Fall“, dass bereits „eine Beweiserhebung darüber, welche Geschäftsvorgänge über das Konto der Botschaft eines fremden Staates laufen“, eine „völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des fremden Staates und eine Verletzung der Regeln des völkerrechtlichen Gesandtschaftsrechts darstellen“ könne.68 Hiernach müsste es auch als unzulässig empfunden werden, wenn das Gericht Untersuchungen anstellt, ob ein Verhalten völkerrechtsmäßig oder völkerrechtswidrig war.69 Eine undifferenzierte Anwendung einer solchen Immunitätsausnahme birgt Gefahren in sich. Wenn rechtswidriges Handeln generell kein hoheitliches Handeln wäre, würde die Immunitätsregel weitgehend leer laufen, denn wegen rechtmäßigen Handelns erhebt ein Bürger wohl kaum Klage.70 Den Entscheidungen des Nürnberger Militärgerichtshofs, die sich mit der Strafbarkeit von hohen staatlichen Funktionsträgern, denen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (vgl. Art. 6 des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof71) vorgeworfen werden, beschäftigten, lassen sich keine Aussagen zur staatlichen Immunität gegenüber Klagen entnehmen. Die Berufung auf die persönliche Immunität wurde durch Art. 7 des Statuts ausgeschlossen. Die gewohnheitsrechtliche Geltung dieses Immunitätsausschlusses erscheint nicht zuletzt angesichts des Urteils des Internationalen Gerichtshofs im Haftbefehls-Fall als ungewiss. Der IGH vertrat die Auffassung, dass ein amtierender Außenminister, dem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden, absolute Immunität genießt. Aus den Regeln, die die internationalen Strafgerichtshöfe errichten, könne nicht auf eine völkergewohnheitsrechtliche Ausnahme vor nationalen Gerichten geschlossen werden.72 Art. 27 Abs. 2 Rom-Statut erkennt implizit an, 67 BGH, Beschl. v. 28.05.2003, NJW-RR 2003, 1218, 1220; Ress, ZaöRV 1980, 217, 268. 68 BVerfGE 46, 342, 360. 69 Das Problem erkennt auch Adams, in: Scott, S. 247, 273: „Violation of jus cogens may indeed disentitle a state from the traditional incidents of sovereignty, such as immunity from a foreign court’s jurisdiction, but unilateral assessment of whether a violation has occurred itself threatens domestic sovereignty in a manner that is not likely to be well received in the international system.“ 70 Doehring, in: Doehring/Fehn/Hockerts, S. 9, 47. 71 Charter of the International Military Tribunal, 08.08.1945, 82 UNTS 284; deutsche Übersetzung in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Bd. I – Einführungsband, S. 10. 72 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 58: „The Court has examined the rules concerning the immunity or criminal responsibility of persons having an official capacity contained in the legal instruments creating international criminal tribunals, and which are specifically applicable to the latter (see Charter of the International Military Tribunal of Nuremberg, Art. 7; Charter of the Interna-
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
dass im Völkerrecht eine weiter gehende Immunität gewährt wird als in dem Statut.73 Abgesehen davon, dass obige Argumentation des LG Livadia schon im Hinblick auf die Strafbarkeit von Staatsorganen schwerlich als allgemein anerkannt angesehen werden kann, bestehen zwischen der Bestrafung von Staatsorganen und der Zulassung privater Klagen gegen Staaten wesentliche Unterschiede.74 Im Völkerrecht wird zwischen der individuellen Verantwortlichkeit und der Staatenverantwortlichkeit differenziert.75 Ebenso wird zwischen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der Verantwortlichkeit in Zivilverfahren unterschieden. Die Konsequenzen von Schadensersatzverfahren (finanzielle Haftung) können die staatliche Souveränität viel stärker belasten als die Verantwortlichkeit von Individuen in Strafverfahren. 5. Zwischenergebnis Auch völkerrechtswidriges Handeln stellt ein hoheitliches Handeln dar, dem grundsätzlich Immunitätsschutz zukommt.
III. Ergebnis Menschenrechtsverletzungen eines Staates sind vor dem Hintergrund der zur Abgrenzung zwischen Handlungen iure imperii und Handlungen iure gestionis vertretenen Ansätze hoheitliche Staatshandlungen. Der hoheitliche Charakter entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Völkerrechtswidrigkeit. Für den Immunitätsschutz völkerrechtswidrigen Handelns spricht insbesondere, dass es bereits mit dem Prinzip der Immunität unvereinbar ist, wenn ein nationales Gericht die Völkerrechtsmäßigkeit des Handelns eines fremden Staates überprüfen würde.
tional Military Tribunal of Tokyo, Art. 6; Statute of the International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia, Art. 7, para. 2; Statute of the International Criminal Tribunal for Rwanda, Art. 6, para. 2; Statute of the International Criminal Court, Art. 27). It finds that these rules do not enable it to conclude that any such an exception exists in customary international law in regard to national courts.“ 73 Rome Statute of the International Criminal Court, 17.07.1998, 2187 UNTS 3. Art. 27 Abs. 2 lautet: „Immunities or special procedural rules which may attach to the official capacity of a person, whether under national or international law, shall not bar the Court from exercising its jurisdiction over such a person.“ 74 Ress, in: de Salvia/Villinger, S. 175, 194; Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 22. 75 Siehe etwa Art. 25 Abs. 4 des Statuts des IStGH: „No provision in this Statute relating to individual criminal responsibility shall affect the responsibility of States under international law.“
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger Im Folgenden soll eine handlungsbezogene Immunitätsausnahme bei Klagen gegen staatliche Funktionsträger analysiert werden. Bedeutung erlangte diese Immunitätsausnahme insbesondere in den Klageverfahren gegen den ehemaligen philippinischen Präsidenten Marcos bzw. seine Frau und Tochter, denen Folter, Hinrichtungen und das Verschwindenlassen von Menschen vorgeworfen wurden, vor US-amerikanischen Gerichten.76
I. Staatenpraxis zu handlungsbezogenen Immunitätsausnahmen Im ersten Schritt wird die Rechtsprechungspraxis analysiert. 1. Praxis in den Vereinigten Staaten Da die handlungebezogene Immunitätsausnahme aus der amerikanischen Rechtsprechung stammt, soll dieser besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. a) Praxis vor Erlass des FSIA Zunächst wird die Praxis vor Erlass des amerikanischen Immunitätsgesetzes untersucht. Die Frage, ob rechtswidriges Handeln eines staatlichen Bediensteten Immunitätsschutz genießt, wurde erstmals im McLeod-Fall relevant. Britische Truppen unter Leitung des Offiziers McLeod überfielen während des kanadischen Aufstandes im Dezember 1837 das Schiff Caroline, das in amerikanischen Gewässern ankerte.77 Dabei wurde ein Aufständischer getötet. Als der britische Staatsangehörige McLeod wegen seiner Teilnahme an dem Überfall und Ermordung des Aufständischen verhaftet wurde, machte Großbritannien geltend, dass die Zerstörung der Caroline ein Staatsakt (public act), ausgeführt von Personen im Dienste des britischen Staates, gewesen sei. Der amerikanische Außenminister Webster befand, dass McLeod „under authority of his government“ gehandelt habe und betonte, dass die Frage der Immunität von der Vereinbarkeit des Angriffs mit dem Völkerrecht getrennt werden müsse. In Zivilund Strafprozessen müsse die Tatsache, dass McLeod in amtlicher Eigenschaft und in Gehorsam gegenüber seinen gesetzlichen Vorgesetzten gehandelt habe, als gültige Verteidigung akzeptiert werden.78 76 US Court of Appeals, 9th Imee Marcos-Manotoc, Entsch. Circuit, Maximo Hilao et al. v. F.3d 1467. 77 Siehe die Darstellung bei:
Circuit, Agapita Trajano v. Ferdinand E. Marcos und v. 21.10.1992, 978 F.2d 493; US Court of Appeals, 9th Estate of Ferdinand Marcos, Entsch. v. 16.06.1994, 25 Jennings, 32 AJIL 82 (1938).
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
b) Handlungsbezogene Differenzierung vor dem Hintergrund des FSIA Nach dem Erlass des FSIA stellte sich die Frage seiner Anwendbarkeit auf Klagen gegen staatliche Funktionsträger. Anknüpfungspunkt hierfür ist die Definition des ausländischen Staates in § 1603 FSIA: „A ,foreign state‘, [. . .], includes a political subdivision of a foreign state or an agency or instrumentality of a foreign state as defined in subsection (b).“
Im Fall Rios v. Marshall 79 erhoben Farmarbeiter mit US-amerikanischer Staatsangehörigkeit u. a. gegen die Regierung Jamaikas, die British West Indies Central Labour Organization, einer Behörde zur Rekrutierung von ausländischen Zeitarbeitern, die von zwölf karibischen Regierungen finanziert wurde, und ihren führenden Verbindungsmann in den USA, Edwards, eine Sammelklage. Der District Court des S.D. New York entschied, dass Edwards, soweit er in amtlicher Eigenschaft als Vertreter der Einrichtung verklagt worden sei, durch die Prinzipien der Staatenimmunität geschützt sei.80 Im Fall Kline v. Kaneko81 vor demselben District Court wurde die Klägerin zwangsweise in einem Privatflugzeug von Mexiko in die USA ausgeflogen. Sie warf deshalb mexikanischen Regierungsbeamten Entführung und Freiheitsberaubung vor. Das Gericht hielt den FSIA auch auf individuelle Beklagte anwendbar, wenn sie in amtlicher Eigenschaft verklagt werden. Die Ausweisung stelle ein amtliches Handeln dar. Mangels Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes komme dem Beklagten Immunitätsschutz zu.82 In der Rechtssache Chuidian v. Philippine National Bank83 erhob ein philippinischer Bürger, Chuidian, gegen einen philippinischen Regierungsbeamten, die philippinische Zentralbank und die philippinische Regierungsbehörde Klage, nachdem der Beamte die kalifornische Filiale der Bank angewiesen hatte, ein Akkreditiv, das zu seinen Gunsten ausgestellt wurde, nicht auszuzahlen. Das Handeln des Beamten verfolgte den Zweck, das von dem ehemaligen philippinischen Präsidenten Marcos unrechtmäßig angesammelte Vermögen für den philippinischen Staat zurückzuerlangen. Hierzu hatte die Regierung eine „Com78 „But whether the process be criminal or civil, the fact of having acted under public authority, and in obedience to the orders of lawful superiors, must be regarded as valid defence; otherwise, individuals would be holden responsible for injuries resulting from the acts of Government, and even from the operations of public war.“ Zitiert nach: Jennings, 32 AJIL 82, 94 (1938). 79 US District Court, S.D. New York, Juan Valderrama Rios et al. v. Secretary of Labour F. Ray Marshal et al., Entsch. v. 23.11.1981, 530 F.Supp. 351. 80 US District Court, S.D. New York, 530 F.Supp. 351, 371. 81 US District Court, S.D. New York, Kline v. Kaneko, Paloma Cordero de la Madrid et al., Entsch. v. 3.05.1988, 685 F.Supp. 386. 82 US District Court, S.D. New York, 685 F.Supp. 386, 390. 83 Court of Appeals, 9th Circuit, Chuidian v. Philippine National Bank, Entsch. v. 29.08.1990, 912 F.2d 1095.
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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mission on Good Government“ eingerichtet. Der Court of Appeals des neunten Bezirks befand, dass der FSIA auch auf ein Individuum, das in amtlicher Eigenschaft als Angestellter eines ausländischen Souveräns arbeitet, anwendbar sei.84 Eine Klage gegen ein Individuum als Amtsperson komme einer Klage unmittelbar gegen den Souverän gleich. Sonst könnten die Kläger auf indirektem Wege erreichen, was der FSIA auf direktem Wege habe unterbinden wollen.85 Der Court of Appeals war der Ansicht, dass der Beklagte sich nicht auf Immunität berufen könne, wenn die Handlungen nicht in amtlicher Eigenschaft verübt wurden. Wenn ein Beamter vorgebe, als Individuum zu handeln, und nicht als ein Amtsträger, sei eine Klage wegen dieser Handlung auch keine Klage gegen den Souverän. Das Gericht verwies auf Entscheidungen zur Immunität von Amtsträgern der Vereinigten Staaten. Handle ein US-Amtsträger außerhalb seiner Amtsgewalt, besitze er keine Immunität.86 Wo die Befugnisse des Beamten gesetzlich begrenzt seien, seien Handlungen außerhalb dieser Begrenzungen als individuelle und nicht souveräne Handlungen zu verstehen.87 Der Behauptung Chuidians, dass der Beklagte seine Amtsstellung für private Zwecke benutzt und ultra vires gehandelt habe, hielt das Gericht entgegen, dass der Kläger das Motiv mit den Handlungen, die aus diesem Motiv resultierten, verwechsele. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, möglicherweise betrügerische Finanztransfers an Marcos’ Komplizen zu untersuchen und zu diesem Zwecke eine Zahlung zu verhindern. Die Handlungen seien damit im Rahmen der Amtsgewalt vorgenommen worden.88 Im Fall Herbage v. Meese89 klagte ein britischer Staatsbürger, der, weil in den USA ein Strafverfahren gegen ihn betrieben wurde, dorthin ausgeliefert wurde, gegen die verantwortlichen britischen Beamten unter Geltendmachung der Verletzung von Verfahrensrechten. Der District Court des District of Columbia betonte, dass die Beamten eines Staates dieselbe Immunität genössen wie der souveräne Staat selbst. Die Beamten seien im Rahmen des Gesetzesvollzugs, also in amtlicher Eigenschaft, tätig geworden. Selbst wenn sie unrechtmäßig gehandelt hätten, ändere dies nichts daran, dass ihr Handeln seiner Natur nach ein staatliches gewesen und durch staatliche Beamte durchgeführt worden sei.90 Wie ablehnenswert die mutmaßlichen Handlungen auch immer gewesen seien, der FSIA sei absolut in der Frage des Immunitätsschutzes staatlichen Handelns.91 Court of Appeals, 9th Circuit, 912 F.2d 1095, 1101. Court of Appeals, 9th Circuit, 912 F.2d 1095, 1102. 86 Court of Appeals, 9th Circuit, 912 F.2d 1095, 1106. 87 Court of Appeals, 9th Circuit, 912 F.2d 1095, 1106. 88 Court of Appeals, 9th Circuit, 912 F.2d 1095, 1107. 89 US District Court, District of Columbia, Herbage v. Meese, Entsch. v. 20.09. 1990, 747 F.Supp. 60. 90 US District Court, District of Columbia, 747 F.Supp. 60, 67. 84 85
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Ganz anders entschied der Court of Appeals des neunten Bezirks, der bereits im Fall Chuidian entschieden hatte, in den Marcos-Fällen. Im Fall Trajano v. Ferdinand Marcos and Imee Marcos-Manotoc92 klagte die Mutter eines zu Tode gefolterten Studenten gegen die Tochter des ehemaligen Präsidenten Marcos, die die philippinische Polizei und den Militärgeheimdienst kontrollierte. Der Court of Appeals stellte fest, dass Individuen, wenn sie in amtlicher Eigenschaft handeln, als „agency or instrumentality of a foreign state“ von § 1603 (a) FSIA erfasst würden. Marcos-Manotoc habe in persönlicher Eigenschaft, aber nicht unter der Amtsgewalt der Philippinen, gehandelt. Die Handlungen befänden sich nicht im Rahmen des amtlichen Mandats und seien daher nicht immunitätsgeschützt.93 Dasselbe Gericht befand im Fall Hilao v. Estate of Ferdinand Marcos, dass der ehemalige philippinische Präsident Marcos für Folter, willkürliche Tötungen und das Verschwindenlassen von Menschen keine Immunität genieße.94 Der FSIA schütze einen fremden Amtsträger nicht für Handlungen, die dieser unter Verletzung seiner Amtsbefugnisse vornehme. Wenn Amtsbefugnisse gesetzlich festgelegt seien, könnten Handlungen, die diese überschreiten, nicht dem Staat zugerechnet werden. Vielmehr seien sie private Handlungen des Amtsträgers, für die kein Immunitätsschutz zu gewähren sei. Marcos habe mit seinen Taten die Grenzen seiner Amtsbefugnisse überschritten und genieße daher keine Immunität.95 Ein Beamter, der unter dem Schein amtlicher Eigenschaft, aber nicht innerhalb seines amtlichen Mandats handle, könne trotzdem das Völkerrecht verletzen und nicht Immunität nach dem FSIA genießen. Das Gericht unterschied in seinen Ausführungen nicht ausdrücklich zwischen einem amtierenden und einem ehemaligen Staatsoberhaupt. Ähnlich argumentierte auch der District Court des Bezirks Massachusetts im Verfahren gegen Guatemalas ehemaligen Verteidigungsminister Gramajo, in dem es um Verfolgung und Unterdrückung durch das guatemaltekische Militär ging.96 Ohne auf die Anwendbarkeit des FSIA auf natürliche Personen einzuge-
91 US District Court, District of Columbia, 747 F.Supp. 60, 67: „The FSIA is absolute in this regard, no matter how heinous the alleged illegalities.“ 92 US Court of Appeals, 9th Circuit, Agapita Trajano v. Ferdinand E. Marcos und Imee Marcos-Manotoc, Entsch. v. 21.10.1992, 978 F.2d 493. 93 US Court of Appeals, 9th Circuit, 978 F.2d 493, 498. 94 US Court of Appeals, 9th Circuit, Maximo Hilao et al. v. Estate of Ferdinand Marcos, Entsch. v. 16.06.1994, 25 F.3d 1467. 95 US Court of Appeals, 9th Circuit, 25 F.3d 1467, 1472: „In conclusion, Marcos’ acts of torture, execution, and disappearance were clearly acts outside of his authority as President. Like those of Marcos-Manotoc, Marcos’ acts were not taken within any official mandate and were therefore not he acts of an agency or instrumentality of a foreign state within the meaning of FSIA.“ 96 US District Court, District of Massachusetts, Xuncax and others v. Gramajo, Entsch. v. 12.04.1995, 886 F.Supp. 162.
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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hen, schloss das Gericht sich der Auffassung an, dass ein außerhalb seiner Amtsgewalt handelnder Amtsträger keine Immunität genieße.97 Die Differenzierung zwischen Handlungen innerhalb und außerhalb der Amtsgewalt nehmen die Gerichte nicht bei amtierenden Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern vor. Im Verfahren Lafontant v. Aristide98 argumentierten die Kläger auch damit, dass Aristide, der von den USA als amtierendes Staatsoberhaupt Haitis anerkannt wurde, keine Immunität genieße, weil sich die Immunität nur auf Amtshandlungen erstrecke, die Aristide vorgeworfene Tötung jedoch unter rechtlichen Gesichtspunkten kein amtliches Handeln sein könne. Der District Court betonte dagegen, dass es in der Entscheidung des Court of Appeals des neunten Bezirks im Fall Trajano v. Ferdinand Marcos and Imee Marcos-Monotoc nicht um die Immunität eines amtierenden Staatsoberhauptes gegangen sei. Bei der Immunität von Staatsoberhäuptern im Amt sei die Qualifizierung der Handlung irrelevant.99 Ebenso wurde die Differenzierung auch im Fall Tachiona v. Mugabe nicht auf die Immunität eines amtierenden Staatsoberhauptes angewandt.100 In der US-amerikanischen Rechtsprechung wird damit nur eine Immunitätsausnahme zur funktionellen Immunität staatlicher Funktionsträger vertreten, aber nicht zur personellen Immunität der zentralen Organe des Völkerrechtsverkehrs während ihrer Amtszeit. c) Bewertung Die Differenzierung zwischen amtlichen und nichtamtlichen Handlungen in der US-amerikanischen Rechtsprechung hat ihren Ursprung im US-amerikanischen Recht. Grundlage für die Klagen gegen US-Regierungsbeamte bildet der Federal Tort Claims Act.101 Der Supreme Court entschied auf der Grundlage dieses Gesetzes, dass dort, wo die Befugnisse eines Beamten kraft Gesetzes be97
US District Court, 886 F.Supp. 162, 175 f. US District Court, E.D. New York, Lafontant v. Aristide, Entsch. v. 27.01.1994, 844 F.Supp. 128. 99 US District Court, E.D. New York, 844 F.Supp. 128, 139 f. 100 US District Court, S.D. New York, Tachiona v. Mugabe, Entsch. v. 30.10.2001, 169 F.Supp. 2d 259, 269 f. 101 Federal Tort Claims Act, 28 U.S.C. § 1346 (b) (1): „[. . .] the district courts [. . .] shall have exclusive jurisdiction of civil actions on claims against the United States, for money damages, accruing on and after January 1, 1945, for injury or loss of property, or personal injury or death caused by the negligent or wrongful act or omission of any employee of the Government while acting within the scope of his office or employment, under circumstances where the United States, if a private person, would be liable to the claimant in accordance with the law of the place where the act or omission occurred.“ 98
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
grenzt seien, seine Handlungen außerhalb dieser Begrenzungen als individuelles und nicht souveränes Handeln eingestuft würden. Der Amtsträger erfülle nicht die Aufgaben, zu denen ihn der Souverän ermächtigt habe.102 Wie das US-amerikanische Amtshaftungsrecht die Haftung von Amtsträgern bewertet, kann auf die nach Völkerrecht gebotene Beurteilung keinen Einfluss haben.103 In dem Maß, wie die USA es zulassen, dass ihre eigenen Amtsträger gegenüber US-Bürgern haften, werden ausländische Staaten nicht bereit sein, ihre Amtsträger der amerikanischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen.104 Das Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes wird in den USA nicht immer einheitlich definiert. Die Immunitätsausnahme in § 1605 (a) (5) FSIA105 setzt u. a. voraus, dass ein Amtsträger innerhalb des Umfangs seines Amtes oder Anstellungsverhältnisses gehandelt hat („[. . .] while acting within the scope of his office or employment [. . .]“). Zum Zwecke der Begründung der Einschlägigkeit dieser Immunitätsausnahme bei Klagen gegen Staaten wird diese Formulierung jedoch sehr viel weiter ausgelegt als das Handeln in amtlicher Eigenschaft („acting in an official capacity“), das Voraussetzung für die Immunität staatlicher Funktionsträger ist. In dem Fall Liu v. Republic of China106 ordnete der chinesische Geheimdienstdirektor Wong die Tötung eines Journalisten an. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Tötung China zugerechnet werden konnte. China behauptete, dass Wong Liu aus persönlichem Hass getötet habe, die Tötung nach chinesischem Recht strafbar sei und daher nicht zur Amtsausübung zählen könne. Der Court of Appeals des neunten Bezirks wies diesen Einwand zurück. Wong habe die Einrichtungen des chinesischen Geheimdienstes benutzt, um die Tötung vorzubereiten. Die Verletzung der Regeln des Arbeitgebers könne nicht entscheidend sein. Wenn dies als Verteidigungsmittel vorgebracht werden dürfte, würde ein Arbeitgeber selten haften.107 Auch in diesem Fall wurde mit der nationalen Rechtspraxis argumentiert. Das Gericht nahm auf die Entscheidung des Gerichts eines Bundesstaates Bezug, in dem die Entführung und sexuelle Nötigung einer Frau durch einen Polizeibeamten während der Dienstzeit, der Bezirksstadt, in der der Polizeibeamte tätig war, zugerechnet 102 US Supreme Court, 337 U.S. 682, 689 f.: „[. . .] where the officer’s powers are limited by statute, his actions beyond those limitations are considered individual and not sovereign actions. The officer is not doing the business which the sovereign has empowered him to do or he is doing it in a way which the sovereign has forbidden. His actions are ultra vires his authority and therefore may be made the object of specific relief.“ 103 Vgl. BGH, Urt. v. 26.09.1979, NJW 1979, 1101, 1102. 104 Vgl. Erster Teil, E. III. 105 Siehe den Wortlaut der Regelung: Erster Teil, B. IV. 2. 106 Court of Appeals, 9th Circuit, Helen Liu v. The Republic of China, Entsch. v. 29.12.1989, 892 F.2d 1419. 107 Court of Appeals, 892 F.2d 1419, 1430.
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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wurde.108 Wenn der Handelnde nicht ein Hilfssheriff mit Uniform und Polizeiwagen gewesen wäre, hätten sich die Geschehnisse nicht ereignet. Da die Bezirksstadt den Beamten mit der notwendigen Amtsgewalt ausgestattet habe, müsse sie auch die Konsequenzen tragen, wenn die Amtsgewalt missbraucht werde.109 Die Zurechnung als Amtshandlung wird also uneinheitlich gehandhabt. Dabei scheint der Begriff der Amtshandlung sehr eng ausgelegt zu werden, wenn der Amtsträger für Rechtsverstöße verantwortlich gemacht werden soll. Andererseits wird der Begriff sehr weit gezogen, wenn der Dienstherr verklagt wird. Diese Differenzierungen überzeugen nicht. 2. Entscheidungen sonstiger nationaler Gerichte Im Fall Jaffe v. Miller110 wurden Beamte des US-Bundesstaates Florida wegen falscher Verdächtigung und Verabredung einer Entführung vor dem Ontario Court of Appeal verklagt. Das Gericht befand, dass die Immunität eines Staates nach dem kanadischen SIA sich auf seine Amtsträger erstrecke, denn sonst werde die Regelung ineffektiv.111 Da die Handlungen der Beklagten im Rahmen der Dienstausübung als Beamte des Staates Florida vorgenommen worden seien, könnten sich die Amtsträger auf Staatenimmunität berufen, wenn auch der Bundesstaat Florida Immunität genieße.112 Der SIA enthalte keine Belege dafür, dass Beamte oder Angestellte eines ausländischen Staates in Ausübung ihres Amtes nicht den Vorteil der Staatenimmunität genössen. Die unrechtmäßige oder gar boshafte Natur der Handlung führe nicht zwangsläufig dazu, dass die Handlungen außerhalb der amtlichen Pflichten vorgenommen worden seien.113 Unabhängig davon, ob die Amtsträger rechtmäßig oder unrechtmäßig handelten, genössen sie genauso Immunität wie der Staat selbst.114 Auch Gerichte des Vereinigten Königreichs befassten sich mit der Immunität staatlicher Funktionsträger. Im Fall Propend v. Singh115 entschied der Court of Appeal, dass ein Verbindungsmann der Australian Federal Police (AFP) an der 108 Court of Appeal of California, White v. County of Orange, Entsch. v. 22.03. 1985, 166 Cal. App. 3d 566, 570 ff. 109 Court of Appeal of California, 166 Cal. App. 3d 566, 572. 110 Ontario Court of Appeal, Jaffe v. Miller and others, Entsch. v. 17.06.1993, 95 ILR 446 (1994). 111 Ontario Court of Appeal, 95 ILR 446, 458 f. (1994). 112 Ontario Court of Appeal, 95 ILR 446, 459 (1994). 113 Ontario Court of Appeal, 95 ILR 446, 460 (1994): „The illegal and malicious nature of the acts alleged do not of themselves move the actions outside the scope of the official duties of the responding defendants.“ 114 Ontario Court of Appeal, 95 ILR 446, 460 (1994). 115 Court of Appeal, Propend Finance Ltd v. Singh and others, Entsch. v. 17.04. 1997, 111 ILR 611 (1998).
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Staatenimmunität partizipiere. Die australischen Behörden ersuchten in einem steuerstrafrechtlichen Verfahren gegen ein Unternehmen, das in London tätig war, die britischen Behörden um Rechtshilfe. Die britische Polizei beschlagnahmte Dokumente des Unternehmens und händigte diese Mitarbeitern der AFP aus. Das Unternehmen erreichte im Wege einer einstweiligen Verfügung, dass die Dokumente nicht weitergegeben werden durften. Trotzdem übermittelten die Verbindungsmänner Auszüge an das Hauptquartier der AFP nach Canberra. Hierauf erhob das Unternehmen gegen die Vertreter der AFP Klage. Die australische Bundespolizei sei im Rahmen der Bestimmung des Immunitätsschutzes unter § 14 Abs. 1 b) („government of that State“) oder § 14 Abs. 1 c) UK SIA („department of that government“) zu subsumieren. Entscheidend sei, dass völkerrechtlich ein Handeln iure imperii vorliege und nicht wie der Begriff „government“ nach dem jeweiligen nationalen Staatsrecht bestimmt werde. Der Court of Appeal nahm auf die Entscheidung Jaffe v. Miller Bezug. Der Schutz des SIA werde unterminiert, wenn Angestellte oder Beamte als Individuen für Handlungen, für die ihr Anstellungsstaat Immunität genießt, verklagt werden könnten.116 In einer späteren Entscheidung befasste sich der Court of Appeal mit der Immunität saudi-arabischer Amtsträger, denen vorgeworfen wurde, in einem Gefängnis systematische Folterhandlungen begangen zu haben.117 Nach Auffassung des Gerichts kam Saudi-Arabien Immunitätsschutz zu. Es stellte sich aber die Frage, ob der im Fall Propend v. Singh vertretene Grundsatz, wonach einem Individuum derselbe Immunitätsschutz wie dem Staat zu gewähren ist, auch hier anwendbar war. Richter Mance schloss dies aus. Systematische Folter bilde ein schweres internationales Verbrechen, einen Verstoß gegen ius cogens.118 Lord Phillips vertrat, dass die Entscheidungen des House of Lords im Fall Pinochet zeigten, dass Folter nicht mehr zu den amtlichen Pflichten eines staatlichen Funktionsträgers zähle.119 3. Entscheidungen des House of Lords im Fall Pinochet Da die Entscheidungen des House of Lords im Fall Pinochet zur Unterstützung der These, dass die Immunität staatlicher Funktionsträger nur noch für Amtshandlungen bestehe, Menschenrechtsverletzungen aber keine Amtshandlungen seien, angeführt werden, soll im Folgenden auf sie eingegangen werden. Bei der Qualifikation einer Handlung im Zivilverfahren erscheint ein Rückgriff auf Entscheidungen in Strafverfahren zulässig, da es widersprüchlich wäre, das116
Court of Appeal, 111 ILR 611, 669 (1998). Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http:/ /www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/ 1394.html (15.04.2005). 118 Mance LJ, in: Court of Appeal, EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 31. 119 Lord Phillips, in: Court of Appeal, EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 127. 117
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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selbe Handeln eines staatlichen Funktionsträgers in der einen Verfahrensart als amtliches und in der anderen Verfahrensart als privates Handeln zu qualifizieren. a) Argumentation in der ersten Pinochet-Entscheidung Im ersten Pinochet-Urteil des House of Lords vertrat die Mehrheit der Lordrichter (Nicholls of Birkenhead, Steyn und Hoffman) die Auffassung, dass dem früheren chilenischen Staatschef Augusto Pinochet keine Immunität zu gewähren sei. Lord Nicholls begründete dies damit, dass Folter vom Völkerrecht nicht als Funktion eines Staatsoberhauptes anerkannt werde.120 Alle Staaten hielten Folter für verachtenswert, auch wenn sie manchmal selbst Folter anwendeten. Das Völkerrecht erkenne zwar an, dass zu den Funktionen eines Staatsoberhauptes auch Handlungen gehören könnten, die unrechtmäßig sind oder gegen die Gesetze des eigenen Staates oder anderer Staaten verstoßen. Einige Handlungen, zu denen auch Folter und Geiselnahme zähle, seien jedoch für niemanden ein akzeptables Verhalten. Dies gelte auch für Staatsoberhäupter.121 Lord Hoffman schloss sich diesen Ausführungen an.122 Ähnlich argumentierte auch Lord Steyn. Pinochet komme als ehemaliges Staatsoberhaupt Immunität zu, wenn er amtliche Handlungen in Ausübung seiner Funktion als Staatsoberhaupt vorgenommen habe.123 Ob ein Individuum in der Eigenschaft als Staatsoberhaupt handle, hänge von den Besonderheiten des Einzelfalles ab. Wenn ein Staatsoberhaupt infolge eines Wutanfalls seinen Gärtner töte, könne dies keinesfalls als ein Akt in Ausübung seiner Funktionen als Staatsoberhaupt angesehen werden. Ebenso wenig sei dies der Fall, wenn ein Staatsoberhaupt Folter befehle, um dem „Spektakel“ aus sadistischer Neigung beizuwohnen. Problematisch sei, wo die Grenzlinie zwischen dem, was noch zur Ausübung der Funktionen gehört und dem, was nicht mehr dazu gehört, zu ziehen sei. Das nationale Recht könne nicht maßgebend sein, weil die „abscheulichen“ nationalen Rechtsordnungen die Funktionen des Staatsoberhauptes erweitern würden. Den Einwand, dass das Völkerrecht keine Kriterien liefere, 120 Lord Nicholls, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419, 438 (1998). 121 Lord Nicholls, in: House of Lords, 19 HRLJ 419, 438 (1998). 122 Lord Hoffmann, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419, 442 (1998). 123 Lord Steyn, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419, 438, 441 (1998).
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
weist der Lordrichter zurück. Die Entwicklung des Völkerrechts nach dem Zweiten Weltkrieg rechtfertige den Schluss, dass bereits zur Zeit des Staatsstreiches im Jahre 1973 und danach, das Völkerrecht Völkermord, Folter, Geiselnahme und Verbrechen gegen die Menschlichkeit als völkerrechtliche Verbrechen, die Strafe verdienten, bewerte. Vor diesem Hintergrund sei es schwierig, die Begehung solcher Handlungen als Ausübung der Funktion als Staatsoberhaupt anzusehen. Lord Steyn hinterfragt, warum das, was in den geheimen Folterkammern von Santiago passierte, als hoheitliches Handeln anzusehen sei. Das zusätzliche Element, dass die Handlungen auch in Ausübung der Funktionen als Staatsoberhaupt erfolgt sein müssten, sei nicht erfüllt. Vielmehr seien diese Fälle wie die Tötung des Gärtners und die Folter als bloßes Spektakel und damit als Handeln zu bewerten, das nicht mehr in Ausübung der Funktion als Staatsoberhaupt vorgenommen worden sei.124 b) Argumentation in der dritten Pinochet-Entscheidung Nachdem die erste Entscheidung durch die Entscheidung einer zur Untersuchung der Befangenheit eines Richters eingerichteten Kammer des House of Lords aufgehoben wurde, kam es zu einer dritten Entscheidung in der Rechtssache Pinochet.125 Die Richtermehrheit kam zwar zum gleichen Ergebnis wie in der ersten Entscheidung, stützte dies aber überwiegend nicht auf handlungsbezogene Gründe. Mit der Qualifizierung des Handelns argumentierten ansatzweise Lord Browne-Wilkinson und Lord Phillips of Worth Matravers. Lord Browne-Wilkinson ist der Auffassung, dass Pinochet nicht in einer Eigenschaft gehandelt habe, die durch die Immunität ratione materiae geschützt sei.126 Bei dieser Beurteilung stellte er jedoch maßgeblich auf die UN-Folterkonvention ab. Nach Auffassung von Lord Phillips of Worth Matravers gewährt der UK SIA einem ehemaligen Staatsoberhaupt nur im Hinblick auf die Ausübung seiner amtlichen Funktionen Immunität. Die Immunitätsgewährung könne sich jedoch nicht auf Handlungen erstrecken, die das Völkerrecht verbiete.127 Nach Auffassung von Lord Goff of Chievely, dem einzigen Richter, der eine Immunitätsausnahme ganz ablehnte, beseitigt die Tatsache, dass die Handlungen schwerwiegendes kriminelles Unrecht darstellten, allein noch nicht den Im124
Lord Steyn, in: House of Lords, 19 HRLJ 419, 438, 442 (1998). House of Lords, R v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate and others – Ex parte Pinochet (No 2), Entsch. v. 15.01.1999, 2 WLR 272 (1999). 126 Lord Browne-Wilkinson, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 81, 595 (1999). 127 Lord Phillips of Worth Matravers, in: House of Lords, 38 ILM 581, 663 (1999). 125
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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munitätsschutz.128 Das betont auch Lord Hope of Craighead.129 Der Zweck der Immunität ratione materiae sei, auch ein ehemaliges Staatsoberhaupt gegenüber solchen Beschuldigungen nach Ausscheiden aus dem Amt zu schützen. Das Prinzip der Immunität ratione materiae schütze alle Handlungen, die das Staatsoberhaupt in Ausübung seiner Regierungsfunktionen vornehme. Das Verhalten müsse nicht rechtmäßig sein, um Immunitätsschutz zu genießen. Auch Lord Hutton gestand zu, dass die Folterhandlungen, die Pinochet vorgeworfen wurden, keine Handlungen darstellten, die Pinochet in privater Eigenschaft zu seiner persönlichen Genugtuung ausführte.130 Lord Millett unterstrich, dass Pinochet als Oberbefehlshaber der Armee deren Befehlsapparat benutzt habe. Die ihm vorgeworfenen Handlungen stellten amtliches und hoheitliches Handeln dar.131 Immunität bestehe unabhängig davon, ob die betroffenen Handlungen unrechtmäßig bzw. nicht verfassungsmäßig oder in sonstiger Weise nicht mit dem innerstaatlichen Recht vereinbar seien, da der Zweck der Staatenimmunität sei zu verhindern, dass über die Rechtmäßigkeit staatlicher Handlungen von den Gerichten eines anderen Staates geurteilt werde.132 c) Bewertung der Ausführungen der Lordrichter Mehrere Lordrichter betonten in der letzten Pinochet-Entscheidung, dass die Folterhandlungen eines staatlichen Funktionsträgers ihren hoheitlichen Charakter behielten. Diese Auffassung ist gut nachvollziehbar. Ein Handeln in amtlicher Eigenschaft ist gerade Voraussetzung für einen Verstoß gegen das Folterverbot (vgl. Art. 1 Abs. 1 UN-Folterkonvention).133 Es bedarf einer besonderen Begründungsakrobatik, um das Vorliegen einer amtlichen Handlung in Ausübung der Funktion als Staatsoberhaupt zu verneinen und zugleich ein Handeln in amtlicher Eigenschaft, das Voraussetzung der Folterdefinition nach Art. 1 Abs. 1 UN-Folterkonvention ist, zu bejahen. Dies wird jedoch mit wenig überzeugenden Argumenten versucht. Die Folterdefinition hänge nicht von der amtlichen Natur der betreffenden Handlung ab. Vielmehr sei die Amtsträgereigenschaft des Folterers und die Begehung der 128
Lord Goff of Chievely, in: House of Lords, 38 ILM 581, 599 (1999). Lord Hope of Craighead, in: House of Lords, 38 ILM 581, 622 (1999). 130 Lord Hutton, in: House of Lords, 38 ILM 581, 629 (1999). 131 Lord Millett, in: House of Lords, 38 ILM 581, 645 (1999). 132 Lord Millett, in: House of Lords, 38 ILM 581, 645 (1999): „The immunity is available whether the acts in question are illegal or unconstitutional or otherwise unauthorised under the internal law of the state, since the whole purpose of state immunity is to prevent the legality of such acts from being adjudicated upon in the municipal courts of a foreign state.“ 133 Lord Hutton, in: House of Lords, 38 ILM 581, 642 (1999). 129
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Handlung in Ausübung oder vorgegebener Ausübung amtlicher Pflichten entscheidend.134 Noch schwerer zu begründen ist, dass Menschenrechtsverletzungen, während das Staatsoberhaupt im Amt ist, amtliche Handlungen darstellen, wenn das Staatsoberhaupt aber am nächsten Tag auf sein Amt verzichte, diese Handlungen in der Retrospektive keine amtlichen Handlungen mehr sein sollen.135 Vor diesem Hintergrund ist dieser Begründungsansatz wenig überzeugend. Es scheint sich vielmehr um eine Kompromisslösung zu handeln, die dem Menschenrechtsschutz Rechnung tragen will, ohne zu sehr mit dem Immunitätsrecht zu brechen.136 4. Das Urteil des IGH im Haftbefehls-Fall und die Separate Opinion der Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal Nachdem das House of Lords Wege in Richtung weiterer Immunitätsbeschränkungen bei schweren Menschenrechtsverletzungen aufgezeigt hatte, stellte sich im Haftbefehls-Fall die Frage, ob der IGH diese neue Entwicklung aufgreift. Der Gerichtshof musste über die Immunität eines Außenministers, dem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen wurden, entscheiden. Die Richtermehrheit befand, dass Außenministern zur effektiven Amtsausübung Immunität gewährt werden müsse. Es könne keine Trennlinie zwischen Handlungen in amtlicher Eigenschaft und solchen in privater Eigenschaft und zwischen Handlungen vor Amtsantritt und nach Amtsantritt gezogen werden.137 In jedem Fall werde der Außenminister an seiner Funktionsausübung gehindert. Die Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal vertraten in ihrer Separate Opinion dagegen die Ansicht, dass die völkergewohnheitsrechtliche Immunität von Außenministern den Zweck habe, die freie Funktionsausübung zugunsten des jeweiligen Staates zu gewährleisten. Deshalb genieße er in Ausübung seiner Funktionen Immunität.138 Immunität habe aber nur während der Amtszeit Vorrang und bestehe nach dieser Zeit nur noch für amtliches Handeln.139 Die drei 134
van Alebeek, 71 British Yb. Int’l L. 29, 65 (2000). Dieses Problem erkennt auch: Klabbers, 68 Nordic J. Int’l L. 85, 89 (1999). 136 Klabbers, 68 Nordic J. Int’l L. 85, 89 (1999). 137 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 55. 138 Joint Separate Opinion of Judges Higgins, Kooijmans and Buergenthal, in: IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, 63, Ziff. 83. 139 Joint Separate Opinion of Judges Higgins, Kooijmans and Buergenthal, ICJ Rep. 2002, 3, 63, Ziff. 85. 135
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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Richter schlossen sich der Auffassung an, wonach schwere völkerrechtliche Verbrechen nicht als Amtshandlungen angesehen werden könnten, weil sie weder normale Staatsfunktionen darstellten noch Funktionen, die ein Staat allein durchführen könnte.140 Sie stützten sich dabei auf die Richterauffassungen in den Pinochet-Urteilen des House of Lords.
II. Literaturauffassungen Es sollen im Folgenden die Differenzierungen in der Literatur erläutert werden. 1. Unterscheidung zwischen der Eigenschaft als Staatsorgan und der persönlichen Eigenschaft Watts betont, dass bei der Immunitätsgewährung zwischen den gegen ein Staatsoberhaupt in seiner Eigenschaft als Staatsorgan und wegen den in seiner persönlichen, nichtamtlichen Eigenschaft erhobenen Klagen zu unterscheiden sei.141 Diese Differenzierung will er grundsätzlich sowohl auf amtierende als auch auf ehemalige Staatsoberhäupter anwenden. Es gebe jedoch Staaten, die so organisiert seien, dass der Staat und sein Oberhaupt verschmölzen und somit das Oberhaupt vom Staat nicht unterscheidbar sei. Bei der Untersuchung der Frage, ob kriminelles Verhalten per se als nicht zu den Funktionen eines Staatsoberhauptes gehörig angesehen werden könne, analysiert Watts den Fall Jimenez v. Aristeguieta142. Der US Court of Appeals des fünften Bezirks musste über einen Antrag auf Auslieferung des ehemaligen venezolanischen Diktators wegen zahlreicher Finanzdelikte verschiedener Art entscheiden. Das Gericht verneinte, dass die Handlungen in offizieller Eigenschaft begangen worden seien. Es handle sich nur um gewöhnliche Verbrechen, die Aristeguieta als Staatschef unter Missbrauch seiner Funktion, aber nicht in ihrer Ausübung, begangen habe.143
140 Joint Separate Opinion of Judges Higgins, Kooijmans and Buergenthal, ICJ Rep. 2002, 3, 63, Ziff. 85. 141 Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 55. 142 US Court of Appeals, 5th Circuit, Marcos Perez Jimenez v. Manuel Aristeguieta, Entsch. v. 12.12.1962, 311 F.2d 547. 143 US Court of Appeals, 5th Circuit, 311 F.2d 547, 557 f. Ähnlich: US District Court, S.D. Florida, United States v. Noriega and others, Entsch. v. 08.06.1990, 746 F.Supp. 1506, 1519: „Criminal activities such as the narcotica trafficking with which Defendant is charged can hardly be considered official acts or governmental duties which promote a sovereign state’s interests, especially where, as here, the activity was allegedly undertaken for the sole personal benefit of the foreign leader.“
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Watts schlägt eine Differenzierung vor. Ein Staatsoberhaupt könne ein Verbrechen eindeutig in persönlicher Eigenschaft begehen; es könne ebenso auch im Verlauf der Ausübung seiner amtlichen Funktionen kriminelles Unrecht begehen. Der kritische Test bestehe darin, ob das Verhalten in der offensichtlichen Ausübung der Autorität als Staatsoberhaupt erfolgt sei. Wenn das der Fall sei, müsse es unabhängig davon, ob es gegen das Völkerrecht oder gegen die Gesetze des eigenen Staates verstoße, als amtliches Handeln, das nicht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten unterworfen ist, behandelt werden.144 Dieselbe Unterscheidung trifft Watts auch bei ehemaligen Regierungschefs und Außenministern.145 2. Völkerrechtswidriges Handeln als „nichtamtlich“ Ein Teil der Literatur will grob völkerrechtswidrigem Handeln fremder Staatsorgane die Anerkennung als amtliches Handeln versagen. Es wird vertreten, dass selbst die Immunität von Staatsoberhäuptern nur für autorisierte Amtshandlungen gelte, aber nicht für Menschenrechtsverletzungen, die außerhalb der Regierungsautorität des Beklagten lägen.146 Des Weiteren wird argumentiert, dass die Zuordnung eines Hoheitsaktes zu einem Staat eine entsprechende Rechtsnorm voraussetze.147 Wenn die Norm, auf der die Beziehung beruhe, dem Völkerrecht grob widerspreche, seien ausländische Staaten nicht verpflichtet, sie als Rechtsnorm gelten zu lassen. Gornig meint, dass schon das innerstaatliche Deliktsrecht Verbrechen, die ein Organ begehe, nicht als Hoheitsakte, sondern als ein privates Handeln betrachte, da die Begehung von Verbrechen nicht zur rechtlich anerkannten Zuständigkeit der Organe gehöre.148 Verbrechen könnten ihren individuellen Charakter nicht dadurch verlieren, dass der Täter die Handlung für den Staat oder in Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt begeht. Menschenrechtsverletzungen gehörten nicht zu den ureigensten Aufgaben eines Staatsoberhauptes, zumal nach internationalem Strafrecht die Verletzung der Grundsätze der Menschlichkeit als Straftatbestand anerkannt sei.149
144 „The critical test would seem to be whether the conduct was engaged in under colour of or in ostensible exercise of the Head of state’s public authority. If it was, it must be treated as official conduct, and so not as a matter subject to the jurisdiction of other States whether or not it was wrongful or illegal under the law of his own State.“ Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 56 f. 145 Watts, RdC 247 (1994 III), 9, 112. 146 Lininger, 7 Harv. Hum. Rts. J. 177, 190 f. (1994). 147 Dahm, in: Bötticher, S. 253, 170. 148 Gornig, NJ 1992, 4, 13. 149 Gornig, in: Ipsen/Schmidt-Jortzig, S. 457, 482.
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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Ähnlich argumentiert Fastenrath. Die funktionelle Immunität diene der Absicherung der staatlichen Souveränität. Eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen wie Folter oder extralegaler Tötung erscheine dann nicht als Zurechnungsproblem einer Handlung zum Staat bzw. zum privaten Lebensbereich oder als Problem der Bestimmung von Staatsaufgaben, sondern sie sei Folge des mit der Entstehung von ius cogens geschrumpften Souveränitätsanspruchs der Staaten.150 Die Gegenauffassung verweist darauf, dass Immunität gerade auch für völkerrechtswidriges Handeln gewährt werde. Für den Charakter einer Handlung als Amtshandlung sei es nicht notwendig, dass diese auf einer gültigen Rechtsnorm beruhe.151 Auch Doehring und Ress legen vor dem Hintergrund der diplomatischen Immunität den Begriff des amtlichen Handelns sehr weit aus.152 Allein aus dem angeblich kriminellen Charakter der Tätigkeit eines Diplomaten könne nicht die Qualifikation als amtlich oder nichtamtlich gefolgert werden. Wenn ein Mitglied einer Terroristengruppe in einer Botschaft Sprengstoff lagere und der Botschafter auch, als er bereits gewusst habe, dass sich in der untergestellten Tasche Sprengstoff befindet, nicht einschreite, werde der Botschafter in Wahrnehmung seiner amtlichen Aufgaben tätig. Als Missionsleiter habe er nämlich die Befugnis und die Pflicht zu entscheiden, welche Gegenstände sich in dem Botschaftsgebäude befinden dürfen und welche nicht.153
III. Analyse der Rechtsprechung und des Schrifttums Im Folgenden soll der Ansatz, der Menschenrechtsverletzungen als nichtamtliches Handeln bewertet und ihnen den Immunitätsschutz versagt, einer kritischen Analyse zugeführt werden. Staatliche Funktionsträger genießen für amtliches Handeln Immunität, weil ein solches Handeln dem Staat selbst und nicht den Individuen persönlich zugerechnet wird.154 Bei der Beurteilung, wann ein Handeln eines staatlichen Funktionsträgers einem Staat noch zugerechnet werden kann, erscheint ein Rückgriff auf das Recht der Staatenverantwortlichkeit sinnvoll.155 Mangels einer völkervertraglichen Kodifizierung muss der Stand des Völkergewohnheitsrechts ermittelt werden. Hierbei helfen der Entwurf der ILC zur
150 151 152 153 154 155
Fastenrath, in: von Schorlemer, S. 369, 393. Bothe, ZaÖRV 31 (1971), 246, 255. Doehring/Ress, AVR 37 (1999), 68, 72 ff. Doehring/Ress, AVR 37 (1999), 68, 73. Siehe: Erster Teil, F. II. So auch: Lüke, S. 180 ff.
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
Staatenverantwortlichkeit,156 gerichtliche Entscheidungen und Literaturauffassungen. Nach Art. 4 Abs. 1 des ILC-Entwurfs soll jedes Handeln eines staatlichen Organs als Handeln des Staates betrachtet werden. Nach dem Kommentar zu dieser Regelung ist der Begriff des „Organs“ als sehr weit zu verstehen. Erfasst würden alle Rechtssubjekte, die den Staat ausmachen und in seinem Auftrag handeln.157 Wenn die Person offensichtlich in amtlicher Eigenschaft oder unter dem Schein amtlicher Eigenschaft handle, seien die Handlungen dem Staat zurechenbar, auch wenn sie aus unanständigen Motiven oder gar missbräuchlich tätig werde.158 Nach Art. 5 des Entwurfs soll auch das Handeln einer Person, die nicht Staatsorgan, sondern durch das Recht des betreffenden Staates ermächtigt ist, Elemente der Staatsgewalt auszuüben, völkerrechtlich als Handeln des Staates betrachtet werden, vorausgesetzt, dass die Person oder die Einheit in dem besonderen Fall in jener Eigenschaft handelt. Einem Staat wird auch ein kompetenzüberschreitendes Handeln seiner Organe bzw. kompetenzermächtigter Personen zugerechnet.159 Da der Staat mit seinen Kompetenzregelungen die Überschreitung faktisch ermögliche, solle er sich diese auch zurechnen lassen.160 Die Fälle, in denen Amtsträger in amtlicher Eigenschaft, wenn auch unrechtmäßig bzw. weisungswidrig handelten, müssten von den Fällen abgegrenzt werden, in denen ihr Handeln so entfernt sei von der Ausübung ihrer amtlichen Funktionen, dass es mit dem Handeln privater Individuen gleich gestellt und damit dem Staat nicht zugerechnet werden könne.161 So schloss die FrenchMexican Claims Commission im Caire-Fall die Staatenverantwortlichkeit nur in 156 Draft Articles on the Responsibility of States for internationally wrongful acts, 26.07.2001, UN-Doc. A/CN.4/L.602/Rev. 1. 157 Siehe Art. 4 der Kommentierung der ILC, Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt bei: Crawford, Art. 4, Ziff. 1. 158 Kommentierung zu Art. 4, Ziff. 13: „It is irrelevant, [. . .] that the person concerned may have had ulterior or improper motives or may be abusing public power. Where such a person acts in an apparently official capacity, or under colour of authority, the actions in question will be attributable to the State.“ 159 Siehe: IACourtHR, Velásquez Rodríguez Case, Urt. v. 29.07.1988, 9 HRLJ 212 (1988), Ziff. 170: „[. . .] under international law a State is responsible for the acts of its agents undertaken in their official capacity and for their omissions, even when those agents act outside the sphere of their authority or violate internal law.“ Comment d. zu § 207 Restatement 3d of the Foreign Relations Law of the U.S.: „A State is responsible for acts of officials and official bodies, national or local, even if the acts were not authorized by or known to the national authorities, even if expressly forbidden by law, decree, or instruction.“ Art. 7 des ILC-Draft: „The conduct of an organ of a State or of a person or entity empowered to exercise elements of the governmental authority shall be considered an act of the State under international law if the organ, person or entity acts in that capacity, even if it exceeds its authority or contravenes instructions.“ 160 Ipsen, in: Ipsen, § 40, Rn. 27. 161 Siehe die Kommentierung zu Art. 7 des Entwurfs, Art. 7, Ziff. 7.
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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den Fällen aus, in denen die Handlung überhaupt keinen Zusammenhang mit der amtlichen Funktion hatte und schlicht die Handlung eines privaten Individuums war.162 Auch bei evident kompetenzwidrigem Handeln wird eine Zurechenbarkeit der Handlung bezweifelt.163 Der Gedanke, dass evident kompetenzwidriges Handeln einem Staat nicht zurechenbar ist, könnte Art. 46 WVRK entnommen werden, wonach ein Staat sich nur bei offenkundigem Verstoß gegen innerstaatliche Kompetenzvorschriften darauf berufen kann, durch einen Vertrag nicht gebunden zu sein. Es wäre widersprüchlich, wenn man zur Begründung der Verantwortlichkeit des Staates Menschenrechtsverletzungen dem Staat anhand der weiten Zurechnungsregeln zurechnet und bei einem Verfahren gegen das Individuum das Handeln als nichtamtliches und daher nicht von der Immunität geschütztes Verhalten bewertet. Vielfach werden Menschenrechtsverletzungen in Ausführung staatlicher Anordnung, teilweise sogar durch Behörden, die gegen die Opposition oder bestimmte Religionsgruppen durchgreifen sollen,164 verübt. Dann liegt ein dem Staat zurechenbares Handeln vor. Wenn dem Staat mit der Begründung, dass die Ausübung von Polizeigewalt ein souveränes Handeln darstellt, Immunität gewährt wird, muss auch dem Funktionsträger Immunitätsschutz gewährt werden. Sonst würden die Opfer von Menschenrechtsverletzungen die Klagen gegen die einzelnen Amtsträger erheben, um so den Immunitätsschutz des Staates zu umgehen und durch den Urteilsspruch wenigstens immaterielle Genugtuung zu erlangen. Genauso wie im Recht der Staatenverantwortlichkeit Handlungen, die das Recht verletzen bzw. gegen Anordnungen verstoßen, noch dem Staat als hoheitliches Handeln zurechenbar sind, stellen solche Rechtsverletzungen auch bei der Beurteilung des Immunitätsschutzes kein nichtamtliches oder privates Handeln dar. Dieser Gedanke findet in Art. 13 Abs. 2 der Resolution des Institut de Droit International 165 Bestätigung. Hiernach soll ein ehemaliges Staatsoberhaupt keine Immunität in Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahren genießen, au162 French-Mexican Claims Commission, Estate of Jean-Baptiste Caire (France) v. United Mexican States, Entsch. v. 7.07.1929, R.I.A.A., vol. V, 516, 531: „[. . .] le fait par un fonctionnaire d’agir en dehors de sa compétence n’exempte pas l’Etat de sa responsabilité internationale, toutes les fois que ce s’est autorisé de sa qualité officielle, l’Etat n’étant pas responsable dans la seul cas où l’acte n’a eu aucun rapport avec la fonction officielle et n’a été, en réalité, qu’un act d’un particulier.“ Siehe auch: United States/Mexico General Claims Commission, Francisco Mallén v. United States of America, Entsch. v. 27.04.1927, R.I.A.A., vol. IV (1951), 173, 177. 163 Ipsen, in: Ipsen, § 40, Rn. 28. 164 Siehe hierzu: US Court of Appeals, 7th Circuit, Wie Ye, Hao Wang et al. v. Jiang Zemin, Entsch. v. 08.09.2004, 2004 U.S. App. Lexis 18944. 165 Institut de Droit International, Session of Vancouver, 26.08.2001, Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of State and of Government in International Law, 13th Commission, Rapporteur Joe Verhoeven, Annuaire vol. 69, Tome I (2000), 742, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 212, Ziff. 2.122.
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3. Teil: Immunitätsausnahmen aufgrund der Qualifikation des Handelns
ßer im Hinblick auf Handlungen, die in Ausübung amtlicher Funktionen oder im Bezug hierzu ausgeübt werden. Trotzdem könne es verfolgt und vor Gericht gestellt werden, wenn die ihm vorgeworfenen Handlungen ein völkerrechtliches Verbrechen darstellten.166 Die Differenzierung des IDI bestätigt, dass Menschenrechtsverletzungen nicht automatisch als nichtamtliches Handeln qualifiziert werden können. Erst wenn kein Zusammenhang mit der Ausübung amtlicher Funktionen mehr besteht bzw. offensichtlich ist, dass ein Individuum nicht mehr in Wahrnehmung amtlicher Kompetenzen handelt, fehlt es an einem amtlichen Handeln. Eine Klage gegen den Funktionsträger würde diesen auch nicht mehr stellvertretend für den Staat in Anspruch nehmen. In einem solchen Fall kann jedoch auch nicht mehr von einer in amtlicher Eigenschaft handelnden Person („person acting in an official capacity“) i. S. v. Art. 1 Abs. 1 der UN-Folterkonvention gesprochen werden.167
IV. Immunität nur für offen gesetzte Hoheitsakte Staatlichen Organen wird Immunität nur für Handlungen gewährt, die offen erkennen lassen, dass sie im Auftrag des Staates ausgeführt werden.168 Hieran anknüpfend will eine Auffassung bei verdeckt vorgenommenen Handlungen eine Immunitätsausnahme annehmen. Da schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter nicht „auf offener Straße“, sondern im Verborgenen geschähen und von den Verantwortlichen in aller Regel bestritten würden, liege ebenso wie bei der Spionage eine Immunitätsausnahme vor.169 Diese Argumentation überzeugt nicht. Eine völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Immunitätsbeschränkung lässt sich bei der Bestrafung von Spionagehandlungen, die in Friedenszeiten begangen werden, ausmachen,170 aber nicht im Hinblick auf alle von einem Staat verdeckt vorgenommenen Handlungen. Des Weiteren kann eine Immunitätsbeschränkung angenommen werden, wenn ein Amtsträger offensichtlich nicht 166 Art. 13 Abs. 2 lautet: „Nor does he or she enjoy immunity from jurisdiction, in criminal, civil or administrative proceedings, except in respect of acts which are performed in the exercise of official functions and relate to exercise thereof. Nevertheless, he or she may be prosecuted and tried when the acts alleged constitute a crime under international law, or when they are performed exclusively to satisfy a personal interest [. . .].“ 167 Das Problem wurde bereits unter Dritter Teil, B. I. 3. d) behandelt. 168 Stein, in: Seidl-Hohenveldern, S. 167; Verdross/Simma, S. 773, § 1177. 169 Heidbrink, S. 96 f. 170 Hinz, in: Schlochauer, Dritter Band, S. 298, 300; Verdross/Simma, S. 773, § 1177; Geiger, § 59, S. 334; Bothe, ZaÖRV 31 (1971), 246; Damian, S. 80; Mössner, NJW 1982, 1196, 1198.
B. Klagen gegen staatliche Funktionsträger
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mehr als Organ im Auftrage des Staates, sondern nur noch als Privatperson handelte.171 Auch wenn z. B. die Folterungen im Fall Pinochet in den Kellern von Santiago stattfanden, so nahmen die Folterer jedoch gegenüber ihren Opfern offensichtlich staatliche Autorität in Anspruch. Menschenrechtsverletzungen werden von einem Staat verständlicherweise selten in der Öffentlichkeit begangen und schon gar nicht offen zugegeben. Würde der hier abgelehnten Auffassung gefolgt, dann würden staatliche Funktionsträger kaum mehr Immunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen genießen.
V. Ergebnis Weder eine Differenzierung zwischen dem Handeln innerhalb der Amtsgewalt und dem Handeln außerhalb der Amtsgewalt noch die Begrenzung des Immunitätsschutzes auf offen gesetzte Hoheitsakte vermag Menschenrechtsverletzungen staatlicher Funktionsträger dem Immunitätsschutz zu entziehen.
171
Siehe oben: Dritter Teil, III.
Vierter Teil
Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen auf dem Gebiet des Forumstaates Im vierten Teil soll eine als gebietsbezogene Deliktsausnahme oder auch Territorial-Nexus-Ausnahme bezeichnete Immunitätsausnahme untersucht werden, die dann eingreifen soll, wenn ein Staat auf dem Gebiet des Forumstaates, d. h. nicht auf seinem eigenen Staatsgebiet oder dem Gebiet eines Drittstaates, Menschenrechte verletzt. Diese Immunitätsausnahme wurde zum ersten Mal bei einem politischen Mord durch einen auf fremdem Staatsgebiet handelnden Geheimdienst angewendet. Im Fall Letelier v. Republic of Chile1 wurden der frühere chilenische Außenminister und Botschafter in Washington, Orlando de Letelier, und eine Begleiterin in Washington D.C. mit einer Autobombe getötet. Untersuchungen ergaben, dass die Morde entweder vom Chef der chilenischen Geheimpolizei, General Manuel Contreras, oder direkt durch den damaligen Chef der regierenden Militärjunta, General Augusto Pinochet, angeordnet wurden. Die Hinterbliebenen machten die Geheimdienste des Generals Pinochet für das Attentat verantwortlich und klagten sowohl gegen den chilenischen Staat als auch gegen mehrere Agenten und Gehilfen, darunter auch den Geheimdienstchef, vor dem District Court of Columbia. Chile bestritt die Beteiligung an dem Mord und berief sich darauf, dass jedenfalls ein souveränes staatliches Handeln vorliege, das Immunitätsschutz genieße.
A. Grundlagen der Territorial-Nexus-Ausnahme Zunächst sollen die Grundlagen der Immunitätsausnahme bei einem Handeln auf fremdem Staatsgebiet beleuchtet werden. Wenn ein Staat Handlungen auf fremdem Staatsgebiet, dem Territorium des Gerichtsstaates, vorgenommen hat, erscheint er weniger schutzwürdig als wenn es um die Beurteilung eines Verhaltens auf seinem eigenen Staatsgebiet geht.2 Fraglich ist jedoch, ob ein Staat deshalb auch keinen Immunitätsschutz genießt. 1 US District Court, District of Columbia, Letelier v. Republic of Chile, Entsch. v. 11.03.1980, 488 F.Supp. 665.
A. Grundlagen der Territorial-Nexus-Ausnahme
115
Verschiedene Autoren sind der Auffassung, dass ein Staat bei völkerrechtswidrigen Handlungen auf fremdem Hoheitsgebiet keine Immunität genieße.3 Die einzigen Regierungsfunktionen, die ein Staat auf dem Gebiet eines anderen ausüben könne, seien diplomatische oder konsularische Aufgaben.4 Fraglich ist, wie eine solche Immunitätsausnahme völkerrechtlich begründet werden kann. Nach einer Auffassung ist es mit der Territorialhoheit eines Staates nicht zu vereinbaren, von ihm zu verlangen, Handlungen eines ausländischen Staates auf oder mit Auswirkungen auf sein Staatsgebiet zu dulden, und diese von seiner Jurisdiktion auszunehmen.5 Zur Begründung wird der römischrechtliche Grundsatz „rex extra territorium suum privatus est“6 bzw. „princeps in alterius territorio privatus“7 angeführt, der besagt, das ein König außer Landes nur ein Privater ist. Malina betont, dass ein Staat außerhalb seines Territoriums keine Hoheitsgewalt ausüben könne, es sei denn, dass ihm diese Befugnis kraft Völkerrechts (z. B. Besatzungsrechts) oder im Rahmen internationaler Verträge (z. B. des NATO-Vertrags) ausdrücklich oder stillschweigend eingeräumt worden ist. Handlungen eines ausländischen Staates auf fremdem Staatsboden seien deshalb acta iure gestionis, die keinen Immunitätsschutz genössen.8 Diese These scheint auch in der Rechtsprechung vertreten zu werden. Ein in erster Instanz entscheidendes französisches Gericht verneinte die Immunität eines russischen Staatsunternehmens bezüglich der Konfiszierung von Ölquellen und Fabriken in Polen u. a. mit der Begründung, dass ein Staat nur innerhalb seiner eigenen Staatsgrenzen souveräne Handlungen vornehmen könne.9 Aus der Sicht des französischen Rechts könne der sowjetrussische Staat nicht außerhalb seiner Grenzen auf dem Territorium einer anderen Nation rechtmäßig Handlungen mit Regierungscharakter betreffend Personen, die ihm nicht unterworfen sind, wahrnehmen. Die Ausführungen des Chief Justice Marshall im Fall Schooner Exchange, wonach die Einrichtungen des Territorialstaates zu Gunsten eines ausländischen Souveräns auf einen Teil ihrer exklusiven territorialen Jurisdiktion verzichten, wenn dieser unter ihrer ausdrücklichen Erlaubnis das Staatsgebiet
2
Hess, S. 312. Lauterpacht, 28 British Yb. Int’l L 220, 239 (1951); Paust, 49 Houston J. Int. L. 49, 51 (1985). 4 Badr, S. 121; Lüke, S. 223 f. 5 Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 1, 12 f. 6 Schaumann/Habscheid, BdDGV 8 (1968), 1, 12 f. 7 Malina, S. 222. 8 Malina, S. 222. 9 Tribunal Civil (Référés), Russian Trade Delegation v. Société Française Industrielle et Commerciale des Pétroles (Groupe Malopolska), Entsch. v. 12.01.1940, Annual Digest of Public International Law Cases 1938–1940 245, 246 (1942). 3
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
betreten hat,10 könnten diese Argumentation untermauern. Marshall stellte bei der Gewährung der Immunität für Kriegsschiffe darauf ab, dass die Kriegsschiffe sich rechtmäßig, also mit Zustimmung des Küstenstaates oder wegen einer Notlage, in den Küstengewässern aufgehalten hatten. Hieraus wird gefolgert, dass ohne ausdrückliche Genehmigung des Küstenstaates zum Aufenthalt fremde Kriegsschiffe keine Immunität besäßen.11 Dieser Gedanke könnte auf die Immunität eines Staates bei Menschenrechtsverletzungen auf fremdem Staatsgebiet übertragbar sein. Wenn ein Staat auf fremdem Staatsgebiet Menschenrechte verletzt, könnte die Gerichtsbarkeit des Forumstaates bestehen, weil dieser keine Erlaubnis zu diesem Verhalten auf seinem Gebiet gegeben hatte. Es ist völkerrechtlich unzulässig, dass fremde Staatsorgane in einem anderen Staat hoheitliche Maßnahmen vornehmen.12 Dies ist nur dann zulässig, wenn ein Organ sich mit Genehmigung des Inhabers der Gebietshoheit dort aufhalten und handeln kann.13 Die Frage ist jedoch, ob aus der Verletzung der Gebietshoheit automatisch eine Immunitätsausnahme abzuleiten ist. Die Maxime, dass ein Souverän außerhalb seines Staatsgebiets ein Privater sei, geht auf eine Bestimmung in den Digesten über den römischen Provinzstatthalter zurück.14 Hiernach besitzt der Provinzstatthalter nur über die Menschen in seiner Provinz die Befehlsgewalt und dies nur, solange er sich dort aufhalte. Wenn er sie verlässt, sei er ein Privatmann.15 Sofern diese Ausführungen betreffend den römischen Provinzstatthalter überhaupt auf das Recht zwischen Staaten anwendbar sind, so stellen sie nur eine Bestätigung des Grundsatzes dar, dass die Ausübung staatlicher Souveränität auf das eigene Gebiet beschränkt ist. Hieraus auch eine Beschränkung staatlicher Immunität abzuleiten, ist eine Fehldeutung. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen aus der Verletzung der territorialen Integrität eines Staates weder auf die Verletzung der Immunität des Funktionsträgers noch des Staates geschlossen wurde. Im McLeod-Fall 16 sah der amerikanische Außenminister Forsyth die Gerichtsbarkeit der US-Gerichte, konkret des Staates New York, dadurch begründet, dass das Verbrechen, das McLeod vorgeworfen wurde, innerhalb des Territoriums und gegen die Gesetze des Staates New York begangen worden sei.17 Der Nachfolger Forsyths im 10
US Supreme Court, 11 US 116, 137. Mössner, NJW 1982, 1196, 1197; Berg, ZaÖRV 42 (1982), 295, 315. 12 Siehe statt vieler: Epping, in: Ipsen, § 23, Rn. 69. 13 Epping, in: Ipsen, § 23, Rn. 71. 14 Siehe: D.1.18.3 (De officio praesidis), zitiert nach: Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Bd. II, Digesten 1–10, S. 161. 15 „Praeses provinciae in suae provinciae homines tantum imperium habet, et hoc dum in provincia est: nam si excesserit, privatus est.“ 16 Siehe: Dritter Teil, B. I. 1. a). 17 „The offence with which Mr. McLeod is charged was committed within the territory and against the laws and citizens of the State of New York, and is one that 11
A. Grundlagen der Territorial-Nexus-Ausnahme
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State Department, Webster, befand jedoch, dass McLeod in amtlicher Eigenschaft für den britischen Staat gehandelt habe und deshalb Immunität genieße.18 Das in zweiter Instanz über die sowjetrussische Enteignung von Ölquellen und Fabriken in Polen entscheidende Pariser Berufungsgericht hob die erstinstanzliche Entscheidung auf, da nicht entschieden werden könne, ob ein geschäftliches oder privates Handeln vorliege.19 Im Kuwait-Airways-Fall20 vor den Gerichten des Vereinigten Königreichs wurde die Beschlagnahme eines kuwaitischen Flugzeugs im Rahmen der völkerrechtswidrigen Besetzung Kuwaits durch irakische Truppen in allen Instanzen als hoheitliches Staatshandeln behandelt, obwohl es völkerrechtswidrig war und auf fremdem Staatsgebiet vorgenommen wurde.21 Das Recht des Küstenstaates, Maßnahmen gegen das Eindringen eines UBootes zu ergreifen, kann aus dem Recht auf Selbstverteidigung abgeleitet werden.22 Da der Entsendestaat die territoriale Souveränität des Küstenstaates verletzt hat, kommen auch Gegenmaßnahmen (Repressalien) in Betracht. Eine andere Frage ist aber die Immunität der Besatzung und des Staates im Gerichtsverfahren. Die Argumentation mit dem impliziten Immunitätsverzicht scheint Fragen des völkerrechtlichen Gesandtschaftsrechts23 auf das Gebiet der Staatenimmunität übertragen zu wollen. Die Befugnis des Gesandten, auf fremdem comes clearly within the competency of her tribunals.“ Zitiert nach: Jennings, 32 AJIL 82, 93 (1938). 18 „But whether the process be criminal or civil, the fact of having acted under public authority, and in obedience to the orders of lawful superiors, must be regarded as valid defence; otherwise, individuals would be holden responsible for injuries resulting from the acts of Government, and even from the operations of public war.“ Zitiert nach: Jennings, 32 AJIL 82, 94 (1938). 19 Cour d’Appel Paris, Société Française Industrielle et Commerciale des Pétroles v. Russian Trade Delegation, Entsch. v. 12.02.1941, Annual Digest of Public International Law Cases Years 1919–1942 (1947), 145. 20 High Court, Entsch. v. 16.04.1992; Court of Appeal, Entsch. v. 21.10.1993, House of Lords, Entsch. v. 24.7.1995, Kuwait Airways Corporation v. Iraqi Airways Company and the Republic of Iraq, 103 ILR 340 ff. (1996). 21 High Court, 103 ILR 340, 354 (1996) (Justice Evans): „It would be idle to deny that the acts of the Government of Iraq and those carried out on its behalf in invading Kuwait territory were acta jure imperii. Similarly, if Kuwait’s property as appropriated for governmental purposes in the course of the invasion and occupation of Kuwait then I should have little difficulty in holding that that too was what I call a governmental act.“ Court of Appeal, 103 ILR 340, 387 (1996) (Lord Justice Nurse): „No one doubts that the nationalisation of assets within a State is an act jure imperii.“ House of Lords, 103 ILR 340, 405 (1996) (Lord Goff of Chievely): „[. . .] the taking of the aircraft and their removal from Kuwait Airport to Iraq constituted an exercise of governmental power by the State of Iraq.“ 22 Delupis, 78 AJIL 53, 75 (1984). 23 Siehe: Grotius, 2. Buch, 18. Kap., insbes. V. 1: „Das Verbot der Gewalt gegen Gesandte verpflichtet nur den, zu dem der Gesandte geschickt ist, und nur, wenn er ihn angenommen hat; es ist gleichsam so anzusehen, als ob stillschweigend ein Vertrag zwischen ihnen geschlossen wäre.“
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
Staatsgebiet tätig zu werden, beruht auf der Zustimmung des Empfangsstaates. Hieraus wurde der zur effektiven Aufgabenwahrnehmung erforderliche Immunitätsschutz des Gesandten abgeleitet. Der Staatenimmunität liegt jedoch eine andere Begründung zugrunde.24 Der Gedanke, dass ein Staat bzw. seine Funktionsträger zwar auf fremdem Staatsgebiet keine Herrschaftsgewalt ausüben dürfen, trotzdem aber nicht für das Handeln zur Verantwortung gezogen werden können, kommt bereits in der frühen Völkerrechtslehre zum Ausdruck. So betont van Bynkershoek, dass ein Prinz auf fremdem Territorium zwar keine souveräne Herrschaftsgewalt ausüben könne, dies aber noch nicht bedeuten müsse, dass er für sein Handeln vor den Gerichten des Forumstaates zur Verantwortung gezogen werden dürfe.25 Menschenrechtsverletzungen eines Staates außerhalb seines Staatsgebietes stellen ein hoheitliches Handeln dar, dem im Grundsatz Immunitätsschutz zukommt.26 Die völkerrechtliche Zulässigkeit dieser Immunitätsausnahme kann sich nur aus dem Völkergewohnheitsrecht ergeben. Dieses muss im Folgenden analysiert werden.
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der gebietsbezogenen Deliktsausnahme Da es um die Ausübung von Gerichtsbarkeit geht, ist bei der Untersuchung einer völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsausnahme bei dem Handeln eines Staates auf fremdem Staatsgebiet auf die nationale Rechtsprechungspraxis abzustellen. Weiterhin sind die Staatenpraxis im Übrigen, insbesondere die nationalen und internationalen Kodifikationsarbeiten, und ergänzend die Auffassungen im Schrifttum heranzuziehen.27
I. Praxis in Staaten mit einem Immunitätsgesetz Da die Territorial-Nexus-Ausnahme überwiegend von Staaten anerkannt wird, die Immunitätsregelungen geschaffen haben, soll zunächst die Praxis in diesen Staaten untersucht werden.
24
Siehe: Erster Teil, E. van Bynkershoek, zitiert nach: Brown Scott, S. 17 ff. (insbes. S. 21). 26 Siehe auch: Damian, S. 79 f.; Geimer, S. 194, Rn. 503; Scheffler, S. 67. 27 Vgl. die Vorgehensweise des BVerfG in: BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27, 34 ff. (Heizungsreparatur-Fall). 25
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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1. Praxis in den Vereinigten Staaten und Bewertung Nach § 1605 (a) (5) des FSIA von 197628 genießt ein Staat keine Immunität in Verfahren, in denen die Kläger Schadensersatz für eine Körperverletzung oder Tod, Beschädigung oder Verlust des Eigentums begehren, die in den Vereinigten Staaten eintrat und durch eine deliktische Handlung oder Unterlassung des ausländischen Staates, seiner Amtsträger oder Bediensteten in Ausübung des ihnen übertragenen Amtes oder Beschäftigtenverhältnisses verursacht wurde.29 Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Vorschrift besteht bei Schäden, die aus einer amtlichen Tätigkeit in Ausübung oder Nichtausübung staatlichen Ermessens („discretionary function“) resultieren, selbst wenn das Ermessen missbraucht wurde. Außerdem gilt der Immunitätsausschluss nicht für Klagen, die sich auf böswillige Strafverfolgung, Prozessmissbrauch, Verleumdung, üble Nachrede, Falschdarstellung, Betrug und Verleitung zum Vertragsbruch beziehen. Das US State Department erläutert in seinen Anmerkungen zu § 1605 (a) (5) FSIA, dass bei dieser Regelung zwar in erster Linie an Verkehrsunfälle gedacht worden sei, die Regelung erstrecke sich aber auch auf andere nicht kommerzielle unerlaubte Handlungen.30 Fraglich ist, ob auch hoheitliches Handeln wie die Verletzung von Menschenrechten erfasst wird. Der District Court of Columbia verneinte in dem Fall Letelier v. Republic of Chile31 die Immunität Chiles. Das Gericht verwarf den Einwand, dass § 1605 (a) (5) FSIA nur auf privates Handeln, d. h. in erster Linie Verkehrsdelikte, aber nicht auf hoheitliches Handeln anwendbar sei.32 Eine „discretionary function“ liege nicht vor, da kein Ermessen für Amtsträger oder Geheimagenten bei der Begehung unrechtmäßiger Handlungen, hier eines Mordes, bestehe.33 Dem Urteilsspruch wurde jedoch nicht entsprochen. Der Versuch der Kläger, in das Vermögen der staatlichen chilenischen Luftfahrtgesellschaft zu vollstrecken, scheiterte.34 Schließlich schlossen am 11.06.1990 Chile und die USA eine Vereinbarung ab, in der Chile jede Verantwortung für die Vorfälle von sich wies,
28 United States: Foreign Sovereign Immunities Act of 1976, 15 ILM 1388, 1389 (1976). 29 Siehe den Originalwortlaut: Erster Teil, D.II. 30 House Report (Judiciary Committee) No. 94-1487, 09.09.1976, H.R.Rep. 941487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6620, auch abgedruckt in: 15 ILM 88, 109 (1976). 31 District Court, 488 F.Supp. 665. 32 US District Court, 488 F.Supp. 665, 671. 33 US District Court, 488 F.Supp. 665, 673. 34 Während der District Court die Vollstreckung in das Vermögen der Fluggesellschaft für zulässig hielt, erklärte der US Court of Appeals die Vollstreckung für unzulässig, da das Vermögen der Fluggesellschaft nicht mit dem Vermögen des chilenischen Staates gleich gesetzt werden könne (US Court of Appeals, 2nd Circuit, Letelier v. Republic of Chile and Linea Aerea Nacional-Chile, Entsch. v. 20.11.1984, 748 F.2d 790).
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
sich aber zu einer Zahlung ex gratia, d. h. ohne Anerkennung eines Rechtsgrundes, bereit erklärte.35 Der Court of Appeals des neunten Bezirks nahm im Fall Olsen36 auch eine weite Auslegung des § 1605 (a) (5) FSIA vor. Gefangene wurden im Rahmen eines Gefangenenaustauschvertrages zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten in die USA gebracht. Beim Landeanflug in Kalifornien stürzte das Flugzeug ab. Die Kinder der Gefangenen klagten gegen die mexikanische Regierung wegen des Todes ihrer Eltern. Mexiko führte aus, dass der FSIA die restriktive Immunitätstheorie umsetze, das Verhalten Mexikos aber hoheitlicher Natur und damit immunitätsgeschützt sei. Außerdem müssten sich alle Handlungen oder Unterlassungen in den Vereinigten Staaten ereignen. Der District Court for the Southern District of California wies die Klage ab; der Court of Appeals bejahte die Gerichtsbarkeit. Das Gericht entgegnete dem ersten Einwand Mexikos mit einer systematischen Interpretation. § 1605 (a) (5) (A) FSIA statuiere eine Ausnahme für Handlungen in Wahrnehmung einer „discretionary function“. Solche Funktionen würden aber gerade bei der politischen Richtlinienbestimmung oder Planung auf Regierungsebene wahrgenommen. Würden Regierungshandlungen nicht von der Regelung erfasst, wäre die Ausnahme in § 1605 (a) (5) (A) FSIA überflüssig.37 Auch den zweiten Einwand wies das Gericht zurück. Nach dem Wortlaut reiche es aus, dass die Verletzung in den USA eintrete.38 Die Gesetzgebungsgeschichte deute jedoch darauf hin, dass die unerlaubte Handlung oder Unterlassung innerhalb des Hoheitsbereichs der Vereinigten Staaten geschehen müsse. Bei mehreren unerlaubten Handlungen genüge es, dass eine in den USA vorgenommen werde. Diese liege in der Nachlässigkeit beim Landeanflug in den USA.39 In dem Fall Liu v. Republic of China40 wurde Liu, ein Journalist US-amerikanischer Staatsangehörigkeit, in Kalifornien von zwei bewaffneten Männern, die auf Befehl des chinesischen Geheimdienstdirektors handelten, getötet. Während der District Court Kaliforniens entschied, dass China nicht gerichtlich verantwortlich gemacht werden könne, bejahte der Court of Appeals das Vorliegen der Immunitätsausnahme aus § 1605 (a) (5) FSIA. Den Einwand Chinas, dass 35 Agreement between the Government of the United States of America and the Government of the Federal Republic of Germany Concerning Final Benefits of Certain United States Nationals Who Were Victims of National Socialist Measures of prosecution, 19.09.1995, 35 ILM 193 (1996). Siehe auch bei: Heß, IPRax 1993, 110. 36 US Court of Appeals, 9th Circuit, Olsen v. Government of Mexico, Sanchez v. The Republic of Mexico, Entsch. v. 30.03.1984, 729 F.2d 641. 37 US Court of Appeals, 9th Circuit, 729 F.2d 641, 645. 38 US Court of Appeals, 9th Circuit, 729 F.2d 641, 645. 39 US Court of Appeals, 9th Circuit, 729 F.2d 641, 646. 40 US Court of Appeals, 9th Circuit, Liu v. The Republic of China, Entsch. v. 29.12.1989, 892 F.2d 1419.
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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das Tatbestandsmerkmal des Handelns in Ausübung des Amtes oder Beschäftigtenverhältnisses („within the scope of his office or employment“) nicht erfüllt sei, da die Tötung nach chinesischem Recht strafbar gewesen sei, wies das Gericht zurück.41 In mehreren Fällen verklagten Opfer der Geiselnahme in der Teheraner Botschaft der Vereinigten Staaten im Jahre 1979 und ihre Familien den Iran.42 Die Gerichte forderten, dass sowohl Handlung als auch Verletzung in den USA eintreten müssten. Die Argumentation, dass die Vereinigten Staaten eine gewisse Hoheitsgewalt über ihre Botschaft besäßen und deshalb die Handlung das Kriterium „occuring in the United States“ erfülle, überzeugte die Gerichte nicht und sie lehnten eine Immunitätsausnahme aus § 1605 (a) (5) FSIA ab.43 Auch wenn in den Fällen Olsen, Letelier und Liu die Gerichte davon ausgingen, dass § 1605 (a) (5) FSIA auch hoheitliches Staatshandeln erfasst, so erscheint diese Interpretation nicht zwingend. Das American Law Institute vertritt in § 454 Abs. 1 des Restatement Third,44 dass ein ausländischer Staat keine Immunität gegenüber Klagen wegen der Verletzung von Personen oder Sachen im Forumstaat genieße.45 In seiner Kommentierung betont es, dass die restriktive Immunitätstheorie zwar vor dem Hintergrund des geschäftlichen Handelns von Staaten entwickelt worden sei, aber nicht auf Klagen aus Vertragsbeziehungen beschränkt sei. Es verweist darauf, dass Staaten auch Eisenbahnen, Fluglinien, Motorfahrzeuge und Fabriken betrieben und bei Schäden aus dieser Tätigkeit genauso verantwortlich sein sollten wie Private. In diesen Ausführungen kommt nicht die Auffassung zum Ausdruck, dass auch Hoheitshandlungen der Gerichtsbarkeit des Forumstaates unterworfen sind. Auch der Gesetzessystematik lassen sich Anhaltspunkte entnehmen, dass sich § 1605 (a) (2) FSIA auf kommerzielle Handlungen beschränkt46 und § 1605 (a) (5) FSIA sich auf den Bereich der Handlungen iure gestionis erstreckt, die nicht
41 US Court of Appeals, 9th Circuit, 892 F.2d 1419, 1426 ff. Siehe hierzu bereits: Dritter Teil, B. I. 1 c). 42 US Court of Appeals, 9th Circuit, McKeel v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.12.1983, 722 F.2d 582; US Court of Appeals, District of Columbia, Persinger v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 13.03.1984, 729 F.2d 835. 43 US Court of Appeals, 9th Circuit, 722 F.2d 582, 587; US Court of Appeals, District of Columbia, 729 F.2d 835, 839. 44 ALI, Restatement of the Law, vol. I, §§ 1–488, 14.05.1986, S. 404. 45 § 454 Abs. 1 lautet: „Under international law, a state is not immune from the jurisdiction of the court of another state with respect to claims in tort for injury to persons or property in the state of the forum.“ 46 So unter Bezugnahme auf den Wortlaut auch: Habscheid, in: Habscheid/Hoffmann-Nowotny/Lindner/Meier-Hayoz, S. 213, 226.
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
kommerzielles Handeln darstellen („not otherwise encompassed in paragraph (2)“). 2. Praxis in weiteren Staaten mit einem Immunitätsgesetz Eine ähnliche Regelung wie § 1605 (a) (5) FSIA enthält § 5 des UK SIA aus dem Jahre 197847. Aus dem Wortlaut geht nicht hervor, ob die Vorschrift auch eine Immunitätsausnahme für hoheitliches Handeln statuiert. In der Zwischenentscheidung über die Zustellung der Klageschrift im Fall Al-Adsani hielten die Richter es im Hinblick auf die Drohungen, die der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr in das Vereinigte Königreich erhielt, für vertretbar, dass die Immunitätsausnahme des § 5 UK SIA einschlägig sei.48 Der High Court merkte jedoch im Fall Propend v. Singh49 zu § 5 UK SIA an, dass die Norm gewöhnliche privatrechtliche Klagen erfasse. Der Grundgedanke der Norm scheine zu sein, dass ein Unfall, der eine Körperverletzung verursacht oder ein Ereignis, das einen Schaden oder Verlust des Eigentums auslöst, Handlungen oder Unterlassungen von Staatsdienern betreffe, die eher nebensächlich für die staatliche Souveränität seien.50 Teilweise wird in der Literatur die Regelung auf die Ausübung von Hoheitsgewalt für anwendbar gehalten.51 Art. 16 (2) UK SIA schließt die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Handlungen bewaffneter Streitkräfte aus. Eine ähnlich lautende Immunitätsausnahme wie § 5 des UK SIA enthalten § 7 des SIA Singapurs aus dem Jahre 1979,52 § 6 des südafrikanischen Foreign States Immunities Act aus dem Jahre 1981,53 § 6 des kanadischen SIA aus dem 198354 und § 13 des australischen SIA 1985.55 Auch Art. 2 e) des argentini-
47 UK State Immunity Act, 20.07.1978, 17 ILM 1123, 1125 (1978). § 5 SIA lautet: „A State is not immune as respects proceedings in respect of – (a) death or personal injury; or (b) damage or loss of tangible property,caused by an act or omission in the United Kingdom.“ 48 Court of Appeal, Al-Adsani v. Government of Kuwait and others, Entsch. v. 21.01.1994, 100 ILR 465, 472 f. (1995). 49 Siehe den Sachverhalt: Dritter Teil, B. I. 2. 50 High Court, Propend Finance Ltd v. Singh and others, Entsch. v. 14.03.1996, 111 ILR 611, 652 (1998). 51 Hockl, 48 Austrian J. Publ. Intl Law 121, 141 (1995). 52 Singapore State Immunity Act, 26.10.1979, zitiert nach: Badr, Appendix IV, S. 203, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 50. 53 South African Foreign States Immunities Act, 20.11.1981, zitiert nach: Badr, Appendix VI, S. 219, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 504. 54 Act to provide for State Immunity in Canadian Courts, 03.06.1982, 21 ILM 798, 799 (1982). 55 Australian Foreign States Immunities Act, 01.04.1986, 25 ILM 715, 719 (1986).
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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schen Gesetzes56 sieht eine Immunitätsausnahme vor, wenn Staaten wegen Verlusten oder Schäden, die durch Delikte oder Quasidelikte auf argentinischem Territorium verursacht wurden, verklagt werden. All diese Ausnahmeregelungen lassen nicht deutlich erkennen, ob sie nur den nicht kommerziellen Bereich des nichthoheitlichen Staatshandelns erfassen, oder, ob auch hoheitliches Handeln, also auch Menschenrechtsverletzungen, in den Anwendungsbereich eingeschlossen werden. Keine Immunitätsausnahme bei unerlaubten Handlungen auf fremdem Staatsgebiet enthält die Pakistani State Immunity Ordinance aus dem Jahre 1981.57
II. Praxis in Staaten ohne Immunitätsgesetz Es stellt sich die Frage, ob die gebietsbezogene Immunitätsausnahme auch von Staaten ohne eine Immunitätsregelung anerkannt wird. 1. Entscheidung des Areopag und des Obersten Sondergerichts Griechenlands Die Mehrheitsauffassung der Richter des Areopag ging im Distomo-Fall von der Existenz einer völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsausnahme bei unerlaubten Handlungen aus, die zum Schaden von Personen und ihres Vermögens auf dem Staatsgebiet des Forumstaates von Organen eines ausländischen Staates begangen worden sind, selbst wenn es sich um Akte der souveränen Gewalt („acta iure imperii“) handelte.58 Zwar will der Areopag eine Ausnahme bei Schadensersatzansprüchen als Folge von bewaffneten Konflikten anerkennen. Diese Art von Ansprüchen würden durch die „normalen“ zwischenstaatlichen Vereinbarungen nach einem Krieg geregelt und zwar auch aus praktischen Gründen, etwa um eine Flut von Klagen und Gegenklagen zu verhindern. Bei Schadensersatzansprüchen, die jedoch nicht als unausweichliche oder reflexartige Folge des Krieges die Zivilbevölkerung als solche treffen, sondern einen beschränkten Personenkreis an einem bestimmten Ort, der in keiner Verbindung zu den bewaffneten Zusammenstößen stehe und der sich in keiner Weise direkt oder indirekt an den Kampfhandlungen beteilige, greife diese Ausnahme aber nicht.
56 Inmunidad Jurisdicional de los Estados Extranjeros ante los Tribunales Argentinos, Ley No 24.488, 31.05.1995, zitiert nach: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 461. 57 Pakistani State Immunity Ordinance, 11.03.1981, zitiert nach: Badr, Appendix V, S. 211; auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 496. 58 Areios Pagos, Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Urt. v. 04.05.2000, KJ 2000, 472 ff. oder bei: Gavouneli/Bantekas, 95 AJIL 198, 199 ff.
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
Einige Richter verneinten die völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Immunitätsausnahme. Weder aus dem EÜStI noch aus der Praxis in den angelsächsischen Staaten lasse sich eine ausreichende Staatenpraxis ableiten. Ähnlich argumentierte das Oberste Sondergericht Griechenlands, das am 17.9.200259 auf Vorlage des Aeropag in einem anderen, aber gleichgelagerten Verfahren griechischer Kläger gegen Deutschland entschied, dass nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand des Völkerrechts nach wie vor eine allgemein anerkannte Norm existiere, nach der es unzulässig sei, einen Staat vor dem Gericht eines anderen Staates auf Schadensersatz wegen eines im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaats verübten Delikts, an dem in irgendeiner Weise Streitkräfte des beklagten Landes beteiligt waren, zu verklagen, und zwar sowohl im Kriegs- als auch im Friedensfall. Das Oberste Sondergericht Griechenlands konnte sich dabei auf eine Entscheidung des irischen Supreme Court vom 15.12.199560 und des EGMR61 beziehen. Vier Richter waren jedoch anderer Auffassung.62 Sie verwiesen auf die Entwürfe der Völkerrechtskommission, der International Law Association (ILA) sowie die bereits dargestellten nationalen Immunitätsregelungen, um eine Immunitätsausnahme zu begründen. Art. 31 EÜStI, wonach das EüStI bei Handlungen und Unterlassungen bewaffneter Streitkräfte auf fremdem Staatsgebiet nicht anwendbar ist, erfasse nur die Anwesenheit von bewaffneten Streitkräften eines Vertragsstaates auf dem Gebiet eines anderen Vertragsstaates bei Tolerierung durch letzteren. Erfasst sei nicht die unrechtmäßige Besetzung eines anderen Staates. Erst recht gelte die Regelung nicht für Kriegsverbrechen. Deshalb bestehe keine Verpflichtung, Immunität zu gewähren. 2. Der Fall McElhinney vor dem irischen Supreme Court und dem EGMR Im Fall McElhinney erhob ein irischer Staatsbürger gegen einen britischen Soldaten und den Nordirlandminister Klage. McElhinney fuhr mit seinem Auto und Wohnanhänger von Nordirland in Richtung Republik Irland. An einem britischen Kontrollpunkt kollidierte das Fahrzeug versehentlich mit der Straßensperre. Nach dieser Kollision näherte sich ein britischer Soldat dem Wagen und forderte den Beschwerdeführer zum Halten auf. Der Kläger glaubte, weiterfahren zu müssen. Dabei wurde der Soldat von dem Autoanhänger erfasst und auf 59 Oberstes griechisches Sondergericht, Bundesrepublik Deutschland v. Militiadis Margellos, Entsch. v. 17.09.2002 – unveröffentlicht. Siehe: Panezi, 56 RHDI 199 (2003). 60 Supreme Court of Ireland, McElhinney v. Williams and her Majesty’s Secretary of State for Northern Ireland, Entsch. v. 15.12.1995, 104 ILR 691 (1995). 61 EGMR, McElhinney v. Ireland, Urt. v. 21.11.2001, no. 31253/96, ECHR 2001XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415. 62 Siehe die abweichende Auffassung der Richter: Rizos/Kroustalakis/Prassos/Gyftakis, in: Oberstes griechisches Sondergericht, 56 RHDI 199, 205 ff. (2003).
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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die Deichsel geschleudert. Daraufhin feuerte der Soldat Schüsse ab. Auf irischem Staatsgebiet visierte der selbst verängstigte Soldat den Kläger und seine beiden Mitfahrer mit einer Waffe an. Als der Kläger die Situation aufklären wollte, drückte der Soldat zweimal auf den Abzug. Wegen einer Ladehemmung löste sich aber kein Schuss. Infolge dieser Ereignisse behauptetete McElhinney, einen posttraumatischen Schock erlitten zu haben. McElhinney verklagte den Soldaten und den britischen Nordirlandminister vor dem irischen High Court auf Schadensersatz. Der High Court gab dem Antrag des Nordirlandministers auf Gewährung von Staatenimmunität statt. Hiergegen legte McElhinney Rechtsmittel ein. Er machte geltend, dass sich die Staatenimmunität nicht auf zivilrechtliche Deliktsklagen wegen im Forumstaat begangener Körperverletzungen erstrecke. Der irische Supreme Court wies das Rechtsmittel zurück. Die nationalen Immunitätsgesetze könnten keine völkerrechtlichen Prinzipien nachweisen. Sie seien ein Beweis für das nationale Recht einzelner Staaten, aber nicht ein Beweis für das Völkerrecht allgemein. Im Hinblick auf das EÜStI hielt das Gericht es nicht für notwendig zu entscheiden, ob Art. 11 EÜStI Bestandteil des irischen Rechts sei. Jedenfalls greife Art. 31 EÜStI, wonach bei Handlungen oder Unterlassungen der bewaffneten Streitkräfte auf fremdem Staatsgebiet die Konvention die Immunitäten oder Privilegien der Vertragsstaaten nicht beeinträchtigen soll. Der Supreme Court schloss sich den in der Literatur vertretenen Auffassungen63 an, die diese Immunitätsausnahme, soweit sie auch für hoheitliches Handeln gelten soll, als eine Abweichung vom allgemeinen Völkerrecht ansehen, die nur zwischen den Vertragsstaaten des EÜStI anwendbar sei.64 Nach der Abweisung durch den Supreme Court legte McElhinney bei der Europäischen Menschenrechtskommission gegen Irland und das Vereinigte Königreich Beschwerde ein, die am 1.11.1998 infolge der Abschaffung der Kommission durch das 11. Zusatzprotokoll dem EGMR übertragen wurde. Der EGMR erkannte, dass zwar eine gewisse Tendenz zur Beschränkung der Staatenimmunität bei Schäden durch im Forumstaat begangene Handlungen oder Unterlassungen zu existieren scheine, diese Praxis aber keinesfalls universell sei.65 Die Beschränkung scheine aber in erster Linie bei „versicherbaren“ Körperschäden angenommen zu werden, d. h. solche, die durch gewöhnliche Verkehrsunfälle verursacht werden. Immunitätsausnahmen bei Handlungen, die zum Kernbereich der Staatensouveränität gehören, könnten ihrer Art nach Probleme aufwerfen, die die zwischenstaatlichen diplomatischen Beziehungen und die nationale Sicherheit beeinträchtigten.
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Steinberger, in: Bernhardt, EPIL, Bd. IV, S. 615, 626. Supreme Court of Ireland, 104 ILR 691, 702 (1995). 65 EGMR, McElhinney v. Ireland, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415, Ziff. 38. 64
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
Die Richter Caflisch, Cabral Barreto und Vajic´ behaupteten in ihrem Sondervotum, dass die völkerrechtliche Praxis die Immunitätsausnahme anerkannt habe.66 Hierfür sprächen die nationalen Immunitätsregelungen und die Arbeiten der UN-Völkerrechtskommission. Die in Art. 31 EÜStI enthaltene Immunität der Streitkräfte sei keine Wiedergabe von Völkergewohnheitsrecht, sondern habe nur im Rahmen des Abkommens Bedeutung. Art. 12 des ILC-Entwurfs zur Staatenimmunität67 sei in der UN-Generalversammlung nicht auf Widerstand gestoßen. Hieraus folge, dass die gebietsbezogene Immunitätsausnahme dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts entspreche. 3. Weitere Entscheidungen In einem Fall, der vor dem LG Haarlem entschieden wurde, vereinbarte ein deutscher verdeckter Ermittler in den Niederlanden mit einem niederländischen Staatsbürger, dass dieser ihm eine Warensendung Drogen nach Deutschland liefere.68 Als der Niederländer mit der Warensendung nach Deutschland kam, wurde er verhaftet. Er und seine Frau verklagten Deutschland auf Schadensersatz wegen der ihrer Auffassung nach ungesetzlichen Untersuchungsmethoden und der anschließenden Strafverfolgung. Die Annahme einer Ausnahme von der Staatenimmunität der Bundesrepublik stützten sie unter anderem auf Art. 11 EÜStI. Das Gericht verneinte jedoch, dass die in Art. 11 EÜStI enthaltene Regelung schon geltendes Völkergewohnheitsrecht darstelle und eine Immunitätsausnahme für hoheitliches Handeln begründe.69 Der BGH zeigte sich im Distomo-Fall gegenüber einer Immunitätsausnahme aus Art. 11 EÜStI zurückhaltend. Deutschland, aber nicht Griechenland, sei Vertragsstaat des EÜStI. Im Ursprung habe sich die Regelung mit Vorfällen befassen sollen, die mit den streitgegenständlichen Handlungen nichts zu tun hätten, zum Beispiel Verkehrsunfälle bei Dienstfahrten ausländischer Diplomaten. Außerdem sei die rückwirkende Anwendung dieser Regelung bedenklich. Insgesamt sprächen die überwiegenden Gesichtspunkte gegen die Annahme, dass es sich bei Regelungen wie Art. 11 EÜStI um Völkergewohnheitsrecht handle.70
66 Abweichendes Sondervotum der Richter Caflisch, Cabral Barreto und Vajic ´, ECHR 2001-XI, 51, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 419. 67 ILC, Report of the International Law Commission on the work of its forty-third session, Doc. A/46/10 (29 April–19 July 1991), Jurisdictional Immunities of States and their Property, Y.B.Intl’lL.Comm’n 1991, Bd. II, Teil 2, Kap. II, S. 12. 68 District Court of Haarlem, LF and HMHK v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 07.05.1986, 94 ILR 342 (1994). 69 District Court of Haarlem, 94 ILR 342, 347 (1994). 70 BGH, Urt. v. 26.06.2003, NJW 2003, 3488 = DVBl. 2004, 37, 38 = 42 ILM 1027 (2003).
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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Des Weiteren verwies der BGH auf Art. 31 EÜStI, wonach das Abkommen nicht die Immunität oder Vorrechte, die ein Staat für Handlungen genießt, „die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden“. Eine militärische Aktion während eines Krieges werde von der Immunitätsausnahme nicht erfasst, schon gar nicht mit „Rückwirkung“ für den Zweiten Weltkrieg. 4. Völkervertragliche Regelungen und Entwürfe Das Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität71 sieht in Art. 11 eine Ausnahme zur Staatenimmunität bei Personen- und Eigentumsschäden vor, wenn sich die Handlungen, die die Verletzung oder den Schaden veranlassten, auf dem Gebiet des Forumstaates ereigneten und der Urheber der Verletzung oder des Schadens zu diesem Zeitpunkt auf dem Territorium anwesend war. Nach Art. 31 EÜStI sollen die Regelungen des EÜStI nicht die Immunitäten und Privilegien der bewaffneten Streitkräfte auf dem Gebiet eines anderen Vertragsstaates berühren.72 Vielfach wird davon ausgegangen, dass Art. 11 EÜStI auch hoheitliches Handeln auf fremdem Staatsgebiet erfasse.73 Dies erscheint bei genauerer Betrachtung jedoch nicht so sicher. Der Explanatory Report merkt zu Art. 15 EÜStI, wonach ein Staat in Verfahren, die nicht unter Art. 1 bis 14 EÜStI fallen, Immunität genießt, an, dass die Konvention einen Kompromiss zwischen absoluter und relativer Immunität darstelle. Ein Staat genieße sogar für Handlungen iure gestionis Immunität, sofern diese nicht unter einen Ausnahmetatbestand fielen: „The Convention represents a compromise between the doctrines of absolute and relative State immunity. A State cannot claim immunity in cases falling under 1 to 14. On the other hand, it is entitled to immunity in respect of all other acts even those which are according to the doctrine of relative State immunity, acta iure gestionis.“74
Diese Formulierung spricht dafür, dass die Konvention nicht über die Grenzen der restriktiven Immunitätstheorie hinausgehen sollte. Aus ihr lässt sich im Wege des Erst-recht-Schlusses ableiten, dass ein Staat für alle Handlungen iure imperii, also auch für solche auf fremdem Hoheitsgebiet, Immunität genießen soll. Der Explanatory Report stellt zwar klar, dass er nicht die maßgebende
71
European Convention on State Immunity, 16.05.1972, 11 ILM 470 (1972). „Nothing in this Convention shall affect any immunities or privileges enjoyed by a Contracting State in respect of anything done or omitted to be done by, or in relation to, its armed forces when on the territory of another Contracting State.“ 73 Oberstes griechisches Sondergericht, 56 RHDI 199 ff. (2003). 74 Explanatory Report on the European Convention on State Immunity, ETS No. 074, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 50, 1.106. 72
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
Interpretationsquelle für die Konvention sei, er jedoch ihre Anwendung erleichtern solle. Art. 12 der United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property ähnelt dem EÜStI, indem er verlangt, dass sich die Handlung oder Unterlassung ganz oder teilweise auf dem Gebiet des Forumstaates ereignete und ihr Urheber zu diesem Zeitpunkt auf dem Territorium anwesend war.75 Die ILC merkte zu diesem Artikel an, dass prinzipiell an versicherbare Risken gedacht worden sei und die Versicherungsunternehmen nicht von der Staatenimmunität geschützt werden sollten. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erstrecke sich aber auch auf körperliche Schadenszufügungen, böswillige Eigentumsschädigungen, Brandstiftung oder Tötung und auch politische Morde.76 Die Völkerrechtskommission erkennt eine Ausnahme für Handlungen, die sich aus Situationen herleiten, die bewaffnete Konflikte zur Folge haben („situations involving armed conflicts“), an.77 Diese Immunitätsausnahme war in der Völkerrechtskommission sehr umstritten. Es wurde argumentiert, dass, wenn die Handlung oder Unterlassung einem Staat zurechenbar sei, sich die Frage der Staatenverantwortlichkeit stelle. Dies sei eine völkerrechtliche Rechtsfrage und könne nicht durch ein nationales Gericht gelöst werden.78 Vor allem wurde kritisiert, dass die Regelung keinen Unterschied zwischen souveränen und privaten Handlungen eines Staates mache. Sie habe außer in der Gesetzgebung einiger weniger Staaten keine rechtliche Grundlage. Wenn Staaten für Körper- und Eigentumsverletzungen einen Immunitätsverlust akzeptierten, machten sie dies im Rahmen völkerrechtlicher Abkommen. Derartige Angelegenheiten sollten besser auf diplomatischen Wege geregelt werden.79 Im Jahre 2000 forderte die pakistanische Delegation die Streichung der Territorial-NexusAusnahme, um den ILC-Entwurf für die Mehrheit der Staaten akzeptabel zu machen.80 Die Immunitätsausnahme könne sich nicht auf die völkergewohnheitsrechtliche Entwicklung stützen und würde zu Friktionen zwischen den Staaten führen. Schließlich wurde die Regelung trotzdem Bestandteil der End-
75 Art. 12 lautet: „Unless otherwise agreed between the States concerned, a State cannot invoke immunity from jurisdiction before a court of another State which is otherwise competent in a proceeding which relates to pecuniary compensation for death or injury to the person, or damage to or loss of tangible property, caused by an act or omission which is alleged to be attributable to the State, if the act or omission occurred in whole or in part in the territory of that other State and if the author of the act or omission was present in that territory at the time of the act or omission.“ 76 ILC, Yb. Int’l L. Comm. 1991, Bd. II, Teil 2, S. 12, 45. 77 ILC, Yb. Int’l L. Comm. 1991, Bd. II, Teil 2, S. 12, 46. 78 ILC, Draft Articles on jurisdictional immunities of States and their property, Report of the Commission to the General Assembly on the work of its forty-first session, Yb. Int’l L. Comm. 1989, Bd. II, Teil 2, S. 97, 110 f., Ziff. 515. 79 ILC, Yb. Int’l L. Comm. 1989, Bd. II, Teil 2, S. 97, 111, Ziff. 521. 80 UN Doc. A/55/298, 11, Ziff. 3–4.
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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fassung des Konventionsentwurfs. Die Vorschrift bleibt jedoch umstritten.81 Die US-Delegation strebte eine Interpretation an, wonach sich die Immunitätsausnahme auf Handlungen und Unterlassungen privater Natur beschränkte und Handlungen souveräner Natur ausgeklammert werden sollten.82 Das Übereinkommen tritt am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der dreißigsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der UN in Kraft (siehe Art. 30 Abs. 1). Wenn eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 12 des Übereinkommens auf nichthoheitliches Handeln vorgesehen wäre, würde die Akzeptanz der Konvention wahrscheinlich höher ausfallen. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen in der Völkerrechtskommission bleibt unklar, wie die Regelung auszulegen ist. Eine sehr weit reichende Immunitätsausnahme sieht die Draft Convention on State Immunity der ILA in Art. III F. vor.83 Danach reicht es bereits aus, wenn die Handlung oder Unterlassung, die Tod oder Körperverletzung eines Menschen, Schaden oder Verlust des Eigentums verursacht, ganz oder teilweise im Forumstaat eintraten.84 Auch Art. 2 Abs. 2 e) der Resolution des IDI kennt eine Immunitätsausnahme bei Tod oder Köperverletzung, Verlust oder Beschädigung beweglichen Vermögens, die den Aktivitäten eines ausländischen Staates und seiner Amtsträger innerhalb der Hoheitsgewalt des Forumstaates zugeschrieben werden können.85 Art. 6 e) der Inter-American Draft Convention on Jurisdictional Immunities of States enthält nur eine Immunitätsausnahme für Schäden, die aus geschäftlichen oder handelsbezogenen Aktivitäten des beklagten Staates resultieren, und hält damit ausdrücklich an der restriktiven Immunitätstheorie fest.86
81 Siehe den Kommentar des Assistant Legal Adviser im US State Department: Stewart, 99 AJIL 194, 201 f. (2005). 82 Siehe: Stewart, 99 AJIL 194, 210 (2005). 83 The ILA Montreal Draft Convention on State Immunity, 14.–20.08.1994, zitiert nach: Badr, Appendix VIII, S. 231, auch abgedruckt bei: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 194, Ziff. 2.078 ff. 84 „A Foreign State shall not be immune from the jurisdiction of the forum State to adjudicate in the following instances inter alia F. Where the cause of action relates to: 1. Death or personal injury; or 2. Damage to or loss of property, and the act or omission which caused the death , injury or damage either occurred wholly or partly in the forum State or if that act or omission had a direct effect in the forum State.“ 85 Institut de Droit International, Contemporary Problems Concerning the Immunity of States In Relations, 14th Commission, 2.09.1991, zitiert nach: Dickinson/Lindsay/ Loonam, S. 206, Ziff. 2.114 ff. 86 Organization of American States: Inter-American Draft Convention on Jurisdictional Immunity of States, 21.01.1983, 22 ILM 292 (1983).
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
III. Literaturauffassungen Ein beachtlicher Kreis von Vertretern des völkerrechtlichen Schrifttums verneint, dass die Territorial-Nexus-Ausnahme geltendes Völkergewohnheitsrecht im Hinblick auf hoheitliches Staatshandeln darstelle.87 In Teilen der Literatur wird dagegen eine Immunitätsausnahme bei dem Handeln eines Staates auf fremdem Staatsgebiet auch bei Hoheitshandlungen vertreten.88 Teilweise wird die Immunitätsausnahme noch über die in einigen USamerikanischen Entscheidungen vertretene Auffassung ausgedehnt. Schreuer hält das Erfordernis eines territorialen Bezugs für zu einschränkend. Immunität solle schon dann nicht bestehen, wenn eine Handlung zwar im Ausland begangen wurde, aber direkte Auswirkungen im Forumstaat hat.89 Damit will Schreuer insbesondere den staatlich geförderten grenzüberschreitenden Terrorismus, etwa Briefbomben oder explosive Materialien an Bord eines Flugzeugs, den Schuss über die Grenze und grenzüberschreitende Luftverschmutzung erfassen. Im Wege einer freieren Auslegung könnten auch Handlungen erfasst werden, die sich gegen Staatsangehörige des Forumstaats richteten, während sie zeitweise im verletzenden Staat anwesend waren.90 Auf der Grundlage dieses weiteren Konzepts einer Auswirkungsjurisdiktion über im Ausland begangene Handlungen könne die Verletzung der Menschenrechte zum entscheidenden Kriterium werden. Hier geht Schreuer aber über eine Analyse des gegenwärtigen Stands des Immunitätsrechts hinaus, um – aus seiner Sicht wünschenswerte – Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Bianchi greift seine Gedanken auf und geht noch einen Schritt weiter. Direkte Effekte im Gerichtsstaat könnten auch schon aus dem rechtlichen Interesse, das jeder Staat am Schutz von erga omnes-Verpflichtungen habe, abgeleitet werden.91 Diese These ist zumindest mit dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts in keiner Weise zu vereinbaren. Das Auswirkungsprinzip („effects-doctrine“) vermag – nach umstrittener Auffassung – die Gerichtsbarkeit des Forumstaates zu begründen.92 Hiermit sind aber noch nicht die Grundsätze der Staatenimmunität überwunden. Einem Auswirkungsprinzip, das auch die Staatenimmunität ausschließt, fehlt es an einer völkervertraglichen bzw. völkergewohnheitsrechtli-
87 Hess, S. 293; Geimer, S. 232, Rn. 626c; Herdegen, § 37, Rn. 6; Tomuschat, S. 315; Dörr, AVR 41 (2003), 201, 209. 88 Schreuer, S. 44; Randall, S. 94. 89 Schreuer, S. 61. 90 Schreuer, S. 61 f. 91 Bianchi, Austrian J. Publ. Int’l L. 46 (1994), 195, 217. 92 Siehe: Erster Teil, A. II.
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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chen Rechtsgrundlage. Inwieweit das erga omnes-Konzept Immunitätsausnahmen zu begründen vermag, soll im Sechsten Teil untersucht werden.
IV. Bewertung und Analyse der völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung Bemüht man sich, die Anforderungen an eine gebietsbezogene Immunitätsausnahme zusammenzufassen, so muss die Handlung im Forumstaat begangen worden, der Täter zu diesem Zeitpunkt anwesend gewesen und auch der Schaden auf dem Territorium eingetreten sein. Bedenken bestehen, ob angesichts der ausgeführten Staatenpraxis diese Immunitätsausnahme nur im Hinblick auf Handlungen iure gestionis oder auch Handlungen iure imperii völkergewohnheitsrechtliche Geltung besitzt. 1. Anerkennung bei Handlungen bewaffneter Streitkräfte Wegen der Ausnahmen in Art. 31 EÜStI, Art. 16 Abs. 2 UK SIA und den Anmerkungen der ILC kann keine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Immunitätsausnahme für das Handeln von Streitkräften angenommen werden. Der Versuch der Mehrheitsmeinung des Areopag, eine bewaffnete Auseinandersetzung in einzelne Phasen aufzuteilen, sodass einzelne davon als außerhalb des bewaffneten Konflikts stehend angesehen werden könnten, überzeugt nicht. Nach Art. 3 S. 2 des IV. Haager Abkommens93 ist die Kriegspartei „für alle Handlungen verantwortlich, die von den zu ihrer Macht gehörenden Personen begangen werden“. Bei der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit wird der Begriff der Kriegshandlung deshalb auch sehr weit gefasst, was sich die Kläger auch zu eigen machen, wenn sie aus Art. 3 des IV. Haager Abkommens einen Schadensersatzanspruch ableiten wollen. Vor diesem Hintergrund erscheint es widersprüchlich, wenn bei der Beurteilung der Staatenimmunität ein Massaker vom übrigen Kriegsgeschehen getrennt werden soll. Für die Nichtanwendbarkeit der gebietsbezogenen Deliktsausnahme auf Kriegshandlungen gibt es gute Gründe. In bewaffneten Konflikten ist die Wahrscheinlichkeit schwerer Völkerrechtsverstöße, die zum Gegenstand von Klagen werden können, viel größer als im Friedensfall. Deshalb sind im Hinblick auf solche Situationen die Staaten noch weniger bereit, Immunitätsausnahmen zuzulassen. Für Handlungen von Streitkräften besteht weiterhin Staatenimmunität.
93 Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges (IV. Haager Abkommen von 1907), in: de Martens, Bd. 3, S. 461.
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
2. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Immunitätsausnahme im Übrigen Es wurde aufgezeigt, dass eine ganze Reihe von nationalen Immunitätsgesetzen eine Immunitätsausnahme bei unerlaubten Handlungen auf fremdem Staatsgebiet kennen, es aber unklar ist, ob auch Menschenrechtsverletzungen unter die Regelungen subsumiert werden können. Dies wurde nur in wenigen Gerichtsfällen vertreten. Zudem haben die Fälle gezeigt, dass gerade diese Immunitätsausnahme enorme Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zwischen Staaten haben kann.94 Die Argumentation des Areopag ist bereits aus zeitlichen Gründen zweifelhaft. Im Zeitpunkt der schädigenden Handlung, im Jahre 1944, gab es weder das EÜStI noch den ILC-Entwurf. 95 Vielmehr wurde die Staatenimmunität noch als absolut akzeptiert. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem EÜStI nicht eindeutig eine Immunitätsausnahme für Handlungen iure imperii. Außerdem sollen nach Art. 35 Abs. 3 EÜStI die Regelungen nicht auf Verfahren anwendbar sein, die auf Handlungen, Unterlassungen oder Tatsachen vor dem Zeitpunkt beruhen, zu dem die Konvention zur Unterschrift stand.96 Die Vertragsstaaten sind bei Verabschiedung des EÜStI anscheinend nicht davon ausgegangen, dass das EÜStI geltendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert.97 Die bisherige Staatenpraxis reicht nicht aus, um von einer völkergewohnheitsrechtlichen Anerkennung sprechen zu können. 3. Differenzierung zwischen dem Entstehen und dem partiellen Untergang einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm Eine in der Literatur vertretene Auffassung erkennt, dass sich eine völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Immunitätsausnahme bei Hoheitshandlungen auf fremdem Staatsgebiet noch nicht entwickelt hat. Es komme aber auch nicht darauf an, dass eine Immunitätsausnahme bereits geltendes Völkergewohnheitsrecht sei. Vielmehr sei zu untersuchen, ob ein Satz des Völkergewohnheitsrechts, der es Staaten untersagt, fremde Staaten auch dann nicht ihrer zivilgerichtlichen Jurisdiktionsgewalt zu unterwerfen, wenn sie Forumstaatsdelikte begangen haben, seine Geltung verloren habe.98 Das Recht, Jurisdiktionsgewalt auszuüben, bestehe bereits dann, wenn das Völkerrecht dies nicht mehr ver94
Siehe hierzu: Collums, 21 VJIL 251, 265 ff. (1981). Dolzer, NJW 2001, 3525. 96 Art. 4 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property schließt ebenso die Anwendbarkeit auf Sachverhalte vor Inkrafttreten der Konvention aus. 97 So auch: Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 22. 98 Cremer, AVR 2003, 149, 150; ähnlich: Schreuer, ÖJZ 1991, 41, 45. 95
B. Völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung der Deliktsausnahme
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biete. Für den (partiellen) Untergang einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel sollen andere – und zwar weniger strenge – Voraussetzungen gelten als für das Entstehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel. Für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht müsse eine opinio iuris nicht nur im Zeitpunkt des Entstehens vorhanden, sondern auch nachfolgend im substantiellen Umfang weiter gegeben sein, um die Fortgeltung des Rechtssatzes zu legitimieren. Diese Annahme wird u. a. auf Formulierungen des BVerfG im HeizungsreparaturFall 99 gestützt. Das BVerfG setze für die Geltung von Regeln als Völkergewohnheitsrecht voraus, dass sie „von der weitaus größeren Zahl der Staaten (. . .) anerkannt werden“. Die Verwendung von „werden“ impliziere, dass die opinio iuris nicht nur „Gründungs-“ sondern auch „Fortbestehungsvoraussetzung“ sei. Es werden weitere Formulierungen zitiert wie die, „wonach sich ein von der weitaus größeren Zahl der Staaten im Bewusstsein rechtlicher Verpflichtung für längere Zeit geübter Brauch nicht mehr nachweisen läßt“.100 „Die Gerichte einer nicht geringen Zahl von Staaten gewähren ausländischen Staaten Immunität nur für Akte iure imperii, nicht aber für Akte iure gestionis“.101 Auch Ress will den Ausführungen des BVerfG entnehmen können, dass für die Derogation einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm keine konsistente, sondern vielmehr nur eine „signifikante Praxis“ vonnöten sei.102 Bedenklich ist zum einen bereits, ob die BVerfG-Entscheidung allein als Beleg für die These zitiert werden kann, dass für die Derogation einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm weniger strenge Anforderungen gelten als für ihre Entstehung und zum anderen, ob sich im allgemeinen Völkerrecht Argumente für diese These finden lassen. Dem Ausdruck „von der weitaus größeren Zahl der Staaten (. . .) anerkannt werden“ kann keine Stellungnahme des BVerfG zum Untergang völkergewohnheitsrechtlicher Regeln entnommen werden, da es sich nur um die Definition der „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ im Sinne von Art. 25 GG handelt.103 In einer anderen Entscheidung verlangte das BVerfG, dass die Völker99 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27 (HeizungsreparaturFall). 100 BVerfGE 16, 27, 34. 101 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27, 36 (Heizungsreparatur-Fall). Siehe auch: BVerfG, Beschl. v. 13.12.1977, E 46, 342, 368 (Botschaftskonto-Fall): „Eine Prüfung der einschlägigen Staatenpraxis ergibt, dass eine nicht unbedeutende Zahl von Staaten Sicherungs- und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen fremde Staaten zulassen, wenngleich unter bestimmten Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsnatur des dem Vollstreckungstitel zugrundeliegenden materiellen Rechts, der Gegenstände, in die vollstreckt werden darf, sowie der Art und Weise der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen.“ 102 Siehe hierzu: Ress, ZaöRV 1980, 217, 227. 103 Siehe statt vieler: Streinz, in: Sachs, Art. 25, Rn. 24.
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
rechtssätze „von der überwiegenden Mehrheit der Staaten [. . .] anerkannt werden“.104 Tatsächlich griff das BVerfG bei der Untersuchung, ob Gerichte für Handlungen iure gestionis noch Immunität gewähren, auf eine sehr umfangreiche Staatenpraxis zurück und führte aus: „Die Gerichte einer beträchtlichen Zahl von Staaten, vor allem die Gerichte Italiens, Belgiens, der Schweiz, Österreichs, Frankreichs, Griechenlands, Ägyptens und Jordaniens, gewähren eindeutig ausländischen Staaten Immunität nur für Hoheitsakte. Hinsichtlich der Rechtsprechung in anderen Staaten ist es zweifelhaft, ob die Gerichte nach wie vor der Lehre der unbeschränkten Staatenimmunität folgen.“105
Auf eine derart umfangreiche Staatenpraxis kann eine Immunitätsausnahme bei Menschenrechtsverletzungen auf fremdem Staatsgebiet nicht gestützt werden. Soweit sich die Völkerrechtslehre mit dem Untergang völkergewohnheitsrechtlicher Normen beschäftigt, lässt sich schwer eine allgemeine Auffassung feststellen, dass bei dem Untergang oder der Abänderung ein anderer Maßstab als bei der Entstehung gilt. Als Voraussetzung dafür, dass bestehende Normen des Völkergewohnheitsrechts aufgehoben (sog. „desuetudo“) oder abgeändert werden, wird eine der bestehenden Norm widersprechende Übung, die wiederum Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung erlangt und von einer korrespondierenden Rechtsüberzeugung begleitet wird, gefordert.106 Für das Verschwinden einer Norm und Entstehen einer neuen Regel reicht es nicht aus, dass einige wenige Staaten die Regel nicht mehr anerkennen.107 Ein Teil der Literatur setzt eine weit verbreitete Akzeptanz in der Völkergemeinschaft voraus.108 Teilweise wird verlangt, dass sich Staaten in größerer Zahl auf Dauer von der bisherigen Regel lösen, sei es, dass sich neue Gewohnheiten bilden, die alte Gewohnheit erlischt oder das Bewusstsein rechtlicher Verbindlichkeit nicht mehr besteht.109 Im vorliegenden Fall sehen die Gesetze einer nicht unwesentlichen Zahl von Staaten eine Immunitätsausnahme bei unerlaubten Handlungen eines Staates auf fremdem Staatsgebiet vor. Es kommt aber in der Staatenpraxis nicht deutlich die Rechtsauffassung zum Ausdruck, dass diese Immunitätsausnahme auch hoheitliches Handeln erfasst. Einige wenige Gerichtsentscheidungen vermögen hierfür nicht auszureichen.
104 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 30.10.1962, E 15, 25, 34 (Gesandtschaftsgrundstück-Fall). 105 BVerfGE 16, 27, 51. 106 von Heinegg, in: Ipsen, § 16, Rn. 48. 107 Bernhardt, in: Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 898, 901; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 59. 108 Bernhardt, in: Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 898, 901 f. 109 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 59.
C. Staatliche Funktionsträger
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V. Ergebnis Da die Territorial-Nexus-Ausnahme noch keine völkergewohnheitsrechtliche Geltung besitzt, vermag sie bei Menschenrechtsverletzungen eines Staates auf dem Gebiet des Forumstaates keine Ausnahme vom Grundsatz der Staatenimmunität zu begründen.
C. Staatliche Funktionsträger Im Folgenden soll analysiert werden, ob staatliche Funktionsträger bei Menschenrechtsverletzungen auf fremdem Staatsgebiet Immunität genießen. Einige nationale Immunitätsregelungen treffen auch Regelungen zu Staatsorganen. Nach Art. 14 Abs. 1 UK SIA soll die Bezugnahme auf einen Staat auch das Staatsoberhaupt (Art. 14 (1) (a) SIA) und die Regierung (Art. 14 (1) (b) SIA) einschließen, wenn sie in amtlicher Eigenschaft handeln. Für Staatsoberhäupter verweist Art. 20 UK SIA aber auf den Diplomatic Privileges Act, womit einem Staatsoberhaupt der nach der Diplomatenrechtskonvention für Diplomaten geltende Immunitätsschutz zukommt.110 Hiernach genießt ein Staatsoberhaupt bei Handlungen auf fremdem Territorium Immunität, da Menschenrechtsverletzungen nicht unter einen der Ausnahmetatbestände des Art. 39 Abs. 1 S. 2 2. HS. WÜD (dingliche Klagen, Klagen in Nachlasssachen, Klagen im Zusammenhang mit einem freien Beruf oder einer gewerblichen Tätigkeit) fallen. Der Ontario Court of Appeal verneinte in einem Klageverfahren gegen Regierungsbeamte des Staates Florida die Einschlägigkeit der Immunitätsausnahme für unerlaubte Handlungen in § 6 des kanadischen SIA, da die mutmaßliche Entführung durch die Beamten des Staates Florida zwar in Toronto, aber vor Inkrafttreten des Gesetzes, stattfand.111 Die böswillige Strafverfolgung erfolgte in Florida, also nicht in Kanada. Im Umkehrschluss scheint das Gericht bei Menschenrechtsverletzungen nach Inkrafttreten des Immunitätsgesetzes die Anwendbarkeit der Immunitätsausnahme bei unerlaubten Handlungen auf fremdem Staatsgebiet zu bejahen. Lord Millett äußerte im dritten Pinochet-Urteil die Auffassung, dass staatlichen Organen für Handlungen im Forumstaat keine Immunität ratione materiae (funktionale Immunität) zustehe.112 Vereinzelt wird dies auch in der Literatur behauptet.113 110
Siehe hierzu: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 432, Ziff. 4.134 f. Ontario Court of Appeal, Jaffe v. Miller and others, Entsch. v. 17.06.1993, 95 ILR 446, 464 f. (1994). Siehe: Dritter Teil, B. I. 2. 112 Lord Millett, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581, 651: „The plea of immunity ratione materiae is not available 111
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4. Teil: Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen
Der überwiegende Teil des Schrifttums will Staatsoberhäuptern und anderen Staatsorganen im Hinblick auf alle Handlungen, die sie auf fremdem Staatsgebiet vornehmen, Immunität gewähren.114 Es soll nicht darauf ankommen, dass die Amtstätigkeit mit Einwilligung oder Duldung der zuständigen Behörden des Gerichtsstaates vorgenommen wurde.115 Auch völkerrechtswidrige Handlungen von Staatsorganen auf fremdem Staatsgebiet seien immunitätsgeschützt.116 Da die Immunität staatlicher Funktionsträger eine aus der Staatenimmunität abgeleitete Immunität ist, sprechen die besseren Argumente dafür, dass nicht nur dem Staat, sondern auch dem Funktionsträger für hoheitliches Handeln auf fremdem Staatsgebiet Immunität zukommt. Eine eindeutig gegenteilige Staatenpraxis besteht nur bei bei der Bestrafung von Spionagehandlungen in Friedenszeiten. Hier ist in Strafverfahren völkergewohnheitsrechtlich eine Immunitätsausnahme anerkannt.117
D. Gesamtergebnis zum Vierten Teil Menschenrechtsverletzungen auf fremdem Staatsgebiet stellen Hoheitshandlungen dar. Eine Immunitätsausnahme bei Klagen gegen einen Staat oder seine Funktionsträger unter dem Gesichtspunkt, dass der beklagte Staat bzw. seine Funktionsträger auf fremdem Staatsgebiet Menschenrechte verletzt, besteht nicht.
in respect of an offence committed in the forum state, whether this be England or Spain.“ 113 Bosch, S. 115. 114 Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 35. Siehe auch Art. 1 der Resolution des Institut De Droit International, der über Art. 15 auch für Regierungschefs gilt. Institut de Droit International, Session of Vancouver, 26.08.2001, Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of State and of Government in International Law, 13th Commission, Rapporteur Joe Verhoeven, Annuaire vol. 69, Tome I (2000), 742, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 212, Ziff. 2.122. 115 Geiger, § 59, S. 333. 116 Geimer S. 194, Rn. 503. 117 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 10.06.1997, E 96, 68, 86; Damian, S. 8. So bereits: Wolff, zitiert nach: Garber, § 1208.
Fünfter Teil
Implizite Immunitätsausnahmen aus Verträgen zum Schutz der Menschenrechte Es wurde bereits in der Einleitung darauf hingewiesen, dass in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts der Menschenrechtsschutz durch Verträge auf universeller und regionaler Ebene erheblich erweitert wurde. In dem Abschluss von Verträgen zum Schutz der Menschenrechte könnte auch ein Verzicht der Vertragsstaaten auf ihre Immunität liegen, wenn sie wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen verklagt werden.
A. Probleme und Differenzierungen I. Probleme bei der Inkorporierung völkerrechtlicher Verträge in nationales Recht Bei der Untersuchung, ob aus einem völkerrechtlichen Vertrag eine Immunitätsausnahme abgeleitet werden kann, stellen sich schwierige Fragen betreffend das Verhältnis zwischen nationalem Recht und Völkerrecht, die in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich gelöst werden und hier nicht behandelt werden können. Grundsätzlich müssen die völkerrechtlichen Verträge innerstaatliche Geltung besitzen und auch unmittelbar anwendbar sein. Dadurch, dass ein Staat Normen des Völkerrechts in den innerstaatlichen Rechtsbereich einführt, begründet er dort deren Geltung, sei es, dass sich die völkerrechtliche Geltung von Verträgen oder Völkergewohnheitsrecht in diesen Bereich erstreckt (Vollzugstheorie/Adoptionsprinzip) oder die Völkerrechtsnorm in Landesrecht umgegossen wird (Transformationstheorie).1 Des Weiteren muss eine Norm unmittelbar anwendbar oder „self-executing“ sein, damit ein Vertrag eine Immunitätsausnahme begründen kann.2 Als „self-executing“ wird eine Vertragsnorm dann angesehen, wenn sie unmittelbar, d. h. „ohne konkretisierendes Dazwischentreten“ nationaler Rechtsvorschriften oder eines weiteren völkerrechtlichen Vertrags, zur Entscheidung über konkrete Rechtsverhältnisse herangezogen werden 1
Siehe zu den Theorien: Streinz, in: Sachs, Art. 25, Rn. 15 ff. Pisillo-Mazzeschi, in: Randelzhofer/Tomuschat, S. 149, 157 f.; Bianchi, 46 Austrian J. Publ. Intl. Law 195, 215 (1994). 2
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
kann.3 In den Vereinigten Staaten werden völkerrechtliche Verträge „law of the land“, wenn seine Begriffe Rechte und Pflichten von privaten Bürgern bestimmen, wohingegen bei politischen Fragen der Vertrag als nicht „self-executing“ behandelt wird.4
II. Differenzierung zwischen materiellen und prozessualen Vertragspflichten Völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Menschenrechte enthalten einerseits einen Katalog von Tatbeständen, die einzelne Menschenrechte gewähren bzw. Verbote gegenüber Staaten aufstellen (siehe z. B. Teil III IPbürgR; Art. 1 UN-Folterkonvention). Des Weiteren enthalten die Verträge Bestimmungen, die sich auf die Umsetzung der vertraglichen Verpflichtungen beziehen (siehe z. B. Art. 2 IPbürgR, Art. 5, 7, 14 UN-Folterkonvention) bzw. Verfahrensrechte (Art. 14 IPbürgR) gewähren. Zusätzlich werden Organe geschaffen bzw. damit beauftragt, über die Einhaltung der Vorschriften zu wachen (siehe Art. 28 ff. IPbürgR, Art. 17 f. UN-Folterkonvention). Bei der Analyse, ob aus einem Vertrag zum Schutz von Menschenrechten eine Immunitätsausnahme abzuleiten ist, wird zunächst auf die materiellen Vertragsbestimmungen eingegangen. Im nächsten Schritt sind die Vorschriften zu untersuchen, die den Staaten Verpflichtungen zur Durchsetzung der materiellen Vertragsbestimmungen auferlegen.
B. Materielle Vertragspflichten als Grundlage Zuallererst wird untersucht, ob Staaten wegen der Übernahme materieller Vertragspflichten im Fall einer Verletzung dieser Verpflichtungen keine Immunität genießen. Dieser Ansatz wird sowohl im Hinblick auf Verträge vertreten, die sich nicht ausschließlich auf den Schutz von Menschenrechten konzentrieren, als auch in Verträgen zum Schutz bestimmter Menschenrechte.
I. Völkerrechtliche Verträge ohne spezifischen Menschenrechtsbezug Ein Beispiel, in dem untersucht wurde, ob aus einem Vertrag, der nicht ausschließlich dem Menschenrechtsschutz dient, eine Immunitätsausnahme bei Menschenrechtsverletzungen abgeleitet werden kann, ist der Fall Frolova v. 3 4
Verdross/Simma, S. 550, § 864; Bröhmer, S. 149. Shaw, S. 148.
B. Materielle Vertragspflichten als Grundlage
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USSR.5 Lois Frolova, eine gebürtige Amerikanerin, klagte gegen die UdSSR auf Schadensersatz, weil die Behörden ihrem Ehemann, einem sowjetischen Staatsbürger, aufgrund der schlechten auswärtigen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten das Ausreisevisum verweigert hatten. Sie behauptete, dadurch Schäden psychischer und physischer Art erlitten zu haben. Die Sowjetunion könne sich nicht auf Immunität berufen, weil sie die Bestimmungen der UN-Charta und der Helsinki-Übereinkünfte (Helsinki Accords) verletzt habe. 1. Auffassungen in der nationalen Rechtsprechung Versuche einer extensiven Auslegung völkerrechtlicher Verträge zur Begründung einer Immunitätsausnahme sind in Verfahren vor US-amerikanischen Gerichten zu finden. § 1604 FSIA bestimmt, dass die Immunitätsregeln der §§ 1605–1607 FSIA vorbehaltlich geltender Verträge der Vereinigten Staaten anwendbar sind: „Subject to existing international agreements to which the United States is a party at the time of enactment of this Act a foreign state shall be immune from the jurisdiction of the courts of the United States and of the States except as provides in sections 1605 to 1607 of this chapter.“
Der Kongress merkte zu dieser Regelung an, dass im Fall eines ausdrücklichen Konflikts eines Abkommens mit den Regelungen im FSIA das Abkommen Vorrang habe.6 Im Fall Frolova v. USSR verneinten der District Court des N.D. of Illinois und der Court of Appeals des siebten Bezirks, dass die Immunitätsausnahme nach § 1604 FSIA einschlägig sei. Verträge der USA bildeten nur dann eine Grundlage für ein privates Klageverfahren, wenn sie self-executing seien. Dies sei Sache gerichtlicher Interpretation. Dabei müssten die Gerichte, außer wenn die Absicht der Vertragsparteien klar zum Ausdruck komme, zur Bestimmung der Intention der Vertragsparteien Sprache und Ziel des gesamten Abkommens, die Umstände seiner Durchsetzung, die Natur der Verpflichtungen, die durch das Abkommen auferlegt werden, Verfügbarkeit und Durchführbarkeit alternativer Durchsetzungsmechanismen, die Auswirkungen eines privaten Klagerechts und die Fähigkeit der Gerichte, den Streit zu lösen, berücksichtigen. Weder Art. 55 und 56 UN-Charta noch die Helsinki Accords7 schafften Rechte, die
5 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, Lois Frolova v. Union of Soviet Republics, Entsch. v. 26.01.1983, 558 F.Supp. 358; US Court of Appeals, 7th Circuit, Lois Frolova v. Union of Soviet Republics, Entsch. v. 01.05.1985, 761 F.2d 370. 6 House Report (Judiciary Committee) No. 94-1487, 09.09.1976, H.R. Rep. 94-1487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6616, auch abgedruckt in: 15 ILM 88, 106 (1976). 7 Final Act of the Conference on Security and Cooperation in Europe, 01.08.1975, 14 ILM 1292 (1975).
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von Privaten durchgesetzt werden könnten. Durch die Unterschrift unter die UN-Charta und die Helsinki Accords hätten die UdSSR nicht im Sinne von § 1605 (a) (1) FSIA implizit auf ihre Immunität verzichtet.8 Anders entschied der District Court des District of Columbia im Fall von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics.9 Als die Sowjetunion Ungarn besetzte, wurde der schwedische Diplomat Wallenberg gefangen genommen und war danach niemals wieder aufgetaucht. Der Halbbruder Wallenbergs, von Dardel, klagte gegen die Sowjetunion auf Schadensersatz wegen der Freiheitsberaubung, Gefangennahme und des Todes seines Bruders. Die UdSSR könne keine Immunität für sich in Anspruch nehmen, weil sie das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen10 sowie das Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen (Diplomatenschutzkonvention)11 verletzten. Diese Abkommen verlieren zur Staatenimmunität vor nationalen Gerichten zwar kein einziges Wort. Nach Auffassung des Gerichts könnten sie die ihnen zugedachte Wirkung aber nur entfalten, wenn ihre Verletzung eine effektive, nicht durch Immunitätsgewährung verhinderte Haftung nach sich ziehe: „The Vienna Convention and the 1973 Convention are both designed to protect diplomats from offenses against them. In order for the conventions to operate effectively, the perpetrators of such offenses must be subject to liability for their acts. To the extent that the FSIA would shield the Soviet Union from such liability, it is in conflict with the terms of the conventions and thwarts their effective protection. Under § 1604, the immunity granted by the FSIA must be limited so as to avoid such result; in the present case, the Soviet Union must be denied immunity.“12
Eine Klarstellung der Reichweite der Immunitätsausnahme aus völkerrechtlichem Vertrag brachte die Entscheidung des Supreme Court im Fall Amerada Hess. Die Vertragsausnahme sei nur anwendbar, wenn die völkerrechtlichen Verträge ausdrücklich mit den Immunitätsregelungen des FSIA in Konflikt gerieten.13 Dies sei nicht der Fall, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag nur Verhaltensregeln aufstelle und bestimme, dass für bestimmte Unrechtshandlungen Entschädigung gezahlt werden müsse. Es werde dadurch noch kein privates KlageUS Court of Appeals, 7th Circuit, Lois Frolova v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 01.05.1985, 761 F.2d 370, 374 f. 9 US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 15.10.1985, 623 F.Supp. 246. 10 Vienna Convention on Diplomatic Relations, 18.04.1961, 500 UNTS 95. 11 Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including Diplomatic Agents, 14.12.1973, 1035 UNTS 167. 12 US District Court, District of Columbia, 623 F.Supp. 246, 255. 13 US Supreme Court, Argentine Republic v. Amerada Hess Shipping Corporation et al., Entsch. v. 23.01.1989, 488 U.S. 428, 442: „This exception applies when international agreements ,expressly conflic[t]‘ with the immunity provisions of the FSIA [. . .].“ 8
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recht geschaffen, um Schadensersatz von ausländischen Staaten vor US-Gerichten zu ersuchen. „These conventions, however, only set forth substantive rules of conduct and state that compensation shall be paid for certain wrongs. They do not create private rights of action for foreign corporations to recover compensation from foreign states in United States courts. [. . .] Nor do we see how a foreign state can waive its immunity under § 1605 (a) (1) by signing an international agreement that contains no mention of a waiver of immunity to suit in United States courts or even the availability of a cause of action in the United States.“14
Der District Court of Columbia beschäftigte sich fünf Jahre nach seiner Entscheidung im Fall von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics noch einmal mit dem Fall und bejahte dieses Mal die Immunität der UdSSR.15 Die Kläger beriefen sich nur noch auf das Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen16 (Diplomatenschutzkonvention). Das Gericht argumentierte mit der Amerada-Entscheidung des Supreme Court. Die Diplomatenschutzkonvention verpflichte Staaten, Verbrechen gegen Diplomaten zu bestrafen. Sie enthalte jedoch keine Bestimmungen, die mit der Staatenimmunität kollidieren, sodass die Ausnahme in § 1604 FSIA ausscheide.17 Zudem sei ein impliziter Immunitätsverzicht aus einem Verhalten abzuleiten, keinen Zweifel an der fehlenden Absicht, Immunität bewahren zu wollen, lässt. Es müsse ein zielbewusstes, in gegenseitigem Einvernehmen geschehendes Handeln sein.18 Wenn die Unterzeichnung der Konvention einen konkludenten Immunitätsverzicht darstellte, hätte es für die UdSSR bei der Unterzeichnung des Abkommens voraussehbar sein müssen, dass sie sich Zivilklagen in den USA aussetzen würde. In Denegri v. Chile befand der District Court des District of Columbia, dass ein Immunitätsverzicht nicht impliziert sei, wenn nicht eine beabsichtigte und wissentliche Aufgabe des Immunitätsrechts vorliege.19 Ähnlich argumentierte der Court of Appeals des District of Columbia im Fall Princz v. Federal Repub14 US Supreme Court, 488 U.S. 428, 442 f. Hiermit argumentiert auch: Lord Goff of Chievely, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581, 602 (1999). 15 US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 09.03.1990, 736 F.Supp. 1. 16 Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including Diplomatic Agents, 14.12. 1973, 1035 UNTS 167. 17 US District Court, District of Columbia, 736 F.Supp. 1, 5. 18 US District Court, District of Columbia, 736 F.Supp. 1, 7: „An implied waiver arises from conduct belying any honest intention to preserve an entitlement to immunity; that is, it must be at least to some extent a purposeful, consensual act.“ 19 US District Court, District of California, Denegri et al. v. The Republic of Chile and the Armed Forces of Chile, Entsch. v. 06.04.1992, 1992 U.S. Dis. Lexis 4233.
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lic of Germany,20 als er untersuchte, ob Art. 3 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges (IV. Haager Abkommen von 1907)21 in Verbindung mit Art. 52 der Anlage zum Haager Abkommen, der Haager Landkriegsordnung, eine vertragliche Immunitätsausnahme enthält. Art. 3 des IV. Haager Abkommens sieht eine Schadensersatzpflicht bei Vertragsverletzungen vor. Für einen konstruktiven Immunitätsverzicht verlangt der Court of Appeals aber, dass die ausländische Regierung auch ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht haben müsse, sich fremden Klagen auszusetzen.22 Diese enge Auslegung des Immunitätsverzichts erfolgt auch in der neueren US-Rechtsprechung. Im Fall Joo v. Japan23 vertraten die Kläger die Rechtsansicht, dass sich aus der Zustimmung Japans zu der Potsdamer Erklärung vom 26.07.194524 ein expliziter Immunitätsverzicht Japans herleiten lasse.25 Das Gericht leitete aus dem case law ab, dass ein solcher Immunitätsverzicht klar, beabsichtigt und unmissverständlich („clear, intentional, and unambigous“) sein müsse. Aus der Potsdamer Erklärung soll zwar eine stillschweigende Einwilligung Japans in Strafverfahren gegen Kriegsverbrecher, aber keine Unterwerfung unter Klagen im Zivilverfahren hervorgehen.26 Auch die Entstehungsgeschichte des FSIA spricht für eine enge Auslegung des vertraglichen Immunitätsverzichts. In der Begründung des US-Kongresses werden als Beispiele eines Immunitätsverzichts genannt, dass ein ausländischer Staat einem Schiedsverfahren in einem anderen Staat oder der Maßgeblichkeit des Rechts eines bestimmten Staates bei der Auslegung des Vertrages zugestimmt hat.27 Vor diesem Hintergrund wird gefordert, dass der beklagte Staat
20 US Court of Appeals, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 01.07.1994, 26 F.3d 1166, 1175. 21 Convention concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre, 18.10.1907, in: de Martens, Sér. 3, Tome III, S. 461 (1910). 22 US Court of Appeals, District of Columbia, 26 F.3d 1166, 1174: „In sum, an implied waiver depends upon the foreign government’s having at some time indicated its amenability to suit.“ 23 US District Court, District of Columbia, Joo et al. v. Japan, Entsch. v. 04.10. 2001, 172 F.Supp. 2d 52. 24 Potsdam Declaration, 26.07.1945, 13 Department of State Bulletin 153 (1945), auch abgedruckt in: 3 Bevans 1207. 25 Die Kläger bezogen sich auf folgenden Abschnitt der Potsdamer-Erklärung: „We do not intend, that the Japanese shall be enslaved as a race or destroyed as a nation, but stern justice shall be meted out to all war criminals, including those who have visited cruelties upon our prisoners. The Japanese Government shall remove all obstacles to the revival and strengthening of democratic tendencies among the Japanese people.“ 26 US District Court, District of Columbia, 172 F.Supp. 2d 52, 59 f. 27 House Report (Judiciary Committee) No. 94-1487, 09.09.1976, H.R. Rep. 941487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6617: „With respect to implicit waivers, the courts have found such waivers in cases where a foreign state has agreed to arbitration in
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ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten zu erkennen gegeben haben müsse, dass er sich nicht nur an die streitige Verpflichtung „materiellrechtlich“ gebunden fühlt, sondern gerade auch ihrer Durchsetzbarkeit vor nationalen Gerichten anderer Staaten allgemein oder im konkreten Einzelfall zustimmt.28 2. Auffassungen im Schrifttum Nach einem in der US-amerikanischen Literatur vertretenen Standpunkt artikulieren die UN-Charta und die AEMR Verpflichtungen, die mit dem FSIA kolldieren können.29 Sie sollen als Grundlage dienen, um die Jurisdiktion über ausländische Staaten, die Menschenrechte verletzen, zu begründen. Da die USA bereits Vertragspartei der UN-Charta waren, als der FSIA verabschiedet wurde, müsse der FSIA in Abhängigkeit von diesen Verpflichtungen interpretiert werden. In beiden Fällen handle es sich um bindende völkervertragliche Verpflichtungen. Auch wenn Art. 56 UN-Charta keinen ausdrücklichen Immunitätsverzicht bei Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen vorsehe, verwehre die Regelung Mitgliedsstaaten, sich auf ihre Immunität zu berufen. Art. 55 und 56 UN-Charta würden durch Art. 8 AEMR ergänzt. Immunitätsausnahmen werden bei Klagen gegen den Irak wegen der bei der Besetzung Kuwaits im Jahre 1990 und der bei der Vertreibung der Kurden im Norden Iraks begangenen Menschenrechtsverletzungen diskutiert. Es sei Iraks Beitritt zu einer Vielzahl internationaler Verträge, Vereinbarungen und Konventionen in Betracht zu ziehen, in denen der Irak sich bereit erklärt habe, sich an menschenrechtliche Verpflichtungen zu halten.30 Wenngleich keine der vom Irak übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen eine ausdrückliche Immunitätsausnahme bei Klagen gegen den irakischen Staat vorsehe, so solle aus der Gesamtbetrachtung der übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen eine Immunitätsausnahme abgeleitet werden können. 3. Bewertung der Auffassungen in der Rechtsprechung und im Schrifttum Fraglich ist, ob durch eine weite völkervertragliche Auslegung eine Immunitätsausnahme begründet werden kann.
another country or where a foreign state has agreed that the law of a particular country should govern a contract.“ 28 Vgl. US District Court, District of Columbia, Mashayekhi v. Iran, Entsch. v. 10.06.1981, 515 F.Supp. 41, 43; Heidbrink, S. 80. 29 Blair/Parker, 17 USFL 71 ff. (1982–1983); Paust, Houston J. Int’l L. 49 (1985), S. 49, 66. 30 Pepper, 18 Brook. J. Int’l L. 313, 332 ff. (1992).
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Wenn ein Staat Rechtsprechungsgewalt ausübt, ohne dass Gerichtsbarkeit besteht, liegt ein völkerrechtswidriger Akt vor. Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Gerichtsstaates ist jedoch ausgeschlossen, wenn eine wirksame Zustimmung des der Gerichtsbarkeit unterworfenen Staates vorliegt.31 Eine solche Zustimmung muss auch tatsächlich gegeben sein, klar durch den Staat zum Ausdruck kommen und darf nicht unterstellt werden.32 Eine künstlich konstruierte Einwilligung in die Ausübung der Gerichtsbarkeit ist eine bloße Fiktion.33 Dies spricht für eine enge Auslegung völkervertraglicher Regelungen. Art. 56 UN-Charta legt den Mitgliedsstaaten die Verpflichtung auf, „gemeinsam und jeder für sich mit der Organisation zusammenzuarbeiten, um die in Art. 55 UN-Charta dargelegten Ziele zu erreichen.“34 Zu diesen Zielen gehören nach Art. 55 lit. c) UN-Charta auch „die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion.“35 Diesen Artikeln ist die Verpflichtung zu entnehmen, bei der Schaffung eines weltweiten Systems des Menschenrechtsschutzes mitzuwirken. Sie enthalten aber keine Aussage über die Mittel, die die Staaten zur Zielerreichung einsetzen müssen.36 Statuiert wird eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den UN, nicht aber zur unilateralen Durchsetzung.37 Der Supreme Court of California betonte im Falle Sei Fuji v. State of California, dass es den Vorschriften der Art. 56 i.V. m. Art. 55 lit. c) der UN-Charta an der Verbindlichkeit und Bestimmtheit ermangele, die zur Begründung gerichtlich durchsetzbarer Individualrechte erforderlich sei.38
31 Art. 20 der International Law Commission’s Articles on State Responsibility spricht von einem „(v)alid consent by a State to the commission of a given act by another State“. 32 Vgl. Crawford, Art. 20, Ziff. 6: „Consent must be freely given and clearly established. It must be actually expressed rather than merely presumed on the basis that the State would have consented if it had been asked.“ 33 Tomuschat, S. 314. 34 Art. 56 in der nach Art. 111 S. 1 UN-Charta authentischen englischen Sprachfassung lautet: „All Members pledge themselves to take joint and separate action in co-operation with the Organization for the achievement of the purposes set forth in Article 55.“ 35 „With a view to the creation of conditions of stability and well-being which are necessary for peaceful and friendly relations among nations based on respect for the principle of equal rights and self-determination of peoples, the United Nations shall promote: [. . .] c. universal respect for, and observance of, human rights and fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language, or religion.“ 36 Dies betont auch die Kommentierung von: Wolfrum, in: Simma, Art. 56, Rn. 2. 37 Wolfrum, in: Simma, Art. 56, Rn. 2. 38 Supreme Court of California, Sei Fuji v. State of California, Entsch. v. 17.04. 1952, 242 P.2d 617, 620 (1952).
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Der UN-Charta fehlt jede Stellungnahme zu Fragen der Immunität von Staaten vor nationalen Gerichten. Die AEMR wurde als Resolution der Generalversammlung verabschiedet und hat nur empfehlenden Charakter (vgl. Art. 10 UNCharta). Die in der AEMR niedergelegten Rechte besitzen damit keine unmittelbare Verbindlichkeit.39 Eine Verbindlichkeit kann der AEMR auch nicht dadurch beigemessen werden, dass die Verletzung der in der AEMR gewährten Rechte im Widerspruch zum Abstimmungsverhalten in der UN-Generalversammlung als unzulässiges widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) bewertet wird. Mag auch das rein faktische Verhalten eines Staates diesem den Vorwurf des venire contra factum proprium aussetzen, so doch dann nicht, wenn dem faktischen Verhalten ausdrücklich Unverbindlichkeit im Rahmen des Vertragsrechts, hier der UN-Charta, zuerkannt ist.40 Gegen einen aus der UNCharta und der AEMR abgeleiteten Immunitätsverzicht spricht zudem, dass sie zu einer Zeit entstanden, als der Schutz des Individuums noch in der Entwicklung befindlich, die Staatenimmunität dagegen fest im Völkerrecht verankert war. Vor diesem Hintergrund hätten die Staaten dies expressis verbis zum Ausdruck gebracht, wenn sie die Immunität beschränken wollten. Die Argumentation in der ersten Entscheidung im Fall von Dardel liefe darauf hinaus, in jeden Vertrag, der den beteiligten Staaten Pflichten auferlegt, zur Herstellung und Sicherstellung seiner Effektivität eine ungeschriebene Immunitätsausschlussklausel hineinzulesen.41 Es bestehen Unterschiede zwischen der materiellrechtlichen Verpflichtung und ihrer prozessualen Durchsetzbarkeit. Gründe der Rechtssicherheit sprechen dafür, an der Trennung zwischen materiellem Recht und Prozessrecht festzuhalten. 4. Zwischenergebnis Materielle Vertragspflichten allein können keine Grundlage für einen impliziten Immunitätsverzicht bilden.
II. Verträge zum Schutz von Menschenrechten Als Verträge, aus denen sich eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen ergeben könnte, werden die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords aus dem Jahre 1948, das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame oder erniedrigende Behandlung oder 39 40 41
Shaw, S. 260. Doehring, § 4, Rn. 310. Vardiman, 55 U. Cin. L. Rev. 923, 942 (1987).
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Strafe aus dem Jahre 1984 und die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten aus dem Jahre 1950 diskutiert. 1. Immunitätsausnahme aus der Völkermordkonvention Als Anknüpfungspunkt für eine Immunitätsausnahme kommt Art. IV der Convention on the Punishment of the Crime of Genocide42 (im Folgenden: Völkermordkonvention) in Betracht, wonach Personen, die Völkermord oder eine der sonstigen in Art. III aufgeführten Handlungen (Verschwörung zur Begehung von Völkermord, unmittelbare und öffentliche Anreizung zur Begehung von Völkermord, der Versuch, Völkermord zu begehen und Teilnahme am Völkermord) zu bestrafen sind, gleichviel, ob sie regierende Personen, öffentliche Beamte oder private Einzelpersonen sind.43 Der Wortlaut des Art. IV Völkermordkonvention deutet zwar auf die Zulässigkeit der Ausübung von Gerichtsbarkeit unabhängig vom amtlichen Status der der Gerichtsbarkeit untworfenen Person hin.44 Wortlaut und Systematik der Konvention sprechen aber für einen engen Anwendungsbereich der Immunitätsausnahme. Zum einen beschränkt sie sich auf Strafverfahren gegen staatliche Funktionsträger. Des Weiteren scheint sich aus Art. VI der Völkermordkonvention eine territoriale Begrenzung zu ergeben. Nach Art. VI Völkermordkonvention werden Personen, denen Völkermord oder eine der sonstigen in Art. III aufgeführten Handlungen zur Last gelegt wird, vor ein zuständiges Gericht des Staates, in dessen Gebiet die Handlung begangen worden ist, oder das internationales Strafgericht, das für die vertragsschließenden Parteien, die seine Gerichtsbarkeit anerkannt haben, zuständig ist, gestellt. Die Völkermordkonvention begründet damit grundsätzlich die Verfolgbarkeit des Völkermordes lediglich nach dem Territorialitätsprinzip.45 Nach Inkrafttreten der Konvention wurde deshalb auch kritisch angemerkt, dass die Konvention kaum praktische Bedeutung gewinnen könne, da nicht anzunehmen sei, dass die Staaten ihre eigene Politik vor den Strafrichter bringen würden, es sei denn, dass eine Umwälzung wie in Deutschland nach 1945 das gesamte Gesicht des Staates vollständig verwandelt.46 Unter Bezugnahme auf den begrenzten Anwendungsbereich der Kon-
42 Convention on the Punishment of the Crime of Genocide, 09.12.1948, 78 UNTS 277, deutsche Übersetzung abgedruckt in: BGBl. II 1954, 730. 43 Art. IV in der authentischen englischen Sprachfassung (siehe: Art. X) lautet: „Persons committing genocide or any of the other acts enumerated in article III shall be punished, whether they are constitutionally responsible rulers, public officials or private individuals.“ 44 Tangermann, S. 210, Rn. 293; Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 252 (2002); Paulus, S. 281, Fn. 146. 45 Ipsen, in: Ipsen, § 48, Rn. 9; Schabas, S. 548. 46 Jescheck, ZStW 66 (1954), 193, 211.
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vention verneinte der belgische Cour de Cassation im Strafverfahren gegen Israels Premierminister Ariel Sharon, dem die Mitverantwortlichkeit für ein Massaker in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister vorgeworfen wurde, das Vorliegen einer Immunitätsausnahme aus Art. IV der Völkermordkonvention.47 2. Immunitätsausnahme aus dem Folterverbot der UN-Folterkonvention Es soll untersucht werden, ob sich aus der UN Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment48 (im Folgenden: UN-Folterkonvention) wegen des besonderen Charakters des Foltertatbestandes Besonderheiten ergeben. a) Anknüpfungspunkt für eine Immunitätsausnahme Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 der UN-Folterkonvention ist „Folter“ jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnder Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis verursacht werden.49 Für das Vorliegen von „Folter“ im Sinne der Folterkonvention ist kennzeichnend, dass sie nur durch einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnder Person begangen wird („public official or other person acting in an official capacity“). Da jedoch amtliches Handeln in der Regel immunitätsgeschützt ist, scheint die Folterkonvention in Konflikt mit den gewohnheitsrechtlichen Regeln der Staatenimmunität zu treten. Es stellt sich die Frage, ob dieser Konflikt im Sinne einer Immunitätsausnahme aufzulösen ist.
47 Cour de Cassation, Decision related to the Indictment of Ariel Sharon, Amos Yaron and others, Entsch. v. 12.02.2003, 42 ILM 596, 599 f. (2003). 48 Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, 10.12.1984, 1465 UNTS 85. 49 Art. 1 Abs. 1 in der authentischen englischen Sprachfassung (siehe: Art. 33 Abs. 1) lautet: „For the purposes of this Convention, the term ,torture‘ means any act by which severe pain or suffering, whether physical or mental, is intentionally inflicted on a person for such purposes as obtaining from him or a third person information or a confession, punishing him for an act he or a third person has committed or is suspected of having committed, or intimidating or coercing him or a third person, or for any reason based on discrimination of any kind, when such pain or suffering is inflicted by or at the instigation of or with the consent or acquiescence of a public official or other person acting in an official capacity.“
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b) Rechtsprechung Die Entscheidungen des House of Lords im Fall Pinochet geben Anlass, die Vereinbarkeit der Immunitätsgewährung mit den Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten aus der UN-Folterkonvention zu hinterfragen. In der dritten Pinochet-Entscheidung, in der die Richtermehrheit eine Immunitätsausnahme bei der Strafverfolgung eines ehemaligen Staatsoberhauptes wegen mutmaßlicher Folterhandlungen bejahte, argumentierten alle Richter mit der Konvention, wobei die Begründungen im Einzelnen unterschiedlich ausfielen. Lord Browne-Wilkinson stellte darauf ab, dass Folter nicht die Ausübung einer amtlichen Funktion sei.50 Nach der Konvention könne Folter nur durch eine Amtsperson in amtlicher Eigenschaft begangen werden. Das Hauptziel der Konvention, ein Regelungssystem zur Verfügung zu stellen, in dem Folterer keinen Schutz mehr genössen, werde verfehlt, wenn Folterern Immunitätsschutz gewährt wird. Immunitätsschutz für ehemalige Staatsoberhäupter sei mit der Konvention nicht zu vereinbaren. Lord Hope of Craighead hielt es für bemerkenswert, dass in den Berichten zur Entstehung der Konvention die Immunität eines Staatsoberhauptes gar nicht angesprochen werde.51 Die völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen im Fall so schwerer völkerrechtlicher Verbrechen wie systematischer und weit verbreiteter Folterhandlungen seien jedoch so stark, dass sie sich vom Zeitpunkt an, als Chile die Konvention ratifizierte, über jede Berufung auf Immunität ratione materiae hinwegsetzten.52 Auch Lord Hope of Craighead leitet damit aus der Konvention keinen Immunitätsverzicht ab, sondern argumentiert vielmehr mit der Eigenschaft des Folterverbotes als internationales Verbrechen. Nach Auffassung von Lord Hutton verdeutlicht die Folterkonvention, dass kein Staat bereit sei, Folterhandlungen seiner Amtsträger oder in amtlicher Eigenschaft handelnder Personen zu tolerieren.53 Die Begehung von Folterhandlungen könne nicht als Funktion eines Staatsoberhauptes betrachtet werden, wenn das Völkerrecht ausdrücklich Folter als Mittel verbiete. Der Immunitätsverlust resultiere aber nicht aus einem impliziten Immunitätsverzicht Chiles.54 Da Folter nicht zu den Funktionen eines Staatsoberhauptes zähle, sei Pinochet als ehemaliges Staatsoberhaupt nicht zur Immunität berechtigt.
50 Lord Browne Wilkinson, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581, 594 f. 51 Lord Hope of Craighead, in: House of Lords, 38 ILM 581, 624. 52 Lord Hope of Craighead, in: House of Lords, 38 ILM 581, 626. 53 Lord Hutton, in: House of Lords, 38 ILM 581, 638. 54 Lord Hutton, in: House of Lords, 38 ILM 581, 639.
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Lord Millett betont, dass das Folterverbot in der Folterkonvention, das zudem den Rang von ius cogens habe, mit der Immunitätsgewährung inkompatibel sei. In dem Beitritt Chiles zu der Konvention liege jedoch kein Immunitätsverzicht. Vielmehr habe schon keine Immunität bestanden, auf die Chile hätte verzichten können. Folter sei ein Verbrechen, das normalerweise nur unter Umständen begangen werden könne, die durch Immunität geschützt seien. Die internationale Gemeinschaft habe einen Straftatbestand begründet, für den es keine Immunität ratione materiae mehr gebe. Es könne nicht angenommen werden, dass das Völkerrecht einen Verbrechenstatbestand mit ius cogens-Charakter begründe und eine Immunität anerkenne, die mit der Verpflichtung, die es auferlegt, fortbestehe.55 Auch Lord Philipps of Worth Matravers verneinte die Immunität Pinochets und begründete dies damit, dass die Staaten von der Annahme ausgegangen seien, dass im Hinblick auf Folter, einem völkerrechtlichen Verbrechen, keine Immunität mehr bestehe.56 Der Großteil der Richter bejahte zwar eine Immunitätsausnahme bei Folterhandlungen, leitete diese aber nicht allein aus der Konvention ab. Lord Saville will dagegen die Unvereinbarkeit der Immunitätsgewährung mit der UN-Folterkonvention sogar anhand der ausdrücklichen Begrifflichkeiten der Folterkonvention bestimmen können.57 Wenn es Staaten gegeben hätte, die Immunität im Hinblick auf amtliche Folterhandlungen beibehalten wollten, sei es nicht überraschend, dass sie geschwiegen hätten. Eine Ausnahme zur Immunität eines amtierenden Staatsoberhauptes (Immunität ratione personae) verneint er dagegen, da sich die Immunität ratione personae auf das Amt und nicht das Verhalten des Amtsträgers beziehe.58 Lord Goff of Chievely schloss dagegen eine Immunitätsausnahme völlig aus. Ein Immunitätsverzicht müsse (in entsprechender Anwendung des Art. 32 Abs. 2 WÜD) explizit erfolgen.59 Aus den Arbeiten zur Folterkonvention lasse sich nichts im Hinblick auf einen Immunitätsverzicht ableiten. Es sei bemerkenswert, dass während des Entstehungsprozesses kein Staat diese Frage angesprochen habe. Die Tatsache, dass 116 Staaten Vertragspartei der Folterkonvention geworden seien, verstärke den Eindruck, dass keiner durch seine Unterschrift implizit dem Ausschluss der Staatenimmunität ratione materiae zustimmen 55 Lord Millet, in: House of Lords, 38 ILM 581, 651: „International law cannot be supposed to have established a crime having the character of a jus cogens and at the same time to have provided an immunity which is co-extensive with the obligation it seeks to impose.“ 56 Lord Phillips, in: House of Lords, 38 ILM 581, 661. 57 Lord Saville of Newdigate, in: House of Lords, 38 ILM 581, 643: „I do not reach this conclusion by implying terms into the Torture Convention, but simply by applying its express terms.“ Zustimmend: Handl, in: Benedek, S. 59, 66. 58 Lord Saville of Newdigate, in: House of Lords, 38 ILM 581, 642. 59 Lord Goff of Chievely, in: House of Lords, 38 ILM 581, 602 (1999).
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
wollte. Wenn dies Absicht gewesen wäre, wäre die Zahl der Vertragsstaaten kleiner ausgefallen.60 Nur ein Lordrichter, nämlich Lord Saville, stellte maßgeblich auf einen Immunitätsverzicht Chiles ab. In den Ausführungen des House of Lords lassen sich auch Anmerkungen zur Immunität von Staaten und ihren Funktionsträgern gegenüber zivilrechtlichen Folterklagen finden. Gleich drei Richter betonten, dass zwischen der Immunität im zivilrechtlichen Klageverfahren und der Immunität im Strafverfahren zu differenzieren sei.61 Nach Auffassung von Lord Millett ist es nicht unlogisch, den Opfern staatlicher Folter das Recht, den rechtsverletzenden Staat vor einem nationalen Gericht zu verklagen, abzusprechen und zugleich anderen Staaten zu erlauben oder sogar zu fordern, die verantwortlichen Individuen zu verurteilen und zu bestrafen, wenn der rechtverletzende Staat dies nicht tue.62 Auch Lord Phillips of Worth Matravers hebt hervor, dass die Prinzipien der Staatenimmunität, die bei zivilrechtlichen Streitigkeiten angewendet werden, nicht notwendigerweise auch für die Strafverfolgung gelten würden.63 Bemerkenswert ist, dass Lord Phillips später in einer Entscheidung des Court of Appeal, in der es um die Immunität saudi-arabischer Amtsträger wegen Folterhandlungen ging, diese Differenzierung ausdrücklich revidierte.64 c) Auffassungen in der Literatur In der Literatur wird behauptet, dass die Folterkonvention die Immunität ratione materiae ausschließe.65 Es wird die Unvereinbarkeit des Folterverbotes mit der Immunitätsgewährung auch bei Zivilklagen von Folteropfern angenommen.66 Warum die Verpflichtung, Folteropfern angemessenen Schadensersatz zu gewähren, nicht ebenso mit der Beibehaltung der Immunität unvereinbar sein solle, sei unverständlich. Die Konvention verlange sowohl die Kriminalisierung von ius cogens als auch die Entschädigung der Opfer.67 Da Folter sowohl ein 60
Zustimmend: Jennings, in: Boisson de Chazournes/Gowlland-Debbas, S. 677,
696. 61 Lord Hutton, in: House of Lords, 38 ILM 581, 632; Lord Millet, in: House of Lords, 38 ILM 581, 651; Lord Phillips, in: House of Lords, 38 ILM 581, 653 f. 62 Lord Millet, in: House of Lords, 38 ILM 581, 651. 63 Lord Phillips, in: House of Lords, 38 ILM 581, 653 f. 64 Lord Phillips, in: Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v. Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, unter: http:/ /www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/1394.html (15.04.2005), EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 128 f. 65 Bosch, S. 127. 66 Handl, in: Benedek, S. 59, 76 ff.; Fox, 48 ICLQ 687, 700 (1999). 67 Terry, in: Scott, S. 109, 129.
B. Materielle Vertragspflichten als Grundlage
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öffentlicher Akt als auch ein ius cogens-Verbrechen nach Völkerrecht sei, habe die Staatenimmunität bei Folterhandlungen keinen Platz mehr, und auch die nationalen Immunitätsgesetze müssten entsprechend gelesen werden. Burgers und Danelius äußerten sich in ihrer Kommentierung zur UN-Folterkonvention nicht zu dem Konflikt der Konvention mit den Immunitätsregeln. Als Ausnahmen zu der von Art. 5 UN-Folterkonvention begründeten Gerichtsbarkeit erkennen sie aber die Immunitäten von ausländischen Diplomaten, Truppen, Parlamentsmitgliedern oder anderen Gruppen, die von speziellen Immunitäten profitieren, an.68 d) Bewertung und Ergebnis Die Ausführungen zum Pinochet-Fall lassen erkennen, dass es bereits keine aus der UN-Folterkonvention abgeleitete, einheitliche und inhaltlich überzeugende Begründung für eine Immunitätsausnahme in Strafsachen gibt. Es werden neben der Definition des Foltertatbestandes die Qualifizierung von Folter als völkerrechtliches Verbrechen, der ius cogens-Charakter des Folterverbotes und handlungsbezogene Argumente69 bemüht. Angesichts der strengen Voraussetzungen eines völkerrechtlichen Immunitätsverzichts erscheint es zweifelhaft, ob die Staaten mit der Ratifikation der Konvention auf ihre Immunität verzichtet haben.70 Hiergegen spricht, dass es völkerrechtliche Verträge gibt, die ausdrücklich eine Immunitätsausnahme vorsehen und mit deren Ratifikation die Vertragsstaaten im Rahmen des Anwendungsbereichs der Regelung auf ihre Immunität verzichten.71 Konsequent ist die Auffassung von Lord Goff, der darauf hinweist, dass weder die Konvention selbst noch ihr Entstehungsprozess die Immunitätsfrage behandelt hätten. Die Richtermehrheit scheint vielmehr zu unterstellen, dass die Vertragsschließenden davon ausgegangen seien, dass für ein so schweres Verbrechen wie Folter keine Immunität mehr bestehe. Allein die Folterdefinition in Art. 1 UN-Folterkonvention vermag damit nicht für eine Immunitätsausnahme herhalten. Ob sich aus dem Recht auf Entschädigung nach Art. 14 UN-Folterkonvention eine Immunitätsausnahme ergibt, soll an späterer Stelle72 untersucht werden. 68 Burgers/Danelius, S. 131: „Under international or national law, there may be certain limited exceptions [. . .], e. g. in regard to foreign diplomats, foreign troops, parliament members or other categories benefiting from special immunities, and such immunities may be accepted insofar as they apply to criminal acts in general and are not unduly extensive.“ 69 Siehe auch: Dritter Teil, B. I. 3. 70 Bradley/Goldsmith, 97 Mich. L. Rev. 2129, 2141 (1999). 71 Siehe Art. 27 Abs. 2 Rom-Statut (Rome Statute of the International Criminal Court, 17.07.1998, 2187 UNTS 3). 72 Siehe: Fünfter Teil, C. II.
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
Aus dem Folterverbot der UN-Folterkonvention ergibt sich nicht die Berechtigung von Staaten, ausländischen Staaten und ihren Funktionsträgern die Immunität zu verweigern. 3. Immunitätsausnahme aus dem Folterverbot der EMRK73 Eine andere Bewertung könnte jedoch bei der EMRK als regionaler Menschenrechtsvertrag erlaubt sein, da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Konventionsgarantien effektiv auszulegen versucht. a) Beispielsfall: Al-Adsani v. The United Kingdom Die Immunitätsfrage stellte sich im Fall Al-Adsani74. Der Kläger Al Adsani war während der irakischen Besetzung Kuwaits in den Besitz von Videokassetten gekommen, die einen Verwandten des Emirs von Kuwait in Verlegenheit bringen konnten. Nach der Vertreibung der Iraker wurde Al-Adsani deshalb entführt und brutal misshandelt. Al-Adsani behauptet, dass er am 07.05.1991 im Palast der kuwaitischen Herrscherfamilie in ein Schwimmbecken mit Leichen getaucht und danach in eine Zelle mit einer in Benzin getränkten Matratze gesteckt wurde, die daraufhin in Brand gesetzt wurde. Nach einer Behandlung in einem Kuwaiter Krankenhaus kam Al-Adsani nach England. Dort erhielt er zahlreiche Todesdrohungen und Hinweise, dass die kuwaitische Herrscherfamilie ihn suche, um ihn zu töten oder zumindest seine Rückkehr nach Kuwait zu erreichen. Der Court of Appeal erwog im Zwischenentscheidungsverfahren über die Zustellung der Klage, dass der kuwaitische Staat keine Immunität genieße.75 Schließlich entschieden aber der High Court76 und der Court of Appeal,77 dass kein Ausnahmetatbestand zur Staatenimmunität eingreife. Al-Adsani wandte sich hiergegen an den EGMR und machte geltend, dass durch die Gewährung von Immunität das Folterverbot und das aus der Konvention abgeleitete Recht auf eine gerichtliche Entscheidung verletzt seien. Art. 3 EMRK verpflichte die Mitgliedsstaaten auch, seinen Bürgern zu effektivem Rechtsschutz gegen einen 73 In der nach der Schlussklausel zur EMRK authentischen englischen Sprachfassung lautet Art. 3: „No one shall be subjected to torture or to inhuman or degrading treatment or punishment.“ 74 EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403. 75 Court of Appeal, Al-Adsani v. the Government of Kuwait and others, Entsch. v. 21.01.1994, 100 ILR 465, 473 f. (1994). 76 High Court, Al-Adsani v. the Government of Kuwait and others, Entsch. v. 15.03.1995, 103 ILR 420, 432 f. (1996). 77 Court of Appeal, Al-Adsani v. the Government of Kuwait and others, Entsch. v. 12.03.1996, 107 ILR 536, 544 ff. (1996).
B. Materielle Vertragspflichten als Grundlage
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anderen Staat wegen Folterungen zu verhelfen. Gegen diese Verpflichtung habe das Vereinigte Königreich verstoßen, indem es Kuwait Immunität im Zivilverfahren gewährt habe. b) Vertragsauslegung durch den EGMR Der EGMR betont, dass bei der Interpretation der Konvention ihr besonderer Charakter als Vertrag für die kollektive Durchsetzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten berücksichtigt werden müsse. Ziel und Zweck der Konvention als ein Instrument zum Schutz des Individuums verlangten deshalb, dass ihre Vorschriften als Schutzgarantien praktisch wirksam und effektiv gestaltet, verstanden und angewandt würden.78 Im Fall Soehring v. The United Kingdom befand der EGMR, der absolute Charakter des Folterverbotes zeige, dass Art. 3 EMRK einen der grundlegenden Werte der demokratischen Gesellschaften bilde, die sich im Europarat zusammengeschlossen haben. Daher sei es mit den der Konvention zugrunde liegenden Werten und dem gemeinsamen Erbe an geistigen Gütern, politischen Überlieferungen, Achtung der Freiheit und Vorherrschaft des Gesetzes, auf die sich die Präambel beziehe, nicht vereinbar, wenn ein Mitgliedsstaat wissentlich eine Person an einen anderen Staat ausliefere, obwohl es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie dort Gefahr läuft, der Folter ausgesetzt zu werden, gleichgültig welches Verbrechens sie beschuldigt wird. Die Auslieferung stehe in solchen Fällen im Gegensatz zum Sinn und Zweck dieses Artikels. Die der Vorschrift innewohnende Verpflichtung zur Nichtauslieferung erstrecke sich auch auf die Fälle, in denen der betroffene Mensch im ersuchenden Staat einem echten Risiko unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt sei. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass die Haftbedingungen, die dem Beschwerdeführer in den USA drohten, insbesondere die Ungewissheit über seine Hinrichtung (sog. „Todeszellensyndrom“), eine unmenschliche Behandlung darstellen. Damit erklärte er eine Auslieferung von Großbritannien an die USA für mit Art. 3 EMRK unvereinbar.79 Dieser Rechtsprechung kann die Interpretation der EMRK entnommen werden, dass nicht nur ein Verbot zu foltern besteht, sondern das Folterverbot darüber hinaus auch Schutzpflichten der Mitgliedsstaaten begründet, die sich über den eigenen Hoheitsbereich des Staates hinaus sogar auf Drittstaaten auswirken können. Fraglich ist, ob das Folterverbot auch verlangt, dass Folteropfern bei
78 EGMR, Soehring v. United Kingdom, Urt. v. 07.07.1989, Ser. A, Nr. 161 (1989), 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 314, Ziff. 87. 79 EGMR, Ser. A Nr. 161 (1989), 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 314, Ziff. 88 ff.
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
Klagen gegen ausländische Staaten und ihre Organe gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung gestellt wird. c) Auffassung eines Teils der Literatur Ein Teil der Literatur ist der Ansicht, dass das Folterverbot in Art. 3 EMRK in Verbindung mit der Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte nach Art. 1 EMRK eine Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsbehelfen wegen Folterhandlungen enthalte.80 Art. 1 EMRK der Konvention81 erstrecke das Recht auf jedermann, der sich unter der Jurisdiktion des Forumstaates befindet, wenn er geltend macht, dass ein Konventionsrecht verletzt sei. Es sei nicht erforderlich, dass er auch tatsächlich innerhalb der Jurisdiktion des betreffenden Staates gefoltert worden sei. Aus Art. 3 EMRK folge ein Verbot, Folter zu verüben und eine Pflicht, Rechtsbehelfe für Folteropfer bereitzustellen. Begründet wird die Immunitätsausnahme mit der – soeben dargestellten –82 dynamischen Vertragsinterpretation des Gerichtshofs, der aus dem Folterverbot auch andere Verpflichtungen abgeleitet habe, die nicht ausdrücklich in Art. 3 EMRK enthalten seien. d) Entscheidung des EGMR im Fall Al-Adsani Anders entschied jedoch der Gerichtshof im Fall Al-Adsani. Art. 3 i.V. m. Art. 1 EMRK lege den Vertragsparteien die Handlungspflichten auf, Folter und andere Arten von Misshandlung zu verhindern und eine Entschädigung zu gewähren.83 Verpflichtungen, die die Vertragsstaaten gem. Art. 1 EMRK eingegangen seien, beschränkten sich darauf, den Personen unter ihrer Jurisdiktion die im Einzelnen aufgezählten Rechte und Freiheiten zuzusichern.84 Der Gerichtshof gesteht unter Bezugnahme auf die Soehring-Entscheidung zu, dass Art. 3 EMRK in begrenztem Umfang auch außerhalb der Jurisdiktion eines Vertragsstaates Anwendung finden könne. Die Auslieferung einer Person an einen Nichtvertragsstaat könne die Verantwortlichkeit des Vertragsstaates begründen, wenn ernsthaft und erwiesenermaßen Grund zur Annahme bestehe, dass die Person im Falle der Auslieferung dort der realen Gefahr der Folter oder un80
Orakhelashvili, EJIL 2003, 529, 551 f. Vgl. in der englischen Fassung: „The High Contracting Parties shall secure everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in section I of this Convention.“ 82 Vgl.: Fünfter Teil, B. II. 3. b). 83 EGMR, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 38. 84 EGMR, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 37. 81
B. Materielle Vertragspflichten als Grundlage
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menschlicher bzw. erniedrigender Behandlung ausgesetzt werde. In einem solchen Fall führten die Handlungen des Vertragsstaates in direkter Folge dazu, dass jemand einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Handlung unterworfen werde.85 Da der Beschwerdeführer aber weder behauptet habe, dass die Folterungen unter der Hoheitsgewalt des Vereinigten Königreiches stattgefunden hätten, noch die britischen Behörden für sie ursächlich gewesen seien, sei das Vereinigte Königreich auch nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer zivilrechtliche Rechtsbehelfe wegen der Folterhandlungen zur Verfügung zu stellen. e) Bewertung und Ergebnis Aus dem Folterverbot in Art. 3 EMRK wird nicht nur die Verpflichtung eines Vertragsstaates abgeleitet, nicht zu foltern, sondern auch, Schutzmaßnahmen zu ergreifen und effektiven Rechtsschutz zu sichern.86 Diese Verpflichtungen beschränken sich aber grundsätzlich nur auf Folterhandlungen unter der Hoheitsgewalt des Vertragsstaates. Eine gewisse, jedoch sehr beschränkte extraterritoriale Komponente bekommt das Folterverbot durch die Soehring-Rechtsprechung. Staaten sind auch verpflichtet, Handlungen zu unterlassen, die als direkte Konsequenz dazu führen könnten, dass Individuen Folter oder unmenschliche Behandlung in einem anderen Staat erleiden. Die Immunitätsgewährung erschwert die Wiedergutmachung der Rechtsverletzung. Sie führt nicht in direkter Konsequenz dazu, dass Individuen in einem Nichtmitgliedsstaat Folter oder unmenschliche Behandlung zu erleiden haben. Wenn durch das Handeln eines Mitgliedsstaates einem Menschen in einem anderen Staat Folter oder unmenschliche Behandlung droht, wiegt dies schwerer als die zivilrechtliche Nichtverfolgung bereits begangener Folterhandlungen anderer Staaten.87 Ein weiteres Argument, aus materiellen Vertragspflichten der EMRK nicht auf die prozessuale Durchsetzbarkeit zu schließen, ist das Vorhandensein verfahrensrechtlicher Normen (vgl. Art. 13, 6 EMRK). Wenn die EMRK solche Regelungen vorsieht, spricht dies dagegen, bereits aus materiellen Vertragsnormen prozessuale Folgerungen abzuleiten.
85 EGMR, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 39. 86 EGMR, A v. The United Kingdom, Urt. v. 23.09.1998, ECHR 1998-VI, 2692, Ziff. 22 ff. 87 Tams, AVR 2002, 331, 335.
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
III. Ergebnis zu einer Immunitätsausnahme aus materiellen Vertragspflichten Die Übernahme materieller Verpflichtungen in einem völkerrechtlichen Vertrag kann nicht als impliziter Immunitätsverzicht interpretiert werden. Auch wenn die UN-Folterkonvention wegen der Besonderheiten des Folterbegriffes und die EMRK aufgrund der effektiven Vertragsauslegung durch den EGMR ein besonderes Augenmerk verdienen, vermag eine Analyse beider Konventionen beim gegenwärtigen Stand nicht zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen Nachdem festgestellt wurde, dass aus materiellen Vertragspflichten in völkerrechtlichen Verträgen nicht auf ihre prozessuale Durchsetzung vor nationalen Gerichten geschlossen werden kann, sollen nun die Vertragsnormen in Verträgen zum Schutz von Menschenrechten untersucht werden, die Opfern von Menschenrechtsverletzungen gerade auch einen effektiven Rechtbehelf bzw. prozessuale Verfahrensrechte gewähren sollen.
I. Überblick über die in Betracht kommenden Regelungen Eine Literaturauffassung sieht in einem völkerrechtlichen Vertrag, in dem einer Person, die in einem der in dem Vertrag gewährten Menschenrechte verletzt wurde, ein Recht auf eine effektive Beschwerdemöglichkeit („effective remedy“) zugesprochen wird, eine implizite Immunitätsausnahme.88 Wenn ein fundamentales Menschenrecht durch ein internationales Vertragswerk garantiert und gleichzeitig auch das Recht auf effektive Entschädigung eingeräumt werde, sei klar, dass ein Staat implizit auf seine Immunität verzichtet habe. Die Verpflichtung zur Gewährung eines effektiven Rechtsbehelfs ist in Art. 14 der UN-Folterkonvention,89 Art. 2 Abs. 3 IPbürgR,90 Art. 13 EMRK91 und auch in Art. 25 AMRK92 enthalten. Den Art. 2 Abs. 3 IPbürgR und Art. 13 EMRK 88 Paust, 49 Houston J. Int’l L. 49, 65 (1985); ders.: 31 Va. J. Int’l L. 351, 376 (1991); Terry, in: Scott, S. 109, 119 f. (im Hinblick auf Art. 14 der UN-Folterkonvention und Art. 2 Abs. 3 IPbürgR); Bianchi, Austrian J. Publ. Intl. Law 46 (1994), 195, 215. 89 UN Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, 10.12.1984, 1465 UNTS 85. 90 International Covenant on Civil and Political Rights, 16.12.1966, 999 UNTS 171. 91 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 4.11.1950, 213 UNTS 221; mit deutscher Übersetzung: BGBl. 1954 II 14. 92 American Convention on Human Rights, 22.11.1969, 9 ILM 673 (1970). Art. 25 Abs. 1 AMRK lautet: „Everyone has the right to simple and prompt recourse, or any
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen
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diente Art. 8 AEMR als Vorbild.93 Im Einzelnen bestehen terminologische Unterschiede. Während Art. 2 Abs. 3 IPbürgR das Beschwerderecht nur als Staatenverpflichtung ausformt, formuliert es Art. 13 EMRK als Individualrecht. Auch außerhalb völkervertraglicher Regelungen, wird, etwa von der UN-Menschenrechtskommission, das Recht auf einen Rechtsbehelf bei Menschenrechtsverletzungen gefordert.94 Es wird vertreten, dass in Verbindung mit dem Weltrechtsprinzip das Recht auf einen effektiven Rechtsbehelf Opfern von Menschenrechtsverletzungen auch dann zivilrechtliche Rechtsbehelfe einräume, wenn die Verletzungen nicht im Forumstaat stattfanden.95 Neben den effective remedy-Klauseln könnten auch die Verfahrensrechte in Art. 14 IPbürgR und Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. Art. 8 AMRK) Auswirkungen auf den Immunitätsschutz haben.
II. Immunitätsausnahme aus Art. 14 UN-Folterkonvention Es könnte Art. 14 UN-Folterkonvention einen Anknüpfungspunkt für eine Immunitätsausnahme bilden. 1. Beispielsfall und Inhalt des Art. 14 UN-Folterkonvention Ein Gerichtsverfahren, in dem sich die Frage nach einer Immunitätsausnahme aus Art. 14 der UN-Folterkonvention stellte, ist der Fall Bouzari v. Islamic Republic of Iran.96 Ein iranischer Bürger verklagte den Iran vor kanadischen Geother effective recourse, to a competent court or tribunal for protection against acts that violate his fundamental rights recognized by the constitution or laws of the state concerned or by this Convention, even though such violation may have been committed by persons acting in the course of their official duties.“ 93 Matscher, in: Böckstiegel/Folz/Mössner/Zemanek, S. 315, 316. 94 Siehe hierzu: Study Concerning the right to restitution, compensation and rehabilitation for victims of gross violations of human rights and fundamental freedoms, Second Progress Report submitted by Mr. Theo van Boven, Special Rapporteur, UN ESCOR, 45th Session, Annex, Ziff. 6, 21, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1993/8 (1993): „As a matter of principle every State has the responsibility to redress human rights violations and to enable the victims to exercise their right to reparation. [. . .] The legal system of every State should, therefore, deal with such issues in a just and effective manner.“ Siehe auch: Commission on Human Rights, Civil and Political Rights, Including the Questions of Independence of the Judiciary, Administration of Justice, Impunity, Annex, Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation of Victims of Violations of International Human Rights and Humanitarian Law, 18.01.2000, U.N. Doc. E/CN.4/2000/62, 5 ff., insbesondere VII. (Victim’s Right to a Remedy), VIII. (Victims’ Right to Access to Justice) und IX. (Victims’ Right to Reparation). 95 Stephens, 40 German Yb. Int’l L. 117, 137 (1997). 96 Ontario Superior Court of Justice, Bouzari and others v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 01.05.2002, 124 ILR 427 (2002); Ontario Court of Appeal, Bouzari v.
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
richten wegen willkürlicher Verhaftung, Entführung, Folter und Todesdrohungen. Der Grund der Verhaftung, der Folterung und der Todesdrohungen lag nach Schilderungen des Klägers in seiner Beteiligung an einem Ölfeld-Projekt und darin, dass seine Familie hohe Summen für seine Freilassung zahlen sollte. In seiner Klageschrift berief er sich unter anderem darauf, dass Art. 14 UN-Folterkonvention Kanada dazu verpflichte, effektiven Rechtsschutz zur Entschädigung von Folterhandlungen zu gewähren. Art. 14 Abs. 1 S. 1 UN-Folterkonvention legt den Vertragsstaaten die Verpflichtung auf, sicherzustellen, dass das Opfer einer Folterhandlung Wiedergutmachung erhält und über ein einklagbares Recht auf gerechte und angemessene Entschädigung verfügt.97 Die Regelung verlangt von den Vertragsparteien, Anspruchsgrundlagen zu schaffen, die dem einzelnen Folteropfer einen Entschädigungsanspruch einräumen.98 Fraglich ist jedoch, ob auch eine Verpflichtung der Vertragsstaaten bzw. ihrer Gerichte besteht, Folteropfern einen Entschädigungsanspruch wegen Folterungen zuzubilligen, wenn sie nicht selbst, sondern andere Vertragsstaaten für diese verantwortlich sind. 2. Analyse der Rechtsprechung und Literatur Der Ontario Superior Court of Justice entschied im Fall Bouzari v. Islamic Republic of Iran, dass Art. 14 der UN-Folterkonvention Kanada dazu auffordere, einen effektiven Rechtsbehelf zur Entschädigung von Folterhandlungen zu gewähren. Der Artikel schweige jedoch zu seinem territorialen Anwendungsbereich. Die Praxis der Vertragsparteien sowohl zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses als auch danach belege aber, dass Art. 14 der UN-Folterkonvention nicht so zu interpretieren sei, dass ein Staat vor seinen Gerichten verpflichtet sei, Schadensersatz für Folterhandlungen, die außerhalb seines Staatsgebiets begangen wurden, zu gewähren.99 Der Ontario Court of Appeal bestätigte diese Auslegung. Auch wenn Art. 14 UN-Folterkonvention explizit keine territoriale Beschränkung vorsehe, so sei diese bereits implizit in dieser Vorschrift enthalten.100
Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.06.2004, http://www.ontariocourts.on.ca/decis ions/2004/june/bouzariC38295.pdf (22.04.2005). 97 Art. 14 Abs. 1 S. 1 in der nach Art. 33 Abs. 1 UN-Folterkonvention verbindlichen Sprachfassung lautet: „Each State Party shall ensure in its legal system that the victim of an act of torture obtains redress and has an enforceable right to fair and adequate compensation, including the means for as full rehabilitation as possible.“ 98 Burgers/Danelius, S. 146 f. 99 Ontario Superior Court of Justice, Bouzari and others v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 1.05.2002, 124 ILR 427, 435 (2002). 100 Ontario Court of Appeal, Bouzari v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.06. 2004, http://www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.pdf (22.04. 2005), Ziff. 80 f.
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen
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Auf dieser Linie argumentierte auch der Court of Appeal von England und Wales in einem Verfahren, in dem britische und kanadische Folteropfer SaudiArabien verklagten.101 Art. 14 Abs. 1 UN-Folterkonvention verlange jedenfalls eine Entschädigung von dem Amtsträger, der die Verletzung begangen habe und sich nicht auf Weisungen von Vorgesetzten berufen könne. Außerdem gebiete die Regelung Wiedergutmachung durch den Staat, dessen Amtsträger oder sonstiger in amtlicher Eigenschaft handelnder Angestellter Folter verübte. Es könne aber nicht die Absicht der Konvention sein, dass jeder Staat innerhalb seiner Rechtsordnung eine Wiedergutmachung bei Folterhandlungen auch durch die Amtsträger oder sonstigen in amtlicher Eigenschaft handelnden Angestellten unabhängig vom Tatort oder der Nationalität des Opfers gewähre. Eine territoriale Begrenzung dieser Verpflichtung sei aus Unachtsamkeit nicht erfolgt. Auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 2 UN-Folterkonvention102 bleibe es aber möglich, dass ein Staat in seinem Zivilrechtssystem Entschädigung für Folterhandlungen von Amtsträgern eines anderen Staates in diesem oder einem beliebigen anderen Staat gewähre.103 Im völkerrechtlichen Schrifttum lassen sich Stimmen für und gegen eine Immunitätsausnahme aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 UN-Folterkonvention finden. Es wird vertreten, dass nach Art. 14 UN-Folterkonvention einem Staat für die von ihm begangene Folterungen vor den Zivilgerichten eines anderen Staates, der auch Vertragspartei der UN-Folterkonvention ist, keine Immunität zu gewähren sei.104 Teilweise werden zusätzliche Voraussetzungen aufgestellt. Das Folteropfer dürfe zunächst vor den Gerichten des „Folterstaates“ keine angemessene Entschädigung erhalten haben, oder dies sei von vornherein aussichtslos.105 Art. 14 Abs. 1 S. 1 UN-Folterkonvention bringe zum Ausdruck, dass jedes Folteropfer, das von einem der Vertragsstaaten misshandelt worden ist, über eine effektive Klagemöglichkeit verfügen müsse. Wenn der für die Folter verantwortliche Staat bzw. seine Gerichte aber nicht bereit seien, das Folteropfer zu entschädigen, komme nur eine Verurteilung in den anderen Vertragsstaaten in Betracht. Die Verweigerung des Rechtsschutzes durch Nichtverletzerstaaten gerate mit der ein effektives Klagerecht verbürgenden Sicherstellungspflicht 101 Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v. Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/ 1394.html (15.04.2005). Ziff. 18. 102 Art. 14 Abs. 2 UN-Folterkonvention lautet: „Nothing in this article shall affect any right of the victim or other persons to compensation which may exist under national law.“ 103 Court of Appeal, Bouzari v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.06.2004, Ziff. 21. 104 Terry, in: Scott, S. 109, 119 f. 105 Cremer, AVR 2003, 137, 165 ff.; Stephens, 40 German Yb. Int’l L. 117, 137 (1997).
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
in Konflikt, wenn der Verletzerstaat seiner primären Pflicht zur Entschädigungsleistung nicht nachkomme.106 Nach Auffassung der Befürworter einer Immunitätsausnahme kann auch aus Art. 2 Abs. 1 UN-Folterkonvention, wonach jeder Vertragsstaat wirksame Maßnahmen, um Folterungen „in allen seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebieten“ zu verhindern, zu ergreifen hat, nicht abgeleitet werden, dass die Folterkonvention nur Verpflichtungen in Bezug auf Folterungen, die im eigenen Hoheitsgebiet begangen werden, begründet.107 Die herrschende Literaturauffassung legt Art. 14 UN-Folterkonvention dagegen so aus, dass er nur zum Schadensersatz für Folterhandlungen verpflichte, die auf dem Staatsgebiet unter der Jurisdiktion des Forumstaates begangen wurden.108 Es wird darauf verwiesen, dass Art. 5 UN-Folterkonvention den Staaten ausdrücklich die extraterritoriale Jurisdiktion in Strafsachen überträgt, während es an einer entsprechenden Garantie der Zivilgerichtsbarkeit fehle.109 Des Weiteren wird im US-amerikanischen Schrifttum argumentiert, dass aus Art. 14 UN-Folterkonvention keine privaten Klagerechte („private rights of action“) vor US-Gerichten abgeleitet werden könnten.110 3. Auslegung des Art. 14 UN-Folterkonvention Nach Art. 31 Abs. 1 WVRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“. Im Hinblick auf den Zusammenhang, in dem Art. 14 UN-Folterkonvention steht, ist bemerkenswert, dass die allgemeinen Konventionsverpflichtungen in Art. 2 UN-Folterkonvention (im Hinblick auf Folter) und Art. 16 UN-Folterkonvention (im Hinblick auf grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe) durch die Formulierung „in any territory under its jurisdiction“ territorial beschränkt sind. Ebenso enthalten die Konventionsverpflichtungen eines Mitgliedsstaates aus Art. 12 UN-Folterkonvention (Ermittlungsgebot bei Folterverdacht) und Art. 13 UN-Folterkonvention (Recht auf Anrufung der Behörden und auf umgehende unparteiische Prüfung) diese Beschränkung auf Folterhandlungen in einem der Hoheitsgewalt des Staates unterstehenden Ge106
Ähnlich: Voyiakis, 52 ICLQ 297, 331 (2003). Terry, in: Scott, S. 109, 119 f. 108 Fox, S. 525; Byrnes, in: Scott, S. 537, 544, Tams, AVR 2002, 331, S. 348. 109 Adams, in: Scott, S. 247, 264. Adams erwägt jedoch, Art. 14 UN-Folterkonvention unter Bezug auf andere Normen des Völkerrechts zu ergänzen, was Art. 31 Abs. 3 c) WVRK erlaube. 110 Garnett, 18 Australian Yb. Int’l L. 97, 109 f. (1997). 107
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen
161
biet. Wenn Art. 14 UN-Folterkonvention diesen Zusatz nicht enthält, könnte dies belegen, dass die Verpflichtung der Vertragsparteien zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht auf Folterhandlungen unter ihrer Hoheitsgewalt beschränkt ist. Andererseits könnte die Nichtaufnahme dieser territorialen Begrenzung auch erfolgt sein, weil man es nicht für erforderlich hielt, sie noch eigens hervorzuheben. Gemäß Art. 31 Abs. 3 b) WVRK ist bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages auch „jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht“ zu berücksichtigen. In der Staatenpraxis kommt eine territoriale Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Norm zum Ausdruck. In ihren Berichten nach Art. 19 der UNFolterkonvention gehen Deutschland111 und Neuseeland112 davon aus, dass die Staatenverpflichtung aus Art. 14 Folterkonvention nur bei unter ihrer Hoheitsgewalt begangenen Folterhandlungen und nicht gegenüber Flüchtlingen, die in ihren Herkunftsländern gefoltert wurden, besteht. Auch die Vereinigten Staaten vertreten in ihrem Bericht aus dem Jahre 2000, die Verhandlungsgeschichte der Konvention indiziere, dass die Vertragsstaaten aufgrund von Art. 14 UN-Folterkonvention nur für Folterhandlungen auf dem eigenen Staatsgebiet und nicht für solche im Ausland ein privates Klagerecht gewähren müssten.113 Unter Verweis auf den Alien Tort Claims Act114 bzw. die Rechtsprechung hierzu und den Torture Victims Protection Act115 betont der Staatenbericht, dass das US-Bundesrecht weiter gehende Rechte gewähre als Art. 14 UN-Folterkonvention es mit seiner territorialen Beschränkung fordere.116 Es wird darauf eingegangen, dass die Verpflichtung in Art. 14 UN-Folterkonvention ursprünglich ausdrücklich auf Folterhandlungen, die auf dem Territorium unter der Hoheitsgewalt des Ver111 Committee against Torture, Consideration of Reports submitted by States Parties under Article 19 of the Convention, Second periodic reports of States parties due in 1995, Germany, 17.12.1996, U.N. Doc. CAT/C/29/Add.2 (1997), Ziff. 39: „Beyond its duties under article 14 of the Convention, the Federal Government supports rehabilitation for victims of torture who come to Germany as refugees.“ 112 Committee against Torture, Consideration of Reports submitted by States Parties under Article 19 of the Convention, Second periodic reports of States parties due in 1995, New Zealand, 25.02.1997, U.N. Doc. CAT/C/29/Add.4 (1997), Ziff. 35 ff. 113 Committee Against Torture, Consideration of Reports submitted by States Parties under Article 19 of the Convention, Initial Reports of States Parties due in 1995, 15.10.1999, United States of America, 09.02.2000, U.N. Doc. CAT/C/28/Add.5 (2000), Ziff. 268. 114 Alien Tort Statute, 24.09.1789, 28 U.S.C. § 1350. Siehe: Sechster Teil, A. I. 2. a) bzw. B. I. 115 Torture Victim Protection Act, 12.03.1992, Pub L 102–256, 106 Stat. 73. 116 U.N. Doc. CAT/C/28/Add.5, 09.02.2000, Ziff. 277 ff.
162
5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
tragsstaates begangen wurden, beschränkt gewesen war. Dass in dem früheren Entwurf der Zusatz „committed in any territory under its jurisdiction“ enthalten war, dieser aber in der endgültigen Vertragsfassung gelöscht wurde, sei nur aus Versehen erfolgt. Die Vereinigten Staaten verweisen auf das vom Senat bei der Ratifizierung des Abkommens zum Ausdruck gebrachte Verständnis. Nach diesem ergebe sich aus Art. 14 der UN-Folterkonvention nur ein Klagerecht im Hinblick auf Folterhandlungen, die auf dem Territorium unter der Hoheitsgewalt der Vertragspartei verübt werden.117 Andere Vertragsstaaten erhoben keine Einwände gegen die Erklärung.118 Die vorbereitenden Arbeiten („travaux préparatoires“) der UN-Folterkonvention äußern sich nicht ausdrücklich zu einer Immunitätsausnahme bei zivilrechtlichen Schadensersatzklagen. Auch in der Kommentierung von Burgers und Danelius zu Art. 14 UN-Folterkonvention gibt es hierzu keine Aussagen. Nach Art. 12 des schwedischen Konventionsentwurfs vom 18.01.1978119 sollte jede Vertragspartei dem Opfer von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ein durchsetzbares Recht auf Entschädigung gewähren, wenn diese Handlungen durch oder auf Veranlassung seiner Amtsträger begangen wurden. Die Begrenzung auf „its public officials“ spricht gegen die Anwendbarkeit dieser Norm bei Klagen gegen fremde Staaten. 1981 übernahm die Arbeitsgruppe einen niederländischen Vorschlag, der die territoriale Begrenzung „committed in any territory under its jurisdiction“ einfügte.120 Später ist diese Begrenzung jedoch verschwunden. Die Gründe hierfür gehen nicht aus den vorbereitenden Arbeiten hervor. Einerseits könnte argumentiert werden, dass das Weglassen beabsichtigt war, weil die endgültige Fassung keine territoriale Begrenzung enthalten sollte. Andererseits ließe sich auch vertreten, dass diese Begrenzung als so selbstverständlich angesehen wurde, dass man es nicht für erforderlich hielt, sie auszusprechen. Dass die Aufnahme der Begrenzung zwar ausdrücklich gefordert und diskutiert wurde, 117 „That it is the understanding of the United States that Article 14 requires a state Party to provide a private right of action for damages only for acts of torture committed in territory under the jurisdiction of that State Party.“ Senate of the United States, Advise and consent to the ratification of the UN Convention against Torture with reservations, 27.10.1990, 12 HRlJ 276 (1991). 118 Dies betonen: Ontario Superior Court of Justice, 124 ILR 427, 440 (2002); Byrnes, in: Scott, S. 537, 546. 119 Siehe: Art. 12 S. 1 Draft International Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, submitted by Sweden on 18 January 1978, Doc. E/CN.4/1285, zitiert nach: Burgers/Danelius, Appendix 6, S. 203 ff.: „Each State Party shall guarantee an enforceable right to compensation to the victim of an act of torture or other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment committed by or at the instigation of its public officials“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 120 Doc. E/CN.4/L.1567; Report of the Commission on Human Rights (1981), UN Doc.E/1981/25 und E/CN.4/1475, zitiert nach: Burgers/Danelius, S. 74.
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen
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sich zu dem Weglassen aber keine Äußerungen finden lassen, spricht eher für ein Versehen als für ein beabsichtigtes Weglassen. Die Begrenzung des territorialen Anwendungsbereichs von Art. 14 Abs. 1 S. 1 UN-Folterkonvention kann nicht durch Rückgriff auf Art. 14 Abs. 2 UN-Folterkonvention, wonach der Artikel nicht einen nach innerstaatlichem Recht bestehenden Anspruch des Opfers oder anderer Personen auf Entschädigung berührt, umgangen werden. Art. 14 Abs. 2 UN-Folterkonvention meint den Fall, in dem ein weiter gehendes Recht im innerstaatlichen Rechtssystem besteht, z. B. wenn das nationale Recht eine höhere Entschädigungssumme zuspricht oder auch Personen, die dem Folteropfer beigestanden haben, für ihre Aufwendungen entschädigt werden.121 4. Ergebnis Die Verpflichtung der Vertragsstaaten, sicherzustellen, dass das Opfer einer Folterhandlung ein einklagbares Recht auf Entschädigung hat, beschränkt sich auf Folterhandlungen auf dem eigenen Staatsgebiet. Aus Art. 14 UN-Folterkonvention ist bei Klagen eines Folteropfers gegen einen fremden Staat damit keine Ausnahme von der Staatenimmunität abzuleiten.
III. Immunitätsausnahme aus Art. 2 Abs. 3 und Art. 14 IPbürgR Es könnte sich eine Immunitätsausnahme aus dem Recht auf eine wirksame Beschwerde in Art. 2 Abs. 3 IPbürgR und der Verfahrensgarantie des Art. 14 IPbürgR ergeben. 1. Beispielsfälle und Inhalt der Regelungen Eine Immunitätsbeschränkung aufgrund der prozessualen Garantien des IPbürgR wurde u. a. in dem Fall Bouzari and others v. Islamic Republic of Iran122 und im Distomo-Fall bei der Klage der Bundesrepublik gegen Vollstreckungshandlungen in deutsches Eigentum in Griechenland diskutiert. Die Bundesrepublik wurde wegen Wehrmachtsverbrechen in Griechenland durch das LG Livadia zur Zahlung von ca. 28,63 Mio. Euro verurteilt. Das Urteil wurde nach der erfolglosen Revisionseinlegung rechtskräftig. Da Deutschland nicht zahlte, versuchten die Kläger in deutsches Eigentum in Griechenland zu vollstrecken. Am 11.07.2000 erschien die Gerichtsvollzieherin im GoetheInstitut und eine Woche später im Deutschen Archäologischen Institut, um die 121 122
Burgers/Danelius, S. 147. Siehe: Fünfter Teil, C. I. 1.
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
Pfändung der Grundstücke vorzubereiten. Nach Art. 923 der griechischen Zivilprozessordnung (gr. ZPO) ist aber die Zustimmung durch den Justizminister ein Erfordernis für die Zwangsvollstreckung in Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates. Die Zustimmung wurde nicht erteilt. Dennoch wurden Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Hiergegen ging die Bundesrepublik gerichtlich vor. Das Athener Gericht Erster Instanz123 und das Oberlandesgericht Athen124 beschäftigten sich mit der Frage, ob das Erfordernis der Zustimmung zur Zwangsvollstreckung in die Vermögensgegenstände eines ausländischen Staates mit den Gewährleistungen des IPbürgR vereinbar sei. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) enthält Menschenrechte, die direkt von Individuen oder Gruppen mit inländischen Rechtsbehelfen durchgesetzt werden können.125 Nach Art. 2 Abs. 3 a) IPbürgR verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, dafür Sorge zu tragen, dass jeder, der in seinen in diesem Pakt anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht besitzt, eine wirksame Beschwerde einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben. Während Art. 2 Abs. 3 a) IPbürgR das Recht auf eine wirksame Beschwerde (effective remedy) bei Konventionsverletzungen normiert, behandelt Art. 2 Abs. 3 c) IPbürgR die Durchsetzung von erfolgreichen Rechtsbehelfen.126 Art. 14 Abs. 1 IPbürgR enthält eine allgemeine Verfahrensgarantie für Zivilund Strafverfahren. Art. 14 Abs. 1 S. 1 IPbürgR bestimmt, dass alle Menschen vor Gericht gleich sind. Nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 IPbürgR hat jedermann Anspruch darauf, dass über eine gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage oder seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in billiger Weise 123 Athener Gericht Erster Instanz, Entscheidung v. 10.07.2001 (Az. 3666 und 3667/ 2001) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt. 124 OLG Athen, Entscheidung v. 14.09.2001 (Az. 6847/2001 und 6848/2001) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt. 125 Nowak, Introduction, Rn. 14. 126 Art. 2 Abs. 3 IPbürgR in der nach Art. 53 Abs. 1 IPbürgR amtlichen englischen Fassung lautet: „Each State to the present Covenant undertakes: a) To ensure that any person whose rights or freedoms are violated shall have an effective remedy, notwithstanding that the violation has been committed by persons acting in an official capacity; b) To ensure that any person claiming such a remedy shall have his right thereto determined by competent judicial, administrative or legislative authorities, or by any other competent authority provided for by the legal system of the state, and to develop the possibilities of judicial remedy; c) To ensure that the competent authorities shall enforce such remedies when granted.“
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen
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und öffentlich verhandelt wird. Art. 14 Abs. 1 IPbürgR ähnelt Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. Nach Auffassung der Menschenrechtskommission ist aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 IPbürgR ein Recht auf Zugang zu einem Gericht abzuleiten.127 Wenn ein Beschwerdeführer eine gerichtliche Entscheidung begehrt, könnte das Recht auf Zugang zu einem Gericht gegenüber dem Recht auf eine effektive Beschwerdemöglichkeit bei Konventionsverletzungen spezieller sein.128 Da die Immunitätsgewährung in der Praxis aber sowohl an Art. 2 Abs. 3 IPbürgR als auch an Art. 14 IPbürgR gemessen wurde, sollen beide Regelungen untersucht werden. 2. Analyse von Art. 2 Abs. 3 IPbürgR Das Athener Landgericht129 befand im Distomo-Fall, dass Art. 923 gr. ZPO, nach dem die Zwangsvollstreckung gegen einen ausländischen Staat nicht ohne die Erteilung der vorherigen Einwilligung des Justizministers betrieben werden kann, gegen Art. 2 Abs. 3 IPbürgR verstoße. Das OLG Athen130 hielt dagegen den Einwilligungsvorbehalt für mit dem Völkerrecht vereinbar. Art. 923 gr. ZPO sehe die Zustimmung der vollziehenden Gewalt vor, weil nur diese in der Lage sei, anhand von (politischen) Zweckmäßigkeitskriterien die Gefahren abzuwehren, die eine solche Zwangsvollstreckung gegen den ausländischen Staat für die internationalen Beziehungen des Landes mit sich bringen könne. Das Gericht verwies darauf, dass Art. 2 Abs. 3 c) IPbürgR nur die Durchsetzung der in dem IPbürgR gewährten Rechte erfasse. Ein Recht auf Vermögen zähle nicht hierzu. Das OLG verneinte eine Verletzung des IPbürgR zusätzlich mit dem Argument, dass das Recht auf effektiven Rechtsschutz und das Recht auf die Betreibung der Zwangsvollstreckung keine absoluten Rechte seien, sondern vielmehr Schranken unterlägen, die legitim seien, wenn sie einen rechtmäßigen Zweck allgemeinen Interesses verfolgten, zu diesem Zweck verhältnismäßig seien und den Kernbereich des Rechtes nicht aufhöben. Diese Voraussetzungen hielt das Gericht für erfüllt. Der Areopag bestätigte die Entscheidung des OLG.131 127 Human Rights Commission, Angel N. Oló Bahamonde v. Equatorial Guinea, 10.11.1993, Communication No. 468/1991 (UN Doc.CCPR/C/49/D/1991), IHRR 1 (No. 2) (1994), 147, 151, Ziff. 9.4. 128 So anscheinend auch: Nowak, Art. 2, Rn. 60. 129 Athener Gericht Erster Instanz, Entsch. v. 10.07.2001 (Az. 3666 und 3667/2001) – unveröffentlicht. 130 OLG Athen, Entsch. v. 14.09.2001 (Az. 6847/2001 und 6848/2001) – unveröffentlicht. 131 Areopag, Entsch. v. 28.06.2002 (Az. 36/2002 und 37/2002) – unveröffentlicht. Entscheidungstext wurde freundlicherweise vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt.
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
Wortlaut und Systematik des Art. 2 Abs. 3 IPbürgR bestätigen, dass eine Verletzung des Art. 2 Abs. 3 c) IPbürgR nur in Verbindung mit der konkreten Ausübung eines der im Pakt garantierten materiellen Rechte erfolgen kann.132 Da es an einem solchen Recht fehlt, erfolgte die Verneinung einer Verletzung des Abs. 3 c) IPbürgR zu Recht. Auch wenn dass OLG Athen im Ergebnis eine Verletzung des Art. 2 Abs. 3 c) IPbürgR verneinte, so scheint es diesen Artikel in Fällen, in denen es um die Durchsetzung eines Konventionsrechts, z. B. das Folterverbot in Art. 7 IPbürgR, geht, für betroffen zu halten. Es ist aber bereits zweifelhaft, ob diese Regelung überhaupt einschlägig ist, wenn fremde Staaten oder ihre Funktionsträger verklagt werden, mit anderen Worten, ob sie die Gerichtsbarkeit des Forumstaates zu erweitern vermag. Nach Art. 2 Abs. 1 IPbürgR verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen zu gewährleisten. Der Anwendungsbereich der Verpflichtung, die in dem Pakt anerkannten Rechte zu achten und zu gewährleisten, wird auf den territorialen Herrschaftsbereich des Staates eingegrenzt („within its territory and subject to its jurisdiction“). Vor diesem Hintergrund scheint die Verpflichtung auf Einräumung einer effektiven Beschwerdenmöglichkeit in Art. 2 Abs. 3 a) IPbürgR sich auf den territorialen Herrschaftsbereich der Staaten zu beschränken. Art. 2 Abs. 3 b) IPbürgR gewährt den Anspruch auf Feststellung eines Rechts durch ein „zuständiges“ Gerichts-, Verwaltungs- oder Gesetzgebungsorgan („determined by competent judicial, administrative or legislative authorities“) oder durch eine andere „zuständige“ Stelle („competent authority“). Nach Art. 2 Abs. 3 c) IPbürgR besteht das Recht, dass die „zuständigen“ Stellen („competent authorities“) den Beschwerden Geltung verschaffen. Zuständigkeit setzt das Vorhandensein von Gerichtsbarkeit voraus. Die Regelung beabsichtigt nicht die Begründung einer sonst gar nicht vorhandenen Gerichtsbarkeit. 3. Analyse von Art. 14 IPbürgR Es könnte sich aber aus Art. 14 IPbürgR eine Immunitätsausnahme in einem Klageverfahren gegen einen anderen Vertragsstaat des IPbürgR ergeben. Der Ontario Superior Court of Justice und der Ontario Court of Appeal befanden in der Rechtssache Bouzari v. Islamic Republic of Iran, dass der IPbürgR nicht dazu verpflichte, Zugang zu den Gerichten bei Folterhandlungen zu gewähren, die von ausländischen Staaten außerhalb der kanadischen Hoheitsgewalt begangen wurden.133 Art. 14 IPbürgR beinhalte das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung durch ein zuständiges, unparteiisches und auf Ge132
Nowak, Art. 2, Rn. 3.
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setz beruhendes Gericht. Bisher sei diese Regelung noch nicht so interpretiert worden, dass sie von einem Staat verlange, für den Zugang zu seinen Gerichten auch bei Handlungen, die außerhalb seiner Jurisdiktion begangen wurden, zu sorgen. Der Superior Court of Justice verwies auch auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK.134 Die Menschenrechtskommission leitete aus Art. 14 IPbürgR zwar ab, dass der Gedanke der Gleichheit vor den Gerichten und Tribunalen auch den Zugang zum Gericht erfasse und eine Situation, in der die Versuche eines Individuums, die zuständigen Jurisdiktionen („competent jurisdictions“) mit ihren Beschwerden zu befassen, systematisch frustriert werden, den Garantien aus Art. 14 Abs. 1 IPbürgR zuwiderlaufe.135 Sie spricht jedoch wie Art. 14 Abs. 1 S. 2 IPbürgR von den „competent jurisdictions“. Die Gleichheit vor den Gerichten und das Recht auf gerichtliche Verhandlung erscheint damit auch nur innerhalb der bestehenden Gerichtsbarkeit garantiert. Während einige Stimmen im völkerrechtlichen Schrifttum schon per se die Fähigkeit der Verfahrensgarantie verneinen, den Immunitätsschutz zu begrenzen, wollen andere Autoren differenzieren. Nach Auffassung von Damian entfaltet die Rechtsschutzgarantie ihre Wirkung nur innerhalb des staatlichen Zuständigkeitsbereichs, also jenseits der überkommenen völkerrechtlichen Grenzen des Immunitätsrechts. Die Verfahrensgarantien seien nicht dazu bestimmt, den Umfang nationaler Gerichtsbarkeit über fremde Staaten festzulegen.136 Nach der Ansicht von Hess ist nicht allein unter Berufung auf den Rechtsschutzanspruch die Klage gegen den beklagten Staat zuzulassen. Art. 14 IPbürgR enthalte keine Aussage darüber, wo das Verfahren durchzuführen sei. Die Verfahrensgarantie könne im Verhältnis zum ausländischen Staat so verstanden werden, dass der beklagte Staat, sofern er Immunität geltend mache, dem privaten Kläger zumindest vor seinen eigenen Gerichten eine Klagemöglichkeit einräumen müsse.137 Dabei erfordere die Garantie, dass über den Anspruch von einem unabhängigen, unparteiischen Gericht in einem rechtsstaatlichen Verfahren entschieden werde. Bestehe diese Möglichkeit nicht, habe der private Kläger 133 Ontario Superior Court of Justice, Bouzari and others v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 1.05.2002, 124 ILR 427, 441 (2002); Ontario Court of Appeal, http:// www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.pdf (22.04.2005), Ziff. 82 f. 134 Siehe unten: Fünfter Teil, C. IV. 135 Human Rights Commission, Angel N. Oló Bahamonde v. Equatorial Guinea, 10.11.1993, Communication No. 468/1991 (UN Doc.CCPR/C/49/D/1991), IHRR 1 (No. 2) (1994), 147, 151, Ziff. 9.4: „The Committee observes that the notion of equality before the courts and tribunals encompasses the very access to the courts and that a situation in which an individual’s attempts to seize the competent jurisdictions of his/her grievances are systematically frustrated runs counter to the guarantees of article 14, paragraph 1.“ 136 Damian, S. 16 f. 137 Hess, S. 318 f.
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einen Anspruch darauf, dass seine mögliche Rechtlosstellung bei der Entscheidung über die Gewährung der Immunität berücksichtigt werde. Art. 14 IPbürgR wird überwiegend so verstanden, dass er nicht die Gerichtsbarkeit eines Staates zu begründen vermag, sondern sie vielmehr voraussetzt. Diese Auslegung findet darin Bestätigung, dass während der Erarbeitung des Art. 14 IPbürgR sich verschiedene Delegierte dahin gehend äußerten, dass die diplomatische und parlamentarische Immunität unberührt blieben.138 Erst, wenn bei bestehender Gerichtsbarkeit den Individuen der Zugang zu den Gerichten verweigert wird, ist Art. 14 IPbürgR einschlägig. 4. Ergebnis Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in Art. 2 Abs. 3 IPbürgR und die Verfahrensgarantien in Art. 14 IPbürgR setzen das Bestehen von Gerichtsbarkeit voraus und erweitern sie nicht.
IV. Immunitätsbeschränkung aufgrund der prozessualen Garantien der EMRK Es könnte sich aus den Verfahrensgarantien der EMRK, die durch die Auslegung des EGMR besonderes Gewicht bekommen haben, eine Immunitätsausnahme ergeben. 1. Beispielsfälle und Überblick über die prozessualen Garantien der EMRK Zu den Fällen, in denen die Immunitätsgewährung durch einen Vertragsstaat Prüfungsgegenstand war, zählten McElhinney v. Ireland,139 Al-Adsani v. The United Kingdom140 und Fogarty v. The United Kingdom.141 Im letzteren Fall klagte eine irische Staatsbürgerin wegen sexueller Diskriminierung vor britischen Gerichten gegen die USA, nachdem sie sich erfolglos um Stellen als Sekretärin im Office of Foreign Litigation des US Justizministeriums und im International Marketing Centre des amerikanischen Foreign Commer-
138
Siehe bei: Nowak, Art. 14, Rn. 6, Fn. 26. EGMR, McElhinney v. Ireland, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415. Siehe: Vierter Teil, A. II. 2. 140 EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403. 141 EGMR, Fogarty v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 157, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 411. 139
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cial Service beworben hatte. Nachdem die Klage mit Hinweis auf die Immunität der Vereinigten Staaten abgewiesen wurde, wendete sie sich an den EGMR. In allen drei Fällen ging es um die Immunitätsgewährung im Erkenntnisverfahren. Dagegen rügten im Fall Kalogeropoulou et al. v. Greece and Germany142 die Beschwerdeführer die Weigerung der griechischen und deutschen Behörden, das Urteil des LG Livadia zu vollstrecken.143 Als Konventionsrechte der Beschwerdeführer, die durch die Immunitätsgewährung verletzt werden könnten, kommen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und Art. 13 EMRK in Betracht. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage vor einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhendem Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.144 Aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK leitet der Gerichtshof auch das Recht auf Zugang zu einem Gericht im Rahmen des Anwendungsbereichs der Vorschrift ab.145 Dieses Recht sei jedoch nicht absolut, sondern unterliege stillschweigenden Beschränkungen, da es seiner Natur nach eine staatliche Regelung erfordere.146 Art. 13 EMRK gewährt jedem Menschen, der in seinen in der Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.147 Das Recht auf wirksame Beschwerde setzt eine behauptete, nicht notwendigerweise schon festgestellte Verletzung einer anderen materiellen
142 EGMR, Kalogeropoulou and others v. Greece and Germany, Entsch. v. 12.12. 2002, ECHR 2002-X, 415, deutsche Übersetzung in: NJW 2004, 273. 143 Siehe hierzu auch: Fünfter Teil, C. III. 1. 144 Vgl. in der nach der Schlussklausel zur EMRK authentischen englischen Sprachfassung: „In the determination of his civil rights and obligations or of any criminal charge against him, everyone is entitled to a fair and public hearing within a reasonable time by an independent and impartial tribunal established by law.“ 145 EGMR, Golder v. The United Kingdom, Urt. v. 21.02.1975, Ser. A, Nr. 18, 13, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1975, 91, Ziff. 35: „Aux yeux de la Cour, on ne comprendrait pas que l’article 6 § 1 décrive en détail les garanties de procédure accordées aux parties à une action civile en cours et qu’il ne protège pas d’abord ce qui seul permet d’en bénéficier en réalité: l’accès au juge.“ 146 EGMR, Ser. A, Nr. 18, 13, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1975, 91, Ziff. 37 ff. 147 Vgl. in der authentischen englischen Sprachfassung: „Everyone whose rights and freedoms as set forth in this Convention are violated shall have an effective remedy before a national authority notwithstanding that the violation has been committed by persons acting in an official capacity.“
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
Konventionsnorm (sog. „arguable claim“) voraus.148 Die Formulierung in Art. 13 EMRK „selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben“ („notwithstanding that the violation has been committed by persons acting in an official capacity“) könnte auf eine Ausnahme von der Immunität, die grundsätzlich bei amtlichem Handeln besteht, hindeuten.149 In der Literatur werden Immunitätsregelungen teilweise an beiden Normen gemessen.150 Überwiegend wird die Immunitätsgewährung ausschließlich anhand von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK geprüft.151 Die Garantie aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK reiche weiter, indem sie einen gerichtlichen Rechtsbehelf und die Bestimmung aller zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen, und nicht nur der in der Konvention niedergelegten, erfasse, und sie unterliege strengeren Voraussetzungen als Art. 13 EMRK.152 Deshalb überlagere das Recht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK den Art. 13 EMRK als lex specialis. Die Formulierung in Art. 13 EMRK a. E. wird historisch dadurch erklärt, dass nach der Tradition des common law Rechtsverletzungen durch staatliche Organe nicht ohne weiteres einklagbar sind (sog. „crown immunities“) und der Zusatz in Art. 13 EMRK a. E. einer solchen Auffassung entgegentreten sollte.153 Bei einem solchen Verständnis ist im Hinblick auf die Immunität ausländischer Staaten und ihrer Organe Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK der richtige Prüfungsmaßstab. 2. Rechtsprechung des EGMR Der Gerichtshof prüfte in mehreren Fällen eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK durch die Gewährung von Immunität. a) Betroffenheit des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK Bei der Begründung der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verwies der Gerichtshof auf seine ständige Rechtsprechung,154 wonach Art. 6 148 EGMR, Klass and others v. The United Kingdom, Urt. v. 6.09.1978, Ser. A 28, 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1979, 278, Ziff. 64. 149 Orakhelashvili, EJIL 2003, 529, 552; Gornig, in: Ipsen/Schmidt-Jortzig, S. 457, 483. 150 Bröhmer, S. 165. 151 Grabenwarter, § 24, Rn. 52 ff. 152 EGMR, Osman v. The United Kingdom, Urt. v. 28.10.1998, Nr. 23452/94, ECHR 1998-VIII, 3124, Ziff. 158. 153 Grabenwarter, § 24, Rn. 177. 154 Siehe: EGMR, Z and others v. The United Kingdom, Urt. v. 10.05.2001, ECHR 2001-V, 1, Ziff. 87 und die dort angegebenen Urteile.
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen
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Abs. 1 S. 1 EMRK nur für Streitigkeiten über Ansprüche und Verpflichtungen gilt, deren Existenz nach innerstaatlichem Recht zumindest vertretbar angenommen werden könne.155 Die Konventionsorgane dürften nicht über Art. 6 Abs. 1 EMRK zivilrechtliche Ansprüche schaffen, die keine gesetzliche Grundlage im betreffenden Staat haben. Andererseits sei es jedoch mit der Vorherrschaft des Rechts in einer demokratischen Gesellschaft und dem Art. 6 Abs. 1 EMRK zugrunde liegenden Prinzip der gerichtlichen Einklagbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche unvereinbar, wenn ein Staat ohne Beschränkung und ohne Kontrolle der Konventionsorgane eine ganze Reihe von Zivilklagen der Kompetenz seiner Gerichte entziehen oder große Personengruppen von jeder zivilrechtlichen Haftung ausschließen könnte.156 In den Fällen McElhinney und Al-Adsani stellte der Gerichtshof darauf ab, dass der Beschwerdeführer eine Schadensersatzklage wegen Misshandlung, Körperverletzung bzw. im Fall Mc Elhinney auch schuldhafter Verletzung von Amtspflichten erheben wollte. Dabei handele es sich um dem irischen (im Fall McElhinney) und dem britischen Recht (im Fall Al-Adsani) wohl bekannte Klagegründe. Im Fall Fogarty verwies der Gerichtshof darauf, dass die Beschwerdeführerin aufgrund Art. 6 des Gesetzes von 1975 über die sexuelle Diskriminierung Klage erhob und damit einen Anspruch geltend machte, der dem britischen Recht bekannt sei. Der Gerichtshof hält auch die Tatsache, dass die Anwerbung der Bewerber über die US-Botschaft erfolge, für kein Hindernis, das der Anwendung des Art. 6 EMRK entgegenstehe. Den Einwand, dass die Beschwerdeführer wegen der Staatenimmunität keinen materiellen Anspruch nach innerstaatlichem Recht haben, weist der Gerichtshof zurück. Bei der Immunitätsgewährung handele es sich nicht um die Ausgestaltung eines materiellen Rechts, sondern um ein prozessuales Hindernis, das die Kompetenz der nationalen Gerichte zur Entscheidung über dieses Recht ausschließe. Wenn der Staat sich nicht auf seine Immunität berufe, werde die Klage geprüft und vom Gericht entschieden werden. Damit liege eine echte und ernsthafte Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche vor und Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK sei anwendbar.157
155 EGMR, McElhinney v. Ireland, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415, Ziff. 23; EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 46; EGMR, Fogarty v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 157, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 4, Ziff. 24. 156 EGMR, ECHR 2001-XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415, Ziff. 24; EGMR, ECHR 2001-XI, 157, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 411, Ziff. 25; EGMR, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 47. 157 EGMR, ECHR 2001-XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415, Ziff. 26; EGMR, ECHR 2001-XI, 157, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 411,
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
Im Fall Kalogeropoulou argumentierte der EGMR, dass das Recht auf Zugang zu einem Gericht illusorisch wäre, wenn die Rechtsordnung eines Vertragsstaates es zuließe, dass ein rechtskräftiges und verbindliches Urteil zum Nachteil einer Verfahrenspartei nicht vollstreckt werden könnte. Die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung sei, unabhängig davon, in welcher Instanz sie ergangen ist, untrennbarer Bestandteil des „Verfahrens“ i. S. von Art. 6 EMRK.158 b) Rechtfertigung der Einschränkung Im nächsten Prüfungsschritt betonte der Gerichtshof, dass das Recht auf Zugang zu einem Gericht immanenten Beschränkungen unterworfen sei, da es schon seinem Wesen nach staatlicher Regelung bedürfe. Der Gerichtshof gewährt den Staaten bei der Regelung des Zugangs zu den Gerichten einen Ermessensspielraum. Er behält sich allerdings vor, sich zu vergewissern, dass die auferlegten Schranken den Zugang des Einzelnen nicht in einer solchen Weise oder in einem solchen Ausmaß einschränken oder vermindern, dass das Recht in seinem Kern beeinträchtigt werde. Beschränkungen seien nur dann mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgten und die angewandten Mittel zu diesem Ziel in einem vernünftigen Verhältnis stünden.159 Nach Auffassung des EGMR bedeutet die Gewährung von Staatenimmunität eine Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht. In allen vier Fällen bejahte der Gerichtshof jedoch, dass die Rechtsbeschränkung zum Ziel in einem vernünftigen Verhältnis stehe. Im Allgemeinen könnten Maßnahmen einer Vertragspartei, die Ausdruck der allgemein anerkannten völkerrechtlichen Prinzipien der Staatenimmunität seien, keine unverhältnismäßige Beschränkung des von Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Zugangs zu einem Gericht darstellen: „It follows that measures taken by a High Contracting Party which reflect general recognised rules of public international law on State immunity cannot in principle be regarded as imposing a disproportionate restriction on the right of access to court as embodied in Article 6 § 1.“160
Ziff. 28; EGMR, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 49. 158 EGMR, Kalogeropolou and others v. Greece and Germany, Entsch. v. 12.12. 2002, ECHR 2002-X, 415, 427, deutsche Übersetzung in: NJW 2004, 273. 159 EGMR, Waite and Kennedy v. Germany, Urt. v. 18.02.1999, ECHR 1999-I, 393, Ziff. 59 ff. 160 EGMR, McElhinney v. Ireland, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415, Ziff. 37; EGMR, Fogarty v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 157, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 411, Ziff. 36; EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 56.
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Ähnlich wie das Recht auf Zugang zu einem Gericht Bestandteil der Garantie eines fairen Verfahrens sei, müssten bestimmte Einschränkungen beim Zugang ebenso als Bestandteil dessen betrachtet werden. c) Abweichende Auffassung des Richters Loucaides Richter Loucaides brachte in den Fällen McElhinney v. Ireland, Fogarty v. The United Kingdom und Al-Adsani v. The United Kingdom seine abweichende Auffassung in einem Sondervotum zum Ausdruck.161 Die EMRK sei lex specialis im Verhältnis zum allgemeinen Völkerrecht. Das allgemeine Völkerrecht werde von der EMRK nur dort berücksichtigt, wo diese ausdrücklich darauf Bezug nehme. Eine Immunität, die vollständig verhindere, dass eine Rechtssache gerichtlich entschieden wird, verletze den Wesensgehalt des Art. 6 Abs. 1 EMRK. Im Fall McElhinney ändere daran auch die Möglichkeit einer Klage in Nordirland nichts. Die Verletzung der EMRK durch die Rechtsordnung des Beschwerdegegners könne nicht durch den Verweis auf das Recht eines anderen Mitgliedsstaates beseitigt werden. 3. Europäische Kommission für Menschenrechte Eine restriktive Auslegung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK nahm die Europäische Menschenrechtskommission vor. Sie befand, dass das Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht erfordere, dass Gerichte unbegrenzte Gerichtsbarkeit besäßen. Insbesondere solle das Recht mit der erforderlichen Rücksicht im Hinblick auf die traditionell anerkannten parlamentarischen und diplomatischen Immunitäten ausgelegt werden. In diesen Fällen sei der Beklagte unzugänglich, und es sei Sache des inländischen Gerichts, die erforderliche Begrenzung der Gerichtsbarkeit anzuwenden: „Elle rappelle en outre que conformément à la jurisprudence des organes de la convention, le droit d’accès aux tribunaux n’exige pas que ceux-ci soient dotés d’une compétence illimitée; en particulier, l’article 6 de la Convention doit s’interpréter en tenant dûment compte des immunités parlementaire et diplomatique généralement admises: en pareil cas, le défendeur est inaccessible et c’est au tribunal qu’il appartient alors d’appliquer la limitation correspondante à sa compétence.“162
161 Dissenting Opinion of Judge Loucaides, in: EGMR, Fogarty v. The United Kingdom, ECHR 2001-XI, 171, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415; derselbe, in: EGMR, McElhinney v. Ireland, ECHR 2001-XI, 55, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 419; derselbe, in: EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, ECHR 2001-XI, 115, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 410. 162 Europäische Kommission für Menschenrechte, N., C., F. et A.G. c. Italie, Entsch. v. 04.12.1995, Application 24236/94, D.R. 84-B, 84, 88.
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5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
4. Nationale Rechtsprechung Das House of Lords befasste sich in dem Fall Holland v. Lampen-Wolfe163 mit der Frage, ob in der Immunitätsgewährung durch britische Gerichte in einem Klageverfahren einer US-Bürgerin gegen einen zivilen Angestellten des Verteidigungsministeriums wegen Verleumdung ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK vorliegt. Lordrichter Millet verneinte dies, aber nicht mit den Argumenten, dass das durch Art. 6 EMRK gewährte Recht kein absolutes sei oder die Gewährung von Staatenimmunität ein legitimes Ziel verfolge, sondern vielmehr bereits mit der fehlenden Anwendbarkeit. Art. 6 EMRK verbiete einem Vertragsstaat, Individuen den Vorteil der Gerichtsbarkeit zu versagen. Art. 6 EMRK dehne aber nicht den Machtbereich der Rechtsprechung aus, sondern setze voraus, dass die Staaten die Befugnis zu richterlicher Entscheidungsfindung besäßen. Den Staaten würden keine Rechtsprechungsbefugnisse verliehen, die sie gar nicht hätten: „Article 6 requires contracting states to maintain fair and public judicial process and forbids them to deny individuals access to those processes for the determination of their civil rights. It presupposes that the contracting states have the powers of adjudication necessary to resolve the issues in dispute. But it does not confer on contracting states adjudicative powers which they do not possess.“164
Dies begründet Lord Millett damit, dass die Gewährung von Staatenimmunität kraft Völkergewohnheitsrechts gefordert werde und es sich damit nicht um eine Beschränkung handle, die die Staaten sich selbst auferlegen. Die EMRK leite ihre Bindungskraft von dem Konsens der Vertragsstaaten ab. Die Vereinigten Staaten seien jedoch nicht Mitgliedsstaat der EMRK, und sie hätten auch nicht auf Immunität verzichtet. Das Vereinigte Königreich könne nicht durch den Beitrittsakt zu der Konvention und ohne Zustimmung der USA eine Rechtsprechungsgewalt erlangen, die das Völkerrecht gerade verneine.165 Die Auffassung von Lord Millett fand auch bei den anderen Richtern des House of Lords Zustimmung.166 Anders entschied der Court of Appeal im Fall Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya167 im Hinblick auf die Immunität staat163 House of Lords, Holland v. Lampen-Wolfe, Entsch. v. 20.07.2000, 119 ILR 367 (2002). 164 Lord Millett, in: House of Lords, 119 ILR 367, 383 f. (2002). 165 Lord Millett, in: House of Lords, 119 ILR 367, 384 (2002). 166 Lord Hope of Craighead, in: House of Lords, 119 ILR 367, 372 (2002); Lord Cooke of Thorndon, in: House of Lords, 119 ILR 367, 372 f. (2002); Lord Hobhouse of Woodborough, in: House of Lords, 119 ILR 367, 376 (2002). 167 Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/ 1394.html (15.04.2005).
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licher Funktionsträger. Folteropfer klagten u. a. gegen den mutmaßlich verantwortlichen saudi-arabischen Amtsträger. Der Court of Appeal hielt Art. 6 Abs. 1 EMRK ohne nähere Begründung für anwendbar.168 Es gebe Situationen, in denen es eine unverhältnismäßige Beschränkung der Verfahrensgarantie darstelle, wenn ein Staat sich für Folterhandlungen seiner Amtsträger auf Immunität berufen könne. Dabei hielt das Gericht es für beachtlich, dass die Opfer die Nationalität des Forumstaates besitzen. Außerdem sei ein relevanter Faktor, ob der Anstellungsstaat der Täter einen inländischen Rechtsbehelf für die mutmaßlichen systematischen Folterhandlungen gewähre oder nicht. Das Gericht betont, dass Konventionsrechte praktisch und effektiv auszulegen seien.169 Vor diesem Hintergrund könne staatlichen Beamten, denen systematische Folterhandlungen vorgeworfen werden, keine Blankettimmunität mehr gewährt werden.170 Der österreichische OGH befand in dem Verfahren betreffend die Vaterschaftsklage einer österreichischen Staatsbürgerin gegen den Rechtsnachfolger des verstorbenen Fürsten von Liechtenstein, dass bei der Gewährung von Immunität Art. 6 Abs. 1 EMRK anwendbar, aber nicht verletzt sei.171 Nur wenn der Heimatstaat des Staatsoberhauptes die Vaterschaftsklage – etwa aus verfahrensrechtlichen Gründen – abschneide, könne die Immunität verdrängt werden und aus den menschenrechtlichen Justizgewährleistungspflichten ein Anspruch auf gerichtliche Entscheidung resultieren. 5. Auffassungen im Schrifttum Die Ansichten in der völkerrechtlichen Literatur gehen weit auseinander. a) Vertreter einer Immunitätsausnahme Nach einer von Pahr vertretenen Auffassung ist die Gewährung von Staatenimmunität unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, da Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK eine Differenzierung nach dem Status der Prozesspartei nicht vorsehe.172 Es entspreche weder dem fair trial-Grundsatz noch dem Prinzip der Waffengleichheit, wenn ein Staat in einem zivilrechtlichen Streit nur vor seinen eigenen Gerichten belangt werden könne.173
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Lord Mance LJ, in: Court of Appeal, EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 82 ff. Siehe hierzu: Fünfter Teil, B. II. 3. b). 170 Lord Mance, in: Court of Appeal, EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 92 ff. 171 Österreichischer OGH, Anita W. gegen Johannes Adam, Fürst von Liechtenstein u. a., Entsch. v. 14.02.2001, EUGRZ 2001, 513, 515. 172 Pahr, in: Mélanges offerts à Polys Modinos, S. 222, 223 ff.; Orakhelashvili, EJIL 2003, 529, 555 ff. 173 Pahr, in: Mélanges offerts à Polys Modinos, S. 231. 169
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Auch Bröhmer will aus der EMRK eine Immunitätsbeschränkung ableiten können. Ein Staat A könne sich nicht gegenüber einer ihm vorgeworfenen Verletzung des Art. 6 EMRK damit verteidigen, dass er auf ein mögliches Verfahren oder Rechtsmittel in Staat B verweist, weil Staat A auch selbst die Verpflichtungen der EMRK zu erfüllen habe.174 Nur, weil es um Immunitätsfragen gehe, könne dies schwerlich anders beurteilt werden. Selbst wenn man dies täte, könne der Grund hierfür nicht das Verfahren in Staat B sein, sondern vielmehr müsse man eine gewisse immanente Beschränkung des Rechts aus Art. 6 EMRK konstruieren. Bröhmer sieht einige Anzeichen, dass die prozessualen Garantien der EMRK immanenten Beschränkungen unterliegen, die von den Vertragsstaaten anerkannt werden, wie z. B. die parlamentarische Immunität.175 Solche Prinzipien müssten aber eine Grundlage in der Konvention selbst haben. Sie müssten den Zielen der Konvention, wie sie in der Präambel definiert sind, dienen. Die Staatenimmunität diene aber weder der Wahrung der Menschenrechte noch der demokratisch-politischen Ordnung176 (vgl. die Präambel zur EMRK). Auf der Linie von Bröhmer bewegt sich Schermers, der sich mit dem Verhältnis des Rechts auf Zugang zu einem Gericht zu der Immunität von Diplomaten auseinander setzt.177 Er ist der Auffassung, dass eine Priorität der EMRK gegenüber der diplomatischen Immunität innerhalb Europas zu keinen großen Problemen führe. Da alle europäischen Staaten durch die EMRK gebunden seien und sie daher jedermann innerhalb ihrer Gerichtsbarkeit ein faires Verfahren zu garantieren hätten, sei die Gefahr eines Missbrauchs gering. Bei einer Abwägung des fundamentalen Menschenrechts aus Art. 6 Abs. 1 EMRK und der Notwendigkeit diplomatischer Immunität müsse das fundamentale Menschenrecht Vorrang besitzen. Auch wenn Europa noch lange kein Bundesstaat sei, solle die gegenseitige Beziehung zwischen den europäischen Staaten als stark genug angesehen werden, um ohne Immunität auszukommen. Im Hinblick auf die meisten nichteuropäischen Staaten unterscheide sich die Situation nicht erheblich von der Situation in Europa, da viele Staaten an den IPbürgR gebunden seien, der in seinem Art. 14 eine ähnliche Regelung enthalte. Schermers erwägt sogar, dass es sich bei dem Recht auf Zugang zu einem Gericht um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handle, der von allen Staaten respektiert werden müsse. Nach Auffassung von Schermers steht das Recht auf Zugang zu einem Gericht über den völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsregeln betreffend die Immunität von Diplomaten. Dies gelte jedenfalls für Diplomaten aus Vertragsstaaten der EMRK, aber auch im Hinblick auf Vertragsstaaten des 174 175 176 177
Bröhmer, S. 165. Bröhmer, S. 170 f. Bröhmer, S. 186. Schermers, in: Denters/Schrijver, S. 156 ff.
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IPbürgR, weil diese Staaten so betrachtet werden könnten, als hätten sie auf die Berufung auf ihre Immunität zugunsten von Individuen verzichtet. Des Weiteren verweist Schermers auf das wachsende Gewicht des Menschenrechtsschutzes und die Notwendigkeit, berechtigten Forderungen der Individuen nachzukommen. Auch Ress erkennt die Möglichkeit an, dass das Recht auf Zugang zu einem Gericht durch die Gewährung von Immunität beschränkt werden könne.178 Staatenimmunität könne jedoch schwerlich eine immanente Beschränkung des Rechts bilden. Während die parlamentarische Immunität noch als Ausläufer einer effektiven politischen Demokratie im Sinne der Präambel der Konvention gewertet werden könne, fördere die Staatenimmunität weder die Menschenrechte noch die Demokratie.179 Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass Verträge Regeln des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts mit Ausnahme von ius cogensRegeln ersetzten. Der Vorrang der EMRK-Rechte könne jedoch keine Auswirkung auf Drittstaaten haben. Insoweit könne die Konvention das Völkerrecht nicht ändern. b) Vertreter gegen eine Immunitätsausnahme Nach der Meinung von Voyiakis erlegen Konventionsrechte wie Art. 6 Abs. 1 EMRK einem Staat auf, wie er seine Jurisdiktion auszuüben habe. Sie könnten die Jurisdiktion aber nicht über das hinaus ausdehnen, was durch das Völkerrecht erlaubt ist.180 Der Gerichtshof habe die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Begrenzung falsch angewandt. Voyiakis verweist auf Art. 1 EMRK, wonach die Vertragsstaaten allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt 1 enthaltenen Rechte und Freiheiten zusichern. Eine durch das Völkerrecht auferlegte Jurisdiktionsbegrenzung führe dazu, dass die Materie, die von der Jurisdiktionsbegrenzung abgedeckt wird, nicht der Hoheitsgewalt der Vertragspartei unterstehe. Voyakis bezieht sich auf die Entscheidung des EGMR im Fall Bankovic´ v. Belgium, in dem Bürger der Republik Jugoslawien unter Berufung auf das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK), die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 13 EMRK) wegen der Luftangriffe der NATO auf eine serbische Radiostation In-
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Ress, in: de Salvia/Villinger, S. 175, 199 f. Ress verweist auf die Entscheidung: Europäische Kommission für Menschenrechte, Philip Burnett Agee v. the United Kingdom, Entsch. v. 17.12.1976, Nr. 7729/ 76, D.R. 7 (1977), 164, 175. In dieser Entscheidung stellt die Kommission fest, dass die parlamentarische Immunität eine Folge der „effective political democracy“ im Sinne der Präambel sei. Zur Staatenimmunität bzw. zu der Frage, ob auch Ziele außerhalb der Präambel verfolgt werden können, äußerte sich die Kommission aber nicht. 180 Voyiakis, 52 ICLQ 297, 308 (2003). 179
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dividualbeschwerde erhoben.181 Der Gerichtshof untersuchte, ob die Antragssteller unter die Hoheitsgewalt („within their jurisdiction“) der beklagten Staaten fallen. Er befand, dass sich diese „jurisdiction“ grundsätzlich auf das eigene Territorium beschränke und eine Ausnahme nur bei einer „effective control“ über grundsätzlich fremdes Hoheitsgebiet (z. B. bei militärischer Besetzung) anzunehmen sei.182 Vor diesem Hintergrund erklärte der Gerichtshof die Individualbeschwerde für unzulässig. Auch wenn die Entscheidung des EGMR sich nur zu Begrenzungen territorialen Charakters geäußert habe, gebe es keinen Grund, durch das Völkerrecht auferlegte Begrenzungen, nämlich solche ratione personae oder materiae, nicht ebenso zu behandeln. 6. Bewertung und Stellungnahme Die restriktiven Literaturauffassungen und die Äußerungen des House of Lords werfen zuerst die Frage auf, ob das Recht auf Zugang zu einem Gericht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK durch die Gewährung von Staatenimmunität überhaupt berührt wird. Aus Art. 1 EMRK ergibt sich nicht, dass die Gewährung von Staatenimmunität nicht an der Konvention gemessen werden darf. Diese Norm besagt, dass sich nur Personen auf die Konvention berufen können, die auch der Herrschaftsgewalt („shall secure everyone within their jurisdiction“) eines Vertragsstaates unterstehen. Da ein Staat grundsätzlich nur auf seinem eigenen Gebiet Hoheitsgewalt ausüben kann, ist der Anwendungsbereich der EMRK (mit der Ausnahme der „effective control“ über fremdes Staatsgebiet) auf das Territorium der Vertragsstaaten beschränkt. In allen Fallkonstellationen wurde den Beschwerdeführern der Zugang zu den Gerichten durch die Gerichte der Vertragsstaaten verwehrt. Demnach war der Anwendungsbereich der EMRK eröffnet. Bei der Frage der Staatenimmunität geht es nicht um die Jurisdiktion über die Personen, die sich auf die Konvention berufen, sondern um die Jurisdiktion über den fremden Staat, der von einer Person, die sich auf die Konvention beruft, verklagt wurde. Problematisch ist, dass der Gerichtshof und ein großer Teil der Literatur alle Immunitäten (z. B. parlamentarische Immunität, Immunitäten nach nationalem Amtshaftungsrecht, diplomatische Immunität und Staatenimmunität) gleichermaßen am Recht auf Zugang zu Gericht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK prüfen, auch wenn erkannt wird, dass die Immunitäten unterschiedliche Grundlagen haben, die teils im nationalen Recht und teils im Völkerrecht liegen.183 Gerade 181 EGMR, Bankovic´ v. Belgium, Urt. v. 12.12.2001, Nr. 52207/99, 41 ILM 517 (2002). 182 EGMR, 41 ILM 517 (2002), Ziff. 61 ff. 183 Grabenwarter, § 24, Rn. 52.
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diese Erkenntnis gebietet aber eine Differenzierung. Es erscheint nicht problematisch, die Immunität nationaler Staatsorgane184 und die parlamentarische Immunität von Abgeordneten am Recht auf Zugang zu Gericht zu messen. Hier handelt es sich um Regelungen des nationalen Rechts, die den Gerichtszugang beschränken. In einem anderen Licht erscheint die Immunität von Staaten bzw. staatlichen Funktionsträgern. Die Immunitätsgewährung beruht auf einer völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtung.185 Da Staatenimmunität eine Regel des Völkerrechts ist, liegt – im Unterschied zur Immunität nach nationalem Recht – eine von außen kommende Beschränkung der staatlichen Gerichtsbarkeit vor. Wenn ein Staat Gerichtsbarkeit ausübt, wo er keine besitzt, verletzt er das Völkerrecht. Selbst bei Unterstellung, dass die EMRK eine Immunitätsausnahme bewirken sollte, könnte eine solche Bestimmung nur auf die Vertragsstaaten der EMRK und nicht bei Klagen gegen Nichtvertragsstaaten Anwendung finden. Dies ergibt sich aus Art. 34 WVRK, wonach ein völkerrechtlicher Vertrag für Drittstaaten weder Verpflichtungen noch Rechte begründet. Im Fall Al-Adsani, wo der Beschwerdeführer im Ausgangsfall gegen Kuwait, und im Fall Fogarty, wo die Klägerin gegen die Vereinigten Staaten klagte, konnte damit das Recht auf Zugang zu einem Gericht schon zu keiner Erweiterung der Jurisdiktion führen, da die EMRK keine Verpflichtung zulasten dieser Drittstaaten bewirken kann. Es stellt sich aber die Frage, ob das Recht auf Zugang zu einem Gericht wenigstens für die Mitgliedsstaaten der EMRK zu einer Beschränkung der Immunität führen kann. Grundsätzlich müssten die Mitgliedsstaaten der Menschenrechtskonvention, wenn sie die Anwendung allgemeiner völkerrechtlicher Regeln wie die der Staatenimmunität ausschließen wollten, dies auch zum Ausdruck bringen. Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag und bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages ist nach Art. 31 Abs. 3 c) WVRK jeder zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz zu berücksichtigen. Aus der EMRK geht nicht hervor, dass sie bzw. Art. 6 EMRK eine Sonderregelung zum völkergewohnheitsrechtlichen Rechtsatz der Staatenimmunität getroffen hat. Da die Regelung aus dem Jahre 1950, also einer Zeit, in der Staatenimmunität überwiegend noch als absolut anerkannt wurde, stammt, kann die Absicht, von der völkerrechtlichen Immunitätsregel abzuweichen, nicht einfach unterstellt werden. Der Gerichtshof hat im Wege der effektiven Vertragsauslegung aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK dem Recht darauf, dass „über Streitigkeiten in Bezug auf“ die „zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen“ einer Person „von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Ge-
184 185
Siehe zu den verschiedenen nationalen Immunitätsregelungen: Shelton, S. 64 ff. Siehe: Erster Teil, B.
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richt in einem fairen Verfahren, verhandelt wird“, auch ein Recht raus ergibt sich aber noch nicht, suchen kann und der Zugang zu reicht.
öffentlich und innerhalb angemessener Frist auf Zugang zu einem Gericht abgeleitet. Hiedass sich der Kläger dieses Gericht frei auseinem Gericht des Verletzerstaates nicht aus-
Wenn die Anwendbarkeit des Rechts auf Zugang zu einem Gericht mit dem EGMR, einem Teil der nationalen Rechtsprechung und Literatur bejaht wird, erscheint der weitere Prüfungsgang des EGMR wenig überzeugend. Der Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass Maßnahmen, die dem Grundsatz der Staatenimmunität Geltung verleihen, im Allgemeinen nicht als eine unverhältnismäßige Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht angesehen werden können („cannot in principle be regarded as a disproportionate restriction“). Dieser allgemeine Vorrang ist äußerst zweifelhaft, da die Fälle, in denen der EGMR dies feststellte, im Einzelnen stark divergieren. Es ist ein Unterschied, ob einer Person, die die Einstellung in den Öffentlichen Dienst eines ausländischen Staates begehrt (wie im Fall Fogarty), der Zugang zu einem Gericht verweigert wird, oder einer Person, die auf brutale Weise gefoltert wurde und, um Genugtuung zu erlangen, nur die Möglichkeit hat, vor dem Gericht eines anderen Staates als des Folterstaates zu klagen (wie im Fall Al-Adsani). Wenn eine wirkliche Abwägung vorgenommen würde, müsste in dieser auch Berücksichtigung finden, dass ein elementares Menschenrecht verletzt worden ist. Insoweit war die Argumentation des Court of Appeal im Fall Jones v Ministry of the Interior bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung konsequent. Das Gericht betonte, dass es sich um systematische Folter gehandelt und im Tatortstaat kein adäquater Rechtsbehelf zur Verfügung gestanden habe.186 Unter Annahme dieser Umstände erscheint der Schluss, dass die Gewährung einer Blankettimmunität unverhältnismäßig sei, nachvollziehbar. Wenn der Gerichtshof in seinen Entscheidungen die Schwere der Menschenrechtsverletzung und die Möglichkeit, vor den Gerichten des Tatortstaates Schadensersatz zu erlangen, nicht einbezieht, wird deutlich, dass keine wirkliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen wird. Der EGMR könnte vielmehr sogleich feststellen, dass das Recht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK Staaten nur im Rahmen ihrer Gerichtsbarkeit verpflichtet, Zugang zu den Gerichten zu gewähren. Bei Klagen gegen Mitgliedsstaaten der EMRK erscheint es für die zukünftige Rechtsentwicklung denkbar, dass sich im Wege einer Interpretation, die dem Ziel der Wahrung und Entwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten (vgl. Präambel) möglichst effektive Geltung verleiht, eine Beschränkung der 186 Mance LJ, in: Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka AlArabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v. Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/ Civ/2004/1394.html (15.04.2005), Ziff. 83 ff.
C. Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen
181
Staatenimmunität durchsetzen wird. Die Gefahr, dass grundlegende Wertvorstellungen des Gerichtsstaates zum Maßstab der Beurteilung des Organhandelns des beklagten Staates gemacht werden, ist weniger groß, wenn die Staaten aus demselben Rechts- und Kulturraum kommen, insbesondere sich auf gemeinsame Werte, wie sie etwa in der Präambel der EMRK zum Ausdruck kommen, verständigt haben. Es bleibt das Risiko bestehen, dass sich ein Kläger das Forum auswählt, bei dem er die besten Erfolgsaussichten sieht. Auch eine Klage vor dem Gericht eines Mitgliedsstaats gegen einen anderen Mitgliedsstaat kann die völkerrechtlichen Beziehungen zwischen den Vertragsstaaten sehr belasten wie z. B. im Distomo-Fall. Diese Gefahren werden ausgeschlossen, wenn der Kläger auf die Gerichte des Staates verwiesen wird, dem die Verletzungshandlungen vorgeworfen werden. Wenn die Gerichte dieses Staates nicht abhelfen, kommt unter Umständen eine Individualbeschwerde des Verletzten nach Art. 34 EMRK an den EGMR, der die Einhaltung der Verpflichtungen der EMRK sicherstellen soll (vgl. Art. 32 EMRK), in Betracht. Wenn der EGMR eine Konventionsverletzung festgestellt (z. B., dass der Beschwerdeführer in einem Vertragsstaat unrechtmäßig inhaftiert oder gefoltert wurde und keine Entschädigung geleistet wurde) und den Verletzerstaat verurteilt hat, dieser sich aber weigert, dem nach Art. 46 EMRK verbindlichen Urteilsspruch nachzukommen, erscheint es denkbar, dass der Beschwerdeführer sich an die Gerichte seines Heimatstaates oder eines Drittstaates wenden darf. Wenn dieser auf der Grundlage des verbindlichen Urteilsspruchs des Gerichtshofs Rechtsprechungsgewalt ausübt, scheinen die Grundlagen der Staatenimmunität im Unterschied zum Normalfall der Klagen gegen einen Staat wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen weniger stark betroffen zu sein. Schließlich hatte der beklagte Staat die Verpflichtungen der EMRK und die Zuständigkeit des EGMR als verbindlichem Rechtsprechungsorgan zuvor anerkannt und sich damit auf die Ebene der Gleichordnung begeben. Der Heimatstaat, aber auch jeder andere Vertragsstaat,187 kann den Verstoß gegen die Verbindlichkeit und Durchführung der Urteile des Gerichtshofs aber auch im Wege der Staatenbeschwerde rügen.188 Wenn er diesen vertraglich vorgesehenen Weg bewusst nicht wählt, erscheint es zweifelhaft, dem Staat das Recht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zu gewähren.
187 Bei der Staatenbeschwerde muss der beschwerdeführende Staat keine Verletzung eigener Rechte geltend machen. 188 Vgl.: Grabenwarter, § 13, Rn. 72.
182
5. Teil: Implizite Immunitätsausnahmen zum Schutz der Menschenrechte
7. Ergebnis Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK trifft keine Spezialregelung zum völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger. Bei der Gewährung über die Erfordernisse des Völkerrechts hinausgehender Immunität liegt dagegen ein Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 1 EMRK vor.189 Wenn nicht andere Werte wie der Schutz der zwischenstaatlichen Beziehungen schwerer wiegen als das Recht des Klägers, dann wird der Kläger in seinem Recht auf Zugang zu einem Gericht verletzt.
V. Gesamtergebnis zu den Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien in völkerrechtlichen Verträgen Weder aus den „effective remedy-Klauseln“ in Art. 14 Abs. 1 UN-Folterkonvention, Art. 2 Abs. 3 IPbürgR und Art. 13 EMRK noch aus den Verfahrensgarantien in Art. 14 IPbürgR und Art. 6 Abs. 1 EMRK lassen sich Immunitätsbeschränkungen bei Klagen gegen ausländische Staaten vor nationalen Gerichten ableiten.
189
Schreuer, ÖJZ 1991, 41, 48.
Sechster Teil
Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen aus dem Völkergewohnheitsrecht Der sechste Teil untersucht, ob eine völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen existiert. Hierbei ist eine eingehende Auseinandersetzung mit der Staatenpraxis erforderlich.
A. Klagen von Bürgern gegen Staaten Begonnen wird mit der Staatenpraxis bei Klagen von Bürgern gegen den Staat selbst.
I. Entwicklungen in den Vereinigten Staaten Zunächst werden die Klageverfahren in den Vereinigten Staaten betrachtet. 1. Ansatz einer echten Immunitätsausnahme Im Verfahren von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics1 urteilte der District Court des District of Columbia, dass die Staatenimmunität eine Begrenzung erfahre, wenn der ausländische Staat in einer klaren Verletzung des Völkerrechts gehandelt habe. „As such, the doctrine is inherently limited and appropriately disallowed where the foreign state defendant has acted in clear violation of international law.“2
Geschichtlich gesehen hätten die Gerichte bei einer klaren und schweren Verletzung universell anerkannter Normen die Notwendigkeit einer Ausübung der Gerichtsbarkeit anerkannt. Das Konzept außerordentlicher Gerichtsbarkeit bei schweren Völkerrechtsverletzungen sei auch in dem Prinzip universeller Völkerrechtsverletzungen3 verankert. Da sich der Kongress bei Erlass des FSIA dieser 1 US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 15.10.1985, 623 F.Supp. 246. 2 US District Court, District of Columbia, 623 F.Supp. 246, 253 f. 3 Gemeint ist das Weltrechtsprinzip. Siehe: Erster Teil, A. II.
184
6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Entwicklungen bewusst gewesen sei, solle das Immunitätsgesetz so verstanden werden, dass es den Immunitätsschutz nicht auf Verletzungen universeller Völkerrechtsnormen erstrecke. Der District Court geht also von einer Ausnahme zur Staatenimmunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen aus. 2. Der Fall Amerada Hess und die Folgerechtsprechung Nach der Entscheidung des District Court im von Dardel-Fall stellte sich die Frage, ob nun andere Gerichte die These einer Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen weiter vertiefen. a) Der Fall Amerada Hess In eine andere Richtung wies der Supreme Court in seiner viel beachteten Entscheidung in dem Fall Amerada Hess.4 Hier ging es nicht um die Verletzung von Menschenrechten, sondern um die Beschädigung eines Tankers durch die argentinische Luftwaffe während des Falklandkrieges im Jahre 1982. Die Gesellschaft, die das Schiff gechartert hatte, verklagte Argentinien auf Schadensersatz. Der Court of Appeals befand, dass bei schweren Völkerrechtsverletzungen auf der Grundlage des Alien Tort Statute5 Gerichtsbarkeit bestehe.6 Dieses aus dem Jahre 1789 stammende Gesetz weist den Bundesgerichten konkurrierende Zuständigkeit bei Klagen von Ausländern aus Delikten zu, die in Verletzung des Völkerrechts oder eines völkerrechtlichen Vertrags vorgenommen worden sind: „The district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States.“
Der Alien Tort Statute sei nicht mehr als eine Gewährleistung der Gerichtsbarkeit auf der Grundlage des Völkerrechts. Die sich entwickelnden völkerrechtlichen Standards bestimmten den Inhalt der Gerichtsbarkeit. Nach moderner Auffassung besäßen Staaten in Klageverfahren wegen Völkerrechtsverletzungen aber keine Immunität mehr. Dagegen entschied der Supreme Court einstimmig, dass der FSIA die alleinige Grundlage bilde, um Jurisdiktion über einen anderen Staat vor einem Bundesgericht ausüben zu können. 4 US Supreme Court, Argentine Republic v. Amerada Hess Shipping Corporation et al., Entsch. v. 23.01.1989, 488 U.S. 428. 5 Alien Tort Statute, 24.09.1789, 28 U.S.C. § 1350. Das Alien Tort Statute wird auch Alien Tort Claims Act (ATCA) genannt. 6 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Entsch. v. 11.09.1987, Amerada Hess v. Argentine Republic, 830 F.2d 421, 425 f.
A. Klagen von Bürgern gegen Staaten
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„From Congress’ decision to deny immunity to foreign States in the class of cases just mentioned, we draw the plain implication that immunity is granted in those cases involving alleged violations of international law that do not come within one of the FSIA’s exceptions.“7
Teile des Schrifttums betonten, dass im Fall Amerada Hess nicht über schwere Menschenrechtsverletzungen entschieden worden sei und die Ausführungen daher nicht hierauf anwendbar seien.8 Die US-Gerichte mussten sich also mit der Übertragbarkeit der Amerada-Entscheidung beschäftigen. b) Übertragung der Amerada-Rechtsprechung auf Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen Nach dem Urteilsspruch des Supreme Court im Fall Amerada Hess entschied der District Court of Columbia fünf Jahre nach seiner ersten Entscheidung im Fall von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics erneut.9 Das Gericht argumentierte mit der Amerada-Entscheidung des Supreme Court und bejahte die Immunität der UdSSR. In dem Fall Denegri v. Chile, in dem chilenische Soldaten zwei Teenager, die als Aktivisten an einer Studentendemonstration teilnahmen, mit Benzin übergossen und sie anzündeten, wobei ein Student starb, befand der District Court of California, dass der FSIA eng interpretiert werden müsse. Der Kongress habe nicht beabsichtigt, dass die Verletzung von ius cogens-Menschenrechten unter eine Immunitätsausnahme falle.10 Über einen besonders schweren Fall der Verletzung von Menschenrechten musste der Court of Appeals des neunten Bezirks im Fall Siderman v. Argentina11 entscheiden. Aus antisemitischen Motiven drangen auf Befehl des Militärgouverneurs der Provinz Tucuman maskierte Männer in das Haus der Familie Siderman ein, verbanden José Siderman die Augen, fesselten ihn, warfen ihn in eine Auto und schlugen und folterten ihn sieben Tage. Die Kläger behaupteten, dass Argentinien keine Immunität genieße, weil das Verhalten Argentiniens eine Verletzung des Folterverbots darstelle und das Folterverbot den Rang von ius cogens besitze. Ius cogens stehe über allen anderen völkerrechtlichen Regeln, 7
US Supreme Court, 488 U.S. 428, 436. Richman, 19 Brook. J. Int’l L. 967, 998 ff. (1993). 9 US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 9.03.1990, 736 F.Supp. 1. 10 US District Court, District of California, Denegri v. Chile, Entsch. v. 06.04.1992, 1992 U.S. Dis. Lexis 4233. 11 US Court of Appeals, 9th Circuit, Siderman de Blake and others v. The Republic of Argentina, Entscheidung v. 22.05.1992, 965 F.2d 699. 8
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
zu denen auch diejenigen der Staatenimmunität zählten. Der Court of Appeals stellte fest, dass das Folterverbot den Status von ius cogens angenommen habe und ein Staat, der foltert, ius cogens verletze. Bei der rechtlichen Beurteilung habe man es aber nicht nur mit Völkerrecht, sondern auch einem Act of Congress, dem FSIA, zu tun und nichts in dem Text oder der Gesetzgebungsgeschichte spreche die Frage an, welche Auswirkung eine Immunitätsverletzung auf den Schutzmantel des FSIA haben könne. Das Gericht führte einen Vergleich mit dem Urteil des Supreme Court im Fall Amerada Hess durch. Im Fall Siderman gehe es zwar um Folterhandlungen und Verletzungen anderer Normen zwingenden Völkerrechts, nach den Ausführungen des Supreme Court sei jedoch bei allen Völkerrechtsverletzungen, die nicht unter einen Ausnahmetatbestand des FSIA fallen, Immunität zu gewähren. Wenn ius cogens-Verletzungen, die außerhalb der USA begangen wurden, Immunitätsausnahmen begründen sollten, müsse der Kongress sie auch zu solchen machen.12 Das Gericht entschied damit auf der vom Supreme Court im Fall Amerada vorgegebenen Linie. Der Court of Appeals sah jedoch in einem argentinischen Rechtshilfeersuchen einen impliziten Immunitätsverzicht und verneinte damit aus anderen Gründen die Immunität Argentiniens.13 Der Supreme Court bestätigte im Fall Nelson v. Saudi Arabia14 seine Rechtsprechung. Da im Hinblick auf die Folterhandlungen kein Ausnahmetatbestand des FSIA einschlägig war, billigte das Gericht Saudi-Arabien Immunität zu.15 c) Klagen von Holocaust-Opfern gegen Deutschland Für viel Aufmerksamkeit sorgten die Klagen von Holocaust-Opfern gegen die Bundesrepublik Deutschland. Im Verfahren Princz v. Federal Republic of Germany forderte ein amerikanischer Kläger wegen Zwangsarbeit für IG-Farben und Messerschmidt in den Konzentrationslagern Auschwitz und Dachau Schadensersatz. Der District Court des District of Columbia bejahte eine Immunitätsausnahme.16 Richter Sporkin erkannte zwar die Rechtsprechung des Supreme Court. Wegen der Grausamkeiten, die der Kläger erlitten habe, sei der Fall jedoch anders zu beurteilen. Der Kongress habe bei Erlass des FSIA und der Supreme Court bei seiner Auslegung nicht derart brutale Menschenrechtsverletzungen vor Augen gehabt.17 Court of Appeals, 9th Circuit, 965 F.2d 699, 718 f. Siehe: Zweiter Teil, B. 14 Siehe den Sachverhalt nach Dritter Teil, A. 15 US Supreme Court, Saudi Arabia and others v. Nelson, Entsch. v. 23.03.1993, 507 U.S. 349, 355 ff. 16 US District Court, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 23.12.1992, 813 F.Supp. 22. 12 13
A. Klagen von Bürgern gegen Staaten
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Das Urteil wurde in zweiter Instanz vom Court of Appeals aufgehoben. Das Gericht entschied mit zwei zu eins Richterstimmen zugunsten der Bundesrepublik.18 Nach Auffassung des Richters Ginsburg war, sowohl bei retroaktiver Anwendung als auch bei Nichtanwendung des FSIA, die Klage abzuweisen. Bei Anwendung des FSIA kam insbesondere die Immunitätsausnahme für geschäftliches Handeln in Betracht, da Princz als Zwangsarbeiter in der Privatwirtschaft eingesetzt wurde. Es fehle jedoch an der nach § 1605 (a) (2) FSIA erforderlichen direkten Wirkung der commercial activity in den Vereinigten Staaten. Auch ein impliziter Immunitätsverzicht aufgrund der Verletzung von ius cogens verneint das Gericht.19 Wenn der FSIA nicht angewendet wird, muss nach Auffassung des Richters Ginsburg auf die Gerichtspraxis zwischen 1942 und 1945 abgestellt werden, in der aber noch die absolute Immunitätsdoktrin vorherrschte.20 Richterin Wald argumentierte in ihrem abweichenden Votum damit, dass ein Staat, der ius cogens verletzt, seine Immunität verliere.21 Da zwingende Normen des Völkerrechts in den USA als unmittelbar geltendes Recht anerkannt seien, sei das Immunitätsgesetz in Konformität mit diesen Normen auszulegen. Deshalb liege in einer bewussten Verletzung von ius cogens ein Immunitätsverzicht. Auch wenn Princz schließlich vor den Gerichten unterlag, so bereitete der Fall den Weg für ein Entschädigungsabkommen zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Regierung. Deutschland erklärte sich bereit, US-amerikanische Bürger, die noch keine Entschädigung erhalten hatten, in Höhe von ca. 2,1 Mio. $ zu entschädigen.22 Der Fall Princz wirft eine Reihe von speziellen Problemen auf, die seine Übertragbarkeit auf Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen erschweren. Der in erster Instanz entscheidende Richter argumentierte weder auf der Grundlage des FSIA noch des Völkerrechts. Die Aussagen des Richters werden dadurch erklärt, dass in der amerikanischen Rechtskultur der Einfluss persönlicher Ansichten besonders groß ist. In einer Rechtskultur, die vom Richterbild geprägt ist, gelte der Einfluss individuellen Gerechtigkeitsempfindens nicht 17
US District Court, District of Columbia, 813 F.Supp. 22, 26. US Court of Appeals, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 01.07.1994, 26 F.3d 1166. 19 US Court of Appeals, District of Columbia, 26 F.3d 1166, 1173 ff. 20 US Court of Appeals, District of Columbia, 26 F.3d 1166, 1175. 21 Dissenting opinion of judge Wald, in: US Court of Appeals, District of Columbia, 26 F.3d 1166, 1176. 22 Agreement between the Government of the United States of America and the Government of the Federal Republic of Germany Concerning Final Benefits of Certain United States Nationals Who Were Victims of National Socialist Measures of Prosecution, 19.09.1995, 35 ILM 193 (1996). 18
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
nur als unvermeidlich, sondern sogar als erwünscht, jedenfalls, wenn er zu einem sachgerechten Ergebnis führe und sich im Rahmen halte.23 Im Fall Sampson v. Federal Republic of Germany24 erhob ein HolocaustÜberlebender, der im Ghetto Lodz und im Konzentrationslager Auschwitz inhaftiert war, 1948 und, nachdem ein Fonds für Härtefälle geschaffen worden war, 1981, Klagen gegen Deutschland. Seine Klagen waren erfolglos, aber im Februar 1996 wurde ihm eine einmalige Zahlung von 5000 DM und monatliche Zahlungen von 500 DM zugesprochen. Im September 1996 klagte er dennoch gegen die Bundesrepublik und die Conference on Jewish Material Claims against Germany in Höhe von 10 Mio. $ zuzüglich Kosten mit der Begründung, dass er nicht gerecht entschädigt worden sei. Der District Court bekräftigte, dass der FSIA die einzige Grundlage für die Begründung der Gerichtsbarkeit über einen ausländischen Staat bilde. Das Gericht hielt den FSIA auch für rückwirkend anwendbar und untersuchte daraufhin mögliche Immunitätsausnahmen. Es betrachtete jedoch keine Bestimmung des FSIA als einschlägig. Die Verletzung einer ius cogens-Norm sei nicht ausreichend, um die Staatenimmunität zu derogieren.25 Auch der Court of Appeals des siebten Bezirks nahm sich der Argumentation des Klägers und des amicus curiae an, wonach das Völkerrecht eine Handlung, die ius cogens verletzt, nicht als souveränes Handeln schütze und eine ius cogens-Verletzung keine Immunität nach dem Völkerrecht genieße. Deutschlands Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Zweiten Weltkriegs seien nicht als souveräne Handlungen geschützt.26 Das Gericht analysierte, inwiefern völkerrechtliche Standards in das US-Recht inkorporiert werden. Eine Immunitätsausnahme auf der Grundlage des FSIA hielt es nicht für einschlägig. Die Ausführungen des Supreme Court im Fall The Charming Betsy,27 wonach eine Handlung des Kongresses so ausgelegt werden müsse, dass sie nicht Völkerrecht verletze, änderten nichts daran, dass nach der bestehenden Rechtslage Deutschland Immunität genieße. Mehrdeutige Gesetze müssten so ausgelegt werden, dass Konflikte mit dem Völkerrecht vermieden würden. Ius cogensNormen könnten zwar die Immunität berühren, in Zusammenhängen, in denen es unklar sei, ob das Völkerrecht selbst Immunität gewähre, verlangten sie aber nicht vom Kongress die Schaffung einer Grundlage für die Gerichtsbarkeit.28 23 Reimann, IPRax 15 (1995), 123, 124. Siehe auch die Bewertung von: Heidenberger, ZVglRWiss 97 (1998), 440, 453. 24 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, Jacob Sampson v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 10.09.1997, 975 F.Supp. 1108. 25 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, 975 F.Supp. 1108, 1123. 26 US Court of Appeals, 7th Circuit, Jacob Sampson v. Federal Republic of Germany and Claims Conference, Entsch. v. 23.05.2001, 250 F.3d 1145, 1150. 27 US Supreme Court, The Charming Betsy, Entsch. v. 22.02.1804, 6. U.S. (2 Cranch) 64.
A. Klagen von Bürgern gegen Staaten
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Selbst wenn Völkerrecht als Bestandteil des nationalen Rechts angesehen werde, folge daraus nicht, dass Bundesgesetze so gelesen werden müssten, dass sie völkerrechtliche Normen reflektierten. Völkergewohnheitsrecht basiere häufig auf multilateralen Verträgen, zu denen die Vereinigten Staaten Vorbehalte formuliert hätten. Deshalb bestehe kaum Anlass, der Annahme nachzugeben, dass der Kongress beabsichtige, den Inhalt mehrdeutiger Gesetze in Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht zu bestimmen. Völkergewohnheitsrecht in Bundesrecht zu inkorporieren, wenn die politischen Stellen dies abgelehnt hätten, erscheine nicht als die beste Lösung. Wenn Gerichte das Völkerrecht danach interpretierten, was am besten zu den sich wandelnden Nuancen des Völkergewohnheitsrechts passe, dann würden sie häufig Entscheidungen treffen, die der auswärtigen Politik zuwiderliefen.29 Statt der Förderung friedlicher Beziehungen mit anderen Staaten würde eine weite Leseweise des Charming Betsy-Prinzips in Fällen wie dem vorliegenden, die die Jurisdiktion über ausländische Staaten betreffen, zu Spannungen führen. Das Gericht verwies auch auf Auffassungen, die betonen, dass das ius cogens eine vergleichsweise neue Entwicklung sei und kein Konsens bestehe, welche Normen diesen Charakter hätten. Der potentielle Umfang einer völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsausnahme, sogar beschränkt auf den ius cogens-Kontext, führe zu einer nicht kontrollierbaren Ausweitung der Gerichtsbarkeit in einen Bereich mit beträchtlicher Wirkung für die auswärtigen Beziehungen.30 Deshalb müsse der FSIA eng interpretiert werden und dürfe keine Immunitätsausnahme bei ius cogens-Verletzungen begründen. Aus völkerrechtlicher Sicht sind diese Ausführungen von begrenztem Nutzen. Das Gericht scheint der Auffassung zu sein, dass die Gerichte eine Immunitätsausnahme selbst dann nicht annehmen müssen bzw. sollen, wenn das Völkerrecht dies bei ius cogens-Verletzungen gebieten würde. Ausschlaggebend für die Entscheidung sind Bedenken, dass es zu einer Einmischung in die auswärtige Politik, wie sie von der Legislative und Exekutive bestimmt wird, kommen könnte und dadurch die auswärtigen Interessen der Vereinigten Staaten beeinträchtigt würden. d) Klagen der Opfer von Kriegsverbrechen gegen Japan Im Fall Joo v. Japan31 klagten Frauen u. a. aus Korea, China, Guam und den Philippinen, die zwischen 1931 und 1945 als sog. comfort women vom japani28 US Court of Appeals, 7th Circuit, Jacob Sampson v. Federal Republic of Germany and Claims Conference, Entsch. v. 23.05.2001, 250 F.3d 1145, 1152. 29 US Court of Appeals, 7th Circuit, 250 F.3d 1145, 1152. 30 US Court of Appeals, 7th Circuit, 250 F.3d 1145, 1155. 31 US District Court, District of Columbia, Joo et al. v. Japan, Entsch. v. 04.10. 2001, 172 F.Supp.2d 52.
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
schen Militär sexuell versklavt wurden, gegen Japan. Der District Court of Columbia befand, dass Japan grundsätzlich Immunität genieße, wenn keine Ausnahme des FSIA greife. Aus der Verletzung von ius cogens ergebe sich keine Immunitätsausnahme. Ius cogens-Verletzungen könnten nicht als impliziter Immunitätsverzicht gedeutet werden, da es an einer Absicht des Staates zu einem Verzicht fehle und auch kein Gericht dies bisher angenommen habe.32 Die Klägerinnen legten dar, dass sie quasi in staatlich überwachten Bordellen (sog. „comfort stations“) arbeiten mussten und daher ein kommerzielles Handeln gegeben sei. Das Gericht räumte ein, dass Prostitution und Bordelle normalerweise kommerzielles Handeln darstellten. Hier habe die japanische Militärmaschinerie aber planmäßig Frauen in den besetzten Gebieten versklavt, sodass ein Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliege, aber kein geschäftliches Handeln.33 Der Court of Appeals des District of Columbia lehnte die retroaktive Anwendbarkeit des FSIA ab.34 Auch eine Immunitätsausnahme wegen ius cogensVerletzungen bestehe nicht.35 e) Bewertung Die US-amerikanischen Gerichte zeigen sich insgesamt eher abgeneigt, Immunitätsausnahmen außerhalb des FSIA anzuerkennen. Dies wird in großen Teilen des US-amerikanischen Schrifttums kritisiert, weil sich das Völkerrecht in einer dynamischen Entwicklung befinde und es durch die strikte Gesetzesanwendung eingefroren werde. Es wird gefordert, bei Verletzung einer ius cogens-Norm eine Immunitätsausnahme aus dem FSIA abzuleiten.36 Ein nationales Gesetz müsse so ausgelegt werden, dass es nicht in einen Konflikt mit dem Völkerrecht gerate.37 Diese Auffassung setzt voraus, dass das Völkerrecht nicht nur verbietet, Menschenrechte zu verletzen, sondern die Staaten auch zur Durchsetzung der Menschenrechte im Wege der Immunitätsverweigerung zwingt. Dies bedürfte einer näheren völkerrechtlichen Begründung.
32
US District Court, District of Columbia, 172 F.Supp.2d 52, 61. US District Court, District of Columbia, 172 F.Supp.2d 52, 63. 34 US Court of Appeals, District of Columbia, Joo et al. v. Japan, Entsch. v. 27.06. 2003, 332 F.3d 679, 681 ff. 35 US Court of Appeals, District of Columbia, 332 F.3d 679, 686. 36 Belsky/Merva/Roht-Arriaza, 77 Cal. L. Rev. 365, 376 ff. (1989), Richman, 19 Brook. J. Int’l L. 967, 978 ff. (1993). 37 Siehe hierzu: Supreme Court, The Charming Betsy, Entsch. v. 22.02.1804, 6. U.S. 64 (2 Cranch): „[. . .] an act of Congress ought never to be construed to violate the law of nations if any other possible construction remains.“ 33
A. Klagen von Bürgern gegen Staaten
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3. Änderung des FSIA und die folgende Rechtsprechung Da sich die Immunitätsausnahmen im FSIA in der Rechtsprechungspraxis als sehr eng erwiesen, wurden im Kongress Änderungen diskutiert. a) Gesetzesvorschläge zur Änderung des FSIA Die öffentliche Auseinandersetzung um die Klagen von Holocaust-Opfern führte dazu, dass neue Immunitätsausnahmen vorgeschlagen wurden. Nach der Gesetzesvorlage H.R. 934 sollte in § 1605 (a) Abs. 7 FSIA eine Immunitätsausnahme für Klagen von US-Bürgern wegen Folter und extralegaler Tötung im Ausland eingeführt werden. Der erste Gesetzgebungsvorschlag sah als Begrenzungen vor, dass der Kläger zunächst alle verfügbaren Rechtsbehelfe im Verletzerstaat erschöpft und innerhalb von zehn Jahren nach Entstehung des Klagegrundes das Verfahren eingeleitet haben muss: „A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case [. . .] (7) not otherwise encompassed in paragraph (2), in which money damages are sought against a foreign state for personal injury or death of a United States citizen occurring in such foreign state and caused by the torture or extrajudicial killing of that citizen by such foreign state or by any official or employee of such foreign state while acting within the scope of his or her office or employment, except that – (A) the court shall decline to hear a claim under this paragraph if the claimant has not exhausted adequate and available remedies in the place in which the conduct giving rise to the claim occurred; and (B) an action under this paragraph shall not be maintained unless it is commenced within 10 years after the cause of action accrues.“38
Der Entwurf statuiert keine allgemeine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen. Da die Handlung in dem ausländischen Staat selbst begangen sein muss, würden solche Menschenrechtsverletzungen nicht von der Immunität erfasst, die auf dem Gebiet eines dritten Staates begangen wurden. Im Nelson-Fall würde die Neuregelung also eine Immunitätsausnahme begründen, im Princz-Fall dagegen nicht, da die Handlungen in Auschwitz und Birkenau, also außerhalb Deutschlands, stattfanden. Vor diesem Hintergrund gab es auch Änderungsvorschläge, die gerade die Klagen von US-Bürgern gegen die Bundesrepublik erfassen sollten.39 Diese Gesetzesentwürfe wurden schließlich jedoch nicht beschlossen. A Bill to amend title 28, H.R. 934, 103rd Cong. 1st Session, Version 1, 18.02.1993, siehe auch: ASIL Proceedings 1994, 516. 39 An Act to amend title 28, H.R. 934, 103rd Cong., 2nd Session, Version 4, 13.10.1994: „Section 1605 (a) of title 38, United States Code, is amended – (7) not 38
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
b) Änderung durch den Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act Im Jahre 1996 wurde durch § 221 des Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act of 199640 (AEDPA) in § 1605 (a) (7) i.V. m. (e) und (f) FSIA eine Immunitätsausnahme für Folter, Tötungs- und Sabotagehandlungen sowie Geiselnahmen durch fremde Staaten oder Staatsorgane gegen US-Bürger eingefügt. Nach § 1605 (a) Abs. 7 FSIA in der neuen Fassung genießt ein ausländischer Staat keine Immunität vor US-Gerichten in Klageverfahren wegen der Verletzung von Leib und Leben eines Menschen, die durch Folter, extralegale Tötung, Flugzeugsabotage, Geiselnahme oder die Bereitstellung materieller Unterstützung oder Geldmittel für eine solche Handlung durch einen Beamten, Angestellten oder Vertreter eines ausländischen Staates in Ausübung seines Amtes, Beschäftigungs- oder Vertretungsverhältnisses begangen wurden. „A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case [. . .] (7) not otherwise covered by paragraph (2), in which money damages are sought against a foreign state for personal injury or death that was caused by an act of torture, extrajudicial killing, aircraft sabotage, hostage taking, or the provision of material support or resources [. . .] for such an act if such act or provision of material support is engaged in by an official, employee, or agent of such foreign state while acting within the scope of his or her office, employment, or agency, except that the court shall decline to hear a claim under this paragraph – (A) if the foreign state was not designated a state sponsor of terrorism [. . .] at the time the act occurred, unless later designated as result of such act; and (B) even if the foreign state is or was so designated, if – (i) the act occurred in the foreign state against which the claim has been brought and the claimant has not offered the foreign state a reasonable opportunity to arbitrate the claim in accordance with accepted international rules of arbitration; or (ii) neither the claimant nor the victim was a national of the United States [. . .] when the act upon which the claim is based occurred.“
Während § 1605 (a) Abs. 7 FSIA die Immunitätsausnahme und damit die sog. „subject matter jurisdiction“ begründete, wurde der „Civil Liability Act“ otherwise encompassed in paragraph (2), in which money damages are sought against the Federal Republic of Germany for the personal injury or death of a United States citizen occurring in the predecessor states of the Federal Republic of Germany, or in any territories or areas occupied, annexed or otherwise controlled by those states and caused by an act of genocide committed against that citizen, by such predecessor state or by any official or employee of such predecessor state while acting within the scope of his or her office or employment during World War II [. . .].“ 40 Antiterrorism and Effective Death Penalty Act of 1996, Pub. L. No. 104-132, 24.04.1996, 110 Stat. 1214 (1996), auch abgedruckt in: 36 ILM 759 (1997).
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als materielle Rechtsgrundlage („cause of action“) für die Klagen geschaffen.41 Damit vermischt diese neue Regelung prozessuale und materielle Fragen. Der Kongress sah ausdrücklich eine retroaktive Anwendung der Regelung vor.42 Die Änderung des FSIA ermöglicht den Klägern auch die Vollstreckung in Staatseigentum. Die Immunitätsausnahme enthält zahlreiche Einschränkungen. So muss der beklagte ausländische Staat vom Außenministerium als „sponsor of terrorism“ eingestuft worden sein. Wenn die Handlung innerhalb des beklagten ausländischen Staates stattfand, muss der Kläger zunächst eine Streitschlichtung versuchen. Weiterhin muss die Klage innerhalb von zehn Jahren nach der Tat eingereicht werden. Diese Regelung wird sehr kontrovers diskutiert. Gegen sie wird vorgebracht, dass sie mit dem bisherigen Konzept des FSIA breche, in dem die Regelung keinen territorialen Nexus mehr verlange und statt dessen das umstrittene passive Personalitätsprinzip in den FSIA einführe.43 Indem die Bestimmung als „state sponsor of terrorism“ durch das Außenministerium, also die Exekutive, erfolgt, werde die Gewährung bzw. Versagung von Immunität außenpolitischen Erwägungen ausgesetzt. Schwächeren Staaten mit nicht so großen politischen und wirtschaftlichen Druckmöglichkeiten werde der Immunitätsschutz eher versagt als politisch und wirtschaftlich starken Staaten. Dies widerspreche dem eigentlichen Zweck des FSIA, die Immunitätsentscheidungen in die Hand der Judikative zu legen.44 Außerdem werden vor dem Hintergrund des Grundsatzes der souveränen Staatengleichheit völkerrechtliche Bedenken gegen die einseitige Ernennung eines Staates zum state sponsor of terrorism und der Ausübung von Gerichtsbarkeit über den so gebrandmarkten Staat vorgebracht.45 c) Anwendung der neuen Immunitätsausnahme Die neue Immunitätsausnahme wurde zum ersten Mal im Fall Alejandre v. Republic of Cuba46 angewandt, in dem die Nachfahren von drei US-Bürgern, 41 Civil Liability for Acts of State Sponsored terrorism, 30.09.1996, Pub.L. 104208, § 589, 110 Stat. 3009. 42 „The amendments made by this subtitle shall apply to any cause of action arising before, on, or after the date of enactment of this Act.“ Antiterrorism and Effective Death Penalty Act of 1996, 24.04.1996, Pub. L. No. 132, 221 (c), 110 Stat. 1214 (1996), auch abgedruckt in: 36 ILM 759, 760 (1997). 43 Baletsa, 148 U. Pa. L. Rev. 1247, 1267 ff. (2000). 44 Siehe hierzu: Erster Teil, B. II. 1. b); Baletsa, 148 U. Pa. L. Rev. 1247, 1278 (2000). 45 Hoye, 12 Duke J. Comp. & Int’l L. 105, 138 f. (2002). 46 US District Court, S.D. Florida, Alejandre v. Republic of Cuba, Entsch. v. 17.12.1997, 996 F.Supp. 1239.
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die bei dem Abschuss eines Zivilflugzeuges durch die kubanische Luftwaffe getötet wurden, Klage gegen Kuba erhoben. Das Gericht befand, dass es die Neuregelung auch auf Geschehnisse zwei Monate vor ihrem Erlass anwenden könne. Es bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen. Der Abschuss des Zivilflugzeuges stelle eine extralegale Tötung („extrajudicial killing“47) dar. Die kubanische Luftwaffe habe als Vertreter Kubas gehandelt. Kuba war einer der sieben Staaten, die zum „state sponsor of terrorism“ erklärt wurden. Da die Flugzeuge über internationalen Gewässern abgeschossen wurden, befand sich der Tatort auch außerhalb des kubanischen Staatsgebiets. Die drei Kläger waren US-Bürger. Damit sah das Gericht die Voraussetzungen des § 1605 (a) (7) FSIA als erfüllt an.48 Zum zweiten Mal wurde die neue Immunitätsausnahme im Fall Flatow v. Islamic Republic of Iran49 vor dem District Court des District of Columbia behandelt. Die Amerikanerin Alisa Flatow studierte in Israel und wurde während einer Reise im Gaza-Streifen von einem Selbstmordattentäter getötet. Die Organisation „Islamischer Jihad“ erklärte sich für die Tat verantwortlich. Die Familie der Getöteten fand heraus, dass Geld von der iranischen Regierung an die Terrororganisation geflossen ist. Daraufhin verklagte die Familie den Iran. Die iranische Regierung ging davon aus, dass keine Gerichtsbarkeit bestehe und erschien gar nicht in dem Verfahren. Iran war zum „state sponsor of terrorism“ erklärt worden. Als Unterstützungshandlung hielt das Gericht es für ausreichend, dass Iran in der Vergangenheit die Terrororganisation unterstützt habe.50 Die Ausübung der Gerichtsbarkeit sei gerechtfertigt, da ausländische Staaten nicht vernünftigerweise haben erwarten können, dass die USA nicht auf einen Angriff auf ihre Bürger antworten würden und Maßnahmen ergriffen, um ähnliche Angriffe in der Zukunft zu verhindern.51 Da Opfer des staatlich unterstützten Terrorismus durch kein Gericht Hilfe bekommen könnten, habe der Kongress § 1605 (a) (7) FSIA erlassen, um ihnen Gerechtigkeit zukommen zu lassen.
47 Nach dem Torture Victim Protection Act 1991 wird „extrajudicial killing“ folgendermaßen definiert: „[. . .] the term ,extrajudicial killing‘ means a deliberated killing not authorized by a previous judgment pronounced by a regularly constituted court affording all the judicial guarantees which are indispensable by civilized peoples.“ 48 US District Court, S.D. Florida, 996 F.Supp. 1239, 1248. 49 US District Court, District of Columbia, Flatow v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 11.03.1998, 999 F.Supp. 1. 50 US District Court, District of Columbia, 999 F.Supp. 1, 18. 51 US District Court, District of Columbia, 999 F.Supp. 1, 23: „Foreign state sponsors of terrorism could not reasonably have expected that the United States would not respond to attack on its citizens, and not undertake measures to prevent similar attacks in the future.“
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Die Familie versuchte in iranisches Eigentum in Washington zu vollstrecken. Nachdem ein District Court dem Antrag schon stattgegeben hatte, wurden die Vollstreckungsmaßnahmen gestoppt, weil die US-Regierung in einer Stellungnahme vertreten hatte, dass das Eigentum nicht gepfändet werden könne. Die US-Regierung befürchtete, dass als Folge solcher Maßnahmen diplomatische Missionen der Vereinigten Staaten, ihr Eigentum und ihr Personal Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt sein könne. Danach änderte der Kongress den FSIA. USamerikanischen Terrorismusopfern wurde die Möglichkeit eingeräumt, das Eigentum diplomatischer und konsularischer Einrichtungen eines ausländischen Staates zu beschlagnahmen. Es war aber auch vorgesehen, dass der Präsident die Regelung aussetzen konnte. Hiervon machte Präsident Clinton am 21.10. 1998 Gebrauch.52 d) Bewertung der Praxis in den Vereinigten Staaten nach der Änderung des FSIA Es ist unklar, ob die Einfügung der neuen Immunitätsausnahme in den FSIA eine Kehrtwende hin zu Immunitätsbeschränkungen bei schweren Menschenrechtsverletzungen bedeutet. Nach Auffassung von Kokott stellt die Änderung eine Ausnahme vom Grundsatz der Staatenimmunität in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzungen dar.53 Auch die ILC sieht hierin eine wichtige Entwicklung, die weitere Unterstützung für die Annahme liefere, dass ein Staat sich bei schweren Menschenrechtsverletzungen nicht auf Immunität berufen könne.54 Die Entstehungsgeschichte und die Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Regelung sprechen dagegen, in ihr eine echte Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen zu erblicken. Die neue Immunitätsausnahme stellt eine Reaktion auf die Abweisung einer Schadensersatzklage dar, die Angehörige der 1991 beim Lockerbie-Attentat umgekommenen Flugzeugpassagiere in New York erhoben hatten.55 Sie war Be52 Statement on Signing the Omnibus Consolidated and Emergency Supplemental Appropriations Act, zitiert nach: 93 AJIL 185 f (1999): „If this section [of the Act] were to result in attachment and execution against foreign embassy properties, it would encroach on my authority under the Constitution to „receive Ambassadors and other public Ministers.“ [. . .] „Moreover, if applied to foreign diplomatic or consular property, section 117 would place the United States in breach of its international treaty obligations [. . .].“ 53 Kokott, BdDGV 38 (1998), 71, 85. 54 Report of the Working Group on Jurisdictional Immunities of States and their Property, 51st Session, 03.05.–23.07.1999, Annex, U.N. Doc. A/CN.4/L.576, Appendix, Ziff. 8 ff. 55 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, Entsch. v. 26.11.1996, 101 F.3d 239.
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standteil einer Gesetzesinitiative, die den internationalen Terrorismus sowohl in den USA als auch im Ausland bekämpfen sollte. Das Erfordernis der Bestimmung als „state sponsor of terrorism“ führt dazu, dass der Schwerpunkt nicht auf der Menschenrechtsverletzung, sondern auf der Qualifizierung des Verletzerstaates liegt. Zum Beispiel würde im Fall Nelson v. Saudi Arabia dem mutmaßlichen Opfer schwerer Folterungen immer noch nicht der Zugang zu den Gerichten gewährt, da Saudi-Arabien nicht zum „sponsor of terrorism“ erklärt wurde.56 Wenn schon die mutmaßliche finanzielle Unterstützung einer Terrororganisation ausreichen soll, um Staaten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, zeigt dies, dass diese Regelung als Teil eines Maßnahmenpakets Staaten, die mutmaßlich Terroristen unterstützen, in ihrem Verhalten steuern bzw. umerziehen soll. Es geht nicht um die Sanktionierung konkreter Menschenrechtsverletzungen durch einen Staat. Auch die Beschränkung auf US-amerikanische Staatsbürger spricht dagegen, in der Immunitätsausnahme eine grundlegende Änderung der Staatenpraxis zu erblicken, die bei Menschenrechtsverletzungen keine Immunität mehr gewährt. Vor diesem Hintergrund sah auch die Richtermehrheit des EGMR im Fall Al-Adsani v. The United Kingdom schon in der Notwendigkeit einer Änderung des FSIA eine Bestätigung der Annahme, dass sich die Immunität grundsätzlich auch auf Klagen wegen Folterhandlungen erstrecke.57 Die Bereitschaft anderer Staaten, Urteile, die aufgrund dieser Immunitätsausnahme ergangen sind, zu akzeptieren, ist gering.58 Diese Tatsache spricht dagegen, dass die neue Immunitätsregelung wegweisenden Charakter im Hinblick auf Immunitätsbeschränkungen bei schweren Menschenrechtsverletzungen haben könnte.
II. Praxis in weiteren Staaten mit einem Immunitätsgesetz Im Folgenden soll die Praxis in weiteren Staaten, die ein Immunitätsgesetz erlassen haben, beleuchtet werden. Der wichtigste Fall vor den Gerichten des Vereinigten Königreichs ist Al-Adsani v. Government of Kuwait. In der Zwischenentscheidung über die Zustellung der Klageschrift urteilten die Richter des Court of Appeal positiv über die 56 Dies betonen und kritisieren: Bucci, J. Int’l Legal Stud. 3 (1997), 293, 317; Taylor, 45 Ariz. L. Rev. 533, 550 f. (2003). 57 EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung abgedruckt in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 64. 58 Siehe hierzu: Glannon/Attik, Geo. L.J. 87 (1999), 675, 699 ff.; Micco, Temp. Int’l & Comp. L.J. 14 (2000), 109, 113.
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Erfolgsaussichten der Klage.59 Lord Justice Evans, der für das Gericht sprach, kam zu dem Schluss, dass ein „good arguable case“ vorlag. Dabei machte er sich Ausführungen des Klägers zu eigen, in denen dieser unter Bezug auf die amerikanische Rechtsprechung (konkret dem Filartiga-Fall60) behauptete, dass keine Immunität für Folterhandlungen bestehe. Da es die Absicht des UK SIA sei, dem EÜStI und noch allgemeiner, den Regeln des Völkergewohnheitsrechts Wirkung zu verleihen, gewähre der UK SIA nur in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht Immunität.61 Im Völkerrecht gebe es einen deutlichen Widerstand dagegen, Folterhandlungen rechtliche Anerkennung zuzusprechen. Diese Ausführungen scheinen eine allgemeine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen anerkennen zu wollen. Sie wurden aber nur in einem vorbereitenden Verfahrensabschnitt getroffen, sodass sich ihre Bedeutung reduziert. Der High Court entschied, dass die Regierung Kuwaits Immunität genieße.62 Die klare Sprache des Gesetzes spreche dagegen, dass das Gesetz eine implizite Ausnahme für Folterhandlungen enthalte.63 Regeln des Völkergewohnheitsrechts würden nur insoweit in das nationale Recht inkorporiert, wie sie nicht unvereinbar mit Handlungen des Parlaments oder letztinstanzlicher gerichtlicher Entscheidungen seien. Der Court of Appeal bestätigte diese Entscheidung.64 Die Richter befanden, dass der UK SIA die Staatenimmunität und ihre Ausnahmen abschließend regele.65 Keine der Ausnahmebestimmungen sei im Hinblick auf die behaupteten Folterhandlungen in Kuwait einschlägig. Es bestehe kein Zweifel am Folterverbot. Dies wirke sich aber nicht auf die Staatenimmunität nach englischem Recht aus. Das Gericht sieht sich auch durch zahlreiche Entscheidungen in der USRechtsprechung, insbesondere der Entscheidung des Supreme Court im Fall Amerada Hess, darin bestätigt, dass es im Völkerrecht keine allgemeine Immunitätsausnahme bei Folterhandlungen oder anderen Völkerrechtsverletzungen gebe.66 Das Abweichen von der Zwischenentscheidung im Klagezustellungsverfahren begründet das Berufungsgericht damit, dass ihm diese Fälle nicht zitiert worden seien und man sich vielmehr auf die Entscheidung im Fall Filartiga v. 59 Court of Appeal, Al-Adsani v. Government of Kuwait and others, Entsch. v. 21.01.1994, 100 ILR 465 (1995). 60 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Filartiga v. Peña-Irala, Entsch. v. 30.06.1980, 630 F.2d 876 (siehe unten: Sechster Teil, B. III 1. b)). 61 Court of Appeal, 100 ILR 465, 470 (1995). 62 High Court of England, Al-Adsani v. Government of Kuwait and others, Entsch. v. 15.03.1995, 103 ILR 420 (1996). 63 High Court of England, 103 ILR 420, 428 (1996). 64 Court of Appeal, Entsch. v. 12.03.1996, Al-Adsani v. Government of Kuwait and others, 107 ILR 536 (1997). 65 Court of Appeal, 107 ILR 536, 540 (1997). 66 Court of Appeal, 107 ILR 536, 542 ff. (1997).
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Peña-Irala gestützt habe, in dem es aber gar nicht um die Immunität eines Staates ging. Somit folgerte der Court of Appeal, dass der ius cogens-Charakter des Folterverbots eine Immunitätsausnahme nicht begründen könne. Lord Justice Stuart-Smith argumentierte auch mit negativen praktischen Konsequenzen, die eine Stattgabe der Klage nach sich ziehen würde.67 Er verwies darauf, dass zahlreiche Flüchtlinge ins Land kommen und behaupten, dass sie gefoltert worden seien. Es sei schon für die zuständigen Behörden schwierig zu beurteilen, ob die Antragsteller wirklich Flüchtlinge seien, auch wenn sie mehr mit den Umständen der Behauptungen vertraut seien. Das Gericht sei aber in einer weit schwierigeren Lage, über Menschenrechtsverletzungen zu urteilen. In einem weiteren Verfahren erhoben britische und kanadische Staatsbürger vor dem Court of Appeal wegen unrechtmäßiger Inhaftierung und systematischer Folterhandlungen in einem saudi-arabischen Gefängnis Klage auf Schadensersatz gegen Saudi-Arabien selbst und gegen einzelne Amtsträger.68 Die Richter sahen sich aber im Hinblick auf die Klage gegen den saudi-arabischen Staat durch die Entscheidung im Fall Al-Adsani, die durch den EGMR bestätigt wurde, gebunden und gewährten Saudi-Arabien Immunität.69 Auch kanadische Gerichte beschäftigten sich mit der Staatenimmunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen. Im Fall Bouzari v. Islamic Republic of Iran70 vor dem Ontario Superior Court of Justice verklagte ein iranischer Bürger den Iran wegen willkürlicher Verhaftung, Entführung, Folter und Todesdrohungen. Der Grund für Verhaftung, Folter und Todesdrohungen sei gewesen, dass der Kläger an einem Ölfeld-Projekt beteiligt war und von seiner Familie hohe Summen für seine Freilassung erpresst werden sollten. Der Kläger war der Ansicht, dass in den kanadischen SIA eine Ausnahme für Folterhandlungen hineingelesen werden müsse. Folter stelle eine Verletzung des ius cogens dar. Dieses stehe über den Regeln zur Staatenimmunität. Alle Staaten seien berechtigt und gefordert, Folter zu bestrafen. Der Ontario Superior Court of Justice urteilte, dass die Praxis der nationalen und internationalen Gerichte nicht belege, dass es eine völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme bei Folterverstößen außerhalb des Forumstaates gebe.71 Es bestehe zwar ein weit verbreiteter Konsens, der Folter verurteile. 67
Lord Justice Stuart-Smith, in: Court of Appeal, 107 ILR 536, 544 (1997). Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/ 1394.html (15.04.2005). 69 Court of Appeal, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 26 f. 70 Ontario Superior Court of Justice, Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 01.05.2002, 124 ILR 427 (2002). 68
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Dies verlange aber nicht eine Interpretation des SIA, die eine Ausnahme für Klagen wegen Schäden durch Folterhandlungen, die außerhalb Kanadas begangen wurden, einführe. Der Court of Appeal for Ontario bestätigte, dass keine Immunitätsausnahme des SIA einschlägig sei.72 Auch aus dem Völkergewohnheitsrecht, insbesondere dem ius cogens-Charakter des Folterverbotes, ergebe sich keine Immunitätsausnahme. Das Argument des Berufungsklägers, dass dort, wo ein Recht, nicht gefoltert zu werden, bestehe, auch eine Rechtsschutzmöglichkeit vorhanden sein müsse, wies das Gericht zurück. Ein zivilrechtlicher Rechtsbehelf sei nicht die einzige Möglichkeit, dem Verbot Wirkung zu verleihen.73 Die Strafverfolgung verleihe dem Verbot Ausdruck, ohne dass das Souveränitätsprinzip, auf dem die zwischenstaatlichen Beziehungen basierten, beschädigt werde. In der Praxis gewährten Staaten keinen zivilgerichtlichen Rechtsschutz für Folterhandlungen ausländischer Staaten im Ausland. Die zwingende Norm des Folterverbotes umfasse dies nicht.74 In keinem nationalen Immunitätsgesetz ist ausdrücklich eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen vorgesehen. Das argentinische Immunitätsgesetz vom 31.05.199575 behandelte in Art. 3 der ursprünglich vorgesehenen Fassung Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen, enthielt aber keine Immunitätsausnahme. Bei Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen sollte sich das angerufene Gericht darauf beschränken, den Kläger auf den zuständigen völkerrechtlichen Spruchkörper im regionalen oder universellen Bereich zu verweisen. Außerdem sollte das Gericht eine Kopie der Klage an das Außen-, Handels- und Kulturministerium übermitteln, damit es die erforderlichen Maßnahmen ergreife.76 Die argentinische Regierung legte gegen diese Regelung ihr Veto ein.77 Die Regelung sei nicht mit Art. 46 AMRK,78 der die 71
Ontario Superior Court of Justice, 124 ILR 427, 443 ff. (2002). Ontario Court of Appeal, Bouzari v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.06. 2004, http://www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.pdf (22.04. 2005), Ziff. 39 ff. 73 Ontario Court of Appeal, Entsch. v. 30.06.2004, Ziff. 93. 74 Ontario Court of Appeal, Entsch. v. 30.06.2004, Ziff. 94. 75 Argentina, Inmunidad Jurisdicional de los Estados Extranjeros ante los Tribunales Argentinos, Ley No 24.488, 22.06.1995, in: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 461, Ziff. 5.001 ff. 76 Die Regelung lautet: „Si se presentaren demandas ante los tribunales argentinos contra un Estado extranjero invocando una violación al Derecho International de los derechos Humanos, el tribunal interviniente se limitará a indicar al actor el órgano de protección internacional en el ámbito regional o universal ante el que podrá formular su reclamo, si correspondiere. Asimismo, remitirá copia de la demanda al Ministerio de Relaciones Exteriores, Comercio Internacional y Culto, a fin de que tome conocimiento del reclamo y adopte las medidas que correspondan en el orden internacional.“ 77 Decreto 849/95, 22.6.1995, zitiert nach: Dickinson/Lindsay/Loonam, S. 463, Ziff. 5.020. 78 American Convention on Human Rights, 22.11.1969, 9 ILM 673 (1970). 72
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Voraussetzungen der Individualbeschwerde an die Inter-Amerikanische Menschenrechtskommission regelt, vereinbar. Das Immunitätsgesetz trat schließlich ohne Art. 3 in Kraft.
III. Praxis in Staaten ohne ein Immunitätsgesetz Auch die Gerichte einiger weiterer Staaten beschäftigten sich mit der Staatenimmunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen. 1. Anmerkungen des neuseeländischen Court of Appeal im Fall Auditor-General v. Davison Im Fall Auditor-General v. Sir Ronald Davison79 vor dem neuseeländischen Court of Appeal, dem höchsten Gericht Neuseelands, ging es um steuerstrafrechtliche Untersuchungen Neuseelands auf den Cook Islands wegen Steuerhinterziehungen neuseeländischer Unternehmen, die die Cook Islands als Steueroase benutzten. Der Regierung der Cook Islands soll an den Transaktionen, die das neuseeländische Steuersystem schädigten, beteiligt gewesen sein. Es war zu untersuchen, ob die der Regierung der Cook Islands vorgeworfenen Handlungen immunitätsgeschützt waren. Auch wenn es in dem Fall gar nicht um die Immunität bei Völkerrechtsverletzungen ging, äußerten sich einige Richter in obita dicta zu möglichen Beschränkungen der Staatenimmunität bei schweren Völkerrechtsverletzungen. Richter Richardson bezweifelte, dass Staatenimmunität auf rechtlichen Regeln basiert, sondern sah vielmehr in politischen Regeln („policy rules“) die Grundlage.80 Die Immunitätsverweigerung könne durch die Verletzung eines fundamentalen Gerechtigkeitsprinzips („a fundamental principal of justice“) gerechtfertigt werden. Richardson bezog sich u. a. auf den Letelier-Fall 81 und bejahte einen Vorrang der Jurisdiktion des Forumstaates bei Handlungen eines anderen Staates auf seinem Gebiet. Eine schwere Völkerrechtsverletzung auf ausländischem Territorium sei ein Grund für eine Immunitätsverweigerung.82 Neben Letelier müsse es noch andere Fälle geben, wo das Handeln des ausländischen Staates gegen den Forumstaat gerichtet ist oder diesen so direkt betrifft und so grausam ist, dass der Schutz, den das Völkerrecht andernfalls ausländi79 New Zealand Court of Appeal, Controller and Auditor-General v. Sir Ronald Davison, Entsch. v. 16.02.1996, 2 NZLR 278 (1996), auch abgedruckt in: 36 ILM 727 (1997). 80 Richardson J., in: New Zealand Court of Appeal, 2 NZLR 278, 304, auch abgedruckt in: 36 ILM 727, 736 (1997). 81 Siehe: Vierter Teil, B. I. 1. 82 Richardson J., 2 NZLR 278, 306, auch abgedruckt in: 36 ILM 727, 737 (1997).
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schen Staaten gewährt, nicht gerechtfertigt sei.83 Richardson ist der Ansicht, dass die Erhebung von Steuern so fundamental für das Funktionieren eines Staates sei, dass auch hier Immunitätsrechte beschränkt werden könnten. Richter Thomas unterstützte die Ausführungen Richardsons.84 Richter Cook äußerte sich zurückhaltender, hielt es aber für möglich, dass sich im Völkerrecht eine Immunitätsausnahme für bestimmte Grausamkeiten oder den Einsatz von Massenvernichtungswaffen bis hin zu nicht von den Vereinten Nationen autorisierten Kriegshandlungen entwickeln könne.85 Dagegen hielt Richter Henry J. eine das Immunitätskonzept verdrängende, auf allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen basierende, Immunitätsausnahme für zweifelhaft.86 Nach Auffassung einiger Interpreten dieser Ausführungen stellen sie einen Beleg dafür dar, dass das Common Law weiter gehende Immunitätsausnahmen erlaube als es die Immunitätsgesetze einiger Common Law-Staaten anerkennen.87 2. Entscheidungen im Distomo-Fall Für die Existenz einer echten Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen könnten die Verfahren griechischer Kläger gegen Deutschland wegen Wehrmachtsverbrechen angeführt werden. Nach Auffassung des LG Livadia verliert ein Staat das Recht, sich auf seine Immunität zu berufen, wenn er ius cogens-Normen verletzt.88 Der Areopag folgte dieser Auffassung nur im Ergebnis, begründete dies aber mit einer völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsausnahme, wenn ein Staat unerlaubte Handlungen auf fremdem Staatsgebiet vornimmt.89 Das Oberste Sondergericht Griechenlands verneinte dagegen das Vorliegen einer Immunitätsausnahme bei
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Richardson J., 2 NZLR 278, 307, auch abgedruckt in: 36 ILM 727, 737 (1997). Thomas J., in: New Zealand Court of Appeal, 2 NZLR 278, 310, auch abgedruckt in: 36 ILM 727, 739 (1997). 85 Cook, in: New Zealand Court of Appeal, 2 NZLR 278, 290, auch abgedruckt in: 36 ILM 727, 731 (1997): „One can speculate that the law may steadily develop, perhaps first excepting from sovereign immunity atrocities or the use of weapons of mass destruction, perhaps ultimately going on to except acts of war not authorised by the United Nations.“ 86 Henry J., in: New Zealand Court of Appeal, 2 NZLR 278, 309, auch abgedruckt in: 36 ILM 727, 738 (1997). 87 Osofsky, 11 New York Int’l Rev. 35, 49 (1998); Byers, Introductiory Note, 36 ILM 721, 726 (1997). 88 LG Livadia, Entsch. v. 30.10.1997 (Az. 137/1997) – unveröffentlicht. Urteilsbesprechungen: Bantekas, 92 AJIL 765 (1998); Gavouneli, 50 RHDI 595 (1997). 89 Areopag, Entsch. v. 04.05.2000 (Az. 11/2000) – unveröffentlicht; deutsche Übersetzung in: KJ 2000, 472. 84
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Handlungen bewaffneter Streitkräfte auf ausländischem Staatsgebiet.90 Vier Richter waren anderer Auffassung. Sie vertraten eine Immunitätsausnahme bei Kriegsverbrechen mit der Begründung, dass Kriegsverbrechen ausdrücklich durch völkerrechtliche Regelungen im Range von ius cogens verboten seien und diese Regelungen in der Normenhierarchie über jeder anderen Regel des Völkerrechts stünden.91 Der BGH erkennt in seiner Entscheidung im Distomo-Fall, dass es Bestrebungen gebe, den Grundsatz der Staatenimmunität enger zu fassen und bei Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts („ius cogens“), ihn nicht anzuerkennen.92 Dies sei jedoch nicht geltendes Völkerrecht. Der Immunitätsvorbehalt laufe sonst auch weitgehend leer. 3. Entscheidung des Corte di cassazione im Fall Ferrini v. Repubblica Federale di Germania Der italienische Corte di cassazione gab dagegen der Klage eines Italieners gegen die Bundesrepublik wegen Deportation und Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs statt.93 Das Gericht begründete dies mit der extremen Schwere der Handlungen, die ein internationales Verbrechen darstellten, eine Völkerrechtsverletzung, die universelle Werte, die die Interessen individueller Staaten überstiegen, gefährde.94 Deportation und Zwangsarbeit stellten Kriegsverbrechen und damit völkerrechtliche Verbrechen im Sinne der Statute zu den verschiedenen Kriegsverbrechertribunalen dar und seien bereits bei ihrer Begehung verboten gewesen.95 Das Gericht bezog sich auch auf Art. 40 und 41 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit, um eine Immunitätsausnahme zu begründen. Die Immunitätsgewährung laufe den Entwicklungen auf dem Gebiet der völkerrechtlichen Verbrechen zuwider, da sie den Schutz von Werten missachte, die für die internationale Staatengemeinschaft von essentieller Bedeutung seien.96 Höherrangigen Normen müsse Priorität zukommen. 90 Oberstes griechisches Sondergericht, Bundesrepublik Deutschland v. Militiadis Margellos, Entsch. v. 17.09.2002 – unveröffentlicht; zitiert nach: Panezi, 56 RHDI 199 (2003). 91 Rizos/Kroustalakis/Prassos/Gyftakis, in: Oberstes griechisches Sondergericht, Entsch. v. 17.09.2002 – unveröffentlicht; zitiert nach: Panezi, 56 RHDI 199, 206 (2003). 92 BGH, Urt. v. 26.06.2003, NJW 2003, 3488 = DVBl. 2004, 37, 38 = 42 ILM 1042, 1045 (2003). 93 Corte di cassazione, Sez. Unite, Ferrini v. Repubblica Federale di Germania, 11.03.2004, n. 5044, 87 Rivista di diritto internazionale 539 (2004). 94 Corte di cassazione, 87 Rivista di diritto internazionale 539, 544 ff. (2004). 95 Corte di cassazione, 87 Rivista di diritto internazionale 539, 545 (2004).
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Die Behauptung, dass keine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen bestehe, sei falsch. Der Respekt vor den unveräußerlichen Menschenrechten sei zu einem fundamentalen Grundsatz der Völkerrechtsordnung geworden. Dieser Grundsatz müsse auch Auswirkungen auf die Staatenimmunität haben. Zusätzlich betonte das Gericht, dass der Kläger in Italien aufgegriffen wurde und so im Unterschied zum Fall Al-Adsani ein Teil der Menschenrechtsverletzungen im Forumstaat stattfand.97 Die traditionelle Unterscheidung zwischen Handlungen iure imperii und Handlungen iure gestionis sei nicht mehr geeignet zur Immunitätsbestimmung. Die Änderung des amerikanischen FSIA im Jahre 199698 zeige, dass bei unerlaubten Handlungen von besonderer Schwere Menschenrechte Vorrang vor den Interessen einzelner Staaten hätten. Es sei mittlerweile unstreitig, dass sich staatliche Organe bei der Begehung völkerrechtlicher Verbrechen nicht mehr auf Immunität berufen könnten.99 Da die funktionale Immunität ein Korrelat staatlicher Immunität sei, bestehe kein Grund, die Immunität des Staates beizubehalten, während für dieselbe Handlung den Organen des Staates der Immunitätsschutz verwehrt werde. 4. Bewertung Die Ausführungen der Richter des neuseeländischen Court of Appeal im Fall Auditor-General v. Sir Ronald Davison eignen sich nicht als Beleg für eine Praxis im Hinblick auf Immunitätsbeschränkungen bei schweren Menschenrechtsverletzungen. Entscheidungsgegenstand waren keine Menschenrechtsverletzungen, sondern vielmehr ging es um eine Beeinträchtigung des neuseeländischen Steuersystems durch ein Verhalten von Regierungsstellen der Cook Islands, das Steuerhinterziehungen neuseeländischer Unternehmen unterstützt haben soll. Drei Richter schienen es dennoch für geboten zu erachten, auf Immunitätsbeschränkungen bei Völkerrechtsverletzungen einzugehen. Die Ausführungen sind sehr schwammig. Die Verletzung eines fundamentalen Gerechtigkeitsprinzips allein vermag noch keinen überzeugenden Erklärungsansatz für eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen darzustellen.
96 Corte di cassazione, 87 Rivista di diritto internazionale 539, 547 (2004): „Il riconoscimento dell’immunità dalla giurisdizione in favore degli Stati che si siano resi responsabili di tali misfatti si pone in palese contrasto con i dati normativi appena ricordati, poiché detto riconoscimento, lungi dal favorire, ostacola la tutela di valori, la cui protezione è da considerare invece, alla stregua di tali norme e principi, essenziale per l’intera Comunità internazionale, tanto da giustificare, nelle ipotesi più gravi, anche forme di reazione obbligatorie.“ 97 Corte di cassazione, 87 Rivista di diritto internazionale 539, 548 f. (2004). 98 Siehe: Sechster Teil, A. I. 3. b). 99 Corte di cassazione, 87 Rivista di diritto internazionale 539, 550 (2004).
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Das LG Livadia, der Areopag und die abweichende Richterauffassung in der Entscheidung des Obersten Sondergerichts greifen eine ganze Reihe der im völkerrechtlichem Schrifttum und teilweise auch in der Rechtsprechung nationaler Gerichte zur Einschränkung der Staatenimmunität vertretenen Ansätze auf. Es fehlt aber an einer klaren Argumentationsstruktur. Sowohl im Distomo-Fall als auch im Ferrini-Fall erscheint es problematisch, ob der aktuelle Stand des Immunitätsrechts rückwirkend auf Handlungen während des Zweiten Weltkriegs angewendet werden kann. Der Corte di Cassazione brachte gleich mehrere Argumente, die kumulativ eine Immunitätsausnahme begründen sollen. Alle müssen jedoch genauer analysiert werden. Das Gericht geht davon aus, dass ein hoheitliches Handeln vorliege, will aber an der Differenzierung zwischen hoheitlichen und nichthoheitlichen Handlungen nicht mehr festhalten und aus der Schwere der Deutschland vorgeworfenen Handlungen eine Immunitätsausnahme ableiten. Dass die Handlungen Kriegsverbrechen im Sinne der Kriegsverbrechertribunale darstellen, vermag die Verantwortung von Individuen vor diesen Gerichten zu begründen. Die (materielle) kriminelle Verantwortlichkeit des Amtsträgers und die (prozessuale) Frage der Immunität sind aber voneinander zu unterscheiden.100 Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern bedeutet nicht auch automatisch, dass ein Staat vor den Gerichten eines anderen Staates keine Immunität mehr genießt. Wenn das Gericht auf Entwicklungen auf dem Gebiet der Staatenverantwortlichkeit Bezug nimmt, muss es auch darlegen, ob die Regelungen zur Staatenverantwortlichkeit auch ermöglichen, dass ein Staat von Privatpersonen vor den Gerichten eines anderen Staates verklagt werden kann.101 Das Territorial-Nexus-Argument, das das Gericht zusätzlich heranzieht, wurde bereits oben abgelehnt.102 Der Schluss von einer Immunitätsausnahme bezüglich der funktionellen Immunität staatlicher Organe auf eine fehlende Immunität des Staates ist nicht überzeugend. Zum einen leitet sich die Immunität staatlicher Funktionsträger für hoheitliches Handeln (funktionale Immunität) aus der Staatenimmunität ab und nicht umgekehrt.103 Zum anderen bedarf bereits eine Immunitätsausnahme 100 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 60: „The Court emphasizes, however, that the immunity from jurisdiction enjoyed by incumbent Ministers for Foreign Affairs does not mean that they enjoy impunity in respect of any crimes they might have committed, irrespective of their gravity. Immunity from criminal jurisdiction and individual criminal responsibility are quite separate concepts. While jurisdictional immunity is procedural in nature, criminal responsibility is a question of substantive law. Jurisdictional immunity may well bar prosecution for a certain period or for certain offences; it cannot exonerate the person to whom it applies from all criminal responsibility.“ 101 Siehe hierzu unten: Siebter Teil, B. II. 2. c). 102 Siehe: Vierter Teil, B. IV.
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staatlicher Funktionsträger bei Begehung internationaler Verbrechen näherer Begründung und kann nicht einfach unterstellt werden.104
IV. Rechtsprechung des EGMR Als Hilfsmittel (vgl. Art. 38 Abs. 1 d) IGH-Statut) zur Feststellung einer Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen könnte die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bedeutung haben. Der EGMR nahm in den Fällen Al-Adsani 105 und Kalogeropoulou106 zur Frage einer Ausnahme zur Staatenimmunität bei schweren Menschenrechtsverletzungen Stellung. 1. Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Al-Adsani Im Fall Al-Adsani v. The United Kingdom betonte der Gerichtshof, dass das Recht, nicht der Folter oder der unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, einen der grundlegenden Werte demokratischer Gesellschaften darstelle und unter keinen Umständen eingeschränkt werden dürfe. Dem Folterverbot komme der Rang von ius cogens zu. Der Gerichtshof beschäftigte sich mit der Entscheidung des Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien im Fall Furundzija bzw. den Entscheidungen des House of Lords im Pinochet-Fall. Da es in diesen Fällen um die Immunität von Staatenvertretern in Strafverfahren und im Fall Al-Adsani um die Immunität eines Staates im Zivilverfahren ging, hielt es die Entscheidungen des House of Lords und des ICTY nicht für übertragbar. Die Richtermehrheit des Gerichtshofs betrachtete es nicht als völkerrechtlich erwiesen, dass Staaten gegenüber zivilrechtlichen Entschädigungsklagen wegen außerhalb des Forumstaates begangener Folterungen keine Immunität mehr genössen.107 Zu der Entscheidung gab es zwei zustimmende und drei abweichende Sondervoten. Richter Pellonpää und ihm zustimmend Richter Bratza unterstützten die Mehrheitsauffassung durch Hinweis auf praktische Erwägungen.108 Es sei un103
Siehe: Erster Teil: F. III. Siehe hierzu unten: Sechster Teil, B. III. 105 EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung: EuGRZ 2002, 403. 106 EGMR, Kalogeropoulou and others v. Greece and Germany, Entsch. v. 12.12. 2002, ECHR 2002-X, 415, deutsche Übersetzung in: NJW 2004, 273. 107 EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403, Ziff. 66. 108 Concurring Opinion of Judge Pellonpää joined by judge Sir Nicolas Bratza, in: EGMR, ECHR 2001-XI, 107 ff., deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 408 f. 104
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
möglich, vor britischen Gerichten die Wahrheit der gegen ausländische Staaten erhobenen Foltervorwürfe zu beweisen. Zudem wären dann gerade die bei der Aufnahme von Flüchtlingen besonders großzügigen Staaten zusätzlich verpflichtet, einer großen Zahl von ihnen den Zugang zu den Gerichten zu gewähren. Wenn das Folterverbot als ius cogens alle rangniederen Normen des Völkerrechts und auch die Immunität im Erkenntnisverfahren überragte, müsste auch die Immunität im Zwangsvollstreckungsverfahren verdrängt werden, und die Staaten müssten die Zwangsvollstreckung gegen das Vermögen ausländischer Staaten zulassen. Wenn auch die nach Auffassung des Richters Pellonpää nicht zum ius cogens gehörende Immunität der Bankkonten, Kulturinstitute und Botschaftsgebäude ausländischer Staaten in der Zwangsvollstreckung als vom Folterverbot verdrängt angesehen würden, verhelfe dies dem Folterverbot nur zu einem Pyrrhussieg. Die internationale Zusammenarbeit, einschließlich der Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Folter setze bestimmte Rahmenbedingungen voraus, zu denen auch die Grundsätze der Staatenimmunität gehörten. Der Richter betrachtet es also als kurzsichtig, in der Beschränkung der Immunität im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren nur Vorteile für den Menschenrechtsschutz zu sehen. Vielmehr sieht er auch die Gefahr von Schäden für die internationale Zusammenarbeit und Verständigung zwischen den Staaten. Beide seien erforderlich, um den Menschenrechtsschutz weiter zu fördern. Die Gefahr sei besonders groß, wenn Botschaften und Kulturinstitute, die eben dieser Zusammenarbeit und Verständigung zwischen den Staaten dienten, der Zwangsvollstreckung eines anderen Staates preisgegeben würden. Es sollten nie die Konsequenzen einer bestimmten Rechtsauffassung aus den Augen verloren gehen, und der EGMR müsse bei der Behandlung zentraler Fragen des allgemeinen Völkerrechts Vorsicht walten lassen. Die Richter Rozakis und Caflisch und ihnen zustimmend die Richter Costa, Cabral Barreto, Vajic´ und der Präsident des EGMR, Wildhaber, waren der Auffassung, dass aus der Feststellung des ius cogens-Charakters des Folterverbotes weiter gehende Folgen zu ziehen seien als sie die Richtermehrheit zog.109 Bei dem Konflikt zwischen der zwingenden völkerrechtlichen Vorschrift des Folterverbotes und der Staatenimmunität wollen sie nicht zwischen dem zivilrechtlichen und dem strafrechtlichen Bereich unterscheiden. Im Fall eines Konflikts zwischen ius cogens-Regeln und einfachen Regeln des Völkerrechts gingen erstere vor. Wenn das zum ius cogens gehörende Folterverbot und die Regeln der Staatenimmunität, die nicht zum ius cogens gehörten, in Konflikt geraten, werde das Prozesshindernis der Staatenimmunität automatisch beseitigt.
109 Joint Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch Joined by Judges Wildhaber, Costa, Cabral Barreto and Vajic´, ECHR 2001-XI, 111 ff., deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 409 ff.
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2. Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Kalogeropoulou Die griechischen Kläger im Distomo-Fall wendeten sich an den EGMR mit der Behauptung, dass die Weigerung von griechischer und deutscher Seite, das Urteil des LG Livadia durchzusetzen, ihre Rechte aus der EMRK verletze. Der Gerichtshof stellte fest, dass ein völkerrechtlicher Grundsatz, wonach sich Staaten gegenüber Schadensersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht auf Immunität berufen könnten, nicht nachweisbar sei.110 Das treffe jedenfalls auf den gegenwärtigen Stand des Völkerrechts zu, wie er bereits in der Sache Al-Adsani entschieden habe. Eine Fortentwicklung des Völkergewohnheitsrechts sei aber nicht ausgeschlossen.
V. Analyse der Staatenpraxis Im Folgenden soll die dargestellte Staatenpraxis einer Bewertung unterzogen werden. Eine Reihe von Gerichtsverfahren gehörten zu der Fallgruppe, in der Staaten wegen in der weiter zurückliegenden Vergangenheit begangenen Menschenrechtsverletzungen verklagt wurden.111 Für diese Fallgruppe ist als Vorfrage zu klären, ob der aktuelle Stand des Immunitätsrechts rückwirkend auf Sachverhalte angewendet werden kann, die sich zu einem Zeitpunkt ereigneten, als Immunität noch als absolut behandelt wurde. Im nächsten Schritt soll analysiert werden, ob nach dem gegenwärtigen Stand des Völkergewohnheitsrechts eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen besteht. 1. Rückwirkende Anwendbarkeit von Immunitätsregelungen In einigen Entscheidungen wurde die Frage der rückwirkenden Anwendbarkeit von Immunitätsregelungen nicht geklärt, da auch bei einer rückwirkenden Anwendung der aktuellen Immunitätsregelungen das Vorliegen von Immunität festgestellt wurde. Teilweise wird die rückwirkende Anwendbarkeit einfach unterstellt. Es soll analysiert werden, ob und inwieweit das aktuelle Immunitätsrecht auf vergangene Sachverhalte angewendet werden kann. a) Praxis in den Vereinigten Staaten Im Fall Jackson v. People’s Republic of China112 vor dem Court of Appeals des elften Gerichtsbezirks wurde China wegen im Jahre 1911 herausgegebener 110 EGMR, Kalogeropoulou and others v. Greece and Germany, Entsch. v. 12.12. 2002, ECHR 2002-X, 415, 428 f., deutsche Übersetzung in: NJW 2004, 273, 274. 111 Siehe auch: Einleitung A. 112 US Court of Appeals, 11th Circuit, Jackson v. People’s Republic of China, Entsch. v. 25.07.1986, 794 F.2d 1490.
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Anleihen verklagt. Das Gericht entschied, dass der FSIA nicht auf geschäftliche Transaktionen vor 1952 angewendet werden könne. Dies begründete es mit dem Wortlaut des FSIA, der Entstehungsgeschichte und der damals bestehenden Rechtsposition Chinas.113 Eine ähnliche Konstellation lag im Fall Carl Marks & Co. v. Union of Soviet Socialist Republics114 vor. Ein District Court befasste sich mit einer Klage aus Schuldverschreibungen des russischen Zarenreiches, die am 1.12.1916 ausgegeben wurden. Das Gericht lehnte eine rückwirkende Anwendung des FSIA auf Sachverhalte aus dieser Zeit ab. Der Wortlaut des FSIA deute auf eine Anwendung für die Zukunft hin. Entscheidend sei, ob der FSIA bloße Hilfsfunktion habe und frühere Rechte nicht beeinträchtige. Nur wenn die absolute Immunität keine rechtliche Frage sei, könne die Immunitätsausnahme für kommerzielle Handlungen auch keine früheren Rechte beeinträchtigen.115 Das Gericht analysierte die US-amerikanische Jurisprudenz und nahm auch auf die Praxis in anderen Staaten Bezug und folgerte, dass jedenfalls bis zum Jahre 1926 Staaten kraft völkerrechtlicher Prinzipien absolute Immunität gewährt worden sei. Eine rückwirkende Anwendung des FSIA auf Geschehnisse vor 1952 beeinträchtige die damals bestehenden Rechte souveräner Staaten.116 Im Fall Garb v. Republic of Poland 117 wurde eine Sammelklage zugunsten polnischer Juden gegen eine polnische Regierungsbehörde erhoben und Entschädigung für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg begehrt. Der District Court wies darauf hin, dass als Immunitätsausnahmen aus dem FSIA die Ausnahme für kommerzielles Handeln in § 1605 (a) (2) FSIA und die für völkerrechtswidrige Enteignungen in § 1605 (a) (3) FSIA in Betracht kämen. Voraussetzung sei jedoch die rückwirkende Anwendbarkeit des FSIA. Das Gericht befand, dass erst nach 1952, d. h. seit dem Tate Letter, in dem das State Department sich auf die restriktive Immunitätslehre festlegte, ein ausländischer Staat, wegen seiner geschäftlichen Transaktionen verklagt werden konnte. Vor diesem Hintergrund entschied es, dass der FSIA nicht rückwirkend auf den Zeitraum vor 1952 angewendet werden könne.118 Während im Fall Joo v. Japan der District Court eine Entscheidung über die Frage der retroaktiven Anwendbarkeit nicht für erforderlich hielt, stellte der Court of Appeals des District of Columbia fest, dass die Immunitätsausnahme für kommerzielles Handeln nicht auf Ge-
US Court of Appeals, 11th Circuit, 794 F.2d 1490, 1497. US District Court, S.D. New York, Carl Marks & Co., Inc. et al. v. Union of Soviet Republics, Entsch. v. 31.07.1987, 665 F.Supp. 323. 115 US District Court, S.D. New York, 665 F.Supp. 323, 337. 116 US District Court, S.D. New York, 665 F.Supp. 323, 339. 117 US District Court, E.D. New York, Garb v. Republic of Poland, Entsch. v. 24.06.2002, 207 F.Supp.2d 16. 118 US District Court, E.D. New York, 207 F.Supp. 2d 16, 27 ff. 113 114
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schehnisse vor dem Tate Letter angewendet werden könne.119 Insbesondere die Formulierung in § 1602 S. 3 FSIA („Claims of foreign states to immunity should henceforth be decided by courts of the United States and of the States in conformity with the principles set forth in this chapter“) bringe nicht die Absicht zum Ausdruck, dass der FSIA rückwirkend auf Ereignisse vor 1952 anwendbar sei.120 Es gibt aber aktuelle Tendenzen in der neueren US-amerikanischen Rechtsprechungspraxis in Richtung einer rückwirkenden Anwendbarkeit aktuellen Immunitätsrechts. Im Fall Altmann v. Republic of Austria forderten Erben der Eigentümer von Gemälden, die von den Nationalsozialisten im Jahre 1940 enteignet und an eine österreichische Galerie gegeben wurden, die Gemälde von der Galerie heraus. Der Court of Appeals des neunten Bezirks entschied, dass der FSIA Anwendung finden könne.121 Der Supreme Court bestätigte diese Entscheidung.122 Das Gericht nahm auf seine Entscheidung im Fall Landgraf v. USI Film Products123 Bezug, in der für die Beurteilung der rückwirkenden Anwendbarkeit nationaler Gesetze für maßgeblich gehalten wurde, ob materielle Rechte oder nur prozessuale Fragen beeinträchtigt werden. Im ersten Fall wurde die rückwirkende Anwendung auf ein Verhalten vor Erlass der Regelung für unzulässig befunden, im zweiten Fall für zulässig. Der Supreme Court befand, dass der FSIA nicht diesen Kategorien zugeordnet werden könne. Vor 1976 hätten ausländische Staaten eine berechtigte Erwartung gehabt, dass ihnen US-Gerichte als Frage von comity für Hoheitshandlungen Immunität gewährten, aber ein Recht hierauf habe ihnen nicht zugestanden.124 Der FSIA eröffne Klägern nur im Hinblick auf vorher existierende Ansprüche den Zugang zu den US-Gerichten. Das Gesetz erweitere weder die Haftung für vergangenes Verhalten noch erlege es neue Verpflichtungen im Hinblick auf schon vollendete Transaktionen auf. Vor diesem Hintergrund liege keine retroaktive Anwendung im Sinne der Landgraf-Regel vor. Anders als der Court of Appeals im Fall Joo v. Japan befand das Gericht, dass der FSIA einer Anwendung auf Geschehnisse vor 1952 trotz der Formulierung in § 1602 FSIA („henceforth“) nicht entgegenstehe.125
119 US Court of Appeals, District of Columbia, Joo et al. v. Japan, Entsch. v. 27.06.2003, 332 F 3d 679, 683 ff. 120 US Court of Appeals, District of Columbia, 332 F 3d 679, 683 ff. 121 US Court of Appeals, 9th Circuit, Maria V. Altmann v. Republic of Austria et al., Entsch. v. 12.12.2002, 317 F.3d 954, 962 ff. 122 US Supreme Court, 124 S. Ct. 2240. 123 US Supreme Court, Landgraf v. USI Film Products, Entsch. v. 26.04.1994, 511 U.S. 244. 124 US Supreme Court, 124 S.Ct. 2240, 2251. 125 US Supreme Court, 124 S.Ct. 2240, 2253.
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Richter Kennedy und sich ihm anschließend zwei weitere Richter waren anderer Auffassung. Die Entscheidung breche mit Präjudizien, wonach grundsätzlich keine retroaktive Anwendung möglich sei, und führe damit zu Ungewissheiten im Verhältnis zu anderen Staaten.126 b) Sonstige Völkerrechtspraxis Das LG Livadia und der Areopag im Distomo-Fall und der Corte di cassazione im Fall Ferrini v. Repubblica Federale di Germania gingen ohne nähere Begründung von der rückwirkenden Anwendbarkeit des aktuellen Stands des Immunitätsrechts auf die Vorgänge während des Zweiten Weltkriegs aus. Dem steht jedoch die überwiegende Staatenpraxis entgegen, die, soweit sie das Problem der rückwirkenden Anwendbarkeit erkennt, diese verneint. In § 23 Abs. 3 UK SIA, § 1 Abs. 2 Singapore State Immunity Act, § 7 Abs. 1 des australischen SIA, Art. 35 Abs. 3 EÜStI und Art. 4 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property wird die rückwirkende Anwendbarkeit ausdrücklich ausgeschlossen. Der BGH betonte in seiner Entscheidung im Distomo-Fall, dass die gebietsbezogene Immunitätsausnahme, wenn sie überhaupt anerkannt werden könne, jedenfalls nicht mit Rückwirkung für den Zweiten Weltkrieg anwendbar sei.127 c) Stellungnahme Die Argumentation der Richtermehrheit des Supreme Court im Altmann-Fall ist sehr bedenklich. Wenn die rückwirkende Anwendbarkeit allein aus dem FSIA abgeleitet wird, der, wie die vorherigen Entscheidungen zeigen, im Wortlaut diesbezüglich keinesfalls eindeutig ist, wird verkannt, dass die Staatenimmunität eine Regel des Völkerrechts ist. Der Richtermehrheit des Supreme Court fällt die Argumentation leicht, da sie Staatenimmunität nicht als Recht, sondern als Frage von comity behandelt. Es wurde bereits ausgeführt, dass diese Ansicht schon nicht eindeutig die Praxis in den USA wiedergibt, wo an vielen Stellen Staatenimmunität als „principle of law“ angesehen wird, und erst recht nicht dem Völkerrecht entspricht.128 Auch die Entscheidung des Supreme Court im Fall Landgraf erscheint kaum auf die Beurteilung der völkerrechtlichen Frage der rückwirkenden Anwendbarkeit von Immunitätsrecht übertragbar, da die Entscheidung die rückwirkende Anwendbarkeit nationalen Rechts behandelte. 126 Justice Kennedy with whom the Chief Justice and Justice Thomas join, in: Supreme Court, 124 S.Ct. 2240, 2263 ff. 127 BGH, Urt. v. 26.06.2003, NJW 2003, 3488 = DVBl. 2004, 37, 38 = 42 ILM 1042, 1045 (2003). 128 Siehe: Erster Teil B. II.
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d) Ergebnis Eine völkergewohnheitsrechtliche Regel, wonach der aktuelle Stand des Immunitätsrechts auf Sachverhalte zu einem Zeitpunkt, als das Prozesshindernis der Staatenimmunität noch bestand, angewandt werden kann, lässt sich nicht nachweisen. 2. Gesamtbewertung der Staatenpraxis Die nationalen Immunitätsregelungen sehen keine allgemeine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen vor. Die 1996 neu in den FSIA eingefügte Regelung kann aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte und ihrer Einschränkungen auch nicht als spezifische Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen verstanden werden. Eine echte Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen nimmt der District Court of Columbia in der ersten Entscheidung im von Dardel-Fall an. Diese Entscheidung ist jedoch wegen der fünf Jahre später ergangenen Entscheidung desselben Gerichts129 als überholt anzusehen. Die Zwischenentscheidung des Court of Appeal über die Zustellung der Klage im Fall Al-Adsani deutet zwar auch auf eine Immunitätsausnahme hin. Die Ausführungen in dieser Entscheidung wurden jedoch durch den High Court und den Court of Appeal korrigiert. Außerdem kamen die Entscheidungen des LG Livadia und des Areopags im Distomo-Fall als Belege für eine echte Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen in Betracht. Diese Entscheidungen lassen jedoch eine einheitliche Begründung für eine Immunitätsausnahme vermissen. Außerdem steht ihnen auch das Gutachten des Obersten griechischen Sondergerichts entgegen. Einige neue Aspekte für eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen führt der Corte di cassazione an. Das Gericht vermengte jedoch Fragen der individuellen Verantwortlichkeit mit solchen der Staatenverantwortlichkeit und gründete seine Argumentation auf Unterstellungen, die ihrerseits eines völkerrechtlichen Nachweises bedurft hätten. Diese Entscheidungen stellen bisher nur Einzelfälle dar, die als Beleg für die Existenz einer völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen nicht ausreichen. Insgesamt sind die Gerichte bei der Annahme einer solchen Immunitätsausnahme sehr zurückhaltend.
129 US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 09.03.1990, 736 F.Supp. 1.
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
VI. Ergebnis Eine völkergewohnheitsrechtliche Regel, wonach ein Staat bei schwer wiegenden Menschenrechtsverletzungen keine Immunität genießt, besteht nicht.
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger Nach der Untersuchung der Staatenpraxis zur Immunität von Staaten bei schweren Menschenrechtsverletzungen wird im Folgenden die Staatenpraxis im Hinblick auf staatliche Funktionsträger analysiert.
I. Ausgangspunkt Klagen gegen staatliche Funktionsträger wurden überwiegend in den Vereinigten Staaten erhoben. Im europäischen Rechtsraum wurde die Immunität staatlicher Funktionsträger dagegen fast ausschließlich in Strafverfahren relevant.130 Die hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen könnten aber auch für die Beurteilung der Immunität staatlicher Funktionsträger im Klageverfahren Bedeutung besitzen. Grundlage der in den Vereinigten Staaten erhobenen Klagen bildet das Alien Tort Statute131 aus dem Jahre 1789, das fast zwei Jahrhunderte lang kaum angewendet wurde. Eine weitere Regelung, deren Anwendbarkeit bei Klagen gegen staatliche Funktionsträger diskutiert wird, ist der Torture Victim Protection Act (TVPA) aus dem Jahr 1991.132 Der TVPA liefert den Klagegrund (sog. cause of action) bei Klagen gegen ein Individuum wegen Folterhandlungen oder extralegalen Tötungen, wenn die Handlungen unter Inanspruchnahme der Autorität oder in Anwendung des Rechts eines ausländischen Staates begangen wurden,133 er bildet aber keine Grundlage für die Gerichtsbarkeit.134 130 Siehe die aktuelleren Entscheidungen: Cour de Cassation, „Ghaddafi“, Chambre criminelle, Entsch. v. 13.03.2001, Arrêt no. 1414, 125 ILR 490, 508 ff. (2004); Cour de Cassation, H.S.A. et al. v. S.A. et al. (Decision related to the Indictment of Ariel Sharon, Amos Yaron and others), Entsch. v. 12.02.2003, 42 ILM 596 (2003). 131 Alien Tort Statute, 24.09.1789, 28 U.S.C. § 1350. 132 Torture Victim Protection Act, 12.03.1992, Pub L 102-256, 106 Stat. 73. Siehe insbesondere den § 2 TVPA: „Sec. 2. Establishment of Civil Action (a) Liability. – An individual who, under actual or apparent authority, or color of law, of any foreign nation – „(1) subjects an individual to torture shall, in a civil action, be liable for damages to that individual; or (2) subjects an individual to extrajudicial killing shall, in a civil action, be liable for damages to the individual’s legal representative, or to any person who may be a claimant in an action for wrongful death.“ 133 District Court, N.D. Illinois, Hafsat Abiola et al. v. Gen. Abdusalami Abubakar, Entsch. v. 27.06.2003, 267 F.Supp. 2d 907, 910.
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Seit der Entscheidung im Fall Filartiga v. Peña-Irala,135 in dem paraguayanische Staatsbürger, die in den USA lebten und Asyl beantragt hatten, den ehemaligen Polizeioffizier von Asunción verklagten, wird das Alien Tort Statute auf Klagen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen gegen ausländische Amtsträger angewendet. Peña-Irala wurde vorgeworfen, in Ausübung seines Amtes den 17-jährigen Sohn bzw. Bruder der Kläger als Vergeltung für die politischen Aktivitäten seines Vaters, der ein Gegner des damals in Paraguay herrschenden Stroessner-Regimes war, zu Tode gefoltert haben. Der Court of Appeals des zweiten Bezirks bejahte das Vorliegen der Gerichtsbarkeit, wobei er in seiner Entscheidung besonders die Entwicklung des Menschenrechtsschutzes und die schwere Tat betonte. Die Filartiga-Entscheidung wird in der Literatur vielfach als bahnbrechend für eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen eingestuft.136 Dadurch werden aber die Besonderheiten des Falls verkannt. Verklagt wurde ein staatlicher Funktionsträger und nicht ein Staat, außerdem ein Polizeichef und nicht eines der zentralen Organe eines Staates im völkerrechtlichen Verkehr, und zudem befand sich der Beklagte nicht mehr im Amt. Die Grundlagen der Immunität der zentralen Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs und die der Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger unterscheiden sich. Die Immunität des Staatsoberhauptes hat ihren Ursprung in der früheren Gleichsetzung zwischen dem Staat und dem Oberhaupt, und auch heute noch wird das Staatsoberhaupt als Repräsentant von Geist und Größe der gesamten Nation angesehen.137 Da Regierungschefs und Außenminister kraft Völkerrechts in vergleichbarer Weise den Staat repräsentieren wie das Staatsoberhaupt, wird auch ihnen Immunitätsschutz zugebilligt. Diese zentralen Organe besitzen einen statusbezogenen personalen Immunitätschutz (Immunität ratione personae). Der Immunitätsschutz sonstiger staatlicher Funktionsträger ist dagegen (funktionell) an die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten geknüpft (Immunität ratione materiae). Deshalb muss die folgende Darstellung zwischen den verschiedenen Gruppen differenzieren.
134 District Court, N.D. Illinois, 267 F.Supp. 2d 907, 910; US Court of Appeals, 2nd Circuit, Doe I v. Karadzic, Kadic v. Karadzic, Entsch. v. 13.10.1995, 70 F.3d 232, 246 („[. . .] TVPA is not a jurisdictional statute [. . .].“). 135 US Court of Appeals, 2nd Circuit, 630 F.2d 876. 136 Siehe z. B.: Steinhardt, in: Steinhardt/D’Amato, S. 301, 302 ff. 137 Siehe: Erster Teil, F. I. 1. a).
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
II. Immunität der zentralen Staatsorgane Den soeben erläuterten Differenzierungen folgend soll als erstes die Immunität der zentralen Organe des Völkerrechtsverkehrs analysiert werden. Dabei wird des Weiteren zwischen dem Immunitätsschutz während der Amtszeit und dem nach Beendigung der Amtszeit unterschieden. 1. Immunität während der Amtszeit Zunächst soll die Immunität der zentralen Organe des Völkerrechtsverkehrs während ihrer Amtszeit bestimmt werden. Dabei werden zunächst die Klagen gegen Staatsoberhäupter analysiert. a) Klagen gegen Staatsoberhäupter Nationale Gerichte mussten sich mit der Immunität ausländischer Staatsoberhäupter sowohl in Zivil- als auch Strafverfahren beschäftigen. aa) Entscheidungen nationaler Gerichte im Zivilverfahren In der Rechtssache Lafontant v. Aristide138 klagte die Witwe des am 29.09.1991 in einem Gefängnis ermordeten Roger Lafontant, der wegen eines gescheiterten Putsches in Haiti zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden war, gegen Jean Bertrand Aristide auf Schadensersatz. Sie behauptete, dass Aristide die Tötung ihres Mannes angeordnet habe. Aristide befand sich bereits in den USA im Exil. Die US-Regierung erkannte ihn aber als den rechtmäßigen Staatschef Haitis an und betrachtete das herrschende Militärregime als illegitim. Das State Department veröffentlichte auf der Grundlage von 28 U.S.C.S. § 517 eine „suggestion of immunity“, in der es geltend machte, dass es den außenpolitischen Interessen der USA zuwiderlaufe, die Klage gegen Aristide zu erlauben. Das Gericht entschied, dass ein durch die US-Regierung anerkanntes Staatsoberhaupt absolute Immunität genieße, wenn diese Immunität nicht durch Gesetz oder durch eine von den USA anerkannte ausländische Regierung des Heimatstaates aufgehoben worden sei.139 Die Regeln des Völkerrechts und des Common Law betreffend die Immunität von Staatsoberhäuptern blieben durch den FSIA und den TVPA unberührt. Diese Gesetze seien auf Staatsoberhäupter nicht anwendbar, und die Exekutive behalte die volle Kontrolle über die Immu138 US District Court, E.D. of New York, Lafontant v. Aristide, Entsch. v. 27.01. 1994, 844 F.Supp. 128. 139 US District Court, E.D. New York, 844 F.Supp. 128, 131 f.
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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nität von Staatsoberhäuptern.140 Die vor Erlass des FSIA geltende absolute Immunität im Hinblick auf Staatsoberhäupter solle beibehalten werden. Es sei nicht erforderlich zu untersuchen, ob der Tötungsbefehl ein amtlicher oder privater Akt sei, weil Aristide in jedem Fall Immunität genieße.141 Im Fall Alicog v. Kingdom of Saudi Arabia142 verklagten zwei Bedienstete der königlichen Familie das Königreich Saudi-Arabien und König Fahd von Saudi-Arabien. Sie behaupteten, dass sie während eines fünfmonatigen Aufenthaltes des Prinzen Saad, dem Bruder des saudi-arabischen Königs, in Houston in ihrem Hotel festgehalten worden seien. Dabei seien sie physisch und psychisch misshandelt worden, was sie jedoch nicht näher nachweisen konnten. Das State Department intervenierte zugunsten des Königs, indem es König Fahd als das Staatsoberhaupt Saudi-Arabiens anerkannte und damit dessen Vorrechte betonte. Das Gericht akzeptierte die Anerkennung als schlüssig und gewährte Immunität.143 In den Fällen Kadic v. Karadzic und Doe v. Karadzic wurde Klage gegen den Präsidenten der von den bosnischen Serben ausgerufenen bosnisch-serbischen Republik „Srpska“, erhoben. In seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der bosnisch-serbischen Militärstreitkräfte soll Karadzic systematische Menschenrechtsverletzungen angeordnet haben, die daraufhin unter seinem Befehl von den Streitkräften verübt wurden. Karadzic wurden unter anderem Genozid, Vergewaltigung, erzwungene Prostitution, Folter und andere unmenschliche und erniedrigende Behandlungen vorgeworfen. Der District Court des S.D. New York wies die Klage ab.144 Da das Fehlen der Immunität als Staatsoberhaupt von der Entscheidung der Exekutive abhänge, eine bosnisch-serbische Nation und Karadzic als ihr Staatsoberhaupt nicht anzuerkennen, könnte das Klagebegehren zu einer Bitte um ein Gutachten darüber, ob das State Department den Beklagten zum Staatsoberhaupt erkläre, werden. Nach Ansicht des Court of Appeals steht dagegen die bloße Möglichkeit, dass Karadzic eines Tages durch die Vereinigten Staaten als Staatsoberhaupt einer befreundeten Nation anerkannt und damit die Immunität eines Staatsoberhauptes genießen könnte, der Klage nicht entgegen.145 Das Gericht verneinte den Immunitätsschutz.
140
US District Court, E.D. New York, 844 F.Supp. 128, 135. US District Court, E.D. New York, 844 F.Supp. 128, 139 f. 142 US District Court, S.D. Texas, Josephine Alicog et al. v. Kingdom of Saudi Arabia et al., Entsch. v. 10.08.1994, 860 F.Supp. 379. 143 US District Court, S.D. Texas, 860 F.Supp. 379, 382. 144 US District Court, S.D. New York, Doe v. Karadzic, Kadic v. Karadzic, Entsch. v. 7.09.1994, 866 F.Supp. 734. 145 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Doe v. Karadzic, Kadic v. Karadzic, Entsch. v. 13.10.1995, 70 F.3d 232, 248. 141
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Im Fall Tachiona v. Mugabe146 besuchte Zimbabwes Präsident Robert Gabriel Mugabe im September 2000 New York, um sich mit anderen Diplomaten und Führern bei der Millennium-Zusammenkunft der UN zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt erhoben Mitglieder und Anhänger von Oppositionsgruppen Zimbabwes u. a. gegen den Präsidenten Mugabe und den Außenminister Stan Mudenge Klage. In der Klageschrift wurden Mugabe politische Tötungen, Folter, Vergewaltigungen, Terrorismus und andere Gewalttaten in einer Kampagne zur Unterdrückung der Opposition vorgeworfen. Auch in diesem Fall machte das State Department eine „suggestion of immunity“. Mugabe den Prozess zu machen, sei mit den außenpolitischen Zielen der USA unvereinbar. Das State Department führte drei Gründe dafür an, dass das Gericht die Klage abweisen solle: die Immunität eines Staatsoberhaupts, die diplomatische Immunität und die persönliche Unverletzlichkeit.147 Das Gericht beschäftigte sich trotz der Intervention des State Department ausführlich mit der Immunität Mugabes. Es betonte, dass der potentielle Schaden für die diplomatischen Beziehungen der USA besonders groß sei, wenn ein ausländischer Regierungsvertreter sich gegenüber Vorwürfen für schwere Verbrechen persönlich verantworten müsse.148 Der FSIA hebe die maßgebliche Rolle des State Department bei der Anerkennung der Immunität eines Staatsoberhauptes nicht auf und schließe dessen Immunität auch nicht aus.149 Palästinenser, u. a. aus der West Bank, klagten wegen mutmaßlich erlittener Schäden durch die israelischen Siedlungsaktivitäten in der West Bank u. a. gegen den zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden israelischen Ministerpräsidenten Sharon.150 Der District Court of Columbia gewährte Sharon als einen von der Exekutive anerkannten führenden ausländischen Staatenvertreteter Immunität.151 Darin, dass Sharon 20 Jahre vorher und noch vor seinem Amtsantritt eine Klage vor US Gerichten erhoben hatte, vermochte das Gericht entgegen der Ansicht der Kläger keinen Immunitätsverzicht erblicken. bb) Entscheidungen nationaler Gerichte im Strafverfahren Es gibt auch einige nationale Gerichtsentscheidungen zur Immunität eines amtierenden Staatsoberhauptes im Strafverfahren, die in diesem Zusammenhang dargestellt werden sollen. 146 US District Court, S.D. New York, Tachiona v. Mugabe, Entsch. v. 30.10.2001, 169 F.Supp. 2d 259. 147 US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp. 2d 259, 267 f. 148 US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp. 2d 259, 291. 149 US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp. 2d 259, 296 f. 150 US District Court, District of Columbia, John Doe I et al. v. State of Israel et al., Entsch. v. 10.11.2005, 400 F. Supp. 2d 86. 151 US District Court, District of Columbia, 400 F. Supp. 2d 86, 110 f.
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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In den Vereinigten Staaten wurde ein Strafverfahren gegen General Noriega wegen Beteiligungen am Drogenhandel geführt. Noriega war zum Zeitpunkt der Anklage Oberbefehlshaber der Streitkräfte Panamas, wurde später aus seinem Amt verdrängt. Er wurde von den Vereinigten Staaten im Rahmen einer Militäraktion festgenommen und in die USA gebracht, wo er sich vor Gericht verantworten musste. Noriegas Berufung auf die Immunität als Staatsoberhaupt schlug fehl. Der District Court des S.D. Florida betrachtete bereits die Grundlagen der Lehre zur Immunität von amtierenden Staatsoberhäuptern, die das Gericht in comity und dem Respekt zwischen ausländischen Staaten durch Schutzvorkehrungen, dass Staatenführer ihre Regierungspflichten im eigenen Rechtssystem erfüllen können, sieht, als nicht betroffen.152 Es bestünden Zweifel, ob diese Grundlage auch privates oder kriminelles Handeln unter Verletzung von USRecht erfasse. Entscheidend für die Versagung des Immunitätsschutzes war für das Gericht, dass weder die Verfassung Panamas noch die Vereinigten Staaten Noriega als Staatsoberhaupt anerkannt hatten. Die Vereinigten Staaten erkannten weiterhin Eric Arturo Devalle als legitimes Staatsoberhaupt an. Ebenso betonte der Court of Appeals des elften Bezirks, dass die Vereinigten Staaten Noriega niemals als rechtmäßigen Herrscher Panamas anerkannt hätten.153 Die US-Exekutive habe nicht nur keine suggestion of immunity gemacht, sondern Noriega sogar festgenommen und strafrechtlich verfolgt, womit zum Ausdruck gekommen sei, dass Noriega nicht die Immunität eines Staatsoberhaupts genießen sollte. Hinzu komme, das der Staat Panama selbst auch nicht um die Immuniät Noriegas ersucht habe und dass Noriega mit den ihm vorgeworfenen Handlungen seinen privaten Nutzen erstrebt habe. Vor diesem Hintergrund verweigerte das Gericht den Immunitätsschutz. Ein weiteres Beispiel ist das Verfahren gegen den libyschen Staatschef Ghaddafi wegen eines Bombenanschlags vor französichen Gerichten. Im Jahre 1989 explodierte ein Flugzeug über der Wüste, die zur Republik Tschad gehört, wobei alle 170 Insassen, darunter auch Franzosen, ums Leben kamen. Die Spuren führten nach Libyen. Sechs mutmaßliche Mitglieder der libyschen Geheimpolizei und der Schwager Ghaddafis wurden in ihrer Abwesenheit von einem französischen Gericht verurteilt. Eine Organisation, die die Verfolgung der Täter terroristischer Anschläge anstrebt, SOS Attentats, und Verwandte der Opfer versuchten ein Strafverfahren gegen Ghaddafi zu erzwingen, da dieser in den Anschlag verwickelt sei. Während der Untersuchungsrichter dem Drängen nachgab, wendete sich die Staatsanwaltschaft gegen das Verfahren mit der Begründung, dass Ghaddafi Immunität genieße.
152 US District Court, S.D. Florida, United States v. Noriega and others, Entsch. v. 08.06.1990, 746 F.Supp. 1506, 1519. 153 US Court of Appeals, 11th Circuit, United States of America v. Manuel Antonio Noriega, Entsch. v. 07.07.1997, 117 F.3d 1206, 1212.
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Der Pariser Cour d’Appel befand, dass Ghaddafi als de facto Staatsoberhaupt zwar grundsätzlich Immunität zukomme, bei internationalen Verbrechen jedoch eine Immunitätsausnahme bestehe.154 Das Gericht betonte, dass die Immunität seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Beschränkungen unterworfen sei.155 Dies komme in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen beginnend mit dem Abkommen zur Errichtung des Internationalen Militärgerichtshofs156 bis zum RomStatut des Internationalen Strafgerichtshofs157 zum Ausdruck. Die Position des Angeklagten als Staatsoberhaupt befreie nicht von strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs betone, dass es unabhängig vom amtlichen Status die Strafverfolgung ermögliche. Das Gericht sieht es als unschädlich an, dass der vorliegende terroristische Anschlag unter keine der Konventionen, insbesondere nicht das Rom-Statut, fällt. Die Vertragsregelungen und Entscheidungen wie die im Noriega-Fall und die Entscheidungen des House of Lords im Pinochet-Fall machten deutlich, dass bei internationalen Verbrechen kein Immunitätsschutz bestehe.158 Die Beteiligung an der Tötung der 170 Personen, und der Zerstörung des Flugzeugs falle in die Kategorie der internationalen Verbrechen, die nicht Bestandteil der Funktionen eines Staatsoberhauptes seien. Der Procureur Général Launay legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein. Er begründete ausführlich, dass ein amtierendes Staatsoberhaupt nach Völkergewohnheitsrecht Immunitätsschutz genieße.159 Weder aus den von dem Cour d’Appel genannten völkerrechtlichen Verträgen noch aus der Staatenpraxis oder anhand der Argumentation mit dem ius cogens lasse sich eine Immunitätsausnahme herleiten. Libyen habe das Rom-Statut gar nicht ratifiziert. Die genannten völkerrechtlichen Verträge machten deutlich, dass, wenn entschieden worden sei, die völkergewohnheitsrechtliche Regel der Immunität von Staatsoberhäuptern zu derogieren, dies ausdrücklich in vertraglichen Regelungen getan worden sei, also in allen anderen Fällen Staatsoberhäupter Immunitätsschutz genössen.160 Die vom Cour d’Appel für eine Staatenpraxis, die eine Immunitätsausnahme belege, angeführten Verfahren seien im Hinblick auf die Immunität eines amtierenden Staatsoberhauptes gar nicht einschlägig. Procureur Général Launay verneinte, dass die Figur des ius cogens von den französischen Gerichten im Hin154 Cour d’Appel, Chambre d’accusation, 2ème section, affaire no. A 99/05921, Entsch. v. 20.10.2000, 125 ILR 490 (2004). Siehe auch bei: Ruffert, 48 NILR 171, 173 (2001). 155 Cour d’Appel, Chambre d’accusation, 125 ILR 490, 496 f. (2004). 156 Charter of the International Military Tribunal, 08.08.1945, 82 UNTS 284. 157 Rome Statute of the International Criminal Court, 17.07.1998, 2187 UNTS 3. 158 Cour d’Appel, Chambre d’accusation, 125 ILR 490, 498 (2004). 159 Procureur Général Launay, 125 ILR 498 ff. (2004). 160 Procureur Général Launay, 125 ILR 498, 503 (2004).
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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blick auf eine Immunitätsausnahme fruchtbar gemacht werden könne. Frankreich habe das ius cogens-Konzept gar nicht anerkannt und sei deshalb auch nicht der Wiener Vertragsrechtskonvention161 beigetreten.162 Der Cour de Cassation hob das Urteil des Cour d’Appel in einer sehr kurzen Entscheidung auf. Das Gericht untersuchte, ob ein amtierendes Staatsoberhaupt bei der Beteiligung an der Zerstörung von Eigentum und der Verursachung des Todes von Menschen mit terroristischem Hintergrund Immunitätsschutz genießt und bejahte dies.163 Das infrage stehende Verbrechen, so schwer es auch sei, begründe keine Ausnahme bei der Immunität eines amtierenden Staatsoberhaupts.164 Die Strafkammer habe dies verkannt. In Belgien wurde ein Strafverfahren gegen Israels amtierenden Premierminister Ariel Sharon betrieben. Sharon wurde vorgeworfen, dass er für ein Massaker in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister mitverantwortlich gewesen sei. Der Cour de Cassation entschied, dass Sharon selbst bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und Völkermord als amtierendes Staatsoberhaupt Immunität genieße.165 cc) Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft Nach Art. 3 S. 1 des Statuts des Institut de Droit International zur Immunität von Staatsoberhäuptern und Regierungschefs genießen amtierende Staatsoberhäupter für Handlungen in Ausübung ihrer amtlichen Funktionen Immunitätsschutz.166 Es wird in Art. 7 Abs. 2 des Statuts dem Heimatstaat ein Immunitätsverzicht nahe gelegt, wenn dem Staatsoberhaupt schwere Verbrechen vorgeworfen werden. Aus der Systematik des Statuts, das in Art. 13 Abs. 2 S. 2 für ehemalige Staatsoberhäupter eine Immunitätsausnahme in Strafverfahren wegen völkerrechtlicher Verbrechen vorsieht, kann abgeleitet werden, dass amtierende Staatsoberhäupter auch bei schweren Menschenrechtsverletzungen Immunitätsschutz genießen sollen.
161
Vienna Convention on the Law of Treaties, 23.05.1969, 1155 UNTS 331. Procureur Général Launay, 125 ILR 498, 507 (2004). 163 Cour de Cassation, „Ghaddafi“, Chambre criminelle, Entsch. v. 13.03.2001, Arrêt no. 1414, 125 ILR 508 (2004). 164 „Mais attendu qu’en prononçant ainsi, alors qu’en l’état du droit international, le crime dénoncé, quelle qu’en soit la gravité, ne relève pas de exceptions au principe de l’immunité de jurisdiction des chefs d’Etat étrangers en exercise, la chambre d’accusation a méconnu le principe susvisé [. . .].“ 165 Cour de Cassation, Decision related to the Indictment of Ariel Sharon, Amos Yaron and others, Entsch. v. 12.02.2003, 42 ILM 596, 599 (2003). 166 Resolution on Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of States and Governments in International Law, ADI 69, 2000-1, 742. 162
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Im Schrifttum wird überwiegend davon ausgegangen, dass sich das Völkergewohnheitsrecht noch nicht im Hinblick auf eine Ausnahme zur Immunität amtierender Staatsoberhäupter bei schweren Menschenrechtsverletzungen entwickelt habe.167 Teilweise wird aber in den Statuten der internationalen Strafgerichtshöfe ein erstes Indiz für eine solche Entwicklung gesehen.168 Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass auch amtierende Staatsoberhäupter für die Begehung internationaler Verbrechen, insbesondere von Kriegsverbrechen, zur Rechenschaft gezogen werden könnten, da die Begehung dieser Verbrechen kein hoheitliches Handeln darstelle.169 dd) Bewertung und Ergebnis Die Gerichtsentscheidungen belegen, dass amtierenden Staatsoberhäuptern auch Immunitätsschutz zukommt, wenn sie unter Vorwurf der Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen verklagt werden. Für eine Immunitätsausnahme ließe sich nur die Entscheidung des Cour d’Appel zur Immunität Ghaddafis in Strafsachen anführen. Diese Entscheidung wurde jedoch vom Cour de Cassation revidiert. Der Procureur Général Launay widerlegte überzeugend die Argumente des Cour d’Appel. Die Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte in den Fällen Karadzic und Noriega sind nicht anwendbar, da weder Karadzic noch Noriega von den Vereinigten Staaten als amtierendes Staatsoberhaupt anerkannt wurden. Die Rechtsprechung des House of Lords zur Immunität des ehemaligen chilenischen Staatschefs Pinochet lässt sich auch nicht auf die Immunität eines Staatsoberhauptes im Amt übertragen und außerdem basierte ein Großteil der Argumente der Lordrichter auf der UNFolterkonvention.170 Wie bereits ausgeführt, gibt es Versuche, einem amtierenden Staatsoberhaupt im Hinblick auf seine Privathandlungen den Immunitätsschutz zu versagen.171 Da Menschenrechtsverletzungen eines staatlichen Organs jedoch kein privates Handeln darstellen,172 braucht dieser Frage nicht weiter nachgegangen zu werden.
167 168 169 170 171 172
Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 42; Fox, S. 439 ff.; Stephens/Ratner, S. 130 f. Hobe/Kimminich, S. 349. Gornig, NJ 1992, 4, 14. Siehe: Fünfter Teil, B. II. 2. Siehe: Erster Teil, F. I. 1. c). Siehe: Dritter Teil, B. III.
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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b) Immunität von Regierungschefs und Außenministern Im nächsten Abschnitt wird auf die Immunität der weiteren zentralen Staatsorgane im Völkerrechtsverkehr eingegangen. Hierzu gibt es nur wenige Gerichtsentscheidungen. aa) Entscheidungen nationaler Gerichte Im Fall Saltany v. Reagan173 erhoben libysche Bürger, deren Verwandte bei US-Luftangriffen auf libysche Ziele getötet bzw. deren Eigentum zerstört wurde, u. a. gegen die britische Premierministerin Margaret Thatcher und die britische Regierung Klage. Die britische Regierung hatte der US Air Force die Flugrechte erteilt, sodass die Kampflugzeuge von britischem Boden aus starten und zurückkehren konnten. Der District Court des District of California betonte, dass das State Department in seiner suggestion of immunity bestimmt hatte, dass Thatcher als Regierungschefin eines befreundeten ausländischen Staates („sitting head of government of a friendly foreign state“) Immunität gewährt werden müsse. Das Gericht akzeptierte die suggestion als schlüssig und entschied ebenfalls, dass die britische Regierungschefin gegenüber der Klage Immunität genieße.174 Im Fall Tachiona v. Mugabe175 wurde auch gegen Zimbabwes Außenminister Stan Mudenge geklagt. Das State Department machte eine „suggestion of immunity“, in der es vertrat, dass dem Außenminister derselbe Immunitätsschutz wie dem Präsidenten zukomme.176 Der District Court des S.D. New York folgte der suggestion. Das Gericht befürchte Schäden für die auswärtigen Beziehungen der Vereinigten Staaten, wenn ausländische Regierungsvertreter für ihr Handeln vor US-Gerichten persönlich verantwortlich gemacht werden könnten.177 Ein britischer Richter musste sich in einer Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls vom 11.02.2004 gegen den israelischen Verteidigungsminister Shaul Mofaz, während dieser sich auf einem Amtsbesuch in Großbritannien befand, mit der Frage befassen, ob Verteidigungsministern ähnlich wie Regierungschefs und Außenministern Immunitätsschutz zu gewähren sei.178 173 US District Court, District of Columbia, Farag M. Mohammed Saltany et al. v. Ronald M. Reagan et al., Entsch. v. 23.12.1988, 702 F.Supp. 319. 174 US District Court, District of Columbia, 702 F.Supp. 319, 320. 175 US District Court, S.D. New York, Tachiona v. Mugabe, Entsch. v. 30.10.2001, 169 F.Supp. 2d 259. Siehe: Sechster Teil, B. II. 1. a) aa). 176 US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp.2d 259, 267 f. 177 US District Court, S.D. New York, 169 F.Supp.2d 259, 291. 178 District Judge CL Pratt – Bow Street, Entsch. v. 12.02.2004, zitiert nach: Warbrick, 53 ICLQ 769 (2004).
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Mofaz wurde vorgeworfen, dass unter seiner Befehlsgewalt Menschen in den von Israel besetzten Gebieten getötet worden seien. Die Vorwürfe stellten Verletzungen der Genfer Konventionen, insbesondere des Art. 147 des IV. Abkommens zum Schutze von Zivilpersonen in Krigeszeiten, dar. Der Richter befand, dass neben Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern auch Verteidigungsminister besonderen Immunitätsschutz genössen.179 Verteidigungsminister müssten ähnlich wie Außenminister viel reisen, z. B. um ihre Truppen im Ausland zu besuchen, und bedürften daher dieses besonderen Schutzes. Die Verteidigungspolitik und die Außenpolitik seien stark miteinander verflochten und deshalb müssten Verteidigungsminister auch automatisch denselben Immunitätsschutz wie Außenminister erwerben. Der Richter beschäftigte sich nicht mit der Frage, ob der Immunitätsschutz wegen der Schwere der Vorwürfe beschränkt sei. Er unterstellt damit, dass amtierenden hochrangigen Staatenvertretern auch bei schweren Menschenrechtsverletzungen Immunität gewährt werden muss. bb) Rechtsprechung des IGH und Auffassungen im Schrifttum Auch der Internationale Gerichtshof und das Schrifttum setzten sich mit der Frage der Immunität der amtierenden zentralen Organe im Völkerrechtsverkehr auseinander. Diese Auffassungen können als Hilfsmittel zur Feststellung völkergewohnheitsrechtlicher Rechtsnormen (vgl. Art. 38 Abs. 1 d) IGH-Statut180 Berücksichtigung finden. Der IGH hatte im Haftbefehls-Fall 181 über die Immunität eines amtierenden Außenministers gegenüber nationaler Strafverfolgung zu entscheiden. Ein belgischer Untersuchungsrichter erließ einen internationalen Haftbefehl in absentia gegen den kongolesischen Außenminister Yerodia und warf ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Yerodia soll in Reden zum Rassenhass gegen die Tutsi angestachelt haben, was zum Tod mehrerer hundert Tutsi und zu willkürlichen Verhaftungen geführt habe. In seiner am 17.10.2000 eingelegten Application machte der Kongo unter anderem eine Verletzung des Prinzips der souveränen Staatengleichheit geltend. Nach Auffassung des Kongo genießt ein Außenminister während seiner Amtszeit absolute Immunität, d. h. unabhängig davon, ob die Handlungen als amtlich oder nicht amtlich charakterisiert werden können. Der Gerichtshof untersuchte, ob Außenminister selbst dann noch Immunitätsschutz genießen, wenn ihnen Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die 179
District Judge CL Pratt – Bow Street, 53 ICLQ 769, 773 (2004). Statute of the International Court of Justice, 26.06.1945, 15 UNCIO 355. 181 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3. 180
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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Menschlichkeit vorgeworfen werden. Er schloss nach einer kurzen Analyse der Fallpraxis aus, dass es eine Immunitätsausnahme bei einem amtierenden Außenminister gebe, dem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden.182 Aus den Regelungen in den Statuten zur Errichtung internationaler Strafgerichtshöfe (z. B. dem Rom-Statut zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs, vgl. Art. 27 Abs. 2 Rom-Statut) und der Rechtsprechung dieser Gerichte, könne nicht auf Immunitätsausnahmen vor nationalen Gerichten geschlossen werden. Es wird auch in der Literatur vertreten, dass Regierungschefs und Außenminister selbst dann Immunität genössen, wenn sie wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen verklagt werden.183 cc) Bewertung und Ergebnis Sofern sich Gerichte mit der Frage der Immunität von Regierungschefs und Außenministern als zentralen Organen eines Staates im Völkerrechtsverkehr bei schweren Menschenrechtsverletzungen beschäftigt haben, gewährten sie Immunitätsschutz. Es lässt sich mit der herausragenden Stellung von Regierungschefs und Außenministern im Völkerrechtsverkehr184 erklären, dass Staaten sie nicht ihrer Gerichtsbarkeit unterwerfen, um Probleme für die außenpolitischen Beziehungen zu vermeiden. Den weiteren Mitgliedern einer nationalen Regierung kommt diese besondere Stellung im Völkerrechtsverkehr nicht zu. Bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen den israelischen Verteidigungsminister hätte es einer Gleichsetzung des Immunitätsschutzes mit dem der zentralen Organe des Völkerrechtsverkehrs nicht bedurft. Da sich der Verteidigungsminister auf einen Amtsbesuch befand, kam ihm grundsätzlich funktioneller Immunitätsschutz zu. Ein personeller Immunitätsschutz von Verteidigungsministern, der also auch greifen würde, wenn diese außerhalb ihrer Amtstätigkeit verbrecherische Handlungen begehen, erscheint zweifelhaft. Eine völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme in Klageverfahren gegen die zentralen Organe eines Staates im Völkerrechtsverkehr besteht zumindest, solange diese im Amt sind, nicht.
182
IGH, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 58 f. Epping, in: Ipsen, § 26, Rn. 42; De Smet, 72 Nordic J. Int’l L. 313, 339 (2003); Tunks, 52 Duke L.J. 651, 676 (2002). 184 Siehe: Erster Teil, F. I. 183
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
2. Immunität der zentralen Staatsorgane im Völkerrechtsverkehr nach dem Ausscheiden aus dem Amt Es soll untersucht werden, ob der Immunitätsschutz nach Beendigung der Amtszeit fortbesteht. Hierbei soll wiederum zwischen der Immunität des Staatsoberhauptes und der weiterer zentraler Staatsorgane unterschieden werden. a) Immunität von Staatsoberhäuptern Es werden die Rechtsprechung in Straf- und Zivilsachen und die Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft analysiert. aa) Entscheidungen nationaler Gerichte in Zivilsachen Während der Regierungszeit des philippinischen Staatspräsidenten Marcos wurden zahlreiche Menschen gefoltert, hingerichtet oder sie verschwanden, wofür mutmaßlich der Militärgeheimdienst verantwortlich war. Am 26.02.1986 ging Marcos ins Exil nach Hawaii. Hiernach erhoben philippinische Staatsbürger, die Angehörige der Opfer waren, gegen Marcos selbst, seine Frau Imelda und seine Töchter Ver und Imee Marcos-Monotoc Klage. Der District Court des W.D. Washington verneinte im Fall Domingo v. Republic of Philippines185 die Immunität des ehemaligen philippinischen Präsidenten Marcos und seiner Frau. Obwohl das State Department 1982, als Marcos noch Präsident war, eine suggestion of immunity186 einlegte, machte es keine neue suggestion, als Marcos das Amt verloren hatte. In Anbetracht der veränderten Umstände habe die suggestion aus dem Jahre 1982 keine Relevanz mehr. Da weder die USA noch die Regierung der Philippinen erneut ein Immunitätsgesuch gestellt hätten, sieht sich das Gericht dazu berechtigt, die Immunität von Staatsoberhäuptern nicht auf Marcos zu erstrecken.187 Der ursprüngliche Grund für die Immunitätsgewährung, die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Marcos-Regime nicht zu beeinträchtigen, liege nicht mehr vor. Die Immunität von Staatsoberhäuptern diene dem Schutz der Beziehungen zwischen ausländischen Regierungen und ihren Führern und nicht dem Schutz eines ehemaligen Staatsoberhauptes ungeachtet des 185 US District Court, W.D. Washington, Estate of Silme G. Domingo et al. v. Republic of Philippines et al., Entsch. v. 26.08.1988, 694 F.Supp. 782. 186 Auf der Grundlage dieser suggestion gewährte der District Court des W.D. Washington Marcos als amtierendem Staatschef Immunität. Siehe: U.S. District Court, W.D. Washington, Estate of Silme G. Domingo et al. v. Ferdinand Marcos et al., Entsch. v. 14.07.1983, 1983 U.S. Dist. Lexis 20372, 4 ff. 187 US District Court, W.D. Washington, Estate of Silme G. Domingo et al. v. Republic of Philippines et al., Entsch. v. 26.08.1988, 694 F.Supp. 782, 786.
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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Wegfalls der Amtsträgereigenschaft. Marcos sei jetzt ein Ausländer ohne Amtsbefugnisse, der sich dazu entschieden habe, seinen Wohnsitz in den USA aufzunehmen. In dem Klageverfahren Maximo Hilao v. Estate of Ferdinand Marcos wurden Marcos willkürliche Tötungen und das Verschwindenlassen von Menschen zur Last gelegt.188 Der Court of Appeals des neunten Bezirks befand, dass der FSIA die Handlungen des ehemaligen philippinischen Präsidenten nicht schütze, weil sie keine amtlichen Handlungen darstellten, die durch die Autorität als Staatsoberhaupt gedeckt seien. Außerdem begründe eine Klage gegen einen ehemaligen Amtsträger, der außerhalb seines Kompetenzbereiches gehandelt habe, nicht die Bedenken aus diplomatischer Sicht, die bei Klagen gegen ausländische Regierungen vor US-Gerichten bestünden.189 Im Fall Paul v. Avril 190 wurde Prosper Avril, der ehemalige Oberbefehlshaber der bewaffneten Streitkräfte Haitis und Präsident der Militärregierung Haitis wegen Folter, grausamer oder erniedrigender Behandlung, willkürlicher Verhaftung, Inhaftierung ohne Urteil und weiteren Menschenrechtsverletzungen verklagt. Der District Court des S.D. Florida verweigerte Avril den Immunitätsschutz und verurteilte ihn zur Zahlung von 41 Mio. $. Entscheidend für die Nichtgewährung der Immunität war eine Erklärung der haitianischen Regierung vom April 1991, worin sie auf den Immunitätschutz Avrils, der u. a. unter dem Gesichtspunkt der Immunität ehemaliger Staatsoberhäupter in Betracht gekommen wäre, verzichtete.191 Im Fall Abiola v. Abubakar192 behaupteten nigerianische Staatsbürger, unter dem nigerianischen Militärregime schwere Menschenrechtsverletzungen erlitten zu haben, und erhoben gegen Abdusalami Abubakar Klage. Abubakar war Mitglied der von November 1993 bis Mai 1999 regierenden Militärjunta und vom 8.06.1998 bis zum 29.05.1999, dem Ende der Herrschaft der Junta, Staatsoberhaupt. Der Vater der Klägerin gehörte der demokratischen Opposition an und war unter Vorwurf des Hochverrats verhaftet worden. Nach den Schilderungen der Klägerin wurde er während der Haft gefoltert und starb, nachdem er bei einem Treffen in Abubakars Büro Tee getrunken hatte. Die Mutter wurde in ihrem Auto niedergeschossen. Die beiden weiteren Kläger Anthony Enahoro und Arthur Nwankwo, ebenfalls Anhänger der Demokratiebewegung, klagten 188 US Court of Appeals, 9th Circuit, Maximo Hilao et al. v. Estate of Ferdinand Marcos, Entsch. v. 16.06.1994, 25 F.3d 1467. 189 US Court of Appeals, 9th Circuit, 25 F.3d 1467, 1472. 190 US District Court, S.D. Florida, Evans Paul et al. v. Prosper Avril, Entsch. v. 10.11.1992, 812 F.Supp. 207. 191 Siehe: Zweiter Teil, A. 192 US District Court, N.D. Illinois, Hafsat Abiola et al. v. Gen. Abdusalami Abubakar, Entsch. v. 27.06.2003, 267 F.Supp. 2d 907.
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
wegen ihrer Verhaftung und der während ihrer Haft erlittenen Misshandlungen. Abubakar berief sich auf seine Immunität, die er auf der Grundlage des FSIA bzw. als Staatsoberhaupt genieße. Der District Court des N.D. Illinois befand, dass weder der Text noch die Entstehungsgeschichte des FSIA die Immunität von Staatsoberhäuptern behandele.193 Der FSIA ändere die traditionelle Immunität für Staatsoberhäupter nicht. Damit seien das common law und die Praxis der Immunitätsbestimmungen durch das State Department zu beachten. Da die Executive Branch aber keine Bestimmung getroffen habe, könne das Gericht die Entscheidung eigenständig treffen. Auf der Grundlage des common law genössen Staatsoberhäupter absolute Immunität gegenüber Klagen. Einem ehemaligen Staatsoberhaupt sei bisher die Immunität nur bei Privathandlungen und bei einem Immunitätsverzicht des Heimatstaates versagt worden. Die Grundlagen der Immunität von Staatsoberhäuptern seien bei einem ehemaligen Staatsoberhaupt nicht weniger betroffen als bei einem amtierenden.194 Eine völkerrechtliche Lehre, wonach bei den Abubakar vorgeworfenen Handlungen die Immunität eines Staatsoberhaupts beschränkt werde, bestehe nicht. Eine Erklärung des State Department fehle. Daher sprach das Gericht Abubakar Immunität zu. Da Abubakar vom 8.06.1998 bis 29.05.1999 Staatsoberhaupt Nigerias war, genieße er nur für Handlungen in diesen Zeitraum Immunität. Im Hinblick auf den Tod von Abiolas Mutter könne sich Abubakar nicht auf Immunität berufen, weil sich dieser im Juni 1996, also außerhalb der Amtszeit, ereignete. Ebenso urteilte das Gericht bezüglich der Inhaftierung Enahoros.195 Mitglieder der spirituellen Bewegung Falun Gong erhoben gegen Jiang Zemin, chinesischer Staatspräsident von 1993 bis 2003 und Generalsekretär des Zentralkomitees der chinesischen kommunistischen Partei bis November 2002, wegen Völkermords, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen vor einem US-Gericht Klage.196 Da die chinesische Regierung Falun Gong vorwarf, Regierung und Partei stürzen zu wollen, soll Jiang Zemin im Juni 1999 eine Kampagne zur Vernichtung der Gruppe begonnen und hierzu eigens eine Kontrollbehörde (auch Office 6/10 genannt) geschaffen haben, die gegen die religiöse Gruppierung hart durchgriff. Zemin selbst nannte die Unterdrückung der Gruppe als sein Hauptanliegen, und in einem Erlass erklärte er sie für vogelfrei. Dem Erlass folgten Massenverhaftungen, Schauprozesse, Folter, Zwangsarbeit, Umerziehung und Tötungen der Mitglieder. 193
US District Court, N.D. Illinois, 267 F.Supp. 2d 907, 913 f. US District Court, N.D. Illinois, 267 F.Supp. 2d 907, 916. 195 US District Court, N.D. Illinois, 267 F.Supp. 2d 907, 917. 196 US Court of Appeals, 7th Circuit, Wei Ye, Hao Wang et al. v. Jiang Zemin, Entsch. v. 08.09.2004, 2004 U.S. App. Lexis 18944. 194
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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Die Klage wurde im Oktober 2002, als der damals noch amtierende Präsident auf dem Weg zu einem Besuch in den Vereinigten Staaten war, zugestellt. Die Kläger vertraten die Ansicht, dass die Exekutive nicht die Befugnis habe, Immunität für Verletzungen des völkerrechtlichen ius cogens zu gewähren.197 Möge Jiang als amtierendes Staatsoberhaupt noch Immunität besessen haben, so sei dies nach seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht mehr der Fall. Die Vereinigten Staaten intervenierten zugunsten des Präsidenten und erklärten ihn für immun. Der District Court des N.D. Illinois befand, dass der FSIA keine Auswirkungen auf die bisherige Praxis zur Immunität von Staatsoberhäuptern habe und akzeptierte die Geltendmachung der Immunität durch das State Department.198 Die Kläger hätten ihre These, dass die Immunität von Staatsoberhäuptern mit der Amtsniederlegung aufhöre, nicht mit der Rechtsprechung begründen können. Die Fälle, die die Kläger zitierten, stützten die Annahme, dass ein ehemaliges Staatsoberhaupt nur bei Privathandlungen oder bei einem Verzicht des ausländischen Staates auf die Immunität seines ehemaligen Oberhauptes keine Immunität genieße. In beiden Fällen seien die Grundlagen der Immunität anders als in dem zu entscheidenden Fall auch nicht beeinträchtigt. Die These, dass ius cogens-Verletzungen vom Immunitätsschutz ausgenommen seien, lehnte das Gericht ab. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Supreme Court im Fall Nelson199 betonte das Gericht, dass Staaten selbst bei schweren Machtmissbräuchen Immunität genössen, da die Handlungen hoheitlichen Charakters seien. Da Staaten in diesen Fällen Immunität genössen, müsse dies auch für ihre Oberhäupter gelten.200 Der Court of Appeals des siebten Bezirks bestätigte die Entscheidung. Der FSIA behandele nicht die Immunität ausländischer Staatsoberhäupter. Damit richte sich die Immunität nach den Bestimmungen durch die US-Exekutive. Auch bei ius cogens-Verletzungen unterlägen die Gerichte den Entscheidungen der Exekutive. Dies sei Ausdruck der Vorsicht der Gerichte, wenn auswärtige Angelegenheiten berührt seien.201 Die Judikative solle in solchen Fällen die Exekutive nicht behindern. Das Gericht verwies auf Entscheidungen in Klageverfahren gegen Staaten, die bestätigten, dass der Kongress einem ausländi197 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, Wei Ye, Hao Wang et al. v. Jiang Zemin, Entsch. v. 12.09.2003, 282 F.Supp. 2d 875; US Court of Appeals, 7th Circuit, Wie Ye, Hao Wang et al. v. Jiang Zemin, Entsch. v. 08.09.2004, 2004 U.S. App. Lexis 18944. 198 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, 282 F.Supp. 2d 875, 881. 199 Siehe: Dritter Teil, A. 200 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, 282 F.Supp. 2d 875, 883. 201 US Court of Appeals, 7th Circuit, Wei Ye, Hao Wang et al. v. Jiang Zemin, Entsch. v. 08.09.2004, 2004 U.S. App. Lexis 18944, 15 ff.
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
schen Staat Immunität für ius cogens-Verletzungen gewähren könne. Wie der FSIA bestimme, dass ein ausländischer Staat Immunität vor den Gerichten besitzen solle, so bleibe die Immunität ausländischer Staatsoberhäupter das Zuständigkeitsgebiet der Exekutive. Genauso wie die Regelungen der Legislative nicht ignoriert werden könnten, sei dies auch bei der Bestimmung durch die Exekutive nicht möglich. Kongress und Exekutive könnten sogar Blankettimmunitäten schaffen. Die suggestion erfolgte zu einem Zeitpunkt, als Jiang Zemin noch das Staatsoberhaupt Chinas war. Obwohl er zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr im Amt war, wurde ihm wie einem amtierenden Staatsoberhaupt Immunität gewährt. Das Gericht zeigte Sympathien für das Begehren der Kläger. Ein Fortschreiten des Klageverfahrens könne aber aus den genannten Gründen nicht zugelassen werden. Die US-Exekutive habe betont, dass sie daran arbeite, die chinesische Regierung davon zu überzeugen, die Menschenrechtsverletzungen zu beenden. Der Erfolg dieses Unternehmens hänge von der Exekutive, aber nicht den US-Gerichten ab.202 bb) Entscheidungen nationaler Gerichte in Strafsachen Im Hinblick auf die Immunität von Staatsoberhäuptern im Strafverfahren, haben die Entscheidungen des House of Lords eine Entwicklung veranlasst, wonach ehemaligen Staatsoberhäuptern keine Immunität mehr zukommen soll. Im ersten Pinochet-Urteil 203 leiteten die Richtermehrheit die Immunitätsausnahme aus handlungsbezogenen Argumenten ab.204 Die Entscheidung wurde aufgehoben, weil einem Richter, Lord Hoffmann, Beziehungen zu der Organisation Amnesty International, die auch in dem Verfahren intervenierte, nachgewiesen wurden.205 In der dritten Entscheidung im Fall Pinochet 206 argumentierten die Richter überwiegend anhand der UN-Folterkonvention und der Qualifikation von Folter als völkerrechtliches Verbrechen.207 202 Der Text lautete: „We conclude by stating that we are not unsympathetic to the appellants’ claims. For the reasons stated above, however, we cannot permit this suit to go forward. The Executive Branch has stated that it is working to persuade the government of China to put an end to the human rights violations it has inflicted on its people for more than half a century. Success depends on diplomacy, not United States courts.“ 203 House of Lords, Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419 (1998). 204 Siehe: Dritter Teil, B. I. 3. 205 House of Lords, R v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate and others – Ex parte Pinochet (No 2), Entsch. v. 15.01.1999, 2 WLR 272 (1999). 206 House of Lords, Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581 (1999). 207 Siehe: Dritter Teil, B. I. 3.
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Den Entscheidungen des House of Lords lässt sich keine einheitliche Begründungsstruktur zur Herleitung einer Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen entnehmen.208 cc) Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft Nach Ansicht des Institut de Droit International209 in seiner Resolution aus dem Jahre 2001 soll ein ehemaliges Staatsoberhaupt keine Immunität mehr genießen, wenn es wegen Handlungen, die ein völkerrechtliches Verbrechen darstellen, strafrechtlich verfolgt wird (Art. 13 Abs. 2 S. 2 der Resolution). Das IDI will einerseits das bereits bestehende Völkergewohnheitsrecht (lex lata) kodifizieren, um dessen Feststellung zu erleichtern und seine Beachtung zu erhöhen. Es versucht aber auch das bestehende Völkerrecht fortzuentwickeln, indem es Vorschläge de lege ferenda macht.210 Die Resolution macht sich die Pinochet-Rechtsprechung zu eigen. Dies bedeutet aber noch nicht, dass die Rechtsprechung bereits verfestigtes Völkergewohnheitsrecht ist. Auch im Schrifttum wird vertreten, dass die einem Staatsoberhaupt zukommende Immunität für verbrecherische Handlungen mit dem Ausscheiden aus dem Amt ende.211 Die Pinochet-Rechtsprechung des House of Lords wird auch für eine Immunitätsausnahme gegenüber zivilrechtlichen Klagen angeführt.212 Die Gerichtspraxis in den USA belege, dass ehemaligen Staatsoberhäuptern allgemein keine Immunität mehr zukomme. dd) Bewertung und Ergebnis Die in der Literatur vertretene Behauptung, es bestehe bereits Einigkeit, dass ein ehemaliges Staatsoberhaupt, das eklatant gegen Menschenrecht verstoße, keine Immunität besitze,213 kann nicht bestätigt werden. 208
Siehe: Fünfter Teil, B. II. 2. Resolution on Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of States and Governments in International Law, ADI 69, 2000-1, 742. Siehe auch: Dritter Teil, III. 210 Vgl. zu den Zielen des IDI: Art. 1 IDI-Statut (Statut de l’Institut de Droit international, 10.09.1873, veröffentlicht unter: http://www.idi-iil.org/idiF/statuts_fr.PDF (05.12.2005)). 211 Gornig, in: Ipsen/Schmidt-Jortzig, S. 457, 484; Hokema, S. 235; Bass, 97 Yale L.J. 299, 316 f. (1987); Fitzgerald, 22 Whittier L. Rev. 987, 1023 (2001); Taylor, 24 T. Jefferson L. Rev. 101, 110 ff. (2001); Lininger, 7 Harv. Hum. Rts. J. 177, 190 (1994). 212 Bass, 97 Yale L.J. 299, 316 f. (1987); Taylor, 24 T. Jefferson L. Rev. 101, 110 ff. (2001); Lininger, 7 Harv. Hum. Rts. J. 177, 190 (1994). 213 Hokema, S. 235. 209
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Die Pinochet-Rechtsprechung des House of Lords hat in der Völkerrechtswissenschaft großen Anklang gefunden. Sie kann aber noch nicht als Ausdruck einer gefestigten Staatenpraxis bewertet werden. Dies machen insbesondere die Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte in den Klageverfahren gegen Abubakar und Jiang Zemin deutlich.214 Der District Court des N.D. Illinois befand im Fall Abiola v. Abubakar, dass die Grundlagen der Immunität auch bei einer Klage gegen ein ehemaliges Staatsoberhaupt einschlägig seien. Das Gericht argumentierte zwar nicht ausdrücklich mit der Rechtsprechung in anderen Staaten und nahm auch nicht auf die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs im Haftbefehls-Fall Bezug. Im Ergebnis bewegt das Gericht sich aber ganz auf der Linie der Rechtsprechung in anderen Staaten und der IGH-Entscheidung im Haftbefehls-Fall. In den Verfahren gegen Marcos, Avril und Habré war ein Immunitätsverzicht des Heimatstaates ausschlaggebend für die Nichtgewährung der Immunität.215 Aus dieser Praxis lässt sich nicht ableiten, dass Staatsoberhäupter nach dem Ausscheiden aus dem Amt keine Immunität mehr genießen. b) Sonstige ehemalige zentrale Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs Es soll auch die Immunität ehemaliger Regierungschefs und Außenminister bei schweren Menschenrechtsverletzungen bestimmt werden. aa) Rechtsprechung Zur Immunität sonstiger ehemaliger zentraler Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs lässt sich kaum Rechtsprechung finden. In seinem obiter dictum im Haftbefehls-Fall äußerte sich der Internationale Gerichtshof zur Immunität von Außenministern nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Die Rechtsprechung des IGH ist zwar selbst nicht Bestandteil der Staatenpraxis, sie vermag aber als Interpretation der Staatenpraxis hier Beachtung finden. Der Immunitätsschutz sei nach Beendigung der Amtszeit nicht mehr umfassend. Ein Gericht könne aber nur über Handlungen vor oder nach der Amtsperiode und solche während der Amtsperiode, die der Außenminister in privater Eigenschaft vornahm, entscheiden.216
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Siehe: Sechster Teil, B. II. 2. a) dd). Siehe: Zweiter Teil, A. 216 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 61. 215
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
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Die Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal glauben dagegen eine Tendenz feststellen zu können, wonach ein hochrangiger Staatenvertreter bei der Begehung internationaler Verbrechen nur noch während der Amtszeit, aber nicht mehr nach Beendigung der Amtsperiode Immunität genieße.217 Dieser Trend reflektiere die Balance zwischen zwei Interessen, dem Interesse der Staatengemeinschaft an der Bestrafung schwerer Verbrechen einerseits und dem Interesse der Staaten, frei ohne ungerechtfertigte Einmischung handeln zu können, andererseits. bb) Auffassungen in der Völkerrechtswissenschaft Vor dem Hintergrund, dass ehemaligen Regierungschefs und Außenministern nur noch funktioneller Immunitätsschutz zukommen soll,218 verneint ein Großteil der Literatur, dass Menschenrechtsverletzungen noch zur Ausübung amtlicher Funktionen gehören.219 Es wurde bereits oben220 ausgeführt, dass diese Argumentation nicht überzeugend ist und ein immunitätsgeschütztes amtliches Handeln erst dann verneint werden kann, wenn kein Zusammenhang mit der Ausübung amtlicher Funktionen mehr besteht bzw. offensichtlich ist, dass ein Individuum nicht mehr in Wahrnehmung amtlicher Kompetenzen tätig wird.
cc) Bewertung und Ergebnis Die Ausführungen der Richtermehrheit des Internationalen Gerichtshofs zur Immunität eines Außenministers nach seinem Ausscheiden aus dem Amt erscheint insoweit auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar, als der Gerichtshof den Immunitätsschutz mit dem Erfordernis einer effektiven Funktionsausübung und dem Schutz der internationalen Beziehungen begründete.221 Würde man allein auf den Schutz der effektiven Funktionsausübung abstellen, spräche nichts dagegen, ehemaligen Außenministern und mit ihnen den anderen zentralen Staatsorganen des Völkerrechtsverkehrs den Immunitätsschutz zu verweigern. Dies würde aber dem derzeitigen Stand des Völkergewohnheitsrechts
217 Joint Separate Opinion of Judges Higgins, Kooijmans and Buergenthal, ICJ Rep. 2002, 3, 63, Ziff. 74. 218 Siehe: Erster Teil, F. I. 2. 219 Siehe: Dritter Teil, B. II. 2. 220 Siehe: Dritter Teil, B. III. 221 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, 41 ILM 536 (2002), bald veröffentlicht in: ICJ Rep. 2002, 3, Ziff. 53.
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6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
widersprechen, da sich keine ausreichende Staatenpraxis feststellen lässt, wonach die ehemaligen zentralen Organe des Völkerrechtsverkehrs der nationalen Gerichtsbarkeit unterworfen werden können. Bei der Untersuchung des Immunitätsschutzes während der Amtszeit222 wurde deutlich, dass die Immunität von amtierenden Staatsoberhäuptern mit der der anderen zentralen Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs gleich läuft. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass dies nach Beendigung der Amtszeit anders ist. Bei genauerer Betrachtung erscheint der Schutzzweck der Immunitätsgewährung auch dann berührt, wenn die zentralen Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs aus ihrem Amt ausgeschieden sind. Wenn eines dieser Staatsorgane aus seinem Amt scheidet und sein hoheitliches Handeln Gegenstand richterlicher Entscheidungsfindung wird, dann wird dabei zugleich über das Handeln des Staates, in dem oder durch den die Menschenrechte verletzt wurden, geurteilt. Selbst wenn der Staat mittlerweile eine andere Regierung hat, mag dieser die politische Entscheidung treffen, dass seine Vergangenheit nicht vor den Gerichten anderer Staaten aufgerollt wird, sondern z. B. einer nationalen Wahrheitsfindungs- und Aussöhnungskommission überlassen wird. Für die bisherige Praxis, die die Rechtsverfolgung ehemaliger hochrangiger Staatsorgane durch nationale Gerichte anderer Staaten von einem Immunitätsverzicht des Heimatstaates abhängig macht, sprechen also auch rechtspolitische Gesichtspunkte. Wenn sich die obersten Staatsorgane eines diktatorischen Regimes der Rechtsverfolgung durch andere Staaten ausgesetzt sehen, werden sie noch mehr an ihrem Posten festhalten. Übergangsprozesse von einer Diktatur zur Demokratie würden erschwert.223 Die Zulassung von Klagen gegen ehemalige hochrangige staatliche Funktionsträger könnte letztlich dem internationalen Menschenrechtsschutz mehr Schaden als Nutzen bringen.224 Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, ob in der zukünftigen Entwicklung des Völkerrechts bei schweren Menschenrechtsverletzungen der Immunitätsschutz der zentralen Staatsorgane des Völkerrechts nach Beendigung der Amtszeit verdrängt wird.
222 223 224
Siehe: Sechster Teil, B. II. 1. Simon, 11 Boston U.L.J. 1, 6 (1993). Dies betont auch: Klabbers, 68 Nordic J. Int’l L. 85, 88 f. (1999).
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III. Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger Einfache staatliche Funktionsträger werden selten verklagt, weil die Wahrscheinlichkeit einer Durchsetzung der finanziellen Forderungen gering ist. 1. Entscheidungen nationaler Gerichte Die Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger knüpft an die Funktionsausübung und nicht wie bei den zentralen Staatsorganen des völkerrechtlichen Verkehrs an den Status an.225 Dies spricht gegen eine Differenzierung zwischen staatlichen Funktionsträgern im Amt und nach Beendigung der Amtszeit. Trotzdem sollen im Folgenden zunächst die nationalen Gerichtsentscheidungen zur Immunität noch im Amt befindlicher Funktionsträger und dann zur Immunität bereits ausgeschiedener Funktionsträger dargestellt werden. a) Immunität staatlicher Funktionsträger im Amt Im Fall Jaffe v. Miller226 wurden Beamte des US-Bundesstaates Florida vor dem kanadischen Ontario Court of Appeal wegen Falschverdächtigung und Verabredung einer Entführung verklagt. Der vortragende Richter Finlayson befand, dass die Immunitätsgewährung nach dem kanadischen SIA ineffektiv würde, wenn Amtsträger, die Staatshandlungen ausführten, erfolgreich verklagt werden könnten. Wenn der Kläger ein stattgebendes Urteil erhielte, müsse der Anstellungsstaat reagieren, indem er seine Amtsträger entschädigt, und würde damit quasi indirekt zum Beklagten.227 Auch wenn die Handlungen unrechtmäßig gewesen seien, genössen sie Immunitätsschutz.228 In der dritten Pinochet-Entscheidung des House of Lords wurde von Lord Philipps vertreten, dass eine Klage gegen ein Staatshandlungen vornehmendes Individuum indirekt eine Klage gegen den Staat sei.229 Anders argumentierte jedoch der Court of Appeal in einem Verfahren gegen saudi-arabische Funktionsträger, denen systematische Folterhandlungen vorge225
Siehe: Erster Teil, F. II. Ontario Court of Appeal, Jaffe v. Miller and others, Entsch. v. 17.06.1993, 95 ILR 446 (1994). 227 Ontario Court of Appeal, 95 ILR 446, 459 (1994). 228 „To avoid having its action dismissed on the ground of state immunity, a plaintiff would have only to sue the functionaries who performed the acts. In the event that the plaintiff recovered judgment, the foreign state would have to respond to it by indemnifying its functionaries, thus, through this indirect route, losing the immunity conferred on it by the Act.“ Ontario Court of Appeal, 95 ILR 446, 460 f. (1994). 229 Lord Phillips, in: House of Lords, 38 ILM 581, 658 (1999). 226
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worfen wurden.230 Die Richter betonten, dass es in dem Fall – im Unterschied zu anderen Fällen – um Folterhandlungen, d. h. um Verbrechen, die einen besonderen völkerrechtlichen Status, den eines internationalen Verbrechens oder ius cogens besäßen, gehe.231 Lord Philipps korrigierte seine Auffassung, die er 1999 in der dritten Pinochet-Entscheidung vertreten hatte.232 Wenn Zivilverfahren gegen Individuen wegen Folterhandlungen unter Umständen angestrengt würden, in denen der Staat selbst Immunität genieße, könne nicht gesagt werden, dass der Staat dann indirekt haftbar gemacht werde. Vielmehr gehe es allein um die individuelle Verantwortlichkeit der Individuen. Damit genieße der Amtsträger keinen Immunitätsschutz. b) Immunität nach dem Ausscheiden aus dem Amt Ein bereits aus seinem Amt ausgeschiedener Amtsträger wurde im Fall Filartiga v. Peña-Irala verklagt.233 Die Kläger warfen dem ehemaligen Poliezeichef von Asunción vor, ihren Sohn zu Tode gefoltert zu haben. Der Court of Appeals des zweiten Bezirks stellte fest, dass Folter, die eine Amtsperson begehe, universell geschützte Menschenrechte unabhängig von der Nationalität der Vertragsparteien verletze. Wenn jemand der Folter beschuldigt und innerhalb des Staatsgebiets gefunden und verklagt werde, bilde das Alien Tort Statute die Grundlage für die Gerichtsbarkeit.234 Es gewähre Ausländern nicht neue Rechte, sondern eröffne gerichtliche Entscheidungsmöglichkeiten hinsichtlich der Rechte, die bereits im Völkerrecht anerkannt sind.235 Das ATS sei zwar selten als Grundlage zur Begründung der Gerichtsbarkeit angewendet worden war, in früheren Fällen sei es aber auch nicht um universell anerkannte Normen gegangen. Humanitäre und praktische Erwägungen hätten dazu geführt, dass die Respektierung fundamentaler Menschenrechte im individuellen und kollektiven Interesse aller Nationen liege. Zu den universell proklamierten Rechten gehöre auch das Recht, nicht gefoltert zu werden. Hinsichtlich der Zwecke zivilrechtlicher Haftung sei der Folterer wie vor ihm schon der Pirat und der Sklavenhändler zum Feind der Menschheit geworden („hostis humani generis“). Das Gericht hebt die Bedeutung seiner Entscheidung pathetisch hervor, indem es von einem großen Schritt zur Erfüllung des zeitlosen Traums, alle Menschen von brutaler Gewalt zu befreien, spricht: 230 Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/ 1394.html (15.04.2005). 231 Lord Mance, in: Court of Appeal, EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 44 ff. 232 Lord Phillips, in: Court of Appeal, EWCA Civ 1394 (2004), Ziff. 128 f. 233 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Filartiga v. Peña-Irala, Entsch. v. 30.06.1980, 630 F.2d 876. 234 US Court of Appeals, 2nd Circuit, 630 F.2d 876, 880 ff. 235 US Court of Appeals, 2nd Circuit, 630 F.2d 876, 887.
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„Our holding today, giving effect to a jurisdictional provision enacted by our First Congress is a small but important step in the fulfilment of the ageless dream to free all people from brutal violence.“236
Im Fall Xuncax v. Gramajo237 erhoben neun im Ausland lebende Bürger Guatemalas und eine US-Bürgerin Klage gegen Guatemalas ehemaligen Verteidigungsminister Hector Gramajo wegen willkürlicher Verhaftungen, schwerer Misshandlungen wie Folter, Verschwindenlassen von Menschen und Hinrichtungen durch das guatemaltekische Militär. Der District Court des District of Massachusetts befand, dass die Gramajo vorgeworfenen Handlungen alles überschreiten, was rechtlich innerhalb seiner Amtsbefugnisse gelegen haben könnte.238 Deshalb könne er sich nicht auf Immunität berufen. 2. Literaturauffassungen zur Immunität einfacher staatlicher Funktionsträger Auch im Schrifttum wird vertreten, dass das Völkerrecht bei schweren Menschenrechtsverletzungen, die die Qualität völkerrechtlicher Verbrechen haben, staatlichen Funktionsträgern keine Immunität mehr gewähre.239 Dies gelte nicht nur im Strafverfahren, sondern auch im Zivilverfahren.240 Es müsse ein Unterschied zwischen der Staatenimmunität und der Immunität von Individuen gemacht werden. Auch ein krimineller Staat sei ein souveräner Staat, der sein Volk repräsentiere. Individuen, die kriminelle Handlungen begingen, sollten nicht von ihrer Funktion im Staatsapparat profitieren. Dies könne auch abschreckend wirken. Staatenimmunität und individuelle Immunität unterschiedlich zu behandeln, sei nicht logisch inkohärent. 3. Stellungnahme Klagen gegen einfache staatliche Funktionsträger werden selten erhoben. Es lassen sich aber vereinzelt Fälle finden, in denen keine Immunität gewährt wurde. Fraglich ist, ob hierin eine ausreichende Staatenpraxis liegt, in der auch die Rechtsüberzeugung zum Ausdruck kommt, dass sich einfache staatliche Funktionsträger bei Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen nicht auf Immunität berufen können.
US Court of Appeals, 2nd Circuit, 630 F.2d 876, 890. US District Court, District of Massachusetts, Xuncax and others v. Gramajo; Ortiz v. Gramajo, Entsch. v. 12.04.1995, 886 F.Supp. 162. 238 US District Court, 886 F.Supp. 162, 175 f. 239 Gaeta, in: Cassese/Gaeta/Jones, vol. I, Chapter 24.3, S. 1000; Delupis, 78 AJIL 53, 59 (1984) 240 Tomuschat, S. 317. 236 237
236
6. Teil: Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen
Die Ausführungen des Court of Appeals des zweiten Bezirks im FilartigaFall erklären sich vor dem Hintergrund einer menschenrechtsfreundlichen Haltung der US-Regierung unter Carter. Das State Department hatte in einem amicus brief eine Erklärung zur Interpretation des ATS abgegeben.241 Das Folterverbot besitze universelle Geltung. Amtliche Folter begründe einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsbehelf. Das Urteil geht nicht darauf ein, dass die vorgeworfenen Folterhandlungen von Peña-Irala im Rahmen seiner Amtsausführung verübt worden sind und, warum in einem solchen Fall eine Ausnahme von dem auch im Völkerrecht anerkannten Immunitätsgrundsatz vorliegen solle. Nur im Hinblick auf die Act of State Doctrine242 merkte das Gericht an, es bezweifle, dass eine Handlung in Verletzung der Verfassung und Gesetze des Staates Paraguay als ein „act of state“ charakterisiert werden könne. Die Handlung sei trotzdem eine Völkerrechtsverletzung, da sie „under colour of government authority“ vorgenommen worden sei. Insgesamt legen die Urteilsausführungen den Schwerpunkt darauf, dass Folter durch das Völkerrecht verboten wird. Das Problem ist jedoch nicht das Bestehen eines Menschenrechts, nicht gefoltert zu werden, sondern das Bestehen einer Immunitätsausnahme. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die Bedeutung dieser Entscheidung für das Immunitätsrecht. Die Literaturauffassung, die die Immunität einfacher Funktionsträger bei schweren Menschenrechtsverletzungen verneint, scheint weniger den gegenwärtigen Stand des Völkerrechts feststellen, als vielmehr durch eine eventuell erzieherische Wirkung der Immunitätsverweigerung, Menschenrechtsverletzungen bekämpfen zu wollen. Bedenken gegen eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen weckt die Entscheidung des Ontario Court of Appeal im Fall Jaffe v. Miller.243 Das Argument, ein erfolgreich verklagter Amtsträger könne bei seinem Anstellungsstaat Freistellung von seiner Zahlungspflicht verlangen, erscheint nicht ganz überzeugend, denn in der Regel wird der Amtsträger schon nicht vor Gericht erscheinen, geschweige denn Schadensersatz leisten, sodass es zu einem solchen Regress nicht kommt. Wenn staatliche Amtsträger für Menschenrechtsverletzungen, die sie unter staatlicher Anordnung durchführten, verklagt werden könnten, wäre aber eine wahrscheinliche Folge, dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen statt den Staat die einzelnen Amtsträger verklagen. Die staatliche Immunität könnte also umgangen werden.
241 US: Memorandum for the United States submitted to the Court of Appeals for the Second Circuit in Filartiga v. Peña-Irala, 19 ILM 585 (1980). 242 Siehe hierzu: Erster Teil, A. IV. 243 Siehe: Sechster Teil, B. III. 1. a).
B. Klagen von Bürgern gegen staatliche Funktionsträger
237
Den Klägern geht es auch nicht nur um die Geldzahlung, sondern vielmehr darum, dass ein Gericht auch über die Handlungen des ausländischen Staates bzw. gar das ganze Staatssystem urteilt. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint mittelbar wieder der Anstellungsstaat als der eigentliche Adressat der Klage. Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, in den wenigen Entscheidungen, in denen einfachen staatlichen Funktionsträgern der Immunitätsschutz abgesprochen wurde, eine ausreichende Staatenpraxis zu sehen, um eine Völkerrechtsregel festzustellen, wonach staatlichen Funktionsträgern bei schweren Menschenrechtsverletzungen keine Immunität mehr zukomme. Es ist zweifelhaft, ob bei einer Klage von Opfern behördlich organisierter Menschenrechtsverletzungen gegen einen staatlichen Funktionsträger, z. B. eines Mitglieds der Falun Gong in China gegen einen chinesischen Beamten,244 irgendein Gericht auf der Welt die Zulässigkeit der Klage bejahen würde, so schwer die Menschenrechtsverletzung auch war. 4. Ergebnis zur Immunität sonstiger staatlicher Funktionsträger Einfache staatliche Funktionsträger genießen gegenüber Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen Immunitätsschutz, wenn sie diese im Auftrag des Staates begangen haben.
IV. Gesamtergebnis zur Immunität staatlicher Funktionsträger Die zentralen Staatsorgane des völkerrechtlichen Verkehrs, d. h. Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister genießen gegenüber Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen Immunitätsschutz. Auch wenn diese Organe aus dem Amt ausgeschieden sind, besteht ihr Immunitätsschutz fort. Auch einfachen staatlichen Funktionsträgern kommt Immunitätsschutz zu, wenn sie im staatlichen Auftrag tätig werden. Die Immunität des Staates kann beim derzeitigen Stand des Völkergewohnheitsrechts nicht durch Zugriff auf dessen Funktionsträger umgangen werden.
244
Siehe zu dem Fall: Sechster Teil, B. II. 2. a) aa).
Siebter Teil
Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung und dem besonderen Status von Menschenrechten Im letzten Teil wurde deutlich, dass anhand der Staatenpraxis noch keine allgemeine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen von Staaten und ihren Funktionsträgern festzustellen ist. Vor diesem Hintergrund versuchen neuere Ansätze statt aus der Praxis der einzelnen Staaten (induktive Vorgehensweise), vielmehr aus der besonderen Verpflichtungswirkung von Menschenrechten bzw. dem Status, den bestimmte Menschenrechte besitzen (deduktive Vorgehensweise), eine Immunitätsausnahme abzuleiten. Damit ist eine Auseinandersetzung mit den Kategorien der erga omnes-Verpflichtungen und dem ius cogens erforderlich.
A. Differenzierung zwischen Verpflichtungen erga omnes und ius cogens Die Kategorie der erga omnes-Verpflichtungen entwickelte der Internationale Gerichtshof in einem obiter dictum im Fall Barcelona Traction.1 Er unterschied zwischen den Verpflichtungen der Staaten gegenüber der gesamten internationalen Staatengemeinschaft und den gegenseitigen Pflichten im Rahmen des diplomatischen Schutzes. Der IGH betonte, dass die Verpflichtungen gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft alle Staaten betreffen. Alle Staaten hätten ein Interesse an ihrem Schutz. Sie seien Verpflichtungen erga omnes: „In particular, an essential distinction should be drawn between the obligations of a state towards the international community as a whole, and those arising vis-à-vis another state in the field of diplomatic protection. By their very nature the former are the concern of all States. In view of the importance of rights involved, all States can be held to have a legal interest in their protection; they are obligations erga omnes.“2
1 IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Belgium v. Spain, Second Phase, Urt. v. 05.02.1970, ICJ Rep. 1970, 3, Ziff. 33 f. 2 IGH, ICJ Rep. 1970, 3, Ziff. 33.
A. Differenzierung zwischen Verpflichtungen erga omnes und ius cogens
239
In dem Fall Barcelona Traction ging es nicht um fundamentale Menschenrechte. Eine nach kanadischem Recht konstituierte Gesellschaft, erlitt durch die Erklärung des Konkurses einer Tochterfirma durch die spanischen Behörden und die sich anschließende Geschäftsübergabe an spanische Staatsbürger einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Die kanadische Regierung lehnte es ab, Ansprüche betroffener Personen gegenüber Spanien im Wege des diplomatischen Schutzes geltend zu machen. Da ca. 8% der Anteile in Besitz belgischer Aktionäre waren, wendete sich Belgien an den IGH. Die Ausführungen des IGH in dem obiter dictum werden als eine Reaktion auf die Kritik an dem Urteil im South-West Africa-Fall3 verstanden.4 Südafrika war gem. Art. 122 Abs. 1 und 6 des Völkerbundvertrages ein Mandat für die Verwaltung des damaligen Südwestafrikas als „sacred trust of civilisation“ des heutigen Namibias erteilt worden. Äthiopien und Liberia machten geltend, dass Südafrika dieses Mandat durch seine Apartheidpolitik verletze. Der Gerichtshof verneinte ein locus standi beider Staaten. Wenn ein Staat andere als seine eigenen Rechte einklage, müsse dies eindeutig geregelt sein.5 Den Richtern des IGH erschien es in dem Fall Barcelona Traction wichtig, klarzustellen, dass es nicht nur Verpflichtungen im bilateralen Verhältnis gegenüber einem einzelnen Staat, sondern auch gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft gebe. Die Rechtsfigur der Verpflichtungen erga omnes wurde im Folgenden in der Rechtsprechung und besonders in der Literatur aufgegriffen. Der Entwurf der International Law Commission zur Staatenverantwortlichkeit erwähnt das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen zwar nicht ausdrücklich, spricht aber von der Verletzung einer Verpflichtung, die gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft besteht.6 Damit soll dem obiter dictum des IGH Geltung verliehen werden.7 Des Weiteren kennt der Entwurf auch die Kategorie der zwingenden Völkerrechtsnormen,8 des ius cogens. Bei der erga omnes-Verpflichtung geht es darum, wem gegenüber die Staaten die Einhaltung der Verpflichtungen schulden. Das ius cogens umschreibt dagegen den Status, den u. a. gewisse Menschenrechte erlangen.9 Der Schwerpunkt liegt auf der Norm selbst und ihrem nicht derogationsfähigen und vorrangigen 3 IGH, South West Africa Cases, Ethiopia v. South Africa; Liberia v. South Africa, Second Phase, Urt. v. 18.07.1966, ICJ Rep. 1966, 6. 4 Siehe: Paulus, S. 369 f.; Frowein, RdC 248 (1994-IV), 345, 428; Sinclair, S. 213. 5 IGH, ICJ Rep. 1966, Ziff. 44. 6 Siehe Art. 48 Abs. 1 b) Draft Articles on the Responsibility of States for internationally wrongful acts: „The obligation breached is owed to the international community as a whole“. 7 Siehe die Kommentierung der ILC: Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt bei: Crawford, Art. 42, Ziff. 9 f. 8 Siehe: Part Two, Chapter II, Art. 40 und 41. 9 Bassiouni, 59 Law & Contemp. Probs. 63, 64 (1996).
240 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
Charakter. Ius cogens-Menschenrechte stellen eine Teilmenge der völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Menschenrechte dar und unterscheiden sich von diesen durch ihre erhöhte Geltungskraft.
B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage einer Ausnahme zur Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger Ein Teil der Literatur betont, dass das Immunitätskonzept die staatliche Souveränität im Sinne der in der Kompetenz des einzelnen Staates stehenden Angelegenheiten schütze.10 Der Schutz der erga omnes-Rechtsgüter sei hingegen der alleinigen Verfügungsgewalt des einzelnen Staates entzogen und obliege sämtlichen Mitgliedern der Staatengemeinschaft. Damit sei das Schutzgut aus dem Bereich des domaine réservé in den Bereich des Völkerrechts gewandert.11 Die Souveränität eines Staates stehe damit Immunitätsausnahmen zum Schutz von erga omnes-Rechtsgütern nicht mehr entgegen. Im Folgenden soll der These nachgegangen werden, nach der sich aus der Kategorie der Verpflichtungen erga omnes eine Ausnahme zur Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger ableiten lasse.
I. Kreis der Menschenrechte, die erga omnes-Verpflichtungen begründen Es stellt sich die Frage, ob alle Menschenrechte bzw. – wenn nicht alle – welche Menschenrechte imstande sind, erga omnes-Verpflichtungen zu begründen. Der IGH befand in seinem obiter dictum in dem Fall Barcelona Traction: „Such obligations derive, for example, in contemporary international law from the outlawing of acts of aggression, and of genocide, as also from the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination. Some of the corresponding rights of protection have entered into the body of general international law [. . .]; others are conferred by international instruments of a universal or quasi-universal character.“12
Alle Regeln, die grundlegende Menschenrechte betreffen („rules concerning the basic rights of the human person“), begründen damit die erga omnes-Verpflichtungswirkung. Ein großer Teil der Lehre misst diese Verpflichtungswir10
Lüke, S. 329. Dies betonen auch: Reimann, 16 Mich. J. Int’l Law 402, 422 (1995); Paust, 49 Houston J. Int’l L. 49, 59 (1985). 12 IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Belgium v. Spain, Second Phase, Urt. v. 5.02.1970, ICJ Rep. 1970, 3, Ziff. 34. 11
B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage zur Immunität von Staaten
241
kung allen völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Menschenrechten zu.13 Die Einhaltung aller Menschenrechte liege im Interesse der Staatengemeinschaft, der sie konstituierenden Staaten und Individuen. Damit sei die Kategorie der völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Menschenrechte deckungsgleich mit der Kategorie der erga omnes geltenden Menschenrechte. Ein weiter Kreis der Menschenrechte, die Verpflichtungen erga omnes begründen, könnte zu größeren internationalen Konflikten führen, wenn Staaten einseitig zu ihrer Durchsetzung tätig werden dürften. Außerdem sprechen Gründe der Rechtssicherheit für eine Einschränkung. Vor diesem Hintergrund wird der Kreis der Menschenrechte, die erga omnes-Verpflichtungen begründen, von der Gegenauffassung auf ius cogens-Menschenrechte beschränkt.14 Umgekehrt ist anerkannt, dass nicht alle völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Menschenrechte die erhöhte Geltungskraft des ius cogens aufweisen. Alle ius cogens-Menschenrechte führen aber zu erga omnes-Verpflichtungen.15
II. Rechtliche Folgen einer erga omnes-Pflichtverletzung Welche Maßnahmen ein Staat, dessen eigene Staatsangehörige nicht in ihren Menschenrechten verletzt wurden, gegenüber einem Staat, der Menschenrechte verletzt, ergreifen darf, ist unklar. Insbesondere bedarf es der weiteren Untersuchung, ob zu den zu ergreifenden Maßnahmen auch eine Verweigerung des Immunitätsschutzes gehört. 1. Kreis der Reaktionsberechtigten Es ist zu analysieren, ob bei der Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen nur die internationale Staatengemeinschaft als solche oder auch jeder einzelne Staat reagieren darf.
13 Institut de Droit International, La protection des droits de l’homme et le principe de non-intervention dans les affaires intérieures des Etats, 13.09.1989, Annuaire vol. 63, Tome II (1990), 338, Art. 1; Henkin, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 886, 891; Kokott, BdDGV 38 (1998), 71, 88. ALI, Comment o. zu § 702 Restatement Third of the Foreign Relations Law of the U.S. (Customary International Law of Human Rights): „Violations of the rules stated in this section are violations of obligations to all states and any state may invoke the ordinary remedies available to a state when its rights under customary law are violated.“ Siehe auch: Comment b. zu § 703 Restatement Third of the Foreign Relations Law of the U.S. 14 Doehring, in: Beyerlin, S. 355, 361. 15 Kadelbach, S. 178. Besonderheiten ergeben sich, wenn die Existenz eines regionalen ius cogens anerkannt wird. Dann erstreckt sich die erga omnes-Wirkung auch nur auf den regionalen Bereich (siehe hierzu: Ragazzi, S. 196).
242 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
a) Auffassungen zur Frage der Reaktionsberechtigung Nach einer Auffassung wird das Recht, auf die Verletzung einer erga omnes-Verpflichtung, etwa im Wege der Gegenmaßnahme (Repressalie) zu reagieren, nicht nur der gesamten Staatengemeinschaft, die durch die UN handeln könnte, sondern vielmehr allen Rechtssubjekten zugestanden.16 Jeder Staat, d. h. nicht nur der Heimatstaat des verletzten Individuums, könne ohne irgendein weiteres besonderes Interesse Abhilfe wegen der Verletzung von Menschenrechten ersuchen.17 Bei der Verletzung von ius cogens-Normen wird es jedenfalls für erforderlich gehalten, die Reaktion eines jeden Staates zuzulassen.18 Nach der Gegenauffassung folgt aus der Anerkennung von Pflichten gegenüber der Völkerrechtsgemeinschaft als Ganze, selbst aus der Anerkennung eines rechtlichen Interesses aller Staaten, noch nicht, dass bei einer Nichteinhaltung dieser Pflichten alle Staaten auch als verletzt anzusehen seien.19 Bei einer Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen sei zumindest erst eine Entscheidung der Staatengemeinschaft erforderlich, bevor individuelle Maßnahmen ergriffen werden dürften.20 b) Untersuchung des Kreises der Reaktionsberechtigten Die Ansätze zum Kreis der Reaktionsberechtigten sollen einer Prüfung unterzogen werden. aa) Ausführungen des IGH im Fall Barcelona Traction Die Ausführungen des IGH im Fall Barcelona Traction sind nicht eindeutig. Das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen scheint der Gerichtshof an einer späteren Stelle einzuschränken. Der Menschenrechtsschutz schließe auch den Schutz gegenüber der Rechtsschutzverweigerung ein. Auf universeller Ebene würden jedoch die Instrumente, die Menschenrechte garantieren,21 den Staaten nicht die Fähigkeit verleihen, Opfer von Verletzungen dieser Rechte unabhängig 16 Klein, BdDGV 37 (1998), 39, 50 f; Kokott, BdDGV 38 (1998), 71, 86 f.; Frowein, RdC 248 (1994-IV), S. 345, 422. 17 Comment b. zu § 703 Restatement Third of the Foreign Relations Law of the U.S.: „Since the obligations of the customary law of human rights are erga omnes (obligations to all states) [. . .], any state may pursue remedies for their violation, even if the individual victims were not nationals of the complaining state and the violation did not affect any other particular interest of that state.“ 18 Hannikainen, S. 725; Doehring, in: Beyerlin, S. 355, 361 f. 19 Bryde, BdDGV 33 (1994), 165, 178. 20 Partsch, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, S. 200, 201. 21 Gemeint ist u. a. der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966, 999 UNTS 171.
B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage zur Immunität von Staaten
243
von ihrer Nationalität zu schützen. Nur im regionalen Rechtskreis bestehe die Möglichkeit, unabhängig von der Frage der Nationalität des Betroffenen, eine Menschenrechtsverletzung zu verfolgen. Der IGH spricht hierbei die in der EMRK vorgesehene Staatenbeschwerde an (vgl. Art. 34 EMRK): „With regard more particularly to human rights, to which reference has already been made in paragraph 34 of this judgement, it should be noted that these also include protection against denial of justice. However, on the universal level, the instruments which embody human rights do not confer on States the capacity to protect the victims of infringements of such rights irrespective of their nationality.“22
Vor dem Hintergrund dieser späteren Ausführungen des Gerichtshofs ließe sich vertreten, dass bei erga omnes-Menschenrechtsverletzungen grundsätzlich nur dem Heimatstaat der Opfer das Recht zu Maßnahmen eingeräumt wird.23 Ausnahmen bestünden nur in regionalen Rechtskreisen wie dem Europarat. Für eine solche Auslegung spricht, dass der IGH noch in keinem Fall anerkannt hat, dass nicht unmittelbar in ihren Rechten verletzte Staaten Klage vor dem Gerichtshof erheben können. bb) Spätere IGH-Rechtsprechung und ihre Bewertung Für eine restriktive Auslegung, wonach nur im Rahmen der Regelungen eines Vertrags zum Schutz der Menschenrechte einzelne Staaten zu einseitigen Maßnahmen befugt sind, könnten Ausführungen des Gerichtshofs im 16 Jahre später entschiedenen Nicaragua-Fall24 angeführt werden. Die USA rechtfertigten ihr einseitiges Vorgehen gegen Nicaragua mit einer Berufung auf Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua. Der Gerichtshof führte aus, dass, wenn Menschenrechte in völkerrechtlichen Verträgen geschützt würden, der Menschenrechtsschutz die Formen der Vereinbarungen zur Überwachung oder der Sicherung der Achtung der Menschenrechte einnehme, wie sie in den Verträgen selbst vorgesehen seien.25 Die Interpretation dieser Ausführungen ist umstritten. Teilweise werden sie so verstanden, dass sich die Durchsetzung der Menschenrechte auf die vorgesehenen Instrumentarien beschränke.26 Die Gegenauffassung meint, dass sich 22
IGH, ICJ Rep. 1970, 3, Ziff. 91. So in der Bewertung: Zemanek, MPUNYB 4 (2000), 1, 11, insbes. Fn. 31. 24 IGH, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, Urt. v. 27.06.1986, ICJ Rep. 1986, 14. 25 IGH, ICJ Rep. 1986, 14, Ziff. 267: „However, where human rights are protected by international conventions, that protection takes the form of such arrangements for monitoring or ensuring respect for human rights as are provided for in the conventions themselves.“ 26 Zemanek, MPUNYB 4 (2000), 1, 11 („self-contained regime“). 23
244 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
diese Stellungnahme nur auf das Spezialregime des völkervertraglichen Menschenrechtsschutzes beziehe.27 Werde ein vertraglich begründetes Menschenrecht verletzt, seien allein die übrigen Vertragsstaaten und die in dem jeweiligen Abkommen vorgesehenen Organe befugt, gegen den sich rechtswidrig verhaltenden Staat vorzugehen, und zwar gemäß den Verfahren, die in dem Vertrag geregelt sind. Wenn jedoch zugleich eine Vorschrift missachtet werde, die zu den universellen Menschenrechten gehöre, stehe jedem Staat das Recht zu, gegen den Verletzerstaat einzuschreiten.28 Für die gegenteilige Interpretation kann jedoch ins Feld geführt werden, dass, wenn Staaten sich in völkerrechtlichen Verträgen auf bestimmte Mechanismen zur Durchsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen geeinigt haben, es zweifelhaft ist, ob sie sich außerhalb des speziellen Durchsetzungsregimes Forderungen einzelner Staaten ausgesetzt sehen wollen. cc) Auffassungen im Schrifttum In der Völkerrechtsliteratur wird befürchtet, dass das Konzept der erga omnes-Verpflichtungen inhaltsleer würde, wenn die Pflichten, die der internationalen Gemeinschaft geschuldet werden, von Staaten, die nicht unmittelbar verletzt sind, nicht gerichtlich geltend gemacht werden könnten.29 Den Pflichten gegenüber der Staatengemeinschaft entsprächen Rechte der nicht direkt betroffenen Staaten. Auf diese Weise werde den nicht direkt betroffenen Staaten grundsätzlich die gleiche Position zugewiesen wie Staaten, die individuelle Rechte haben.30 Es wird mit den unterschiedlichen Formulierungen, die der Gerichtshof verwendet, argumentiert. In seinen späteren Ausführungen spreche der Gerichtshof nur allgemein von Menschenrechten („instruments which embody human rights“), wohingegen in den vorherigen Ausführungen von den fundamentalen Menschenrechten die Rede sei („basic rights of the human person“).31 Der Gerichtshof scheine eine Unterscheidung zwischen den „basic rights of the human person“ und Menschenrechten allgemein (wie etwa der Rechtsschutzgarantie) zu treffen. Während „basic rights“ von allen Staaten ohne Rücksicht auf die Nationalität der Opfer eingefordert werden könnten, bestehe bei einfachen Menschenrechten diese Möglichkeit nur für den Heimatstaat der Opfer.32 Ähnlich, aber mit unterschiedlicher Begründung, betonen auch andere Vertreter in der 27 28 29 30 31 32
Annacker, 46 Austrian J. Publ. Intl. Law 131, 134 (1994); Empell, S. 395. Empell, S. 398. Paulus, S. 378; Fassbender, EuGRZ 2003, 1, 7. Empell, S. 331 f. Frowein, RdC 248 (1994-IV), 345, 406; Empell, S. 344. Meron, 80 AJIL 1, 10 f. (1986).
B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage zur Immunität von Staaten
245
Literatur, dass zwischen beiden Passagen des Urteils ein erheblicher Unterschied bestehe. Während erstere Äußerung auch auf das allgemeine Völkerrecht abstelle, beziehe sich letztere nur auf multilaterale Verträge.33 Zudem wird argumentiert, dass es schwer vorstellbar sei, wie die internationale Gemeinschaft auf anderem Wege ein Recht ausüben könne als durch das Handeln einzelner Staaten.34 Obwohl kollektive Maßnahmen vorzugswürdig seien, bleibe die Notwendigkeit unilateraler Maßnahmen dritter Staaten bestehen.35 Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Reaktionen soll die Einschätzung der rechtlichen Situation durch die UN, konkret eventuell existierende bindende Entscheidungen des Sicherheitsrates und Empfehlungen der Generalversammlung, als Leitlinie dienen.36 Damit versucht diese Auffassung, die Gefahren unilateraler Maßnahmen zu begrenzen. Teilweise wird auch vertreten, dass individuelle staatliche Maßnahmen nur dann ausgeschlossen seien, wenn das Völkergewohnheitsrecht Normen entwickelt habe, die kollektive Reaktionen fordern.37 dd) Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien Nach Auffassung des Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien im Fall Furundzija begründet ein Verstoß gegen eine erga omnes-Verpflichtung eine Verletzung des entsprechenden Rechts aller Mitglieder der Internationalen Gemeinschaft und gebe jedem Mitglied einen Anspruch auf Einhaltung, das dann das Recht hat, auf Erfüllung der Pflicht zu bestehen oder jedenfalls die Beendigung der Verletzung zu verlangen: „Furthermore, the prohibition on torture imposes upon States obligations erga omnes, that is, obligations owed towards all other members of the international community, each of which then has a correlative right. In addition, the violation of such an obligation simultaneously constitutes a breach of the correlative right of all members of the international community and gives rise to a claim for compliance accruing to each and every member, which then has the right to insist on fulfilment of the obligation or in any case to call for the breach to be discontinued.“38
33
Paulus, S. 378. Gaja, RdC 172 (1981 III), 271, 281. 35 Frowein, RdC 248 (1994-IV), 345, 423 ff. 36 Frowein, RdC 248 (1994-IV), 345, 433. 37 Annacker, 46 Austrian J. Publ. Intl. Law 131, 160 (1994). 38 ICTY, Prosecutor v. Furundzija, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317, 348 (1999), Ziff. 151. 34
246 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
c) Analyse der Rechtsprechung und Literatur Wenn individuelle staatliche Maßnahmen zur Durchsetzung von erga omnesVerpflichtungen nur dann als verboten angesehen werden, wenn das Völkergewohnheitsrecht Normen entwickelt hat, die eine kollektive Reaktion gebieten, wird das im Grundsatz bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Das aus dem Souveränitätsprinzip fließende Interventionsverbot verbietet grundsätzlich eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates.39 Andererseits ist der Menschenrechtsschutz aber keine bloße innere Angelegenheit eines Staates mehr.40 Es bestehen aber Bedenken, ob aus diesem Grund auch jeder Staat Maßnahmen ergreifen darf. Bisher wurde noch keinem Staat unter Bezugnahme auf die erga omnes-Verpflichtungswirkung ein Klagerecht in einem Verfahren betreffend die Verletzung der Menschenrechte des Staatsbürgers eines anderen Staates vor internationalen Gerichten eingeräumt.41 Staaten neigen nicht dazu, jedem Mitglied der Staatengemeinschaft zu erlauben, quasi als Generalanwalt der Staatengemeinschaft in gerichtlichen Verfahren aufzutreten.42 Wenn alle schweren Menschenrechtsverletzungen jedem Staat das Recht auf Gegenmaßnahmen gäben, könnten die positiven Aspekte eines dezentralisierten Durchsetzungsmechanismus von den negativen Auswirkungen auf die Stabilität der internationalen Beziehungen überwogen werden.43 Problematisch ist, dass die internationale Staatengemeinschaft keine Organe besitzt, die für die Durchsetzung der Verpflichtungen sorgen. Auf internationaler Ebene können dies zur Zeit nur die UN mit dem Sicherheitsrat als wichtigstem Organ.44 Vor diesem Hintergrund gibt es Tendenzen, den Kreis der reaktionsberechtigten Staaten bei Verpflichtungen, die gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft bestehen, zu erweitern.
39
Siehe statt vieler: Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, § 168, S. 796 f. Institut de Droit International, La protection des droits de l’homme et le principe de non-intervention dans les affaires intérieures des Etats, 13.09.1989, Annuaire vol. 63, Tome II (1990), 338, Art. 2 Abs. 2; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, § 168, S. 807. 41 Siehe: Ragazzi, S. 212. Ragazzi betont, dass das erga omnes-Konzept nicht notwendigerweise auch auf eine Art actio popularis schließen lasse. Beide Konzepte seien verschieden und unabhängig voneinander. Fassbender, EuGRZ 2003, 1, 15; de Hoogh, 42 Austrian J. Publ. Int’l L. 183, 196 (1991). 42 Dies erkennt auch: Schachter, S. 212. 43 Tomuschat, RdC 241 (1993 IV), 200, 366. Siehe auch: de Hoogh, 42 Austrian J. Publ. Int’l L. 183, 213 (1991): „To grant any State an interest in Protecting the rights of any third State is tantamount to inviting the more powerful States to act as policemen. [. . .] [T]he proposals regarding international responsibility as they stand should be revised as to ensure that no (third) State shall act entirely unilaterally in the vindication of a public interest.“ 44 Tomuschat, RdC 241 (1993 IV), 200, 368. 40
B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage zur Immunität von Staaten
247
Der IGH stellte in seinem Gutachten zu der völkerrechtlichen Vereinbarkeit des Grenzzauns in den besetzten palästinensischen Gebieten45 Verstöße gegen das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und Regeln des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte fest. Das Recht auf Selbstbestimmung und viele Regeln des humanitären Völkerrechts begründeten erga omnes-Verpflichtungen.46 Hieraus leitete der Gerichtshof Folgen für Drittstaaten ab. Jeder Staat besitze die Verpflichtung, die unrechtmäßige Situation, die durch den Sperrzaun geschaffen worden sei, nicht anzuerkennen. Außerdem sei er verpflichtet, keine Hilfe oder Unterstützung zur Aufrechterhaltung der Situation zu leisten. Es sei auch eine Angelegenheit aller Staaten, in Respektierung der UNCharta und des Völkerrechts, dass jedes Hindernis für die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung durch Errichtung der Mauer beseitigt werde. Zusätzlich müssten alle Vertragsstaaten der Genfer Konvention zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12.08.1949 Israel dazu anhalten, sich in Übereinstimmung mit der Konvention zu verhalten.47 Die UN, besonders die Generalversammlung und der Sicherheitsrat, sollten weitere Maßnahmen zur Beendigung der unrechtmäßigen Situation überdenken.48 Diese Ausführungen bringen zum Ausdruck, dass aus einer unrechtmäßigen Situation sich auch Konsequenzen für dritte Staaten ergeben. Ein weiterer Beleg dafür, dass Drittstaaten zu Maßnahmen gegenüber Staaten, die erga omnes-Pflichten verletzen, berechtigt sind, ist der Entwurf der ILC zur Staatenverantwortlichkeit. Nach Art. 48 Abs. 1 b) des ILC Draft ist jeder Staat berechtigt, die Verantwortlichkeit eines Staates geltend zu machen, wenn ein Staat die Verpflichtung der gesamten Staatengemeinschaft schuldet.49 Die Gefahren einer solchen Erweiterung der Reaktionsberechtigung werden aber durch eine deutliche Begrenzung des Kreises der Mittel eingeschränkt (siehe Art. 48 Abs. 2 des ILC Draft). d) Zwischenergebnis Auf Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen sind auch dritte Staaten berechtigt zu reagieren. Der Kreis der Menschenrechte, die erga omnes-Verpflichtungen begründen, ist jedoch eng zu ziehen. Des Weiteren ist unklar, welche Maßnahmen ein Drittstaat ergreifen darf. Im Folgenden soll untersucht werden,
45 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Gutachten v. 9.07.2004, 43 ILM 1009 (2004). 46 IGH, 43 ILM 1009, Ziff. 155 ff. (2004). 47 IGH, 43 ILM 1009, 1053, Ziff. 159 (2004). 48 IGH, 43 ILM 1009, 1053, Ziff. 160 (2004). 49 Art. 48 Abs. 1 b) lautet: „Any State other than an injured State is entitled to invoke the responsibility in accordance with paragraph 2 if the obligation breached is owed to the international community as a whole.“
248 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
ob die Ausübung nationaler Gerichtsbarkeit ein zulässiges Mittel zur Durchsetzung von erga omnes-Verpflichtungen ist. 2. Kreis der Mittel Es stellt sich die Frage, ob sich aus der erga omnes-Pflicht eine Ausweitung der Gerichtsbarkeit eines Staates im Sinne einer Durchbrechung der Staatenimmunität ergibt. a) Ansätze in der Staatenpraxis und in der Literatur Ansatzweise klingt in der Entscheidung des US Court of Appeals im Filartiga-Fall50 der Versuch an, aus der universellen Geltung bestimmter Menschenrechte Folgen für die Gerichtsbarkeit zu ziehen. Die Staaten hätten im individuellen und kollektiven Interesse bestimmte fundamentale Menschenrechte anerkannt, zu denen das Gericht auch das Folterverbot zähle. Damit sei der Folterer wie der Pirat und Sklavenhändler zu einem Feind der Menschheit geworden.51 Dies rechtfertige die Ausübung der Gerichtsbarkeit. Das Gericht erwähnt die Kategorie der erga omnes-Verpflichtungen aber nicht ausdrücklich. Es äußert sich auch nicht zu Immunitätsfragen. Vielmehr vermag die Entscheidung allenfalls für eine Anwendung des Weltrechtsprinzips auf Folter im Klageverfahren angeführt werden. Einige Vertreter des Schrifttums fordern die nationalen Gerichte auf, ihre Gerichtsbarkeit auf Menschenrechtsverletzungen zu erstrecken, da sie bei solchen als Agenten der Völkerrechtsordnung handelten.52 Aus dem erga omnes-Konzept werden, insbesondere bei ius cogens-Menschenrechtsverletzungen, auch prozessuale Durchsetzungsmechanismen abgeleitet.53 Nach der Gegenauffassung kann die Kategorie der erga omnes-Pflichten zwar den Kreis der zur Rechtsdurchsetzung berechtigten Staaten, aber nicht die hierfür erforderlichen prozessualen Mittel erweitern.54 Sofern Staaten und ihren 50
Siehe: Sechster Teil, B. III. 1. b). US Court of Appeals, 2nd Circuit, Filartiga v. Peña-Irala, Entsch. v. 30.06.1980, 630 F.2d 876, 890. 52 Randall, S. 152 und S. 206. Siehe auch: S. 100: „Although granting immunity in a case does not actually put the United States’ imprimatur upon a sovereign defendant’s illegal acts, it does cut against the global commitment to correct and deter human rights violations and terrorism.“ 53 Bartsch/Elberling, German Law Journal 4 (2003), S. 477, 486. 54 Scheffler, S. 90; Jørgensen, S. 230: „Obligations erga omnes are referred to widely in the literature, and it is difficult to question their existence as part of customary international law. However, this law has not been translated into specific procedural abilities.“ 51
B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage zur Immunität von Staaten
249
Funktionsträgern Immunität vor nationalen Gerichten zukomme, würden durch die Qualifizierung der Geltung der verletzten Menschenrechte als erga omnes die Einschränkungsmöglichkeiten der Immunität nicht erweitert. b) Rechtsprechung des IGH und Bewertung Zu untersuchen ist, inwieweit der IGH, der das erga omnes-Konzept in seinem oben55 genannten obiter dictum entwickelte, diesem auch rechtliche Wirkungen zuschrieb. Der Gerichtshof stellte im East Timor-Fall 56 fest, dass das Recht der Völker auf Selbstbestimmung („right of peoples to self-determination“) erga omnesCharakter habe. Der erga omnes-Charakter einer Norm und die Regel hinsichtlich der Zustimmung zur Gerichtsbarkeit seien aber zwei unterschiedliche Kategorien.57 Vor diesem Hintergrund befand der Gerichtshof, dass er nicht über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens eines anderen Staates richten könne, wenn sein Urteil die Bewertung des Verhaltens eines anderen Staates impliziere, der nicht Partei des Rechtsstreits sei. Wenn dies der Fall sei, könne der Gerichtshof nicht handeln, auch wenn das betroffene Recht ein Recht erga omnes sei. „In the Court’s view, Portugal’s assertion that the right of peoples to self-determination [. . .] has an erga omnes character, is irreproachable. [. . .] However, the Court considers that the erga omnes character of a norm and the rule of consent to jurisdiction are two different things. Whatever the nature of the obligations invoked, the Court could not rule on the lawfulness of the conduct of a state when its judgement would imply an evaluation of the lawfulness of the conduct of another State which is not party to the case. Where this is so, the Court cannot act, even if the right in question is a right erga omnes.“58
Gegen die Übertragbarkeit der Ausführungen des IGH im East Timor-Fall auf die Gerichtsbarkeit von Staaten wird eingewandt, dass zwischen der Gerichtsbarkeit nationaler und internationaler Gerichte ein erheblicher Unterschied bestehe.59 Es könnte allerdings auch umgekehrt ein erst-recht-Schluss gezogen werden. Wenn nicht einmal internationale Gerichte, die von der Staatengemeinschaft geschaffen wurden, die Befugnis haben, über erga omnes-Pflichtverletzungen von Staaten zu urteilen, dann besitzt erst recht nicht jedes nationale Gericht die Befugnis, hierüber verbindliche Entscheidungen zu treffen.
55
Siehe: Siebter Teil, B. I. und II. 1. b) aa). IGH, Case concerning East Timor, Portugal v. Australia, Urt. v. 30.06.1995, ICJ Rep. 1995, 89. 57 IGH, ICJ Rep. 1995, 89, Ziff. 29. Diese Auffassung wird auch in der Literatur vertreten: de Hoogh, 42 Austrian J. Publ. Int’l L. 183, 196 f. (1991). 58 IGH, ICJ Rep. 1995, 89, Ziff. 29. 59 Byers, 67 British Yb. Int’l L. 537, 540, Fn. 12 (1996). 56
250 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
c) ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit Im Entwurf der International Law Commission (ILC) zur Staatenverantwortlichkeit werden in Kapitel III. des zweiten Teils die Rechtsfolgen von Völkerrechtsverletzungen bei „serious breaches under peremptory norms of general international law“ beschrieben, und in Kapitel I. des dritten Teils wird das Recht auf Geltendmachung der Staatenverantwortlichkeit durch nicht verletzte Staaten bei der Verletzung von Pflichten, die gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft bestehen, anerkannt und näher ausgestaltet. Die Mittel, die Staaten ergreifen dürfen, sind sehr beschränkt. Bei schweren Verletzungen zwingender Völkerrechtsnormen statuiert Art. 41 Nr. 1 des Entwurfs eine Pflicht der Staaten zur Zusammenarbeit, um die Verletzung zu beenden.60 Damit kommt auch zum Ausdruck, dass nicht jeder einzelne Staat (unilaterale) Maßnahmen ergreifen soll. Kooperation kann innerhalb einer internationalen Organisation wie den UN stattfinden.61 Art. 41 Nr. 2 des Entwurfs verpflichtet die Staaten, eine Situation, die durch einen schweren Verstoß hergestellt wurde, weder als rechtmäßig anzuerkennen noch dabei Hilfe oder Unterstützung zu leisten.62 Als Beispiel für eine solche Situation wird die völkerrechtswidrige Annexion Kuwaits durch den Irak genannt.63 Art. 41 Nr. 3 stellt sicher, dass andere mögliche Folgen durch die Regelung unberührt bleiben sollen. Bei der Verletzung von Verpflichtungen gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft gibt Art. 48 Abs. 2 des ILC-Draft jedem Staat das Recht die Beendigung des unrechtmäßigen Handelns (a) und die Erfüllung der Verpflichtung zum Schadensersatz im Interesse des verletzten Staates oder des Nutznießers der Verpflichtung zu verlangen (b). Eine Befugnis nicht verletzter Staaten zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen (Repressalien)64 bei erga omnes-Pflichtverletzungen anderer Staaten sieht der Entwurf nicht vor. Angesichts der spärlichen Staatenpraxis zu dieser Frage entschied sich die ILC gegen die Aufnahme einer solchen Befugnis.65 Auch Art. 54 des Entwurfs,66 wonach das 60 Art. 41 Nr. 1 des Draft lautet: „States shall cooperate to bring to an end through lawful means any serious breach within the meaning of article 40.“ 61 Siehe die Kommentierung: Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt bei: Crawford, Art. 41 Ziff. 2. 62 Art. 41 Nr. 2 des Draft lautet: „No State shall recognize as lawful a situation created by a serious breach within the meaning of article 40, nor render assistance in maintaining that situation.“ 63 Siehe die Kommentierung: Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt bei: Crawford, Art. 41 Ziff. 7. 64 Der ILC-Entwurf spricht von „countermeasures“ und nicht „reprisals“. Der Begriff der Repressalie wird zunehmend vom Begriff der Gegenmaßnahme abgelöst. 65 Siehe die Kommentierung: Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt von: Crawford, Art. 54 Ziff. 6: „State Practise is sparse and involves a limited number
B. Erga omnes-Verpflichtungen als Grundlage zur Immunität von Staaten
251
Recht eines jeden Staates nach Art. 48 Abs. 1 des Entwurfs, rechtmäßige Maßnahmen zu ergreifen, um die Beendigung oder Wiedergutmachung der Völkerrechtsverletzung sicherzustellen, unberührt bleibt, erkennt nicht implizit die Zulässigkeit von Gegenmaßnahmen, d. h. völkerrechtswidrigen Maßnahmen, an. Die Regelungen in dem ILC-Entwurf sind ein Beleg für eine große Zurückhaltung gegenüber Einzelmaßnahmen von Staaten gegenüber schweren Völkerrechtsverletzungen. Die Rechtsfolgenbestimmung mag dafür angeführt werden, dass jeder Staat von dem Verletzerstaat verlangen kann, dass er die Verletzungen wieder gut macht. Ein Recht, dem Opfer von Menschenrechtsverletzungen seine Gerichte in einem Klageverfahren gegen den Verletzerstaat zur Verfügung zu stellen, lässt sich dem Entwurf nicht entnehmen. d) Bewertung Im Hinblick auf die rechtlichen Folgen von erga omnes-Pflichtverletzungen besteht Unklarheit. Der ICTY gesteht als Folge einer erga omnes-Pflichtverletzung jedem Mitglied der Staatengemeinschaft einen Anspruch auf Einhaltung der Normen und Beendigung der Verletzungen zu.67 Ähnlich ist die Rechtsfolgenbestimmung des IGH im Fall betreffend den Grenzzaun in den besetzten Palästinensergebieten, in der er eine Pflicht zur Nichtanerkennung und ein Verbot zur Unterstützung der Aufrechterhaltung der unrechtmäßigen Situation feststellte.68 Dass nur sehr beschränkte Durchsetzungsbefugnisse anerkannt werden, hängt mit den Gefahren einer einseitigen Durchsetzungsbefugnis zusammen. Soweit einzelnen Staaten bei erga omnes-Verletzungen Pflichten bzw. Rechte zugeschrieben werden, beschränken sich diese auf ein Recht auf Abstellung der Verletzung bzw. auf Herstellung des rechtmäßigen Zustandes. Weiter gehende Rechte werden nur der internationalen Staatengemeinschaft, die sich zum großen Teil in den UN manifestiert, zugestanden.69 of States. At present there appears to be no clearly recognised entitlement of States referred to in article to take countermeasures in the collective interest.“ 66 Art. 54 des Draft lautet: „This Chapter does not prejudice the right of any State, entitled under article 48, paragraph 1 to invoke the responsibility of another State, to take lawful measures against that State to ensure cessation of the breach and reparation in the interest of the injured State or of the beneficiaries of the obligation breached.“ 67 ICTY, Prosecutor v. Furundzija, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317 (1999), Ziff. 151 68 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Gutachten v. 09.07.2004, 43 ILM 1009 (2004), Ziff. 159. 69 Siehe hierzu auch den Appell des IGH an die Vereinten Nationen, speziell die Generalversammlung und den Sicherheitsrat, nach weiteren Maßnahmen zur Abstellung der durch den Sperrzaun geschaffenen völkerrechtswidrigen Situation zu suchen. IGH, 43 ILM 1009 (2004), Ziff. 160.
252 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
III. Ergebnis Das erga omnes-Konzept vermag beim gegenwärtigen Stand des Völkerrechts nicht für die Begründung einer Immunitätsausnahme herhalten. Es ist bereits unklar, welche Menschenrechte erga omnes wirken. Des Weiteren ist nicht klar festzustellen, ob und in welcher Weise auch jeder einzelne Staat Maßnahmen ergreifen kann. Eine auf das bisher noch sehr schwammige erga omnes-Konzept gestützte Immunitätsausnahme würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Diese Rechtsunsicherheit kann nur durch ein Zusammenwirken der Staaten im Rahmen internationaler Organe oder durch Regelungen in völkerrechtlichen Verträgen zum Zwecke der Durchsetzung der Menschenrechte beseitigt werden.
C. Ableitung einer Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten Im Folgenden soll dem Ansatz nachgegangen werden, der aus dem besonderen Status bestimmter Menschenrechte eine Ausnahme zur Immunität von Staaten und ihren Funktionsträgern herzuleiten versucht.
I. Grundgedanke der Immunitätsausnahme Es wurde bereits dargestellt, dass das LG Livadia mit der Rechtsfigur des ius cogens argumentierte, um eine Immunitätsausnahme zu konstruieren.70 In dem Sondervotum des EGMR im Fall Al-Adsani 71 und in der Literatur72 wird die Auffassung vertreten, dass aus dem ius cogens-Charakter einer Völkerrechtsnorm selbst eine Immunitätsausnahme abgeleitet werden könne. Ius cogens stehe in der völkerrechtlichen Normenhierarchie über allen anderen Regeln des Völkerrechts mit Ausnahme anderer ius cogens-Normen. Die Staatenimmunität zähle zu den darunter stehenden, dem Staatenkonsens unterworfenen Normen. Bei einem Konflikt zwischen den derogationsfähigen Normen der Staatenimmu-
70
Siehe: Dritter Teil, A. II. 1. Joint Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch Joined by Judges Wildhaber, Costa, Cabral Barreto and Vajic´, in: EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-VI, 111 ff., deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 409 ff. Sich anschließend: Rizos/Kroustalakis/Prassos/Gyftakis, in: Oberstes griechisches Sondergericht, Bundesrepublik Deutschland v. Militiadis Margellos, Entsch. v. 17.09.2002 – unveröffentlicht; zitiert nach: 56 RHDI 199, 206 (2003). 72 Byers, 67 British Yb. Int’l L. 537, 540 (1996); Karagiannakis, 11 Leiden J. Int’l L. 9, 20 (1998); Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 255 ff. (2002); Panezi, 56 RHDI 199, 212 (2003); Randall, S. 99; Terry, in: Scott, S. 109, 129. 71
C. Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten
253
nität und ius cogens hätten die nicht-derogationsfähigen Normen des ius cogens Vorrang. Damit werde das Prozesshindernis der Staatenimmunität automatisch beseitigt.73 Diese Argumentation ist nicht nur auf die Immunität von Staaten, sondern auch auf die Immunität von staatlichen Amtsträgern anwendbar, da sie von der hierarchischen Stellung der Verbotsnorm ausgeht, die unabhängig davon ist, gegen wen ein Verfahren durchgeführt wird und welcher Art dieses Verfahren ist.74 So wird im US-amerikanischen Schrifttum argumentiert, dass der FSIA auf die Immunität von Staatsoberhäuptern nicht anwendbar sei. Damit könne auch das gegen eine ius cogens-Ausnahme im Hinblick auf die Immunität von Staaten vorgebrachte Argument, dass der FSIA eine solche Ausnahme nicht vorsehe,75 nicht gegen die Anwendbarkeit einer solchen Ausnahme auf die Immunität von Staatsoberhäuptern angeführt werden.76
II. Probleme bei der Qualifizierung von Menschenrechten als ius cogens Zunächst wird behandelt, welche Voraussetzungen für die Entstehung von ius cogens erfüllt sein müssen und welche Normen hierzu zählen. 1. Allgemeine Rechtsgrundsätze als Quelle des ius cogens Nach Auffassung von Alston und Simma sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze Quelle des ius cogens. Demnach wäre die Staatenpraxis für die Entstehung des ius cogens irrelevant.77 Ebenso wäre sie für die Rechtsfolgen irrelevant, denn es wäre bereits die zwingende Kraft des Folterverbots, die jede Norm im Fall eines Normkonflikts ungültig macht.78 Simma und Alston wollen damit die Gültigkeit universell anerkannter Menschenrechte besser erklären. Die völkerrechtlichen Prinzipien könnten bereits auf internationalen Konferenzen spontan durch formlosen Konsens entstehen und seien verbindlich, noch bevor sie zu Gewohnheitsrecht würden. 73 Joint Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch, ECHR 2001-VI, 81, 111, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 409; Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 257 (2002). 74 Lüke, S. 343; Bosch, S. 111. 75 Siehe zu dieser Rechtsprechung: Sechster Teil, A. I. 2. 76 Taylor, 24 T. Jefferson L. Rev. 101, 114 ff. (2001). 77 Alston/Simma, 12 Australian Yb. Int’l L. 82, 95 ff. (1992). 78 Joint Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch Joined by Judges Wildhaber, Costa, Cabral Barreto and Vajic´, in: EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-VI, 111, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, S. 409, Ziff. 4; Reece Thomas/Small, NILR 2003, 1, 13 ff.
254 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
2. Völkergewohnheitsrecht als Quelle des ius cogens Überwiegend wird als Quelle des ius cogens eine Kombination aus völkerrechtlichem Vertragsrecht und Völkergewohnheitsrecht angesehen, die sich gegenseitig beeinflussen, einander überlagern und ergänzen.79 Aus Art. 53 WVRK wird ein positivistisches ius cogens-Konzept abgeleitet. Die Völkerrechtsnormen werden von den Völkerrechtssubjekten in einem anerkannten Rechtserzeugungsverfahren geschaffen und von ihnen als unabdingbar anerkannt.80 Damit sollen der Berufung auf ius cogens bestimmbare Grenzen gesetzt werden. 3. Bewertung und Untersuchung von Beispielen für die Entwicklung von ius cogens Im Sinne eines besseren Menschenrechtsschutzes ist die an die allgemeine Rechtsgrundsätze anknüpfende Ermittlung des ius cogens weiterführend, da bei Menschenrechten, die täglich von den Staaten verletzt werden, der Nachweis der Staatenpraxis vielfach schwieriger ist. Für die Gegenauffassung spricht, dass von den Staatenvertretern bei der Entstehung der WVRK Bedenken gegenüber einem zu konturenlosen ius cogens-Konzept geäußert wurden.81 Aus dem Wortlaut des Art. 53 WVRK lassen sich zwei Erfordernisse ableiten. Zuerst muss nachgewiesen werden, dass die Norm allgemein und als bindend anerkannt wird. Zudem müssen die Staaten auch akzeptieren, dass die Norm ihre Vertragsabschlussfähigkeit beschränkt und Verträge, die gegen ihren Inhalt verstoßen, ungültig macht. Erforderlich ist nicht die Anerkennung durch alle Staaten, aber durch die große Mehrzahl.82 Als Indizien dienen die Materie, welche die Norm betrifft, die Anzahl der Staaten, die sie anerkennen, der Kreis der durch die Norm Berechtigten und das selbst in Notfällen bestehende Verbot der Einschränkung der Norm (vgl. z. B. Art. 4 Abs. 2 IPbürgR; Art. 15 Abs. 2 EMRK).83 Bei dem Verbot des Völkermords wird allgemein davon ausgegangen, dass es zum ius cogens gehört.84 Ebenso besteht bei dem Verbot der Sklaverei angesichts der zahlreichen Bemühungen seiner Bekämpfung und der fehlenden De79
Kadelbach, S. 186. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 15, Rn. 42. 81 Frankreich stimmte gegen die Konvention, weil es die Unantastbarkeit vertraglicher Verpflichtungen durch die Anerkennung des ius cogens bedroht sah (siehe hierzu: Frowein, Jus Cogens, in: Bernhardt, EPIL, Bd. III, S. 65, 66). 82 Rozakis, S. 77. 83 Kadelbach, S. 208; Karl, in: Klein, S. 102, 124. Siehe auch: ICTY, Prosecutor v. Furundzija, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317 (1999), Ziff. 144. 84 Sunga, S. 73; Draft Articles on the Responsibility of States for internationally wrongful acts, Commentary, Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt bei: Crawford, Art. 40, Ziff. 4. 80
C. Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten
255
rogierbarkeit des Verbotes Konsens, dass es zum ius cogens zählt.85 Dafür, dass beide Verbote ius cogens-Charakter besitzen, spricht auch das obiter dictum des IGH im Fall Barcelona Traction.86 Des Weiteren könnte das Folterverbot ius cogens darstellen. Angesichts der Regelung des Folterverbots in verschiedenen Vertragswerken, der Anerkennung in der Völkerrechtspraxis und der Tatsache, dass in vielen Bereichen Ausnahmen vom Folterverbot für unzulässig erklärt werden, wird dem Folterverbot der Charakter von ius cogens beigemessen.87 Demgegenüber wird auch kritisch darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch zwischen der formellen Anerkennung des Folterverbots und der Tatsache, dass Folter in vielen Staaten immer noch praktiziert wird, bestehe.88 Hier zeigt sich der Vorteil des Ansatzes von Alston und Simma, bei dem die Staatenpraxis nicht entscheidend ist. Es gibt viele Hinweise, die dafür sprechen, dass das Folterverbot zum ius cogens gehört.89 Zum Beispiel betonte der EGMR in der Soehring-Entscheidung, dass das Folterverbot zu einem der wichtigsten Grundsätze demokratischer Gesellschaften, die dem Europarat angehören, zähle.90 Sofern man dem Folterverbot ius cogens-Charakter zuspricht, erweist sich der Inhalt des Folterverbots, den der ius cogens-Charakter umfasst, als nicht ganz gesichert, zum Beispiel, ob nur weit verbreitete und systematische oder auch einzelne Folterhandlungen hiervon erfasst werden.91
III. Existenz einer völkerrechtlichen Normenhierarchie mit ius cogens an der Spitze Im völkerrechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung wird betont, dass das Völkerrecht die Schwelle zu einer Verfassungsstruktur überschritten habe.92 85 Sunga, S. 86; Draft Articles on the Responsibility of States for internationally wrongful acts, Commentary, Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt bei: Crawford, Art. 40, Ziff. 4. 86 IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Belgium v. Spain, Second Phase, Urt. v. 05.03.1970, ICJ Rep. 1970, 3, Ziff. 33. Nach Auffassung einiger Autoren stellen die vom IGH genannten Beispiele ius cogens-Normen dar. Siehe: Sinclair, S. 213; Reece/Small, NILR 2003, 1, 15. 87 ICTY, Prosecutor v. Anto Furundzija, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317 (1999), Ziff. 153. Siehe auch die Kommentierung zu Art. 40 Draft Articles on the Responsibility of States for internationally wrongful acts, Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt bei: Crawford, Art. 40, Ziff. 5. 88 Sunga, S. 86. 89 Hierfür: Court of Appeals, 9th Circuit, Maximo Hilao et al. v. Estate of Ferdinand Marcos, Entsch. v. 16.06.1994, 25 F.3d 1467, 1473. 90 EGMR, Soehring v. United Kingdom, Urt. v. 07.07.1989, Ser. A, Nr. 161 (1989), 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 314, Ziff. 88. 91 Diese Problematik erkennt: Fox, S. 445. 92 Frowein, RdC 248 (1994 IV), 345, 365; derselbe, in: Müller-Graff/Roth, S. 65, 74.
256 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
Es bestehe eine Normenhierarchie mit ius cogens an der Spitze.93 Es wird u. a. argumentiert, dass sich als Folge der schrecklichen Erfahrungen in der ersten Hälfte des 20. Jh. das Naturrecht gegenüber dem Positivismus durchgesetzt habe.94 So sei in denProzessen die Berufung auf Befehlsnotstand untersagt worden, wenn die Befehle gegen höheres Recht, das Naturrecht, verstießen. Dieser Ansatz und seine möglichen Auswirkungen auf das Recht der Staatenimmunität sollen im Folgenden analysiert werden. 1. Bedenken gegenüber einer Normenhierarchie im Völkerrecht Es wird von einer Ansicht hervorgehoben, dass sich das Völkerrecht immer noch auf den Willen souveräner Staaten gründe.95 Allein die Staaten verfügten über die unbeschränkte Rechtsmacht, Völkerrecht zu kreieren, völkerrechtliche Rechte und Pflichten untereinander und mit Wirkung für und gegen Dritte zu begründen und wieder aufzuheben. Diese Sichtweise kann sich auf Ausführungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (StIGH) im Lotus-Fall stützen: „International Law governs relations between independent States. The rules of law binding upon States therefore emanate from their own free will as expressed in conventions or by usages generally accepted as expressing principles of law and established in order to regulate the relations between these co-existing independent communities or with the view to the achievement of common aims.“96
Es wird zugestanden, dass durch die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes die vollständige Mediatisierung des Einzelnen im Völkerrecht überwunden worden sei. Die hierin liegende „stille Revolution des Völkerrechts“ habe sich aber in den überkommenen Rechtsformen des Völkerrechts, nämlich durch den Abschluss von Verträgen und Bildung von Gewohnheitsrecht zugunsten Dritter, vollzogen und nicht auch die Grundstruktur der Völkerrechtsordnung revolutioniert.97 Die Möglichkeit einer Erstreckung des ius cogens-Konzepts über das Recht der Verträge hinaus wird bezweifelt.98 Während die meisten entwickelten nationalen Rechtssysteme eine vertikale Struktur besäßen, sei das Völkerrecht als ein horizontales System zu verstehen.99
93 Siehe ausführlich: Siderman, S. 64 ff.; Suy, S. 75; Richman, 19 Brook. J. Int’l L. 967, 974 (1993); Bassiouni, 59 Law & Contemp. Probs. 63, 67 (1996). 94 Belsky/Merva/Roht-Arriaza, 77 Cal.L. Rev. 77 (1989), 365, 385. 95 Weil, 77 AJIL 413, 420 (1983); Hillgruber, in: Müller-Graff/Roth, S. 117, 118. 96 StIGH, „Lotus-case“, France v. Turkey, Urt. v. 07.09.1927, P.C.I.J. Ser. A., no. 10, 4, 18. 97 Hillgruber, in: Müller-Graff/Roth, S. 117, 121. 98 Sztucki, S. 66 ff.; Zimmermann, 16 Mich. J. Int’l L. 433, 438 (1995). 99 Rozakis, S. 20 f.
C. Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten
257
Klein, der eine Ausdehnung des ius cogens auf den außervertraglichen Bereich für möglich hält, lehnt den Standpunkt ab, dass die Nichtigkeit bei einem Verstoß gegen zwingendes Recht auch die Höherrangigkeit des zwingenden Rechts voraussetze.100 Die Anordnung der Nichtigkeit könne auch als eine mögliche Methode der Lösung von Normenkonflikten angesehen werden. Der Hierarchiegedanke verführe außerdem dazu, andere nicht als ius cogens anerkannte Rechtssätze von Anfang an außer Betracht zu lassen, statt zu prüfen, ob wirklich ein Normenkonflikt bestehe. 2. Entwicklung des ius cogens in der Rechtsprechung internationaler Gerichte Eine der ersten gerichtlichen Ausführungen zum ius cogens machte Richter Schücking im Oscar Chinn-Fall vor dem StIGH. Der Richter betonte, dass jede Handlung bei Verstoß gegen ius cogens automatisch nichtig sei: „I can hardly believe that the League of Nations would have already embarked on the codification of international law if it were not possible, even today, to create a jus cogens, the effect of which would be that, once States have agreed on certain rules of law, and have also given an undertaking that these rules may not be altered by some only of their number, any act adopted in contravention of that undertaking would be automatically void.“101
Nach der Kodifikation des ius cogens in Art. 53 WVRK stellte sich die Frage nach den Auswirkungen des ius cogens über das Recht der Verträge hinaus. Einen wichtigen Beitrag zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des ius cogens leistete der ICTY im Fall Furundzija. Das Folterverbot besitze den Charakter von ius cogens, einer Norm, die einen höheren Rang in der internationalen Normenhierarchie als Vertragsrecht und sogar „einfache“ Regeln des Völkergewohnheitsrechts einnehme. Dieser Rang habe zur Folge, dass Staaten durch internationale Verträge oder spezielle Gebräuche oder allgemeine gewohnheitsrechtliche Regeln, die nicht dieselbe normative Kraft haben, nicht abweichen können. „Because of the importance of the values it protects, this principle has evolved into a peremptory norm or jus cogens, that is, a norm that enjoys a higher rank in the international hierarchy than treaty law and even ,ordinary‘ customary rules. The most conspicuous consequence of this higher rank is that the principle at issue cannot be derogated from by States through international treaties or local or special customs or even general customary rules not endowed with the same normative force.“102 100
Klein, in: Bröhmer/Bieber/Callies/Langenfeld/Weber/Wolf, S. 151, 152. Separate Opinion of M. Schücking, in: STIGH, The Oscar Chinn Case, Urt. v. 12.12.1934, PCIJ Ser. A./B., no. 63, 148, 149. 102 ICTY, Prosecutor v. Anto Furundzija, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317 (1999), Ziff. 153. 101
258 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
Nach Auffassung des Kriegsverbrechertribunals setzen sich die zwingenden Normen des Völkerrechts über alle anderen Normen hinweg und binden die Staaten unabhängig von ihrem Willen. Das Gericht äußerte sich aber nicht ausdrücklich zu Auswirkungen des ius cogens auf die Immunität von Staaten vor nationalen Gerichten. In der Rechtsprechung des IGH wird das Anwendungsfeld des ius cogens nur in separate und dissenting opinions diskutiert.103 In dem Haftbefehls-Fall beschäftigten sich die dissenting opinions der Richter Al-Khasawneh und van den Wyngaert mit dem ius cogens-Charakter der von dem Außenminister begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Folgen, die hieraus zu ziehen sind. Nach Auffassung des Richters Al-Khasawneh hat die effektive Bekämpfung schwerer Verbrechen ius cogens-Charakter erlangt. Wenn eine höherrangige Norm in Konflikt mit der Staatenimmunität trete, solle sie Vorrang haben: „The effective combating of grave crimes has arguably assumed a jus cogens character reflecting recognition by the international community of the vital community interests and values it seeks to protect and enhance. Therefore, when this hierarchally higher norm comes into conflict with the rules on immunity, it should prevail.“104
3. Bewertung Es gibt in der Völkerrechtspraxis Hinweise darauf, dass das ius cogens über die WVRK hinaus Anwendung findet und nicht nur auf das völkerrechtliche Vertragsrecht, sondern auch auf das Völkergewohnheitsrecht einzuwirken vermag. Art. 53 WVRK scheint als Anknüpfungspunkt für die Existenz einer Normenhierarchie in seiner Bedeutung jedoch überdehnt zu werden.105 Bei der Schaffung des Art. 53 WVRK hatten gerade die westeuropäischen Staaten Bedenken, da er einen unbestimmten und undefinierten Nichtigkeitsgrund einführe.106 Der Artikel war auch einer der Gründe, warum Frankreich sich entschied, nicht Mitgliedsstaat der WVRK zu werden.107 103 Zum Beispiel: Dissenting opinion of judge Tanaka, in: IGH, South West Africa Cases, Ethiopia v. South Africa; Liberia v. South Africa, Urt. v. 18.07.1966, Second Phase, ICJ Rep. 1966, 4, 298. 104 Dissenting opinion of judge Al-Khasawneh, in: IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, ICJ Rep. 2002, 3, 95, Ziff. 7. Siehe auch: Dissenting Opinion of Judge van den Wyngaert, in: IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, ICJ Rep. 2002, 3, 137, Ziff. 28. 105 Jennings, in: Boisson de Chazournes/Gowlland-Debbas, S. 677, 682. Siehe auch: Shelton, in: Evans, S. 153 ff. 106 Siehe die Stellungnahme der Luxemburger Regierung: „The Luxembourg Government considers that the article is likely to create a great deal of uncertainty. [. . .] Moreover, in its view, there will be no less uncertainty in regard to the sub-
C. Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten
259
Die Entstehung einer zwingenden Völkerrechtsnorm setzt nach Art. 53 WVRK die Annahme durch die internationale Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit und zum anderen die Anerkennung ihrer Unabdingbarkeit voraus. Damit beruht auch die Anerkennung gewisser fundamentaler Rechtsregeln als vertraglich nicht disponibles Völkerrecht oder ius cogens auf dem Konsens der Staaten. Der Konsens hinsichtlich des zwingenden Charakters kann sich auch auflösen und zwingendes Völkerrecht wieder zu disponiblem herabgestuft werden. Die Existenz einer Verfassung im Sinne eines den Staaten vorgegebenen und ihnen übergeordneten Regelwerks erscheint vor diesem Hintergrund äußerst zweifelhaft. Ein Teil des völkerrechtlichen Schrifttums und vereinzelt auch der Praxis versucht hier anscheinen eine Völkerrechtsordnung zu kreieren, die „als bloßes gedankliches Konstrukt ohne Boden unter den Pfeilern ist, die es doch fundieren soll“.108
IV. Verhältnis der ius cogens-Menschenrechte zu den Regeln der Staatenimmunität Selbst wenn akzeptiert wird, dass im Völkerrecht Normenhierarchien bestehen, ist hiermit noch nicht die Frage geklärt, ob die ius cogens-Menschenrechte auch über den Regelungen der Staatenimmunität stehen. Teilweise wird ein Vorrangverhältnis zwischen ius cogens-Menschenrechten und Staatenimmunität vertreten. Nach anderen Auffassungen besteht kein Vorrang zwischen beiden Rechtskategorien, sondern es ist vielmehr ein Ausgleich im Wege der Interpretation zu finden.
stance, since there is no authority competent to define the norms which are peremptory and which are not.“ (Fifth Report on the Law of Treaties, Humphrey Waldock, Special Rapporteur, Yb. ILC 1966, Bd. II, S. 20); Stellungnahme der türkischen Regierung: „What is meant by jus cogens not being defined in the article, the Turkish Government thinks that it will be possible for each State to interpret it to fit its own needs. Indeed it feels that this is just what has happened; and that, in the absence of machinery for compulsory jurisdiction, these different interpretations will merely give rise to new misunderstandings. It considers that it would be wrong to include the notion of jus cogens in the law of treaties without first establishing effective machinery for settling differences arising between States regarding jus cogens.“ (Yb. ILC 1966, Bd. II, S. 21); Stellungnahme der Regierung des Vereinigten Königreichs: „The United Kingdom Government considers that, if this article is accepted, its application must be very limited [. . .].“ (Yb. ILC 1966, Bd. II, S. 21). 107 Frowein, in: Bernhardt, EPIL, Bd. III, S. 65, 66. Dies betont auch: Procureur Général Launay im Ghaddafi-Fall, 125 ILR 498, 507 (2004). Siehe hierzu: Sechster Teil, B. II. 1. a) bb). 108 So die Wortwahl von: Klein, in: Bröhmer/Bieber/Callies/Langenfeld/Weber/ Wolf, S. 151, 155.
260 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
1. Bestehen eines Vorrangverhältnisses a) These vom Vorrang der Menschenrechte Es wird behauptet, dass Menschenrechte im Rang über den Immunitätsregeln stünden.109 Während eine Reihe von Menschenrechten als ius cogens anerkannt werden, gelte dies bezüglich der gewohnheitsrechtlichen oder vertraglichen Regeln der Staatenimmunität nicht.110 Die Staaten hätten häufig auf ihre Immunitätsrechte verzichtet. Dadurch werde deutlich, dass die Regeln über die Staatenimmunität nicht den Rang von ius cogens hätten, denn vom zwingenden Charakter dieser den „ordre public“, d. h. die grundlegenden Werte der internationalen Gemeinschaft schützenden Regeln, könne weder einseitig noch durch Vertrag abgewichen werden. b) Analyse der Vorrangthese anhand der Grundlagen der Staatenimmunität und der Menschenrechte im Völkerrecht Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass die Grundlage der Staatenimmunität in dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit liegt,111 der zu den Grundprinzipien des Völkerrechts zählt. Es wird betont, dass, wenn es eine völkerrechtliche Normenhierarchie gebe, solchen Normen ein besonders hoher Rang eingeräumt werden müsse, welche die Grundwerte der internationalen Gemeinschaft schützen bzw. von den Staaten als essentiell für ein geordnetes Zusammenleben betrachtet werden.112 Dieser Gedanke kommt auch in einer Entscheidung des BVerfG zum Ausdruck: „Nur einige elementare Rechtsgebote werden als vertraglich unabdingbare Regeln des Völkerrechts anzusehen sein. Die Qualität solcher zwingender Normen wird nur jenen in der Staatengemeinschaft fest verwurzelten Rechtssätzen zuerkannt werden können, die für den Bestand der internationalen Rechtsordnung unerlässlich sind und deren Beachtung die Mitglieder der Staatengemeinschaft verlangen können.“113
Erwähnenswert erscheinen auch Ausführungen des IGH im Fall betreffend die Geiselnahme in der US-amerikanischen Botschaft in Teheran, in denen das Gericht die Bedeutung der Privilegien und Immunitäten von Diplomaten für die
109 Bianchi, 46 Austrian J. Publ. Intl. Law 195, 223 (1994); Reimann, 16 Mich. J. Int’l L. 403, 407 (1995). 110 Joint Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch Joined by Judges Wildhaber, Costa, Cabral Barreto and Vajic´, in: EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-VI, 81, 111 ff., deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, S. 409 ff. 111 Siehe: Erster Teil, E. III. 112 Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391, 396. 113 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 07.04.1965, E 18, 441, 448.
C. Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten
261
Aufrechterhaltung guter Beziehungen zwischen Staaten unterstreicht.114 Auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Grundlagen im Vergleich zur diplomatischen Immunität115 ist eine grundlegende Bedeutung der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger für die Zusammenarbeit zwischen den Staaten nicht zu verkennen. Dies betont auch Richter Pellonpää in seinem zustimmenden Sondervotum im Al Adsani-Fall. Die internationale Zusammenarbeit setze bestimmte Rahmenbedingungen voraus, zu denen auch die Grundsätze der Staatenimmunität gehörten.116 Einige Mitglieder der ILC vertraten im Hinblick auf Art. 53 WVRK die Auffassung, dass die souveräne Staatengleichheit zum ius cogens zähle.117 Dies wird auch in der Literatur vertreten.118 Bemerkenswert ist auch, dass Lord Hope of Craighead in der dritten Pinochet-Entscheidung die Immunität eines im Amt befindlichen Staatsoberhauptes als ius cogens einstuft.119 Jennings hält dies für gut vertretbar, da das Recht der Immunität von Staatsoberhäuptern so alt sei wie das Völkerrecht selbst.120 Die Gegenauffassung verweist darauf, dass die Staaten, wenn sie internationale Verträge eingehen, sich auf eine ungleiche Behandlung zwischen den Vertragsparteien einigen können. Handelsverträge könnten einen ungleichen Zugang zu den jeweiligen Märkten eröffnen. Wenn internationale Organisationen gegründet werden, könnten Staaten unterschiedliche Zuständigkeiten und Abstimmungsgewichtungen festlegen, die die tatsächliche Bedeutung eines Landes in gewisser Hinsicht berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund wird, ungeachtet seines Charakters als fundamentales Prinzip der Völkerrechtsordnung, dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit kein ius cogens-Charakter beigemessen.121 Ebenso werden auch die Immunitätsregeln nicht zum ius cogens gezählt, da Staaten untereinander diese Regeln einschränken oder gar auf sie verzichten können.122 Selbst wenn das Prinzip der souveränen Staatengleichheit als ius cogens charakterisiert werde, sollen die ius cogens-Menschenrechte Vorrang 114 IGH, Case Concerning United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, United States of America v. Iran, Request for the Indication of Provisional Measures, Beschl. v. 15.12.1979, ICJ Rep. 1979, 7, Ziff. 38 f. 115 Siehe: Erster Teil, D. I. 2. 116 Concurring Opinion of Judge Pellonpää joined by judge Sir Nicolas Bratza, in: EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-VI, 107, 109, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 408, 409. 117 Report of the International Law Commission on the work of its eighteenth session, 04.05.–19.07.1966, Yb. ILC 1966, Bd. II, S. 172, 248, Ziff. 3. 118 Starke, S. 56. 119 Lord Hope of Craighead, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581, 624 (1999). 120 Jennings, in: Boisson de Chazournes/Gowlland-Debbas, S. 677, 685. 121 Fassbender/Bleckmann, in: Simma, Bd. I, S. 88. 122 Verdross/Simma, S. 332 f., § 528; Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 258 f. (2002).
262 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
gegenüber der Staatenimmunität besitzen. Gleichheit zwischen den Staaten erfordere nicht notwendigerweise Immunitätsschutz. Da die Prinzipien der souveränen Gleichheit und der Immunität nicht synonym seien, könne Immunität nicht als ius cogens qualifiziert werden.123 c) Stellungnahme Wenn Staaten in Verträgen, etwa zur Gründung internationaler Organisationen, Ungleichgewichtungen (z. B. im Rahmen von Stimmengewichtungen bei Abstimmungen in internationalen Organisationen) akzeptieren, beruht dies auf ihrer eigenen Entscheidung. Durch diese Entscheidungsmöglichkeit wird dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit Rechnung getragen. Dessen Existenz wird durch die Entscheidung eines Staates, in gewissem Umfang Ungleichbehandlungen in Kauf zu nehmen, um anderweitigen Nutzen aus dem Vertrag zu ziehen, nicht abgedungen. Würde man das Eingehen ungleicher vertraglicher Verpflichtungen als Abdingung verstehen, dann ließe sich in ähnlicher Weise auch das Gewaltverbot abdingen. Schließlich könnte man auch in der völkerrechtlich zulässigen Intervention auf Einladung ein Abdingen oder einen Verzicht des Staates auf das Gewaltverbot sehen.124 Trotzdem wird vertreten, dass das Gewaltverbot ius cogens-Charakter habe.125 Dass ein Staat auf seine Immunität verzichten kann, ein Verzicht auf fundamentale Menschenrechte dagegen nicht möglich ist, beruht auf strukturellen Unterschieden zwischen den Menschenrechten und den Regeln der Staatenimmunität. Träger des gewohnheitsrechtlich begründeten Rechts auf Achtung eines menschenrechtlichen Mindeststandards ist nach h. A. immer noch der Staat und nicht das Individuum. Die Staaten machen aber nicht mehr nur ihre eigenen Rechte, sondern, in Vertretung ihrer Staatsangehörigen, jedenfalls auch zu deren Gunsten Rechte geltend.126 Ein Staat kann deshalb nicht einem anderen Staat die auf Völkergewohnheitsrecht beruhende Pflicht zur Wahrung der elementarsten Menschenrechte in der Weise vertraglich erlassen, wie er auf seine Immunität verzichten kann. Obwohl die Staaten rechtstechnisch Träger der Menschenrechte sind, dienen Menschenrechte dem Schutz der völkerrechtlich in der Regel nicht mit eigenen Rechten ausgestatteten Einzelpersonen. Die Unabdingbarkeit der völkerrechtlichen Menschenrechte hat ihren Grund in der drittschützenden Natur der Menschenrechte. Deshalb können Staaten z. B. als nominell 123
Karagiannakis, 11 Leiden J. Int’l L. 9, 20 (1998). Vgl. Hillgruber, in: Müller-Graff/Roth, S. 117, 126. 125 Ragazzi, S. 77. Ein Beleg hierfür wird auch in den Ausführungen des IGH im Nicaragua-Fall gesehen: Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, Urt. v. 27.06.1986, ICJ Rep. 1986, 14, Ziff. 190. 126 Epping, in: Ipsen, § 7, Rn. 6. 124
C. Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten
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aus dem Folterverbot Berechtigte nicht anderen Staaten vertraglich erlauben zu foltern. Dies bedeutet aber noch kein Vorrangverhältnis zwischen Menschenrechten und Staatenimmunität. d) Zwischenergebnis Die Regeln der Staatenimmunität und die Menschenrechte sind von Natur aus verschieden. Deshalb erscheint es schwierig, sie in ein Rangverhältnis mit dem Vorrang der Menschenrechte oder der Staatenimmunität oder beide in den gleichen Rang zu setzen. 2. Herstellung eines Ausgleichs zwischen Menschenrechten und der Staatenimmunität Einige Autoren versuchen bei der Verletzung von Menschenrechten, die als ius cogens qualifiziert werden, einen Ausgleich zwischen Staatenimmunität und ius cogens-Menschenrechten zu begründen, der in keinem einseitigen Vorrangverhältnis letzterer liegt. a) Definition der Grenzen zwischen menschenrechtlichem ius cogens und staatlicher Immunität Nach Auffassung von Voyiakis haben weder das Folterverbot noch die Staatensouveränität Vorrang vor dem jeweils anderen Wert.127 Es bestehe insoweit Gleichwertigkeit. Jeder Wert definiere die Grenzen des jeweils anderen. Souveränität und Unabhängigkeit der Staaten könnten nicht eine Folterpraxis rechtfertigen und umgekehrt könne das Folterverbot nicht zu Begrenzungen führen, die die Unabhängigkeit und Souveränität der Staaten verneinten. Dies führe zu einer konkreteren Interpretation beider Werte. Staaten müssten Zugang zu ihren Gerichten bei auf Folter gestützten Klagen eröffnen, über die sie Gerichtsbarkeit beanspruchen. Andererseits seien ausländische Staaten in gewissem Umfang gegenüber dieser Gerichtsbarkeit zur Immunität berechtigt. Es erscheine vertretbar, dass Folterklagen grundsätzlich in die exklusive Gerichtsbarkeit des mutmaßlich verantwortlichen Staates fallen, der dazu verpflichtet sei, Zugang zu seinen Gerichten zu gewähren. Dies würde auch die Unabhängigkeit dieses Staates schützen. Der mutmaßlich verantwortliche Staat könne aber die ausschließliche Gerichtsbarkeit nur unter der Bedingung für sich beanspruchen, dass er tatsächlich für den Zugang zu seinen Gerichten bei Folterklagen sorge. Sofern er diesen Zugang behindere oder nur ein illusorisches Recht diesbezüglich garantiere, könne der verantwortliche Staat nicht von sich behaupten, dass 127
Voyiakis, 52 ICLQ 297, 330 f. (2003).
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er seine Souveränität und politische Unabhängigkeit richtig ausübe. Soweit ein Staat diese Balance zwischen der Ausübung seiner Souveränität und der Forderung nach Zugang zu einem Gericht beeinträchtige, könne er sich nicht vor den Gerichten dritter Staaten, die die Gerichtsbarkeit über Folterhandlungen beanspruchen, auf Immunität berufen.128 b) Differenzierende Lösung Lüke will aus dem ius cogens-Charakter einiger Menschenrechte eine Immunitätsausnahme ableiten und geht dabei nicht von einem starren Vorrangverhältnis des menschenrechtlichen ius cogens aus, sondern sie möchte vielmehr differenzieren.129 Die Annahme eines Geltungsvorranges für ius cogens-Normen berechtige nicht zwangsläufig dazu, die Immunität zu versagen, da andererseits auch die staatliche Souveränität als das Schutzgut der Immunitätsregeln im Kern zwingenden Charakters sei. Der Konflikt zwischen den zwingenden Rechtsgütern müsse im Wege der Güterabwägung gelöst werden.130 Wenn die Opfer von Menschenrechtsverletzungen den Staat als juristische Person vor ausländischen Gerichten auf Entschädigungsleistungen verklagen, will Lüke anknüpfend an die Auffassung von Bröhmer131 unterscheiden, ob die Ersatzforderungen vereinzelte, individuelle Folterungen betreffen oder aber im Rahmen von systematischen Menschenrechtsverletzungen angeordnet wurden, die unter Umständen sogar die Dimension von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erreichen. Die Differenzierung zwischen dem durch Immunität geschützten und nicht geschützten Bereich soll vor diesem Hintergrund aufgrund der Natur und des quantitativen Effekts der Menschenrechtsverletzung erfolgen.132 Individuelle Verletzungen seien kontrollierbar und kalkulierbar und blieben daher individuell kompensierbar. Wahllose Verletzungen seien dagegen unkontrollierbar und unkalkulierbar. Wenn der Rechtsstreit eine vereinzelte, individualisierbare Rechtsverletzung zum Gegenstand habe, müsse das besondere Gewicht, etwa des Rechts auf Leben oder des Folterverbotes, als ius cogens gegenüber der staatlichen Souveränität Vorrang besitzen. Die Souveränität des verurteilten Staates sei in ihrem Kerngehalt kaum gefährdet, auch wenn er mitunter erhebliche Geldsummen an die Opfer zahlen müsse. Bei Klagen wegen individueller Menschenrechtsverletzungen soll Staaten keine Immunität gewährt werden.
128 129 130 131 132
Voyiakis, 52 ICLQ 297, 331 (2003). Lüke, S. 343. So auch: Zeichen/Hebenstreit, AVR 41 (2003), 182, 198. Bröhmer, S. 197 ff. Bröhmer, S. 205 ff.; Lüke, S. 347.
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Wenn es darum gehe, systematische Menschenrechtsverletzungen von Unrechtsregimen aufzuarbeiten, bildeten zivilrechtliche Schadensersatzklagen vor ausländischen Gerichten hierfür kein völkerrechtlich angemessenes Instrumentarium. Dadurch, dass sich die finanziellen Zahlungspflichten des Unrechtsstaates bis zu seinem Zusammenbruch summierten, wäre der Kernbereich der staatlichen Souveränität existentiell bedroht. Die Güterabwägung zwischen der staatlichen Souveränität einerseits und den ebenfalls als zwingend sanktionierten völkerstrafrechtlichen oder menschenrechtlichen Gewährleistungen andererseits führe zu dem Ergebnis, dass der Schutz der staatlichen Souveränität überwiege, sodass trotz der gravierenden, systematischen Rechtsverstöße dem Staat zivilverfahrensrechtlicher Immunitätsschutz gewährt werden müsse.133 Wenn Opfer von Menschenrechtsverletzungen gegen einzelne staatliche Bedienstete klagten, seien diese unter keinen Umständen durch Immunität geschützt.134 Die besondere Qualität des zwingenden Völkerrechts geböte, den innerstaatlichen Bediensteten unabhängig von ihrer innerstaatlichen oder völkerrechtlichen Funktion den Immunitätsschutz zu verweigern. Andererseits blieben bei einer Verurteilung Rechtsgüter des Anstellungsstaates weitgehend unbeeinträchtigt. Lüke erkennt aber, dass die Schadensersatzklagen gegen staatliche Bedienstete in der Praxis wenig effektiv sind,135 da die verklagten Personen vielfach nicht das Geld haben oder sie dieses in einen ausländischen Staat schaffen, wo es sicher liegt.136 c) Stellungnahme Der Interpretationsansatz von Voyiakis, wonach zunächst nur der mutmaßlich für die Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Staat Gerichtsbarkeit ausüben dürfe, dieser aber die ausschließliche Gerichtsbarkeit nur unter der Bedingung für sich beanspruchen könne, dass er auch tatsächlich Zugang zu seinen Gerichten gewähre, versucht ein sachgerechtes Ergebnis zu erzielen, das sowohl dem Menschenrechtsschutz als auch der staatlichen Souveränität Rechnung trägt. Dass der Ansatz jedoch bereits geltendes Völkerrecht sei, scheint auch Voyiakis nicht behaupten zu wollen. Der Ansatz von Lüke erweckt aus rechtlichen und praktischen Gründen Bedenken. Lüke stützt die Immunitätsbeschränkung „auf eine deduktive Betrachtung des Völkerrechts auf der Grundlage seiner Grundprinzipien“.137 Sie wägt die Staa133 134 135 136 137
Lüke, S. 347 f. Lüke, S. 348. Lüke, S. 353 f. Siehe auch: Stephens, 40 German Yb. Int’l L. 117, 138 f. (1997). Lüke, S. 349.
266 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
tensouveränität mit den ius cogens-Menschenrechten ab und leitet aus dem jeweiligen Maß der Beeinträchtigung der Souveränität die Rechtsfolge her, ob Immunität gewährt wird oder nicht. Aus welchen rechtlichen Gründen in dem einen Fall die ius cogens-Menschenrechte die Regeln der Staatenimmunität verdrängen, in dem anderen Fall nicht, bleibt unklar. Lüke geht davon aus, dass das ius cogens überhaupt Derogationswirkung auf die Regeln der Staatenimmunität entfalten kann. Dies setzt aber eine wirkliche Normenkollision voraus, die erst noch begründet werden müsste. Wenn Bröhmer und Lüke bei systematischen Menschenrechtsverletzungen Immunität gewähren wollen, bei individuellen Menschenrechtsverletzungen hingegen nicht, erscheint dies auch aus praktischen Gründen nicht überzeugend. Ein Staat könnte ermutigt werden, gleich organisiert und in großem Umfang Menschenrechte zu verletzen, weil er so zumindest vor nationalen Gerichten hierfür nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
V. Kollision zwischen Menschenrechten und Staatenimmunität mit der Folge eines automatischen Derogationseffekts Wird der Annahme gefolgt, dass die ius cogens-Menschenrechte über den Regeln der Staatenimmunität stehen, ist ferner der Frage auf den Grund zu gehen, ob hierdurch auch die Regeln der Staatenimmunität verdrängt werden. Da die in einigen Staaten erlassenen Immunitätsgesetze keine Ausnahme bei ius cogens-Verletzungen anerkennen, müsste sich das ius cogens auch über die nationalen Immunitätsregeln hinwegsetzen und damit Auswirkungen im nationalen Recht zeitigen. 1. Voraussetzungen einer Kollision Nach der im Sondervotum im Fall Al-Adsani vertretenen Auffassung wird aufgrund des Konflikts zwischen dem zum ius cogens gehörenden Folterverbot und der Staatenimmunität das Prozesshindernis der Staatenimmunität automatisch beseitigt, da letzteres infolge der Kollision mit einer höherrangigen Norm keine Wirkung entfalte.138 Auch das nationale Recht, das den internationalen Regelungen über die Staatenimmunität in der innerstaatlichen Rechtsordnung Wirkung verleihen solle, könne keine Kompetenzschranke darstellen. Man müsse es vielmehr im Lichte der zwingenden Grundsätze des ius cogens interpretieren. Im Ansatz kann sich diese Argumentation auf Anmerkungen des 138 Joint Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch Joined by Judges Wildhaber, Costa, Cabral Barreto and Vajic´, in: EGMR, Al-Adsani v. The United Kingdom, Urt. v. 21.11.2001, ECHR 2001-VI, 81, 111 ff., deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, S. 403, 409 ff.
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ICTY im Fall Furundzija stützen. Es könne nicht vertreten werden, dass zwar einerseits Verträge und Regeln des Völkergewohnheitsrechts, die Folter erlauben, nichtig seien, andererseits aber von den Staaten Maßnahmen ergriffen werden dürften, die zu Folter ermächtigten oder sie duldeten und die Täter durch ein Amnestiegesetz aus ihrer Verantwortung entlassen werden könnten.139 Ähnlich wird auch im Schrifttum argumentiert. Zwingende Normen sollten die Regeln zur Immunität von Staaten und ihrer Amtsträger überwinden.140 Die nationalen Immunitätsgesetze sollen so interpretiert werden, dass sie dem ius cogens-Charakter des Folterverbots Rechnung tragen.141 Die Verdrängung der Staatenimmunität durch ius cogens setzt einen inhaltlichen Widerspruch von ius cogens und Staatenimmunität voraus. Es müsste eine wirkliche Kollision von ius cogens und Staatenimmunität vorliegen. Hierfür ist erforderlich, dass das ius cogens-Recht über seinen materiellen Gehalt hinaus auch ein prozessuales Durchsetzungsrecht enthält.142 2. Ius cogens gebietet auch seine prozessuale Durchsetzung Nach einer Auffassung gebietet das ius cogens auch eine prozessuale Durchsetzung. Eine Unterscheidung zwischen dem Inhalt der Norm und ihrer Durchsetzung lasse sich nicht begründen.143 Art. 53 und 64 WVRK seien nicht bloß als Verbot des Abschlusses von Verträgen, die mit ius cogens in Konflikt treten, formuliert, sondern sie konzentrierten sich auf die rechtlichen Folgen in Situationen, in denen solche Vereinbarungen getroffen werden. Die Nichtanerkennung von Akten, die gegen ius cogens verstoßen, beziehe sich nicht nur auf die Natur des ius cogens, sondern gerade auf seine Auswirkung und Durchsetzung.144 Ius cogens spiele eine Rolle, wenn es darum gehe, die Gültigkeit eines Vertrages zu beurteilen oder zu bestimmen, ob eine rechtliche Position geschaffen oder aufrecht erhalten werden kann, die mit zwingenden Normen unvereinbar ist. Der Einwand, dass ius cogens und die Regeln der Staatenimmunität zwei völlig unterschiedliche Institute seien, die nicht miteinander kollidieren
139 „It would be senseless to argue, on the one hand, that on account of the jus cogens value of the prohibition against torture, treaties or customary rules providing for torture would be null and void ab initio, and then be unmindful of a State say, taking national measures authorising and condoning torture or absolving its perpetrators through an amnesty law.“ ICTY, Prosecutor v. Furundzija, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317 (1999), Ziff. 155. 140 Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 255 ff. (2002). 141 Terry, in: Scott, S. 109, 129. 142 Bröhmer, S. 195; Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391, 397. 143 Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 257 (2002); derselbe, EJIL 2003, 529, 562. 144 Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 257 (2002).
268 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
könnten, wird abgelehnt.145 Keine Regel bzw. kein Prinzip wirke völlig isoliert. Sobald es zwei verschiedene Arten von Regeln gebe und jede von ihnen ein anderes juristisches Ergebnis erfordere als die andere, werde deutlich, dass ein Konflikt zwischen beiden Regelungsbereichen bestehe. Eine andere Ansicht trennt zwar zwischen der materiellen und der prozessualen ius cogens-Regel. Die prozessuale Regel folge aber aus dem zwingenden Charakter der materiellen Regel.146 Jede ius cogens-Regel beinhalte oder setze voraus, dass es eine prozessuale Regel zu ihrer Durchsetzung gebe. Der Mangel eines zentralen Durchsetzungsmechanismus habe zu dem Konzept der erga omnes-Verpflichtungen geführt.147 Daraus ergebe sich ein Recht aller Staaten, gegenüber einer Verletzung von erga omnes-Regeln Maßnahmen zu ergreifen, wozu auch Repressalien148 zählten. Dass vorher nur der durch eine Pflichtverletzung direkt betroffene Staat Repressalien ergreifen durfte, sollte dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit Rechnung tragen, als dessen Folge sich auch das Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten ableite. Da sich auch Staatenimmunität auf diesen Grundsatz stütze, sollten auch für sie Einschränkungen möglich sein. Ius cogens-Regeln begründeten Verpflichtungen erga omnes, wodurch sich auch weiter gehende Durchsetzungsmechanismen ergeben würden. Die materielle ius cogens-Regel enthalte deshalb auch eine prozessuale ius cogens-Regel, die Durchsetzungsbeschränkungen verbiete. Die Anerkennung der prozessualen ius cogens-Regel zeige sich auch im Recht der Staatenverantwortlichkeit. Die Kategorie der Völkerrechtsverletzungen, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen, führe zu einer Erweiterung der Rechte und Pflichten anderer Staaten, gegen solche Verletzungen vorzugehen.149 3. Zwei verschiedene Arten von Regeln, die nicht aufeinander einwirken Engere Auffassungen untersuchen, ob die Fähigkeit von ius cogens, andere völkerrechtliche Regeln ungültig zu machen, sich nur auf den materiellen Gehalt der Norm erstreckt oder ob sie auch auf die Gerichtsbarkeit, das Verfahren, den Beweis oder andere Prinzipien, die sich zugunsten des Normverletzers auswirken, ausgedehnt werden können. 145
Orakhelashvili, 45 German Yb. Int’l L. 227, 258 (2002). Bartsch/Elberling, German Law Journal 4 (2003), S. 477, 486. 147 Bartsch/Elberling, German Law Journal 4 (2003), S. 477, 486. 148 Statt des Begriffs „Repressalie“ wird heute überwiegend von Gegenmaßnahmen gesprochen. 149 Bartsch/Elberling, German Law Journal 4 (2003), S. 477, 488. 146
C. Immunitätsausnahme aus dem besonderen Status von Menschenrechten
269
Ein großer Teil des völkerrechtlichen Schrifttums verneint dies. Eine Kollision zwischen einem ius cogens-Menschenrecht wie dem Folterverbot und der Staatenimmunität läge nur dann vor, wenn ein Staat durch Anwendung einer nicht zwingenden Norm selbst das Menschenrecht verletzen würde.150 Der EGMR schloss aber in seiner Entscheidung im Fall Al Adsani eine Verletzung des Folterverbots nach Art. 3 EMRK gerade aus.151 Staatenimmunität beziehe sich auf prozessuale Regeln betreffend des Bestehens von Gerichtsbarkeit vor einem nationalen Gerichten, aber nicht auf das materielle Recht. Sie laufe nicht einem ius cogens-Verbot zuwider, sondern leite vielmehr jede Verletzung zu einer anderen Form der Konfliktlösung über.152 Es handle sich um zwei verschiedene Arten von Regeln, die nicht aufeinander einwirken. Teilweise wird auch auf die Gefahren der Annahme, wonach ius cogens automatisch alle entgegenstehenden Rechtssätze verdränge, hingewiesen.153 Diese Rechtsfolge bliebe nicht auf das Immunitätsrecht beschränkt. Es bestünde kein Spielraum, um zwischen erwünschten und nicht erwünschten Verdrängungseffekten zu differenzieren. Soweit die Rechtsprechung die Frage des automatischen Derogationseffekts von ius cogens überhaupt behandelt, wird ein solcher Effekt überwiegend verneint. So schloss Lord Slynn of Hadley im ersten Pinochet-Urteil aus, dass das ius cogens verlange, die Staatenimmunität bzw. die Immunität eines Staatsoberhauptes außer Kraft zu setzen.154 4. Bewertung Es lässt sich eine klare Differenzierung zwischen materiellen Ver- und Geboten und prozessualen Durchsetzungsmechanismen aufzeigen.155 So werden in 150
Tams, AVR 40 (2002), 331, 342; Maierhöfer, EuGRZ 2002, 391, 397. Siehe: Fünfter Teil, B. III. 152 Fox, S. 525: „State Immunity is a procedural rule going to the jurisdiction of a national court. It does not go to substantive law; it does not contradict a prohibition contained in a jus cogens but merely diverts any breach of it to a different method of settlement. Arguably then there is no substantive content in the procedural plea of State Immunity upon which a jus cogens mandate can bite.“ 153 Tams, AVR 40 (2002), 331, 346. 154 „Nor is there any jus cogens in respect of such breaches of international law which require that a claim of State or head of State immunity, itself a well established principle of international law, should be overridden.“ Lord Slynn of Hadley, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419, 425 (1998). 155 Siehe insoweit auch: Dissenting Opinion of Judge Krec´a, in: IGH, Case Concerning the Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Bosnia and Herzegowina v. Yugoslavia, Preliminary Objections, 151
270 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
den Menschenrechtsverträgen die materielle Gewährleistung und die prozessuale Verpflichtung, Rechtsschutz zu gewähren, voneinander getrennt aufgeführt. Zwar spricht der Wortlaut des Art. 53 WVRK („ist nichtig“) für eine automatische Derogationswirkung. Die WVRK sieht aber selbst ein besonderes Verfahren bei Streitigkeiten über die Ungültigkeit von Verträgen vor (Art. 65 f. WVRK). Dadurch sollte ein unilaterales Handeln einzelner Staaten verhindert werden.156 Ist eine Vertragspartei der Auffassung, an den Vertrag wegen dessen Ungültigkeit nicht mehr gebunden zu sein, muss sie diesen Anspruch den anderen Vertragsparteien notifizieren (Art. 65 Abs. 1 WVRK). Erhebt eine andere Partei hiergegen Einspruch, so bemühen sich die Parteien, den Streit mit den Mitteln des Art. 33 Abs. 1 UN-Charta beizulegen (Art. 65 Abs. 3 WVRK). Jede Partei einer Streitigkeit über die Anwendung oder Auslegung des Art. 53 und Art. 64 WVRK kann nach Art. 66 a) WVRK die Streitigkeit dem IGH unterbreiten, sofern die Parteien nicht vereinbaren, die Streitigkeit einem Schiedsverfahren zu unterwerfen. Diese Regelungen sprechen auch gegen einen automatischen Derogationseffekt außerhalb des Rechts der Verträge.157 Die Rechtsfolgen von ius cogens-Verletzungen sind äußerst umstritten. Der ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit ist gerade ein Beleg dafür, dass die Reaktionsmechanismen bei schweren Völkerrechtsverstößen sehr schwach ausgeprägt sind.158 Aus der materiellen ius cogens-Regel kann nicht die prozessuale ius cogensRegel abgeleitet werden. Eine solche könnte sich aber entwickeln. Für die Entwicklung von ius cogens ist die Überzeugung einer weiten Mehrheit von Staaten erforderlich, dass die Regel von fundamentaler Bedeutung ist und von ihr nicht abgewichen werden kann. Die Analyse der Rechtsprechung nationaler Gerichte159 macht deutlich, dass es an einer ausreichenden Staatenpraxis für die Annahme, dass die prozessuale Regel selbst ius cogens-Charakter hat, fehlt. Hierfür scheinen Ausführungen des Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien zu sprechen, wonach mögliche Folteropfer auch vor einem zuständigen nationalen Rechtskörper Verfahren einleiten können.160 Aus der ius coUrt. v. 11.07.1996, ICJ Rep. 1996 (II), 658, Ziff. 101; Mance, in: Court of Appeal, Jones v. Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http:/ /www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/1394.html (15.04. 2005), Ziff. 17. 156 Rozakis, S. 165. 157 Siehe: Siebter Teil, C. III. 3. 158 Siehe: Siebter Teil, B. II. 2. c). 159 Siehe die Entscheidungen: Sechster Teil, A. und B. 160 ICTY, 38 ILM 317 (1999), Ziff. 155: „Proceedings could be initiated by potential victims if they had locus standi before a competent international or national judi-
D. Abschließende Stellungnahme
271
gens-Norm scheint sich nicht automatisch bereits die Zuständigkeit eines jeden nationalen Spruchkörpers zu ergeben, sondern diese muss vielmehr zusätzlich vorliegen. Auch die Literatur verneint oder zweifelt an der Existenz einer solchen Regel.161
VI. Ergebnis Das Völkerrecht enthält ein positivistisches ius cogens-Konzept. Die Anerkennung gewisser fundamentaler Rechtsregeln als ius cogens basiert auf dem Konsens der Staaten. Die Existenz einer völkerrechtlichen Normenhierarchie lässt sich nicht nachweisen. Ein Vorrangverhältnis zwischen Menschenrechten und Staatenimmunität besteht nicht. Schließlich fehlt es auch an einer Kollision zwischen ius cogens und Staatenimmunität, da – zumindest zur Zeit noch – das menschenrechtliche ius cogens über seinen materiellen Gehalt hinaus kein prozessuales Durchsetzungsrecht enthält. Vor diesem Hintergrund kann aus dem ius cogens-Charakter von Menschenrechten keine Immunitätsausnahme bei Klagen von Bürgern gegen Staaten bzw. staatliche Funktionsträger abgeleitet werden.
D. Abschließende Stellungnahme Fundamentale Menschenrechte besitzen im Völkerrecht eine besondere Wertigkeit, und ihre Einhaltung liegt im Interesse aller Staaten. Es besteht eine Pflicht der Staaten, Menschenrechte zu beachten und sich um ihre Durchsetzung zu bemühen.162 Alle Staaten können die Beachtung dieser elementaren Werte und die Abstellung von Verletzungen fordern. In Abwesenheit von zentralen Durchsetzungsorganen können aber nicht einzelne Staaten unilateral Maßnahmen gegen den mutmaßlichen Verletzerstaat ergreifen. Mächtigere Staaten dürfen nicht die Rolle des Polizisten im Völkerrecht übernehmen, indem sie
cial body with a view to asking it to hold the national measure to be internationally unlawful [. . .].“ 161 Karl, in: Klein, S. 102, 139; Klein, in: Bröhmer/Bieber/Callies/Langenfeld/Weber/Wolf, S. 151, 158; Tams, AVR 2002, 331, 346; Zimmermann, 16 Mich. J. Int’l L. 433, 438 (1995). 162 Siehe etwa: Commission on Human Rights, Civil and Political Rights, Including the Questions of Independence of the Judiciary, Administration of Justice, Impunity, Annex, Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation of Victims of Violations of International Human Rights and Humanitarian Law, 18.01.2000, U.N. Doc. E/CN.4/2000/62, 5 ff., insbesondere I. (Obligations to respect, Ensure Respect for and Enforce International Human Rights and Humanitarian Law). Art. 56 i.V. m. Art. 55 c) UN Charta im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den UN.
272 7. Teil: Ableitung von Immunitätsausnahmen aus der Verpflichtungswirkung
ihre Gerichte für Klagen gegen ausländische Staaten und deren Funktionsträger, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, öffnen. Die Tatsache, dass fundamentale Menschenrechte den Status von ius cogens besitzen, führt nicht zu ihrer automatischen prozessualen Durchsetzung. Das völkerrechtliche ius cogens ist den Staaten nicht naturrechtlich vorgegeben. Vielmehr beruht auch die Entstehung der allgemein und als unabdingbar anerkannten Normen des ius cogens auf dem Willen der Staaten. Gerade in der ersten positivrechtlichen Verankerung in der WVRK kommt die Skepsis der Staaten gegenüber einem konturenlosen und in den Rechtsfolgen nicht mehr von ihrem Willen abhängigen ius cogens-Konzept zum Ausdruck.
Achter Teil
Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme Es gibt Ansätze, die gemeinsam haben, dass sie die Verweigerung des Immunitätsschutzes von Staaten und ihrer Funktionsträger als eine völkerrechtlich zulässige Reaktion auf die Menschenrechtsverletzung behandeln. Im Einzelnen wird der Immunitätsverlust an einen impliziten Immunitätsverzicht, eine Verwirkung und eine Gegenmaßnahme (Repressalie) 1 geknüpft.
A. Impliziter Immunitätsverzicht durch die Verletzung von Menschenrechten Zahlreiche Autoren, überwiegend im US-amerikanischen Schrifttum und vereinzelt auch die Rechtsprechung, behandeln die Verletzung des völkerrechtlichen ius cogens als einen impliziten Verzicht.2 Im Folgenden soll im Wege einer Analyse der Rechtsprechung und Literatur herausgefunden werden, ob es sich um ein tragfähiges Argument handelt.
I. Rechtsprechung nationaler Gerichte Das LG Livadia3 führte in seinem Urteil im Distomo-Fall aus, dass ein Staat die Möglichkeit, sich auf seine Immunität zu berufen, verliere, wenn die streitige Handlung, wegen der er verklagt wird, unter Verletzung einer ius cogensNorm vorgenommen worden sei. Ein Staat, der völkerrechtliche Zwangsnormen verletze, könne nicht erwarten, dass ihm Staatenimmunität zuerkannt werde. 1 An Stelle des Begriffs der Repressalie setzt sich zunehmend der Begriff der Gegenmaßnahme durch, wenn von Maßnahmen eines Staates gesprochen wird, die an sich rechtswidrig sind, aber als Reaktion auf die Verletzung von völkerrechtlich anerkannten Rechten durch den anderen Staat als völkerrechtlich zulässig behandelt werden. Siehe etwa: Art. 49 ff. ILC Draft Articles on the Responsibility of States for internationally wrongful acts, in denen von „countermeasures“ die Rede ist; Hobe/ Kimminich, S. 236. 2 Siehe hierzu: Belsky/Merva/Roht-Arriaza, 77 Cal. L. Rev. 365 (1989); Pepper, 18 Brooklyn J.Int’lL. 313, 369 (1992); Bergen, 14 Conneticut J. Int. L. 169 (1999). 3 LG Livadia, Entsch. v. 30.10.1997 (Az. 137/1997) – unveröffentlicht. Siehe bei: Bantekas, 92 AJIL 765 (1998); Gavouneli, 50 RHDI 595 (1997), 595.
274
8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
Vielmehr werde angenommen, dass er stillschweigend auf dieses Recht verzichtet habe. Ob Menschenrechtsverletzungen als impliziter Immunitätsverzicht verstanden werden können, untersuchte auch der Court of Appeals des District of Columbia im Fall Hugo Princz v. Federal Republic of Germany.4 Die Richtermehrheit verneinte eine Immunitätsausnahme aus § 1605 (a) (1) FSIA, da es sowohl an der Bereitschaft der bundesdeutschen Regierung noch der Regierung des Dritten Reichs, sich fremden Klagen auszusetzen, gefehlt habe.5 Die Verletzung von ius cogens allein würde noch nicht den Willen, auf Immunität zu verzichten, zum Ausdruck bringen. Nach der abweichenden Rechtsauffassung der Richterin Wald verzichtet im Völkerrecht ein Staat auf seine Immunität, wenn er eine ius cogens-Norm verletzt. Das US-Recht müsse in Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht interpretiert werden. Der Kongress habe beabsichtigt, eine Regelung zu schaffen, welche die völkerrechtlich anerkannten Standards inkorporiere. Der einzige Weg, die Annahme staatlicher Immunität im FSIA mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen, sei, § 1605 (a) (1) FSIA so zu interpretieren, dass ein ausländischer Staat durch die Verletzung von ius cogens-Normen implizit auf sein Immunitätsrecht vor US-Gerichten verzichte.6 In weiteren Entscheidungen verneinten US-Gerichte, dass die Begehung von ius cogens-Menschenrechtsverletzungen einen Immunitätsverzicht darstelle.7 Hierbei wird insbesondere auf die enge Interpretation der Immunitätsausnahmen des FSIA durch den Supreme Court im Fall Amerada Hess8 und die vom Kongress in seiner Begründung zum FSIA genannten Beispiele9 hingewiesen. Der Court of Appeals des zweiten Bezirks verwies im Fall Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya auf die jüngste Reform des FSIA durch den AEDPA, wodurch eine Immunitätsausnahme unter bestimmten Voraussetzungen in den FSIA eingefügt wurde. Diese Aufhebung der Immunität für bestimmte
4 US Court of Appeals, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 01.07.1994, 26 F.3d 1166. 5 US Court of Appeals, District of Columbia, 26 F.3d 1166, 1174. 6 Dissenting Opinion Patricia Wald, in: US Court of Appeals, District of Columbia, 26 F.3d 1166, 1174, 1179 ff. 7 US District Court, District of California, Denegri et al. v. The Republic of Chile and the Armed Forces of Chile, Entsch. v. 06.04.1992, 1992 U.S. Dis. Lexis 4233; US Court of Appeals, 2nd Circuit, Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, Entsch. v. 26.11.1996, 101 F.3d 239, 242 ff.; US District Court, District of Columbia, Hwang Geum Joo, et al. v. Japan, Entsch. v. 4.10.2001, 172 F.Supp. 2d 52, 60 f. 8 US Supreme Court, Argentine Republic v. Amerada Hess Shipping Coporation and others, Entsch. v. 23.1.1989, 488 U.S. 428. 9 House Report (Judiciary Committee) No. 94-1487, 09.09.1976, H.R. Rep. 94-1487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604, 6616 f.
A. Impliziter Immunitätsverzicht durch die Verletzung von Menschenrechten 275
ius cogens-Verletzungen indiziere, dass der Kongress die Immunität nicht für alle solche Verletzungen aufzuheben gewollt habe.10
II. Auffassungen im völkerrechtlichen Schrifttum Nach einer in der US-amerikanischen Literatur häufig vertretenen Auffassung sollen Verletzungen des ius cogens nicht durch die Immunität geschützt sein. Es wird jedoch der Amerada-Rechtsprechung des Supreme Court insoweit gefolgt, dass bei Klagen gegen Staaten der FSIA die alleinige Grundlage für einen Immunitätsausschluss bilde. Deshalb bemühen sich die Autoren, die Immunitätsausnahme unter einen der vorhandenen Tatbestände zu erfassen. Keine Kongresshandlung könne in einer Weise verstanden werden, dass sie das Völkerrecht verletzen wolle.11 Das Völkerrecht sei Teil des „law of the land“. Daher müsse der FSIA völkerrechtliche Standards inkorporieren. Da das Völkerrecht einem Staat Immunität für ius cogens-Verletzungen versage, müsse der FSIA so verstanden werden, dass er einen Mechanismus für die Verneinung der Immunität schaffe. Wenn ein Staat ius cogens verletze, dann verzichte er implizit auf seine Immunität.12 Eine solche Interpretation sei auch mit dem Ziel des Gesetzgebers, die restriktive Immunitätstheorie zu implementieren, vereinbar. Die restriktive Immunitätstheorie sei nichts anderes als ein gerichtlich konstruierter Blankettverzicht auf die Immunität für private oder kommerzielle Handlungen.13 Gleichgültig ob Staaten wirklich auf ihre Immunität verzichten wollen oder nicht, ihre Handlungen würden nicht als souveräne Handlungen anerkannt, und ihnen werde keine Immunität nach der restriktiven Immunitätstheorie gewährt. Ebenso sollten Staaten sich nicht auf Immunität berufen können, weil sie nicht in souveräner Eigenschaft handelten, wenn sie gegen ius cogens verstoßen.14 Dieser Ansatz erfährt jedoch auch im US-amerikanischen Schrifttum Kritik. Solange ein Staat nicht die Absicht bekunde, für seine Grausamkeiten verklagt zu werden, könne er nicht vor den Gerichten hierfür zur Rechenschaft gezogen werden.15
US Court of Appeals, 2nd Circuit, 101 F.3d 239, 242, 244. Richman, 19 Brook. J. Int’l L. 967, 991 ff. (1993). 12 Belsky/Merva/Roht-Arriaza, 77 Cal. L. Rev. 365, 366 ff. (1989); Pepper, 18 Brooklyn J. Int’l L. 313, 369 (1992); Bergen, 14 Conn. J. Int. L. 169, 186 (1999). 13 Belsky/Merva/Roht-Arriaza, 77 Cal. L. Rev. 365, 396 (1989). 14 Richman, 19 Brook. J. Int’l L. 967, 1004 (1993). 15 Gergen, 36 Va. J. Int’l L. 765, 786 (1996). 10 11
276
8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
III. Stellungnahme Immunitätsverzicht bedeutet die Aufgabe einer rechtlichen Position durch eine Willensäußerung.16 Eine solche Willensäußerung, die Einwilligung in die Gerichtsbarkeit des Forumstaates, liegt jedoch tatsächlich nicht vor.17 Sie wird unterstellt, um die Immunitätsausnahmen aufgrund des FSIA begründen zu können. Da die Befürworter eines impliziten Immunitätsverzichts auch erkennen, dass ein Verzicht im eigentlichen Sinne nicht vorliegt, sprechen sie von einem „constructive waiver“. Diese Rechtsfigur wird damit gerechtfertigt, dass die Immunitätsausnahme bei dem Eingehen geschäftlicher Verpflichtungen auch als stillschweigender Immunitätsverzicht im Hinblick auf Klagen aus der geschäftlichen Transaktion ausgelegt wird. Zwischen dem konstruierten Immunitätsverzicht durch Eingehen geschäftlicher Verpflichtungen und dem unterstellten bei der Verletzung von ius cogens besteht aber ein erheblicher Unterschied. Wenn ein Staat kommerzielle Verpflichtungen eingeht, nimmt er einen Verlust seiner Immunität in Kauf, weil ihm aus der wirtschaftlichen Transaktion auch Vorteile erwachsen und ein Privater womöglich sonst gar nicht mit ihm in wirtschaftlichen Austausch getreten wäre. Dass ein Staat bei Eingehen geschäftlicher Verpflichtungen keine Immunität genießt, weil er implizit auf diese verzichtet, entwickelte sich zu einer Regel des Völkergewohnheitsrechts. Anders ist dies bei der Verletzung von ius cogens. Auch wenn ein Staat ius cogens verletzt, handelt er hoheitlich.18 Die Konstruktion des impliziten Immunitätsverzichts durch Verletzung von ius cogens wurde noch nicht zu Völkergewohnheitsrecht. Der Immunitätsverlust aufgrund der Verletzung von Menschenrechten ist für den Staat ausschließlich mit Nachteilen verbunden. Deshalb hat der Staat nicht die Intention, seine Immunität aufzugeben, sondern vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Teilweise wird für eine Immunitätsausnahme im Princz-Fall das Argument ergänzt, dass Deutschland durch Verabschiedung des Grundgesetzes, in dem es sich zu den Menschenrechten bekennt (Art. 1 Abs. 2 GG), und den Beitritt zur EMRK, die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht habe, Klagen wegen Völkerrechtsverletzungen zuzulassen.19 Die Bundesrepublik bekannte sich zu den Menschenrechten, damit sich Verbrechen, wie sie von den Nationalsozialisten begangen wurden, nicht wiederholen, aber nicht, um für vergangenes Unrecht haftbar gemacht zu werden. Wenn ein solches Verhalten einen impliziten Immunitätsverzicht darstellte, würden Staaten, die sich dem Menschenrechtsschutz verschreiben, für diese Entschei16 17 18 19
Ress, in: de Salvia/Villinger, S. 175, 193. Bröhmer, S. 191. Siehe: Dritter Teil, A. III. Bergen, 14 Conn. J. Int. L. 169, 190 f. (1999).
B. Ausschluss der Immunität aufgrund Verwirkung
277
dung noch bestraft. Wie bereits im Princz-Fall wird deutlich, dass der Phantasie, mit der versucht wird, eine Immunitätsausnahme zu konstruieren, keine Grenzen gesetzt sind.
IV. Ergebnis Die Verletzung von ius cogens-Menschenrechten führt nicht als konkludenter Immunitätsverzicht zu einer Immunitätsausnahme.
B. Ausschluss der Immunität aufgrund Verwirkung Es wird von einem Teil des völkerrechtlichen Schrifttums20 und ansatzweise auch in der Rechtsprechung21 vertreten, dass Staaten und auch ihre Funktionsträger ihren Immunitätsschutz verwirken können.
I. Argumentation eines Teils der Literatur Ein Teil der Literatur betont, dass es bei der These vom konkludenten Immunitätsverzicht aufgrund der Verletzung von Menschenrechten weniger um einen Immunitätsverzicht als um die Verwirkung der Immunität gehe.22 Wenn Staaten, die fundamentale Menschenrechtsverletzungen begehen, ein Immunitätsverzicht unterstellt wird, scheine dahinter die Auffassung zu stehen, dass Staaten, die bewusst das Völkerrecht missachten, sich nicht auf dieses berufen können sollen, wenn sie für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden.23 Es wird damit argumentiert, dass Verstöße gegen ius cogens zur Nichtigkeit völkerrechtlicher Verträge führen. Ein ius cogens verletzender Staat könne diesbezüglich keine Rechte geltend machen.24 Kokott ist der Ansicht, dass ius cogens-Verletzungen als internationale Verbrechen nicht nur den Heimatstaat des verletzten Individuums das Recht zu Repressalien (Gegenmaßnahmen) gäben, sondern sie hält es für gut vertretbar, dass sogar alle Staaten hierzu berechtigt seien. Wenn aber sogar einschneidende Repressalien, d. h. an sich völkerrechtswidrige Reaktionen zulässig seien, komme aber erst recht eine Klage vor den Gerichten anderer Staaten als das gegenüber 20 Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 140; Doehring/Ress, AVR 37 (1999), 68, 85; Reimann, 16 Mich. J. Int’l L. 403, 423 (1995). 21 US District Court, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 23.12.1992, 813 F.Supp. 22, 26 f. 22 Doehring/Ress, AVR 37 (1999), 68, 85 ff. 23 Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 148. 24 Reimann, 16 Mich. J. Int’l L. 403, 423 (1995).
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8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
sonstigen Repressalien unter Umständen mildere Mittel in Betracht. Bejahe man die erga omnes-Wirkung von ius cogens-Verletzungen im Repressalienrecht, so solle sich diese auch bei der Verwirkung der staatlichen Immunität vor fremden Gerichten entfalten.25 Auch Doehring bemüht das Verwirkungsargument zum Ausschluss der Immunität. Ein Kriegsschiff genieße in fremden Hoheitsgewässern Immunität. Unterseebote seien gehalten, in fremden Hoheitsgewässern aufgetaucht zu fahren.26 Wenn ein U-Boot in fremden Hoheitsgewässern unter Wasser fahre, verwirke es wegen des Verstoßes gegen das Verbot den Immunitätsschutz.27 Doehring hält auch den Status einer diplomatischen Mission für verwirkbar. Dies sei z. B. der Fall, wenn aus einer Botschaft geschossen werde. Bei einer rechtswidrigen und brutalen Behandlung fremder Staatsangehöriger oder auch von Angehörigen dritter Staaten, etwa durch Mord oder Folterung, begehe das Botschaftspersonal Verbrechen, deren Ausübung durch die Immunität nur mittelbar begünstigt werde und die ohne Immunitätsschutz ebenfalls begangen werden könnten. In einem solchen Fall verwirke die Botschaft durch das Verhalten ihrer Angehörigen ihren Status.28 Eine Botschaft, in deren Räumen gemordet und gefoltert werde, könne nicht mehr als die Vertretung eines fremden Staates angesehen werden. Ihr deliktisches Verhalten sei in diesem Fall so weit entfernt von irgendwelchen diplomatischen Aufgaben, dass die Botschaft ihre Rechtsnatur einbüße. Eine solche Verwirkung sei nur in Fällen anzunehmen, in denen Verhaltensweisen in klarem Gegensatz zu Regeln des völkerrechtlichen ius cogens stehen und erkennen lassen, dass der Wille zur Respektierung des Völkerrechts aufgegeben worden sei. Erfasst sei jedenfalls die Verletzung grundlegender Menschenrechte (wie z. B. das Recht auf Leben und das Folterverbot).29
II. Analyse des Verwirkungsarguments Im Folgenden soll untersucht werden, ob Staaten und ihre Funktionsträger bei schweren Menschenrechtsverletzungen ihren Immunitätsschutz verwirken können.
25 26 27 28 29
Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 149. Siehe auch: Berg, ZaÖRV 42 (1982), 295, 315. Doehring, in: Böckstiegel/Folz u. a., S. 51, 53. Doehring, in: Böckstiegel/Folz u. a., S. 51, 55. Doehring, in: Böckstiegel/Folz u. a., S. 51, 55.
B. Ausschluss der Immunität aufgrund Verwirkung
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1. Rechtsgrundlage des Verwirkungsarguments Es fällt auf, dass es wenig Literatur gibt, die sich mit der Verwirkung im Sinne eines eigenständigen völkerrechtlichen Rechtsinstituts auseinander setzt. Mit der Verwirkung verwandt erscheinen der Rechtsmissbrauch und der Begriff des estoppel. Eine Völkerrechtsverletzung wie die Verletzung von Menschenrechten kann nicht als Rechtsmissbrauch qualifiziert werden, da ein Recht zur Verletzung von Menschenrechten, das missbraucht werden könnte, nicht existiert.30 Nach dem estoppel-Prinzip muss jemand, der einen anderen zu einem rechtlich relevanten Verhalten veranlasst hat, sein Verhalten und die berechtigten Folgerungen, die der andere hieraus gezogen hat, gegen sich gelten lassen.31 Estoppel im eigentlichen Sinne liegt damit auch nicht vor. Deshalb wird auch die Verwirkung bemüht, da bei dieser an ein durch andere Normen verbotenes Verhalten ein Rechtsverlust geknüpft werde.32 Wenn ein Staat Menschenrechte verletze, gebe es kein Recht mehr, auf das sich der Staat berufen könne.33 Die Anerkennung eines so zu verstehenden Verwirkungsbegriffs im Völkerrecht erscheint jedoch unklar. Als Rechtsquelle kommen nur die allgemeinen Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 c) IGH Statut34 in Betracht.35 Bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen handelt es sich um Prinzipien, die im jeweiligen nationalen Recht der Staaten verschiedener Rechtskreise beheimatet sind und deren weltweite Kohärenz auch ohne eine spezifische Kodifikation auf die Existenz eines universell gültigen Rechtsprinzips schließen lässt.36 Als Beleg für die Existenz eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Verwirkung wird Art. 60 Abs. 1 WVRK genannt, wonach eine erhebliche Verletzung eines zweiseitigen Vertrags durch eine Vertragspartei die andere berechtigt, die Vertragsverletzung als Grund für die Beendigung des Vertrags oder für seine gänzliche oder teilweise Suspendierung geltend zu machen. Auch wenn der Begriff der „Verwirkung“ nicht ausdrücklich genannt wird, so soll aus dem Verlust vertraglicher Ansprüche wegen einer erheblichen Vertragsverletzung die Existenz des Verwirkungsinstituts ableitbar sein.37 30
Kiss, in: Bernhardt, EPIL, Bd. I, S. 4, 5. Müller/Cottier, in: Bernhardt, EPIL, Bd. II, S. 116. 32 Doehring, in: Böckstiegel/Folz u. a., S. 51, 53; Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 140. 33 Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 140; ähnlich: Wirth, Jura 2000, 70, 76. 34 Statute of the International Court of Justice, 26.06.1945, 15 UNCIO 355. 35 Dafür: Doehring, in: Böckstiegel/Folz u. a., S. 51 ff.; Kokott, in: Beyerlin/Bothe/ Hofmann/Petersmann, S. 135, 140 f. 36 Hobe/Kimminich, S. 191. 37 Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 141. 31
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8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
Dieser Schluss geht jedoch zu weit, da es sich bei der Beachtung der Menschenrechte und der Immunität nicht um wechselseitige Verpflichtungen handelt. Die Begründung eines Immunitätsverlustes als Rechtsverlust wegen eines durch andere Normen verbotenen Verhaltens klang etwas bei den schon dargestellten, in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Immunitätsausnahmen an, auch wenn diese nicht ausdrücklich auf eine Verwirkung gestützt wurden. Lord Nicholls betonte in der ersten Pinochet-Entscheidung, dass alle Staaten Folter für verachtenswert hielten, auch wenn einige sie noch anwendeten. Damit das Völkerrecht nicht zum Gespött werde, könnten bestimmte Handlungen nicht mehr als akzeptables und durch die Immunität geschütztes Verhalten akzeptiert werden.38 In dem erstinstanzlichen Urteil im Princz-Fall argumentierte Richter Sporkin damit, dass es der deutschen Regierung als Nachfolgerin eines Verbrecherregimes aus Billigkeitsgründen verwehrt sei, sich auf Immunität zu berufen.39 Richterin Wald befand in der Berufungsentscheidung im selbigen Fall, dass ein Staat, der schwere Menschenrechte verletze, sein Recht, sich auf Immunität zu berufen, verliere.40 Trotz einiger Anzeichen erscheint die Existenz eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der an ein verbotenes Verhalten wie die Verletzung von Menschenrechten einen Rechtsverlust, hier den Immunitätsverlust, knüpft, äußerst zweifelhaft. 2. Zulässigkeit des Rückgriffs auf allgemeine Rechtsgrundsätze Es gibt aber weitere Argumente gegen einen Immunitätsverlust aufgrund Verwirkung. Sofern man die hier beschriebene Verwirkung als allgemeinen Rechtsgrundsatz akzeptiert, gibt es Einwände gegen dessen Anwendbarkeit. Allgemeinen Rechtsgrundsätzen wird als Völkerrechtsquelle die Aufgabe der Füllung der Lücken, die Vertrags- und Gewohnheitsrecht hinterlassen haben, zugeschrieben.41 Das Völkerrecht sollte für den Fall, dass Vertrags- und Gewohnheitsrecht keine Lösung zu einer Frage bereithielten, um allgemeine Rechtsgrundsätze bereichert werden.42 Hiernach sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze nur subsidiär anwendbar, sodass zunächst untersucht werden muss, ob das Vertrags- und Gewohnheitsrecht Regelungen treffen. Da sich Staaten nach Völkergewohn38 Lord Nicholls, in: House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419, 438 (1998). 39 US District Court, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 13.12.1992, 813 F.Supp. 22, 26 f. 40 Dissenting Opinion Patricia Wald, in: Court of Appeals, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 01.07.1994, 26 F.3d 1166, 1182. 41 Cremer, AVR 2003, 137, 155 f.; Weiß, AVR 39 (2001), 394, 411. 42 Weiß, AVR 39 (2001), 394, 412.
B. Ausschluss der Immunität aufgrund Verwirkung
281
heitsrecht hinsichtlich ihrer acta imperii auf Immunität berufen können, scheint eine Regelungslücke aber gerade zu fehlen.43 Subsidiariät wird teilweise auch anders ausgelegt. Sie soll nur insoweit bestehen, als völkerrechtliche Verträge und Regeln des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts im Rechtsverkehr unter den Staaten als leges speciales gegenüber den allgemeinen Regeln anzuwenden sind.44 Der Richter habe zunächst zu fragen, ob völkerrechtliche Verträge oder das Völkergewohnheitsrecht als leges speciales anzuwenden seien.45 Wenn etwa der von einer klagenden Partei geltend gemachte Anspruch weder im Vertragsrecht noch Völkergewohnheitsrecht seine Stütze finde, könne der Gerichtshof die Klage nicht sofort abweisen, sondern müsse noch prüfen, ob ihr nicht aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes stattgegeben werden könne.46 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze seien im IGH-Statut in der gleichen Weise wie Verträge und Gewohnheitsrecht eingeschlossen und hätten deshalb nicht nur eine ergänzende Funktion, sondern begründeten Regeln von unabhängiger gesetzlicher Kraft.47 Auf allgemeine Rechtsgrundsätze wird außerdem zurückgegriffen, wenn die bestehenden Rechtsquellen einer Ergänzung bedürfen, weil sonst ihre Anwendung grob unbillig erscheinen würde.48 Es ließe sich vertreten, dass es grob unbillig wäre, wenn sich ein Staat bzw. seine Funktionsträger sich hinter ihrer Immunität verstecken könnten, wenn sie schwere Menschenrechtsverletzungen begehen. Ein Abstellen auf Billigkeitserwägungen, um nationalen Gerichten die Befugnis zu geben, über das hoheitliche Handeln fremder Staaten zu richten, erscheint aber bedenklich. Da unklar ist, wann etwas unbillig ist, könnten nationale Gerichte sich unter Berufung auf moralische Erwägungen zum Weltrichter aufspielen, was zu erheblichen Spannungen in der internationalen Staatengemeinschaft führen könnte. Angesichts der völkergewohnheitsrechtlichen Immunität bei hoheitlichem Handeln eines Staates erscheint es zweifelhaft, ob durch Rückgriff auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz ein undifferenzierter Immunitätsausschluss bei schweren Menschenrechtsverletzungen eingeführt werden kann.49 3. Vorliegen einer verwirkbaren Rechtsposition Verwirkung setzt eine verwirkbare Rechtsposition voraus. Die Verwirkbarkeit des Immunitätsschutzes ist jedoch zweifelhaft. Es sind grundsätzlich nur solche
43 44 45 46 47 48 49
So: Cremer, AVR 39 (2001), 394, 156. Doehring, Völkerrecht, 2004, § 6, Rn. 414. Verdross, S. 129; Doehring, § 6, Rn. 414. Verdross, S. 130. Jennings/Watts, Bd. I, Peace, S. 40. Doehring, Rn. 417. So auch: Rensmann, IPRax 18 (1998), 44, 47; ders.: IPRax 19 (1999), 268, 271.
282
8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
Rechte verwirkbar, über die der betreffende Staat verfügen kann. Dabei handelt es sich um Rechtspositionen, die ganz überwiegend dem Interesse des betreffenden Staates dienen.50 Zwingende Völkerrechtsnormen und Normen, die erga omnes gelten, sollen grundsätzlich unverwirkbar sein. Nach Auffassung von Kokott schützt die Immunität vor den Gerichten als Ausdruck der Souveränität und Gleichheit der Staaten nur den betroffenen Staat, der zudem auf seine Immunität vor ausländischen Gerichten verzichten könne.51 Damit stelle die Immunität auch eine verwirkbare Rechtsposition dar. Die Gegenauffassung verneint das Vorliegen einer verwirkbaren Rechtsposition, da die Immunität nicht ausschließlich ein den betroffenen Staaten verliehenes Privileg sei, sondern darüber hinaus wichtigen Gemeinschaftsinteressen diene.52 Auch bei Menschenrechtsverletzungen könne es im Interesse der internationalen Gemeinschaft liegen, dass nationale Gerichte nicht gegen den Willen der beteiligten Staaten über völkerrechtliches Unrecht richten und damit unter Umständen zu schwerwiegenden friedensgefährdenden Störungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen beitragen.
III. Stellungnahme Einem Immunitätsausschluss kraft Verwirkung stehen mehrere Bedenken entgegen. Er beruht auf Annahmen, die ihrererseits genauerer Darlegung bedürften. Kokott unterstellt, dass Menschenrechtsverletzungen jeden Staat zu Gegenmaßnahmen berechtigen. Dies ist aber hoch umstritten und lässt sich dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts nicht entnehmen.53 Die Existenz eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes im Völkerrecht, wonach an ein verbotenes Verhalten eines Staates bzw. seiner Funktionsträger, im vorliegenden Fall die Verletzung von Menschenrechten, ein Rechtsverlust, hier der Immunitätsverlust, geknüpft werden kann, ist schwerlich festzustellen. Überdies ist es zweifelhaft, ob auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden kann, um eine Ausnahme zur grundsätzlich geltenden völkergewohnheitsrechtlichen Regel der Immunität bei hoheitlichem Handeln zu begründen. Auch das Vorliegen einer verwirkbaren Rechtsposition erscheint nicht gesichert, da Immunitätsregelungen nicht nur den von der Ausübung der Gerichtsbarkeit betroffenen Staaten, sondern auch dem Schutz der zwischenstaatlichen Beziehungen dienen. 50 Rensmann, IPRax 18 (1998), 44, 47; derselbe: IPRax 19 (1999), 268, 271; Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 142. 51 Kokott, in: Beyerlin/Bothe/Hofmann/Petersmann, S. 135, 148. 52 Rensmann, IPRax 18 (1998), 44, 47; derselbe: IPRax 19 (1999), 268, 271. 53 Siehe: Siebter Teil, B. II. 2. c).
C. Immunitätsverweigerung zum Schutz eigener Staatsbürger
283
IV. Ergebnis Die Verletzung von Menschenrechten führt nicht zu einer Verwirkung des Immunitätsschutzes.
C. Immunitätsverweigerung als Gegenmaßnahme zum Schutz eigener Staatsbürger Die Immunitätsverweigerung könnte eine zulässige Gegenmaßnahme eines Staates als Reaktion auf die Verletzung der Menschenrechte seiner eigenen Staatsangehörigen sein. Gegenmaßnahmen oder Repressalien sind Maßnahmen eines Staates gegen einen anderen Staat, die für sich genommen rechtswidrig, jedoch als Reaktion auf die Verletzung von völkerrechtlich anerkannten Rechten durch den anderen Staat zulässig sind.54 Das völkerrechtswidrige Verhalten eines Staates in Bezug auf einen fremden Staatsangehörigen verletzt dessen Heimatstaat.55 Fraglich ist, ob dies auch eine Ausdehnung der Gerichtsbarkeit des Forumstaates erlaubt.
I. Möglichkeit der Immunitätsverweigerung als Gegenmaßnahme Zunächst soll untersucht werden, ob Gegenmaßnahmen im Bereich des Immunitätsrechts anwendbar sind. 1. Immunitätsrecht als „self-contained régime“ Bei dem Immunitätsrecht könnte es sich um einen abgeschlossenen Rechtsbereich handeln, der nur die ausdrücklich vorgesehenen Mittel zulässt. In seiner Entscheidung zum Fall betreffend die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran entwickelte der IGH die These, dass die Regeln des Diplomatenrechts ein sog. self-contained régime seien, das einerseits dem Empfangsstaat Pflichten im Hinblick auf die Einrichtungen, Privilegien und Immunitäten der diplomatischen Mission auferlege und andererseits den möglichen Missbrauch dieser Rechte voraussehe und Reaktionsmöglichkeiten des Empfangsstaates vorsehe.56 54 Schiedsgerichtsspruch im Naulilaa-Fall: Compromis: Traité de Versailles, articles 297 et 298, paragraph 4 de l’annexe, Responsabilité de l’Allemagne a Raison des Dommages causés dans les colonies portugaises du sud de l’Afrique, Portugal contre Allemagne, Entsch. v. 31.07.1928, R.I.A.A. II (1949), 1011, 1026; Partsch, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, S. 200, 201; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/1, S. 91; Tomuschat, ZaÖRV 1973, 179, 185. 55 Epping, in: Ipsen, § 7, Rn. 3.
284
8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
Während es im Diplomaten- und Konsularrecht umfangreiche völkervertragliche Regelungen gibt, die überwiegend auch völkergewohnheitsrechtlich gelten,57 ist dies bei der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger nicht der Fall. Die Immunität der Staaten und ihrer Funktionsträger basiert auf anderen Grundlagen.58 Deshalb liegt kein self contained régime vor.59 Die prinzipielle Möglichkeit der Immunitätsverweigerung als völkerrechtlich zulässige Gegenmaßnahme wird auch von einem Teil des Schrifttums gesehen.60 2. Ansätze des Arguments in der Staatenpraxis In der Rechtsprechung und der in den US-amerikanischen FSIA eingefügten Immunitätsausnahme kommt der Gedanke, dass die Immunitätsverweigerung eine zulässige Gegenmaßnahme darstellen kann, zum Ausdruck. a) Erstinstanzliche Entscheidung im Fall Princz Im Fall Princz v. Federal Republic of Germany61 in dem ein US-amerikanischer Staatsbürger wegen Zwangsarbeit in den Konzentrationslagern Auschwitz und Dachau Schadensersatz forderte, betonte der in erster Instanz entscheidende Richter Sporkin, dass die Handlungen des NS-Regimes fundamentale Menschenrechte eines Amerikaners verletzt hätten, und dies nur, weil er Jude gewesen sei. Ein Bürger der Vereinigten Staaten habe ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht, vor einem US-Gericht gegen jede Nation zu prozessieren, die derart barbarische Akte verübt habe. Der beklagte Staat solle sich nicht auf Immunität berufen können.62 Die Ausübung der Gerichtsbarkeit zum Schutz eigener Staatsbürger könnte in diesem Fall als eine Gegenmaßnahme gedeutet werden.63 56 IGH, Case Concerning United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, United States of America v. Iran, Urt. v. 24.05.1980, ICJ Rep. 1980, 3, Ziff. 86: „The rules of diplomatic law, in short, constitute a self-contained régime which, on the one hand, lays down the receiving State’s obligations regarding the facilities, privileges and immunities to be accorded to diplomatic missions and, on the other, foresees their possible abuse by members of the mission and specifies the means at the disposal of the receiving State to counter any such abuse.“ 57 Siehe hierzu: IGH, ICJ Rep. 1980, 3, Ziff. 62. 58 Siehe: Erster Teil, E. und F. 59 Lüke, S. 365. Herdegen begründet dies damit, dass ein Staat im Wege der Repressalie selbst ohne Gerichtsverfahren auf fremdes Vermögen zugreifen könne (Herdegen, § 37, Rn. 7). 60 Damian, S. 79, Fn. 435; Geimer, S. 194, Rn. 502; Herdegen, § 37, Rn. 7. 61 US District Court, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 23.12.1992, 813 F.Supp. 22. 62 US District Court, District of Columbia, 813 F.Supp. 22, 26 f. 63 Ebenso in der Bewertung: Scheffler, S. 91.
C. Immunitätsverweigerung zum Schutz eigener Staatsbürger
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b) Die Regelung in § 1605 (a) (7) FSIA und ihre Bewertung Es wird vertreten, dass die Regelung in § 1605 (a) (7) i.V. m. (e) und (f) FSIA, die eine Immunitätsausnahme für Folter, Tötungs- und Sabotagehandlungen sowie Geiselnahmen durch fremde Staaten oder Staatsorgane gegen USBürger statuiert, Modellcharakter für eine Immunitätsausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen haben könne.64 Dass diese Regelung völkerrechtlich als Gegenmaßnahme gerechtfertigt werden kann, scheinen Anmerkungen des District Court of Columbia im FlatowFall zu bestätigen. Ausländische Staaten könnten vernünftigerweise nicht erwarten, dass die Vereinigten Staaten nicht auf einen Angriff auf ihre Bürger antworten und Maßnahmen ergriffen, um ähnliche Angriffe in der Zukunft zu verhindern.65 Es bedarf eingehender Untersuchung, ob eine Immunitätsausnahme bei Klagen eines Opfers von Menschenrechtsverletzungen vor den Gerichten seines Heimatstaates nach diesem Modell völkerrechtskonform ist.
II. Erfüllung der Voraussetzungen für einen Immunitätsverlust als Gegenmaßnahme Die Ausübung der Gerichtsbarkeit könnte eine zulässige Reaktion auf die Menschenrechtsverletzungen darstellen. Dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Ausübung einer Gegenmaßnahme erfüllt sind. 1. Vorangegangenes, von einem Staat völkerrechtlich zu vertretendes Unrecht Der Gegenmaßnahme muss eine völkerrechtswidrige Handlung des Staates, gegen den sie ergriffen werden soll, vorausgegangen sein.66 Die völkerrechtswidrige Handlung muss dem Völkerrechtssubjekt auch zuzurechnen sein.67 Bei der Immunitätsausnahme für terroristische Handlungen besteht in vielen von den US-Gerichten entschiedenen Fällen schon die Schwierigkeit, ob die einen Schaden auslösende Handlung einem Staat zugeschrieben werden kann. 64
Ziman, 21 Loy. L.A. Int’l & Comp. L.J. 185, 212 f. (1999). US District Court, District of Columbia, 999 F.Supp. 1, 23: „Foreign state sponsors of terrorism could not reasonably have expected that the United States would not respond to attack on its citizens, and not undertake measures to prevent similar attacks in the future.“ Siehe auch: Bucci, 3 J. Int’l Legal Stud. 293, 322 (1997) („judicial retaliation“). 66 Schiedsgerichtsspruch im Naulilaa-Fall, R.I.A.A. II (1949), 1011, 1026; Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, § 188, S. 984; Elagab, S. 52 f. 67 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, § 188, S. 984. 65
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8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
Im oben dargestellten Flatow-Fall ist es zweifelhaft, ob das Selbstmordattentat des „Islamischen Jihad“ dem Iran schon allein wegen mutmaßlicher Finanztransfers des Staates an die Terrororganisation zugeschrieben werden kann. Noch problematischer ist eine Entscheidung des District Court des S.D. New York, in der eine Klage wegen der Terroranschläge vom 11. September 2001, die sich u. a. gegen den Irak richtete, als zulässig angenommen wurde.68 Das Gericht befand, dass die Kläger ausreichend bewiesen hätten („shown [. . .] by evidence satisfactory to the Court“), dass der Irak Bin Laden und Al Qaida unterstützt hatte.69 Auch bei Menschenrechtsverletzungen können sich erhebliche Probleme der Zurechnung staatlichen Unrechts ergeben, die schwer von einem nationalen Gericht beurteilt werden können. Hier besteht gerade ein weiteres völkerrechtliches Problem. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens müsste das nationale Gericht die Menschenrechtsverletzung erst noch untersuchen. Der fremde Staat würde dann zum Objekt von Verfahren zur Untersuchung, ob das Völkerrecht verletzt wurde. Wenn sich später herausstellt, dass dies nicht der Fall war, hätte der Forumstaat bereits das Völkerrecht verletzt, indem er zunächst das Verfahren erlaubt hatte.70 Da die völkerrechtswidrige Handlung der Gegenmaßnahme vorausgegangen sein muss71, ist es vor allem völkerrechtlich bedenklich, ob im Hinblick auf bestimmte Staaten bereits im Vorfeld in einem Immunitätsgesetz die Gerichtsbarkeit erweitert werden kann, wie § 1605 (a) (7) FSIA dies tut.72 Es wird zwar für völkerrechtlich zulässig gehalten, dass ein Staat die Anwendung einer völkerrechtlichen Repressalie von vorneherein und gesetzesförmig seinen Gerichten aufträgt, wenn die Voraussetzungen einer Repressalie vorliegen.73 Wenn ein Staat aber noch keine völkerrechtswidrige Handlung gegenüber dem Forumstaat begangen hat, erscheint es zweifelhaft, ob es ausreicht, ihn unter den Verdacht eines Völkerrechtsbrechers zu stellen und eine Gerichtsbarkeit zu eröffnen, die dem Forumstaat grundsätzlich nicht zukommt. Die Anmaßung einer Gerichtsbarkeit, die eigentlich nicht besteht, stellt ihrerseits eine Völkerrechtsverletzung dar.
68 US District Court, S.D. New York, Smith and others v. The Islamic Emirate of Afghanistan, The Taliban, Al Quaida, Saddam Hussein, The Republic of Iraq, Entsch. v. 17.05.2003, 262 F.Supp. 2d 217. 69 US District Court, S.D. New York, 262 F.Supp. 2d 217, 228 f. 70 Bröhmer, S. 193. 71 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, S. 985. 72 Vgl. auch: Partsch, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, 200, 201: „Precautionary reprisals are generally not considered as legitimate.“ 73 Steinberger, in: Rüthers/Stern, S. 451, 459.
C. Immunitätsverweigerung zum Schutz eigener Staatsbürger
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2. Aufforderung an den verantwortlichen Staat Erforderlich für eine zulässige Ausübung des Repressalienrechts ist des Weiteren eine Aufforderung an den Verletzerstaat, von seinem rechtswidrigen Verhalten abzulassen und den Schaden wieder gutzumachen.74 Auch innerstaatliche Rechtsbehelfe müssen zunächst ausgeschöpft werden (sog. „local remedies rule“).75 Dem Individuum kann der Zugang zu den Gerichten erst dann eröffnet werden, wenn es mit allen ihm rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln versucht hat, vor den Behörden und Gerichten des schädigenden Staates das Unrecht abzuwehren. In § 1605 (a) (7) (B) (i) FSIA ist vorgesehen, dass bei Verletzungshandlungen im Schädigerstaat der Kläger dem ausländischen Staat die vernünftige Möglichkeit gibt, den Anspruch in Übereinstimmung mit den völkerrechtlich anerkannten Regeln zum Schlichtungsverfahren beizulegen („a reasonable opportunity to arbitrate the claim in accordance with accepted international rules of arbitration“). Teilweise wird vertreten, dass der Verweis auf dieses Schlichtungsverfahren der local remedies rule gerecht werde.76 Nach der Gegenauffassung ist dies nicht der Fall, weil das völkerrechtliche Streitschlichtungsverfahren und die local remedies rule sehr unterschiedlichen Zielen dienten. Das Erfordernis der Streitschlichtung gebe dem verklagten Staat nämlich nicht die Möglichkeit, sich innerhalb seines eigenen Rechtssystems mit dem geltend gemachten Anspruch zu befassen.77 Das Völkerrecht verlange dies aber. Alle modernen Menschenrechtsverträge setzten die Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe voraus, bevor die Einreichung einer zwischenstaatlichen Beschwerde oder einer Individualbeschwerde zulässig sei. Im Unterschied hierzu sei das Ziel der Streitschlichtung, ein Schiedsgericht, das unabhängig von der Justiz der Staatenpartei ist, mit der Lösung des Konflikts zu betrauen.78 Die Erschöpfung der Rechtsbehelfe im Verletzerstaat sei sinnvoll, weil sie leichtfertig erhobene Klagen verhindere. Außerdem trage sie dem Gedanken Rechnung, dass die Vereinigten Staaten nur solchen Bürgern einen Weg zur Entschädigung aufzeigen, die ihn sonst nirgendwo finden, und so auch der Kritik Rechnung getragen werde, dass sich die USA in unangemessener Weise in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischten.79 74
Partsch, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, S. 200, 201; Tomuschat, ZaÖRV 1973, 179,
191. 75 Partsch, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, 2000, S. 200, 201. Siehe auch: Art. 44 (b) ILC-Draft on the responsibility of States for internationally wrongful acts. 76 Fox, S. 521. 77 Gergen, 36 Va. J. Int’l L. 765, 795 f. (1996). 78 Gergen, 36 Va. J. Int’l L. 765, 796 (1996). 79 Gergen, 36 Va. J. Int’l L. 765, 797 (1996).
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8. Teil: Impliziter Immunitätsverzicht, Verwirkung und Gegenmaßnahme
Der Einwand, dass das Schlichtungsverfahren schwerlich der local remedies-Regel gerecht wird, überzeugt. Unklar ist vor allem, wie das im FSIA vorgesehene Verfahren aussehen soll. Soweit ersichtlich, wurde bisher noch in keinem Fall ein solches Verfahren durchgeführt, weil es in der Regel für aussichtslos gehalten wurde. Damit wird aber dem Erfordernis, dem Verletzerstaat zunächst die Möglichkeit zur Wiedergutmachung zu geben, nicht ausreichend Rechnung getragen. 3. Verhältnismäßigkeit der Maßnahme Des Weiteren ist Voraussetzung für die Völkerrechtsmäßigkeit der Gegenmaßnahme (Repressalie), dass sie im Verhältnis zur vorausgegangenen Völkerrechtsverletzung verhältnismäßig ist.80 Hier bestehen Bedenken, da die Staatenimmunität in dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit wurzelt.81 Im Hinblick auf die Immunität von Staatsoberhäuptern betont Lüke, dass amtierende Staatsoberhäupter im zwischenstaatlichen Verkehr eine bedeutende Rolle einnähmen, indem sie traditionell den Staat als Völkerrechtssubjekt repräsentierten. Deshalb dürften Staaten auf den Völkerrechtsverstoß eines Staates nicht mit der Durchführung eines Zivil- oder Strafprozesses gegen das jeweilige Staatsoberhaupt reagieren.82 Die Tätigkeit des Staatsoberhauptes werde durch ein objektives Interesse seitens der Staatengemeinschaft geschützt. Wenn Staaten die Immunitätsverweigerung als Gegenmaßnahme anwenden, indem sie ein Gerichtsverfahren gegen den fremden Staat oder seine Funktionsträger einleiten, besteht die Gefahr, dass der Staat, gegen den sich die Maßnahme richtet, bei nächster Gelegenheit selbst den Forumstaat bzw. dessen Funktionsträger einem Gerichtsverfahren unterzieht. Dieses Vorgehen könnte der Staat damit rechtfertigen, dass seine Immunität zu Unrecht aufgehoben worden sei. Es wird deutlich, dass der Gebrauch der Immunitätsverweigerung als Gegenmaßnahme zu erheblichen Störungen der zwischenstaatlichen Beziehungen führen kann.83 Wie bereits angesprochen,84 gehören die Regeln der Staaten-
80 Partsch, in: Bernhard, EPIL, Bd. IV, 200, 202; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Bd. I/3, § 188, S. 990; Elagab, S. 80 ff. Siehe auch: Art. 49 ILC-Draft on the responsibility of States for internationally wrongful acts. 81 Siehe: Erster Teil, E. III. 82 Lüke, S. 376 f. 83 Im Hinblick auf die Immunitätsausnahme in § 1605 (a) (7) FSIA betonen dies auch: Glannon/Atik, 87 Geo. L.J. 675, 700 (1999); Taylor, 45 Ariz. L. Rev. 533, 534 und 545 f. (2003). Taylor weist auch darauf hin, dass den wegen der Teheraner Geiselnahme gegen den Iran erhobenen Klagen die Vereinbarungen von Algier vom 19.01.1981 zwischen den USA und dem Iran, die ausdrücklich Schadensersatzklagen gegen den Iran ausschließen, entgegen standen. 84 Vgl.: Sechster Teil, A. IV. 1. und Siebter Teil, C. IV. 1. b).
C. Immunitätsverweigerung zum Schutz eigener Staatsbürger
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immunität gerade zu den Rahmenbedingungen, die die Zusammenarbeit zwischen den Staaten ermöglichen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verhältnismäßigkeit der Immunitätsverweigerung als Gegenmaßnahme zweifelhaft.
III. Stellungnahme Es sind mehrere Voraussetzungen für eine Verweigerung des Immunitätsschutzes als Gegenmaßnahme nicht erfüllt. Als erstes bereitet die Feststellung des Vorliegens eines vorangegangenen Völkerrechtsverstoßes durch den Staat, der der Gerichtsbarkeit unterworfen werden soll, Probleme. In der Regel fehlt es an einer Aufforderung an den Verletzerstaat bzw. der Erschöpfung innerstaatlicher Rechtschutzmöglichkeiten. Schließlich bestehen Bedenken gegenüber der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Die in § 1605 (a) (7) i.V. m. (e) und (f) FSIA eingefügte Immunitätsausnahme ist nicht mit dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts vereinbar.85 Dass das State Department selbst an der Völkerrechtskonformität der Neuregelung des FSIA zweifelt, zeigen Befürchtungen, dass die von der Immunitätsverweigerung betroffenen Staaten selbst zu Gegenmaßnahmen schreiten könnten.86 Diese Befürchtungen erwiesen sich auch als begründet. Im November 2000 erließ das iranische Parlament ein Gesetz, das Opfern der US-Einmischung seit dem Staatsstreich im Jahre 1953 („victims of US interference since the 1953 coup d’etat“) ermöglichen soll, die Vereinigten Staaten zu verklagen.87 Iranische Staatsangehörige hätten durch Chemiewaffen, die von den USA und anderen westlichen Staaten während des Iran-Irak Krieges (1979–1988) geliefert worden seien, Schäden erlitten. Das Gesetz wurde ausdrücklich als eine auf Gegenseitigkeit beruhende Maßnahme, als Antwort auf die neuerlichen Klagen gegen den Iran in den USA, bezeichnet.
IV. Ergebnis Eine Immunitätsausnahme vor nationalen Gerichten kann nicht als Gegenmaßnahme (Repressalie) wegen Menschenrechtsverletzungen von Staatsangehörigen des Forumstaates völkerrechtlich gerechtfertigt werden.
85 So im Ergebnis auch: Glannon/Atik, 87 Geo. L.J. 675, 706 (1999); Hoye, 12 Duke J. Comp. & Int’l L. 105, 138 f. (2002). 86 Siehe hierzu: Taylor, 45 Ariz. L. Rev. 533, 549 (2003). 87 Siehe die Darstellung bei: Bradley, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 461 (2001); Taylor, 45 Ariz. L. Rev. 533, 549 (2003).
Schlussbetrachtung A. Immunitätsausnahmen als Gewinn für den Menschenrechtsschutz? Die vorliegende Arbeit will den gegenwärtigen Stand des völkerrechtlichen Immunitätsschutzes bei schweren Menschenrechtsverletzungen darstellen. Das geltende Recht und das, was nach Auffassung einiger Autoren rechtlich wünschenswert ist, sollte unterschieden werden. Im Hinblick auf eine effektive Durchsetzung von Menschenrechten könnten die Ergebnisse als wenig befriedigend verstanden werden. Bei genauerer Betrachtung erscheint es aber zweifelhaft, ob mit der Erweiterung der Gerichtsbarkeit von Staaten durch die Zulassung von Klagen gegen ausländische Staaten und ihre Funktionsträger für den Menschenrechtsschutz überhaupt etwas gewonnen werden kann. Obwohl in einigen Urteilen nationale Gerichte Klagen von Staatsbürgern wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen stattgaben, haben die Kläger praktisch nie diesen Titel auch durchgesetzt und tatsächlich Schadensersatzleistungen erhalten.1 Dies wird erkannt und der Zweck solcher Verfahren wird nicht nur in der finanziellen Entschädigung, sondern auch in der persönlichen Genugtuung dadurch, dass die Öffentlichkeit von den Menschenrechtsverletzungen erfahre und diese gerichtlich festgestellt würden, gesehen.2 Einige ehemalige staatliche Funktionsträger, die in die USA gezogen waren und wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen dort verklagt wurden, zahlten zwar nicht Schadensersatz, mussten aber ihren Wohnsitz wechseln.3 Die Opfer könnten zumindest insoweit Genugtuung empfinden, dass sie ihren früheren Peinigern das Leben etwas schwerer gemacht haben. Die Gerichtsverfahren haben überwiegend symbolische Auswirkungen, von denen, mehr als die Kläger, insbesondere ein erlesener Kreis von Juristen profitiert, die als Klägervertreter bzw. als amicus curiae im Prozess auftreten und sich in ihren Schriftsätzen wiederum auf Rechtsausführungen berufen, die ihre Auffassungen teilen.4 In der Argumentation steht mehr das erwünschte Ziel als 1 2 3 4
Scheffler, S. 291 ff.; Simon, 11 Boston U.L.J. 1, 28 (1993). Stephens, 40 German Yb. Int’l L. 117, 139 (1997). Simon, 11 Boston U.L.J. 1, 28 (1993). Ebenso in der Bewertung: Bradley, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 468 (2001).
A. Immunitätsausnahmen als Gewinn für den Menschenrechtsschutz?
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eine dogmatisch saubere Ableitung aus den anerkannten völkerrechtlichen Rechtsquellen im Vordergrund. Bei den Schadensersatzprozessen gegen Staaten und staatliche Funktionsträger entstehen je nach Ausgestaltung der nationalen Prozesssysteme erhebliche Problempotentiale. Bedenklich erscheinen Schadensersatzklagen vor ausländischen Gerichten schon deswegen, weil über Menschenrechtsverletzungen in fremden Staaten schwerlich Beweis geführt werden kann und die Gerichte sich oft auf Mutmaßungen stützen.5 Außerdem könnten die Verfahren von politischen Überlegungen überlagert werden. Bei politisch und wirtschaftlich mächtigen Staaten wie China zeigen sich Gerichte sensibler bei der Zulassung von Klagen als bei Staaten mit geringerer Bedeutung, zu denen die politischen Beziehungen ohnehin schon belastet sind. In den USA werden Bundesrichter im Rahmen eines politischen Prozesses ernannt und haben damit eine engere Verbindung zur Politik.6 Diese Realität zeigt sich in Prozessen mit politischer oder völkerrechtlicher Brisanz.7 In manchen Staaten genießen die Gerichte sogar überhaupt keine Unabhängigkeit, sondern unterstehen vielmehr der jeweiligen Regierung. Je nach der jeweils zwischen den betreffenden Staaten bestehenden politischen Situation könnten die Gerichte dann ihre Entscheidungen fällen.8 In den USA gibt es beachtliche Bestrebungen, über die Menschenrechtsverletzungen in anderen Staaten zu richten, während es Widerstand dagegen gibt, Menschenrechtsverletzungen eigener Amtsträger anhand des Völkerrechts gerichtlich überprüfen zu lassen. Wenn ein nationales Gericht meint, im Wege der Immunitätsverweigerung Menschenrechtsschutz betreiben zu müssen, können zudem Konflikte mit der Exekutive entstehen, die eventuell auf diplomatischem Wege versucht, Menschenrechte durchzusetzen. Damit wäre dem Menschenrechtsschutz kein guter Dienst erwiesen. Dass Klagen politische Zwecke verfolgen, zeigt auch der Distomo-Fall. Die griechischen Kläger erhofften sich, Deutschland an den Verhandlungstisch bringen zu können.9 In anderen Fällen hatten derartige Bemühungen durchaus Erfolg. Zwar konnten sich die amerikanischen Opfer des Holocaust mit ihren Entschädigungsforderungen vor den Gerichten nicht durchsetzen. Wegen der Einflussnahme durch die amerikanische Regierung und Reaktionen in der amerikanischen Öffentlichkeit schlossen die Bundesregierung und die US-Regierung ein Entschädigungsabkommen, in dem die deutsche Re5
So auch die Auffassung von: Simon, 11 Boston U.L.J. 1, 68 f. (1993). Heidenberger, ZVglRWiss 97 (1998), 440, 453. 7 Siehe hierzu die erstinstanzliche Entscheidung im Fall Princz: US District Court, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 23.12. 1992, 813 F.Supp. 22. 8 Zimmermann, 16 Mich. J. Int’l L. 433, 439 (1995). 9 Vgl.: Kempen, in: Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann, S. 180 ff. 6
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Schlussbetrachtung
gierung sich bereit erklärte, US-Bürger, die bisher noch keine Entschädigungszahlungen erhalten hatten, mit ca. 2,1 Mio. $ zu entschädigen.10 Insoweit erfüllten die Prozesse jedenfalls als „Druckmittel“ zur Erzwingung einer völkerrechtlichen Lösung einen Zweck.11
B. Alternativen gegenüber Schadensersatzklagen vor nationalen Gerichten Einvernehmliche Lösungen auf diplomatischem Wege haben bisher dem Menschenrechtsschutz mehr gedient als einseitige Durchsetzungsversuche. In der aktuellen Völkerrechtspraxis üben Staaten aber aus wirtschafts- und machtpolitischen Gründen Zurückhaltung, wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen zur Sprache zu bringen. Dies ist nicht zuletzt deswegen bedenklich, weil im Völkerrecht eine Pflicht der Staaten besteht, den Menschenrechtsschutz zu fördern.12 Aus der Tatsache, dass die Beachtung grundlegender Menschenrechte eine Verpflichtung gegenüber der Staatengemeinschaft darstellt, ergibt sich kein Recht der Staaten zur Ergreifung unilateraler Maßnahmen. Die Staaten müssen daher im Zusammenwirken versuchen zu erreichen, dass Menschenrechte erst gar nicht verletzt werden, Individuen, die fundamentale Menschenrechte verletzen, dafür zur Verantwortung gezogen werden und die Opfer Entschädigung erlangen. Die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs bedeutet einen großen Fortschritt im Völkerrecht. Art. 75 Abs. 1 Rom-Statut sieht vor, dass der IStGH auch Grundsätze für die Wiedergutmachung, die an oder in Bezug auf die Opfer zu leisten ist, aufstellt. Auf der Grundlage dieser Grundsätze kann der Gerichtshof auf Antrag oder unter außergewöhnlichen Umständen auch aus eigener Initiative in seiner Entscheidung den Umfang oder das Ausmaß des Schadens feststellen, der entstanden ist. Er kann sogar in einer Anordnung gegenüber den Verurteilten die Wiedergutmachung (Rückerstattung, Entschädigung und Rehabilitierung) im Einzelnen festlegen (Art. 75 Abs. 2 Rom-Statut). Gerade aber einige der wichtigsten Staaten der Welt haben sich bisher geweigert, das Rom-Statut zu unterzeichnen bzw. zu ratifizieren.13 Vor diesem Hintergrund erscheint es erst recht so gut wie ausgeschlossen, dass die Staaten in 10 Germany-United States: Agreement Concerning Final Benefits to Certain United States Nationals Who were Victims of National Socialist Measures of Persecution, 19.09.1995, 35 ILM 193 (1996). 11 So auch in der Bewertung: Hess, in: Geimer, S. 269, 284. 12 Vgl. insbesondere die Ausführungen im Fünften und Siebten Teil. 13 Die USA haben das Statut zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert und in einer Erklärung vom 6.05.2002 zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht Vertragspartei werden wollen und sich auch nicht in irgendeiner Weise durch das Statut verpflichtet fühlen. Eine ähnliche Erklärung gab auch Israel ab. Auch China ist nicht Vertragspartei.
C. Zusammenfassende Thesen
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einem völkerrechtlichen Vertrag eine Immunitätsausnahme bei Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen vor nationalen Gerichten vorsehen.14 Die soeben dargestellten Probleme bei Schadenersatzklagen gegen Staaten bzw. ihre Funktionsträger wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen machen deutlich, dass neben der Schaffung einer Immunitätsausnahme bei der Verletzung konkret benannter Fundamentalnormen (z. B. des Folterverbots) in einem solchen Vertrag auch einheitliche Verfahrensstandards festgelegt werden müssen. Der Weg, der bei dem derzeitigen Stand des Völkerrechts die größten Erfolgsaussichten hat, ist, die bestehenden vertraglichen Durchsetzungsmechanismen auf universeller Ebene auszubauen. Dabei könnte die Europäische Menschenrechtskonvention Vorbildfunktion besitzen, indem ein Gerichtshof als unabhängiges Organ, das über die Einhaltungen der Verpflichtungen wacht, geschaffen und allen Bürgern nach Erschöpfung des Rechtswegs im mutmaßlichen Verletzerstaat ein Beschwerderecht (vgl. Art. 34 EMRK) eingeräumt wird. Erst wenn der Beschwerdegegner den rechtlich verbindlichen Urteilsspruch nicht befolgt, sollten alle anderen Vertragsstaaten zu Maßnahmen berechtigt sein. Die Schaffung unabhängiger Institutionen soll nicht dazu dienen, dass sich die Staaten aus der eigenen Verantwortung herausstehlen.15 Sie garantiert aber eine objektive und von alltagspolitischen Erwägungen freie Beurteilung von Menschenrechtsverletzungen.
C. Zusammenfassende Thesen I. Erster Teil 1. Staatenimmunität ist eine Regel des Völkerrechts. 2. Es besteht kein Vorrang der Jurisdiktion des Forumstaates gegenüber der Immunität des beklagten Staates, und Immunität wird nicht nur bei besonderem Nutzen für die Staatengemeinschaft gewährt. 3. Staaten genießen grundsätzlich für hoheitliches Handeln (acta iure imperii) Immunitätsschutz. 4. Staatenimmunität hat ihre Grundlage in dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit. Jeder Staat ist im Grundsatz nur dem Völkerrecht, aber nicht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten unterworfen.
Siehe die Vertragsparteien unter: http://untreaty.un.org/ENGLISH/bible/englishinternet bible/partI/chapterXVIII/treaty10.asp (22.04.2005). 14 Siehe den Vorschlag von: Bröhmer, S. 214 f. 15 Dies befürchtet aber: Klein, in: Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann, S. 243.
294
Schlussbetrachtung
5. Bei der Immunität staatlicher Funktionsträger ist zwischen den zentralen Organen eines Staates im Völkerrechtsverkehr (hierzu zählen Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister), deren Willensäußerungen und Akte, die sie in ihrer Eigenschaft als Staatsorgan auf dem Gebiet der völkerrechtlichen Beziehungen vollziehen, das Völkerrecht ihrem Heimatstaat zurechnet, und den sonstigen staatlichen Funktionsträgern, die kraft nationalen Rechts hoheitlich handeln, zu differenzieren. 6. Während der Amtszeit wird Staatsoberhäuptern und ebenso Regierungschefs und Außenministern Immunität sowohl für hoheitliches als auch privates Handeln gewährt (sog. personeller Immunitätsschutz). 7. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt besteht der Immunitätsschutz der zentralen Organe des Völkerrechtsverkehrs nur noch bei Amtshandlungen (sog. funktioneller Immunitätsschutz). 8. Sonstige staatliche Funktionsträger genießen einen aus der Staatenimmunität abgeleiteten funktionalen Immunitätsschutz, wenn sie hoheitliche Handlungen für ihren Anstellungsstaat vornehmen.
II. Zweiter Teil 1. Ein Immunitätsverzicht setzt das Verhalten eines Staates voraus, das zum Ausdruck bringt, dass der Staat willentlich sein Recht auf Immunitätsschutz aufgibt. 2. Es ist selten der Fall, dass Staaten in Gerichtsverfahren (meistens nur bei ehemaligen staatlichen Funktionsträgern nach einem Regimewechsel) oder in völkerrechtlichen Verträgen (z. B. in Art. 27 Abs. 1 S. 2 Rom-Statut) auf Immunität verzichten.
III. Dritter Teil 1. Menschenrechtsverletzungen eines Staates stellen vor dem Hintergrund der zur Abgrenzung zwischen Handlungen iure imperii und Handlungen iure gestionis vertretenen Ansätze ein hoheitliches Handeln dar, dem im Grundsatz Immunitätsschutz zukommt. Auch die Völkerrechtswidrigkeit nimmt dem Handeln nicht den hoheitlichen Charakter. 2. Bei der Verletzung von Menschenrechten durch staatliche Funktionsträger scheitert eine handlungsbezogene Immunitätsausnahme daran, dass ein Handeln schwerlich unter dem Gesichtspunkt der Bewertung als Völkerrechtsverletzung dem Anstellungsstaat zugerechnet und zugleich im Hinblick auf die funktionelle Immunität staatlicher Funktionsträger als nichtamtliches, nicht durch Immunität geschütztes Verhalten qualifiziert werden kann.
C. Zusammenfassende Thesen
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IV. Vierter Teil 1. Auch Menschenrechtsverletzungen eines Staates auf fremdem Staatsgebiet stellen hoheitliches Handeln dar. Für die Annahme einer völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsausnahme des Staates fehlt es an einer ausreichenden Staatenpraxis, in der auch die Rechtsauffassung zum Ausdruck kommt, dass auch bei hoheitlichem Handeln eines Staates auf fremdem Staatsgebiet kein Immunitätsschutz besteht. 2. Staatlichen Funktionsträgern kommt ebenfalls für hoheitliches Handeln auf fremdem Staatsgebiet Immunitätsschutz zu.
V. Fünfter Teil 1. Materielle Vertragspflichten in völkerrechtlichen Verträgen können keine Grundlage für einen impliziten Immunitätsverzicht in Klageverfahren gegen Staaten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen bilden. 2. Auch aus der Völkermordkonvention, der Definition von Folter in Art. 1 UN-Folterkonvention und dem Folterverbot in Art. 3 EMRK ergeben sich allein keine Immunitätsausnahmen. 3. Den Rechtsschutz- und Verfahrensgarantien in Verträgen zum Schutz von Menschenrechten ist keine Ausnahme zur Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger zu entnehmen. Die Verpflichtung in Art. 14 UN-Folterkonvention, sicherzustellen, dass das Opfer einer Folterhandlung ein einklagbares Recht auf Entschädigung hat, beschränkt sich auf Folterhandlungen auf dem Gebiet des Forumstaates. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2 Abs. 3 IPbürgR und die Verfahrensgarantien in Art. 14 IPbürgR setzen das Bestehen nationaler Gerichtsbarkeit voraus, erweitern diese aber nicht. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, dem auch das Recht auf Zugang zu einem Gericht entnommen wird, stellt keine Spezialregelung zum völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der Immunität von Staaten und ihrer Funktionsträger dar.
VI. Sechster Teil 1. Eine völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme, anknüpfend an die besondere Wertigkeit von Menschenrechten, ist im Klageverfahren gegen Staaten noch nicht festzumachen. 2. Eine Norm des Völkergewohnheitsrechts, wonach bei Klagen wegen in der von Staaten in der Vergangenheit begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen rückwirkend der aktuelle Stand des Immunitätsrechts angewendet
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Schlussbetrachtung
werden darf und nicht das Immunitätsrecht zum Verletzungszeitpunkt, besteht nicht. 3. Amtierende zentrale Organe des Völkerrechtsverkehrs, d. h. Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister, genießen auch gegenüber Klagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen Immunitätsschutz. 4. Es wird zunehmend vertreten, dass der Immunitätsschutz der zentralen Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt bei Menschenrechtsverletzungen ende, wenn diese die Qualität völkerrechtlicher Verbrechen haben. Die bisherige Staatenpraxis ist noch nicht hinreichend gefestigt, um diesbezüglich eine Regel des Völkergewohnheitsrechts feststellen zu können. 5. In Klageverfahren gegen sonstige staatliche Funktionsträger bestehen Tendenzen, ihren funktionalen Immunitätsschutz bei internationalen Verbrechen abzuerkennen. Dies kann aber noch nicht als völkergewohnheitsrechtlich anerkannt bewertet werden. Die Immunität des Staates kann damit nicht durch Zugriff auf dessen Funktionsträger umgangen werden.
VII. Siebter Teil 1. Soweit einzelnen Staaten bei erga omnes-Verletzungen Handlungsbefugnisse zugeschrieben werden, beschränken sich diese auf ein Recht auf Abstellung der Verletzung bzw. auf Herstellung des rechtmäßigen Zustandes. Erga omnes-Pflichten berechtigen einzelne Staaten nicht, im Wege der Immunitätsverweigerung unilateral Maßnahmen gegen Staaten, die Menschenrechte verletzen, zu ergreifen. 2. Die Anerkennung gewisser fundamentaler Menschenrechte als ius cogens basiert auf dem Konsens der Staaten. Eine völkerrechtliche Normenhierarchie lässt sich nicht nachweisen. Ein Vorrangverhältnis zwischen Menschenrechten und Staatenimmunität besteht nicht. Das menschenrechtliche ius cogens enthält über seinen materiellen Gehalt hinaus kein prozessuales Durchsetzungsrecht. Aus dem ius cogens-Charakter von Menschenrechten kann daher keine Immunitätsausnahme bei Klagen gegen Staaten bzw. staatliche Funktionsträger abgeleitet werden.
VIII. Achter Teil 1. Die Verletzung fundamentaler Menschenrechte stellt keinen impliziten Immunitätsverzicht dar. 2. Die Immunität von Staaten und staatlicher Funktionsträger wird bei schweren Menschenrechtsverletzungen nicht verwirkt.
C. Zusammenfassende Thesen
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3. Nationale Gerichte können nicht unter Berufung auf eine Gegenmaßnahme (Repressalie) fremden Staaten und ihren Funktionsträgern den Immunitätsschutz verweigern. Die im US-amerikanischem Foreign Sovereign Immunities Act vorgesehene Immunitätsausnahme bei state sponsors of terrorism ist mit dem Völkerrecht nicht vereinbar.
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Rechtsprechungsverzeichnis I. Entscheidungen internationaler Gerichte 1. Ständiger Internationaler Gerichtshof (StIGH) StIGH, Lotus case, France v. Turkey, Urt. v. 07.09.1927, PCIJ Ser. A, no. 10 (1927), 4 StIGH, Legal Status of Eastern Greenland, Denmark v. Norway, Urt. v. 05.04.1933, PCIJ Ser. A./B., no. 53 (1933), 3 StIGH, Oscar Chinn Case, Urt. v. 12.12.1934, PCIJ Ser. A./B., no. 63 (1934), 64
2. Internationaler Gerichtshof (IGH) IGH, Nottebohm-Case, Liechtenstein v. Guatemala, Urt. v. 18.11.1953, ICJ Rep. 1955, 4 IGH, South West Africa Cases, Ethiopia v. South Africa; Liberia v. South Africa, Urt. v. 18.07.1966, Second Phase, ICJ Rep. 1966, 4 IGH, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Belgium v. Spain, Second Phase, Urt. v. 5.03.1970, ICJ Rep. 1970, 3 IGH, Case Concerning United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, United States of America v. Iran, Request for the Indication of Provisional Measures, Beschl. v. 15.12.1979, ICJ Rep. 1979, 7 IGH, Case Concerning United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, United States of America v. Iran, Urt. v. 24.05.1980, ICJ Rep. 1980, 3 IGH, Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, Urt. v. 27.06.1986, ICJ Rep. 1986, 14 IGH, Case concerning East Timor, Portugal v. Australia, Urt. v. 30.06.1995, ICJ Rep. 1995, 89 IGH, Case Concerning the Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Bosnia and Herzegowina v. Yugoslavia, Preliminary Objections, Urt. v. 11.07.1996, ICJ Rep. 1996 (II), 595 IGH, Case Concerning the Arrest Warrant of 11 April 2000, Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Urt. v. 14.02.2002, ICJ Rep. 2002, 3 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Gutachten v. 09.07.2004, 43 ILM 1009 (2004)
Rechtsprechungsverzeichnis
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3. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) EGMR, Golder v. The United Kingdom, Urt. v. 21.02.1975, Ser. A, Nr. 18, 13, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1975, 91 EGMR, Klass and others v. The United Kingdom, Urt. v. 06.09.1978, Ser. A, Nr. 28, 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1979, 278 EGMR, Soehring v. United Kingdom, Urt. v. 07.07.1989, no. 1/1989/161/217, Ser. A, Nr. 161 (1989), 1, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 1989, 314 EGMR, A v. The United Kingdom, Urt. v. 23.09.1998, ECHR 1998-VI, 2692 EGMR, Osman v. The United Kingdom, Urt. v. 28.10.1998, ECHR 1998-VIII, 3124 EGMR, Waite and Kennedy v. Germany [GC], Urt. v. 18.02.1999, no. 26083/94, ECHR 1999-I, 393 EGMR, Z and others v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 10.05.2001, no. 29392/95, ECHR 2001-V, 1 EGMR, McElhinney v. Ireland [GC], Urt. v. 21.11.2001, no. 31253/96, ECHR 2001XI, 37, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 415 ECHR, Al-Adsani v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 21.11.2001, no. 35763/97, ECHR 2001-XI, 79, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 403 EGMR, Fogarty v. The United Kingdom [GC], Urt. v. 21.11.2001, no. 37112/97, ECHR 2001-XI, 157, deutsche Übersetzung in: EuGRZ 2002, 411 EGMR, Bankovic´ v. Belgium [GC], Urt. v. 12.12.2001, 41 ILM 517 (2002) EGMR, Kalogeropoulou and others v. Greece and Germany, Entsch. v. 12.12.2002, App. no. 59021/00, ECHR 2002-X, 415, deutsche Übersetzung in: NJW 2004, 273
4. Schiedsgerichte Permanent Court of Arbitration, The Island of Palmas, Entsch. v. 04.04.1928, 22 AJIL 868 (1928) Compromis: Traité de Versailles, articles 297 et 298, paragraph 4 de l’annexe, Responsabilité de l’Allemagne a Raison des Dommages causés dans les colonies portugaises du sud de l’Afrique, Portugal contre Allemagne, „Naulilaa-Fall“, Entsch. v. 31.07.1928, R.I.A.A. II (1949), 1011 French-Mexican Claims Commission, Estate of Jean-Baptiste Caire (France) v. United Mexican States, Entsch. v. 07.07.1929, R.I.A.A. V (1952), 516 United States/Mexico General Claims Commission, Francisco Mallén v. United States of America, Entsch. v. 27.04.1927, R.I.A.A. IV (1951), 173
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Rechtsprechungsverzeichnis 5. Entscheidungen weiterer internationaler Gerichte
International Military Tribunal (Nuremberg), Urteil und Strafen verkündet am 01.10. 1946, 41 AJIL 172 (1947) Inter-American Court of Human Rights, Velásquez Rodríguez case, Urt. v. 29.07.1988, 9 HRLJ 212 (1988) ICTY, „Prosecutor v. Anto Furundzija“, Urt. v. 10.12.1998, 38 ILM 317 (1999)
6. Entscheidungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte und der Internationalen Kommission für Menschenrechte Human Rights Commission, Angel N. Oló Bahamonde v. Equatorial Guinea, 10.11.1993, Communication No. 468/1991 (UN Doc.CCPR/C/49/D/1991), IHRR 1 (No. 2) (1994), 147 Europäische Kommission für Menschenrechte, Philip Burnett Agee v. the United Kingdom, Entsch. v. 17.12.1976, D.R. 7 (1977), S. 164 Europäische Kommission für Menschenrechte, N., C., F. et A.G. c. Italie, Entsch. v. 04.12.1995, Application 24236/94, D.R. 84-B (1996), 84
II. Entscheidungen nationaler Gerichte 1. Entscheidungen deutscher Gerichte BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 30.10.1962, E 15, 25 (Gesandtschaftsgrundstück-Fall) BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 30.04.1963, E 16, 27 (Heizungsreparatur-Fall) BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 07.04.1965, E 18, 441 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 13.12.1977, E 46, 342 (Botschaftskonto-Fall) BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 24.10.1996, E 95, 96 BVerfG, Beschl. des Zweiten Senats v. 10.06.1997, E 96, 68 RG, Urt. v. 10.12.1921, Z 103, 274 („Ice King“) BGH, Urt. v. 26.09.1978, NJW 1979, 1101 BGH, Beschl. v. 28.05.2003, NJW-RR 2003, 1218 BGH, Urt. v. 26.06.2003, NJW 2003, 3488 = DVBl. 2004, 37 = 42 ILM 1027 (2003) OLG Köln, Beschl. v. 16.05.2000, NStZ 2000, 667 OLG München, Beschl. v. 12.08.1975, NJW 1975, 2144 LG Frankfurt, Urt. v. 02.12.1975, NJW 1976, 1044 LG Bonn, Urt. v. 10.12.2003, NJW 2004, 525 AG Bonn, Beschl. v. 29. 09.1987, NJW 1988, 1393
Rechtsprechungsverzeichnis
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2. Entscheidungen österreichischer und schweizerischer Gerichte Österreichischer OGH, Dralle gegen Tschechoslowakei, Entsch. v. 10.05.1950, JBl. 1950, 341; auch abgedruckt in: 17 ILR 155 (1950) Schweizer Bundesgericht, République Arabe Unie c. Dame X, Entsch. v. 10.02.1960, BGE 86 I 23; auch abgedruckt in: 65 ILR 385 (1984) Österreichischer OGH, Entsch. v. 10.02.1961, JBl. 1962, 43 Österreichischer OGH, Entsch. v. 19.01.1962, JBl. 1962, 271 Österreichischer OGH, Entsch. v. 25.06.1964, JBl. 1964, 567 Schweizer Bundesgericht, Ferdinand et Imelda Marcos contre Office fédéral de la police, Entsch. v. 2.11.1989, BGE 115 Ib 496; auch abgedruckt in: 102 ILR 198 (1996) Österreichischer OGH, Entsch. v. 11.04.1995, IPRax 16 (1996), 41 Österreichischer OGH, Anita W. gegen Johannes Adam, Fürst von Liechtenstein u. a., Entsch. v. 14.02.2001, EUGRZ 2001, 513
3. Entscheidungen belgischer, französischer und niederländischer Gerichte Tribunal Bruxelles, Urt. v. 07.07.1937, J. T. 1938, 166 Tribunal Civil Seine (Référés), Russian Trade Delegation v. Société Française Industrielle et Commerciale des Pétroles, Entsch. v. 12.01.1940, Annual Digest of Public International Law Cases Years 1938–1940 (1942), 245 Cour d’Appel Paris, Société Française Industrielle et Commerciale des Pétroles v. Russian Trade Delegation, Entsch. v. 12.02.1941, Annual Digest of Public International Law Cases Years 1919–1942 (1947), 145 Cour d’Appel Paris, Gugenheim v. State of Vietnam, Entsch. v. 07.01.1955, 22 ILR 224 (1955) Cour d’Appel Paris, Ex-King Farouk of Egypt v. Christian Dior, Entsch. v. 11.04. 1957, 24 ILR 228 (1957) District Court of Haarlem, LF and HMHK v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 07.05.1986, 94 ILR 342 (1994) Court of Appeals of Amsterdam, Edwards v. BV Bureau Wijsmuller, Entsch. v. 18.06.1987, 94 ILR 361 (1994) Cour Civil de Bruxelles, Mobuto v. SA Cotoni, Entsch. v. 29.12.1988, 91 ILR 259 (1993) Cour d’Appel Paris, Mobuto and Republic of Zaire v. Société Logrine, Entsch. v. 31.05.1994, 113 ILR 481 (1999) Cour d’Appel, Chambre d’accusation, 2ème section, affaire no. A 99/05921, Entsch. v. 20.10.2000, 125 ILR 490, 493 ff. (2004)
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Cour de Cassation, „Ghaddafi“, Chambre criminelle, Entsch. v. 13.03.2001, Arrêt no. 1414, 125 ILR 490, 508 ff. (2004) Cour de Cassation, H.S.A. et al. v. S.A. et al. (Decision related to the Indictment of Ariel Sharon, Amos Yaron and others), Entsch. v. 12.02.2003, 42 ILM 596 (2003)
4. Entscheidungen italienischer, griechischer und ägyptischer Gerichte Cass. Napoli, Urt. v. 16.03.1886, Giur.it. 1886, I, 1, 228 Cass. Firenze, Urt. v. 25.07.1886, Giur.it. 1886, I, 1, 486 Cour d’Appell mixte d’Alexandrie, Entsch. v. 24.11.1920, Clunet 48 (1921), 270 Corte di cassazione, Padri Benedettini Della Basilica Di S. Paolo v. Nunzi, Urt. v. 13.03.1957, 24 ILR 214 (1957) LG Livadia, Entsch. v. 30.10.1997 (Az.: 137/1997) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amts zur Verfügung gestellt. Urteilsbesprechungen von: Ilias Bantekas, 92 AJIL 765 (1998); Maria Gavouneli, War Reparations and State Immunity, 50 RHDI 595 (1997) Areopag, Entsch. v. 4.05.2000 (Az. 11/2000) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amts zur Verfügung gestellt. Deutsche Übersetzung in: KJ 2000, 472; siehe Besprechung bei: Maria Gavouneli/Ilias Bantekas, Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Areios Pagos, 95 AJIL 198 (2001) Athener Gericht Erster Instanz, Entsch. v. 10.07.2001(Az. 3666 und 3667/2001) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amts zur Verfügung gestellt. OLG Athen, Entsch. v. 14.09.2001 (Az. 6847/2001 und 6848/2001) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amts zur Verfügung gestellt. Areopag, Entsch. v. 28.06.2002 (Az. 36/2002 und 37/2002) – unveröffentlicht. Der Text der Entscheidung wurde vom Auswärtigen Amts zur Verfügung gestellt. Oberstes griechische Sondergericht (Anotato Eidiko Dikastirio), Bundesrepublik Deutschland v. Militiadis Margellos, Entsch. v. 17.09.2002, zitiert nach: Maria Panezi, Sovereign Immunity and Violation of Ius Cogens Norms, 56 RHDI 199 (2003) Corte di cassazione, Sez. Unite, Ferrini v. Repubblica Federale di Germania, 11.03. 2004, n. 5044, 87 Rivista di diritto internazionale 539 (2004)
5. Entscheidungen der Gerichte des Vereinigten Königreichs UK House of Lords, The Cristina, Entsch. v. 03.03.1938, Annual Digest and Reports of Public International Law Cases Years 1938–1946, 250 UK House of Lords, Iº Congreso Del Partido, Entsch. v. 16.07.1981, 64 ILR 307 (1983)
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UK House of Lords, Kuwait Airways Corporation v. Iraqi Airways Company and the Republic of Iraq, Entsch. v. 24.07.1995, 103 ILR 391 (1996) UK House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis – Ex Parte Pinochet; Regina v. Evans and another and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 1), Entsch. v. 25.11.1998, 19 HRLJ 419 (1998) UK House of Lords, R v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate and others – Ex parte Pinochet (No 2), Entsch. v. 15.01.1999, 2 WLR 272 (1999) UK House of Lords, Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others – Ex Parte Pinochet (No. 3), Entsch. v. 24.03.1999, 38 ILM 581 (1999) UK House of Lords, Holland v. Lampen-Wolfe, Entsch. v. 20.07.2000, 119 ILR 367 (2002) Court of Appeal, The Parlement Belge, Entsch. v. 27.02.1880, 5. P.D. 197 (1880) Court of Appeal, Trendtex Trading Corporation v. Central Bank of Nigeria, Entsch. v. 13.01.1977, 64 ILR 111 (1983) Court of Appeal, Kuwait Airways Corporation v. Iraqi Airways Company and the Republic of Iraq, Entsch. v. 21.10.1993, 103 ILR 367 (1996) Court of Appeal, Al-Adsani v. Government of Kuwait and others, Entsch. v. 21.01.1994, 100 ILR 465 (1995) Court of Appeal, Al Adsani v. the Government of Kuwait and others, Entsch. v. 12.03.1996, 107 ILR 536 (1996) Court of Appeal, Propend Finance Ltd v. Singh and others, Entsch. v. 17.04.1997, 111 ILR 611 (1998) Court of Appeal, Jones v Ministry of the Interior Al-Mamlaka Al-Arabiya as Sudiya and another; Mitchell and others v Al-Dali and others, Entsch. v. 28.10.2004, EWCA Civ 1394 (2004), unter: http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/ 1394.html (15.04.2005) High Court, Kuwait Airways Corporation v. Iraqi Airways Company and the Republic of Iraq, Entsch. v. 16.04.1992, 103 ILR 344 (1996) High Court, Al Adsani v. the Government of Kuwait and others, Entsch. v. 15.03. 1995, 103 ILR 420 (1996) Judicial Committee of the Privy Council, Philippine Admiral v. Wallem Shipping Ltd. and another, Entsch. v. 05.11.1975, 64 ILR 90 (1983)
6. Entscheidungen der Gerichte Irlands, Kanadas und Neuseelands Ontario Court of Appeal, Jaffe v. Miller and others, Entsch. v. 17.06.1993, 95 ILR 446 (1994) Supreme Court of Ireland, McElhinney v. Williams and her Majesty’s Secretary of State for Northern Ireland, Entsch. v. 15.12.1995, 104 ILR 691 (1995)
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New Zealand Court of Appeal, Controller and Auditor-General v. Sir Ronald Davison, Entsch. v. 16.02.1996, 36 ILM 721 (1997) Ontario Superior Court of Justice, Bouzari and others v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 01.05.2002, 124 ILR 427 (2002) Ontario Court of Appeal, Bouzari v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.06.2004, http://www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.pdf (22.04.2005)
7. Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte a) US Supreme Court US Supreme Court, The Charming Betsy, Entsch. v. 22.02.1804, 6. U.S. 64 (2 Cranch) US Supreme Court, The Schooner Exchange v. McFaddon, Entsch. v. 24.02.1812, 11 U.S. 116 (Cranch) US Supreme Court, Berizzi Brothers Company v. Steamship Pesaro, Entsch. v. 07.06.1926, 271 U.S. 562 (1926) US Supreme Court, Republic of Mexico v. Hoffmann, Entsch. v. 05.02.1945, Annual Digest and Reports of Public International Law Cases 1943–1945, 143 US Supreme Court, Verlinden BV v. Central Bank of Nigeria, Entsch. v. 23.05.1983, 461 U.S. 480 US Supreme Court, Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, Entsch. v. 23.03.1964, 376 U.S. 398 US Supreme Court, Argentine Republic v. Amerada Hess Shipping Corporation et al., Entsch. v. 23.01.1989, 488 U.S. 428 US Supreme Court, Republic of Argentina v. Weltover, Inc., Entsch. v. 12.06.1992, 112 S.Ct. 2160 US Supreme Court, Saudi Arabia and others v. Nelson, Entsch. v. 23.03.1993, 507 U.S. 349 US Supreme Court, Landgraf v. USI FILM Products, Entsch. v. 26.04.1994, 511 U.S. 244 US Supreme Court, Republic of Austria et al. v. Maria V. Altmann, Entsch. v. 25.02.2004, 124 S.Ct. 2240
b) US Courts of Appeals US Court of Appeals, 5th Circuit, Marcos Perez Jimenez v. Manuel Aristeguieta, Entsch. v. 12.12.1962, 311 F.2d 547 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Filartiga v. Peña-Irala, Entsch. v. 30.06.1980, 630 F.2d 876
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US Court of Appeals, 9th Circuit, McKeel v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 30.12.1983, 722 F.2d 582 US Court of Appeals, District of Columbia, Persinger v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 13.03.1984, 729 F.2d 835 US Court of Appeals, 9th Circuit, Olsen v. Government of Mexico, Sanchez v. The Republic of Mexico, Entsch. v. 30.03.1984, 729 F.2d 641 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Letelier v. Republic of Chile and Linea Aerea Nacional-Chile, Entsch. v. 20.11.1984, 748 F.2d 790 US Court of Appeals, 7th Circuit, Lois Frolova v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 01.05.1985, 761 F.2d 370 US Court of Appeals, 11th Circuit, Jackson v. People’s Republic of China, Entsch. v. 25.07.1986, 794 F.2d 1490 US Court of Appeals, 9th Circuit, In Re Grand Jury Proceedings, Entsch. v. 05.05.1987, 817 F.2d 1108 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Entsch. v. 11.09.1987, Amerada Hess v. Argentine Republic, 830 F.2d 421 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Martin v. Republic of South Africa, Entsch. v. 29.12.1987, 836 F.2d 91 US Court of Appeals, 9th Circuit, Helen Liu v. The Republic of China, Entsch. v. 29.12.1989, 892 F.2d 1419 US Court of Appeals, 9th Circuit, Chuidian v. Philippine National Bank, Entsch. v. 29.08.1990, 912 F.2d 1095 US Court of Appeals, 11th Circuit, Nelson v. Saudi Arabia, Entsch. v. 21.02.1991, 923 F.2d 1528 US Court of Appeals, 9th Circuit, Siderman de Blake and others v. The Republic of Argentina, Entsch. v. 22.05.1992, 965 F2d 699 US Court of Appeals, 9th Circuit, Agapita Trajano v. Ferdinand E. Marcos und Imee Marcos-Manotoc, Entsch. v. 21.10.1992, 978 F.2d 493 US Court of Appeals, 9th Circuit, Maximo Hilao et al. v. Estate of Ferdinand Marcos, Entsch. v. 16.06.1994, 25 F.3d 1467 US Court of Appeals, District of Columbia Circuit, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 01.07.1994, 26 F.3d 1166 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Doe v. Karadzic, Kadic v. Karadzic, Entsch. v. 13.10.1995, 70 F.3d 232 US Court of Appeals, 2nd Circuit, Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, Entsch. v. 26.11.1996, 101 F.3d 239 US Court of Appeals, 11th Circuit, United States of America v. Manuel Antonio Noriega, Entsch. v. 07.07.1997, 117 F.3d 1206 US Court of Appeals, 7th Circuit, Jacob Sampson v. Federal Republic of Germany and Claims Conference, Entsch. v. 23.05.2001, 250 F.3d 1145
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US Court of Appeals, 9th Circuit, Maria V. Altmann v. Republic of Austria et al., Entsch. v. 12.12.2002, 317 F.3d 954 US Court of Appeals, District of Columbia Circuit, Hwang Geum Joo et al. v. Japan, Entsch. v. 27.06.2003, 332 F.3d 679 US Court of Appeals, 7th Circuit, Wei Ye, Hao Wang et al. v. Jiang Zemin, Entsch. v. 08.09.2004, 2004 U.S. App. Lexis 18944 c) US District Courts US District Court, District of Columbia, Letelier v. Republic of Chile, Entsch. v. 11.03.1980, 488 F.Supp. 665 US District Court, District of Columbia, Mashayekhi v. Iran, Entsch. v. 10.06.1981, 515 F.Supp. 41 US District Court, S.D. New York, Juan Valderrama Rios, et al. v. Secretary of Labour F. Ray Marshal, et al., Entsch. v. 23.11.1981, 530 F.Supp. 351 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, Frolova v. Union of Soviet Republics, Entsch. v. 26.01.1983, 558 F.Supp. 358 U.S. District Court, W.D. Washington, Estate of Silme G. Domingo, et al. v. Ferdinand Marcos, et al., Entsch. v. 14.07. 1983, 1983 U.S. Dist. Lexis 20372 US District Court, E.D. New York, Filartiga v. Peña-Irala, Entsch. v. 10.01.1984, 577 F.Supp. 860 US District Court, District of Columbia, Kline v. Republic of El Salvador, Entsch. v. 12.03.1985, 603 F.Supp. 1313 US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 15.10.1985, 623 F.Supp. 246 US District Court, N.D. California, Republic of Philippines v. Marcos, Entsch. v. 10.02.1987, 665 F.Supp. 793 US District Court, S.D. New York, Carl Marks & Co., Inc., et al. v. Union of Soviet Republics, Entsch. v. 31.07.1987, 665 F.Supp. 323 US District Court, N.D. California, Forti v. Suarez Mason, Entsch. v. 06.10.1987, 672 F.Supp. 1531 US District Court, S.D. New York, Kline v. Kaneko, Paloma Cordero de la Madrid et al., Entsch. v. 03.05.1988, 685 F.Supp. 386 US District Court, W.D. Washington, Estate of Silme G. Domingo et al. v. Republic of Philippines, Entsch. v. 26.08.1988, 694 F.Supp. 782 US District Court, District of Columbia, Farag M. Mohammed Saltany et al. v. Ronald M. Reagan et al., Entsch. v. 23.12.1988, 702 F.Supp. 319 US District Court, District of Columbia, von Dardel v. Union of Soviet Socialist Republics, Entsch. v. 09.03.1990, 736 F.Supp. 1 US District Court, S.D. Florida, United States v. Noriega and others, Entsch. v. 08.06.1990, 746 F.Supp. 1506
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US District Court, District of Columbia, Herbage v. Meese, Entsch. v. 20.09.1990, 747 F.Supp. 60 US District Court, District of California, Denegri et al. v. The Republic of Chile and the Armed Forces of Chile, Entsch. v. 06.04.1992, 1992 U.S. Dist. Lexis 4233 US District Court, District of Columbia, Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 23.12.1992, 813 F.Supp. 22 US District Court, S.D. Florida, Evans Paul et al. v. Prosper Avril, Entsch. v. 10.10.1992, 812 F.Supp. 207 US District Court, E.D. New York, Lafontant v. Aristide, Entsch. v. 27.01.1994, 844 F.Supp 128 US District Court, S.D. Texas, Josephine Alicog et al. v. Kingdom of Saudi Arabia, et al., Entsch. v. 10.08.1994, 860 F.Supp. 379 US District Court, S.D. New York, Doe v. Karadzic, Kadic v. Karadzic, Entsch. v. 07.09.1994, 866 F.Supp. 734 US District Court, District of Massachusetts, Xuncax and others v. Gramajo; Ortiz v. Gramajo, Entsch. v. 12.04.1995, 886 F.Supp. 162 US District Court, District of Columbia, First American Corp. et al. v. Sheikh Zayed Bin Sultan Al-Nahyan, Entsch. v. 26.11.1996, 948 F.Supp. 1107 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, Jacob Sampson v. Federal Republic of Germany, Entsch. v. 10.09.1997, 975 F.Supp. 1108 US District Court, S.D. Florida, Alejandre v. Republic of Cuba, Entsch. v. 17.12.1997, 996 F.Supp. 1239 US District Court, District of Columbia, Flatow v. Islamic Republic of Iran, Entsch. v. 11.03.1998, 999 F.Supp. 1 US District Court, Central District of California, John Doe I, et al. v. Unocal Corp., et al., Entsch. v. 31.08.2000, 963 F.Supp. 880 US District Court, District of Columbia, Hwang Geum Joo et al. v. Japan, Entsch. v. 04.10.2001, 172 F.Supp. 2d 52 US District Court, S.D. New York, Tachiona v. Mugabe, Entsch. v. 30.10.2001, 169 F.Supp. 2d 259 US District Court, E.D. New York, Garb v. Republic of Poland, Entsch. v. 24.06. 2002, 207 F.Supp. 2d 16 US District Court, S.D. New York, Smith and others v. The Islamic Emirate of Afghanistan, The Taliban, Al Quaida, Saddam Hussein, The Republic of Iraq, Entsch. v. 17.05.2003, 262 F.Supp. 2d 217 US District Court, N.D. Illinois, Hafsat Abiola et al. v. Gen. Abdusalami Abubakar, Entsch. v. 27.06.2003, 267 F.Supp. 2d 907 US District Court, N.D. Illinois, Eastern Division, Wei Ye, Hao Wang et al. v. Jiang Zemin, Entsch. vom 12.09.2003, 282 F.Supp. 2d 875
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US District Court, District of Columbia, John Doe I et al. v. State of Israel et al., Entsch. v. 10.11.2005, 400 F. Supp. 2d 86 d) State Courts US Supreme Court of California, Sei Fuji v. State of California, Entsch. v. 17.04.1952, 242 P.2d 617 District Court of Hawai, 1st Circuit, Chong Boon Kim v. Kim Yong Shik and David Kim, 09.09.1963, 58 AJIL 186 (1964) US Court of Appeal of California, White v. County of Orange, Entsch. v. 22.03.1985, 166 Cal. App.3d 566 US Supreme Court of New York, New York County, Kline et al. v. Kaneko et al., Entsch. v. 31.10.1988, 141 Misc. 2d 787
Materialienverzeichnis I. Internationale Rechtsakte 1. Völkerrechtliche Verträge Convention concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre /Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges (IV. Haager Abkommen), 18.10.1907, in: Georg Fr. de Martens, Nouveau Recueil Général de Traités, Sér. 3, Tome III, S. 461 (1910) Charter of the United Nations, 26.06.1945, 15 UNCIO 335 Statute of the International Court of Justice, 26.06.1945, 15 UNCIO 355 Charter of the International Military Tribunal, 08.08.1945, 82 UNTS 284 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, 13.02.1946, 1 UNTS 15 Convention on the Punishment of the Crime of Genocide, 09.12.1948, 78 UNTS 277 European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, 04.11.1950, 213 UNTS 221 Vienna Convention on Diplomatic Relations, 18.04.1961, 500 UNTS 95 Vienna Convention on Consular Relations, 24.04.1963, 596 UNTS 261 International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, 07.03.1966, 660 UNTS 195 International Covenant on Civil and Political Rights, 16.12.1966, 999 UNTS 171 International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 16.12.1966, 993 UNTS 3 Convention on Special Missions, 08.12.1969, 8 ILM 73 (1969) Vienna Convention on the Law of Treaties, 23.05.1969, 1155 UNTS 331 American Convention on Human Rights, 22.11.1969, 9 ILM 673 (1970) European Convention on State Immunity and Additional Protocols, 16.05.1972, 11 ILM 470 (1972) Explanatory Report on the European Convention on State Immunity, ETS No. 074, abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, S. 35 Convention on the Prevention and Punishment of Crimes against Internationally Protected Persons, including Diplomatic Agents, 14.12. 1973, 1035 UNTS 167 African Charter on Human and Peoples’ Rights, 26.06.1981, 21 ILM 59 (1982)
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Materialienverzeichnis
Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, 10.12.1984, 1465 UNTS 85 Rome Statute of the International Criminal Court, 17.07.1998, 2187 UNTS 3 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property, 2.12.2004, Doc. A/RES/59/38 (noch nicht in Kraft)
2. Sonstige internationale Materialien Statut de l’Institut de Droit international, 10.09.1873, veröffentlicht unter: http://www. idi-iil.org/idiF/statuts_fr.PDF (05.12.2005) Potsdam Declaration, 26.07.1945, 13 Department of State Bulletin 153 (1945), auch abgedruckt in: 3 Bevans 1207 Universal Declaration on Human Rights, 10.12.1948, GA Res. 217 A (III), United Nations, General Assembly, Official Record of the third Session of the General Assembly, part I, Resolutions, UN Doc. A/810, S. 71 ILC, Fifth Report on the Law of Treaties, Special Rapporteur Humphrey Waldock, Yb. ILC 1966, Bd. II, S. 1 ILC, Report of the International Law Commission on the work of its eighteenth session, 04.05.–19.07.1966, Yb. ILC 1966, Bd. II, S. 172 Final Act of the Conference on Security and Cooperation in Europe, 01.08.1975, 14 ILM 1292 (1975) Organization of American States, Inter-American Draft Convention on Jurisdictional Immunity of States, 21.01.1983, 22 ILM 292 (1983), auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 201, Ziff. 2.088 ILC, Report of the Commission to the General Assembly on the work of its forty-first session, Jurisdictional Immunities of States and their Property, Yb. ILC 1989, Bd. II, Teil 2, S. 102 Institut de Droit International, La protection des droits de l’homme et le principe de non-intervention dans les affaires intérieures des Etats, 13.09.1989, Annuaire Vol. 63, Tome II (2000), 338 ILC, Report of the International Law Commission on the work of its forty-third session, Doc. A/46/10 (29 April–19 July 1991), Jurisdictional Immunities of States and their Property, Yb. ILC 1991, Bd. II, Teil 2, Kap. II, S. 12 Institut de Droit International, Contemporary Problems Concerning the Immunity of States In Relations, 14th Commission, 02.09.1991, zitiert nach: Dickinson/Lindsay/ Loonam, State Immunity, 2004, S. 206, Ziff. 2.114 ff. Study Concerning the right to restitution, compensation and rehabilitation for victims of gross violations of human rights and fundamental freedoms, Second Progress Report submitted by Mr. Theo van Boven, Special Rapporteur, UN ESCOR, 45th Session, Annex, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1993/8 (1993)
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ILC, Revised Draft Articles for a Convention on State Immunity, 14.–20.08.1994, zitiert nach: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 194, Ziff. 2.078 ff. Committee against Torture, Consideration of Reports submitted by States Parties under Article 19 of the Convention, Second periodic reports of States parties due in 1995, Germany, 17.12.1996, U.N. Doc. CAT/C/29/Add.2 (1997) Committee against Torture, Consideration of Reports submitted by States Parties under Article 19 of the Convention, Second periodic reports of States parties due in 1995, New Zealand, 25.02.1997, U.N. Doc. CAT/C/29/Add.4 (1997) ILC, Report of the Working Group on Jurisdictional Immunities of States and their Property, 51st Session, 03.05.–23.07.1999, Annex, UN Doc. A/CN.4/L.576, 56 ff. (1999) Commission on Human Rights, Civil and Political Rights, Including the Questions of Independence of the Judiciary, Administration of Justice, Impunity, Annex, Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation of Victims of Violations of International Human Rights and Humanitarian Law, 18.01.2000, U.N. Doc. E/CN.4/2000/62, 5 ff. Committee Against Torture, Consideration of Reports submitted by States Parties under Article 19 of the Convention, Initial Reports of States Parties due in 1995, 15.10.1999, United States of America, 09.02.2000, U.N. Doc. CAT/C/28/Add.5 (2000) Convention on Jurisdictional immunities of States and their property, Report of the Secretary-General, 15.08.2000, UN Doc. A/55/298 (2000) Institut de Droit International, Session of Vancouver, 26.08.2001, Immunities from Jurisdiction and Execution of Heads of State and of Government in International Law, 13th Commission, Rapporteur Joe Verhoeven, Annuaire vol. 69, Tome I (2000), 742, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 212, Ziff. 2.122 ILC, Draft Articles on the Responsibility of States for internationally wrongful acts adopted by the Drafting Committee on second reading, 53rd session, 23.04.–1.06./ 2.07.–10.08.2001, UN-Doc. A/CN.4/L.602/Rev. 1 (2001) Kommentierung: Doc. A/56/10, 63 ff. (Supp.) (2001), auch abgedruckt von: Crawford (Hrsg.), The International Law Commission’s Articles on State Responsibility: Introduction, Text and Commentaries, Cambridge 2002 Ad Hoc Committee on Jurisdictional Immunities of States and their Property, Annex II, Understandings with respect to certain provisions of the draft articles, 24.– 28.02.2003, A/AC.262/L.4/Add.2 (2003), auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/ Loonam, State Immunity, 2004, S. 179, Ziff. 2.048 Brief of Amicus Curiae the European Commission in support of neither party, in dem Fall: Jose Francisco Sosa, Petitioner, v. Humberto Alvarez-Machain, et al., Respondents, On writ of Certiorari to the United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, 23.01.2004, 2003 U.S. Briefs 339, 1
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II. Nationale Gesetzgebung und weitere nationale Dokumente Digesten: D.1.18 (De officio praesidis), zitiert nach: Okko Behrends/Rolf Knütel/Berthold Kupisch/Hans Hermann Seiler (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Bd. II, Digesten 1–10, Heidelberg 1995 Alien Tort Statute, 24.09.1789, 28 U.S.C. § 1350 Letter of Acting Legal Adviser, Jack B. Tate, to Department of Justice, 19.05.1952, 26 Department of State Bulletin 984 (1952) Suggestion of Interest submitted on behalf of the United States, District Court, 1st Circuit, State of Hawai, Chong Boon Kim v. Kim Yong Shik and David Kim, 09.09.1963, 58 AJIL 186 (1964) US, Foreign Sovereign Immunities Act, 21.10.1976, 28 USC §§ 1602–1611, auch abgedruckt in: 15 ILM 1388 (1976) US, House Report (Judiciary Committee) No. 94-1487, 09.09.1976, H.R. Rep. 94-1487, 1976 U.S.C.C.A.N. 6604 UK State Immunity Act, 20.07.1978, 17 ILM 1123 (1978), auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 329, Ziff. 4.001 ff. Singapore State Immunity Act, 26.10.1979, zitiert nach: Badr, State Immunity, Appendix IV, S. 203, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 504, Ziff. 5.105 ff. US: Memorandum for the United States submitted to the Court of Appeals for the Second Circuit in Filartiga v. Peña-Irala, 29.05.1980, 19 ILM 585 (1980) Pakistani State Immunity Ordinance, 11.03.1981, zitiert nach: Badr, State Immunity, Appendix V, S. 211, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 496, Ziff. 5.085 ff. South African Foreign States Immunities Act, 20.11.1981, zitiert nach: Badr, State Immunity, 1984, Appendix VI, S. 219, auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/ Loonam, State Immunity, S. 513, Ziff. 5.125 ff. Act to provide for State Immunity in Canadian Courts, 03.06.1982, 21 ILM 798 (1982), auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 488, Ziff. 5.067 ff. Australian Foreign Sovereign Immunities Act 1985, 01.04.1986, 25 ILM 715 (1986), auch abgedruckt in: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 469, Ziff. 5.021 ff. Senate of the United States, Advise and consent to the ratification of the UN Convention against Torture with reservations, 27.10.1990, 12 HRLJ 276 (1991) Torture Victim Protection Act, 12.03.1992, Pub L 102–256, 106 Stat. 73 United States: Senate Committee on Foreign Relations Report on the International Covenant on Civil and Political Rights, 30.01.1992, 31 ILM 645 (1992) A Bill to amend title 28, H.R. 934, 103rd Cong. 1st Session, Version 1, 18.02.1993, siehe auch: ASIL Proceedings 1994, 516
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An Act to amend title 28, H.R. 934, 103rd Cong., 2nd Session, Version 4, 13.10.1994 Inmunidad Jurisdicional de los Estados Extranjeros ante los Tribunales Argentinos, Ley No 24.488, 22.06.1995, zitiert nach: Dickinson/Lindsay/Loonam, State Immunity, 2004, S. 461, Ziff. 5.001 ff. Antiterrorism and Effective Death Penalty Act of 1996, 24.04.1996, Pub. L. No. 104– 132, 110 Stat. 1214 (1996), auch abgedruckt in: 36 ILM 759 (1997) Civil Liability for Acts of State Sponsored terrorism, 30.09.1996, Pub.L. 104–208, § 589, 110 Stat. 3009 Agreement between the Government of the United States of America and the Government of the Federal Republic of Germany Concerning Final Benefits of Certain United States Nationals Who Were Victims of National Socialist Measures of prosecution, 19.09.1995, 35 ILM 193 (1996) Statement on Signing the Omnibus Consolidated and Emergency Supplemental Appropriations Act, 23.10.1998, zitiert nach: 93 AJIL 185 f. (1999) Belgium: Lois relative à la répression des violations graves de droit international humanitaire, 10.02.1999, 38 ILM 918 (1999)
Internetseiten England and Wales Court of Appeal (Civil Division) Decisions http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2004/1394.html (15.04.2005) Council of Europe – Treaty Office http://conventions.coe.int/ (28.02.2005) Human Rights Watch http://www.hrw.org/press/2002/12/habre1205.htm (02.08.2004) Institut de Droit International http://www.idi-iil.org/ (05.12.2005) Ontario Courts http://www.ontariocourts.on.ca (22.04.2005) Rome Statute of the International Criminal Court http://untreaty.un.org/ENGLISH/bible/englishinternetbible/partI/chapterXVIII/ treaty10.asp (22.04.2005)
Sach- und Personenregister Abiola v. Abubakar 25, 225 Abubakar 25, 225 Act of State Doctrine 33, 236 Al Qaida 286 Al-Adsani-Fall – vor dem EGMR 152, 154, 171, 179, 196, 205, 252, 261, 266, 269 – vor den Gerichten des Vereinigten Königreichs 23, 122, 196 Alejandre v. Republic of Cuba 193 Alicog v. Kingdom of Saudi Arabia 215 Alien Tort Statute (ATS) 32, 184, 212, 234 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) 26, 91, 143, 145 Altmann-Fall 39, 209, 210 Amerada-Entscheidung 140, 184, 185, 197, 274, 275 American Law Institute (ALI) 42, 121 Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) 27 Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act (AEDPA) 192, 274, 285 Aristide 99, 214 Auditor-General v. Sir Ronald Davison 200, 203 Außenminister 59, 66, 221, 222, 230, 237 Australian Foreign States Immunities Act 47, 63, 122 Avril 225 Bankovic´ v. Belgium 177 Barcelona Traction-Entscheidung 238, 240, 242 Berizzi Brothers Company v. Steamship Pesaro 37
Bin Laden 286 Botschaftskonto-Fall 93 Bouzari v. Islamic Republic of Iran 86, 88, 157, 158, 166, 198 Bynkershoek, Cornelius van 118 Caire-Fall 110 Canadian State Immunity Act 46, 63, 122 Carter 235 Charming Betsy-Prinzip 188 Chuidian v. Philippine National Bank 96 comity 34, 39, 43, 209, 210 Congreso Del Partido-Entscheidung 83 Convention on Special Missions 67, 68 Denegri v. Chile 141, 185 Diplomatenschutzkonvention 140, 141 Diplomatic Privileges Act 62, 135 Distomo-Fall 24, 76, 89, 181, 291 – Entscheidung des Aeropags 90 – Entscheidung des LG Livadia 90 – rückwirkende Anwendbarkeit von Immunitätsregeln 210 – Vollstreckungsverfahren 52, 163, 165 – vor dem Areopag 123, 201 – vor dem BGH 126, 202, 210 – vor dem EGMR 169, 207 – vor dem LG Livadia 201, 252, 273 – vor dem Obersten Sondergericht Griechenlands 201 Doe v. Unocal 85 East Timor-Fall 249 Eastern Greenland-Fall 59 effective remedy-Klauseln 156
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Sach- und Personenregister
Entschädigungsabkommen 291 erga omnes-Verpflichtungen 130 – Abgrenzung 238 – Menschenrechte 240 – Rechtsfolgen 241, 268 estoppel 279 Europäische Menschenrechtskommission 173 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 27, 72, 152, 168 Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität (EÜStI) 46, 127
– Ausgangspunkt der Qualifikation 80 – Natur der Handlung 82 – Zweck der Handlung 82 handlungsbezogene Immunitätsausnahme 79 Heizungsreparatur-Fall 80 Helsinki Accords 139 Helsinki Übereinkünfte (Helsinki Accords) 139 Herbage v. Meese 97 Holland v. Lampen-Wolfe 41, 174 Holocaust 186, 188, 191, 291
Falun Gong 226, 237 Ferrini-Fall 202, 210 Filartiga-Fall 25, 198, 213, 234, 248 Flatow-Fall 194, 285 Folterkonvention 147, 157 Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) 39, 46, 73, 76, 85, 95, 96, 119, 139, 184, 190, 191, 208 Forumstaatsdelikte 31, 114 Frolova v. USSR 139 Furundzija-Fall 205, 245, 257, 267
ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit 109, 239, 247, 250, 270 Immunitätstheorie – absolute 47 – restriktive 48, 121, 127, 129, 275 Immunitätsverzicht 73, 232, 276 – Anforderungen 73 – durch Verletzung von Menschenrechten 273 – Gerichtsverfahren 75 – völkerrechtlicher Vertrag 77 Implizite Immunitätsausnahmen aus Verträgen 137 Inkorporierung völkerrechtlicher Verträge in das nationale Recht 137 Institut de Droit International (IDI) 65, 66, 111, 219, 229 International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (ICTY) 32, 205, 251, 257, 267 internationale Zuständigkeit 33 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) 163, 176 Internationaler Strafgerichtshof (IStGH) 78, 218, 292 Interventionsverbot 56, 246 ius cogens 205, 218, 219, 239, 252 – Ausgleich zwischen Menschenrechten und Staatenimmunität 263 – automatischer Derogationseffekt 266
Gegenmaßnahme (Repressalie) 250, 277, 283 – local remedies rule 287 – self-contained régime 283 – Verhältnismäßigkeit 288 – Voraussetzungen 285 Genfer Konventionen 222, 247 genuine link 30 Ghaddafi-Fall 217 Grundsatz der souveränen Staatengleichheit 55, 262 Haager Landkriegsordnung 90, 142 Haftbefehls-Fall 41, 45, 62, 66, 67, 93, 106, 222, 230, 258 Handlungen iure imperii – Handlungen iure gestionis – Abgrenzung 80
Sach- und Personenregister – Entwicklung einer prozessualen ius cogens-Regel 270 – Güterabwägung 264 – impliziter Immunitätsverzicht 274 – Naturrecht 256, 272 – Normenhierarchie 255 – prozessuales Durchsetzungsrecht 267 – Quelle 253 – Vorrang der Menschenrechte 260 – WVRK 89, 254, 257, 258, 261, 267, 270 Jaffe v. Miller 101, 233, 236 Jiang Zemin 226 Jimenez v. Aristeguieta 107 Jones v. Ministry of the Interior 25, 174, 233 Joo v. Japan 142, 189, 208 Jurisdiktion – Definition 30 – Verhältnis zur Staatenimmunität 44 Kadic v. Karadzic 215 Karadzic 215 Kuwait-Airways-Fall 117 Lafontant v. Aristide 99, 214 Lauterpacht 42, 81, 87 Letelier v. Republic of Chile 24, 114, 119, 200 Liu v. Republic of China 100, 120 local remedies rule 33 Lotus-Fall 256 Marcos-Entscheidungen 95, 98, 99, 224 McElhinney-Fall 124 McLeod-Fall 95, 116 Mobuto 65 Mofaz 221 Mugabe 25, 216 Nelson-Fall 79, 85, 186, 196 Nicaragua-Fall 243
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Noriega-Fall 217 Nürnberger Militärtribunal 90, 93, 256 Olsen v. Government of Mexico 120 Oscar Chinn-Fall 257 Pakistani State Immunity Ordinance 46, 63, 123 Parlement Belge 40 Paul v. Avril 225 Personalitätsprinzip 31 Pinochet-Rechtsprechung – dritte Pinochet-Entscheidung 88, 104, 135, 148, 233, 261 – erste Pinochet-Entscheidung 103, 228, 280 – zweite Pinochet-Entscheidung 104 Potsdamer Erklärung 142 Princz-Fall 142, 186, 274, 276, 280, 284 Propend v. Singh 101, 122 Recht auf Zugang zu einem Gericht 165, 169 Regierungschefs 59, 237 Repressalie siehe Gegenmaßnahme (Repressalie) 283 Republic of Mexico v. Hoffman 38 Restatement Third 32, 42, 121 Rom-Statut 77, 93, 218, 223, 292 Rückwirkende Anwendbarkeit von Immunitätsregeln 207 Saltany v. Reagan 221 Sampson-Fall 188 Schooner Exchange 36, 44, 53, 57, 67, 115 Sharon 147, 216, 219 Siderman v. Argentina 23, 76, 185 Singapore State Immunity Act 46, 63, 122 Soehring-Entscheidung 153, 255 Sosa v. Alvarez Machain 31
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Sach- und Personenregister
South African Foreign States Immunities Act 122 South-West Africa-Fall 239 souveräne Staatengleichheit 261 Spionage 112, 136 Staatenwürde 53 Staatsoberhäupter 59, 60, 237 – amtierende 214 – ehemalige 224 – Familienmitglieder 65 state sponsor of terrorism 193, 194, 196 suggestion of immunity 38, 63, 65, 67, 214, 216, 221, 224 Tachiona v. Mugabe 25, 99, 216, 221 Tate letter 38, 48, 208 Teheraner Geisel-Fall 260, 283 Territorial-Nexus-Ausnahme 114, 203 Thatcher 221 The Cristina 40 Torture Victim Protection Act (TVPA) 212 UK State Immunity Act 46, 50, 62, 104, 122, 135, 197, 210 UN-Charta 26, 91, 139, 143, 144, 247 UN Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property 47, 73, 77, 82, 128 Vattel, Emer de 54, 60 Verteidigungsminister 68, 235
Verwirkung 277 – allgemeiner Rechtsgrundsatz 279, 280 – verwirkbare Rechtsposition 281 Völkermordkonvention 146 völkerrechtswidriges Handeln als nichtamtlich 97, 102, 106, 108 völkerrechtswidriges Handeln als nichthoheitlich 89 von Dardel-Fall 140, 141, 145, 183, 185, 211 Weltrechtsprinzip 31, 248 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) 61, 140 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) 61 Wirkungsprinzip 31, 130 Wolff, Christian 54 Xuncax v. Gramajo 98, 235 zentrale Staatsorgane des Völkerrechtsverkehrs – Abgrenzung 59, 213 – amtierende 214, 221, 223 – ehemalige 224, 230, 231 – handlungsbezogene Immunitätsausnahme 99 – Inhalt und Grundlagen der Immunität 60, 66