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German Pages [160] Year 2010
Grundwissen Erziehungswissenschaft Die Reihe „Grundwissen Erziehungswissenschaft“ stellt Studierenden, Lehrenden und pädagogisch Interessierten den disziplinären Wissensbestand der Erziehungswissenschaft für Studium, Selbststudium und Lehre bereit. In klarer Orientierung am Kerncurriculum der Erziehungswissenschaft der DGfE bilden die Themen der Einzelbände zusammen, systematisch gegliedert, das theoretische Wissen, über das Studierende am Ende Ihres Studiums verfügen sollten. Die gut verständlichen Texte sind auf neuestem Stand der Forschung und wurden in Lehrveranstaltungen praktisch eingesetzt und gemeinsam mit Studierenden auf ihre Studientauglichkeit hin geprüft. Ein übersichtliches Layout mit leitenden Begriffen in der Randspalte erleichtert den Zugang. Jedes Kapitel enthält am Ende kommentierte Literaturhinweise sowie einen kurzen Überblick über das, was der Leser gelernt haben sollte.
Herausgeber: Lothar Wigger, Universität Dortmund Peter Vogel, Universität Dortmund
Gaby Flösser und Melanie Oechler
Einführung in die Theorie der sozialpädagogischen Dienste
Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim
Für Manuela und Anton
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Bestellnummer 15498-3 Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2010 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Katharina Gerwens-Hummel, München Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-17526-0 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-70869-7 eBook (epub): 978-3-534-70870-3
Inhalt Vorwort
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A Aktuelle Herausforderungen für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Einführung in ein unübersichtliches Themengebiet . . . . . . 1.1 Sozialpädagogische Dienste im gesellschaftlichen Spannungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Fürsorgliche Belagerung oder Garant sozialer Teilhabe? . B Theorien und Konzepte
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung . . . . . . . 2.1 Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste und ihre disziplinäre Verortung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Theoretische Referenzpunkte für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste . . . . . . . . . . . . . . .
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C Strukturelemente einer Theorie sozialpädagogischer Dienste
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3 Sozialpolitische Entwicklungslinien . . . . . . . . . . . . . . 3.1 „Hospitäler, Bewahranstalten und Strickschulen – die Institutionalisierung organisierter Hilfen für junge Menschen und ihre Familien“ . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Arbeiter- und Armenpolitik – die Anfänge staatlicher Fürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik . . . . . . 4.1 Wohlfahrtspluralismus und Korporatimus – Phasen der Bürokratisierung und Verrechtlichung . . 4.2 Solidarität und Subsidiarität – Normative Grundlagen des Sozialstaats . . . . . . . . 4.3 Jenseits des Sozialstaats – Sozialpädagogische Dienste im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 Sozialpädagogische Dienste im Wandel . . . . . . . . . . . . 6.1 Organisationstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Organisation sozialpädagogischer Dienste . . . . . . . . . 5.1 Jugendämter, Sozialämter und Gesundheitsämter – Soziale Arbeit und Bürokratie . . . . . . . . . . . . . 5.2 Vereine, Verbände, privat-gewerbliche Unternehmen – freie Träger der Sozialen Arbeit . . . . . . . . . . . . 5.3 Selbsthilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
6.2 Von der Organisation sozialpädagogischer Dienste zum New Public Management . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Qualität und Wirkungen sozialpädagogischer Dienste . . 7 Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste . . . . 7.1 Von angeleiteter Tätigkeit zur Verberuflichung . . . 7.2 Akademisierung und Verwissenschaftlichung der Sozialen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Professionelle in sozialpädagogischen Diensten oder professionelle sozialpädagogische Dienste? . . . . 8 Professionelles Handeln in den sozialpädagogischen Diensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Das doppelte Mandat – Hilfe und Kontrolle . . . 8.2 Die helfende Beziehung . . . . . . . . . . . . . 8.3 Denn sie wissen (nicht), was sie tun!? – Die Methodenfrage . . . . . . . . . . . . . . .
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9 Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick . . . . 9.1 Kindertagesbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Hilfen zur Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit . . 9.4 Allgemeine Beratungs- und Unterstützungsangebote
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11 Reflexive Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Forschungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste – ein Forschungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10 Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten . 10.1 Arme und Abweichende – Repression und Disziplinierung . . . . . . . 10.2 Max und Erika Mustermann – Normalität und Entgrenzung . . . . . . . . . 10.3 Kunden und Könige – Konsum und Investment 10.4 Forschungsbefunde . . . . . . . . . . . . . . D Sozialpädagogische Dienste und Wissenschaft
Literaturverzeichnis Register
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Vorwort Der vorliegende Band richtet sich an Studierende der Erziehungswissenschaft, die sich einen Überblick über das Studienprofil der Sozialen Arbeit verschaffen wollen. Da die Soziale Arbeit sich seit ihren Anfängen immer weiter ausdifferenziert und neue Handlungsfelder erschlossen hat, wäre es vermessen, einen Gesamtüberblick über diese Teildisziplin der Erziehungswissenschaft geben zu wollen. Wir waren von daher gezwungen, eine Fokussierung vorzunehmen und eine Auswahl über die anzusprechenden Teilaspekte zu treffen. Diese Entscheidungen sind zugunsten eines speziellen Handlungsfeldes und einem theoretischen Zugang gefällt worden. Das Buch befasst sich im Schwerpunkt mit denjenigen sozialpädagogischen Leistungen, die für Kinder, Jugendliche und ihre Familien entwickelt worden sind. Das Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe ist einer der ältesten sozialpädagogischen Arbeitsfelder und stand immer im besonderen Interesse auch der wissenschaftlichen Beobachtung. Deshalb sind der Forschungsstand und die künftigen Forschungsbedarfe an diesem Handlungsfeld besonders gut ablesbar. Auch ist die sozialpädagogische Analyse und Erklärung der Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen eng mit der disziplinären Entwicklung der Erziehungswissenschaft verbunden, während andere Handlungsfelder auf differente disziplinäre Zugänge angewiesen sind. Das Buch bündelt das wissenschaftliche Basiswissen der sozialpädagogischen Disziplin in dem Schwerpunkt der Kinder- und Jugendhilfe. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass professionelles sozialpädagogisches Handeln immer in sozialpädagogischen Organisationen stattfindet. Deshalb haben wir auf die besonderen Anforderungen, die sozialpädagogischen Dienste mit sich bringen, einen Schwerpunkt gelegt. Gleichwohl diese Veröffentlichung als „Einführung in die Theorie sozialpädagogischer Dienste“ betitelt ist, gibt es die Theorie sozialpädagogischer Dienste nicht und auch eine subjektiv geprägte Auswahl von Theorien der Sozialen Arbeit würde unserem Anliegen nicht gerecht. Im Zentrum steht eine Darstellung dessen, was zu einer Theorie sozialpädagogischer Dienste aus erziehungswissenschaftlicher Sicht gehört und was zu einer Theorie der sozialpädagogischen Dienste gehören könnte. In diesem Sinn werden die konstitutiven Strukturelemente Sozialer Arbeit erörtert, grundlagentheoretisch aufgearbeitet und mit empirisch gesicherten Ergebnissen dargestellt. Die dargestellten Wissensbestände und Befunde bündeln das Reflektionswissen der Profession Sozialer Arbeit, sie stellen keine Rezepte oder Handlungsanleitungen dar. Anordnung, Auswahl und Akzentuierung der im Buch behandelten Themen sind das Ergebnis von pragmatischen Entscheidungen, die nicht zuletzt durch den vorgegebenen Umfang umgrenzt wurden. Zum gezielten Auffinden von Themen und Publikationen soll der im Anhang enthaltene Sachindex sowie das Literaturverzeichnis dienen. Themenbezogene Literaturhinweise finden sich jeweils nach den einzelnen Kapiteln.
A Aktuelle Herausforderungen für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste 1 Einführung in ein unübersichtliches Themengebiet Das vorliegende Buch will einen Überblick über die relevanten Dimensionen für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste geben. Wir begeben uns damit auf unsicheres Terrain, denn anders als etwa für „Einführungen in die Sozialpädagogik“ (vgl. MOLLENHAUER 1964; THOLE 2002a; HAMBURGER 2003) liegen Versuche einer Systematisierung des Erkenntnisstandes bezogen auf sozialpädagogische Dienste bislang nicht vor. Unbestritten ist jedoch, dass die disziplin- oder professionsorientierten „Einführungen in die Sozialpädagogik“ ebenso wie allgemein organisationstheoretisch inspirierte „Theorien sozialer Dienste“ (HEINZE/OLK/EVERS 2010) wertvolle Erkenntnisse bündeln, die eine „Einführung in eine Theorie sozialpädagogischer Dienste“ fundieren. Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste ist deshalb zwangsläufig interdisziplinär anzulegen. Sozialpädagogische Dienste stellen in unserem Verständnis einen Unterfall der sozialen Dienste dar. Für diese Einführung lenken wir unseren Blick also auf die sozialen Dienste, in denen die Handlungsorientierungen „Beratung“, „Erziehung“, „Förderung“, „Begleitung“ und „Fürsorge“ oder allgemeiner „Hilfe“ dominierend sind. Diese sozialen Dienstleistungen werden komplementär zu privaten, individuellen (informellen) Anstrengungen zur Daseinsvorsorge mit dem Ziel der individuellen und kollektiven Sicherung gewisser (Mindest-)Standards der Lebensqualität erbracht. Innerhalb des Gesamtspektrums gesellschaftlicher Wohlfahrt, das über die Sektoren der marktwirtschaftlich, staatlich sowie haushaltsbezogen organisierten Produktion und Konsumtion von Gütern und Dienstleistungen erfasst wird, gelangen so auch die intermediären Produzenten sozialer Unterstützungsleistungen, u.a. die sozialpädagogischen Dienste, in den Blick. Das Unterfangen, Elemente einer Theorie sozialpädagogischer Dienste zu formulieren, ist zudem vermessen, denn die sozialpädagogischen Dienste sind keine konstanten Gebilde, die sich einfach bilanzieren ließen, sondern ständigen Wandlungen, ja sogar Auflösungen und Neugründungen unterworfen. Sie variieren im Zuge zeitgeistspezifischer Interpretationen des Sozialen, die sich in den gesetzlichen Grundlagen für die sozialen Dienste, in sozialpolitischen Programmatiken, Menschenbildern und methodischem Repertoire u.v.m. niederschlagen. Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste ist deshalb auf die Analyse ihrer Kontextbedingungen verwiesen. Da hierdurch der Blick auf Phänomene, die die gesellschaftliche Produktion des Sozialen beeinflussen, stark geweitet wird, haben wir gleichzeitig eine Eingrenzung des von uns beobachteten Gegenstandsbereichs vorgenommen: Genauer in den Blick genommen werden sozialpädagogische Dienste für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Sektoral oder handlungsfeldbezogen meint dies, dass soziale Dienste, die im Feld der Kinder- und Jugendhilfe tä-
Kinder- und Jugendhilfe
10
Einführung in das Themengebiet
tig sind, besondere Beachtung finden. Die Kinder- und Jugendhilfe erscheint uns dabei als ein gut geeignetes Arbeitsfeld, um aus der Beobachterperspektive die sozialpädagogischen Dienste zu analysieren, widmet sich doch ein Großteil der Anstrengungen in der sozialpädagogischen Forschung und Theoriebildung genau diesem Bereich (vgl. RAUSCHENBACH/THOLE 1998). Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass die Kinder- und Jugendhilfe durchaus prototypisch für andere Handlungsfelder Geltung beansprucht. In ihrer historischen Entwicklung, ihren Institutionalisierungsformen wie auch in den Herausforderungen für die zukünftige Gestaltung der sozialpädagogischen Dienste können danach typische, für die Sozialpädagogik konstitutive Strukturen, benannt werden, die generalisierbar auch für andere soziale Dienste sind. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass neben Übereinstimmungen auch eine Vielzahl von Unterschieden zu den sozialen Diensten, die in anderen Arbeitsfeldern aktiv sind, bestehen. Die funktionale Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Subsysteme produziert systemspezifische Binnenrationalitäten, die etwa die sozialen Dienste innerhalb des Gesundheitswesens von anderen unterscheidbar machen. Die nachfolgende Heuristik verdeutlicht in diesem Sinne die zentralen Strukturelemente, die für eine Theoriebildung, die die sozialpädagogischen Dienste in den Mittelpunkt stellt, zentral sind: Strukturelemente Sozialer Arbeit
Abb.1: Strukturelemente einer Theorie sozialpädagogischer Dienste
Die Frage nach einer angemessenen Berücksichtigung dieser Strukturelemente bei der Produktion sozialer Dienstleistungen stellt eine der zentralen Herausforderungen für die sozialpädagogischen Dienste und ihre Theoriebildung dar. Auf der Grundlage dieses analytischen Rahmens sollen deshalb im Folgenden zentrale Diskussionen, die eine aktuelle Standortbestimmung der sozialpädagogischen Dienste begleiten, systematisch aufbereitet werden. Dabei geraten sowohl die einzelnen Eckpunkte als auch die Relationen zwischen den einzelnen Strukturelementen in das Zentrum der Theoriebildung.
Einführung in das Themengebiet
1.1 Sozialpädagogische Dienste im gesellschaftlichen Spannungsfeld Das 20. Jahrhundert wird oft als das „sozialpädagogische Jahrhundert“ (THIERSCH 1992; RAUSCHENBACH 1999) beschrieben. Als Belege für diese Zeitdiagnose werden vor allem überdurchschnittliche quantitative Wachstumsraten der sozialen Dienste, des beschäftigten Personals (jeweils verglichen mit anderen gesellschaftlichen Produktionsbereichen, vgl. z.B. RAUSCHENBACH 1992a; ZÜCHNER 2007), der von sozialpädagogischen Diensten erreichten Adressatinnen und Adressaten oder der Bedeutungszuwachs sozialpädagogischer Themen in der Öffentlichkeit herangezogen. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint sich dieser Trend erst einmal fortzusetzen, obwohl der Sozialstaat und mit ihm auch die Sozialpädagogik seit nunmehr gut einem Vierteljahrhundert in einer Art Dauerkrise verhaftet zu sein scheinen. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Die erfolgreiche mediale Vermarktung pädagogischer und sozialpädagogischer Themen (wie z.B. durch Fernsehsendungen wie „Super Nanny“ oder „Teenager außer Kontrolle“) deuten darauf hin, dass das Geschäft mit der Erziehung und der gesellschaftlichen Integration schwieriger geworden ist. Gleichzeitig werden die Aufgabenstellungen für eine gute Erziehung aus der familialen Privatsphäre herausgehoben und nunmehr öffentlich verhandelt, wodurch die Bedingungen der Möglichkeit gelingender Sozialisation ihrer Naturwüchsigkeit beraubt und mit Standards und Mindestanforderungen konfrontiert werden. Ohne schon an dieser Stelle eine vertiefende Analyse vornehmen zu wollen, sind es vor allem modernisierungstheoretische Überlegungen, in deren Zuge die unübersichtlichen Herausforderungen an Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, aber auch Therapeutinnen und Therapeuten, Ärztinnen und Ärzte oder die Polizei betont werden. In diesem Sinne formuliert der Philosoph Dieter Thomä in einem SPIEGEL-Gespräch unter der Überschrift: „Eltern sind Extremisten“:
„Das sozialpädagogische Jahrhundert“
Erziehung im Wandel
„Mit Bestimmtheit zu sagen, wie ,richtige Erziehung‘ heute aussehen soll, ist schwer, zu sehr hat die Modernisierung der Gesellschaft die Bedeutung von Familie und Elternhaus verändert, mischen sich Medien in die Pädagogik ein, definieren wirtschaftliche Anforderungen neu, wie lange Jugend dauert, was Reife bedeutet, welche Normen Bestand haben“ (THOMÄ 2001, S. 116).
Des Einen Freud‘, des Anderen Leid? Zumindest erweckt der zeitliche Zusammenfall der öffentlichen Diskurse über Werte, Normen und daraus abzuleitende (sozial)pädagogische Handlungsmuster mit der Expansion der sozialen Dienste den Eindruck, dass die Nöte von Laien und Professionellen, die mit Erziehungsprozessen befasst sind, für die Sozialpädagogik ein großes Geschäft darstellen. Je mehr Probleme, desto größer der Ruf nach sozialpädagogischen Interventionen und wenn man nicht erst warten will, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann ergeben sich schon antizipatorisch vielfältige Beschäftigungsoptionen mit den Risiken der modernen Gesellschaft. Der anhaltende Boom der Sozialpädagogik, das Geschäft mit der Unsicherheit, wird zumindest gegenwärtig auch politisch unterstützt: neue sozialpädagogische Dienste werden gefordert:
Das Geschäft mit der Unsicherheit
11
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Sozialpädagogische Dienste im gesellschaftlichen Spannungsfeld Kinderschutz
Kristina Köhler: „Wir werden den Kinderschutz in Deutschland umfassend stärken“ Bundesfamilienministerin gibt den Startschuss für ein umfassendes Kinderschutzgesetz Die Bundesregierung will den Schutz von Kindern in Deutschland umfassend und wirksam verbessern. Dazu wird die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kristina Köhler, ein Kinderschutzgesetz auf den Weg bringen, das Prävention und Intervention gleichermaßen stärkt. Auf Einladung von Kristina Köhler treffen sich morgen (Mittwoch, 27. Januar 2010) gut 50 Kinderschutz-Experten und -Expertinnen aus Ländern, Kommunen und von Fachorganisationen zu einem ersten Fachgespräch, um die Rahmenbedingungen für das neue Kinderschutzgesetz abzustecken. „Der Schutz unserer Kinder vor Misshandlungen und Vernachlässigung hat für mich höchste Priorität“, sagt Bundesfamilienministerin Kristina Köhler. „Ich werde ein Kinderschutzgesetz auf den Weg bringen, das den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Deutschland in einem umfassenden Sinne voranbringt. Das Fachgespräch ist der Auftakt für einen intensiven Austausch mit allen relevanten Akteuren. Nur gemeinsam können wir die Gesetzeslücken schließen, die unseren Kindern unendliches Leid zufügen und zum Tode führen können“, so Köhler weiter. Das neue Kinderschutzgesetz fußt auf den zwei Säulen: Prävention und Intervention. Prävention ist der beste Weg, um Kinder effektiv vor Gefährdungen zu schützen. In den letzten Jahren haben Bund, Länder und Kommunen gerade im präventiven Bereich wichtige Schritte für einen aktiven Kinderschutz unternommen. Hierzu zählen vor allem das Aktionsprogramm „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“, die Einrichtung des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen und die vielfältigen Anstrengungen und Programme in Ländern und Kommunen. Jetzt gilt es, die Nachhaltigkeit dieser Anstrengungen bundesweit zu sichern. Schwerpunkte der Säule „Prävention“ sind: Ein neuer Leistungstatbestand „Frühe Hilfen“ soll flächendeckend niederschwellige Unterstützungsangebote für Familien in belastenden Lebenslagen sicherstellen. Wir werden niederschwellige und frühe Hilfsangebote für Familien in belasteten Lebenslagen schaffen, noch während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Dazu zählt auch eine Verbesserung der Rechtsgrundlagen für Hebammen und Familienhebammen. Wir werden die Zusammenarbeit im Kinderschutz für alle damit befassten Berufsgruppen und Institutionen stärken und die Grundlagen für verbindliche Netzwerke schaffen. Alle kinder- und jugendnah Beschäftigten müssen in Zukunft ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, das über alle einschlägigen Straftaten auch im Bagatellbereich informiert. Auch die beste Prävention macht die Intervention nicht überflüssig – so wie auch bei bestem Brandschutz nicht auf die Feuerwehr verzichtet werden kann. Schwerpunkte der Säule „Intervention“ sind: Eine bundeseinheitliche Befugnisnorm zur Weitergabe von Informationen für Berufsgeheimnisträger. Sie soll die von Ärzten wiederholt geforderte Rechtssicherheit bei der Abwägung der Schweigepflicht von Berufsgeheimnisträgern erhöhen. Wir werden den staatlichen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung qualifizieren. Durch klare Vorgaben zu Handlungsbefugnissen und -pflichten werden wir mehr Handlungs- und Rechtssicherheit für die mit dem Kinderschutz befassten Professionen schaffen. So sorgen wir dafür, dass die Verantwortung, die auf ihren Schultern lastet, nicht zu groß wird. Mit einer Verpflichtung des bisher zuständigen Jugendamtes zur Übermittlung notwendiger Informationen an das Jugendamt am neuen Wohnort der Familie werden wir dem sog. „Jugendamts-Hopping“ wirksam begegnen. Denn manche Eltern, die das Wohl ihres Kindes nicht im Blick haben, versuchen sich dem Zugang des Jugendamtes durch Wohnortswechsel zu entziehen.
Einführung in das Themengebiet Bundesfamilienministerin Kristina Köhler will das neue Gesetz mit allem Nachdruck, aber auch mit der gebotenen Gründlichkeit, Sorgfalt und Umsicht in intensivem Austausch mit Ländern, Kommunen und der Fachwelt auf den Weg bringen. „Die SPD hat dem Kinderschutz mit ihrer Blockadehaltung in der vergangenen Legislaturperiode keinen guten Dienst erwiesen. Mit der Expertenrunde nehmen wir jetzt den Gesprächsfaden wieder auf. Gemeinsam mit Ländern und Kommunen, aber auch den Kinderschutz-Experten möchte ich einen Entwicklungsprozess in Gang setzen, an dessen Ende ein Gesetz steht, das uns hilft, die vorhandenen Lücken beim Kinderschutz zu schließen“, so Kristina Köhler. (Pressemitteilung von Bundesfamilienministerin Christiane Köhler zum Kinderschutz am 26.1.2010)
Als Indikatoren für den wachsenden Bedarf an sozialpädagogischen Diensten und Dienstleistungen werden in diesem Zusammenhang vor allem hervorgehoben: – gestiegene berufliche und regionale Mobilität, Beseitigung existentieller Risiken der Lohnarbeit infolge der Schaffung sozialstaatlicher Sicherungsund Steuerungssysteme, – gestiegener Bildungsstand bei gleichzeitiger Entkoppelung der Bildungsorganisationen von der ihnen gesellschaftlich zugemessenen Bedeutung von Ausbildung, – eine Ausweitung von Konkurrenzbeziehungen nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, – die gestiegene Erwerbstätigenquote, insbesondere ein Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit, – Zuwachsraten im Dienstleistungssektor, – das Entstehen einer „breiten Mittellage“ von Arbeitskräften, die sowohl qualifizierte Arbeiter als auch hochqualifizierte Angestellte und Beamte umfasst, – der Bedeutungsverlust nachbarschaftlicher und verwandtschaftlicher Beziehungen, – die Entwicklung von Kleinhaushalten als vorherrschende Lebensweise und damit verbunden die wachsende Isolation der (weiblichen) Hausarbeit, – die gestiegene Relevanz der Freizeit infolge von Arbeitszeitverkürzungen, – der gestiegene Lebensstandard und erweiterte Konsummöglichkeiten (vgl. PLUM 1990, S. 486). Indem sich die sozialpädagogischen Dienste durch vielfältige Aktivitäten diesen Folgen des gesellschaftlichen Wandels stellen, profitieren sie von den ansonsten allseits beklagten Risiken der modernen Gesellschaften. Ein zweiter Faktor, der das Gesicht der modernen westlich kapitalistischen Gesellschaften nachhaltig prägt, ist der demographische Wandel. „Nach der mittleren Variante der aktuellen 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird die Gesamtbevölkerung bis 2050 um etwa 9 Prozent zurückgehen und die Bevölkerung im Erwerbsalter voraussichtlich überproportional um 20 Prozent schrumpfen, während die Anzahl der über 65-Jährigen und der über 80-Jährigen um 54 Prozent bzw. 174 Prozent zunehmen wird. Deren Bevölkerungsanteil wird dann 29,6 Prozent bzw. 12 Prozent betragen“ (BMFSFJ 2005, S. 36).
Indikatoren des wachsenden Bedarf an sozialpädagogischen Diensten
Demographischer Wandel
13
14
Sozialpädagogische Dienste im gesellschaftlichen Spannungsfeld
Ausbau der Altenhilfe
Hier kumulieren Effekte, die aus der anhaltend niedrigen Geburtenzahl in Deutschland und der steigenden Lebenserwartung von Frauen und Männern resultieren. Aus den Prognosen der Bevölkerungsentwicklung bis 2050 wird ersichtlich, dass der demographische Wandel vor allem Konsequenzen für die familien- und arbeitsmarktpolitische Steuerung haben wird. Hierzu zählen z.B. Anreize zur Familiengründung und präventive Angebote zur Erhöhung der Anzahl der erwerbstätigen Personen (s. Abb.2). Die beiden zentralen sozialstatistischen Indikatoren, dass die Gesellschaft immer älter wird und zugleich schrumpft, produzieren ambivalente Stimmungen. Auch wenn gegenüber dem letzteren Indikator durchaus Vorbehalte angemeldet werden, da z.B. Migrationseffekte unterbelichtet bleiben, liegt auf der Hand, dass die Zunahme älterer Menschen in Deutschland auch ein Mehr an personenbezogenen Hilfe- und Unterstützungsleistungen bedingen. Während für den Indikator „Schrumpfung“ der Bevölkerung familienpolitische Maßnahmen gefordert werden, hängt die Art von sozialen Dienstleistungen (materielle, sach- oder personenbezogene), die künftig im Zentrum von Aus- und Umbaumaßnahmen in der Altenhilfe stehen, primär von den zugrunde liegenden Altersbildern ab: Wenn das Alter in erster Linie mit einer Abnahme der Lern-, Leistungs- und Adaptionsfähigkeit assoziiert wird, werden älteren Menschen kompensatorische Angebote gemacht werden müssen, die die Defizite der biografischen Phase des Alterns ausgleichen. Geht man dagegen von positiv besetzten Altersbildern aus, die die „Potenziale“ des Alterns betonen, so wird die zukünftige Generation älterer Menschen aufgrund einer voraussichtlich höheren Lebenserwartung, besseren Gesundheitszuständen, eines höheren Bildungsniveaus und einer materiell besser gestellten Situation vermehrten potenziellen Bedarf an Bildungs- und Freizeitangeboten haben. Angesichts des Wissens um und der Nutzung von Lern- und Bildungsarrangements wird durch selbständige und selbstverantwortliche Inanspruchnahme dieser Angebote einerseits die individuelle Lebensführung beeinflusst, andererseits wird ein aktiver Beitrag zum gesellschaftlichen Wohl dadurch geleistet, dass sich der wachsende Anteil älterer Menschen bürgerschaftlich engagiert. Auch wenn in der Öffentlichkeit gegenwärtig der Blick noch stark auf die Konsequenzen des demographischen Wandels für die Sozialversicherungssysteme, insbesondere die Renten- und Krankenversicherung, verengt ist, stehen wachsende Bedürfnisse nach begleitenden, motivierenden und unterstützenden Dienstleistungen auf der Tagesordnung. So fordert z.B. schon der Vierte Altenbericht der Bundesregierung: „Möglichkeiten der sozialen Partizipation und Integration sind im Alter von besonderer Bedeutung, wobei die jüngeren Alten noch stärker das Bedürfnis nach aktiver Partizipation haben, für die Hochaltrigen jedoch die Kompensation natürlicherweise reduzierter sozialer Kontakte und altersbedingten Rückzugs aus aktiver sozialer Partizipation im Vordergrund stehen muss. Dies schließt die Unterstützung familiärer, nachbarschaftlicher, wohlfahrtlicher und kultureller Angebote ein. Soziale Integration ist für die Lebenszufriedenheit alter Menschen mindestens so wichtig, wie die subjektive Gesundheit und der Einkommensstatus. Sie fördert kognitive Funktionen und die Kreativität der Hochaltrigen. Hochaltrige Menschen, die intensive Kontakte zu ihrer beruflichen Umwelt erhalten haben, können noch wertvolle wissenschaftliche und kulturelle Leistungen vollbringen“ (BMFSFJ 2002, S. 351f.).
Personen in Mio. im Alter von … Jahren unter 20 (1)
20 bis unter 60 (2)
60 und mehr (3)
80 und mehr (4)
insgesamt (5)
Kinder- + Altenanteil Kinder- + Jugendan der Jugendanteil an Bevölke- quotient = der Bevölrung = (1)/(2) kerung = (3)/(5) (1)/(5)
1960
20,761
39,654
12,732
1,159
73,147
28,4
17,4
1970
23,413
39,089
15,568
1,536
78,069
30,0
1980
20,972
42,251
15,174
2,092
78,397
1990
17,306
46,183
16,263
3,011
79,753
1995
17,629
46,979
17,209
3,294
2000
17,390
45,458
19,412
2005
16,486
45,412
20,540
2010
15,501
45,481
2020
13,754
2030
13,266
2040 2050
Altenquotient = (3)/(2)
Gesamtquotient = (1)+(3)/(2)
Hochbetagtenquotient = (4)/(2)
52,4
32,1
84,5
2,9
19,9
59,9
39,8
99,7
3,9
26,8
19,4
49,6
35,9
85,6
5,0
21,7
20,4
37,5
35,2
72,7
6,5
81,817
21,5
21,0
37,5
36,6
74,2
7,0
3,087
82,260
21,1
23,6
38,3
42,7
81,0
6,8
4,288
82,438
20,0
24,9
36,3
45,2
81,5
9,4
21,507
5,933
82,039
18,9
26,2
34,1
47,3
81,4
13,0
43,032
24,542
6,306
81,328
16,9
30,2
32,0
57,0
89,0
14,7
37,943
28,540
8,002
79,750
16,6
35,8
35,0
75,2
110,2
21,1
12,349
36,303
28,636
10,149
77,288
16,0
37,1
34,0
78,9
112,9
28,0
11,403
33,790
28,766
4,288
73,958
15,4
38,9
33,7
85,1
118,9
12,7
Quelle: http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/tabVIII2.pdf; 30. 3. 2010, 15:57 Uhr Abb. 2: Entwicklung von Wohnbevölkerung und demografischen Belastungsquotienten in Deutschland von 1960–2050)
Einführung in das Themengebiet
Vorausberechnung: Variante 1-W2 „mittlere“ Bevölkerung Obergrenze: Geburtanhäufigkeit annährend konstant (1,4 Kinder je Frau), Basiserwartung Lebenserwartung (Lebenserwartung neugeborener Jungen im Jahr 2050: 83,5 Jahre; Lebenserwartung neugeborener Mädchen im Jahr 2050: 88,0 Jahre), Jährlicher Wanderungssaldo 200.000 Personen
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Sozialpädagogische Dienste im gesellschaftlichen Spannungsfeld
Drittens zeitigt die Strukturkrise des Arbeitsmarktes und die Erosion der Leitidee von einer „Arbeitsgesellschaft“ weitreichende Folgen für die sozialpädagogischen Dienste. Krise der Erwerbsarbeitsgesellschaft
Umbau des Sozialstaates
Grenzen der Expansion der sozialen Dienste
„Mit dem Begriff ,Arbeitsgesellschaft‘ sollte zunächst auf die Zentralität von Erwerbsarbeit in zeitgenössischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften aufmerksam gemacht werden (…). In Arbeitsgesellschaften formt die Art der Erwerbsarbeit bzw. des Berufs die Welt- und Selbstbilder der Menschen und beeinflusst so auch ihre soziale und personale Identität. Berufliche Leistungen gehen als zentrale Bezugspunkte in die Selbst- und Fremdeinschätzung ein und dienen gemäß dem Leistungsprinzip zugleich dazu, die ungleiche Verteilung von Macht, Reichtum, Wissen und Ansehen zu rechtfertigen. Arbeitsgesellschaften zeichnen sich demzufolge dadurch aus, dass sowohl die Lebens- und Konsumchancen, wie auch die Werthaltungen und Mentalitäten eines großen Teils der Bevölkerung direkt oder indirekt durch die Stellung im und zum Erwerbssystem bestimmt werden“ (BERGER 2001, S. 73; Hervorhebungen im Original).
Insbesondere die Konsequenzen für die Individualbiografie, die aus einem vorübergehenden oder dauerhaften Ausschluss vom Arbeitsmarkt resultieren, bilden in diesem Kontext neue Herausforderungen für sozialpädagogische Dienste. Die durch die Freisetzung vom Arbeitsmarkt bedingte materielle Deprivation kann psychologische, gesundheitliche sowie soziale Probleme sowohl für die direkt Betroffenen als auch für das familiäre Umfeld nach sich ziehen. Für die nachfolgenden Generationen, für Kinder arbeitsloser Eltern, stehen weniger konsumanregende Slogans, wie z.B. „Geiz ist geil“, sondern vielmehr bedingungsloses Zwangssparen auf dem Programm. Damit ergeben sich Aufgaben für die sozialpädagogischen Dienste, indem sie den direkt von Arbeitslosigkeit betroffenen Personenkreis bei der Bewältigung von Arbeitslosigkeit und deren Folgeproblemen unterstützen. An dieser Stelle gilt es, mit personenbezogenen sozialen Dienstleistungen anstelle ausschließlich materieller Leistungen anzusetzen, um somit Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe und Teilnahme sowie auf ein eigenständiges und selbstverantwortliches Leben zu ermöglichen. Darüber hinaus weisen auch andere Felder, die sich mit Humandienstleistungen beschäftigen, auf die Notwendigkeit des quantitativen und qualitativen Umbaus des Sozialstaates hin: Die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen z.B. reklamiert neue und auch zusätzliche sozialpädagogische Dienste, wenn den Betroffenen – als Konsequenz eines veränderten Verständnisses des Lebens mit Behinderungen – zukünftig lebensweltorientierte Hilfen und Unterstützungen, die eine (teil)autonome Lebensbewältigung ermöglichen, angeboten werden sollen (vgl. WACKER/WANSING/SCHÄFERS 2005). Der Bedarf an sozialpädagogischen Diensten, so scheint es uni sono, nimmt in modernen Gesellschaften, die ihre Bürgerinnen und Bürger als Akteure ernst nehmen, nicht ab, sondern zu. Die Limitierungen dieses Trends liegen aber gleichermaßen auf der Hand. Anders als in der öffentlich geführten Debatte sind es nicht die Ausgaben für die sozialpädagogischen Dienste, die die Grenzen sozialstaatlicher Aktivitäten markieren, sondern erst einmal die Einnahmen. Da die sozialpädagogischen Dienste steuer- und abgabenfinanzierte Dienstleistungen produzieren, stellt sich die prinzipielle Frage nach der Zumutbarkeit der
Einführung in das Themengebiet
Kosten für die individuelle Daseinsvorsorge. Wie viele Steuern und Abgaben sind die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und andere kollektive Akteure bereit zu zahlen, um das gewünschte Maß an wohlfahrtsstaatlich miterzeugter Lebensqualität zu erhalten oder zu schaffen? An dieser Diskussion können sich die sozialpädagogischen Dienste nur mittelbar beteiligen. Antworten auf das „gewünschte Maß an Lebensqualität“ zu finden, obliegt dem politischen System, während der Entwurf entsprechender Szenarien von Kostenberechnungen den Wirtschaftswissenschaften zuzuweisen ist. Die Einflusssphären der in den sozialpädagogischen Diensten handelnden Akteure sind hier begrenzt, obwohl sie sich als beteiligte Akteure, vor allem aber im Interesse ihrer Adressatinnen und Adressaten, nicht auf eine passive Position zurückziehen dürfen. Die „Krise des Sozialstaats“, die Frage nach der individuellen Bereitschaft zur Übernahme von Kosten, der gewünschten Qualität sozialpädagogischer Dienste und Dienstleistungen sowie von dem gesamtgesellschaftlich angemessenen Ausgabenvolumen tangiert die sozialpädagogischen Dienste existenziell.
1.2 Fürsorgliche Belagerung oder Garant sozialer Teilhabe? Aus diesen Vorüberlegungen heraus stellt sich die Frage, wie viel Soziale Arbeit, die von sozialpädagogischen Diensten erbracht wird, ist nötig, wie viel ist möglich? Empirisch ist diese Frage nicht zu lösen, denn die Kategorie der Notwendigkeit ist zutiefst wertebezogen; sie beinhaltet Aussagen über einen Mindeststandard gesellschaftlichen Zusammenlebens, eine Basis, die keinem Gesellschaftsmitglied vorenthalten werden darf. Und auch die Kategorie der Möglichkeit ergibt sich nicht einfach rechnerisch, sondern setzt einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess über öffentliche Einnahmen und ihre Verteilung auf die unterschiedlichen politischen Handlungsfelder voraus. Eine Antwort zu der Frage kann deshalb lediglich über die Funktionsbestimmung der sozialpädagogischen Dienste gefunden werden. In der Wahl ihrer Funktionen sind die sozialpädagogischen Dienste dabei keineswegs frei, sie handeln im sozialstaatlichen Auftrag und sind an die sozialpolitischen wie auch bildungs- und erziehungspolitischen Willensbildungsprozesse geknüpft. Auffällig ist nun, dass die Sozialpädagogik gegenwärtig im Hinblick auf das Benennen ihrer Funktionen eher enthaltsam ist. Vielmehr wird sie von außen mit Funktionen belegt. Aber gerade dadurch gerät sie in einen Strudel, der sie vermeintlich oder tatsächlich zu neuen Ufern führt, indem sie sich anderen öffentlichen Diskursen anschließt. „Soziale Arbeit als Bildung“ steht ebenso wie die Aufhebung jedweder Differenz zwischen Sozialpädagogik und Sozialpolitik für diese Abstinenz in der eigenen Funktionsbestimmung. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt darin, dass die gesellschaftliche Funktionszuschreibung der Sozialen Arbeit als „Bewachung und Reproduktion von Normalzuständen bzw. Normalverläufen“ (OLK 1986, S. 6) aus dem letzten Jahrhundert an Aussagekraft verliert, da sie infolge neuer gesellschaftlicher Bedürfnisse aufgefordert ist, ihre Leistungen über die ihr klassi-
Funktion sozialpädagogischer Dienste
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Fürsorgliche Belagerung oder Garant sozialer Teilhabe?
Normalität als Aushandlungsprozess
„Citizenship und soziale Teilhabe“
scherweise zugewiesene Funktion hinaus auszuweiten. Die Korrektur von Abweichungen bzw. die Herstellung von Normalität können nicht mehr als hinreichend für die Gewährleistung sozialer Integration gelten: Zum einen nicht, weil niemand mehr so genau weiß, was „normal“ ist, zum anderen, weil ganze Arbeitsfelder, wie die Kindertagesbetreuung oder die Altenhilfe, hiervon nicht angesprochen würden. In dem Maße, wie sich die Normalitätsvorstellungen moderner Gesellschaften auflösen, Menschen nicht mehr in ihren Lebensbezügen aufgefangen werden können und die sozialen Grenzen des Wachstums kollektiver Güter erkennbar werden (vgl. HIRSCH 1980), Differenzierungsprozesse in der sozialen Schichtung und den Lebensläufen weiter voranschreiten, institutionelle Erosionen infolge der „Zangenbewegung von unaufhaltsamem Anwachsen der Individualisierung und unaufhaltsamem Verlust der politischen Steuerungsfähigkeit“ (ZAPF 1990, S. 20) zunehmen und globale Risiken und Gefährdungen anwachsen, verliert die Soziale Arbeit ihre Legitimationsbasis: „Normalität“ wird ihres statistischen Inhaltes enthoben und bedarf zunehmend der Aushandlung. Gegenwärtig besteht demnach eine der zentralen Herausforderungen der Gesellschaftsanalyse in der Klärung der ordnungsstiftenden Faktoren, die trotz der in den Prozessen von Individualisierung, Pluralisierung und Temporalisierung der Lebensverläufe inhärenten anomischen Tendenzen ein spezifisches gesellschaftliches Gefüge gewährleisten. Nicht zuletzt die radikalen gesellschaftlichen Transformationsprozesse in Osteuropa forcieren diesen Legitimationsdruck, dem die etablierten Prinzipien sozialer Sicherung gegenwärtig unterzogen werden, indem die Prämissen der Gewährung sozialer Unterstützung zunehmend polarisiert und so entweder konsequente Ableitungen aus einem „Bedürftigkeitsmodell“ gezogen werden oder aber das „Modell der Citizenship“ als Prinzip, das aus dem Geltendmachen allgemeiner Bürgerrechte resultiert, favorisiert wird (vgl. MARSHALL 1992). Dieses Modell wohlfahrtsstaatlicher Interventionen hat gegenüber dem „Bedürftigkeitsmodell“ einen wesentlich ausgedehnteren Gegenstandsbereich, indem es die Voraussetzungen der sozialen Teilhabe insgesamt in seinen Handlungsrahmen einbezieht: „1. Status, d.h. sozial anerkannte Teilhaberechte, wie sie in den verfassungsmäßigen Grundrechten oder gesetzlichen Ansprüchen präformiert sind (…) 2. Ressourcen: Hierunter seien knappe Güter (bes. Zeit, Geld, Besitz) verstanden, über die Individuen grundsätzlich frei, jedoch in beschränktem Umfange verfügen können (…) 3. Gelegenheiten: Soziale Teilhabe setzt ein Angebot an Teilhabemöglichkeiten voraus, das nach Maßgabe von Status, Ressourcen und Kompetenzen wahrgenommen werden kann (…) 4. Kompetenzen: Hierunter werden unmittelbar an die Person gebundene Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit (wie Bildung, Gesundheit, Wissen, Fertigkeiten) und der Handlungsbereitschaft (wie normative Orientierungen, Leistungsbereitschaft oder spezifische Motivationen) verstanden (…)“ (KAUFMANN 1988, S. 88ff.).
Herstellung sozialer Teilhabegerechtigkeit
Sozialpädagogische Dienste erfahren nach diesen Überlegungen einen gegenüber früheren Funktionsbestimmungen ausgeweiteten Handlungsauftrag. Da sie über keinen direkten Zugang zu den Steuerungsmedien Recht
Einführung in das Themengebiet
und Geld verfügen, somit im Hinblick auf den Status oder die Ressourcen der Bürgerinnen und Bürger nur beschränkt agieren können, liegt ihr Wirkungskreis begrenzt in den Feldern „Gelegenheiten“ und „Kompetenzen“. Da sie hier aber nicht nur korrigierend eingreifen müssen, sondern an deren Herstellung aktiv beteiligt sind, weitet sich der Interventionsradius deutlich aus. In diesem Rahmen zielen sie dann gemeinsam mit anderen sozialpolitischen Leistungen auf soziale Teilhabegerechtigkeit. Sozialpädagogische Dienste, die keine aktive Überprüfung ihres Handlungsauftrags übernehmen, sind unter Umständen zwar kurzfristig nicht existenziell bedroht, wenn sie sich neuen Zielgruppen zuwenden, sie dürften aber von einem Bedeutungsverlust betroffen sein: „Die moderne Gesellschaft spaltet sich auf in ein in den Institutionen geltendes Selbstbild, das die alten Sicherheiten und Normalitätsvorstellungen der Industriegesellschaft konserviert, und in eine Vielfalt lebensweltlicher Realitäten, die sich immer weiter davon entfernen“ (BECK 1993, S. 186). Der Lebensweltbezug der Sozialen Arbeit nimmt infolge dieser Prozesse kontinuierlich ab und die Analyse Becks „die Institutionen werden zu Reitern ohne Pferde“ (BECK 1993, S. 187) forciert die Frage nach dem Grad der Abweichung der sozialpädagogischen Dienste von ihren sozialstrukturellen Bezugspunkten. Solche Prozesse, denen insbesondere die Fähigkeit von Selbstreflexion abgesprochen werden kann, münden dann höchstens in einer „fürsorglichen Belagerung“.
Folgende Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie Kapitel 1 gelesen haben: – Welche Indikatoren beeinflussen den gesellschaftlichen Bedarf an sozialpädagogischen Diensten? – Wo liegen die Grenzen der gesellschaftlichen Organisation sozialpädagogischer Dienste? – Welche Funktionen werden den sozialpädagogischen Diensten zugeschrieben?
Weiterführende Literatur zu Kapitel 1: Zu einführenden Begriffen: OTTO, HANS-UWE/THIERSCH, Hans (Hrsg.) (20053): Handbuch Sozialarbeit/Sozialpädagogik, München/Basel. THOLE, WERNER (2002a) (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. Opladen. Für die Kinder- und Jugendhilfe: SCHRÖER, WOLFGANG/STRUCK, NORBERT/WOLFF, MECHTHILD (Hrsg.) (2002): Handbuch Kinder- und Jugendhilfe. Weinheim/München. Grundlegende Modernisierungstheorien sind: BECK, ULRICH/GIDDENS, ANTHONY/LASH, SCOTT (1996): Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt a.M. BAUMAN, ZYGMUNT (2009): Flüchtige Moderne. Frankfurt a.M.
Bezugspunkte sozialpädagogischer Dienste
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Fürsorgliche Belagerung oder Garant sozialer Teilhabe? Einen Überblick über den sozialstrukturellen Wandel gibt: BÄCKER, GERHARD/NAEGELE, GERHARD/BISPINCK, REINHARD/HOFEMANN, KLAUS/NEUBAUER, JENNIFER (20084): Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland. Bd. 1: Grundlagen, Arbeit, Einkommen und Finanzierung. Wiesbaden. SCHÄFERS, BERNHARD (20048): Sozialstruktur und Sozialer Wandel. Stuttgart. Die Konsequenzen des sozialen Wandels für die sozialen Dienste thematisieren: BÄCKER, GERHARD/NAEGELE, GERHARD/BISPINCK, REINHARD/HOFEMANN, KLAUS/NEUBAUER, JENNIFER (20084): Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland. Bd. 2: Gesundheit, Familie, Alter und Soziale Dienste. Wiesbaden.
B Theorien und Konzepte 2 Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung „Theorien stellen jene Begriffe, Argumentationen und Gussformen des Denkens bereit, in denen und mittels welcher man einen Gegenstandsbereich gedanklich ordnen, ihn beschreiben und über ihn kommunizieren kann. Die Wahl einer bestimmten Theorie oder die Kombination verschiedener Theorien ist dabei ungemein folgenreich: (…) Theorien wirken wie Scheinwerfer, die einen interessierenden Gegenstand anstrahlen und dergestalt aus dem Dunkel hervorheben; und je nach Art und Anzahl der Scheinwerfer, nach Art und Farbe des benutzten Lichts sieht ein und derselbe Gegenstand dann höchst verschieden aus. Deswegen sollte man nicht den erstbesten Scheinwerfer verwenden, sondern grundsätzlich verschiedene Scheinwerfer ausprobieren und gegebenenfalls gemeinsam nutzen. (…) Manchmal können (…) wissenschaftliche Theorien im (…) Alltag bisher benutzte (…) Theorien auch verdrängen. Dabei streifen sie ihren wissenschaftlichen Charakter genau dann ab, wenn ihre Perspektivität und Selektivität, auch ihre Verbesserungsfähigkeit und wahrscheinliche Mangelhaftigkeit nicht mehr reflektiert wird.“ (PATZELT 1992, S. 88ff.)
Definition
Mit diesen grundsätzlichen Überlegungen zur Theoriebildung sind Merkmale angesprochen, die auch für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste Relevanz beanspruchen: Theorien bündeln Begriffe und Aussagen zu einer kohärenten Argumentation und beanspruchen, für einen bestimmten Wirklichkeitsausschnitt Geltung zu haben. Es ist zu unterscheiden zwischen wissenschaftlichen und Alltags-Theorien, der Unterschied liegt hier in der (Selbst)Reflexionsfähigkeit der Theorien. Während Alltagstheorien im wesentlichen unhinterfragt Geltung beanspruchen, sind wissenschaftliche Theorien geradezu aufgefordert, sich selbst und ihren Geltungsanspruch permanent in Frage zu stellen. Und: Um Dogmatiken oder ideologische Verbrämungen zu minimieren, sind Theoriekonzepte plural anzulegen, unterschiedliche Theoriestränge auf Synergieeffekte wie auch Differenzen zu befragen. Damit lassen sich Theorien auch als nicht unwiderlegbar charakterisieren. Im Gegensatz zu Alltagstheorien zielen wissenschaftliche Theorien auf eine Systematisierung eines definierten Gegenstandsbereiches der Sozialen Arbeit, liefern Erklärungen und Deutungen von Prozessen und Entwicklungen und können als Orientierung für das alltägliche Handeln dienen, gleichwohl sie keine Anweisungen für das konkrete Verhalten geben. Eine interdisziplinäre Perspektive bietet hierfür einen fruchtbaren Nährboden. Zurückgegriffen wird dabei oftmals auf philosophische, soziologische und psychologische Theorien sowie auf die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Beliebt oder gar erwünscht, sind Theorien jedoch noch lange nicht. Die Frage danach, was eine Theorie Sozialer Arbeit ausmacht bzw. welche Theorie die Soziale Arbeit braucht, beschäftigt Studierende, Lehrende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Praktikerinnen und Praktiker aber dennoch. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer so scheint, in der
Alltagstheorie- und wissenschaftliche Theorie
Ungeliebte Theorien
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Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung
Praxis wie der Wissenschaft operieren die Akteure mit Annahmen über soziale Zusammenhänge, liefern Prognosen über zu Erwartendes und verwerfen andere Denk- und Handlungsoptionen, sie arbeiten theoretisch. Dennoch überwiegen die Vorbehalte gegenüber einer blutarmen, im Elfenbeinturm praxisferner Wissenschaft ausgebrüteten Theorie: „,Theorie‘ ist für Viele – nicht zuletzt auch für Studierende – so etwas wie der Inbegriff lebensferner Wissenschaft, ist begriffliche Abstraktion in einer formalisierten, fremden Sprache, ist eine Art Geheimcode, mit dem sich WissenschaftlerInnen – offenbar trotz aller sachlichen Differenzen – untereinander verständigen, ist aber auch eines der letzten Machtmittel, mit dem ProfessorInnen ohne Not Studierende traktieren und sich zugleich Respekt zu verschaffen suchen, kurz: ist eine allseits beliebte Projektionsfläche für alles Mögliche“ (RAUSCHENBACH/ZÜCHNER 2002, S. 139).
Theorien Sozialer Arbeit
So verwundert es auch nicht, wenn aus einer strikten Trennung von Theorie auf der einen und Praxis auf der anderen Seite „das scheinbar so treffende Bonmot seitens der Praktikerinnen und Praktiker folgt: ,Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts funktioniert – und Praxis ist, wenn alles funktioniert, und keiner weiß warum‘.“ (HERWIG-LEMPP 2003, S. 2). Aber nicht nur Studierende und Fachkräfte in der Sozialarbeit stöhnen, wenn sie in Seminaren und Vorlesungen mit der Theoriefrage der Sozialen Arbeit konfrontiert werden. Auch ein Blick in Aufsätze und Bücher zur Theoriefrage der Sozialen Arbeit hat den Anschein, dass selbst in der Wissenschaft, von der ursprünglich die Theorien kommen, die Frage, was eine Theorie Sozialer Arbeit ausmacht oder auch nicht, nicht geklärt zu sein scheint. So schreibt Hans Thiersch in einem Aufsatz zu Theorien Sozialer Arbeit: „Theorieansätze der Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu örtern, ist z.Zt. (…) ein schwieriges Geschäft“; das hat Gründe in Problemen des Gegenstandes ebenso wie im Stand der wissenschaftlichen Diskussion“ (THIERSCH 19964, S. 618). Ebenso verweist Michael Winkler darauf, dass „die Lage kompliziert (ist); sie lässt sich nur in der widersprüchlichen Aussage fassen, dass es Theorie der Sozialpädagogik gibt und zugleich doch nicht gibt“ (WINKLER 1988, S. 15). Und auch noch Jahre später wird auf ein „ungeklärtes Theorieverständnis“ verwiesen (vgl. RAUSCHENBACH/ZÜCHNER 2002, S.145). Die Theoriefrage erscheint weiter unübersichtlich, unbefriedigend und riskant zu bleiben. Ebenso wenig wie für den gesamten Bereich der Sozialen Arbeit von „der Theorie der Sozialen Arbeit“ gesprochen werden kann, lässt sich „eine Theorie sozialpädagogischer Dienste“ formulieren. Zwar gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche einer Theoriebildung Sozialer Arbeit (vgl. z.B. NATORP 1974; NOHL 1927; MOLLENHAUER 1959; SCHERPNER 1962; THIERSCH/RAUSCHENBACH 1984; WINKLER 1988, DEWE/OTTO 1996; BÖHNISCH/NIEMEYER/SCHRÖER 1997; BOMMES/SCHERR 2000), letztendlich resultieren aus den grundlagentheoretischen Auseinandersetzungen Konstruktionsmerkmale einer Theorie Sozialer Arbeit. Angesichts der unterschiedlichen Traditionslinien und Referenzsysteme von Theorien und je nach „Scheinwerfereinstellung“ werden unterschiedliche „Kristallisationspunkte“ (THIERSCH/FÜSSENHÄUSER 20053, S. 1882) beleuchtet. – Fragen nach der gesellschaftlichen Funktion Sozialer Arbeit, – Fragen zu Lebensführungsweisen von Adressatinnen und Adressaten Sozialer Arbeit,
Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung
– Fragen zu Institutionalisierungsprozessen und Organisationsformen Sozialer Arbeit, – Fragen nach methodischen Konzepten und Arbeitsansätzen professionellen Handelns, – Fragen zur wissenschaftlichen Verortung der Sozialen Arbeit.
2.1 Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste und ihre disziplinäre Verortung Werden diese Mindestkriterien zugrunde gelegt, dann können für die sozialpädagogischen Dienste seit den 1990er Jahren verstärkte Anstrengungen einer wissenschaftlichen Theoriebildung konstatiert werden. Dies hängt unmittelbar mit der Konsolidierung der Sozialen Arbeit als einer wissenschaftlichen Disziplin zusammen. Ca. 30 Jahre nachdem die Soziale Arbeit zu einem festen Bestandteil der universitären Ausbildung geworden ist, wird ihre Wissenschaftsfähigkeit nicht mehr angezweifelt. Angesichts der eingangs beschriebenen Skepsis gegenüber der Theorieproduktion sind überprüfbare Erklärungen und Begründungen sowie die Reflexion auch des praktischen Handelns heute unhintergehbarer Standard. Die Verwendung theoretisch erzeugten Wissens ist jedoch gar nicht das primäre Ziel der Erkenntnisproduktion: Theorien kommen aus der Disziplin und sind wohl auch erst einmal an diese gerichtet. Das Argument, Theorien seien in der Praxis nicht brauchbar, trifft von daher nicht. Theorien erklären bestimmte Ausschnitte von gesellschaftlicher Wirklichkeit und beanspruchen keineswegs, Rezepte für professionelles Handeln oder gar Maßstab für die Bewertung dieses Handelns zu sein. Sie sind vom Handlungszwang entlastet. Wenn die Disziplin der Ort ist, an dem die Theorien entstehen und an dem sich ihre Güte zu beweisen hat, dann stellt sich die Frage, welche Disziplin für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste im Hinblick auf ihre Begriffe, Aussagen und Argumentationen eine geeignete Heimat bietet. Aufgrund der Institutionalisierungslogik des Wissenschaftssystems – und nicht zwangsläufig der der Sozialen Arbeit – bieten sich vorrangig zwei Optionen an: Die Erziehungswissenschaft und die Sozialarbeitswissenschaft.
Soziale Arbeit als Disziplin
Disziplinäre Bezüge
Erziehungswissenschaft An den meisten deutschen Universitäten ist die Soziale Arbeit als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft institutionalisiert. Dies hängt disziplingeschichtlich mit der „(Sozial-)Pädagogik“ zusammen, deren wissenschaftliche Fundierung die allgemeine Theoriebildung und Forschungspraxis der Erziehungswissenschaft stets begleitete. Während die Sozialarbeit einer fürsorgerischen Tradition folgte, deren Ausgangspunkte in einer defizitorientierten Beschreibung sozialer Probleme (v.a. Armut und Abweichung) lag und wissenschaftlich von der Soziologie bearbeitet wurde, standen in der Sozialpädagogik die Kategorien der Erziehung, der Bildung, der Sozialisation und der Hilfe im Zentrum, wobei die Lebensphasen der Kindheit und
Soziale Arbeit als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft
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Sozialpädagogische Dienste und ihre disziplinäre Verortung
der Jugend besondere Beachtung erfuhren. Insofern diese Kategorien sich heute nicht mehr auf eine Phase des Lebenslaufs beschränken lassen, sondern zu einem universellen Bestandteil und einer Anforderung an die individuelle Lebensführung werden, der Gegenstand der Erziehungswissenschaft als „professionelle Lebensbegleitung“ (LENZEN 1997) sich gleichsam entgrenzt, findet die Soziale Arbeit auch insgesamt sich ein unter dem Dach der Erziehungswissenschaft. Sowohl die Erziehungswissenschaft als auch die Soziale Arbeit müssen im Hinblick auf ihren Gegenstandsbereich die Konsequenzen des gesellschaftlichen Wandels theoretisch bearbeiten: „Zwei Veränderungen haben (…) stattgefunden: Die Formen der Einflussnahme und der Sorge für Menschen haben sich erweitert und die zeitliche Dimension wurde entgrenzt – von der Wiege bis zur Bahre. Das institutionalisierte Gefüge sozialpädagogischer Praxis lässt sich deshalb nur noch als differenzierte Organisation von Einrichtungen beschreiben, die den Lebenslauf begleiten“ (HAMBURGER 2003, S. 153). Eine Theorie der sozialpädagogischen Dienste würde dann denjenigen Ausschnitt aus der Teildisziplin beleuchten, der das sozialpädagogische Handeln in seiner organisierten Verfasstheit, also in den sozialen Diensten, betrifft.
Sozialarbeitswissenschaft Sozialarbeitswissenschaft als eigenständige Disziplin
Verhältnis von Universitäten und Fachhochschulen
Was ist die Identität Sozialer Arbeit und welche Theorie braucht sie? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt für die Diskussion um eine Sozialarbeitswissenschaft, die Ende der 1980er Jahre insbesondere von Kolleginnen und Kollegen der Fachhochschule gestartet wurde. Hiernach reicht es für die Soziale Arbeit nicht aus, eklektizistisch auf Theorien anderer Disziplinen zurückzugreifen, sondern ein eigenständiger Theorierahmen soll künftig das gesellschaftlich so bedeutsame Handlungsfeld der Sozialen Arbeit konturieren (vgl. ENGELKE 1998). Bewusst wird dabei die Disziplin der Erziehungswissenschaft als nicht hinreichend, wenn nicht sogar als irrelevant bezeichnet. Dies hängt in erster Linie mit dem für die Soziale Arbeit zu fordernden Wissenschaftscharakter zusammen: Sozialarbeitswissenschaft hat als Adressatinnen und Adressaten ihrer Erkenntnis neben der Disziplin auch die Profession. Die Debatte um die Sozialarbeitswissenschaft hat entsprechend mindestens zwei Stränge, die gelegentlich miteinander verwoben werden, obwohl sie nicht zwangsläufig ineinander greifen. Unter dem Label Sozialarbeitswissenschaft findet zum einen eine bildungs- und hochschulpolitische Debatte über das Verhältnis von Universitäten und Fachhochschulen statt, die oftmals auch polemisch bestimmt wird: „Wie das eben zwischen der Beletage und dem Souterrain im Haus der Gelehrsamkeit so ist. Aber unten ist man näher an der Straße, wo man von Berufs wegen mit den Leuten zu tun hat. Weiter oben ist der Ausblick besser; der nutzt aber wenig, wenn sich die universitäre Sozialpädagogik vor allem um ihr Selbstverständnis innerhalb des Zirkels kümmern muss, den die Erziehungswissenschaft, genauer: die Pädagogenfakultät, um sie geschlagen hat. Außerhalb ihres Bannes sind wir freier, die Sozialarbeitswissenschaft zu entfalten“ (WENDT 1994, S. 19).
Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung
Zum anderen stehen Bemühungen im Vordergrund, den Gegenstandsbereich, die Funktion sowie das Instrumentarium einer wissenschaftlich fundierten Sozialen Arbeit autonom zu definieren:
Disziplinäre Zuordnungsproblematik
„Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in menschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung und Befreiung von Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf Theorien menschlichen Verhaltens sowie sozialer Systeme als Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen Individuum und Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit von fundamentaler Bedeutung“ (International Federation of Social Workers 2000, zit. n. STAUB-BERNASCONI 2002, S. 256).
Ob es tatsächlich gelingen wird, eine konsistente Sozialarbeitswissenschaft nicht nur zu entwerfen, sondern auch durch eine entsprechende Forschungsmethodologie zu fundieren, soll und kann hier nicht entschieden werden, eine wesentliche Unterscheidung zu dem eingangs skizzierten Theorieverständnis ist allerdings festzuhalten: Die Sozialarbeitswissenschaft versteht sich nicht als interdisziplinär, sondern als transdisziplinär. Unterhalb dieser disziplinären Zuordnungsproblematik gibt es derzeit eine angeregte Diskussion um eine geeignete Perspektive auf die Soziale Arbeit, die auf differente wissenschaftstheoretische und konzeptionell-programmatische Zugänge zu den sozialpädagogischen Diensten aufmerksam macht.
2.2 Theoretische Referenzpunkte für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste Auch wenn es bislang nicht gelungen ist, ein konsistentes Theoriegebäude Sozialer Arbeit zu entwerfen, lassen sich wissenschaftstheoretische Systematisierungen vornehmen, die die Theorie- und Forschungsproduktion in der Sozialen Arbeit ordnen. „Theorien in der Sozialen Arbeit müssen nicht in jedem Fall große gesamterklärende Aussagesysteme produzieren, sondern können auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen, etwa als subjektzentrierte Theorien auf der Ebene des Individuums, als Interaktionstheorien auf der Ebene der Intersubjektivität, als institutionsbezogene Theorien auf der Ebene von Organisationen oder eben als Funktionstheorien auf der Ebene der Gesellschaft“ (RAUSCHENBACH/ZÜCHNER 2002, S. 158).
Die wissenschaftstheoretischen Referenzen klären damit über die Zugänge des Beobachters zu seinem Gegenstandsbereich auf, sagen etwas über die Geltungskraft und beanspruchte Reichweite der erzeugten Erkenntnisse. Vier unterschiedlich weit ausgearbeitete Konzepte, die Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit gegenwärtig beschäftigen, sind besonders hervorzuheben:
Lebensweltorientierung Das Konzept einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit wurde Ende der 1980er Jahre in dem Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe im Wesentlichen durch die Arbeiten von Hans Thiersch entwickelt und 1990 im Ach-
Alltag und Lebensbewältigung
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Referenzpunkte für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste
Grundannahmen und zu bearbeitende Probleme
Modernisierung der Lebenswelten
ten Jugendbericht der Bundesregierung veröffentlicht (vgl. THIERSCH 2003; BMJFFG 1990). Das Konzept basiert auf drei wissenschaftstheoretischen Traditionen, der hermeneutisch-pragmatischen Erziehungswissenschaft, dem phänomenologisch-interaktionistischen Paradigma und der kritischen Alltagstheorie. Im Fokus der Lebensweltorientierung stehen der Alltag der Adressatinnen und Adressaten Sozialer Arbeit, ihre Handlungsmöglichkeiten, Selbstdeutungen und Problembewältigungsversuche. Ziel einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit ist es, einen „gelingenderen Alltag“ gemeinsam durch die Interaktion von Professionellen und Betroffenen herzustellen. Die Interaktion zwischen Fachkräften und Betroffenen ist dabei voraussetzungsvoll, sie bedarf sowohl theoretischer Kenntnisse als auch moralischer Haltungen und spezifischer Fertigkeiten, um als professionelles Handeln gewertet zu werden. „Lebensweltorientierung“ meint dabei ein charakteristisches Set von Grundannahmen. Die Lebensweltorientierung geht von einer gegenseitigen Bedingtheit der Menschen und der Verhältnisse, in denen sie leben, aus. Weder sind die Menschen ausschließlich Opfer ihrer Verhältnisse, noch sind sie allein dafür verantwortlich zu machen, unter welchen Umständen sie leben. Menschen gestalten vielmehr aktiv ihre Umwelt und die Umwelt generiert Optionen, in denen Menschen leben müssen. Diese wechselseitige Bedingtheit verlangt eine doppelte Aufmerksamkeit und Interventionsrichtung Sozialer Arbeit, sie mischt sich sowohl in die alltägliche Lebensführung der Menschen ein als auch in die Gestaltung der Lebensverhältnisse, sie übernimmt ein subjektbezogenes und ein politisches Mandat. Konjunktur erhalten hat das Theoriekonzept im Anschluss an modernisierungstheoretische Überlegungen, die die Unübersichtlichkeit moderner Lebensverhältnisse für den Einzelnen beschreiben und einen zunehmenden Bedarf an sozialen Hilfe- und Unterstützungsleistungen formulieren. Danach kommt es zu einer Pluralisierung der Lebensstile und Individualisierung der Lebenslagen, wodurch für den Einzelnen die Lebensplanung zunehmend riskanter wird. Hilfen zur Bewältigung des Alltags werden nötig. Sozialpädagogische Leistungen sind deshalb als alltagsorientierte Hilfen zur Lebensbewältigung zu verstehen. Lebensweltorientierte Theorie und Praxis stellt damit als zentrale Fragen: – Wie sehen die Verhältnisse aus, in denen Menschen heute leben? – Welche räumlichen, zeitlichen und sozialen Erfahrungen sind für sie bedeutsam? – Über welche Deutungs- und Handlungsmuster verfügen die Menschen, damit sie sich in diesen Verhältnissen arrangieren? – Welche Hilfen benötigen Menschen, um in den unübersichtlicher werdenden modernen Gesellschaften ihr Leben zu bewältigen? – Welche Chancen und Grenzen ergeben sich für die Soziale Arbeit aus dieser Hilfsbedürftigkeit? (vgl. THIERSCH 2003, S. 25ff.) Die Risiken, die ein mögliches Scheitern in der individuellen Lebensführung bedingen, sind dabei nicht mehr an spezielle Zielgruppen gebunden. Jede und jeder kann nach Auffassung der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit potenziell Hilfen für die Lebensbewältigung benötigen. Diese Hilfen sind alltagsnah, sie werden in der Lebenswelt des Einzelnen erbracht.
Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung
Deshalb bedarf es einer programmatischen Erneuerung der Sozialen Arbeit unter den Gesichtspunkten: – Alltagsorientierung, – Regionalisierung/Dezentralisierung, – Prävention, – Integration, – Partizipation (vgl. THIERSCH 2003, S. 30).
Strukturprinzipien der Sozialen Arbeit
Dienstleistungsorientierung Sozialpädagogische Dienste produzieren personenbezogene soziale Dienstleistungen; insofern liefern dienstleistungstheoretische Konzepte relevante Anknüpfungspunkte für die Theoriebildung. Die Verwendung eines sozialwissenschaftlichen Begriffs der Dienstleistung zur Klassifikation der Tätigkeiten in der Sozialen Arbeit ist erstmalig Ende der 70er Jahre des vorherigen Jahrhunderts aufgetaucht (vgl. BADURA/GROSS 1976). Soziale Arbeit unter dienstleistungstheoretischen Gesichtspunkten zu formieren, ist dabei als ein Versuch zu werten, eine moderne Standortbestimmung der Sozialen Arbeit mit einer sozialpolitischen Programmatik zu verknüpfen. Dabei argumentieren insbesondere die frühen Konzepte der Dienstleistungsorientierung struktur-funktionalistisch. Die sozialpädagogischen Dienste werden in diesem Zusammenhang als ein durch besondere Merkmale ausgezeichneter Produktionsbereich gesehen, dessen Ziel in der Stabilisierung der sozialen Verhältnisse zum Zwecke der Optimierung gesellschaftlicher Wohlfahrt liegt. Trotz zahlreicher Versuche gibt es bisher keine allgemein anerkannte positive Begriffsdefinition von Dienstleistung, die eindeutig und trennscharf ist und sich nicht nur in negativer Abgrenzung zu anderen Produktionsbereichen versteht (vgl. BAUER 2001). Entsprechend werden Dienstleistungen in der amtlichen Statistik allgemein als Tätigkeiten definiert, die weder dem wirtschaftlichen Bereich der Nahrungsmittel- und Rohstoffgewinnung (primärer Sektor) noch der industriellen Rohstoffverarbeitung (sekundärer Sektor) zugeordnet werden können. Als relativ unumstrittene Kriterien für die Zuweisung zu der Kategorie Dienstleistung gelten darüber hinaus die Merkmale: – Immaterialität, – Nicht-Transportfähigkeit, – die nur bedingte Technisierbarkeit ihrer Produktion, – Nicht-Lagerfähigkeit, – das strukturelle Erfordernis der Bereitstellung von Überkapazitäten – die Inhomogenität der erzeugten Leistungen. Darüber hinaus sind personenbezogene soziale Dienstleistungen durch das Merkmal des uno-actu-Prinzips gekennzeichnet, welches die aktive Mitwirkung der Adressatinnen und Adressaten als Voraussetzung für die gelingende Produktion von Dienstleistungen beschreibt. Ein Spezifikum von Dienstleistungen gegenüber anderen Produktionsformen ist mithin das Zusammenfallen von Produktion und Konsumtion der Leistung. Hierdurch
Erster Dienstleistungsdiskurs
Merkmale sozialer Dienstleistungen
Uno-actu-Prinzip
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Referenzpunkte für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste
Beteiligung der Betroffenen
Der ökonomische Dienstleistungsdiskurs
wird der interaktive und kommunikative Charakter der Dienstleistungen gegenüber dem materiellen Gehalt des erzeugten Produktes betont. Insbesondere das letztgenannte Merkmal hat die Theoriebildung zu den sozialpädagogischen Diensten wie auch die empirische Forschung nachhaltig beeinflusst: Nicht nur die räumliche und zeitliche Anwesenheit der Adressatinnen und Adressaten als Kennzeichnen einer Dienstleistung, sondern deren aktive Beteiligung wurden als konstitutives Merkmal und unverzichtbare Voraussetzung einer personenbezogenen sozialen Dienstleistung hervorgehoben (vgl. BADURA/GROSS 1976). Hierdurch wurde die Rolle der Adressatinnen und Adressaten in der Dienstleistungsproduktion nachhaltig aufgewertet, sie werden konzeptionell zu „Koproduzenten“ der Leistung. Entsprechend bewegt die sozialpädagogischen Dienste nach wie vor das Ringen um eine angemessene Verhältnisbestimmung zu ihren Adressatinnen und Adressaten (vgl. FLÖSSER 1994; BMFSFJ 1994). Ein zweiter Dienstleistungsdiskurs in der Sozialen Arbeit setzt in den 1990er Jahren ein und folgt grundsätzlich anderen Ausgangsbedingungen: Im Gegensatz zu dem ersten Diskurs über soziale Dienstleistungen, der vor dem Hintergrund ökonomischen Wachstums und expandierender Staatstätigkeiten stattfand, ist die aktuelle Diskussion um soziale Dienstleistungen mit fiskalischen Restriktionen, Mindereinnahmen bei steigenden sozialstaatlichen Ausgaben, konfrontiert. Hierdurch hat eine Akzentverschiebung hin zu der generellen Frage nach den gesellschaftlich erwünschten und erforderlichen Möglichkeiten der Bereitstellung von sozialpädagogischen Diensten stattgefunden.
Subjekttheoretische Ansätze Fremdverstehen als Erkenntnisziel
zentrale Merkmale
Subjekttheoretische Ansätze betonen die Subjektivität und den Theoriestatus subjektiven Wissens. Als zentrales Erkenntnisziel kann das Fremdverstehen hervorgehoben werden. Fremdverstehen meint hier, die subjektiven Interpretationen, Meinungen und Einstellungen der beteiligten Akteure als Ausgangs- und Bezugspunkt für professionelles Handeln und sozialpädagogische Programme zu nehmen. Die Subjekttheorie unterstellt dabei, dass die Beteiligten anhand ihrer spezifischen Lebenslagen und Lebensstile Wissen konstruieren. Diese Konstruktionsleistung ist aber nicht als völlig willkürlich anzusehen. Sie unterliegt vielmehr den „historical and social constraints that operate on a particular culture or class“ (MANDLER 1975, S. 21). Subjekttheoretische Ansätze privilegieren die Perspektive und Deutungsschemata der handelnden Akteure in einer Interaktionsbeziehung. Zentrale Merkmale sind: – Die hohe Bedeutung, die dem Alltagswissen, das zum einen aus persönlichen Erfahrungen gewonnen wurde, zum anderen aus tradiertem Wissen besteht, zugemessen wird. – Subjektive Theorien unterscheiden sich von wissenschaftlichen Theorien in den Anforderungen der Widerspruchsfreiheit und der logischen Kohärenz. In subjektiven Theorien sind es vielmehr häufig die Widersprüche und Lücken, die für das Subjekt Relevanz haben.
Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung
– Subjektive Theorien beanspruchen keine intersubjektive Gültigkeit und lassen sich deshalb nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen. – Subjektive Theorien sind deshalb tendenziell vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand entkoppelt. Es bleibt eine zentrale Forschungsfrage, ob und in welcher Form neues Wissen in die subjektiven Theorien Eingang findet. – Subjektive Theorien sind nie objektiv oder beanspruchen dies auch nur. Erlebnisse und Emotionen und nicht nur überprüfbares Wissen führen vielmehr dazu, dass soziale Tatbestände bewertet und im Hinblick auf ihre subjektive Relevanz geprüft werden. Subjekttheoretische Ansätze haben in der sozialpädagogischen Theorieund Forschungslandschaft in den letzten Jahren an Konjunktur gewonnen. So dominieren in der Forschungslandschaft seit einiger Zeit biografisch-rekonstruktive und hermeneutisch inspirierte Verfahren. In der Koppelung mit soziologischen Modernisierungstheorien wird die Notwendigkeit der kommunikativen Aushandlung von Normalitätsvorstellungen und daraus abgeleiteter Interventionen betont. Das Herausarbeiten der subjektiven Theorien der Beteiligten wird als professionelles Kerngeschäft beschrieben. Es liefert die Basis, um nach angemessenen Hilfe- und Unterstützungsprogrammen seitens der sozialpädagogischen Dienste zu suchen.
Bedeutungszuwachs in der Forschungslandschaft
Systemtheoretische Ansätze Systemtheoretische Ansätze sind aus der Sozialen Arbeit nicht mehr wegzudenken. So hatten in den 1980er Jahren vor allem solche Konzepte Konjunktur, die die Systemtheorie nutzten, und die angesichts der theoretischen Verortungsprobleme der Sozialen Arbeit für moderne Standortbestimmmungen und für eine Theoriebildung der sozialpädagogischen Dienste sorgten (vgl. OLK 1986; JAPP 1986; Merten 2000). Gemeinsam ist den systemtheoretischen Ansätzen, dass sie von einer evolutionären gesellschaftlichen Entwicklung ausgehen, die systemische Reaktionen auf die so entstehenden Unsicherheiten produziert. Die Bearbeitung der existentiellen und essentiellen Probleme der Gesellschaften wird danach auf Funktionssysteme verlagert und der individuellen Bewältigung entzogen. Nicht mehr die Kirche, der Adel und später die bürgerliche Oberschicht sind für die Linderung der sozialen Probleme verantwortlich, sondern ein eigenes System (vgl. LUHMANN 1973). Die wichtigsten gesellschaftlichen Funktionssysteme nach Luhmann stellen hierbei die Wirtschaft, das Recht, die Wissenschaft, die Religion und die Kunst dar. Voraussetzung dafür ist, dass sich bereits ein Gesellschaftssystem konstituiert hat. Soziale Arbeit wird aus dieser Perspektive oftmals als ein eigenständiges Kommunikationssystem (LUHMANN 1984) beschrieben, welches sozialpädagogische Leistungen für die andern Systeme erbringt. Die zentrale Leistung der sozialpädagogischen Dienste besteht in der stellvertretenden Inklusion und späteren Re-Inklusion von Personen, die aus einem oder mehreren Systemen ausgeschlossen worden sind. Von daher wird Soziale Arbeit auch als „sekundäres Funktionssystem“ (KLEVE 1997, S. 417) beschrieben. Die Systemtheorie beschreibt die Funktion Sozialer Arbeit damit, dass sie gesellschaftliche Probleme zu lösen versucht, die sich
Systemtheoretische Bezüge
Gesellschaftliche Funktionssysteme
Soziale Arbeit als Funktionssystem
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Referenzpunkte für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste
Inklusion und Exklusion
durch Exklusionsrisiken ergeben. Kernaussagen einer systemtheoretischen Perspektive können wie folgt zusammengefasst werden: – Moderne funktional differenzierte Gesellschaften produzieren Exklusionsrisiken, da das moderne Individuum multiplen Anforderungen seitens der Funktionssysteme ausgesetzt ist. Eine Kummulation von Exklusionsrisiken führt zu befristeten oder unbefristeten, eingeschränkten oder generellen Formen der Nicht-Teilhabe. – Soziale Arbeit bearbeitet Formen der Nicht-Teilhabe oder zielt auf die Bearbeitung prognostizierter Exklusionsrisiken (z.B. in der Prävention), vor allem in den Bereichen der (Wieder-)Herstellung der Erwerbsarbeitsfähigkeit, der Erziehung, der physischen und psychischen Rehabilitation, Rechtssprechung, Politik, und sozialer Netzwerke. – Damit reagiert Soziale Arbeit auf Desintegrationsprozesse anderer gesellschaftlicher Funktionssysteme (wie z.B. sozialstaatliche Sicherungssysteme), die von dem primären Funktionssystem nicht bearbeitet bzw. geregelt werden können. Diese als soziale Probleme etikettierten Exklusionseffekte werden dann in die sozialpädagogische Zuständigkeit überführt. – Jedes Funktionssystem hat seinen systemeigenen Code, einen binären Code, mit dem es die Umwelt beobachtet und reagiert. Für die Soziale Arbeit lautet der binäre Code: Hilfe – Nicht Hilfe. Übertragen auf die sozialpädagogischen Dienste heißt es Fall/Nicht-Fall. – Die situative Entscheidung über Fall/Nicht-Fall geschieht einerseits auf der Ebene der persönlichen Interaktion (Hilfebedürftigkeit) und andererseits auf der Ebene der Programme der Organisation (Hilfebedarf). Das erzeugte Spannungsfeld bewegt sich somit zwischen Elementen des Situativen und Elemente der Typisierung. – Die Entscheidung für die Codierung als „Fall“ erzeugt eine Klientin bzw. einen Klienten Sozialer Arbeit. Die Bezeichnung „Klient“ meint hier dann nicht einzelne Menschen, sondern die soziale Positionierung von Personen durch und in den sozialpädagogischen Diensten. – Prinzipiell können sozialpädagogische Dienste eine (Re-)Inklusion in andere Funktionssysteme nicht vornehmen und auch keine Exklusionsrisiken mindern. Sie inkludieren lediglich als hilfebedürftig definierte Personen als Klientel und setzen dieses damit weiterer Stigmatisierung und Exklusion aus (vgl. MERTEN 2000; KLEVE 1999).
Diese Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie das Kapitel 2 gelesen haben: – Wozu sind Theorien hilfreich? – Wie unterscheiden sich Alltagstheorien und wissenschaftliche Theorien voneinander? – Worin unterscheiden sich die Erziehungswissenschaft und die Sozialarbeitswissenschaft für eine Verortung einer Theorie sozialpädagogischer Dienste? – Welche Hauptströmungen gibt es gegenwärtig in der sozialpädagogischen Theoriebildung?
Das schwierige Geschäft mit der Theoriebildung
Weiterführende Literatur zu Kapitel 2: Zur Einführung: MAY, MICHAEL (20092): Aktuelle Theoriediskurse Sozialer Arbeit. Eine Einführung. Wiesbaden. RAUSCHENBACH, THOMAS/ZÜCHNER, IVO (2002): Theorien der Sozialen Arbeit. In: Thole, Werner (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit, Opladen, S. 139–160. Zur Lebensweltorientierung: THIERSCH, HANS (20035): Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. Weinheim/München. Zur Dienstleistungsorientierung: FLÖSSER, GABY (1994): Soziale Arbeit jenseits der Bürokratie. Neuwied/Kriftel/Berlin. OLK, THOMAS/OTTO, HANS-UWE (Hrsg.) (2003): Soziale Arbeit als Dienstleistung. Grundlegungen, Entwürfe und Modelle. Neuwied/Kriftel/Berlin. Zu subjektorientierten Theorien: WINKLER, MICHAEL (1995): Bemerkungen zur Theorie der Sozialpädagogik. In: Sünker, Heinz (Hrsg.): Theorie, Politik und Praxis Sozialer Arbeit, Bielefeld. Zur Systemtheorie: BAECKER, DIRK (1994): Soziale Hilfe als Funktionssystem der Gesellschaft. In: Zeitschrift für Soziologie, 23. Jg., Heft 2, S. 93–110. KNEER, GEORG/NASSEHI, ARMIN (1993): Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Eine Einführung. München. MERTEN, ROLAND (Hrsg.) (2000): Systemtheorie Sozialer Arbeit. Neue Ansätze und veränderte Perspektiven. Opladen. Zentrale Texte der sozialpädagogischen Theoriegeschichte: THOLE, WERNER/GALUSKE, MICHAEL/GÄNGLER, HANS (Hrsg.) (1998): KlassikerInnen der Sozialen Arbeit. Sozialpädagogische Texte aus zwei Jahrhunderten – ein Lesebuch. Neuwied/Kriftel.
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C Strukturelemente einer Theorie sozialer Dienste 3 Sozialpolitische Entwicklungslinien „Die moderne Entwicklung sozialer Hilfen, sozialer Kontrollen und sozialer Dienste lässt sich darstellen als Problemgeschichte der Spannungen und Vermittlungen zwischen den gesellschaftlichen Bewegungen und Vereinigungen sozialen Engagements und dem Souveränitätsanspruch sozialstaatlicher Verantwortung und Steuerung“ (PANKOKE 1981, S. 3).
„Hilfe im gesellschaftlichen Wandel“
Dabei sind individuelle und kollektive Unterstützungsleistungen für Bedürftige so alt wie die Menschheit selbst. Bedürftigkeit, die Hilfe nach sich zieht, meint klassisch existenzbedrohende Armut. Jedoch wandeln sich die Formen, Funktionen und Inhalte des Helfens im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung (vgl. LUHMANN 1973). Während zunächst wechselseitige Hilfe ohne organisatorischen Rahmen erfolgte, finden sich die Ursprünge der organisierten Unterstützungsleistungen in dem Almosenwesen des Mittelalters. Dabei basierte das Almosenwesen auf den stabilen Strukturen der Ständegesellschaft: Die Zugehörigkeit zu einem Stand erfolgte qua Geburt, wobei die Sozialstruktur jedoch durch erhebliche Unterschiede gezeichnet war (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1980, S. 25ff.). Armut war nach damaliger Auffassung ein gottgegebenes Phänomen, die Bettelei war ein anerkanntes Gewerbe, sodass an dem Zustand der Armut – im Gegensatz zu heute – nicht gerüttelt wurde. Die traditionelle Almosenpraxis, die auf der religiösen Weltanschauung beruhte, dass Armut gottgewollt und heilig war, diente sowohl den Armen als auch den Almosengebern, beiden wurde geholfen, den einen im Diesseits, den anderen im Jenseits. Zumeist waren die Almosen Stiftungen und Spenden wohlhabender Bürger, welche sich dadurch „himmlischen Lohn“ erhofften. Bei der Vergabe dieser Almosen spielte vor allem die Kirche eine zentrale Rolle, da ihr die Verteilung der Almosen oblag. Allerdings richtete sich diese Almosenpraxis nicht nach individuellen Notlagen, „(…) sondern z.B. der Reihenfolge und Bedeutung kirchlicher Feiertage, an denen jedermann, der darum nachkommt, ein bestimmtes Quantum von Geld oder Naturalien verabreicht wird, solange der Vorrat reicht – unabhängig von der Art und dem Ausmaß seiner Notsituation“ (SACHßE/TENNSTEDT 1980, S. 29).
Erste staatliche Reaktionen
Bereits im 14. Jahrhundert wurden jedoch als eine Reaktion auf die Überlastung des Armenhilfesystems in vielen Städten Bettelordnungen erlassen, die erste ca. 1370 in Nürnberg. Systematisch lassen sich die in den Armenund Bettelordnungen festgeschriebenen Veränderungen des Umgangs mit Armut in vier Prinzipien zusammenfassen: die Kommunalisierung, die Rationalisierung, die Pädagogisierung und die Bürokratisierung der Hilfen (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1980, S. 63ff.).
Sozialpolitische Entwicklungslinien
Mit der Ansiedelung der Almosenvergabe bei den Gemeinden setzte ein Prozess der Verstaatlichung ein, damals noch Territorialstaaten, welcher mit dem „Übergang der Armenfürsorge von der Kirche als einer universellen, räumlich nicht begrenzten Institution auf die Gemeinde“ (SACHßE/TENNSTEDT 1980, S. 31) als öffentliche Einrichtung einherging. Die verstärkte Armutskonzentration in den Städten bedingte die Gewährung von Almosen lediglich für bereits ortsansässige Arme, und kann somit als ein Steuerungsmittel gegen den weiteren Zuzug von Bedürftigen gesehen werden. Grundlage war das Heimatprinzip von 1842, wonach nur ortsansässige Arme zu unterstützen waren (Kommunalisierung der Hilfe). Neben der Kommunalisierung der Almosenpraxis unterliegt der Armutsbegriff einem Wandlungsprozess; es kommt zu einer Objektivierung des Armutsbegriffs. Es wird nunmehr zwischen arbeitsfähigen/-willigen und arbeitsunfähigen/-unwilligen Armen unterschieden. Somit stehen im Zentrum der Vergabekriterien die Arbeitsfähigkeit und der Arbeitswille der Betroffenen. Je nach Grad der Arbeitsfähigkeit und -willigkeit wurden Almosen zugewiesen. Tendenziell kann man zusammenfassen: „Wer arbeitsfähig war, verlor automatisch den Anspruch auf Almosen, wer teilweise arbeitsfähig war, erhielt auch nur teilweise Almosen“ (FISCHER 1981, S. 62). Damit wurden die Vergabe des Almosens und die Höhe der Zuwendung in Abhängigkeit zu bestimmten Vergabekriterien gebracht (Rationalisierung der Hilfepraxis). Gleichzeitig wurde die Vergabe von Almosen an die Einhaltung eines Katalogs von Verhaltensvorschriften gebunden, wie beispielsweise festgelegte Bettelorte und -zeiten, Arbeitsleistungen der Bettler als Austausch für Almosen, Verbot von Spiel und Alkoholgenuss, Verbot von Gotteslästerung und Kuppelei usw. Insgesamt ging es in den Armenordnungen um die Zurichtung der untersten Gesellschaftsschichten nach den Prinzipien einer disziplinierten Lebensführung. Kurz gesagt: Man wollte die Armen im Sinne der frühbürgerlichen Verhaltensnormen „umerziehen“ (Pädagogisierung der Hilfe). Kommunalisierung, Rationalisierung und Pädagogisierung ließen sich aber nur dann durchsetzen, wenn die Einhaltung der Normen durch die Einrichtung entsprechender Kontroll- und Verwaltungsinstanzen überwacht und gewährleistet werden konnten. Bettelvögte, Armengerichte und die spätestens im 16. Jahrhundert aufkommenden kommunalen Aufsichts-, Kontroll- und Disziplinarbehörden sind mithin als Instanzen einer Bürokratisierung des Verhältnisses von Armut und Hilfe zu verstehen. Mit dem Ausgang des Spätmittelalters hatte sich anstelle spontaner Gebefreudigkeit und als Antwort auf die als Bedrohung interpretierte Ausbreitung der Armut ein System der Normenproduktion und -kontrolle durchgesetzt, das in seinen Grundzügen bei den städtischen Unterschichten auf die Durchsetzung von rationalen Verhaltensformen abzielte und perspektivisch auf die – für die sich entfaltende monetäre Gesellschaft – notwendigen Orientierungen Arbeitsbereitschaft und Disziplin verwies. Man könnte auch formulieren: In den Städten des Spätmittelalters fand die Geburt der Sozialpolitik statt. Erste strukturelle Umbrüche, die die Ablösung der „christlichen Liebestätigkeit“ durch institutionalisierte Formen sozialer Hilfe forcieren, haben ihre Wurzeln im Zeitalter des Absolutismus. Der Zerfall vorbürgerlicher Subsistenzsicherungen, die weitgehende Entmachtung der Stände bei gleichzeiti-
Kommunalisierung
Rationalisierung
Pädagogisierung
Bürokratisierung
Ausfall privater Regulierung
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Sozialpolitische Entwicklungslinien
Geburtsstunde Sozialer Arbeit
ger Förderung der wirtschaftlichen Interessen des Großbürgertums, die Kommerzialisierung des Besitzes von Grund und Boden sowie eine restriktive Wirtschafts- und Zollpolitik (Merkantilismus), kennzeichnen diesen Zeitabschnitt. Eine zunehmende Verelendung der Landbevölkerung war die Folge, die Vergabe von Almosen wird problematisch und lässt das bisherige Almosensystem an seine Grenzen stoßen. Für das Phänomen werden erstmals Begriffe gefunden und in der zeitgenössischen Literatur verbreitet: ,Pauperismus‘ und ,Proletariat‘ verweisen auf die Notwendigkeit einer organisierten Bearbeitung der sozialen Frage. Hier liegt dann auch sozusagen die Zeugung der Sozialen Arbeit, wohingegen die eigentliche Geburtsstunde auf den Übergang in das 20. Jahrhundert terminiert werden kann. Erst dann handelt es sich bei der Sozialen Arbeit um sozialpolitisch systematisch initiierte Leistungen, denen in ihren Anfängen vor allem die kompensatorische Bearbeitung problematischer Folgeerscheinungen der Industrialisierung oblag. Soziale Arbeit wurde als die Antwort auf soziale Probleme gesehen. Damit ist fürsorgerische Hilfe „ein Bestandteil der Politik, d.h. auch ihre Zielsetzung kann nicht unabhängig sein von den allgemeinen Zielsetzungen der Politik der Gesamtheit, die sich wieder ergeben aus dem Zusammenspiel und dem Widerstreit der politischen Kräfte in einem Staat“ (SCHERPNER 1962, S. 131).
Sozialpolitik und Sozialpädagogik
Und genau hier liegt die Spannung zwischen der Sozialpolitik des Staates und der Sozialpädagogik. Nichtsdestotrotz hat fürsorgerische Hilfe eine „Sonderfunktion, […] nämlich die Wiedereingliederung der aus der Gemeinschaft sich lösenden Glieder“ (ebd.).
Da sich Gemeinschaften bzw. Gesellschaften jedoch in ständiger Veränderung befinden, wirkt sich dies auch auf die Formen des Helfens aus. Viele gegenwärtig heftig umstrittene sozialpolitische Themen werden so erst in historischer Reflexion verständlich. Somit ist die fürsorgerische Hilfe (dies gilt in gleichem Maße für die heutige Soziale Arbeit) auch immer abhängig von „Wertanschauungen, die das Leben der Gesellschaft regeln“ (SCHERPNER 1962, S. 133). Oder anders ausgedrückt: Letztendlich spielen auch immer sozio-kulturelle Paradigmen eine wesentliche Rolle. Damit sind kulturelle Traditionen, das Entscheidungsverhalten politischer Institutionen, aber auch Eigeninteressen gesellschaftlicher Großverbände (z.B. Kirchen) sowie politische Rechtfertigungsideologien, kulturelle Normen und Werthaltungen hervorzuheben. Wie sich dies in den einzelnen Epochen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt darstellt, unterliegt den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und (sozial-)politischen Wandlungsprozessen.
3.1 „Hospitäler, Bewahranstalten und Strickschulen – die Institutionalisierung organisierter Hilfen für junge Menschen und ihre Familien“ Die ersten Vorläufer von sozialpädagogischen Diensten finden sich bereits im Mittelalter. Die zentrale Einrichtung war das Hospital, welches im Ge-
Sozialpolitische Entwicklungslinien
gensatz zum heutigen Verständnis nicht ein Krankenhaus darstellte, sondern all jene Personengruppen aufnahm, die nicht für sich selbst sorgen und nicht im Rahmen von der Familie versorgt werden konnten. Hierzu zählten die Kranken, Irren, Siechen, aber auch Findel- und Waisenkinder sowie Personen, die aufgrund körperlicher Gebrechen nicht dem Gewerbe der Bettelei nachgehen konnten. Daneben gab es bereits Institutionen, insbesondere Klöster, aber auch städtische Findelhäuser, die sich der Lage der verlassenen Kinder annahmen. Die Arbeit in den Hospitälern, Findel- und Waisenhäusern bestand lediglich in einer Versorgung der Hilfebedürftigen, bis die Kinder- und Jugendlichen in der Lage waren, für sich selbst Almosen zu erbitten (vgl. JORDAN 2005, S. 18). Mit dem Aufbrechen der spätmittelalterlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung setzte ein Umdenken ein: Während das Almosenwesen in der mittelalterlichen Ständegesellschaft auf der religiösen Weltanschauung beruhte, dass Armut als gottgewollt, also ein von Gott verordnetes Schicksal (der Armenbevölkerung) bzw. als Gelegenheit zu guten Taten (für die Wohlhabenden) gesehen wurde, wird Armut ab dem 17. Jahrhundert als selbstverschuldet betrachtet. Die Folge war die Etablierung von Zucht- und Arbeitshäusern, die nach London 1555 und Amsterdam 1595 mit der Gründung des Bremer Arbeitshauses 1609 verstärkt auch in den deutschen Staaten Einzug hielten (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1980, S. 113ff. und 159ff.). Die Zucht- und Arbeitshäuser sind zunächst unspezifische Institutionen, die ein durchaus breites, durch alle Schichten gestreutes, Klientel haben. Typisch für die Arbeitshäuser ist die Verbindung von strenger Zucht und Ordnung auf der einen und Manufakturarbeit auf der anderen Seite. Diese Entwicklung kann als „Ökonomisierung der Armut“ (vgl. MÜNCHMEIER 1981) bezeichnet werden. Im Zentrum steht die Disziplinierung der Armen durch eine verschärfte Verpflichtung zur Arbeit. Die gefängnisartigen und geschlossenen Anstalten der Armenpflege des 16. und 17. Jahrhunderts wurden so zu einem Instrument der Wirtschaftsförderung und bildeten eine „industrielle Reservearmee“ als Vorsorge für die starken zyklischen Schwankungen des Arbeitsmarktes. Da Armut nun nicht länger ein gottgewolltes Phänomen darstellt, werden Motivprüfungen eingeführt, die eine Unterscheidung zwischen Arbeitswilligen und Arbeitsunwilligen erlauben. Arbeitsfähigen, aber arbeitsunwilligen Personen wurde in Form einer hoch-repressiven Arbeitspädagogik innerhalb der privaten und kirchlichen Vereine und Initiativen begegnet. Der Kampf gegen die Armut wurde mehr und mehr als Erziehungsproblem wahrgenommen, sodass nicht zufällig die Industrieschulen, als Instrumente der Erziehung von Kindern und Jugendlichen aus den unteren Schichten zur Arbeitsamkeit, eine vergleichsweise schnelle Verbreitung fanden. Repression und Erziehung von Armen waren so zwei Seiten einer Medaille: der Durchsetzung des disziplinierten Arbeitsbürgers einerseits und die wirtschaftlichen Interessen der Manufakturbesitzer andererseits (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1980). Der Intention nach anders stellten sich die im Zuge der religiösen Erweckungsbewegung (Pietismus) entstehenden Waisenhäuser dar. Ein prominenter Vertreter dieser Bewegung war August Herrmann Francke (1663–1727), welcher im Jahr 1694 die Halleschen Anstalten gründete. In den pietisti-
Anfänge öffentlicher Versorgung und Erziehung
Zucht- und Arbeitshäuser
„Ökonomisierung der Armut“
Armut als Erziehungsproblem
Pietismus
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Institutionalisierung organisierter Hilfen
Gründe für Auf- und Ausbau sozialer Einrichtungen
Friedrich Fröbel
Johann Heinrich Pestalozzi
schen Waisenhäusern wurden Kinder armer Familien durch regelmäßigen Schul- und Religionsunterricht sowie durch harte körperliche Arbeit erzogen. Im Gegensatz zu den Arbeits- und Zuchthäusern rückte hier die Erziehung der armen Kinder zu nützlichen Gesellschaftsmitgliedern in den Vordergrund. Die Kinder sollten durch Zucht und Ordnung dazu angeleitet werden, ihr Leben selbst zu gestalten. Auch wenn die Lebensbedingungen in den Waisenhäusern, insbesondere ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, heftig kritisiert wurden (Waisenhausstreit), bereitete Francke mit seiner Idee der Aufklärung über die eigene Situation sowie dem Gedanken einer Integration in das damalige Gesellschaftssystem den Weg der Entwicklung einer sozialen Fürsorge. Trotz aller Kritik wird Francke noch heute als ein Wegbereiter der Heimerziehung gesehen. Der Gedanke der Unterrichtung und Betreuung von Kindern wurde insbesondere im Zuge der fortschreitenden Aufklärung vorangetrieben. Der Auf- und Ausbau sozialer Einrichtungen für Kinder und Jugendliche hing dabei entscheidend mit folgenden gesellschaftlichen Entwicklungen zusammen: – Die Ausbreitung des Manufakturwesens begünstigt die Trennung von Produktions- und Reproduktionssphäre (Arbeitsort und Familie), – die Entstehung der Klasse des besitzlosen Proletariats verschlechterte die Lebensbedingungen für weite Bevölkerungskreise und zwang zu Frauenund Kinderarbeit, – in der Aufklärung wurde das Bürgertum selbstbewusster und beanspruchte politische Mitbestimmung im Staat, – Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Preußen 1717. Diese Entwicklungen führten letztlich zur Einrichtung von Kinderbewahranstalten, Vorläuferorganisationen des Kindergartens, die in erster Linie die Proletarierkinder vor Verwahrlosung bewahren sollten, erst in zweiter Linie bezweckten sie eine pädagogische Förderung. Nicht selten musste eine Aufsichtsperson bis zu 100 Kinder betreuen, was die Überfüllung dieser Anstalten verdeutlicht. Dennoch sollen sie dazu beigetragen haben, dass fast überall die Sterblichkeitsziffer der Kinder in den ersten Lebensjahren zurückging. Für die Kinder des Bürgertums gab es Kleinkinderschulen, die als familienergänzende Einrichtungen auf den späteren Besuch der Lernschulen vorbereiten sollten. Die Ausweitung des Erziehungsgedankens auf den frühpädagogischen Bereich und die Organisation spezieller Einrichtungen wird dabei mit dem Namen Friedrich Fröbel (1782–1852) verbunden. Für Fröbel beginnt die Erziehung mit der Geburt und ist eine weit umfangreichere Aufgabe, als nur die Erziehung zur Arbeit. Innerhalb der Erziehung wird den Kindergärten die Aufgabe übertragen, die häusliche Erziehung der Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren zu unterstützen, zu ergänzen und die Kinder durch Bewegungsspiele, Förderung des kreativen Gestaltens, das Anschauen und Besprechen von Bildern und Gegenständen, Erzählungen und Geschichten und leichte Gartenarbeit zu fördern. Fröbel stand in der Entwicklung seiner pädagogischen Ideen in engem Austausch mit Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827). Er besuchte ihn mehrfach in seinen Einrichtungen der Armen- und Waisenfürsorge und teilte mit ihm die Einsicht in die Notwendigkeit frühkindlicher Erziehung. Die Erziehung zur Arbeit und durch die Arbeit stand bei Pestalozzi zwar im Vor-
Sozialpolitische Entwicklungslinien
dergrund, aber da er Armut nie nur als ökonomische Mangellage betrachtete, und er die Kinder auch nicht zu einem bloßen reibungslosen gesellschaftlichen Funktionieren heranzüchten wollte, konnte und wollte er bei dieser einseitigen Sicht auf Armut nicht stehen bleiben. Denn, so die Annahme Pestalozzis, die Erziehung zur Arbeit sollte vielmehr eingebettet in eine ganzheitliche Bildung sein und stärker in die Entwicklung des Einzelnen eingreifen. Großen Wert legt er auf die didaktische Vermittlung des dem Kind beizubringenden Wissens. In Folge dieser Einsicht wird nach anfänglicher Zusammenlegung von produktiver Arbeit und schulischem Unterricht dem Kind beides zeitlich getrennt nahegebracht. Durch eine ganzheitliche Erziehung von ,Kopf, Herz und Hand‘ im Rahmen von Arbeit war es das Ziel Pestalozzis, das ,arme‘ Kind zur selbständigen Lebensführung zu erziehen (vgl. RAITHEL/DOLLINGER/HÖRMANN 2005, S. 114f.). Ankerpunkt seiner institutionellen Umsetzung dieser Erziehungsidee war die Orientierung in ein festes soziales Gefüge. Die Anstrengungen dieser Anstaltserziehung für die Kinder wurden seinerseits gerechtfertigt durch das Erleben einer Liebesbeziehung zwischen Kind und Erzieher, welches dem in einer „Wohnstube“ ähnlich war. Ein gutes Jahrhundert später kam es in Europa im Zuge der religiösen und kirchlichen Erneuerungsbewegung („Rettungshausbewegung“) zu einer Fürsorge für verwahrloste Kinder, die durch die beginnende Industrialisierung aus Familien- und Dorfgemeinschaften herausgerissen wurden. Die im Kern bis dato immer noch altruistische Hilfeleistung unterlag in ihren Leitmotiven einer Wandlung: „Rettung“, „Förderung“ und „Besserung“ mit pädagogischen Mitteln wie Strafe und Erziehung standen nun im Vordergrund, da es zentral um die religiöse Seelenrettung der Kinder bzw. Jugendlichen ging. Der Pfarrer Johann-Hinrich Wichern (1808–1881) gründete im Jahr 1833 das „Rauhe Haus“ in Hamburg und erzog dort verwahrloste Kinder und Jugendliche in familienähnlicher Umgebung. Im Gegensatz zu den bisherigen Konzepten außerfamiliärer Erziehung zeichnete sich Wicherns Rettungshaus dadurch aus, dass neben dem Aspekt der Arbeit erstmalig der Gedanke an eine pädagogisch angeleitete Freizeitgestaltung ins Spiel kam. Zudem nahmen die Rettungshäuser nur Kinder mit vorheriger Zustimmung der Eltern auf, wodurch erstmalig eine freiwillige Erziehungshilfe institutionalisiert wurde.
Johann Wichern und die „Rettungshausbewegung“
3.2 Arbeiter- und Armenpolitik – die Anfänge staatlicher Fürsorge Die in der Reform der spätmittelalterlichen Städte angelegten Prinzipien, die bis zum heutigen Tag Einfluss auf das Verhältnis von Armut und Hilfe haben, werden in der Epoche der Industrialisierung radikalisiert, insbesondere auch deshalb, weil das Armutsphänomen zu einem immer größeren Problem wird. Hatten die gesamten fürsorgerischen Anstrengungen der Erziehung zur Arbeitsamkeit bis zum 19. Jahrhundert einen zentralen Konstruktionsfehler – es gab einfach nicht genug Arbeit, über die die Menschen ihr Leben hätten finanzieren können –, ändert sich dies zumindest ansatz-
Folgen der Industrialisierung
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Arbeiter- und Armenpolitik – die Anfänge staatlicher Fürsorge
Elberfelder System
Das Straßburger System
weise im 19. Jahrhundert, das gekennzeichnet ist durch Bevölkerungswachstum, zunehmende Verstädterung und Industrialisierung. Die Anpassungs- und Strukturkrisen des 19. Jahrhunderts sind allerdings vielfältig und für etliche Menschen bestehen – gerade angesichts der bedrückenden Arbeitsbedingungen und der geringen Entlohnung – immer noch wenige Chancen, ihr Leben über Lohnarbeit zu finanzieren. Trotz allem finden im 19. Jahrhundert massive Veränderungen in der Armenpolitik statt. So wird 1871 das Heimatprinzip zugunsten des Prinzips des Unterstützungswohnsitzes abgeschafft, um eine weitgehende Mobilität der Arbeiterschaft zu ermöglichen. Maßgeblich für die Reorganisation des kommunalen Armenwesens ist das Mitte der 1850er Jahre entstehende Elberfelder System. Elberfeld – heute ein Stadtteil von Wuppertal – ist eine rasch wachsende Industriestadt, deren Einwohnerzahl sich von 1800 bis 1852 vervierfacht hat. Die damit einhergehende Verschlimmerung der Armutsproblematik drängte auf eine ökonomische Lösung. Diese bestand in einer Aufteilung der Stadt in Bezirke und einzelne Quartiere, verbunden mit konzeptionellen Überlegungen einer durch soziale Nähe gewährleisteten schnellen und effizienten Problemlösung. Das mit dem Prinzip des „visiting“ verbundene Aufsuchen der Familie in der privaten Wohnung eröffnete Möglichkeiten der Verknüpfung von pädagogischer Intervention, materieller Hilfe und Kontrolle bzw. Disziplinierung. Die Armenpfleger und Bezirksvorsteher waren ehrenamtlich tätig und wurden auf drei Jahre gewählt. In der Regel hatte ein Armenpfleger ca. drei bis vier Familien zu betreuen (vgl. KÜHN 1994, S. 6). Alle Gesuche liefen durch seine Hand und gingen an die nächste Bezirksversammlung, die auf höchstens 14 Tage eine Unterstützung gewährte und die auch, sofern das dem Armenpfleger nicht gelang, über die Arbeitsbeschaffung beriet. Das Elberfelder System war nach seiner Einführung lange Zeit erfolgreich. Erst mit der steigenden Mobilität der Arbeiterbevölkerung im Rahmen der voranschreitenden Industrialisierung, die sowohl von Stadt zu Stadt als auch innerhalb der Stadt zu mehrmals jährlichem Wohnortwechsel führte – ständig auf der Suche nach Arbeit – wurde es für die Armenverwaltungen immer schwieriger, die Anspruchsvoraussetzungen (z.B. Unterstützungswohnsitz) zu prüfen. Zusätzlich wurden nicht mehr genügend ehrenamtliche Armenpfleger gefunden, da einerseits die räumliche Nähe des Armenpflegers zu ,seinen‘ Armen aufgrund der Differenzierung der wohlhabenden und armen Stadtteile problematisch wurde, anderseits die Zahl der Unterstützungsbedürftigen enorm gestiegen war. Aus diesen Gründen nahmen die Städte immer mehr Abstand von den ursprünglichen Elberfelder Prinzipien der Quartiersaufteilung und den selbständigen Entscheidungsbefugnissen der Armenpfleger. Das nachfolgende Straßburger System (1905) unterschied sich vom Elberfelder System vor allem durch die Tatsache, dass die Unterteilung in Quartiere zugunsten einer gröberen Einteilung in Stadtbezirke wegfiel. Die zweite hervorzuhebende Neuerung war die Einrichtung eines zentralen Armenamtes, in welchem nun allein männlichen, hauptamtlichen Armenpflegern die polizeilich-administrativen Aufgaben der Ermittlung, Aktenführung und Kontrolle oblag. Die Hilfebedürftigen stellten nunmehr einen Antrag an den zuständigen Berufsbeamten im Armenamt, der nach Überprüfung der Sachlage den Fall mit einer Stellungnahme an
Sozialpolitische Entwicklungslinien
die Bezirkskommission weiterleitete. Die Bezirkskommission entschied über die Art der Unterstützung. Im Fall von kurzfristigen materiellen Hilfen blieb der beruflich tätige Armenpfleger für die Hilfebedürftigen zuständig, die längerfristigen sozialen Hilfen oblagen weiterhin den Ehrenamtlichen, welche zunehmend Frauen waren. Während auf der einen Seite die kommunale Armenhilfe immer systematischer eine Individualisierung und Bürokratisierung der Hilfeleistung organisiert, gerät gleichzeitig gesamtgesellschaftlich die frühkapitalistische Ideologie unter Druck, da mit der Gründerkrise ab 1873 die Armut auch von arbeitsbereiten Menschen wieder deutlich zunimmt. Entsprechend radikal lehnt die aufkommende Arbeiterbewegung die etablierte Form sozialer Hilfe ab. Anstelle von Almosen fordert sie Mitbestimmungs- und Mitbesitzrechte, die ,Mildtätigkeit‘ und das ,soziale Engagement‘ sollen in eine gesellschaftspolitische Strategie überführt werden. Armut wird hier als ein dem Kapitalismus immanentes Problem gesehen, dessen Beseitigung allein mit der Veränderung der Produktionsweise einherginge. Artikulationen dieser Art können als ,Geburtshelfer‘ des modernen Sozialstaates bezeichnet werden: Die Armenfürsorge, als politisches Steuerungsinstrument dysfunktional geworden, wird durch die Arbeiterversicherung ergänzt, die ihre Entstehung ebenfalls den widersprüchlichen Tendenzen der Ausgrenzung und der Integration verdankt. Die Bismarcksche Sozialversicherung diente somit als ein Herrschaftsinstrument im Sinne von „Zuckerbrot und Peitsche“ (TENNSTEDT 1997). Neben der öffentlich-rechtlichen Zwangsabsicherung großer Teile der Arbeiterschaft und der gering verdienenden Angestellten als sozialpolitische Zielstellung (Zuckerbrot) sollte im gleichen Atemzug der Sozialdemokratie die rebellische Massenbasis entzogen werden (Sozialistengesetz von 1878, Peitsche). Dies dürfte ein historischer Hintergrund der sozialpolitischen Differenzierungsprozesse im deutschen Kaiserreich sein, die zur institutionellen Erfindung des Sozialstaates und der Einführung der Sozialversicherungen führten: Krankenversicherung (1883), Unfallversicherung (1884) und Rentenversicherung (1889). Die Absicherung der Lebensrisiken von Arbeitern war ein entscheidender Einschnitt, insbesondere wenn man die Einrichtung der Arbeitslosenversicherung (1927) mit einbezieht. Mit diesen Ausdifferenzierungen gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich Strukturprinzipien etabliert, die trotz aller Veränderung im Detail, auch heute noch Gültigkeit besitzen: – die Trennung zwischen versicherungsförmig organisierten Ansprüchen von Arbeitenden einerseits und kommunaler Hilfe in Form von Transferleistungen für diejenigen Armen, die aus den Versicherungssystemen herausfallen, also die Trennung von Arbeiter- und Armenpolitik, – die Trennung zwischen materieller Sicherung und personenbezogener Betreuung, Beratung und Unterstützung im Alltag durch mittlerweile zumeist geschultes Fachpersonal. Während diese ersten kollektiven Sicherungen vor allem auf Schutz und auf Sicherheit gegen die Wechselfälle des Lebens zielten (vgl. SCHMIDT 2005, S. 11), rückte zunehmend der Gedanke der Erhaltung und Förderung des Faktors Arbeit in den Vordergrund (Produktivitätsfaktor). Mit dem Anwachsen der Städte im Zuge der Industrialisierung, den dadurch hervorgeru-
Armen- und Arbeiterversicherung
Erste Sozialversicherungen
Strukturprinzipien der sozialen Sicherung
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Arbeiter- und Armenpolitik – die Anfänge staatlicher Fürsorge
Ausdifferenzierung öffentlicher Hilfen
Ausbau kommunaler Sozialpolitik
fenen Massennotständen und der Zunahme sozialer Problemlagen (schlechte Lebens-, Gesundheits- und Wohnverhältnisse) setzte eine Ausdifferenzierung der allgemeinen Armenfürsorge ein („sociale Fürsorge“). Im Gegensatz zur bisherigen nachträglichen Sicherung bzw. Risikobekämpfung wurden nunmehr (Präventions-)Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit institutionalisiert (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1988, S. 27ff.). Der bisherige Ordnungsund Schutzgedanke, der bei der Ausdifferenzierung spezifischer Armutsrisiken (Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Alter und Individualität) aus der allgemeinen Armenfürsorge im Vordergrund stand, umfasste nicht mehr nur die Arbeiterschaft und die proletarische Armenbevölkerung, sondern weite Teile der deutschen Bevölkerung. Infolgedessen setzte ein Umdenken im Hinblick auf die Armutsfrage ein: Nicht mehr individuelles Fehlverhalten wurde als Verursachungsfaktor für Armut gesehen, sondern strukturelle Bedingungen von Notlagen. Vor allem im Kriegsgeschehen kam es zu einem Ausbau kommunaler Sozialpolitik, die über die traditionelle Armutspopulation und der Bismarckschen Sozialversicherungspolitik hinausging. Der Staat, der bislang von jeglichen sozialpolitischen Maßnahmen absah, übernimmt erstmalig eine soziale Gesamtverantwortung für seine Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Zusammenbruch der Monarchie und der Konstitution der Weimarer Republik als demokratischer Staat entsteht der deutsche Wohlfahrtsstaat. „Der Wohlfahrtsstaat bildete die zentrale Kompromiss- und Integrationsformel der Weimarer Republik, auf die die antagonistischen Kräfte der revolutionären Nachkriegsergebnisse verpflichtet werden konnten. Er verhieß eine Versöhnung der bürgerlich-kapitalistischen Wirtschaftsordnung mit dem Interesse der Arbeiterschaft an einer sozialen Ausgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre materielle Lebenssituation sollte staatlich gesichert und ihre demokratische Partizipation staatlich gewährleistet werden. Das Reich als die staatliche Zentralinstanz hatte zunehmend Verantwortung für das Wohlergehen der Bürger übernommen und die Ansprüche einzelner Gruppen von Bedürftigen auf staatliche Unterstützung als grundsätzlich legitim anerkannt … Mit dem wohlfahrtsstaatlichen Gestaltungsauftrag der Weimarer Verfassung weitete sich der Horizont der staatlichen Sozialverantwortung. Die klassisch-liberale Vorstellung einer Trennung von Staat und Gesellschaft war in der demokratisch verfaßten Republik obsolet …“ (PANKOKE/SACHßE 1992, S. 159f.).
Drei Säulen Prinzip der Sozialpolitik
Die mit Kriegsausbruch neben der allgemeinen Armenfürsorge eingeführte „gehobene Fürsorge“ zielte auf die Versorgung der Familienangehörigen der Eingezogenen, der Kriegsbeschädigten und die Hinterbliebenen (vgl. SACHßE 1994b, S. 139ff.). Die Versorgung Weniger (Staatsdiener, Militärangehörige sowie deren Hinterbliebene) wird in der Weimarer Republik auf den Schutz breiter Bevölkerungskreise ausgedehnt. Mit den entstehenden Sicherungssystemen (Versicherung, Versorgung und Fürsorge) wird der Grundstein für das Drei-Säulen-Prinzip der Sozialpolitik in Deutschland gelegt. Die Leistungen des deutschen Sicherungssystems unterscheiden sich in ihren Ordnungsprinzipien, Finanzierungs- und Leistungsformen. Bei der ersten Säule der Versicherung handelt es sich um eine Absicherung gegen die Risiken des männlich codierten Erwerbsarbeitslebens (Alter, Krankheit, Invalidität, später Pflege). Bei einem vorab definierten Risikoeintritt kommt
Sozialpolitische Entwicklungslinien
Versicherung
Versorgung
Fürsorge/Hilfe
Ordnungsprinzip
Äquivalenz
Solidarität
Subsidiarität/ Individualität
Gegenstandsbereiche
– Krankenversicherung (SGB V) – Pflegeversicherung (SGB XI) – Unfallversicherung (SGB VII) – Rentenversicherung (SGB VI) – Arbeitsförderung (SGB III) – Arbeitslosenversicherung (SGB III) – Pflegeversicherung (SGB XI)
– Beamte – Richter – Soldaten – Kriegsopfer – Wehrpflichtige – Zivildienstleistende – Schwerbehinderte – Impfgeschädigte – Opfer von Gewalttaten
– Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) – Sozialhilfe (SGB XI, u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt, Kranken- und Behindertenhilfe, Hilfe zur Pflege, Gesundheitshilfe) – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX)
Orientierung
Kausal
Kausal
final
Finanzierung
Beiträge
Steuern
Steuern
Abb. 3 Klassisches Drei-Säulen-Prinzip der Sozialpolitik
es durch zuvor eingezahlte Beiträge (erworbene Ansprüche) zu einer individuell zurechenbaren Auszahlung (Äquivalenzprinzip). Ebenso einer kausalen Logik folgt die zweite Säule der Versorgung. Bei dem Solidaritätsprinzip handelt es sich um ein Organisationsmodell für diejenigen Sozialleistungen, die den Ausgleich zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft regeln. Die Versorgungssäule basiert nicht auf einem finanziellen Gegenseitigkeitsverhältnis, sondern ihre Finanzierung erfolgt ausschließlich über steuerliche Mittel. Das hat seinen Grund darin, dass Versorgungsleistungen für Dienste entschädigen sollen, die dem Staat erbracht wurden oder für die der Staat die – zumindest politische –Verantwortung übernommen hat. Eine Besonderheit in der Orientierung weist die dritte Säule der Fürsorge auf. Leistungen dieser Säule werden ebenfalls aus allgemeinen Steuermitteln, also im Wege gesamtgesellschaftlicher Solidarität, finanziert. Somit gleicht sie der zweiten Säule, jedoch folgt sie dem Final- oder Bedürftigkeitsprinzip (UmZu-Prinzip). Der Unterschied zur den Säulen der Versicherung und Versorgung besteht darin, dass es hierbei keine definierte Zweckbindung gibt, sondern dass der Bedarf an (Sozial-)Leistungen sich nach der konkreten, individuellen Lebenssituation der Betroffenen richtet. Die Leistungen der Sozial- und Jugendhilfe treten zudem nur subsidiär ein. Sie bieten eine Reproduktionsmöglichkeit für diejenigen Personenkreise, die aus eigener Kraft oder unter zumutbarer Zuhilfenahme fremder Mittel auf Dauer oder vorübergehend nicht in der Lage sind, einen angemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten (vgl. BÄCKER u.a. 2008). Insgesamt lässt sich festhalten, dass die erste Institutionalisierung organisierter Hilfen zunächst auf religiösen Weltanschauungen sowie auf den in-
Zweck- und Kausalprogrammierung
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Arbeiter- und Armenpolitik – die Anfänge staatlicher Fürsorge
Erste rechtliche Regelungen auf dem Gebiet der Kinderund Jugendhilfe
Anfänge der Kinderund Jugendhilfe
dividuellen Bestrebungen einzelner Personen, die sich der Fürsorge von armen und hilfebedürftigen Menschen sowie verlassenen, verwaisten und verwahrlosten Kindern und Jugendlichen annahmen, basierte. Jedoch gab es bereits auch seit Mitte des 19. Jahrhundert erste gesetzliche Regelungen der öffentlichen Kinder- und Jugendfürsorge. Hier war es der Staat Preußen, der mit seinen erlassenen Regulativen versuchte, eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen herbeizuführen. Bereits im Jahr 1839 gab es die erste landesrechtliche Grundlage („Preußische Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter“) der Kinderfürsorge, wodurch die Fabrikarbeit für Kinder unter neun Jahren gänzlich verboten wurde, da bei militärischen Musterungen gesundheitliche Beeinträchtigungen, ausgelöst durch die frühe Kinderarbeit, festgestellt worden waren. Zwar wurde bereits mit der „Entdeckung der Kindheit“ (Rousseau) auf die Besonderheiten der kindlichen Entwicklung sowie den damit gesonderten Fürsorgebedarf und den Schutz, den Kinder bedurften, aufmerksam gemacht, nichtsdestotrotz war Kinderarbeit bis dato vollkommen normal. Neben den Schutzvorschriften finden sich die Wurzeln der erzieherischen Tätigkeiten der Gemeinden in der öffentlichen Fürsorge für Zieh- und Haltekinder (so der zeitgenössische Begriff für Pflegekinder), also für Kinder, die in fremden Familien zur Pflege untergebracht waren. Das Pflege- und Haltekinderwesen entstand einerseits aufgrund der finanziellen Notlage der Eltern bzw. alleinstehender Mütter, die, um für den Lebensunterhalt arbeiten zu können, ihre Kinder gegen Entgelt in fremden Familien unterbrachten. Aber auch die Kritik an den bestehenden Waisenhäusern führte dazu, dass die Pflegestellen eine Alternative zur Anstaltserziehung wurden (vgl. SAUER 1979; HECKES/ SCHRAPPER 1988). Da aber auch die Pflegeverhältnisse zum Teil in katastrophalen Zuständen waren (schlechte hygienische Verhältnisse, Unterernährung der Kinder sowie hohe Sterbeziffern (vgl. JORDAN 2005, S. 30), wurden Pflegeverhältnisse von einer polizeilichen Erlaubnis abhängig gemacht. Erst mit der Reform des Vormundschaftswesen (1900) ging man von dem polizeilichen Konzessionssystem zu einer fürsorgerischen Beaufsichtigung über. Den Anfang bildete bereits die Reform der Zwangserziehung, wie sie in den Zucht- und Arbeitshäusern des ausgehenden 19. Jahrhunderts noch zu finden war. Infolge der Erhebungen über die Ursachen von Jugendkriminalität setzte sich die Erkenntnis durch, dass straffällige Kinder und Jugendliche, wenn sie nicht in der Lage waren, das Strafbare ihres Handelns einzusehen, aus der allgemeinen Strafrechtspflege ausgegliedert und einer Erziehung nach dem Grundsatz „Erziehung statt Strafe“ zugeführt werden müssen (vgl. MÜLLER 2001). Als Anstalten für die daraus entstehende Fürsorgeerziehung dienten die Waisenhäuser. Neben dem Kinderarbeitsschutz, der Fürsorge für Waisenkinder und hilfebedürftige arme Kinder und der Fürsorgeerziehung für verwahrloste Kinder und Jugendliche setzte eine staatliche Regulierung Anfang des 20. Jahrhunderts auch in einem Bereich ein, der im letzten Jahrhundert überwiegend den konfessionellen Vereinigungen überlassen worden war – der Fürsorge für die „normalen“, d.h. nicht auffällig geworden Kinder und Jugendlichen (vgl. UHLENDORFF 2003). Mit der Gründung der Gemeindewaisenräte (Vorläufer der heutigen Jugendämter) zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden erste Organisationen geschaffen, die sich gezielt mit den Be-
Sozialpolitische Entwicklungslinien
langen von Kindern und Jugendlichen beschäftigten und insbesondere die verschiedenen Bereiche der sich langsam ausdifferenzierenden Kinder- und Jugendfürsorge bündelten. Da immer nur einzelne Notstände behoben wurden, indem sie entweder einer behördlichen Institution oder einer sich neu bildenden Organisation übertrugen wurden, wies das Fürsorgewesen bei Gründung der Weimarer Republik sowohl in seiner verwaltungsmäßigen Organisation als auch in seinen gesetzlichen Grundlagen ein höchst uneinheitliches Bild. Die Weimarer Verfassung war die erste Rechtsfassung, die einen Grundrechtskatalog enthielt und dem Reich die Verantwortung für die sozialen Probleme der Bevölkerung zusprach (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1988, S. 77). Mit der Gesetzgebungskompetenz des Reiches werden verschiedene für die sozialpädagogischen Dienste maßgebliche Gesetzeswerke verabschiedet.
Diese Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie Kapitel 3 gelesen haben: – Mit welchen Prinzipien wurde auf die Überlastung des Almosenwesens reagiert? – Was ist mit der „Ökonomisierung der Armut“ gemeint, und welche Bewandtnis hat es damit auf sich? – Welche Gründe gab es für die Einführung des Straßburger Systems? – Was meint das „Drei-Säulen-Prinzip“ der Sozialpolitik und worin unterscheiden sich die Säulen? – Welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen prägen die Anfänge der Kinder- und Jugendhilfe? – Wie hießen die Modernisierungsprinzipien des Mittelalters, die bis heute noch Gültigkeit haben?
Weiterführende Literatur zu Kapitel 3: Einführende Literatur zur Geschichte der Sozialen Arbeit: HERING, SABINE/MÜNCHMEIER, Richard (20032): Geschichte der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Weinheim/München. SACHßE, CHRISTOPH/TENNSTEDT, FLORIAN (1980): Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg. Bd. 2, Stuttgart u.a. Zur Geschichte der Kinder- und Jugendfürsorge: HASENCLEVER, CHRISTA (1978): Jugendhilfe und Jugendgesetzgebung seit 1900. Göttingen. SCHERPNER, HANS (1966): Geschichte der Jugendfürsorge. Göttingen. UHLENDORFF, UWE (2003): Geschichte des Jugendamtes. Entwicklungslinien öffentlicher Jugendhilfe. Weinheim/Basel/Berlin. Zur Sozialdisziplinierung der Sozialen Arbeit: PEUKERT, DETLEV (1986): Grenzen der Sozialdisziplinierung. Aufstieg und Krise der deutschen Jugendfürsorge von 1878 bis 1932. Köln.
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Arbeiter- und Armenpolitik – die Anfänge staatlicher Fürsorge
4 Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
Definition Sozialpolitik
„Was ist Sozialpolitik? Das ist eine Frage, auf die keineswegs, wie der Außenstehende zu meinen geneigt sein könnte, die Antwort bereit liegt. Von einer herrschenden Begriffsbestimmung ist hier gar keine Rede. Im günstigsten Falle hat der einzelne Autor seine private Auffassung und begriffliche Fixierung, meistens wohl gar keine“ (SOMBART 1897). Allgemein kann man Sozialpolitik definieren „als jenes politisches Handeln, das darauf abzielt, erstens die wirtschaftliche und soziale Stellung von wirtschaftlich und/oder sozial absolut und relativ schwachen Personenmehrheiten durch den Einsatz geeignet erscheinender Mittel im Sinne der in einer Gesellschaft verfolgten gesellschaftlichen und sozialen Grundziele (freie Entfaltung der Persönlichkeit, soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit, Gleichbehandlung) zu verbessern und zweitens den Eintritt wirtschaftlicher und/oder sozialer Schwäche im Zusammenhang mit dem Auftreten existenzgefährdender Risiken zu verhindern“ (LAMPERT/ALTHAMMER 2007, S. 4f.).
Sozialpolitik im internationalen Vergleich
Das liberale Wohlfahrtsstaatsmodell
Diese Annäherung an den Begriff der Sozialpolitik bedarf jedoch der Ausbuchstabierung der sozialpolitischen Zielsetzungen des Staates. Den Fragen nach Gerechtigkeit, Zielsetzungen und Wertprinzipien wird in den unterschiedlichen Zeitepochen je nach politischen Koalitionen ein unterschiedliches Gewicht zugesprochen (vgl. BÖHNISCH/ARNOLD/SCHRÖER 1999). Von daher ist das wohlfahrtstaatliche Arrangement immer nur vor dem Hintergrund der historischen Entstehung des Nationalstaates und den normativ vertretenen Leitbildern von Sozial- bzw. Wohlfahrtsstaatlichkeit verständlich. Je nach Grad der Staatsintervention können verschiedene Typen von Wohlfahrtsstaaten unterschieden werden: liberale, konservative und sozialdemokratische Staaten (vgl. SCHMIDT 2005; ESPING-ANDERSEN 1990). In liberalen Wohlfahrtsstaaten (USA, Großbritannien, Kanada, Australien) hält sich der Staat in sozialpolitischen Angelegenheiten weitestgehend zurück, dass heißt, in marktwirtschaftliche Prozesse wird kaum eingegriffen. Staatliche Interventionen beschränken sich auf ordnungspolitische Vorgaben für freiwillige Versicherungssysteme und auf die Einrichtung weniger staatlicher Maßnahmenprogramme. In diesem Wohlfahrtsstaatstypus gelten Armenpflege und Markt-Konformität als oberste Ziele der Sozialpolitik. Sozialleistungen werden hier vermehrt auf Basis freiwilliger, privater Versicherung organisiert. Staatliche Sozialleistungen werden zum Teil als Fürsorge, zum Teil als Versicherungsleistung auf eng eingegrenzte, in der Regel besonders bedürftige Gruppen verteilt. Die öffentlichen Sozialleistungen sind sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht eng begrenzt. Besonders für Sozialleistungen, die im Rahmen von Fürsorgesystemen erbracht werden, zeigt sich hier eine zum Teil starke Umverteilungswirkung durch die Konzentration auf besonders bedürftige Gruppen, die lediglich ein Minimum an (sozial-)staatlichen Leistungen erhalten. Im Gegensatz zu diesem selektiven Sicherungssystem der liberalen Wohlfahrtsstaaten zeichnen sich sozial(demokratisch)e Wohlfahrtstaaten (Skandinavien) durch einen umfassenden Schutz (Universalversicherung) ihrer Bürgerinnen und Bürger aus. Im Zentrum steht der rechtlich verbindliche Anspruch aller Staatsbürgerinnen und -bürger auf einen definierten Lebens-
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
standard – unabhängig von ihrem ökonomischen und sozialen Status (Prinzip der Kollektivität und Egalität). Durch eine Umverteilung staatlicher Mittel (Steuereinkommen) sollen wirtschaftlich und/oder gesellschaftlich erzeugte Ungleichheit über die gesamte Lebenszeit gemildert werden. Die Sozialleistungen werden unabhängig von einer Lohnarbeitsexistenz gewährt, sprich die soziale Sicherung bzgl. Alter, Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit ist vom Arbeitsmarkt bzw. einer (vorherigen) Lohnarbeitsexistenz entkoppelt. Infolgedessen wird ein erheblicher Teil der Sozialausgaben direkt aus dem Steueraufkommen finanziert. Zusätzlich zu den sozialpolitischen Einkommenstransfers (z.B. steuerfinanzierte Grundrenten für alle Einwohner) werden staatlich organisierte soziale Dienste und Einrichtungen bereitgestellt (wie z.B. in Form von öffentlichen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder). Während sich die angelsächsischen Länder durch ein „Konzept gesellschaftlicher Selbstregulierung durch Freiheit“ (SACHßE 1998, S. 370) auszeichnen, und die skandinavischen Länder durch eine starke Staatstätigkeit geprägt sind, beschritt Deutschland einen anderen Weg. Seit den Anfängen staatlicher Fürsorge greift der Staat in das Wirtschaftsgeschehen durch eine Verteilung und Umverteilung von erwirtschaftetem Einkommen zur sozialen Sicherung derjenigen Personengruppen, die nicht oder nicht mehr am Wirtschaftssystem teilhaben können, ein (zu dem sozialen Sicherungssystem vgl. Kap. 3.2). Trotz dieser dem Prinzip der Selbstregulation des Marktes zuwiderlaufenden Einschränkungen hebt „Sozialpolitik die Grundlagen einer markt-wirtschaftlich-kapitalistischen Wirtschaftsordnung jedoch keinesfalls auf“ (BÄCKER u.a. 2008, S. 48); im Gegenteil, erst durch das Zusammenspiel von Staat (Politik) und Markt (Wirtschaft) werden die Voraussetzungen für die Stabilität und Entwicklungsdynamik des Wirtschaftssystems geschaffen. So scheiterte Bismarcks ursprünglicher Plan zur Einführung einer staatlichen Sozialversicherung aufgrund der Einflussnahme der Arbeiterbewegung (vgl. SCHMIDT 2005, S. 32). Gleichzeitig setzte sich eine rein privat-rechtliche Konstruktion, wie man sie in den liberalen Wohlfahrtsstaaten vorfindet, nicht durch. Konservative Wohlfahrtsstaaten, wozu neben Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweiz und Italien gehören, stellen eine politische Mitte dar. Die Sozialleistungen werden in erster Linie nach (einkommensabhängigen) Beiträgen der Versicherten bemessen. Das Versicherungsmodell weist eine hohe Marktabhängigkeit und Lohnarbeiterzentrierung auf. In organisatorischer Hinsicht sind die verschiedenen Sparten der Sozialversicherung in der Regel nicht in einer Einheitsversicherung unterbracht, sondern in nach Risikoart und Berufsgruppenzugehörigkeit gegliederten Versicherungen (z.B. Kranken-, Unfall-, Renten-, Arbeitslosenund Pflegeversicherung). Im Gegensatz zum stärker egalitär wirkenden Staatsbürgerversorgungssystem orientieren sich die Sozialleistungen im Rahmen des Versicherungsmodells primär am Ziel der sozialökonomischen Statussicherung der einzelnen Mitglieder. Über die Staffelung der Beiträge und Leistungen nach Arbeitseinkommen wird der auf den Arbeitsmärkten erzielte Einkommens- und Sozialstatus auf die sozialstaatlichen Leistungen übertragen. Der Umverteilungsgrad ist folglich geringer als die Umverteilung, die im Rahmen des Staatsbürgerversorgungsmodells im Typus „Sozialer Wohlfahrtsstaat“ erfolgt.
Das sozialdemokratische Wohlfahrtsstaatsmodell
Das konservative Wohlfahrtsstaatsmodell
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Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
Sozialbudget
Begriffsverständnis von Sozialpolitik
Formen sozialpolitischer Interventionen in Deutschland
Die (Sozial-)Leistungen umfassen in erster Linie die Sozialversicherungssysteme, die die materielle Versorgung von Arbeitnehmerinnen und -nehmern und ihren Familien, die im Falle von Krankheit, Arbeitsunfähigkeit als Folge von Unfällen oder Invalidität, Alter, Todesfall des Familienernährers sowie Arbeitslosigkeit nicht auf ein selbst erwirtschaftetes Einkommen zurückgreifen können. Diese Existenzsicherung „bei fehlenden Möglichkeiten oder Fähigkeiten zum Erwerb ausreichenden Arbeitseinkommens … ist jedoch nur ein Teilbereich staatlicher Sozialpolitik, wenngleich – gemessen am Gewicht der Einkommensleistungen – der größte und von seinen Aufgaben ein zentraler Bereich“ (LAMPERT/ALTHAMMER 2007, S. 3). Im Sozialbudget, welches alle öffentlich finanzierten oder aufgrund eines Gesetzes gewährleisteten Sach- und Dienstleistungen sowie monetäre Transfers enthält, stellen die Sozialversicherungen über zwei Drittel aller Sozialleistungen dar (vgl. BÄKKER u.a. 2008, S. 102). Die Sozialausgaben werden aus dem ,Dreierbund‘, der sich aus Staat, Arbeitnehmerinnen und -nehmern und Arbeitgeberinnen und -gebern zusammensetzt, finanziert. Den Bürgerinnen und Bürgern werden im Bedarfsfall nach Prüfung der Anspruchsberechtigungen zuverlässig erwartbare Leistungen materieller (z.B. Renten; Arbeitslosengeld, Grundsicherung) und immaterieller Art (z.B. Beratung, ambulante oder stationäre Hilfen bzw. Versorgung) garantiert, d.h. der Sozialstaat schafft „einen Sicherheitshorizont des täglichen Lebens auf unbegrenzte Zeit in den sachlichen Grenzen der Organisationsprogramme“ (LUHMANN 1973, S. 32). Bei genauerer Betrachtung der unterschiedlichen Wohlfahrtstypen kann zwischen einem weiteren und engeren sozialpolitischen Verständnis unterschieden werden. Sozialpolitik im weiteren Sinne beinhaltet „die Verpflichtung des Staats auf eine umfassende Politik des Ausbaus sozialer Staatsbürgerrechte, die sich nicht mit der Sicherung von Konsumchancen begnügt, sondern auch die Förderung von Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung anstrebt und den Ausbau ungleicher Teilnahmechancen am gesellschaftlichen und politischen Leben zum Ziel erhebt“ (NOHLEN 1996, S. 705). Die Sozialpolitik im weiteren Sinne zielt somit auf die Verteilung und Stabilisierung individueller Lebenschancen zugunsten der gesamten Bevölkerung. In Abgrenzung von diesem weiteren Sozialpolitikverständnis werden mit Sozialpolitik im engeren Sinne die klassischen Bereiche staatlicher Sozialpolitik (soziale Sicherungssysteme) bezeichnet. Im Vordergrund stehen individuelle Rechtsansprüche und nicht eine alle Bevölkerungskreise umfassende hohe soziale Sicherung, unabhängig von sozialer und wirtschaftlicher Stellung. Insbesondere die engere Definition von Sozialpolitik trifft auf die Sozialpolitik der Bundesrepublik zu. Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als ein freiheitlicher demokratischer Rechts- und Sozialstaat (vgl. Art. 20 GG). Dies beinhaltet den gesellschaftlichen Auftrag an den Staat, soziale Leistungen wie Hilfe, Fürsorge, Vorsorge und Versicherung gegen die Risiken des Lebens (Alter, Krankheit, Invalidität) bereitzustellen und darüber hinaus darauf hinzuwirken, dass soziale Ungleichheiten gemildert werden. Sozialpolitik kommt diesem auf dreifacher Weise nach: Durch staatliche Regulierung des Wirtschaftsgeschehens sollen die Risiken des Arbeitslebens gemildert bzw. beseitigt werden (z.B. durch Arbeitsrecht, Arbeitsschutz, Tarifautonomie, Koalitionsfreiheit). Hierbei handelt es sich um einen institu-
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
tionalisierten sozialen Interessensausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und -nehmerinnen, der Arbeitgeberinnen und -gebern und im weitesten Sinne dem Gemeinwohl mit dem Ziel politischer Stabilität. Darüber hinaus greift der Staat in das marktwirtschaftliche Geschehen durch eine Zwangsversicherung gegen Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit und für eine Versorgung im Alter ein. Seit Mitte der 1990er Jahre tritt eine gesetzliche Pflegeversicherung hinzu, die einer Grundsicherung im Falle der Pflegebedürftigkeit ähnelt. In der Regel handelt es sich bei dieser Verteilung bzw. Umverteilung um Geldleistungen (Kranken-, Arbeitslosen-, Pflegegeld, Sozialhilfe). Die dritte Interventionsform stellen soziale Dienste und Einrichtungen dar, die sowohl auf besondere individuelle Notlagen reagieren als auch auf Herstellung von Chancengleichheit zielen (vgl. BÄCKER u.a. 2008 S. 48). Die Ausgestaltung dieser staatlichen Verantwortung für die Wohlfahrt der Gesellschaft basiert in dem Zusammenwirken staatlicher, freier und privater Organisationen, welches sich auf normative Grundlagen stützt (vgl. Kap. 4.2). In Deutschland stand in der Vergangenheit die gerechte Verteilung von Ressourcen im Vordergrund sozialpolitischen Handelns (vgl. BMAS 2009). Angesichts der neuen Herausforderungen (demographischer Wandel, strukturelle Arbeitslosigkeit, sozialstruktureller Wandel, Internationalisierung des Kapitals) für den Sozialstaat geraten aber gerade diese Zielsetzungen ins Wanken und lassen das bisherige Sozialstaatsmodell brüchig werden. Die klassischen sozialpolitischen Bereiche – Rente, Arbeit und Gesundheit – stoßen angesichts ihrer Erwerbsarbeitsorientierung an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die Sozialpolitik Deutschlands steht nunmehr vor der Herausforderung, die Wechselbezüge zwischen dem Wirtschafts-, Politik- und Sozialsystem aufzugreifen, was u.a. Auswirkungen auf die sozialpädagogischen Dienste hat. Mit der Einführung von marktwirtschaftlichen Elementen in den Sozialsektor zieht der Staat sich zunehmend aus der Erbringung von sozialen Diensten zurück, wobei er weiterhin in der Gesamtverantwortung für das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger bleibt. Das neue Leitbild ist das eines „aktivierenden Staates“:
Herausforderungen des Sozialstaates
„Unter dem aktivierenden Staat wird ein Staat verstanden, der zwar an einer umfassenden öffentlichen Verantwortung für gesellschaftliche Aufgaben fest hält, jedoch nicht alle Leistungen selbst erbringen muss. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die Gesellschaft einschließlich der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu aktivieren, zu fordern und zu fördern, sich selbst als Problemlöser zu engagieren. Dieser Staat ist keineswegs ein Minimalstaat, der nur dort tätig wird, wo die Gesellschaft dies fordert, sondern im Gegenteil, der aktivierende Staat tritt der Gesellschaft und ihren Individuen fordernd und fördernd gegenüber“ (BANDEMER/HILBERT 2001, S. 21).
Aktivierender Staat
Im Hinblick auf die soziale Sicherung wurde ein erster Schritt mit der Auflösung der traditionellen Trennung zwischen zentralstaatlichen Versicherungsleistungen (Arbeiterpolitik) und kommunaler Sozialhilfe (Armenfürsorge) mit dem Vierten Gesetz für „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ mit Wirkung vom 1. Januar 2005 (HARTZ IV) gemacht. Dennoch wurde die enge Koppelung von sozialer Sicherung und Erwerbsarbeit aufrechterhalten und durch den (Arbeits-)Zwang und den materiellen Druck in der Arbeitsmarktpolitik sogar intensiviert (vgl. VÖLKER 2005).
HARTZ IV
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Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
4.1 Wohlfahrtspluralismus und Korporatimus – Phasen der Bürokratisierung und Verrechtlichung
Korporatismus
Ausdifferenzierung und Spezialisierung sozialer Hilfen
Bürgerliches Gesetzbuch
In Deutschland entwickelte sich – im Gegensatz zu anderen Wohlfahrtsstaaten – gegen Ende des 19. Jahrhundert ein korporatistischer Wohlfahrtsstaat, womit ein „mittlerer Weg zwischen freier Markt- und Staatssteuerung“ (SCHMIDT 2005, S. 33) geschaffen wurde. Mit dem Begriff „Korporatismus“ wird in der Politikwissenschaft die Einbindung („Inkorporierung“) gesellschaftlicher Organisationen in die Politik bezeichnet. Die Form des Engagements gesellschaftlicher Interessensgruppen kann sich einerseits auf die Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen beziehen, andererseits auf das planvolle, aufeinander abgestimmte Ineinandergreifen von öffentlichen und freien Trägern zur Erfüllung staatlicher Aufgaben. Bereits die Entstehungsgeschichte sozialpädagogischer Dienste lässt erkennen, dass ihre Wurzeln bis zur im 19. Jahrhundert entstandenen privat organisierte Wohltätigkeit reichen, die sich als moralisch-religiöse Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel verstand und sich um dadurch hervorgerufene Problemlagen kümmerte. Mit dem Anwachsen der Städte im Zuge der Industrialisierung, der damit einhergehenden Verelendung breiter Bevölkerungskreise und der Ausdifferenzierung ihrer sozialer Problemlagen (schlechte Lebens-, Gesundheits- und Wohnverhältnisse) setzte eine Spezialisierung der Fürsorge ein, eine „sociale Fürsorge“ (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1988, S. 11). Mit dieser Ausdifferenzierung sozialer Hilfen seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden zunehmend soziale Organisationen gegründet, die auf die jeweiligen Problemlagen reagierten. Da immer nur einzelne Notstände behoben wurden, indem sie entweder einer behördlichen Institution oder einer sich neu bildenden Organisation übertragen wurden, wies das Fürsorgewesen bei Gründung der Weimarer Republik sowohl in seiner verwaltungsmäßigen Organisation als auch in seinen gesetzlichen Grundlagen ein höchst uneinheitliches Bild auf. Diesem Problem waren weder die kommunalen Armenbehörden noch die zahlreichen Organisationen gewachsen. Vor allem der erste Weltkrieg verschärfte die sozialen und materiellen Problemlagen erheblich; die Abwesenheit der im Krieg dienenden Männer, die wirtschaftliche Not in der Kriegszeit, die seelischen Belastungen und die Ineffizienz und Ineffektivität der privaten und staatlichen Aktivitäten ließen den Ruf nach einer Zentralisierung und Verrechtlichung des Fürsorgewesens immer lauter werden. Der Erste Weltkrieg kann somit als „Schrittmacher der Sozialpolitik“ (PRELLER 1978) gesehen werden. Die Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 bildete die Grundlage für eine sozialstaatliche und demokratische Sozialpolitik. Die Folge war ein Prozess von Bürokratisierung, Zentralisierung und Professionalisierung bisheriger Aktivitäten auf dem Gebiet der sozialen Sicherung (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1988). Erstmalig übernahm das Reich als zentrale Instanz die Verantwortung für die vormals kommunal bereitgestellten Fürsorgemaßnahmen. Während es sich bei den Sozialversicherungen (Rente-, Kranken- und Unfallversicherung) immer schon um Rechtsansprüche handelte, kam es erst mit der Verrechtlichung der sich ausdifferenzierenden Fürsorgebereiche in
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
der Weimarer Republik von der obrigkeitlich-staatlichen Armenunterstützung zum sozialstaatlichen Recht auf Fürsorge. Den Anfang einer Rechtsvereinheitlichung bildete die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Jahr 1900, worin die zuvor länderspezifischen Einzelgesetze zusammengefasst wurden. Geregelt wurden das Recht der elterlichen Gewalt, die Rechtsstellung der Frau, das Vormundschafts- und Adoptionswesen sowie die Zuständigkeiten des Vormundschaftsgerichts. Der § 1666 BGB (Einschränkung der elterlichen Gewalt) eröffnete die Möglichkeit einer staatlichen Zwangserziehung, wodurch erstmalig ein Eingriff in die familiäre Sphäre möglich wurde. Mit der Zentralisierung sozialpolitischer Aktivitäten auf der Reichsebene wurde die traditionelle Armenfürsorge zu einer sozialen Fürsorge ausgebaut. Bereits die im Krieg entstandenen Sonderfürsorgen zielten auf eine Entstigmatisierung der Inanspruchnahme von Fürsorgeleistungen. Der stigmatisierende Nebeneffekt der allgemeinen Armenfürsorge sollte einerseits vermieden werden, andererseits wollte man die Kriegsfürsorge nicht auf dem Stand der allgemeinen Armenfürsorge halten, sondern den Lebensstandard der Kriegsopfer auf dem Niveau halten, das vor dem Krieg existiert hatte. Mit der „Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht“ (RFV) und den darauf beruhenden „Reichsgrundsätzen über Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge“ (RGr) wurden die bisherige Armenfürsorge und die zum Teil im Krieg entstandenen sozialen Fürsorgen, Wohnungs- und Gesundheitsfürsorge, in einem Gesetz zusammengefasst. Mit der Gesetzgebungskompetenz des Reiches traten ab 1924 die einzelnen Ländergesetze außer Kraft, und es kam zu einer einheitlichen Rechtssprechung in der Weimarer Republik. Mit dem gegenüber dem Kaiserreich völlig neu bestimmten wohlfahrtspolitischen Selbstverständnis der Weimarer Republik (vgl. HEINZE/OLK 1984, S. 169) wurde der Zwang, sein Leben über Erwerbsarbeit zu sichern, spätestens mit der Einführung der Arbeitslosenversicherung im Jahr 1927 sowie der Fürsorgegesetze der Weimarer Republik abgemildert. Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wurde im Jahr 1922 das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) verabschiedet, welches zwei Jahre später in Kraft trat (vgl. HASENCLERVER 1978). Das RJWG verankerte erstmalig ein eigenständiges „Recht des Kindes auf Erziehung“. Zudem fasste es die bisherigen Zweige der Kinder- und Jugendhilfe (Fürsorgewesen, Vormundschaftswesen, Jugendpflege, Kinder- und Jugendschutz), wie sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden waren, zusammen. Mit dem RJWG wurde der Grundstein für die Entwicklung einer Kinder- und Jugendhilfe gelegt (vgl. MÜLLER 1994, S. 28ff.; RÄTZ-HEINISCH/SCHRÖER/WOLFF 2009). Da es nicht zu einem umfassenden Jugendrecht, in dem alle Belange der Jugend behandelt wurden, kam, wurde 1923 das Reichsjugendgerichtsgesetz (RJGG) verabschiedet. Damit findet eine Ausgliederung von straffälligen Kindern und Jugendlichen aus dem allgemeinen Reichsstrafgesetzbuch statt und der Erziehungsgedanke wird in das Strafrecht eingeführt. Die Grundzüge des heutigen Jugendgerichtsgesetzes (JGG) gehen auf das RJGG zurück. Das neue Staatsverständnis hatte zu Folge, dass der Staat sowohl regulierend als auch finanzierend in die kommunale Selbstverwaltung eingriff, da sich der „Versorgungsauftrag des Staates in erster Linie an die kommunale Ebene“ richtete (DAHME/KÜHNLEIN/WOHLFAHRT 2005, S. 35). Obwohl eine
Zentralisierung
„Recht des Kindes auf Erziehung“
Bürokratisierung
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Wohlfahrtspluralismus und Korporatimus
Verhältnis öffentliche und freie Träger
Sozialpolitik im Nationalsozialismus
Expansion deutscher Sozialpolitik
Reorganisation der sozialen Dienste
bestimmte Verwaltungsbehörde nicht vorgeschrieben war, entwickelte sich ein entsprechender Behördentyp, der die Aufgaben von Armendeputation und -ämtern übernahm und erweiterte: das Wohlfahrtsamt. Hinter diesen Begriff verbargen sich administrativ und fachlich ganz unterschiedliche Einrichtungen, die vom einfachen Fürsorgeamt, das als Ausführungsbehörde der Fürsorgegesetze konzipiert war, bis zur umfassenden Wohlfahrtsbehörde reichte, die vielfach unter einem ärztlichen Dezernenten auch Gesundheits-, Jugend- und Wohnungsamt umfasste. Mit der Verabschiedung des RJWG wurden erstmalig die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Einrichtung von Jugendämtern verpflichtet (vgl. KÜHN 1994). Die Zentralisierung und Bürokratisierung kommunaler Tätigkeiten hatte auch eine Reorganisation der privaten Wohltätigkeit zur Folge. Durch die Herausbildung zentralverbandlicher Strukturen traten die freien Träger, insbesondere die konfessionellen Wohlfahrtsverbände, als Verhandlungspartner auf. Die Folge war, dass in den Fürsorgegesetzen der Weimarer Republik der Vorrang freier Träger vor öffentlichen Trägern gesetzlich verankert wurde (Subsidiaritätsprinzip). Die Vorschrift einer „kollegialen Behörde“, in der hauptamtliche Kräfte der Stadtverwaltung, der Sozialverwaltung und gewählte ehrenamtliche Kräfte der Öffentlichkeit (Bürgerinnen und Bürger der freien Wohlfahrtspflege) gemeinsam (politische) Entscheidungen trafen, führte zu einem Sozialkorporatismus, d.h. einer kodifizierten Verbindung zwischen Staat und der freien Wohlfahrtspflege. Damit war das „duale System“ der Wohlfahrtspflege geschaffen (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1988, S. 152ff.). Während die Sozialpolitik der Weimarer Republik durch einen (Wieder-) Aufbau sowie Ausbau sozialer Sicherung geprägt war, kam es mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre zunächst zu einem Rückbau sozialpolitischer Leistungen, bevor die Sozialpolitik im Nationalsozialismus zu einem autoritären „Erziehungs- und Disziplinierungsinstrument“ (LAMPERT/ ALTHAMMER 2007, S. 105) im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie wurde. Die drei großen Hauptziele der nationalsozialistischen Sozialpolitik lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: – Reduzierung von öffentlicher (materieller) Fürsorge, – Orientierung am Volksganzen anstatt am individuellen Schicksal, – die strikte Orientierung an rassehygienischen und eugenischen Ideen mit der Folge der Ablehnung der Befürsorgung „Minderwertiger“ und der Erhaltung des gesunden Erbguts im Volkskörper (Rassenlehre, Erbbiologie) durch gezielte Maßnahmen (vgl. KÜHN 1986, S. 323). Von einer Expansion der deutschen Sozialpolitik kann jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg die Rede sein. Die günstigeren wirtschaftlichen und politischen Bedingungen stellten die Grundlage für den Ausbau der Sozialpolitik dar. Die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts waren von der Grundsatzüberlegung der Bundesregierung geprägt, alle sozialen Leistungen im Sinne einer großen Sozialreform neu zu ordnen. Dazu kam es aber zunächst nicht. Die sozialpolitischen Maßnahmen in der Nachkriegszeit beschränkten sich zunächst auf eine Linderung der Not und der Bewältigung der Kriegs- und Nachkriegsfolgen (vgl. HERING/MÜNCHMEIER 2003, S. 193ff.; SCHMIDT 2005, S. 73ff.). Die Reorganisation der institutionellen Voraussetzungen sozialer Dienste in den 1950er Jahren bestand folglich zunächst da-
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
rin, die rechtlichen Grundlagen, wie sie vor dem Nationalsozialismus existierten, wieder in Kraft zu setzen und an bestehende Strukturen und Institutionen der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Erst ab Ende der 1950er Jahren kam es zu einem Ausbau von sozialen Rechten (zusammenfassend vgl. BÄCKER u.a. 2008, S. 57ff.). Die seit Bismarck bestehenden Sozialversicherungen wurden „in Bezug auf ihren Deckungsgrad, die Art der geschützten Risiken, den erfassten Personenkreis und die Höhe des Leistungsniveaus weiterentwickelt“ (BÄCKER u.a. 2008, S. 61). Mit dem Neuregelungsgesetz der Rentenversicherung 1957 wurde das Prinzip der Lebensstandardsicherung eingeführt. Neben dem Risikoschutz durch die Sozialversicherungen wurde zudem durch die Einführung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), welches die RFV ablöste, eine Form der Grundsicherung für diejenigen Personenkreise geschaffen, die durch die Sozialversicherungszweige nicht abgesichert waren. Darüber hinaus griff der Staat mit der Einführung des Arbeitsförderungsgesetzes (SGB III) erstmalig aktiv in die Arbeitsmarktpolitik ein, anstatt wie bisher nur die Risiken der männlichen Lohnarbeiterbiografie aufzufangen. Die legitime Grundlage für den Schutz der Schwächeren und für die Gewährleistung von menschenwürdigen Existenzbedingungen für alle Gesellschaftsmitglieder bildeten normative Wertorientierungen, die trotz entgegenstehenden Interessen von Staat, Gewerkschaften und Arbeitgebern konsensfähig schienen (vgl. KAUFMANN 1997).
Prinzip der Lebensstandardsicherung
„Die Hauptwirkung der staatlichen Gewährleistung sozialer Rechte besteht darin, dass breite Bevölkerungskreise in alle wesentlichen Leistungssysteme einer Gesellschaft einbezogen werden. Es geht also um die Generalisierung des Anspruchs auf Teilhabe an den Lebensmöglichkeiten einer Gesellschaft“ (KAUFMANN 1997, S. 34; herv. im Org.).
Generalisierung von Ansprüchen
Mit dem Ausbau der Familienpolitik, dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes sowie der Jugendhilferechtsreform in den 1960er Jahren schaffte der Staat Integrationsangebote bzw. Möglichkeiten zum Abbau von Benachteiligungen. In diesem Zusammenhang gewannen – im Gegensatz zur klassischen Armenfürsorge – individuelle soziale Dienstleistungen an Bedeutung. Die größeren finanziellen Verteilungsspielräume während der Zeit des Wirtschaftswunders in den 1960er Jahren sowie die neu entstandenen Bedarfslagen führten zu einer Ausdifferenzierung von Handlungsfeldern (vgl. CHASSÉ/VON WENSIERSKI 2008). Während die klassischen rechtlichen Regulierungen (z.B. im Strafrecht) der Logik der Konditionalprogrammierung (Wenn-dann-Logiken) folgen, trifft dies für die sozialpädagogischen Dienstleistungen nicht zwangsläufig zu. Soziale Probleme entziehen sich weitestgehend dieser Konstruktion rechtlicher Normierung. An die Stelle von Konditionalprogrammen treten Finalprogramme, d.h. der Zweck und das Ziel der gesetzlichen Bestimmung werden benannt, ohne jedoch im Einzelnen die Voraussetzungen konkret zu definieren (zu Zweck- und Kausalprogrammierung vgl. Kap. 3.2). Hierbei handelt es sich um sogenannte Generalklauseln, die offen gehalten und interpretationsbedürftig sind. Ein Beispiel hierfür wären die Hilfen zur Erziehung: „… Anspruch auf eine Hilfe (besteht dann), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet
Ausbau des Versorgungsniveaus und präventiver Angebote
Final- und Konditionalprogrammierung
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Wohlfahrtspluralismus und Korporatimus
– SGB I – AllgemeinerTeil – SGB II – Grundsicherung für Arbeitssuchende (in Kraft ab 1.1.2005) – SGB III – Arbeitsförderungsrecht – SGB IV – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherungen – SGB V – Gesetzliche Krankenversicherungen – SGB VI – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VII – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe (zuletzt geändert zum 1.1.2009) – SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB X – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB XI – Soziale Pflegeversicherung – SGB XII – Sozialhilfe (in Kraft ab 1.1.2005, früher BSHG)
– Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG); in Kraft seit: 1.9.2009 – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVerm iG) – Grundgesetz (GG) – Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) – Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) – Strafgesetzbuch (StGB)/Jugendgerichtsgesetz (JGG) – Strafvollzugsgesetze + Jugendstrafvollzugsgesetze der Länder – Jugendschutzgesetz (JuschG) – Betäubungsmittelgesetz (BtMG) – Bundesverwaltungsverfahrensgesetz + Landesverfahrensgesetze
Abb. 4: Für sozialpädagogische Dienste relevante Rechtsquellen
Staat-Markt-Dritter Sektor
Neokorporatismus
ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (§ 27 Abs. 1 SGB VIII). Hier wird eine generelle Zielsetzung, nämlich das Kindeswohl, festgelegt, ohne dass dieses näher bestimmt wird. Dies erfordert eine Bedarfsfeststellung, welche im Bereich der sozialpädagogischen Dienste im Rahmen von Aushandlungsprozessen stattfindet. Während die „institutionellen Grundlagen der verschiedenen Leistungssysteme und die Gewährleistung von Inklusion durch Einräumung und Schutz sozialer Rechte“ (EVERS/OLK 1996, S. 17) Aufgabe des Staates ist, werden die Leistungen sowohl durch öffentliche Einrichtungen, als auch durch intermediäre Instanzen und Selbsthilfe erbracht (vgl. Kap. 5). Die zunehmende Verrechtlichung und die im Jugendwohlfahrtsgesetz von 1961 verankerte Vorrangstellung von freien Trägern gegenüber dem öffentlichen Träger führten zu einem explosionsartigem Wachstum der Wohlfahrtsverbände und ihrer Einrichtungen und Dienste (vgl. HEINZE/OLK 1981). Neben der Einflusssicherung der freien Wohlfahrtspflege nahmen parallel aber auch die Regulierungen seitens des Staates zu, der die freie Wohlfahrtspflege zunehmend sowohl in Gewährleistungs- als auch in Durchführungsaktivitäten einbezog. Die wachsende Einbindung der Wohlfahrtsverbände in den politischen Willensbildungsprozess sowie in die Leistungserbringung nach dem zweiten Weltkrieg, die durch den der föderalistischen Struktur der öffentlichen Träger angeglichenen vertikalen Aufbau der Wohlfahrtsverbände gefördert wurde, wurde in den Sozialgesetzbüchern verankert (§ 17 SGB I; § 4 SGB VIII). Diese Inkorporierung der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in die Formulierung und Umsetzung staatlicher Politik (Neokorporatismus) führte zu einem engen Kooperations- und Austauschgeflecht zwischen Staat und freier Wohlfahrtspflege. Durch ein we-
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
sentliches Mitspracherecht der Verbände der freien Wohlfahrt in den zentralen Entscheidungsgremien, so z.B. im Rahmen der Jugendhilfeplanung, welche die finanzielle Ausstattung und die Auswahl der zu fördernden Einrichtungen umfasst, wird eine Besonderheit insofern institutionalisiert, da sie nicht zeitlich begrenzt ist, sondern es sich um „geordnete Bereichsregelungen und Verflechtungsmuster handelt, in denen staatliche Regelungs- und Gewaltmonopole mit nichtstaatlichen Akteuren dauerhaft verknüpft sind“ (BACKHAUS-MAUL/OLK 1994, S. 109). Die freien Träger fungieren danach bis heute einerseits als Leistungsanbieter, andererseits als Beteiligte in der politischen Steuerung öffentlicher Sozialleistungen (vgl. MERCHEL 2003).
4.2 Solidarität und Subsidiarität – Normative Grundlagen des Sozialstaats Der Sozialstaat soll zur „Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen, einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen, bereitstellen. Unter gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten bestehen die sozialstaatlichen Aufgaben darin, „ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, Eigentum zu schützen, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens abzuwenden oder auszugleichen“ (§ 1 SGB I). Dies wird durch das Sozialstaatsprinzip unterstrichen, obgleich der Staat die Eigenständigkeit und -verantwortung der Individuen nicht ersetzt, sondern vielmehr ergänzt. Kennzeichnend für den Sozialstaat sind daher normative Grundlagen. Diese bilden das Fundament des Sozialstaates und fungieren zugleich als Bauplan, mit dem dieser errichtet wird. Dieser Bauplan legt Umfang, Form, Verteilung und Ordnungsprinzipien der sozialpolitischen Leistungen fest und bestimmt so letztendlich die Struktur für das Gesamtgefüge. Die einzelnen Elemente müssen aufeinander abgestimmt sein, damit das Gesamtgefüge, der Sozialstaat, nicht zusammenbricht. „Baugesetze der menschlichen Gesellschaft“ stellen das Solidaritäts- und das Subsidiaritätsprinzip dar (vgl. VON NELL-BREUNING 1990). Ohne diese Prinzipien würde der „Bau Sozialstaat“ einstürzen. Der Begriff Solidarität verweist auf das empirisch-soziologische Faktum der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen, die naturgemäß in Gemeinschaften leben. Folglich sind das Individuum und das Kollektiv der Gemeinschaft aufeinander angewiesen und haben eine gegenseitige (moralische) Verantwortung. Der Einzelne ist von anderen Einzelnen abhängig, um lebensfähig zu sein und an den Vorteilen der arbeitsteiligen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung teilhaben zu können. Er ist in seiner Eigenschaft als Mitglied verschiedener Gemeinschaften bis hin zu „der“ Gesellschaft auch von diesen Kollektiven abhängig wie umgekehrt zugleich die Kollektive auf die Unterstützung durch jedes einzelne ihrer Mitglieder angewiesen sind – ganz nach dem Motto „wir sitzen alle in einem Boot“. Diese „naturbedingte“ wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Menschen voneinander wie auch im Verhältnis zu den Gemeinschaften ist die Grundlage der sozialethischen Verhaltensanforderungen, auf die Sozialpolitik zu reagieren hat und die
Sozialstaatsprinzip
Solidaritätsgrundsatz
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Solidarität und Subsidiarität
Subsidiaritätsprinzip
Traditionelle Denktradition des Subsidiaritätsprinzips
Vorrang von kleineren vor größeren Einheiten
schließlich Eingang in das Rechtssystem in Form verschiedener Rechte und Pflichten findet. Die Hauptbedeutung des Solidaritätsgedankens und der Grund seiner ungebrochenen Popularität bei Regierungen und sozialpolitischen Parteien, bei Verbänden, Kirchen und fast allen übrigen gesellschaftlichen Kräften, liegt in seiner Funktion als einer – zwischen Individualismus und Kollektivismus – vermittelnden Theorie der Verhältnisse von Einzelpersonen zur Gesamtheit und umgekehrt. Der Solidaritätsgedanke stellt dabei die zentrale sozialethische Basis des Sozialstaatsprinzips moderner Prägung dar (allgemein zum Solidaritätsprinzip vgl. VON NELL-BREUNING 1990, S. 15ff.). Neben diesem Grundprinzip des menschlichen Zusammenlebens, welches die gegenseitige Verantwortungsübernahme beinhaltet, gibt es noch ein zweites Baugesetz, das jeweils den Träger der Verantwortung im Sinne eines sozialpolitischen Ordnungsprinzips, welches das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern und ihren Institutionen beschreibt, festlegt: Das Subsidiaritätsprinzip (vgl. BACKHAUS-MAUL/OLK 1994; SACHßE 1998). Dieses Prinzip spielt in der sozialpolitischen Diskussion eine fast noch größere Rolle als der Solidaritätsgrundsatz, was sich vermutlich damit erklären lässt, dass dem Subsidiaritätsbegriff bei aller inhaltlichen Offenheit insgesamt noch eine größere Anschaulichkeit als dem Solidaritätsgedanken innewohnt. Dabei steht das Subsidiaritätsprinzip kontinuierlich im Zentrum sozialpolitischer Diskussionen und prägt die gegenwärtigen Strukturveränderungen nachhaltig. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Definitionen, Bedeutungen und Anwendungsbereiche von Subsidiarität nicht starr sind und „keineswegs als eine Konstante verstanden werden“ können (LIEBIG 2005, S. 174). Das Subsidiaritätsprinzip speist sich aus zwei unterschiedlichen Denktraditionen: Einerseits aus liberalen Staats- und Gesellschaftstheorien des 18. und 19. Jahrhunderts, andererseits aus der katholischen Soziallehre, die ihren Ursprung in der Naturrechtslehre des Mittelalters hat. Die liberale Ausdeutung des Subsidiaritätsprinzips beinhaltet eine Primärverantwortung der Individuen für ihre existentielle Sicherung sowie deren Gestaltung und Reproduktion. Danach hat der Staat in die „sich nach Marktgesetzen selbst regelnde Tauschgesellschaft“ (SACHßE 2008, S. 942) nur in jenen Ausnahmesituationen regulierend zu intervenieren, in denen das Marktgeschehen gestört ist. Die Folge ist, dass der Einzelne auf sich gestellt, gleichzeitig jedoch vor den Zugriff des Staates geschützt ist. Nach der katholischen Soziallehre stellt das Subsidiaritätsprinzip eine „normative Orientierungshilfe“ (RICHTER 1987, zit. n. WASCHKUHN 1995, S. 27) dar, die den individuellen Handlungsspielraum bei der Inanspruchnahme von Hilfe- und Unterstützungsmaßnahmen begrenzt. Bereits in der Armenfürsorge des Mittelalters finden sich erste Ansätze von Subsidiarität. Hilfebedürftige Arme wurden durch die Almosen wohlhabender Bürger unterstützt, die wiederum hofften, dadurch Glückseligkeit zu erlangen (Thomas von Aquin). Erst die Zunahme der Armut und die damit einhergehende Überforderung privater Mildtätigkeit legitimierte organisierte Formen der Hilfegewährung. Daraus leitet sich ab, dass der Staat nur dann unterstützend (lat. = subsidiär) tätig wird, wenn kleinere gesellschaftliche Einheiten (wie z.B. Familie, nicht-öffentliche Organisationen) nicht über ausreichende Ressourcen zur Bereitstellung von Hilfe-
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
leistungen verfügen und die Sicherung und Gestaltung der Reproduktion der Individuen nicht gewährleistet würde. Grundlage für die Interpretation des Subsidiaritätsprinzips ist nach wie vor dessen klassische Formulierung in der Sozialenzyklika Quadragemiso anno (1931), wo erstmalig der Begriff Subsidiarität gefasst wurde. „Wenn es nämlich zutrifft, was ja die Geschichte deutlich bestätigt, dass unter den veränderten Verhältnissen manche Aufgaben, die früher leicht von kleineren Gemeinwesen geleistet wurden, nur mehr von großen bewältigt werden können, so muss doch allzeit unverrückbar jener höchstgewichtige sozialphilosophische Grundsatz festgehalten werden, an dem nicht zu rütteln noch zu deuteln ist: wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstüchtigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“
Daraus resultiert eine „Reihenfolge, nach der die verschiedenen Sozialgebilde zu Gemeinschaftsgebilden berufen sind: nämlich jeweils das dem hilfsbedürftigen Gliede am nächsten stehende (z.B. die Familie, die Verf.), dessen Mittel und Kräfte dazu ausreichen“ (VON NELL-BREUNING 1985, zit. n. WASCHKUHN 1995, S. 29). Im Gegensatz zum liberalen Subsidiaritätsdenken beinhaltet die sozialethische Dimension eine Förderverpflichtung der übergeordneten Einheit gegenüber der kleineren Einheit. Hier und in der Tatsache, dass die Familie einerseits dem Individuum, andererseits dem Staat als kleineres Gemeinwesen entgegengesetzt wird, unterscheiden sich die skizzierten Denktraditionen (vgl. SACHßE 1994a). Beide Denktraditionen des Subsidiaritätsprinzips finden sich in den sozialpolitischen Gesetzeswerken wieder. Bereits mit der Kodifizierung des Subsidiaritätsgedankens in den Fürsorgegesetzen der Weimarer Republik und insbesondere in den Novellierungen der Nachkriegszeit wurde das Subsidiaritätsprinzip vor allem zu einem organisatorischen Gestaltungsprinzip. Während sich zuvor die Aufgabenwahrnehmung in der Praxis zugunsten des privaten caritativen Engagements entwickelte (vgl. Kap. 3.1), wurde in der jeweiligen Gesetzgebung der Nachrang öffentlicher Träger und sozialpolitischer Leistungen betont und den freien Trägern ein eigenständiges Recht auf Betätigung im Sozialsektor, verbunden mit einer staatlichen Förderverpflichtung, zugestanden. Jedoch lieferten der Vorrang der freien Wohlfahrtspflege einerseits sowie der Vorrang von Familie andererseits immer wieder Anlass zu heftigen Diskussionen zwischen den politischen Parteien sowie zwischen den Organisationen freier und öffentlicher Träger. Die Kommunen beklagten einerseits einen unzulässigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und Verwaltungsorganisation, andererseits wurde das Subsidiaritätsprinzip immer mehr zu einer „Legitimierungsformel“ (OLK 2005, S. 1912) der freien Wohlfahrtspflege, die es zur Durchsetzung ihrer historisch gewachsenen Besitzstände nutzte. Die Formulierungen des damaligen Jugendwohlfahrtsgesetzes und Bundessozialhilfegesetzes legten neben der bedingten Vorrangstellung der freien Wohlfahrtspflege
Sozialenzyklika Quadragemiso anno
Subsidiarität als sozialpolitisches Ordnungsprinzip
Subsidiaritätsstreit
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Solidarität und Subsidiarität
Soziale Dienste zwischen subsidiärer Leistungserbringung und Wettbewerb
eine „Funktionssperre“ der öffentlichen Träger (SACHßE 1990, S. 32) fest, was dazu führte, dass vier Städte und vier Bundesländer Verfassungsbeschwerde gegen die Vorrangstellung der freien Träger einlegten und ein Normenkontrollverfahren anstrengten. Erst mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1967, in dem ein ausdrücklicher Nachrang öffentlicher Träger festgelegt wurde, endete der jahrzehntelange Subsidiaritätsstreit (hierzu vgl. MÜNDER 1990). Die bis dahin von der freien Wohlfahrtspflege vorgetragene sozial-ethische Dimension, dass der „christliche Geist – und nur dieser allein – … eine hinreichende Garantie für eine erfolgreiche Arbeit in der Wohlfahrtspflege“ (SACHßE/TENNSTEDT 1988, S. 160) sei, rückte somit erneut gegenüber einem „bürokratischen Organisationsprinzip des Wohlfahrtsstaates“ (SACHßE 1994a, S. 728) in den Hintergrund. Im Zuge sozialpolitischer Veränderungen steht die Geltungskraft des Subsidiaritätsprinzips allerdings erneut zur Disposition. Das bisherige Ordnungsprinzip gerät angesichts einer Sozialpolitik, die als Ordnungs- und Steuerungsstrategie auf wettbewerbsorientierte Elemente setzt, erneut ins Zentrum sozialpolitischer Diskussionen. Mit der Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente kommt es zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von Markt, Staat, Familie und organisierten gesellschaftlichen Interessenträgern. Der historisch bewährt Vorrang der Wohlfahrtsverbände steht nicht mehr im Zentrum, das Subsidiaritätsprinzip als organisatorisches Gestaltungsmerkmal verblasst im gegenwärtigen wohlfahrtspluralistischen Arrangement, welches mit der Öffnung gegenüber privat-gewerblichen Trägern seinen Niederschlag auch in den Sozialgesetzbüchern findet. Das Ausmaß und die Form der Förderverpflichtung gegenüber den Individuen einerseits wie auch gegenüber intermediären Instanzen auf der anderen Seite geraten im Zuge des verteilungspolitischen Wettkampfs um öffentliche Ressourcen immer wieder ins Zentrum der sozialpolitischen Diskussion. Angesichts einer wettbewerbsorientierten Verteilungspolitik stellt sich die Frage, inwieweit das Subsidiaritätsprinzip noch ein Gestaltungsmerkmal innerhalb einer marktorientierten Sozialpolitik darstellt bzw. inwieweit es durch andere Prinzipien (z.B. Marktprinzipien) erodiert wird. Die Programmformeln des „aktivierenden Staates“ bzw. „Sozialinvestitionsstaat“ (PRIDDAT 2003) verweisen erneut auf die Erwartungen des Staates an seine Bürgerinnen und Bürger, die Inanspruchnahme sozialer Hilfe- und Unterstützungsleistungen selbst zu organisieren sowie Selbsthilfe- und private Unterstützungspotenziale auszuschöpfen.
4.3 Jenseits des Sozialstaats – Sozialpädagogische Dienste im Wettbewerb Grenzen der Sozialstaatlichkeit
Haushaltsbelastungen im Zuge der Prozesse der deutschen und der europäischen Einigung, der demographische Wandel hinsichtlich der Alters- und Familienstruktur sowie die Anforderungen an sozialpolitische Leistungen, auf flexibilisierte Reproduktionsformen und destandardisierte Lebensformen angemessen flexibel einzugehen, führten seit den 1980er Jahren, vor allem aber in den 1990er Jahren zu erheblichen finanziellen Engpässen im öffentlichen Sektor. Während es sich bei den Sozialversicherungen noch um
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
systemimmanente Problematiken des deutschen Versicherungssystems handelte, nämlich dem „Veralten des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements“ (KAUFMANN 1997), so kommen zu den leeren Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden gestiegene Leistungsanforderungen seitens der Bürgerinnen und Bürger, die sich wiederum auf die veränderten gesellschaftlichen Lebensbedingungen zurückführen lassen (vgl. Kap. 10). Die Kommunen sind angesichts der Divergenz zwischen der vermehrten Inanspruchnahme von sozialpädagogischen Diensten und den eingegrenzten finanziellen Handlungsmöglichkeiten immer weniger in der Lage, ihre spezifischen sozialen Kompensationsfunktionen angemessen zu erfüllen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Folgen der deutschen Wiedervereinigung getragen werden mussten und weiterhin getragen werden müssen, was insbesondere durch die Anspruchsberechtigung von Bürgerinnen und Bürgern aus den neuen Bundesländern auf die jetzt gesamtdeutschen Sozialversicherungskassen dazu führt, dass das soziale System an seine Grenzen stößt (vgl. KAUFMANN 2003). Angesichts dieser gesamtgesellschaftlichen Bedingungen stehen der Staat, die Länder bzw. die Kommunen und die aus öffentlichen Mitteln finanzierten (Sozial-)Leistungen im Zentrum kritischer Betrachtungen. In einer solchen Situation geraten insbesondere die „konsumtiven“ – also die für den Verbrauch bestimmten – öffentlichen Ausgaben für soziale Dienstleistungen in den Blick. Die Kinder- und Jugendhilfe geriet deshalb unter einen Legitimationsdruck seitens der Öffentlichkeit, da die Ausgaben in diesem Bereich Sozialer Arbeit kontinuierlich stiegen (vgl. KOLVENBACH 1997). Die Selbstverständlichkeit, mit der man in der Vergangenheit soziale Organisationen, Projekte etc. förderte, wird durch genauere Fragen nach den Effekten, nach dem Verhältnis zwischen eingesetzten Ressourcen und der Qualität der Tätigkeiten ersetzt, zudem werden Möglichkeiten der Kostenreduktion und damit verbundene Mindeststandards ins Spiel gebracht. Damit wird der Druck der Kostenträger auf die sozialpädagogischen Dienste immer größer; soziale Dienstleistungen stehen mehr denn je auf dem Prüfstand. Kritisiert wurde an dem traditionell gewachsenen Sozialstaatsmodell, dass es einerseits durch ein Übermaß an Regulierungen die Bedürfnisse, Interessen und Wünsche seiner Adressatinnen und Adressaten strukturell missachte und dass die sozialpädagogischen Dienste andererseits – einer Art Perpetuum mobile gleich – sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigen würden, was eine Verschwendung öffentlicher Ressourcen zu Folge habe (vgl. KGST 1993). Die Kritik an der Verrechtlichung, Expertokratisierung und Bürokratisierung sozialpädagogischer Dienste bildete den Ausgangspunkt für die Übertragung der internationalen Managementbewegung auf die öffentliche Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland (ausführlich vgl. Kap. 6.2). Während es sich bei der zu Beginn der 1990er Jahre eingeführten Verwaltungsmodernisierung unter dem Schlagwort „Neues Steuerungsmodell“ (KGST 1993) hauptsächlich um eine Binnenmodernisierung der öffentlichen Träger handelte, zeichnet sich seit Mitte der 1990er Jahre in der Sozialpolitik eine Neuakzentuierung im Verhältnis von öffentlichen und freien Trägern ab (vgl. OLK/OTTO/BACKHAUS-MAUL 2003). Zwar war organisierte Soziale Arbeit immer schon rezessiv bedingten Ab- und Umbauplänen ausgesetzt, jedoch sprengt die Radikalität der in den 1990er Jahren eingeleiteten Reformvorha-
Sozialpädagogische Dienste auf dem Prüfstand
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Jenseits des Sozialstaats – Soziale Dienste im Wettbewerb
ben den Rahmen der bewährten Denk- und Handlungsmuster der sozialpolitischen Akteure. Die Einführung neuer Steuerungsmodelle in den Kommunen stellte den Beginn eines umfassenden sozialpolitischen Veränderungsprozesses dar, der die bisherigen Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien Sozialer Arbeit einer deutlichen Revision unterzog. „Der Staat (bzw. seine Untergliederungen) entwickelt unter veränderten ökonomischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen ein neues Aufgabenverständnis und bedient sich im Zuge seiner Binnenmodernisierung auch im Außenverhältnis zu den nicht-staatlichen Akteuren neuer Steuerungsstrategien“ (OLK 2005, S. 1915). Neuorganisation des wohlfahrtsstaatlichen Organisationsmodells
Neuordnung des Verhältnisses innerhalb der Träger sozialpädagogischer Dienste
Die Folge war, dass die Länder, die einem eher als liberal zu bezeichnenden Sozialstaatsmodell verpflichtet sind, eine Vorreiterrolle übernahmen. Hier waren es insbesondere die Reformen seitens der konservativen Regierungspolitiken in den angelsächsischen Ländern („Thatcherism“ bzw. „Reagonomics“, vgl. BUTTERWEGGE 1999), die auch ein wirtschaftsliberales Denken in Deutschland förderten. Als Garant einer qualitativ hochwertigen Bereitstellung sozialpädagogischer Dienstleistungen wird dabei die konsequente Orientierung an den neo-liberal reformulierten Prinzipien der Marktwirtschaft, insbesondere der ihr inhärenten Wettbewerbsorientierung angesehen. Im Zentrum der Reformen stehen die subsidiäre Ordnung sowie die faktische (neo-)korporatistische Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen öffentlichen und freien Trägern in der Sozialen Arbeit. Dabei wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern unter spezifischen Gesichtspunkten reinterpretiert (für die Kinder- und Jugendhilfe vgl. § 4 SGB VIII). Den Anfang bildete die Alten- und Behindertenhilfe; dort wurden Bedingungen institutionalisiert, die Markt- und Anreizstrukturen enthalten, die geeignet sind, die Effizienz der sozialpädagogischen Dienste zu steigern, und damit bislang ungenutzte Ressourcen für sozialpolitische Bedarfe freizusetzen. Gefordert wird eine neue „Governancestruktur des Wohlfahrtsstaates und seines institutionellen Arrangements“ (ZIMMER/NÄHRLICH 1997, S. 667), damit „(…) die hochgradig organisierten Akteure des Systems in ihrer eigenständigen Definitionsmacht und Gestaltungsfähigkeit geschwächt und die korporatistische Steuerung des Systems aufgelöst werden“ (DAHME/WOHLFAHRT 2000, S. 317). Der initiierte Wettbewerbsgedanke stellt somit das klassische Gestaltungsprinzip der Subsidiarität wie auch die bisherigen Organisationsformen vor neue Herausforderungen. Im Zusammenhang mit in den Sozialgesetzbüchern formulierten staatlichen Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien kommt es zu einer Öffnung gegenüber den privat-gewerblichen Trägern. Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1994 werden erstmalig Wirtschaftlichkeitsregeln formuliert, womit einheitliche Grundsätze der Finanzierung der sozialpädagogischen Dienste geschaffen werden, die die Privilegierung einzelner Träger, vor allem der Wohlfahrtsverbände, beenden. Mit der Neuregelung in den Sozialgesetzbüchern im Bereich der Pflege (SGB XI), der Strukturreformen im Gesundheitswesen (SGB V), der Sozialhilfe (SGB XII) und der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 77ff. SGB VIII) wird das bisher vorherrschende Prinzip der Kostendeckung aufgegeben; an seine Stelle treten prospektive
Konstruktionsmerkmale deutscher Sozialpolitik
Pflegesätze, Rahmenvereinbarungen und Leistungsverträge. Der öffentliche Träger ist nur dann zur Kostenübernahme der Leistungen verpflichtet, wenn Leistungs-, Entgelt- und Qualitätssicherungsvereinbarungen vorliegen (für die Kinder- und Jugendhilfe vgl. KRÖGER 1999). An die Stelle moralischer Begründungen rückt ein Kontraktmanagement (vgl. KGST 1998). Mit dieser Neuordnung werden alle Träger in der Sozialen Arbeit (öffentliche, freie und privat-gewerbliche Träger) Marktprinzipien unterworfen, womit die Kooperationsverhältnisse nunmehr durch öffentlich-rechtliche Verträge und nicht mehr durch traditionell gewachsene korporatistische Ordnungsstrukturen geprägt sind. Die Neuorganisation dieses Dienstleistungssektors gleicht nunmehr einem Vertragsmodell im Sinne eines Auftragnehmer-Auftraggeberverhältnisses. Im Hinblick auf diese Reform der Finanzierung kommt es zudem zu einer Neudefinition der Funktion und Aufgaben des Staates innerhalb der nunmehr initiierten Marktordnung (vgl. z.B. die programmatischen Formulierungen „Vom Verwaltungsstaat zum Verhandlungsstaat“ (HEINELT 2001) oder „Vom expandierenden zum aktivierenden Staat“ (von BANDEMER/HILBERT 2001). Jedoch kann angesichts der nunmehr fünfzehnjährigen Diskussion um die Rolle des Staates, welche in den Ansätzen zur Verwaltungsreform auf ein Minimum zu begrenzen sei – oder anders formuliert: der Staat verbleibt auch im Wettbewerbsmodell in der Gewährleisterrolle – festgehalten werden, dass die Auslagerungen bzw. Privatisierungen von bislang öffentlich erbrachten Diensten nur zögerlich anlaufen. Dies lässt sich zum Teil auf die fehlenden Anreize für entsprechende Vorhaben in den Verwaltungsstrukturreformen zurückführen. Nichtsdestotrotz lässt sich für diejenigen Bereiche, in denen zahlungskräftige Adressatinnen und Adressaten sozialpädagogische Dienste nachfragen (wie z.B. im Bereich der Gesundheits- und Altenhilfe sowie in der Kindertagesbetreuung), eine Zunahme privatgewerblicher Träger beobachten (für die Kindertagesbetreuung vgl. BMFSFJ 2002).
Folgende Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie Kapitel 4 gelesen haben: – Was versteht man unter dem Begriff der Subsidiarität? – Worin unterscheidet sich das deutsche Sozialstaatsmodell von anderen Typen der Wohlfahrtsstaatlichkeit? – Was versteht man unter Neokorporatismus? – Welche neueren Herausforderungen ergeben sich für die sozialpädagogischen Dienste im Zuge sozialpolitischer Veränderungen?
Weiterführende Literatur zu Konstruktionsmerkmalen des Wohlfahrtsstaates: Zur Einführung in die Sozialpolitik: SCHMIDT, MANFRED G. (20053): Sozialpolitik in Deutschland. Historische Entwicklung und internationaler Vergleich. Wiesbaden.
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Jenseits des Sozialstaats – Soziale Dienste im Wettbewerb BÄCKER, GERHARD/NAEGELE, GERHARD/BISPINCK, REINHARD/HOFEMANN, KLAUS/NEUBAUER, JENNIFER (20084): Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland. Bd. 1: Grundlagen, Arbeit, Einkommen und Finanzierung. Wiesbaden. LAMPERT, HEINZ/ALTHAMMER, JÖRG (20078): Lehrbuch der Sozialpolitik. Berlin. Zum internationalen Vergleich von Wohlfahrtsstaaten: ESPING-ANDERSEN, GÖSTA (1990): The three worlds of welfare capitalism. Cambridge. Zum Subsidiaritätsstreit: MÜNDER, JOHANNES/KREFT, DIETER (Hrsg.) (1990): Subsidiarität heute. Münster. Zur sozialethischen Begründung des Subsidiaritätsbegriffs: OSWALD (1990): Baugesetze der Gesellschaft. Solidarität und Subsidiarität. Freiburg/Basel/Wien.
VON NELL-BREUNING,
Zur Einführung von Wettbewerb in das wohlfahrtsstaatliche Organisationsmodell: DAHME, HEINZ-JÜRGEN/KÜHNLEIN, GERTRUD/WOHLFAHRT, NORBERT (2005): Zwischen Wettbewerb und Subsidiarität. Berlin. HENSEN, GREGOR (Hrsg.) (2006): Markt und Wettbewerb in der Jugendhilfe. Ökonomisierung im Kontext von Zukunftsorientierung und fachlicher Notwendigkeit. Weinheim/München.
5 Organisation sozialpädagogischer Dienste Soziale Arbeit als organisierte Hilfe
„Die Organisation des Sozialen“
„Soziale Dienstleistungen“
Soziale Arbeit hat sich im Laufe der letzten 160 Jahre zu einem eigenständigen gesellschaftlichen Teilbereich entwickelt. Aus privaten Initiativen und Hilfeleistungen, die auf die damaligen klientelen Problemlagen reagierten, hat sich ein System „Organisierter Nächstenliebe“ (BAUER/DIEßENBACH 1984) ausdifferenziert. Zwar gibt es auch weiterhin Hilfeleistungen, die freiwillig und spontan im Rahmen des familiären bzw. nachbarschaftlichen Umfelds erbracht werden, jedoch hat Hilfe in der modernen Gesellschaft verstärkt organisierte Formen angenommen (vgl. LUHMANN 1973, S. 36). Aus dem Sozialstaatsprinzip der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich der Auftrag an den Staat, Hilfen bei Notlagen zur Verfügung zu stellen. Der Staat kommt dieser Aufgabe durch die Bereitstellung eines sozialen Sicherungssystems nach, welches auf dem klassischen Drei-Säulen-Prinzip basiert: Versicherung, Versorgung und Fürsorge (ausführlich vgl. Kap. 3.2). Die Organisation des Sozialen ist somit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit. Die jeweiligen Aufgaben- und Leistungsbereiche sind in den einzelnen Sozialgesetzbüchern kodifiziert. Bei den Leistungen wird zwischen Geld-, Sach- und Dienstleistungen unterschieden. Geld- bzw. Sachleistungen erfolgen jeweils unmittelbar in Form der zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Leistungen (z.B. Hilfen zum Lebensunterhalt, Kleidung, Möbel, Rollstühle). Jedoch reichen monetäre Leistungen nicht zwangsläufig aus, um soziale Wohlfahrt und Lebensqualität zu produzieren. Somit gibt es neben den Geld- und Sachleistungen in den Sozialgesetzbüchern vorgesehene persönliche Hilfen und Betreuungsleistungen. Diese sozialen Dienstleistungen können z.B. Informationstätigkeiten durch Aufklärung, Beratung und Auskunftserteilung über Rechte und Pflichten, Pflegeleistungen, Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Problemlagen sowie Leistungen der Kinder- und Jugend-
Organisation sozialpädagogischer Dienste
hilfe sein (zu den Arbeitsfeldern vgl. Kap. 9). Soziale Dienstleistungen sind also all diejenigen Handlungen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die soziale und gesellschaftliche Teilhabe sowie die Sozialfähigkeit von Einzelnen und/oder Gruppen wieder herzustellen oder zu verbessern (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES 2009). Bei den sozialpädagogischen Diensten handelt es sich somit um personenbezogene soziale Dienstleistungen, die klassisch aus dem Fürsorgebereich kommen und aus öffentlichen Haushalten finanziert werden. Aus dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich eine Verteilung der Kompetenzen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Die Zuständigkeit von Sozialleistungen sieht folgendermaßen aus: Sozialversicherungs- und Versorgungsleistungen sind auf der zentralstaatlichen Ebene organisiert. Träger dieser Leistungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (z.B. Krankenversicherungen) oder öffentliche Behörden, welche auf Bundesebene bestimmt sind. Dahingegen fällt die Zuständigkeit von Fürsorgeleistungen in die kommunale Verantwortung. Die Organisation und Durchführung von konkreten Hilfeleistungen sind in komplexe Trägerstrukturen eingebunden, welche sich prinzipiell in zwei Trägerformen unterscheiden lassen: öffentliche und freie Träger. Bei den öffentlichen Trägern bzw. staatlichen Trägern handelt es sich um Organisationen auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Gemeinden, d.h. Städte und Landkreise. Den öffentlichen Trägern obliegt die Gewährleistung der Sach-, Geld- und Sozialleistungen. Sie haben darauf zu achten, dass die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen und der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird (vgl. §§ 16f. SGB I). Während die finanziellen Transferleistungen in der Regel von dem öffentlichen Träger geleistet werden, kann die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben an freie Träger der Sozialen Arbeit delegiert werden. Grundlage ist hier das Subsidiaritätsprinzip, welches besagt, dass der öffentliche Träger nicht alle Leistungen selbständig erbringen muss (vgl. § 4 SGB VIII/§ 5 SGB XII) (allgemein zum Subsidiaritätsprinzip vgl. Kap. 4.2). Bei den freien Trägern handelt es sich um Organisationen, die nicht dem öffentlichen Sektor (Staat) zugerechnet werden. Historisch wuchsen diese privaten Organisationen zunächst ohne öffentliche Zuwendungen und staatliche Regulationen, zum Teil entstanden sie auch als „Alternative zur staatlichen oder kommunalen Verwaltung“ (vgl. SEIBEL 1994, S. 39). Freie Träger sind mittlerweile tragende Säulen im Sozialstaat, die als solche nicht unabhängig von politischen Entscheidungen, jedoch „frei“ in den Ziel- und Zwecksetzungen ihrer Tätigkeiten sind sowie nicht direkten staatlichen Weisungen unterstehen (vgl. www.bagfw.de). In Abgrenzung zu dem staatlichen Sektor und dem marktwirtschaftlichen Sektor wird der so entstandene Bereich auch als Dritter Sektor bezeichnet – als „the third alternative, indeed sector, (which) has grown between the state and the market sector“ (ETZIONI, zit. n. SEIBEL 1994, S. 23). Der Dritte Sektor umfasst alle Organisationen, die sich weder der staatlichen Sphäre noch der Marktsphäre zurechnen lassen. Bei dem Begriff Dritter Sektor handelt es sich folglich um eine Bereichsbezeichnung oder, genauer, um ein heuristisches Modell (vgl. EVERS/OLK 1996).
Prinzip des Föderalismus und Zuständigkeiten
Trägerstrukturen
„Der dritte Sektor“
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Organisation sozialpädagogischer Dienste
Abb. 5: Wohlfahrtspluralismus
„Wohlfahrtspluralismus“
Die Bedeutung des Dritten Sektors für die Soziale Arbeit
Zunahme privatgewerblicher Träger
Das Konzept des Wohlfahrtspluralismus bzw. des Welfare Mix verweist auf das Faktum, dass zur Produktion sozialer Wohlfahrt nicht nur der Staat und der Markt, sondern auch eine Vielzahl von intermediären Organisationen beitragen (vgl. EVERS/OLK 1996). Soziale Arbeit in Deutschland ist somit durch das Zusammenwirken von öffentlichen und freien Trägern geprägt. Der Dritte Sektor umfasst als solches ein weites Feld von Organisationen, das von (Wohlfahrts- und Jugend-)Verbänden und Gewerkschaften, staatlich geförderten Sozialprojekten über lokales Vereinswesen bis hin zu Initiativen und Selbsthilfegruppen sowie Nachbarschaftsvereinigungen reicht (vgl. ZIMMER/PRILLER 2007). Insbesondere die freien Träger sind aus dem Bereich der Sozialen Arbeit nicht mehr wegzudenken. In modernen Industriegesellschaften decken sie ein weites Spektrum von sozialpädagogischen Diensten ab: „Nahezu jedes zweite Krankenhausbett, die Hälfte aller Plätze in Pflegeheimen und ein Drittel aller Kindergartenplätze“ werden von Organisationen des Dritten Sektors bereitgestellt (BIRKHÖLZER 2000). Damit stellen NonProfit-Organisationen, wie die freien Träger auch genannt werden, nicht nur ein großes Angebot von sozialpädagogischen Diensten bereit, sondern treten insbesondere auch als Arbeitgeber für sozialpädagogisches Fachpersonal in Erscheinung. Zunehmend drängen heute auch kommerzielle bzw. privat-gewerbliche Träger in die Soziale Arbeit. Während diese früher zumeist von der öffentlichen Finanzierung ausgeschlossen waren, sind sie im Zuge der staatlichen Wettbewerbspolitik mittlerweile den freien Trägern gleichgestellt (vgl. Kap. 4.3).
Organisation sozialpädagogischer Dienste
Diese Entwicklung basiert auf einem veränderten Selbstverständnis kommunaler Sozialpolitik. Mit dem Regierungswechsel 1969 setzte ein neues sozialpolitisches Leitbild ein. „Bürgernahe Sozialpolitik“ (vgl. KAUFMANN 1979) sowie die Verbesserung der Lebensqualität waren die Vorstellungen, an denen sich politische Programme und Strategien orientierten. Die Folgezeit war durch eine Ausweitung des sozialen Sicherungsnetzes sowie durch die Einführung von Maßnahmen zur Herstellung von Chancengleichheit – wie sie in den Sozialgesetzen der 1960er Jahre (beispielsweise. Bundessozialhilfe- und Jugendwohlfahrtsgesetz) rechtlich verankert wurden – geprägt. Durch eine veränderte Arbeitsteilung zwischen Kommunen und staatlicher Verwaltung wurden sozialpolitische Aufgabenbereiche zunehmend auf die kommunale Ebene verlagert. Infolge dessen gewann die kommunale Sozialpolitik an Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird die Privilegierung der traditionellen freien Träger aufgebrochen, und neue sozialpolitische Akteure der Selbsthilfe und Selbstorganisation werden zunehmend in die öffentliche Aufgabenerfüllung einbezogen. Den Ausgangspunkt bildet hier die Verabschiedung des SGB VIII im Jahr 1990, in dem die „partnerschaftliche Zusammenarbeit“ (vgl. § 4 SGB VIII) zwischen öffentlichen und freigemeinnützigen Trägern betont wird. Diese Bestimmungen des SGB VIII basieren auf den für die bundesrepublikanische Trägerlandschaft konstitutiven Subsidiaritätsprinzips, wonach es einen Vorrang freier vor öffentlichen Trägern gibt. Der öffentliche Träger bleibt jedoch in der Verantwortung der Gewährleistung (vgl. § 85 SGB VIII).
Bürgernahe Sozialpolitik
Selbsthilfebewegung
5.1 Jugendämter, Sozialämter und Gesundheitsämter – Soziale Arbeit und Bürokratie Die Gesamtverantwortung für die Erbringung der Sozialleistungen tragen die öffentlichen Träger. Neben den Sozialversicherungsträgern gehören die Städte, (Land-)Kreise und Gemeinden (örtliche Träger) sowie die überregionalen Kommunalverbände (überörtlicher Träger) zu den öffentlichen Trägern. Sozialpädagogische Dienstleistungen sind in der Regel auf der kommunalen Organisationsebene verankert. Im föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ist die Kommune das letzte Glied in einer hierarchischen Ordnung und somit der Gewährleistungsträger für die (Sozialleistungs-)Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger. Zudem ist der örtliche Träger für die Finanzierung und Planung von Sozialhilfe- bzw. Kinder- und Jugendhilfeleistungen zuständig. Im Hinblick auf die Aufgabenwahrnehmung ergibt sich ferner das Recht der kommunalen Selbstverwaltung „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (Art. 28 Abs. 2 GG, Daseinsfürsorge). Die örtlichen Träger errichten hierzu in der Regel die klassischen Ämter: Jugendämter, Gesundheitsämter und Sozialämter (vgl. KÜHN 1994; MERCHEL 2003). Die Wurzeln einer öffentlichen Sozialverwaltung reichen bis Mitte des 19. Jahrhundert zurück. Bereits mit dem Elberfelder System (1853) bzw. dem modifizierten Straßburger System (1905) wurde eine erste öffentliche Organisation geschaffen. Mit der Zunahme sozialer Problemlagen gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden
Die Verantwortung der öffentlichen Träger für die Erbringung von Sozialleistungen
Kommunale Selbstverwaltung
Ausdifferenzierung der Handlungsfelder
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Jugendämter, Sozialämter und Gesundheitsämter
Vereinheitlichung des Fürsorgewesens
Jugendämter als Organisationsform der Kinder- und Jugendhilfe
Jugendämter zwischen Fachbehörde und Verwaltungsorgan
Das Jugendamt als zweigliedrige Behörde
neue Handlungsfelder, die ihren Ausgangspunkt im Bereich der Gesundheitsfürsorge hatten. Hier war es insbesondere die Sozialhygiene, welche die Ausdifferenzierung von Organisationen vorantrieb. Sie knüpfte an den Problemen an, die von der gesetzlichen Krankenversicherung (Sozialversicherungssäule) nicht erfasst wurden: verhütende, vorbeugende Maßnahmen. Ausgehend von der Gesundheitsfürsorge entstanden zum damaligen Zeitpunkt weitere Handlungsfelder, z.B. die Wohnungsfürsorge, Kleinkinder- und Säuglingsfürsorge etc. (vgl. KÜHN 1994; SACHßE/TENNSTEDT 1988), aus denen sich die heutigen Arbeitsfelder in der Sozial- und Kinder- und Jugendhilfe entwickelten (zu den Arbeitsfeldern vgl. Kap. 9). Zu Beginn des 20. Jahrhundert wies das damalige Fürsorgewesen sowohl in seiner verwaltungsmäßigen als auch in seinen gesetzlichen Grundlagen ein höchst uneinheitliches Bild auf. Die Folge dieses Kompetenzwirrwarrs war der zunehmende Ruf nach einer Institutionalisierung der damaligen Fürsorgebereiche (für die Kinder- und Jugendhilfe vgl. HASENCLEVER 1978). Insbesondere die nunmehr staatliche bzw. kommunale Zuständigkeit im Erziehungsbereich, wie sie erstmalig im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz kodifiziert wurde, setzte eine Organisationsstruktur voraus, die die öffentliche Wohlfahrtspolitik bei ihrer Zielsetzung unterstützte. Dies wurde mit der Institutionalisierung einer öffentlichen Sozialverwaltung in der Weimarer Republik realisiert (vgl. KÜHN 1994). Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sind seit der Verabschiedung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes die Kreise und kreisfreien Städte zur Errichtung von Jugendämtern verpflichtet. Noch heute obliegt dem Jugendamt die Gesamt- und Planungsverantwortung für die allgemeine Förderung und individuelle Hilfen für Kinder- und Jugendliche sowie dem Kinder- und Jugendschutz (vgl. 79 SGB VIII). Die Aufgabenbereiche finden sich im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII), welches auch als Kinder- und Jugendhilfegesetz bezeichnet wird (vgl. MÜNDER/MEYSEN/TRENCZEK 2009). Die Jugendämter der Weimarer Republik waren jedoch eher Organisationsbehörden, da sie lediglich die bereits seit Jahrzehnten den verschiedenen Einrichtungen (Gemeindewaisenrat, Fürsorge-, Polizei-, Armenbehörden) übertragenen Aufgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendfürsorge vereinten (vgl. JORDAN 2005). Die Idee eines „lebendigen Jugendamtes“ (ELLA KAY, zit. n. REICHEL-KOß 1991) fiel somit bürokratischen Prinzipien zum Opfer, wenngleich das Jugendamt auch als eine reformpädagogische Veranstaltung gesehen wurde (vgl. MÜLLER 1994). Aus diesen historischen Fehlentwicklungen resultiert noch heute ein prekäres Verhältnis zwischen Fachbehörde und hoheitlichem Verwaltungsorgan (vgl. OTTO/PETER 2002). Wenngleich die Städte, Gemeinden und (Land-)Kreise aufgrund ihrer Selbstverwaltungstätigkeit keinen gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die Organisation ihrer Ämter unterworfen sind, stellt das Jugendamt eine Ausnahme dar. Für das Jugendamt hat der Gesetzgeber detaillierte Vorgaben gemacht. Das Jugendamt setzt sich zusammen aus der Verwaltung des Jugendamtes und dem Jugendhilfeausschuss (vgl. §§ 69ff. SGB VIII). Die Verwaltung des Jugendamtes kümmert sich um die Geschäfte der laufenden Verwaltung – im Rahmen der Satzung unter Beschlüsse der Vertretungskörperschaft. An der Spitze des Jugendamtes steht der Jugendamtsleiter (Leitung der Verwaltung). Jener ist nicht allein seinen Vorgesetzten in der Verwal-
Organisation sozialpädagogischer Dienste
tungshierarchie innerhalb der Kommunalverwaltung untergeordnet, sondern gleichermaßen unmittelbar an die Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses gebunden. Dem Jugendhilfeausschuss gehören zu drei Fünftel Mitglieder der Vertretungskörperschaft des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe oder von ihr gewählte Männer und Frauen, die in der Jugendhilfe erfahren sind, an. Die anderen zwei Fünftel werden auf Vorschlag der im Bereich des öffentlichen Trägers wirkenden und anerkannten Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe von der Vertretungskörperschaft gewählt (vgl. § 69 SGB VIII). Im Jugendhilfeausschuss wirken somit Vertreter gesellschaftlicher Gruppierungen stimmberechtigt bei jugendhilfepolitischen Entscheidungen mit. Der Jugendhilfeausschuss hat ein eigenständiges Beschlussrecht, welches lediglich durch die Rahmenbeschlüsse der Kommunalpolitik begrenzt ist und befasst sich mit allen Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere mit der Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien sowie mit Anregungen und Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe, der Jugendhilfeplanung sowie der Förderung der freien Kinder- und Jugendhilfe, also der Förderung der freien Träger (vgl. RÄTZ-HEINISCH/SCHRÖER/WOLFF 2009). Rechtlich besteht ein Vorrang des Jugendhilfeausschusses gegenüber der Verwaltung des Jugendamtes, womit die Verwaltung des Jugendamtes ein ausführendes Organ der Entscheidungen des Jugendhilfeausschusses darstellt. Diese „gesetzliche Verkopplung zwischen einer Verwaltungseinheit und einem politischen Gremium“ (MERCHEL 2003, S. 28) ist eine strukturelle Besonderheit, die in keiner anderen öffentlichen Behörde so vorfindbar ist. Ebenso wie das SGB VIII verortete das bisherige Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Zuständigkeit für Leistungen innerhalb der Sozialhilfe auf der Ebene von Städten und Landkreisen. In der Regel errichteten die Kommunen bzw. Landkreise für die Durchführung der Aufgaben nach dem BSHG Sozialämter. Die Aufgaben der kommunalen Sozialämter bestanden vorwiegend in der Hilfegewährung bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen. Angesichts der arbeitsmarktpolitischen Reformen findet eine Verschiebung der Zuständigkeiten von der Bundesebene auf die kommunale Ebene statt. Die frühere Bundesagentur für Arbeit wird nunmehr auf der kommunalen Ebene angesiedelt (Agentur für Arbeit). Durch die in einem Gesetz (vgl. SGB XII) zusammengefasste Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit der Hilfe zum Lebensunterhalt vermindert sich die Zahl der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger zwischen 16 und 65 Jahren, da diese jetzt in den Zuständigkeitsbereich der Arbeitsagentur fallen. Die Träger der Sozialhilfe, die Sozialämter, bleiben jedoch weiterhin für die Grundsicherung wie auch für die Hilfe zum Lebensunterhalt für die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehenden Bevölkerungsgruppen zuständig. „Zudem sind die Rentenversicherungsträger verpflichtet, über die Leistungsvoraussetzungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu informieren und bei der Antragstellung auf Grundsicherung – insbesondere durch Weiterleitung von Anträgen an den zuständigen Träger der Sozialhilfe – zu helfen“ (BMAS 2006). Die ersten Auswirkungen der neuen rechtlichen Regelungen zeigen sich in Neuorganisationen kommunaler Behörden.
Funktionen und Aufgaben des Jugendhilfeausschusses
Das Sozialamt als Träger der Sozialhilfe
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Jugendämter, Sozialämter und Gesundheitsämter „Das Gesundheitsamt“
Aufgaben des Gesundheitsamtes
Der allgemeine Soziale Dienst als kommunale Organisationseinheit
Landesjugendämter als überörtliche Träger
Das dritte klassische Amt ist das Gesundheitsamt. Hier gibt es „keine bundesrechtlichen Regelungen, weil die Regelung des öffentlichen Gesundheitswesens eine Angelegenheit der Länder bzw. der konkurrierenden Gesetzgebung gem. Art 74 GG ist“ (ORTMANN 1994, S. 173). Mit dem Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens (GVG) im Jahr 1934 wurde der Gesundheitsbereich verstaatlicht. Diese Regelungen blieben auch nach dem zweiten Weltkrieg gültig. Jedoch sind einige Bundesländer dazu übergegangen, den Gesundheitsbereich der Kommunalverwaltung zuzuordnen. Während das Gesundheitsamt in der NS-Zeit eine zentrale Kontrollfunktion angesichts der Rassenideologie der Nationalsozialisten erhielt, erfuhr es nach dem zweiten Weltkrieg einen enormen Bedeutungsverlust. Die Aufgaben des Gesundheitsamtes bestehen einerseits aus der staatlichen Gesundheitsaufsicht (Kontrollfunktion), andererseits aus Aufgaben, denen eher eine aktiv gesundheitsfördernde Funktion zugeschrieben werden kann (z.B. der Bereich der Prävention). Hierzu zählen dann u.a. „die amtsärztlichen Gutachten bei der Feststellung von Behinderungen im Kontext von Zuordnungen zu Sonderschulen oder Sonderkindergärten bzw. zur Feststellung integrationsfördernder Ansprüche“ (MERCHEL 2003, S. 43). Angesichts der aktuellen Debatten um Kindesvernachlässigungen und um die Einführung von sozialen Frühwarnsystemen liegt die Vermutung nahe, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten der Gesundheitsämter zunehmen werden und somit das klassische dritte Amt an Bedeutung gewinnen wird. Viele Kommunen haben zur Bewältigung der vielfältigen Aufgabenbereiche im Rahmen der Sozialhilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe einen Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) als erste Anlaufstelle für hilfebedürftige Adressatinnen und Adressaten eingerichtet. Die Organisationsform lässt sich historisch auf die Familienfürsorge zurückführen (zur Familienfürsorge vgl. KÜHN 1994). Die Familienfürsorge stellte den Außendienst der öffentlichen Sozialverwaltung dar. Nach einer umfassenden Neuorganisation Sozialer Dienste (vgl. MÜLLER/OTTO 1980) wurde der ASD innerhalb der Kommunalverwaltung zu einer eigenständigen Abteilung. Die Zuordnung zu einem der klassischen Ämter variiert von Kommune zu Kommune. Jedoch ist der ASD zu 80% dem Jugendamt zugeordnet (vgl. PLUTO u.a. 2007). Neben den örtlichen Trägern gibt es für die Sozial- und Kinder- und Jugendhilfe zudem noch überörtliche Träger, deren Organisation landesrechtlich unterschiedlich aussehen kann. Die überörtlichen Träger der Kinderund Jugendhilfe sind die Landesjugendämter, deren Aufgaben in der Förderung der Zusammenarbeit mit den freien Trägern, Förderung von Modellvorhaben, Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Aufsicht über Einrichtungen der stationären und teilstationären Betreuung von Kindern und Jugendlichen (Einrichtungserlaubnis und Heimaufsicht) sowie der Beratung der kommunalen Jugendämter liegen.
5.2 Vereine, Verbände, privat-gewerbliche Unternehmen – freie Träger der Sozialen Arbeit „Freie Wohlfahrtspflege“
Seit ihrer Entstehung ist Soziale Arbeit gekennzeichnet durch eine maßgebliche Beteiligung freier Träger an der Ausgestaltung und Organisation des
Organisation sozialpädagogischer Dienste
Sozialen. Neben den Dienstleistungen und Hilfen, die von Einrichtungen öffentlicher Träger bereitgestellt werden, wird ein Großteil der personenbezogenen Unterstützungen von Vereinen und Verbänden und zu einem geringen Anteil auch von privat-gewerblichen Unternehmen übernommen. Mittlerweile haben sich komplexe Trägerstrukturen herausgebildet, die einem Labyrinth gleichen (vgl. MERCHEL 2003, S. 7). Es lassen sich im Wesentlichen drei Gruppen freier Träger unterscheiden: Wohlfahrtsverbände, Jugendverbände und privat-gewerbliche Unternehmen. Die Wurzeln der Wohlfahrtsverbände reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Erste Ansätze privater Wohltätigkeit verstanden sich als „christliche Liebestätigkeit“ (SACHßE/TENNSTEDT 1980, S. 107), die auf die Bemühungen einzelner Persönlichkeiten, wie z.B. Johann Wichern, zurückgehen. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche Vereine gegründet, die sich auf soziale Problemlagen jenseits der bisherigen obrigkeitsstaatlichen Fürsorgemaßnahmen konzentrierten. Während es zunächst konfessionelle Vereine und Verbände waren, wurden wohlfahrtsstaatliche Aktivitäten zunehmend auch von anderen Organisationen nicht-konfessioneller Trägerschaft übernommen. Die Entstehung eines einheitlichen Nationalstaates führte dazu, dass sich die zahlreichen Einzelorganisationen zu (Reichs-) Spitzenverbänden zusammenschlossen (vgl. SACHßE/TENNSTEDT 1988, S. 52ff.), die auch heute noch als Wohlfahrtsverbände existieren: – 1848: Centralausschuss für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche (Diakonisches Werk der evangelischen Kirche e.V.) – Ab 1863: erste Gründungen der Rot-Kreuz-Verbände (Deutsches Rotes Kreuz e.V.), – 1897: Charitasverband für das katholische Deutschland (der Deutsche Caritasverband) – 1917: Verband für jüdische Wohlfahrtspflege (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.) – 1919: Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt (Arbeiterwohlfahrt) – 1919/1920: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (Der Paritätische Verband). Insbesondere die Institutionalisierung von Lobbyismus und Zentralisierung ihrer Strukturen sowie die Gründung der Reichsarbeitsgemeinschaft (Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, ab 1961 Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege) führte dazu, dass sich die Wohlfahrtsverbände einen Vorrang bei der Erbringung von Sozialleistungen erkämpften. Die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips in den jeweiligen Sozialgesetzen begründet das jahrzehntelang besondere Verhältnis von öffentlichen und freien Trägern. Daran konnte auch der Subsidiaritätsstreit aus dem Jahr 1961 nichts ändern (zum Subsidiaritätsprinzip vgl. Kap. 4.2). Obwohl sich die Wohlfahrtsverbände in ihren jeweiligen ethischen Werten, Weltanschauungen bzw. religiösen Anschauungen unterscheiden, weisen sie Gemeinsamkeiten auf (zu den einzelnen Spitzenverbänden und ihren Leitbildern vgl. MERCHEL 2003; BOEßENECKER 2005). Die Wohlfahrtsverbände fungieren in einer Doppelrolle: Einerseits stellen die Organisationen der Wohlfahrtsverbände soziale Dienste in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern bereit und treten somit als Anbieter von sozialpädagogischen Dienstleistungen in Erscheinung. Andererseits sind sie
Die Wohlfahrtsverbände
Funktionen und Aufgaben von Wohlfahrtsverbänden
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Vereine, Verbände, privat-gewerbliche Unternehmen
Das Gemeinnützigkeitsprinzip
Wohlfahrtsverbände als intermediäre Einrichtungen
Freie Träger als rechtlich selbständige Organisationen
soziale Organisationen, die die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen im politischen System vertreten. Wohlfahrtsverbänden wird somit eine anwaltliche Funktion innerhalb des Hilfesystems zugeschrieben. Insbesondere durch ihre korporatistischen Strukturen haben sie die Möglichkeit, auf Notsituationen aufmerksam zu machen. Die „advokatorische Interessenvertretung“ (HEINZE/SCHMID/STRÜNCK 1999, S. 72) findet vor dem Hintergrund der jeweiligen ethischen Prinzipien und weltanschaulichen bzw. religiösen Werte statt, denen sich der Verband verpflichtet hat. Ein weiteres Charakteristikum von Wohlfahrtsverbänden besteht in dem Gemeinnützigkeitsprinzip. Die Tätigkeiten der Wohlfahrtsverbände zeichnen sich durch die Verfolgung sozialer und gemeinwohlorientierter Zielsetzungen aus. Diese Organisationen werden häufig als Nonprofit-Organisationen bezeichnet, wobei Nonprofit nicht die Abstinenz einer Profitorientierung, sondern die Tatsache bezeichnet, dass diese Organisationen nicht – wie im marktwirtschaftlichen Sinne – eine Gewinnorientierung anstreben und Teile des erwirtschafteten Gewinns an ihre Mitglieder ausschütten, sondern etwaige Überschüsse für die Realisierung ihres Organisationszwecks verwenden („Not for profit“). Darüber hinaus sind die Tätigkeiten von Wohlfahrtsverbänden in Abgrenzung zu spontanen Hilfeleistungen in der privaten Sphäre (Familie, Nachbarschaft) an eine formale Organisation gebunden (vgl. BADELT/MEYER/SIMSA 2007). Im Vergleich zur öffentlichen Verwaltung zeichneten sich freie Träger bislang jedoch durch ein geringeres Maß an Bürokratie aus. Wenngleich Organisationen des Dritten Sektors prinzipiell dadurch gekennzeichnet sind, dass sie freiwillig Maßnahmen und Leistungen anbieten und infolgedessen in gewisser Hinsicht unabhängig vom Staat sind, vollzieht sich die „Herausbildung eines institutionellen Bereichs zwischen Markt und Staat niemals unabhängig von indirekten und direkten staatlichen Einflüssen“ (SEIBEL 1994, S. 54). Insbesondere durch die Einbindung der freien Wohlfahrtspflege in die Planung und Durchführung öffentlicher Aufgaben unterliegen die Organisationen staatlichen Regulationen. Damit sehen sich Wohlfahrtsverbände einem Neben- und Miteinander von marktwirtschaftlichen Prinzipien, staatlichen Steuerungsregularien und Leistungen und Unterstützungen gemeinschaftlicher und familiärer Arbeit ausgesetzt, in dem allerdings keiner dieser Mechanismen eindeutig vorherrscht. Ein weiteres Organisationscharakteristikum der Wohlfahrtsverbände ist die private Rechtsform (in der Regel als eingetragener Verein) und infolgedessen die Absenz einer unmittelbaren staatlichen Kontrolle. Häufig werden auch die Autonomie bzw. die Selbstverwaltung, die Mitgliedschaftslogik und die Abhängigkeit von Freiwilligenarbeit (Ehrenamt) sowie Spenden als Definitionsmerkmale hinzugefügt (vgl. BADELT/MEYER/SIMSA 2007). Die Entstehung des Dritten Sektors kann auf eine lange Tradition zurückblicken, dennoch lässt sich festhalten, dass er erst seit den 1980er Jahren in den Blickpunkt der Forschung geraten ist (zu Forschungen zum Dritten Sektor vgl. ZIMMER/PRILLER 2007). Bei Betrachtung der Aufgabenfelder und Größenordnung der Wohlfahrtsverbände lässt sich festhalten, dass sie sich grundsätzlich auf dem gesamten Gebiet der freien Wohlfahrtspflege betätigen (vgl. www.bagfw.de). Damit sind die Wohlfahrtsverbände nicht nur die größte Anbietergruppe von sozialpädagogischen Diensten, sondern die freie
Organisation sozialpädagogischer Dienste
Wohlfahrtspflege hat sich zu einem eigenständigen Wirtschaftssektor und Arbeitsmarkt entwickelt (vgl. GOLL 1991). Die zweite große Gruppe der freien Träger sind die Jugendverbände, deren erste Organisationsformen sich parallel zu der Institutionalisierung der Wohlfahrtsverbände entwickelten. Mit der Ausdifferenzierung von Jugend als gesellschaftliche Teilgruppe, bedingt durch ökonomische Veränderungen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Entdeckung einer Jugendphase als gesondertem Lebensabschnitt sowie infolge der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema „Jugend“ (vgl. DÖRNER 1991, S. 23ff.; PEUKERT 1986, S. 151ff.) und den reformpädagogischen Ansätzen, wie sie insbesondere in der Jugendbewegung zum Ausdruck kamen, sah sich der Staat zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend mit dem sozialen Problem „Jugend“ konfrontiert. Die Jugendphase wurde nun nicht mehr als Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenstatus angesehen, sondern als eigenständiger Erziehungsbereich. Nach Vorstellungen des Bürgertums befand sich der Jugendliche „infolge noch unvollständiger Persönlichkeitsbildung“ immer in der Gefahr, delinquent zu werden, wenn er „… nicht im Schonraum der (bürgerlichen) Jugendphase zugleich vor Versuchungen geschützt und überwacht wurde, sondern übergangslos den Gefahren und Verlockungen des Erwachsenenlebens ausgesetzt war“ (VOß 1986, S. 47). Vor allem in den schulentlassenen Arbeiterjugendlichen, die mit ihrem „zuchtlosen Auftreten“ die Empörung des Bürgertums hervorriefen, wurde eine „Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung gesehen (vgl. PEUKERT 1986, S. 62). Bereits 1901 wurde in dem Erlass: „Betrifft Veranstaltungen zur Sammlung und Unterhaltung der schulentlassenen gewerblichen Jugend“ der Staat zur Förderung von Jugendvereinen aufgerufen, um zu verhindern, „… daß die Jugend unzweckmäßigen Zerstreuungen in ihrer durch Arbeitsschutzbestimmungen erweiterten Mußezeit nachgeht“ (WENDT 1991, S. 43). Zwar ging es in erster Linie bei diesem Erlass um eine Verlängerung der Einflussnahme durch Lehrer, Geistliche und Handwerksmeister, mit dem Ziel, Verwahrlosung und Kriminalität zu verhindern. Andererseits wird hier der pädagogische Gedanke formuliert, dass Jugendliche die Möglichkeit haben müssen, „… ihre freien Abende und Sonntage in einer Weise zu verbringen, die ihnen zusagt und ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung förderlich ist“ (NAUDASCHER 1990, S. 29). Diese pädagogische Betreuungs- sowie staatliche Kontrolllücke zwischen Schulentlassung und Militärdienst versuchten konfessionelle, bürgerliche und politische Vereinigungen durch Gründungen von Turn-, Schwimm- und Wandervereinen zu schließen. Die Entstehung der Jugendverbände geht, ebenso wie die der Wohlfahrtsverbände, auf bestimmte Weltanschauungen und Milieus zurück. Die ersten Jugendverbände ab Mitte des 19. Jahrhunderts gingen aus berufsbezogenen Standesvereinen hervor, die neben der beruflichen Förderung auch soziale Aufgaben übernahmen (vgl. WEDEKIND 1971). Im Zuge der bürgerlichen Jugendbewegung entstanden Vereine wie z.B. der Wandervogel sowie Turn- und Sportvereine. Eine dritte Organisationsform stellten die politischen Jugendverbände, die insbesondere auf sozialistischen sowie sozialdemokratischen Anschauungen beruhten. Der Staat bzw. die Kommunen beschränkten sich hierbei auf die Subventionierung der Vereine und die Bereitstellung geeigneter Versammlungsräume, Sportplätze oder Schwimmbäder. Die bürgerlichen Jugendver-
Jugendverbände
„Entdeckung der Lebensphase Jugend“
Erste staatliche Reaktionen auf dem Gebiet der Jugendpflege
Entstehung der Jugendverbände
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Vereine, Verbände, privat-gewerbliche Unternehmen Die Jugendverbände als organisierte politische Vertretung der Jugend
Gemeinsamkeiten zwischen Jugendverbänden und Wohlfahrtsverbänden
Gesetzliche Förderungsverpflichtung
bände waren insofern eine Besonderheit, da sie gegenüber den staatlich initiierten Vereinigungen auf Eigenständigkeit und Selbsttätigkeit ihrer Mitglieder setzten. Seit der Weimarer Republik bilden die Jugendverbände die Interessen der Jugend vertretenen politischen Organisationen ab. Ebenso wie die Wohlfahrtsverbände gründeten die Jugendverbände einen Reichsausschuss, der die Interessen der Jugendverbände auf Reichsebene vertrat – die nachfolgende Dachorganisation der Jugendverbände ist der heutige Deutsche Bundesjugendring. Gleichwohl die Jugendverbände selbst politisch aktiv waren, ist die Jugendpflege seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts immer dem Problem einer Politisierung ausgesetzt, nach dem Motto: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft (ausführlich hierzu vgl. WEDEKIND 1971). Ein Höhepunkt der Politisierung der Jugendpflege zeigte sich während der Zeit des Nationalsozialismus. Die pluralen Strukturen der Jugendpflegevereinigungen wurden im Nationalsozialismus zerschlagen und die Verbände mussten sich im Jahr 1936 mit dem „Gesetz zur Hitlerjugend“ in die Jugendorganisation der Nationalsozialisten, der „Hitlerjugend“, unterordnen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden wieder zahlreiche Jugendorganisationen gegründet. Zum Teil bildeten sich die Jugendverbände aber auch in Anlehnung an eine Erwachsenenorganisation (z.B. Deutsche Jugendrotkreuz, Arbeiterwohlfahrtjugend, THW-Jugend etc.). Jugendverbände sind Wohlfahrtsverbänden insofern ähnlich, als sie sich ebenfalls aus bestimmten Milieus ergeben, ihre Organisationsformen vereinsförmig sind und sie sich größtenteils durch ehrenamtliches Engagement kennzeichnen. „Jugend führt Jugend“ war lange Zeit der Anspruch der Jugendverbände. Erst mit ihrer Professionalisierung seit den 1970er Jahren kann eine Zunahme von hauptamtlichem Personal in den Jugendverbänden verzeichnet werden (vgl. RAUSCHENBACH/SCHILLING 1996). In den meisten Jugendverbänden sind heute die Leitungspositionen mit Erwachsenen besetzt, die direkte pädagogische Arbeit vollzieht sich jedoch zum größten Teil in ehrenamtlichen Tätigkeiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Wohlfahrtsverbänden. Jugendverbände sind durch die Selbstorganisation junger Menschen geprägt. Im Gegensatz zu den Wohlfahrtsverbänden, die ihre sozialen Dienste für alle Hilfebedürftigen anbieten, steht im Zentrum der Aktivitäten von Jugendverbänden die Arbeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen für weitere Mitglieder der Jugendverbände über einen längeren Zeitraum. Ebenso wie Wohlfahrtsverbände verstehen sich Jugendverbände aber als eine politische Interessensvertretung – jedoch beschränkt auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen. Den Jugendverbänden wird durch gesetzlich verankerte Förderansprüche in dem Bereich der Kinder- und Jugendarbeit eine besondere Stellung zugesprochen. So heißt es in § 12 SGB VIII: „(1) Die eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugendverbände und Jugendgruppen ist unter Wahrung ihres satzungsgemäßen Eigenlebens nach Maßgabe des § 74 zu fördern. (2) In Jugendverbänden und Jugendgruppen wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet. Ihre Arbeit ist auf Dauer angelegt und in der Regel auf die eigenen Mitglieder ausgerichtet, sie kann sich aber auch an junge Menschen wenden, die nicht Mitglieder sind. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten.“
Organisation sozialpädagogischer Dienste
Es gibt mittlerweile circa 250 überregionale Jugendverbände, die sich auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendarbeit engagieren. Die Pluralität der Jugendverbände wird durch die Aufgabenschwerpunkte der jeweiligen Organisationen deutlich. So unterscheiden sich Jugendverbände nach weltanschaulichen bzw. konfessionellen, politischen, beruflichen, fachlichen und freizeitorientierten Gruppen (ausführlich zu einzelnen Verbänden vgl. BÖHNISCH/GÄNGLER/RAUSCHENBACH 1991). Die frei-gemeinnützigen Träger in der Sozialen Arbeit zeichnen sich nicht nur durch eine selbständige Organisationsform und fachliche Verantwortung, sondern auch durch besondere Finanzierungsformen aus. Haupteinnahmequellen der frei-gemeinnützigen Träger sind einerseits Leistungsentgelte bzw. Pflegesätze, staatliche Zuwendungen sowie Eigenmittel, wie z.B. Mitgliedsbeiträge, Geld- und Sachspenden, Stiftungen, Bußgelder und andererseits Erlöse aus Zuschlägen von Wohlfahrtsbriefmarken und Lotterien (vgl. MERCHEL 2003). Die traditionelle Finanzierung über Pflegesätze in Verbindung mit einmaligen Investitions- bzw. Betriebszuschüssen für Einrichtungen sind seit Mitte der 1990er Jahren mit der Institutionalisierung von Wettbewerbsbedingungen, die marktwirtschaftliche Anreizstrukturen enthalten, aufgebrochen worden. Mit der Einführung von neuen Finanzierungsregelungen in die Kinder- und Jugendhilfe (vgl. § 78aff. SGB VIII) wird der bisherige Vorrang der frei-gemeinnützigen Träger vor öffentlichen sowie vor privat-gewerblichen Trägern aufgehoben. Nunmehr können auch private Unternehmen, die ihre Bereitstellung von Diensten an der Nachfrage ausrichten und deren Organisationsziel die Gewinnmaximierung darstellt, die also wie ein privates Wirtschaftsunternehmen agieren, als gleichwertiger, wenngleich nicht gleichberechtigter Partner auftreten. Für eine strukturelle Gleichstellung fehlt es den privat-gewerblichen Trägern gegenwärtig noch an Zugängen zu den Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten beispielsweise im Jugendhilfeausschuss. Im Zentrum der neuen Entgeltregelungen stehen rechtskräftige Vereinbarungen zwischen öffentlichen und freigemeinnützigen sowie privat-gewerblichen Trägern.
Heterogenität von Jugendverbänden
„Mit der Generalisierung der Begründungsmuster (sozial-)politischer Aktivitäten auf die Leistungsfähigkeit einzelner Organisationen als ausschließlichem Legitimationskriterium wird die schützende Hand über den Wohlfahrtsverbänden, den Einrichtungen und Diensten freier Trägerschaft weggezogen, sie müssen sich den Wettbewerbsbedingungen eines politisch initiierten Marktes stellen“ (FLÖSSER/VOLLHASE 2006, S. 84).
Wettbewerbsbedingungen
Finanzierung der freien Wohlfahrtspflege
Konkurrenz durch privat-gewerbliche Träger
5.3 Selbsthilfe Während bislang die Aufgaben und Leistungen der kommunalen Sozialen Arbeit zwischen öffentlichen Trägern und den Mitgliedsorganisationen der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege aufgeteilt waren, ergänzen seit Mitte der 1970er Jahre neue sozialpolitische Akteure der Selbsthilfe und Betroffenenorganisationen das Spektrum der Anbieter von sozialer Hilfe und Unterstützung. Im Gegensatz zu den staatlich inkorporierten Wohlfahrtsverbänden zeichneten sich diese Initiativen, Projekte und Selbsthilfegruppen durch eine hohe Unabhängigkeit hinsichtlich ihrer Organisation und Leis-
Selbsthilfeorganisationen als neue sozialpolitische Akteure
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Selbsthilfe
Organisationsstruktur der Selbsthilfe
tungen, durch unbürokratische Strukturen sowie lebensweltbezogene Arbeitsansätze aus (vgl. OLK 2005, S. 1913; zur kritischen Diskussion vgl. OLK/ OTTO 1989). In Deutschland existieren geschätzt zwischen 70- und 100.000 Selbsthilfegruppierungen, in denen sich ca. zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung engagieren. Selbsthilfe ist definiert durch den freiwilligen Zusammenschluss von Menschen, die durch die gemeinsame und geteilte Betroffenheit von einem Problem, einer Krankheit, einem Leiden etc. gekennzeichnet sind. Politische und religiöse Interessengemeinschaften zählen nicht zu den Selbsthilfegruppen. Der Organisationsgrad von Selbsthilfegruppen vor Ort ist ausgesprochen gering, weitestgehend wird auf Hierarchiebildung, externe Finanzierung oder Förderung und Verwaltung verzichtet. Auch für Selbsthilfegruppen gibt es Interessenvertretungen, die insbesondere auf Landes- und Bundesebene aktiv sind (z.B. die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe oder der Paritätische Wohlfahrtsverband als Dachorganisation). Im Zentrum der Problembearbeitung von Selbsthilfegruppen steht vor allem die Bewältigung gesundheitlicher und psychosozialer Probleme. Da Selbsthilfegruppen nur partiell professionell unterstützt werden und stattdessen die subjektive Betroffenheit ihrer Mitglieder als qualitatives Merkmal, das den besonderen Charakter der Hilfeleistung markiert, hervorgehoben wird, zwingen sie die etablierten organisierten und professionellen sozialpädagogischen Dienste immer wieder zu einer kritischen Reflexion der Qualität ihrer eigenen Dienstleistungen. Auch wenn die Organisationsdichte von Selbsthilfegruppen für junge Menschen und ihre Familien relativ gering ist, fordert diese qualitative Dimension in der Frage nach der „richtigen“ Hilfe für ein soziales Problem die sozialpädagogischen Dienste stetig heraus.
Folgende Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie Kapitel 5 gelesen haben: – Wie setzt sich die Trägerlandschaft im Bereich der Sozialen Arbeit zusammen? – Was sind charakteristische Merkmale von Wohlfahrtsverbänden? – Welche Funktionen und Aufgaben erfüllen Jugendämter, Sozialämter und Gesundheitsämter als öffentliche Träger? – Welche Bedeutung haben die freien Träger für die Soziale Arbeit? – Wie wird das Verhältnis von freien Trägern und Staat bestimmt? – Inwiefern unterscheiden sich Wohlfahrtsverbände, Jugendverbände und privat-gewerbliche Träger voneinander? – Wodurch zeichnen sich Selbsthilfeorganisationen aus? – Welche Rolle übernimmt die Selbsthilfe als sozialpolitischer Akteur?
Weiterführende Literatur: Zur allgemeinen Einführung in die Grundlagen Sozialer Dienste: BÄCKER, GERHARD/NAEGELE, GERHARD/BISPINCK, REINHARD/HOFEMANN, KLAUS/NEUBAUER, JENNIFER (20084): Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland. Bd. 2: Gesundheit, Familie, Alter und Soziale Dienste. Wiesbaden.
Organisation sozialpädagogischer Dienste Grundlagenliteratur zu Trägern der sozialpädagogischen Dienste: MERCHEL, JOACHIM (2003): Trägerstrukturen in der Sozialen Arbeit. Weinheim/ München. Einführende Literatur zu den Entwicklungen in der kommunalen Sozialverwaltung: DAHME, HEINZ-JÜRGEN/SCHÜTTER, SILKE/WOHLFAHRT, NORBERT (2008): Lehrbuch Kommunale Sozialverwaltung und Soziale Dienste. Grundlagen, aktuelle Praxis und Entwicklungsperspektiven. Weinheim/München. Weiterführende Literatur zu den Wohlfahrtsverbänden: BOEßENECKER, KALR-HEINZ (2005): Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Eine Einführung in Organisationsstrukturen und Handlungsfelder der deutschen Wohlfahrtsverbände. Weinheim/München. BOEßENECKER, KARL-HEINZ/TRUBE, ACHIM/WOHLFAHRT, NORBERT (Hrsg.) (2000): Privatisierung im Sozialsektor. Rahmenbedingungen, Verlaufsformen und Probleme der Ausgliederung sozialer Dienste. Münster. Weiterführende Literatur zu den Jugendverbänden: BÖHNISCH, LOTHAR/GÄNGLER, HANS/RAUSCHENBACH, THOMAS (1991): Handbuch Jugendverbände. Weinheim/München. Grundlagen und Materialien zur Jugendhilfeplanung: JORDAN, ERWIN/SCHONE, REINHOLD (HRSG.) (1998): Handbuch Jugendhilfeplanung. Grundlagen, Bausteine, Materialien. Münster. Literatur zu Selbsthilfeorganisationen: MÜLLER, C. WOLFGANG (1993): SelbstHilfe. Ein einführendes Lesebuch. Weinheim/ Basel.
6 Sozialpädagogische Dienste im Wandel Moderne Gesellschaften sind Organisationsgesellschaften. „Von der Wiege – bis zur Bahre“, wir werden nicht nur von Organisationen begleitet, wir halten uns freiwillig oder unfreiwillig in ihnen auf, wir gestalten sie mit, wir verlassen sie und wechseln in andere über. So gesehen ist es schon ein wenig erstaunlich, in welch geringem Umfang Organisationstheorien bislang in die Wissensbestände von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen Eingang gefunden haben. Darüber hinaus ist in Deutschland die Konstruktion eines freiberuflichen Sozialpädagogen oder Sozialarbeiters unbekannt. In der Sozialen Arbeit beruflich und auch ehrenamtlich Tätige sind immer Mitglieder in Organisationen und hierdurch in ihren professionellen Gestaltungsspielräumen beschränkt. Wenn also auch eine relativ große Unkenntnis organisationstheoretischer Überlegungen in der Sozialen Arbeit vorherrscht, bedeutet dies nicht, dass das Thema „Organisation“ in der sozialpädagogischen Forschung und Praxis keine Rolle spielt. Allerdings muss hier zwischen den Theorien zur Organisation und den Bildern von Organisationen, die in der Sozialen Arbeit weit verbreitet sind, unterschieden werden. Bilder von Organisationen beinhalten kollektive Einstellungen, Meinungen und Erfahrungen mit Organisationen, Theorien dagegen sind um Objektivation bemüht und beleuchten – je nach Zuschnitt – mehrere Dimensionen einer Organisation. In der klassischen Organisationstheorie werden vier Dimensionen unterschieden, die gemeinsam erst eine Organisation ausbilden:
Bedeutung von Organisationswissen
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Sozialpädagogische Dienste im Wandel
Abb. 6: Dimensionen von Organisationen
Definition
Die klassische Definition von „Organisation“ lautet entsprechend: „Eine Organisation ist ein soziales Gebilde, das bestimmte Ziele verfolgt und formale Regelungen aufweist, mit deren Hilfe die unter die Mitgliedschaftsbedingungen fallenden Aktivitäten der Mitglieder auf diese Ziele ausgerichtet werden sollen“ (KIESER/ KUBICEK 1983).
Auf das Fadenkreuz der abgebildeten Dimensionen richtet sich die Tätigkeit des Organisierens mit dem Ziel, eine Balance zwischen den zum Teil widersprüchlichen Ausprägungen der Dimensionen zu erreichen: Ziele tendieren dabei zu groß, Ressourcen zu knapp zu sein, Beteiligte wollen eine interessante Arbeit, Technologien schränken die Handlungsspielräume ein oder erweitern sie etc. (vgl. SCOTT 1986). Doch in welcher Form und über welchen Ansatzpunkt die Balance hergestellt werden soll, wird in den Organisationstheorien nachhaltig unterschieden und unterliegt den Konsequenzen gesellschaftlichen Wandels.
6.1 Organisationstheorien Taylorismus
Die Geburtsstunde der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Organisationstheorien wird gemeinhin zum Jahrhundertwechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert angesetzt. Erste systematische Ausarbeitungen und empirische Forschungen wurden von dem US-amerikanischen Ingenieur und Arbeitswissenschaftler Frederick Winslow Taylor (1851–1915) vorgelegt. Taylor ist der Begründer des „Scientific Management“, das nach Wegen einer optimalen Anpassung des menschlichen Arbeitsvermögens an die (industriellen) Betriebsabläufe einer Organisation suchte. Hierfür unternahm er quantitative und qualitative Zeit- und Arbeitsstudien, die für jede menschliche Tätigkeit die „allein richtige“ („one best way“) Bewegungsfolge ermitteln helfen sollten. Dabei zergliederte er die arbeitsteilig aufgeschlüsselten Produktionsabläufe in möglichst kleine, für den Einzelnen überschaubare Tätigkeiten. Ziel war es, Fehler während der Produktion einer Ware oder eines Gu-
Sozialpädagogische Dienste im Wandel
tes durch die Standardisierung und Routinisierung menschlichen Handelns zu minimieren (Taylorismus). Durch die so erzielte Reduktion von Fehlerrisiken konnten Rationalisierungseffekte (Einsparungen) erzielt werden, weshalb Taylor zu seiner Zeit und nachfolgend eine hohe Bedeutung zukam. Während Taylor seinen Blick auf die damals stark expandierende industrielle Produktion konzentrierte, gewann eine zweite theoretische Grundströmung an Bedeutung und bildet bis heute für die sozialpädagogischen Dienste eine kritische Reflexionsfolie: Die Bürokratietheorie. Ihr Begründer, der Nationalökonom und Soziologe Max Weber (1864–1920), interessierte sich zwar makrotheoretisch für die sozialen und kulturellen Repräsentanzen des sich etablierenden Kapitalismus’ in der westlichen Welt, seine sozialökonomischen Überlegungen konkretisierten sich aber in (idealtypischen) Modellen rationaler Staats- und Betriebsführung. Mithin kann die von ihm entwickelte Bürokratietheorie als Versuch der Bildung eines leistungsfähigen (staatlichen) Organisationsmodells gelesen werden, welches – im Vergleich zur vorherrschenden zentralistischen und schwerfälligen Steuerung – die Ressourcen optimal nutzt. Zentrale Merkmale seiner Modellbildung sind eine strikte Arbeitsteilung, die Spezialisierung, die Hierarchisierung und die Schriftlichkeit der Dokumentation (Aktenführung). Diese Merkmale unterstreichen die Rationalität der handelnden Organisation aber nur vor dem Hintergrund einer klaren und nachvollziehbaren Verantwortungszuordnung ihrer Akteure. Insofern ist die Bürokratie weberscher Prägung effektiver als historisch frühere Steuerungsformen. – Präzision – Geschwindigkeit – Eindeutigkeit – Stetigkeit – Aktenkundigkeit (Speicherung von Wissen, Information) – Diskretion – Gleichförmigkeit der Aufgabenerfüllung – Berechenbarkeit Ähnlich wie Taylor sieht auch Weber in der Herstellung von Transparenz des organisatorischen Ablaufs einen Rationalisierungsgewinn, bezogen auf die staatlich verfassten Organisationen allerdings kommt für ihn noch ein Legitimationsgewinn hinzu. Bürokratietheoretische Konzepte haben die öffentlichen Verwaltungen nachhaltig geprägt, Elemente dieses Modells finden sich jedoch auch in allen anderen Organisationstypen. Diese Theorietradition, deren Kern die optimale Anpassung des Menschen an die vorgängige Organisation ist, wurde abgelöst von verhaltenstheoretischen Ansätzen. Die Vertreter dieser Richtung, allen voran Elton W. Mayo (1880–1949), drehten die Perspektive um 1800 und fragten nun nach der optimalen Anpassung der Organisation an die menschlichen Bedürfnisse („Human-Relation-Bewegung“). Mayo ermittelt mit Hilfe empirischer Studien (Hawthorne-Experimente), dass der unternehmerische Erfolg einer Organisation wesentlich von der Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhängt und nicht nur auf Arbeitsbedingungen oder finanzielle Anreize zurückzuführen ist, sondern erheblich von der Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitenden und innerhalb der Mitarbeiterschaft beeinflusst wird. Der von Taylor wie Weber erdachte Prototyp eines eigen-
Bürokratietheorie nach Max Weber
Merkmale von Bürokratien
„Human-RelationBewegung“
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Organisationstheorien
Entscheidungstheoretische Ansätze
Systemischevolutionäre Ansätze
Kontingenztheoretische oder situative Ansätze
nützigen und rationalen Mitarbeitenden, der sich ausschließlich an der korrekten Bearbeitung anfallender Aufgaben und Probleme orientiert, ließ sich dagegen empirisch nicht nachweisen. Ein gutes Betriebsklima, soziale Kontakte und die spontane und kreative Bearbeitung von Aufgaben und Problemen sind nach Mayo entscheidend für erfolgreiches Organisieren. Die Organisation von Teamarbeit und die Förderung kooperativen Verhaltens sind für Mayo, im Unterschied zu den Erkenntnissen Taylors, die zentralen Merkmale von Organisation und die Kernaufgaben des Managements. Taylors Erkenntnisse, die als Sozialökologie von der Chicagoer School der Soziologie weiter ausgearbeitet wurden, sind in die meisten Organisationen, also auch in die sozialpädagogischen Dienste, eingeflossen. Eine Synthetisierung dieser polarisierten Theorietraditionen versuchen entscheidungstheoretische Ansätze, die das vorherrschende statische Bild von Organisationen auflösen und stattdessen die Handlungskoordination als wesentliches Merkmal ansehen. Dieses Konzept versteht Organisationen als unpersönliche, von eigenen Überlebensbedürfnissen und Zielen gesteuerte, Handlungssysteme, die sich durch spezifische Entscheidungsfindungen auszeichnen (vgl. SIMON 1997). Diese Entscheidungen unterliegen dem Konzept begrenzter Rationalität, weil die handelnden Akteure in Ermangelung eines vollständigen Überblicks über die Gesamtorganisation keine objektiv-rationalen Entscheidungen treffen können. Fehlentscheidungen und Irrationalitäten werden diesen Ansätzen entsprechend als organisationsimmanent betrachtet. Entscheidungstheoretische Ansätze lösen eine Fülle empirischer Studien aus, die sich nicht nur mit dem Verhalten der Mitarbeitenden, sondern auch mit ihren konkreten Handlungen beschäftigen (zusammenfasend vgl. KIESER 2002). Systemisch-evolutionäre Ansätze betonen die Relevanz der organisatorischen Umwelten für die Organisation. Basierend auf dem Evolutionsgedanken von Charles Darwin („Origin of species“) werden evolutionäre Prozesse durch Variationen (Imitationen erfolgreicher Organisationsstrukturen) oder Innovationen ausgelöst, nicht jedoch von der Einzelorganisation selbst gesteuert. In dieser Theorietradition werden systemtheoretische und kybernetische Überlegungen verknüpft, wobei ihre aktuelle Rezeption vor allem in der Managementlehre, weniger in der klassischen Organisationstheorie, liegt. Einer der bekanntesten Vertreter systemisch-evolutionärer Ansätze ist Fredmund Malik (geb. 1944). Kontingenztheoretische oder situative Ansätze gibt es seit den 1960er Jahren und sie haben die Theoriebildung zu den sozialen Diensten nachhaltig geprägt. Der Ausgangsthese folgend, dass es keinen universell bestimmbaren erfolgreichen Organisationstypus geben kann, untersuchen die Vertreter dieser Ansätze die Variationen von Organisationen in Abhängigkeit zu den Situationen, in denen sie handeln. Im Mittelpunkt der theoretischen und empirischen Analysen stehen spezifische Struktur-Konstellationen von Organisationen, wobei deren formaler Aufbau eng in Anlehnung an die weberschen Merkmale operationalisiert wird: Indikatoren sind somit die Arbeitsteilung, die Hierarchie, die Anwendung bürokratischer Regeln, Verfahrensrichtlinien, sowie die Formalisierung (vgl. KIESER/WALGENBACH 2007, S. 44). Der situative Ansatz dagegen konzentriert sich auf das Aufgabenspektrum, die Organisationsgröße, die technologische Entwicklung, die Rechtsform
Sozialpädagogische Dienste im Wandel
der Organisation, Konkurrenzverhältnisse und Kundenstruktur. Die Effizienz einer Organisation – ein Thema, das die Organisationstheorie seit Taylor beschäftigt – ergibt sich mithin aus der Passung von Struktur und Situation, sie ist eine relationale Größe und nicht unabhängig ermittelbar. Dies zwingt zu empirischen Vergleichsstudien, die auch für sozialpädagogische Dienste nach wie vor durchgeführt werden (vgl. POTHMANN 2006). Auch wenn die klassische Kontingenztheorie überholt scheint, bildet sie die Grundlage für aktuelle Organisationstheorien, beispielsweise die Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1984). Danach sind Strukturen Grundlage sowie Ergebnis sozialen Handelns. Als Strukturierung bezeichnet Giddens solche Bedingungen, die die Veränderung oder den Bestand von Strukturen und eine Reproduktion sozialer Systeme bestimmen, z.B. Organisationen. Soziale Akteure beziehen sich in ihren Handlungen auf gegebene Strukturen und produzieren und reproduzieren in den Organisationen ständig Strukturen, sie handeln nach Regeln, also nach verallgemeinerten Verfahren. Eine Organisation kann durch die Rekonstruktion der Regeln, die das soziale Handeln in ihr prägt, rekonstruiert werden, sie ist kein objektivierbares Ding an sich. Eine forschungsmethodische Hinwendung zu ethnographischen und handlungstheoretischen Zugängen liegt hier auf der Hand. Entsprechende wissenschaftliche Projekte haben in den letzten Jahren zugenommen (vgl. BOCK/MIETHE 2010).
Strukturationstheorie
6.2 Von der Organisation sozialpädagogischer Dienste zum New Public Management Sozialpädagogische Dienste sind träge Gebilde, die sich nur begrenzt durch innere Anstrengungen reformieren lassen. In der Regel sind es häufig äußere Faktoren, die einen Wandel innerhalb der sozialpädagogischen Dienste begünstigen. Vor allem politisch motivierte Reformen der Kommunalverwaltungen haben in den vergangenen Jahrzehnten das Gesicht der sozialpädagogischen Dienste nachhaltig verändert. Entscheidenden Einfluss auf die Organisation der sozialpädagogischen Dienste hatte dabei vor allem die kommunale Gebietsreform zu Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, die eine territoriale Neugliederung in den Bundesländern und die damit einhergehende Verbesserung der personellen, technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit kommunaler Verwaltungen infolge einer Vergrößerung der Gemeindegebiete eröffnete. In diesem Zusammenhang ergaben sich Chancen, die sozialpädagogischen Dienste auch unter fachlichen Gesichtspunkten neu zu organisieren. Mit der Gebietsreform wurde nämlich eine interne Verwaltungsreform verbunden, die einen organisatorisch-institutionellen Umbau der Verfahrensstrukturen mit sich brachte, Aufgaben und Kompetenzen neu formulierte und auch das Personal und die Finanzen der sozialpädagogischen Dienste betraf. Die in diesen allgemeinen Reformprozess integrierte Neuorganisation der Sozialpolitik auf kommunaler Ebene bildete eine fruchtbare Basis für Vorschläge, die eine Neustrukturierung der vielfältigen Formen institutionalisierter Sozialer Arbeit anstrebten.
Neuorganisation sozialer Dienste
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Von der Organisation zum New Public Management „Die Neuorganisation der Sozialpolitik auf kommunaler Ebene erfordert also auch eine Verwaltungsreform im Sinne der Organisationsentwicklung. Wenn sich die kommunale Sozialpolitik als ein umfassendes und integratives Konzept neben einer zentralisierten nationalen Sozialversicherungspolitik profilieren will und wenn dabei auf Verwaltungsstrukturen zurückgegriffen werden soll, die die Kommunalverwaltung prägen, wenn also schon die sozialen Dienste aus den Strukturen der bürokratischen Verfassungen der Kommunalverwaltungen nicht entlassen werden können, dann bleiben Veränderungen der Organisation und des institutionellen Gefüges der Verwaltung im kommunalen Bereich nicht aus, es sei denn, die Verwaltung ist in ihrem Beharrungsbestreben so groß, dass ein effektiver sozialer Dienst im Sinne einer integrativen kommunalen Sozialpolitik nicht realisierbar ist“ (BAUM 1987, S. 451). Organisatorische Strukturelemente
Spannungsfeld zwischen Organisation und Profession
Verstärkte Einbeziehung fachlicher Aspekte
Der Organisationsentwicklungsprozess in dieser Zeit bezog sich in seinem Kern auf fünf Elemente: – Dekonzentration der sozialen Dienste – Neuordnung der Arbeitsteilung – Enthierarchisierung der Arbeitsvollzüge – Umstellung der Konditional- auf eine Final-Programmierung – Einbeziehung und Aufwertung der professionellen Handlungskompetenz (vgl. JAPP/OLK 1981; KÜHN 1980). Diskussionen, die sich auf den Strukturwandel sozialer Dienste bezogen, konzentrierten sich dabei vor allem auf die innerorganisatorischen Effekte und machten das prekäre Verhältnis von „Bürokratie“ und „Profession“ zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Diese Fokussierung auf das interne Spannungsfeld organisierter Sozialer Arbeit entspricht der vorherrschenden theoretischen Sichtweise, die wirkungsvolle Veränderungen als quasi-automatische Effekte infolge von Reformprozessen und organisatorischem Wandel prognostiziert, ohne sie selbst zum Gegenstand wissenschaftlichen Interesses zu machen (vgl. zur Kritik an dieser theoretischen Perspektive BMJFG 1980). In diesem Zusammenhang bildete die kommunale Verwaltungsreform Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre einen idealen Nährboden für mannigfaltige Experimente administrativer Neustrukturierung. Die im Kontext einer generellen Neuordnung der Kommunalverwaltungen stattfindende Reorganisation sozialer Dienste schloss dabei programmatisch an die Forderungen an, gewandelten sozialen Bedürfnissen sowie einem veränderten Bedarf an sozialer Unterstützung in Form von bürgernahen, generalistischen und aktivierenden Organisationseinheiten zu entsprechen. Sowohl großbürokratischer Ineffizienz als auch geringer Effektivität des sozialen Leistungssystems – so die These – kann und soll durch Organisationsreformen begegnet werden. Im Mittelpunkt des festgestellten Reformbedarfs der Sozialen Arbeit stand die Abkehr von einer personenzentrierten Defizitorientierung und die Hinwendung zu einer problembezogenen und bedarfsgerechten Arbeitsweise. Der Schwerpunkt dieser insgesamt sehr heterogenen Bemühungen richtete sich darauf, funktionale Defizite, die aus einer tradierten verwaltungsrationalen Problembearbeitung resultieren, durch die verstärkte Einbeziehung fachlicher Kompetenzen zu kompensieren. Besondere Beachtung findet in diesem Zusammenhang die Interaktion zwischen der Organisation und ihrer Adressatinnen und Adressaten.
Sozialpädagogische Dienste im Wandel „Mit der Expansion personenbezogener Dienstleistungen in der Sozialarbeit kommt es auf der interaktiven Ebene zu einer Verschmelzung von Organisation und Klientel: Sozialarbeiter/innen sind auf eine produktive Interaktion mit ihren Adressaten angewiesen: Beratung und Therapie, aber auch eine an den Interessen der Betroffenen orientierte Jugendpflege, Stadtteilarbeit, Altenarbeit etc. sind in ihrem Erfolg davon abhängig, inwieweit es ihnen gelingt, die alltagsweltlichen Deutungsmuster der Adressaten zu erfassen (…). Dabei erweisen sich bürokratische Strukturen als eine Barriere einer situationsnahen und problembezogenen Arbeit (…). Je situationsnäher die soziale Arbeit wird, desto problematischer werden die bürokratischen Handlungs- und Entscheidungsprämissen. Umgekehrt ermöglicht erst eine Auflösung dieser Prämissen die vollständige Etablierung situationsnaher Arbeitsformen: eine situationsnahe Sozialarbeit ist immer weniger in der Lage, die Probleme der Adressaten ihres Handelns und ihre Interventionsstrategien sozusagen vom grünen Tisch aus zu definieren und zu konzipieren“ (MÜLLER/OTTO 1980, S. 22).
Stärkere Adressatenorientierung
Bei einer generellen Akzeptanz der institutionalisierten Verfasstheit sozialpädagogischen Handelns strebten Reformvorschläge die Entwicklung von einer sozialbürokratischen hin zu einer situativen Verwaltungsform an. Dabei begründeten sich die Hoffnungen auf eine problemgerechtere und effektivere Soziale Arbeit aus der zentralen Prämisse, dass kompetent handelndes Fachpersonal diese neue Soziale Arbeit gewährleisten würde, stünden dem nicht bürokratische Zwänge entgegen. Entsprechend sollten die Rahmenbedingungen des professionellen Handelns, die Organisationsstrukturen, revidiert werden.
Organisationsstrukturen als Hindernis
„Mit dieser Organisationsreform wird ansatzweise nachvollzogen, was sich im sozialpädagogischen Handlungsprozess – zumindest idealtypisch – schon längst vollzogen hat: Der Übergang von primär eingreifenden und kontrollierenden Handlungen zu solchen, die auf Hilfe, Unterstützung, Aktivierung, Prävention etc. ausgerichtet sind. Organisatorisch kann und soll nunmehr der Übergang von einer staatlichen Kontrollund Eingriffsbehörde zu einer an Leistung und Leistungserbringung ausgerichteten Sozialverwaltung nachvollzogen werden“ (JORDAN/SENGLING 1988, S. 197).
Nach Abschluss dieser ersten Welle von Reformvorhaben im Bereich der sozialen Dienste konnte jedoch ein nur bedingt positives Resümee gezogen werden. Als Kernelemente des organisatorischen Wandels waren insbesondere die Neuordnung der Arbeitsteilung durch die Zusammenführung von Innen- und Außendienst sowie die Etablierung generalistisch orientierter Arbeitsbereiche hervorzuheben. Die mit diesen Reorganisationen verbundenen Prinzipien der „Generalisierung“ (Aufbau von Arbeitseinheiten in Form des „Allgemeinen Sozialen Dienstes“) bzw. der „Spezialisierung“ (Einrichtung von speziellen Diensten für spezifische Problemlagen) und der „Dekonzentration“ (dezentrale Aufgabenwahrnehmung) mussten damit als flächendeckend implementiert angesehen werden. Auch in der Dimension der Entscheidungsstruktur war eine radikale Veränderung im Hinblick auf die Befugnisse der zuständigen sozialpädagogischen Fachkräfte festzustellen. Einzelfallbezogene Entscheidungen oblagen damit in der Regel der jeweils zuständigen Fachkraft. Darüber hinaus war durch den drastischen Rückgang von Verwaltungspersonal in der öffentlichen Erziehung eine geänderte personelle Zusammensetzung zu konstatieren. Aus dieser Entwicklung heraus kann von einer hohen Verfachlichung, insbesondere des Jugendamtes, ausgegangen werden, das von nun an als Prototyp der sozialpä-
Errungenschaften der ersten Verwaltungsreform
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Von der Organisation zum New Public Management
Wiedervereinigung als Herausforderung für die sozialpädagogischen Dienste
Krisenerscheinungen der öffentlichen Verwaltung in den 1990er Jahren
dagogischen Fachbehörde gilt. Ganz erreicht wurden die Ziele der Neuorganisation sozialer Dienste dann aber nicht, Brülle (1992) resümiert über die vergessenen Aspekte in der Neuorganisationsdiskussion: – „Organisationspolitik – Mitarbeiter/innen-Motivation, Führen und Leiten im Sozialbereich – Ressourcenbedarf für lebenslagen-bezogene Handlungsformen der Dienste – Erforderliche Handlungskompetenzen – Team- und Arbeitsgruppe – Arbeitsvorbereitungen und Organisationsentwicklungen, Veränderungen der Hilfesysteme selbst“ (BRÜLLE/ALTSCHILLER 1992, S. 57). Dies sind diejenigen Bereiche, die in den organisationsreformerischen Debatten für die sozialen Dienste nicht ausreichend operationalisiert wurden. Obwohl das Projekt einer Neuorganisation der sozialpädagogischer Dienste keinesfalls als abgeschlossen bewertet werden kann, überlagerte eine wesentlich nachhaltigere Entwicklung den fachlich geführten Reformprozess: Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Die verkrusteten Strukturen, die in den alten Bundesländern aufgrund fehlender Expansionsmöglichkeiten keine Modernisierungsoptionen aufwiesen, erhielten nun einen Dynamisierungsschub, da in der DDR sozialpädagogische Dienste – wenn überhaupt – nur als Eingriffsinstanzen entwickelt waren. Das Fehlen eines ausdifferenzierten Netzwerkes sozialpädagogischer Dienste wurde zudem von einem ein nur gering entwickelten Ausbildungssystem für soziale Berufe begleitet. Fehlende Organisationen und quantitativ wenig geschultes Personal boten dabei den im Westen etablierten Akteuren die Gelegenheit, den Reformstau durch Expansion zu übertünchen. Dabei entwickelten sich öffentliche und freie Träger der Sozialen Arbeit asynchron: Im Gegensatz zu der öffentlichen Jugend- und Sozialhilfe, die in Form eines kodifizierten Aufgabenbereichs im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung konkrete Rahmenbedingungen für ihren Aufbauprozess in den neuen Bundesländern erhielt, eröffnete sich den freien Träger ein Experimentierfeld der verbandlichen (Neu-)Profilierung. Die Tatsache, dass die freien Träger in den neuen Bundesländern nicht auf ein kulturelles Element der Sozialstaatlichkeit zurückgreifen konnten und auch nur im geringen Maße an Vorläuferorganisationen anknüpfen konnten, eröffnete ihnen einen Handlungsspielraum zwischen produktiver Zurückhaltung im Sinne der Selbstvergewisserung und fortschrittsoptimistischen Expansionsbestrebungen. Der Aufund Umbau der sozialpädagogischen Dienste in der ehemaligen DDR beschäftigte die Theorie- und Forschungsproduktion in den 1990er Jahren nachhaltig (vgl. BMJFFG 1990). Kaum dass die sozialpädagogischen Dienste die durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten entstandenen Herausforderungen auch nur ansatzweise bearbeitet hatten, rollte auch schon die nächste Welle des Reformdrucks an: Die Europäisierung oder – noch allgemeiner – „Globalisierung“ der Sozialpolitik. Im Zentrum der Kritik und geforderten Reformen standen wiederum die öffentlichen Träger sozialer Dienste. Dabei durchmischten sich Argumente der Wohlfahrts- und Sozialstaatskritik mit Vorwürfen des Bürokratiemodells, das die Abläufe öffentlich erbrachter Leistungen immer noch prägt:
Sozialpädagogische Dienste im Wandel – „First, public services in general have lost their potential to serve as a blueprint for effective organization. In times of harsh technological change and global competition, the private sector has taken over the leading role with respect to efficiency and effective management. – Secondly, publicly funded personal social services that had hitherto to been guided by professional ethics of ,good practice‘ and by the notion of social services as a ,public good‘, were increasingly challenged by economic imperatives as resources became scarer (…) – Thirdly, we are witnessing a crisis of professionalism insofar as the users of personal social services are questioning professional expertise. Due to their pluralization and emancipation, specific groups of users are less willing than ever to be patronized by professionals or to accept compromises between their individual aspirations and the view of experts. – Futhermore – and as a consequence of the latter – the concept of privatizing public services has been increasingly difficult to challenge in the absence of notions of efficiency other than those associated with market mechanisms“ (EVERS u.a. 1997, S. 2).
Gegenüber der Reformbewegung der Neuorganisation Sozialer Dienste in den 1970er Jahren wurde ca. 20 Jahre später eine breit gefächerte Verwaltungsmodernisierung angestrebt. Das Modernisierungskonzept des „Neuen Steuerungsmodells“ (KGST 1992) geht auf die internationale NewPublic-Management-Bewegung zurück, bei der es sich um weitreichende konzeptionelle Überlegungen zu grundlegenden Neuregelungen der öffentlichen Verwaltungen im Hinblick auf a) die beteiligten Akteure (z.B. andere Verwaltungseinheiten, sozialpädagogische Dienste, Adressatinnen und Adressaten) sowie b) Organisationsformen, Personalkonzepte und Steuerungsinstrumente handelt (vgl. SCHRÖTER/WOLLMANN 2001). Zentrale Kernelemente des Neuen Steuerungsmodells in Deutschland sind: – der Aufbau einer unternehmensähnlichen, dezentralen Führungs- und Organisationsstruktur – eine outputorientierte (ergebnisorientierte) Leistungserstellung – Förderung des Wettbewerbsgedanken – Kundenorientierung (vgl. KGST 9/1994; JORDAN/REISMANN 1998; JANN 2001) Mittlerweile ist die unter dem Stichwort des „New Public Management“ geführte Diskussion in der Sozialen Arbeit in ein fortgeschritteneres Stadium eingetreten. Im Kern lassen sich die Modelle, so unterschiedlich sie im Einzelnen auch sein mögen, auf ein verändertes gesellschaftspolitisches Grundverständnis in den modernen westlich geprägten spätkapitalistischen Staaten zurückführen (zu den einzelnen Phasen vgl. OLK/OTTO/BACKHAUSMAUL 2003, S. XXVIII). Seit Bill Clinton mit der Formel „to end welfare as we know it“ seine sozialpolitischen Reformen eingeführt hat, werden auch in Europa u.a. in den Visionen des „Dritten Weges“ (GIDDENS 1999) und des „social investment state“ radikale Umbauten des Sozialstaates propagiert: „Moderne Sozialdemokraten wollen das Sicherheitsnetz aus Ansprüchen in ein Sprungbrett in die Eigenverantwortung umwandeln“ (SCHRÖDER/BLAIR 1999). Der Sozialstaat wird neu ausgerichtet, eine neue Arbeitsteilung zwischen Staat und Bürgerinnen bzw. Bürgern sichert dem Staat durch zivilgesellschaftliche Assoziationen neue Handlungsspielräume. Verwirklicht werden diese Handlungsspielräume durch kommunale Angebote von Vereinen
New Public Management
Weitere Staatsund Verwaltungsreformen
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Von der Organisation zum New Public Management
Neue Verantwortungsteilung
Neue Gestaltungsoptionen
und Stiftungen, die eigenständig anfallende Unterstützungen für ihre Mitglieder bereitstellen. Diese Bereitstellung ist jedoch nicht der eigentliche Focus der Veränderungen im sozialstaatlichen Selbstverständnis, springender Punkt ist die Verschiebung der Verantwortung für den Umgang mit bereitgestellten Möglichkeiten. Hierbei wird einerseits die Gestaltungswilligkeit des Individuums in Frage gestellt, andererseits wird es in die Pflicht genommen, gestaltend tätig zu werden. Im Gegensatz dazu betonte das „alte“ Sozialstaatsmodell, die Bereitstellung von Gestaltungsmöglichkeiten durch den Staat (vgl. KESSL/OTTO 2002). Diese Verlagerung der Verantwortung auf den Einzelnen ist an moralisch-normierende, (neo)liberale politische Ideen gekoppelt. Hoch subventionierte gesellschaftliche Subsysteme wie der Bildungsund Sozialbereich reagieren entsprechend auf die neuen Vorgaben: „Die Funktionsverschiebungen in der strategischen Rolle des Staates von der Produzentenrolle zur Gewährleistungsrolle einerseits, die systematische Entkoppelung und Neuzusammensetzung von Programmierung, Realisierung und Finanzierung der Dienstleistungsproduktion andererseits. Mit diesen beiden neuen Konstitutionsprinzipien eröffnen sich Gestaltungsoptionen jenseits der traditionellen bürokratischen Aufgabenerledigung: Ausdifferenzierung von Politik und managerialistischer Steuerung, Verschlankung und radikale Dezentralisierung der Organisationsstrukturen, Bildung von vielfältigen, ergebnisorientierten Einheiten mit operativer Verselbständigung, Betonung des internen und externen Wettbewerbsumfeldes bei der Aufgabenbestellung und insbesondere auch systematische Kunde/Bürger-QualitätsfeedbackSysteme“ (NASCHOLD 1995, S. 7f.).
Die Soziale Arbeit als Bestandteil des öffentlichen bzw. quasi-öffentlichen Sektors unterzieht sich den geforderten Neujustierungen. Hierbei werden durchaus unterschiedliche Wege beschritten, die jedoch gemeinsam die Frage nach Qualität und Wirksamkeit sozialpädagogischer Dienste auf die Tagesordnung bringen.
6.3 Qualität und Wirkungen sozialpädagogischer Dienste Die Diskussion um Qualität
Dass der Qualitätsfrage in den sozialpädagogischen Diensten so viel Bedeutung beigemessen wird, liegt darin begründet, dass sich die Leistungsanbieter unter den geänderten sozialpolitischen Bedingungen verstärkt herausgefordert sehen, Qualitätsnachweise ihrer Arbeit zu erbringen, um sich die Förderung durch öffentliche Mittel und damit ihre eigene Existenz zu sichern (zu den sozialpolitischen Hintergründen vgl. Kap. 4.3). Gerade im Zuge der Auslagerung von Leistungen, die bisher durch öffentliche Träger erbracht wurden und der damit einhergehenden Implementierung des Wettbewerbsgedanken in die Soziale Arbeit gewinnt die Festlegung von Qualitätsstandards zunehmend an Bedeutung. Die so unter Druck geratenen sozialpädagogischen Dienste müssen ihre Qualität nachweisen, was auch Belege des erreichten Status quo beinhaltet und nicht allein Freiräume zur konstruktiven Weiterentwicklung eröffnet. Die Rede von der Qualitätssicherung verdeutlicht nochmals, dass in Deutschland – wie in anderen westeu-
Sozialpädagogische Dienste im Wandel
ropäischen Staaten – eine reaktive Diskussion um die Qualität sozialer Dienstleistungen vorherrscht, die in erster Linie erworbene Standards sichern will. Der allerortens thematisierte Ab- oder Umbau des Sozialstaates erzwingt also einen defensiven Umgang mit der Qualität; die Verteidigung des Erreichten zählt mehr als die Suche und Weiterentwicklung einer zukünftigen Professionalität. Auf diesen Doppelcharakter macht bereits Thiersch (1997) aufmerksam, wenn er für die Qualitätsdebatte in der Jugendhilfe konstatiert: – „Sie ist notwendig gegenüber den Zweifeln und Unwilligkeiten der Gesellschaft, der Gesellschaft, die überzeugt werden muss, dass und wozu sie Jugendhilfe braucht und daß Jugendhilfe die Aufgaben, die ihr zufallen, erfüllt, – sie ist notwendig, weil die Gesellschaft ein Recht hat zu erfahren, was sie und wofür sie zahlt, – sie ist notwendig, weil Organisationen und Arbeitsstruktur der sozialen Dienstleistungen beträchtliche Modernisierungsdefizite zeigen, die, jenseits und unabhängig von der gegebenen Spardiskussion, angegangen werden müssen, wenn soziale Dienstleistungen ihrem Selbstanspruch transparenter, sinnvoller, hilfreicher Dienstleistungen entsprechen soll, – sie ist missverständlich, weil sie genutzt wird, um auf ihrem Rücken und mit ihr einhergehend fach- und sachfremde Entwicklungen zu befördern – Entwicklungen hin zu einer Indienstnahme der Jugendhilfe durch betriebs- und verwaltungswirtschaftliches Denken und aus der Wirtschaft stammende Organisations- und Leistungsmodelle, – sie ist aber auch missverständlich, weil sie dazu dienen kann, die sozialpolitischen, grundsätzlichen Fragen zu verdrängen – ,Was‘ man tun will, ist evident, es geht darum, das ,Wie‘ zu klären – und damit zugleich das politisch motivierte Sparen zu legitimieren. Neben unserer Rhetorik von Organisation und Effizienz herrscht oft die schlichte Logik des Einsparens (…), – sie ist schwierig weil die der Jugendhilfe aufgegebenen Sachaufgaben komplex, kompliziert und anspruchsvoll sind; wenn Organisationen sachdienlich und Prüfungs- und Darstellungsverfahren aufgabenentsprechend sein sollen, braucht es die anstrengende und mühsame Arbeit an neuen Konzepten und Modellen“ (THIERSCH 1997, S. 15f.).
Es lassen sich vier Hintergründe der Qualitätsdiskussion in den sozialpädagogischen Diensten identifizieren:
Abb. 7 Hintergründe der Qualitätsdebatte in den sozialpädagogischen Diensten
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Qualität und Wirkungen sozialpädagogischer Dienste Qualitätsbegriff
Qualitätsparameter
Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität
Grenzen der Donabedian’schen Qualitätsdefinition
Kann damit die Notwendigkeit der Qualitätsdebatte als hinreichend begründet angesehen werden, so bleiben die Bestimmungsversuche der Qualität sozialpädagogischer Leistungen diffus. Die Abhandlungen zum Qualitätsbegriff zeigen, dass sich hinter den so oft verwendeten Termini Qualitätssicherung bzw. Qualitätsentwicklung, Qualitätsmanagement und Qualitätskontrolle sehr unterschiedliche Inhalte verbergen (zum Überblick vgl. GERULL 2000). Folgende Parameter prägen die Qualitätsdiskussion der sozialpädagogischen Dienste: – „Soziale Dienstleistungen dienen nicht der Herstellung eines Produktes, sondern zielen darauf ab, Wirkungen auszulösen“ (BAUER 1996, S. 27), was bedeutet, dass die Soziale Arbeit nicht nur Produkte im Sinne von quantifizierbaren Nachweisen organisatorischen Handelns erzeugt, sondern ausgerichtet ist auf Verhaltensänderungen bei ihren Adressatinnen und Adressaten. Wenn diese Differenz missachtet wird, können sozialpädagogische Dienstleistungen leichtfertig auf Produkteigenschaften reduziert werden. – Die Beurteilung der Qualität als gut oder schlecht ergibt sich dabei aus dem Grad an Übereinstimmung mit den Erwartungshaltungen der Akteure, die diese im Hinblick auf eine Dienstleistung oder ein Produkt formulieren. – Qualität stellt somit eine relative Bezugsgröße zwischen den Erwartungen und den Sichtweisen der beteiligten Akteure in der Sozialen Arbeit dar. Danach „differiert die Qualität je nach Bezugspunkt, d.h. je nach dem, welcher Ausschnitt aus der Realität einer Beurteilung unterzogen und aus welcher Perspektive diese Beurteilung vorgenommen wird“ (PIEL 1996, S. 89). – Und letztlich „(…) quality is not a thing, but a concept, a particular construction or abstraction of reality. It has no independent existence in the world“ (OSBORNE 1992). Für die Differenzierung von Qualität wurde auf das von A. Donabedian Anfang der 1980er Jahre in den USA entwickelte Modell zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität im Gesundheitswesen zurückgegriffen (vgl. DONABEDIAN 1980). Danach werden unter Strukturqualität jene Ressourcen gefasst die organisatorisch zur Verfügung stehen (das sind neben finanziellen Ressourcen räumliche Gegebenheiten, Konzepte und die personelle Ausstattung). Die Prozessqualität stellt das Ergebnis einer Leistung in den Mittelpunkt, wobei allerdings für die Prozessqualität in der Dienstleistungsproduktion die sozialpädagogischen Dienste nicht mehr alleine verantwortlich sind. Zudem ergeben sich aus den Problemlösungskapazitäten der Adressatinnen und Adressaten relevante Einflussfaktoren, die über die Qualität der Ergebnisse mitentscheiden. Die Prozessqualität wird somit durch die Art und Weise der Relationierung zwischen Dienstleistungsanbietern und -nachfragern (Grad der Responsivität) gebildet. Insgesamt also alles Faktoren, die im Hinblick auf die Zielerreichung vonnöten sind. Letztendlich münden sowohl Struktur- als auch Prozessqualitäten in eine Ergebnisqualität. Hierzu gehören nachweisbare Ergebnisse (z.B. Verhaltensänderung der Mutter bzw. Vater oder des Kindes). An dieser Trisektion der Qualitätsdimensionen wird aus den Reihen der Sozialen Arbeit immer wieder deutlich Kritik geübt, da es „bisweilen problematisch (ist, d.V.) genauere Abgrenzungen vorzunehmen zwischen den
Sozialpädagogische Dienste im Wandel
Elementen Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität. Dies ist nicht nur ein formales Problem der Zuordnung zu Kategorien, sondern es wirkt auch in die Vorgänge der Überprüfung von Qualität hinein. Schließlich macht es einen Unterschied, ob ein Sachverhalt im Kontext der Voraussetzungen (Strukturqualität) zum Erreichen von guten Ergebnissen, oder im Kontext der Qualität von pädagogischen Prozessen interpretiert und bewertet wird“ (MERCHEL 1999a, S. 14, ebenso HANSBAUER 2004), trotzdem wird sie als pragmatische Strukturierungshilfe oftmals eingesetzt. Bei der Frage nach der Qualität personenbezogener sozialer Dienstleistungen lassen sich verschiedene Perspektiven, hinter denen sich unterschiedliche Akteursgruppen verbergen, als qualitätsrelevant festhalten: Kostenträger, Management, Professionelle, Adressaten (vgl. BECKMANN u.a. 2004; OECHLER 2009). Je nachdem, welche Akteursgruppe ins Zentrum gerückt wird, differenzieren sich verschiedene Bedeutungen von Qualität im Erbringungsprozess. Grundsätzlich gelten zwar Ansprüche und Interessen, die an die Dienstleistungsorganisation herangetragen werden, als gleichberechtigt (vgl. BECKMANN 2009, S. 11), jedoch lässt sich mit Blick auf die Bereitstellung von sozialen Dienstleistungen sagen, dass die politischen Entscheidungsträger – die Dienste und Einrichtungen sowie die Fachkräfte in den jeweiligen Organisationen – diejenigen sind, die das Geschehen um die Leistungserbringung vordergründig steuern. „Qualitätssicherung umfasst alle Aktivitäten, die darauf zielen, die Erwartungen der Beteiligten zu erkunden und im Verhältnis zu den vorhandenen Ressourcen aufeinander abzustimmen sowie aus dem Ergebnis dieser Abstimmung verbindliche Qualitätsziele zu entwickeln; Qualitätssicherung umfasst ferner alle Maßnahmen und Aktivitäten, die dem Erreichen und Überprüfen der Qualitätsziele dienen“ (MEINHOLD 1994, S. 42).
Qualitätsmanagement und der damit einhergehende Nachweis sozialpädagogischer Standards ist im Zuge struktureller Organisationsreformen zum entscheidenden Wettbewerbsindikator avanciert, der Nachweis über die Qualität personenbezogener sozialer Dienstleistungen ist aus den konzeptionellen Erneuerungsversuchen der sozialpädagogischen Dienste nicht mehr wegzudenken. Ansätze zur Operationalisierung des Produktionsprozesses sozialer Dienstleistungen ermöglichen es, den komplexen Ablauf (sozial-) pädagogischer Dienstleistungsproduktionen unter analytischen Gesichtspunkten zu differenzieren, sie enthalten allerdings selbst keine Standards bzw. Gütekriterien für die Qualitätsbemessung. Hierfür werden Qualitätssicherungsmodelle entwickelt, die mit unterschiedlichen Methoden und Verfahren die bestehende Qualität der Produktion sicherstellen und Anreize für qualitative Optimierungen geben wollen (z.B. Total Quality Management). Obwohl mit der Qualitätsdebatte der Forderung nach einer Privilegierung des Adressatenstatus in Ansätzen Rechnung getragen würde, ist eine konsequente Verlagerung der Definitionsmacht zu den Adressatinnen bzw. Adressaten der sozialpädagogischen Dienste illusorisch. Zu berücksichtigen ist zum einen, dass öffentlich erbrachte soziale Dienstleistungen – im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Gütern – an Bedarfskriterien orientiert sind und nicht an subjektiven Bedürfnissen oder Wünschen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Die Konsumentenzufriedenheit ist für die
Relevante Akteure in der Qualitätsdiskussion
Qualitätssicherungsmodelle
Qualitätsbeurteilungen von Seiten der Adressatinnen und Adressaten
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Qualität und Wirkungen sozialpädagogischer Dienste
Fehlende monokausale Wirkungsketten
Soziale Arbeit mithin höchstens ein erfreuliches Nebenprodukt, keinesfalls aber der zentrale Qualitätsindikator. Zum anderen sind die Adressatinnen und Adressaten von sozialpädagogischen Diensten häufig durch das Merkmal mangelnder Konsumentensouveränität gekennzeichnet (vgl. Kap.10.3). Trotz dieser formalen Anschlussfähigkeit von Qualitätssicherungsmodellen an die aktuellen Diskussionen in der Sozialen Arbeit reagierte diese zunächst mit einer gewissen Zurückhaltung gegenüber denjenigen Modellen, die die Prämissen des modernen Qualitätsmanagements in einer technologischen Weise interpretieren. Betont werden in diesem Zusammenhang als konstitutive Merkmale Sozialer Arbeit, dass die Qualität als Ergebnis eines komplexen Bedingungsgefüges angesehen werden muss, dem die Unterstellung linearer oder „monokausaler Wirkungsketten“ nicht gerecht wird (vgl. MERCHEL 1999b, S. 34). Entsprechend umstritten ist der Begriff der Qualitätssicherung, da seine technologischen Konnotationen irreführend seien: „Neben den unangemessenen Assoziationen in Richtung technischer Herstellbarkeit sprechen noch weitere Gründe dafür, den Begriff der Qualitätssicherung in der Sozialen Arbeit nicht zu verwenden. So kann nur ,gesichert‘ werden, was bereits klar definiert und mit inhaltlichen Dimensionen versehen ist; demgegenüber herrscht in den meisten Feldern der Sozialen Arbeit vielfach Unklarheit darüber, was Qualität eigentlich konkret bedeutet und wie Konzeptbegriffe (Lebensweltorientierung, Prävention, Förderung von Identitätsentwicklung etc.) in bewertbare Qualitätsmaßstäbe übersetzt werden können. Statt ,Qualitätssicherung‘ ist vielfach zunächst einmal ,Qualitätsentwicklung‘ die vordringliche Aufgabe“ (MERCHEL 1999b, S. 35; vgl. hierzu auch HEINER 1996).
Der Einzug von Qualitätsmanagementmodelle in die sozialpädagogischen Dienste
Mit Recht wurde hier aus einer systemimmanenten Perspektive der sozialpädagogischen Dienste geltend gemacht, dass diese in der Definition ihrer Qualitätsstandards noch am Anfang stehen und qualitätsgenerierende Indikatoren noch entwickelt werden müssen. Dieser Fokus blendet jedoch aus, dass die Qualitätsdebatte nicht eine rein professionell zu führende Diskussion ist. Ohne die angeschnittenen Fragestellungen auch nur halbwegs geklärt zu haben, ist die programmatische der pragmatischen Debatte gewichen. Qualitätsmanagementmodelle bzw. Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung gehören vor dem Hintergrund prekärer, z.T. existenzbedrohender Ausgangslagen zum Alltag (für den Bereich der Hilfen zur Erziehung vgl. MERCHEL 2000). Ihre Institutionalisierung zum Zweck der Bestandssicherung einzelner Einrichtungen ist wahrscheinlich sogar notwendig. So zeichnete sich in den letzten Jahren ein neuer Markt ab, in dessen Zentrum die Beratung und Unterstützung bei der Einführung von Qualitätssicherungskonzepten steht. Das Problem dabei ist nur, dass – je nach präferiertem Modell – die Beiträge zu dem, was die „Güte“ der erbrachten Dienstleistungen ausmacht, äußerst unterschiedlich zu bewerten sind. Qualitätsmanagement in einer ausschließlich instrumentellen Form lenkt also u.U. mehr oder weniger vom Thema ab, da profunde Erkenntnisse über das, was eine gute Arbeit in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen auszeichnet, durch den programmatischen Verweis auf die Existenz eines Qualitätssicherungskonzeptes ersetzt werden. Darüber hinaus sind Risiken mit der Einführung von Qualitätsmanagementmodellen verbunden, die sich als Gefahren neuer Bürokratisierung und ausschließlicher Input-Orientierung charakterisieren lassen (vgl. FLÖSSER/OECHLER 2004).
Sozialpädagogische Dienste im Wandel
Die Herstellung von Transparenz erfolgt gemeinhin über die Methoden der Standardisierung und der Normierung. Produktbeschreibungen, Kennzifferentwicklungen, Rechenschafts- und Dokumentationssysteme sind nur einige der beschrittenen Wege, wobei das Motto lautet: „Was man nicht messen kann, kann man auch nicht verbessern.“ Verbunden sind hiermit jedoch die Fallstricke einer Taylorisierung der Arbeitsabläufe in den sozialen Organisationen, weil die Zerlegung der Arbeitsabläufe, die Normierung der Handlungsweisen sowie ihre separate Bewertung in Form von Leistungsbemessungen ins Zentrum gerückt werden. Die vielerorts aufgestellten Produktpläne der Verwaltungen liefern beredtes Zeugnis. Diese Ansätze des Qualitätsmanagements beziehen sich zum einen auf traditionelle angloamerikanische betriebswirtschaftliche Organisationstheorien und sind zum anderen auf die frühe deutsche Organisationslehre bis in die 1950er Jahre zurückführen – wobei beide Konzepte gerade den Aspekt der Mitarbeiterzufriedenheit vollständig vernachlässigen und ihren Hauptzweck darin sehen, eine Synthese von Spezialisierungsanforderungen auf der einen und eine Koordination der zerlegten Arbeitsabläufe auf der anderen Seite zu garantieren. Organisationen hätten somit keinen anderen Zweck, als sich ausschließlich mit sich selbst zu beschäftigen, eine Zielbestimmung, die an idealisierte Bürokratiemodelle anknüpft und von den Prämissen des New Public Managements und des Qualitätsmanagements, die ja Innovationsfreudigkeit signalisieren, weit entfernt ist. Um diese Schwächen der Qualitätsdebatte zu kompensieren, soll es nicht länger ein Geheimnis der sozialpädagogischen Dienste bleiben, was „gute Qualität“ ist. Anstatt der Beschreibungen von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitäten rücken nunmehr „harte Fakten“ in Form von Wirkungsnachweisen sozialpädagogischer Leistungen in den Vordergrund – so eine Forderung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung im Jahr 2005 (vgl. CDU, CSU und SPD 2005). Das bedeutet, dass eine endgültige Festlegung von Zielen bzw. Wirkungen innerhalb einer sozialen Einrichtung überholt ist und es mittlerweile angezeigt ist, Wirkungen in den subjektiven Lebensvollzügen der Adressatinnen und Adressaten nachzuweisen, wobei diese Ergebnisse nicht von den sozialpädagogischen Diensten gesteuert werden können. Hintergrund dieser Forderung ist die nicht hinreichend vollzogene Umstellung des Finanzierungssystems nach § 78aff. SGB VIII (vgl. STRUZYNA 2007, S. 5). Empirische Befunde zum Umsetzungstand der abgeschlossenen Vereinbarungen nach § 78aff. SGB VIII zeigen, dass vorrangig Personalschlüssel und Leistungen beschrieben werden und ein daraus resultierender Tagessatz abgeleitet wird. Forderungen bezüglich einer Offenlegung der Zielsetzungen der angebotenen Leistungen nach Inhalt sowie dem Qualitätsniveau bleiben in den Vereinbarungen oftmals vage (vgl. MÜNDER/TAMMEN 2003). Nach allgemeinem Verständnis ist Wirkung der Effekt von Eingriffen. Wirkung in diesem Sinne betrifft die sozialpädagogische Intervention, die einen bestimmten – in der Regel – positiven Zustand in einem bestimmten Zeitraum herbeiführen will. Es geht also um die Annahme einer Ursache-Wirkungs-Kette. Wirkungen sozialer Dienstleistungen können als „eine intendierte Veränderung, die mit hinreichender Plausibilität auf die Maßnahme zurückzuführen ist…“ (INSTITUT FÜR SOZIALE ARBEIT 2008, S. 51) verstanden
Chancen und Risiken von Qualitätsmanagement
Von der Qualität zu Wirkungen sozialer Dienstleistungen
Was sind Wirkungen sozialer Dienstleistungen?
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Qualität und Wirkungen sozialpädagogischer Dienste
Wirkungsbeobachtung bzw. -messung
werden. Betrachtet man diese Definition näher, so lassen sich weitere Parameter von Wirkungen festhalten: – Wirkungen müssen beobachtbar bzw. messbar sein, damit man sie als Wirkungen bezeichnen kann – Wirkungen lassen sich nur auf zuvor definierte Ziele beziehen. Ansonsten handelt es sich um Nebenwirkungen, die nicht intendiert waren – Wirkungen haben etwas mit Zeit zu tun, da erst zwischen der Ursache einer Intervention und der daraufhin implementierten Maßnahme bzw. Programme Effekte beobachtbar sind (vgl. LÜDERS/HAUBRICH 2006). Eine Steuerung sozialer Dienstleistungen ist folglich umso besser möglich, je genauer das Wissen um Wirkungsweisen von Maßnahmen ist. „Wenn man die beabsichtigte Wirkung vor dem Hintergrund eines definierten Ziels durch kalkulierte Intervention erzeugen kann, spricht man einer solchen Maßnahme „Wirksamkeit“ zu.“ (MERCHEL 2010, S. 55) Dieses Ideal einer UrsacheWirkungskette wird im Rahmen einer „Evidence-based-practise“ umgesetzt. Ursprünglich für den medizinischen Bereich entwickelt, wird das Modell mittlerweile auch für den Bereich der Sozialen Arbeit kontrovers diskutiert (vgl. HÜTTEMANN 2006; SOMMERFELD 2005; OTTO/POLUTTA/ZIEGLER 2009). Dieses Verständnis von Wirkungen sozialer Dienstleistungen ist insofern problematisch, als die Soziale Arbeit durch ein Technologie-Defizit geprägt ist, welches ein Denken in Kausalzusammenhängen ausschließt (vgl. Kap. 8.3). Hinzu kommt – wie bei der Qualitätsdiskussion – das Perspektivenproblem. Offen in der ganzen Debatte um Wirkungen sozialer Dienstleistungen bleibt, a) welche Wirkungen sind von Interesse für sozialpädagogische Dienste und b) wie kann man sie erkennen? (vgl. ALBUS/MICHEEL/ POLUTTA 2009). Angesichts der individuellen und überaus komplexen Lebensführungen der Adressatinnen und Adressaten ist ein Rückschluss der Wirkungen auf einzelne oder in manchen Fällen sogar mehrere sozialpädagogische Leistungen nicht (immer) möglich. Nichtsdestotrotz sind die sozialpädagogischen Dienste mit Fragen nach Wirkungen ihrer sozialpädagogischen Leistungen konfrontiert. In der Konsequenz nehmen Evaluationsforschungen zu, die die subjektiven Lebensvollzüge von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in den Blick nehmen aber auch strukturelle Rahmenbedingungen bewerten (für die Hilfen zur Erziehung vgl. www.wirkungsorientierte-Jugendhilfe.de).
Folgende Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie Kapitel 6 gelesen haben: – Auf welchen Studien und Theorien begründen sich die organisationstheoretischen Entwicklungen der sozialpädagogischen Dienste? – Welche organisationstheoretischen Ansätze gibt es und was sind ihre Charakteristika? – Welche Konsequenzen hatte die Wiedervereinigung auf die Reformvorhaben der sozialpädagogischen Dienste? – Was bedeutet der „Dritte Weg“ für die Soziale Arbeit? – Wo liegen Chancen und Grenzen der Qualitätsdebatte für die sozialpädagogischen Dienste?
Sozialpädagogische Dienste im Wandel
Weiterführende Literatur: Zum allgemeinen Überblick zu Organisationstheorien: KIESER, ALFRED (Hrsg.) (20025): Organisationstheorien. Stuttgart. SCOTT, RICHARD W. (1986): Grundlagen der Organisationstheorie. Frankfurt a.M. Literatur zu sozialen Organisationen: GIRSCHNER, WALTER (1990): Theorie sozialer Organisationen. Eine Einführung in Funktionen und Perspektiven von Arbeit und Organisation in der gesellschaftlich-ökologischen Krise. Weinheim/München. WALTER-BUSCH, EMIL (1996): Organisationstheorien von Weber bis Weick. Amsterdam. MERCHEL, JOACHIM (20062): Sozialmanagement. Eine Einführung in Hintergründe, Anforderungen und Gestaltungsperspektiven des Managements in Einrichtungen der Sozialen Arbeit. Weinheim/München. Einführende Literatur zur Qualität Sozialer Arbeit: MERCHEL, JOACHIM (20103): Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Weinheim/München
7 Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste Der Professionalisierungsbegriff ist mehrdeutig. Er stellt z.B. einen Oberbegriff für Merkmale dar, die Professionen von anderen Berufen unterscheiden, er beschreibt einen bestimmten Entwicklungsstand eines Berufs oder auch eine bestimmte Machtkonstellation, die Interessengruppen im Hinblick auf berufpolitische Absichten verfolgen. Diese unterschiedlichen Facetten werden durch die Auseinandersetzung mit solchen Berufen gewonnen, die gemeinhin als klassische Professionen gelten: Mediziner, Juristen, Theologen. Dass das Berufsbild der Sozialen Arbeit hierzu nicht gerechnet werden kann, ist heute unstrittig. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen, zum Teil allerdings von der Hoffnung beflügelt, den Status einer Profession doch noch erreichen zu können. Verführerisch sind in diesem Zusammenhang vor allem Implikationen, die aus den für moderne Dienstleistungsberufe zentralen Merkmalen der Kompetenz und Verantwortung der beruflich Tätigen (vgl. PARSONS 1968) abgeleitet werden können: – Professionen beruhen auf formalem Wissen, das durch Zertifikate legitimiert und zeitlich unbefristet ist (lebenslängliche Kompetenzzuschreibung). – Professionen sind „community orientated“, d.h. sie nehmen Bezug auf gesellschaftliche Zentralwerte und unterliegen hierbei der Verpflichtung, gemeinwohlorientiert zu handeln. Diese drückt sich in einem „code of ethics“ aus. – Professionen zeichnen sich durch hohe Autonomie aus, so wird Kontrolle ausschließlich durch den eigenen Berufsstand ausgeübt, Markt- und Erfolgskontrollen sind faktisch nicht gegeben. – Professionen sind durch einen außergewöhnlichen Status (materielle Verhältnisse, Berufsprestige, hohe Definitionsmacht in politischen Prozessen etc.) gekennzeichnet.
„Ambivalenter Professionsbegriff“
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Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste
„Soziale Arbeit als Profession?“
– Professionen sind in berufspolitischen Kollektiven organisiert (Berufsverbände), denen v.a. die Regelung der Zugangschancen für die Berufsanfänger obliegt. Der heute wie damals zu ermittelnde Grad an Abweichung der Sozialen Arbeit von diesen Attributen hat ihr oftmals das Etikett der halbierten Profession oder auch Semi-Profession angeheftet. Diese Attribute sind allerdings heute selbst erodiert, auch die klassischen Professionen weichen in immer stärkerem Maße von der Idealtypik ab. Insofern ist das Leiden an der Nichterreichung des Ziels begrenzt. Lange gehörten die Soziale Arbeit wie z.B. auch die Psychologie zu einem Set von „neuen“ Professionen. Der aktuelle Professionalisierungsdiskurs rekurriert nicht länger auf die Gewährung von Autonomie und Verwissenschaftlichung, für ihn ist das professionelle Handeln in den jeweiligen Handlungssituationen ausschlaggebend, wobei Fragen von Inszenierungen (vgl. PFADENHAUER 2003; NADAI u.a. 2005) sowie Ungewissheiten (vgl. ROSENBAUER 2008; HELSPER/HÖRSTER/KADE 2003) ins Zentrum rücken. Angesichts dieses Professionsverständnisses ist Soziale Arbeit eine Profession, da sie im besonderen Maße der Ungewissheitsproblematik ausgesetzt ist und die Techniken und das Wissen zu deren Bewältigung entwickelt hat.
7.1 Von angeleiteter Tätigkeit zur Verberuflichung „Verberuflichung der Sozialen Arbeit“
Die bürgerliche Frauenbewegung als Motor der Verberuflichung
Als Verberuflichung wird der Übergang von nicht-beruflichen, z.B. familialen oder ehrenamtlichen Formen der Arbeit zu beruflich-betrieblichen bezeichnet (vgl. DAHEIM 1982, S. 381). Der Berufsbegriff selber ist unklar, i.d.R. impliziert er jedoch eine erlernte Erwerbstätigkeit, die durch Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in Organisationsformen einen Austausch von Arbeitskraft als Ware ermöglicht (vgl. WEBER 1980, S. 80). Eine Verberuflichung in den sozialpädagogischen Diensten meint jene Entwicklung, die um die Wende des 19. Jahrhunderts einsetzte und zu einem eigenständigen, schließlich staatlich anerkannten Berufsbild des Sozialarbeiters bzw. Sozialpädagogen führte. Diese Phase ist in der Sozialen Arbeit eng verknüpft mit der bürgerlichen Frauenbewegung, die sich 1894 im „Bund Deutscher Frauenvereine“ zusammenschloss und auf die „Nutzbarmachung gebundener, gefesselter Kräfte mit dem Ziel sozialer Wirksamkeit“ (Alice Salomon) drängte. Anders als in der sozialistisch orientierten Arbeiterbewegung (Rosa Luxemburg, Clara Zetkin u.a.), deren Betonung auf der Befreiung des Proletariates – die Frauen eingeschlossen (Wahlrecht) – lag, dominierte in der bürgerlichen Frauenbewegung das Interesse an der funktionalen Verknüpfung des „Prinzips der Mütterlichkeit“ mit der Forderung nach Bildungschancen. Ein Frauenbild, das traditionell mit Prädikaten wie „Emotionalität“ und „Wärme“ besetzt ist, wurde als Argument für die besondere Leistungsfähigkeit der Frauen in quasi-familialen Aufgabenbereichen herangezogen. Nicht Gleichheit, sondern Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit waren die Forderungen, die eine Öffnung des weiblichen Wirkungskreises bewirken sollten, der über die eigene private Familie hinaus reichte:
Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste „Wenn so die geistige Gleichwertigkeit der Frau betont wurde, so fehlt auch eine feine Differenzierung des männlichen und weiblichen Wesens nicht (…), was die Frauen für die Gesellschaft tun ist mehr ein Schaffen, was die Männer tun, mehr ein Machen (…) In dem Tun der Frauen waltet die Natur vor, in dem der Männer die vernünftige Absicht (…) das höchste wie das niedrigste Ziel weiblicher Bildung liegt in den konkreten Einigungen des geselligen Lebens, in der Familie, der Gemeinde und den größeren geselligen Kreisen“ (Programm des Frauenbildungsvereins, zit. n. DÖRING 1917, S. 103).
In den sozialen und helfenden Berufen bot sich diese Verzahnung an. Von 1905 an fand ein sprunghafter Aufbau von Ausbildungsstätten statt, die ausschließlich Frauen – i.d.R. Töchter aus bürgerlichen Familien – vorbehalten waren. „Einen ,wissenschaftlichen Unterbau‘ findet diese Anschauung vom Wesen der Frau und ihren Aufgaben in der Gesellschaft in der Pädagogik und Sozialpädagogik ihrer Zeit, die von Pestalozzi über Fröbel bis hin zu Henriette Schrader-Breymann eine Entwicklung genommen hatte, in der die spezifischen Qualitäten einer sublimierten Mütterlichkeit immer deutlicher als Kernelement gedeihlicher Sozialisation und Resozialisation herausgearbeitet und zugleich als lehr- und lernbar angesehen werden“ (SACHßE/TENNSTEDT 1981, S. 32).
Der relativ konsequente Aus- und Aufbau sozialstaatlicher Organisationen gab die Ausbildungsinhalte vor, die sowohl die unter dem Begriff der „Sozialen Arbeit“ zusammengefasste Heterogenität der Tätigkeiten (von der Säuglingsfürsorge über die Fürsorgeerziehung, Wohnungsfürsorge bis hin zur Gefängnisfürsorge) als auch theoretische Fächer wie Volkswirtschaft, Verwaltungskunde und Recht umfassten. Bot die organisatorische und administrative Integration der Sozialen Arbeit in die bestehenden Strukturen einerseits die Absicherung des mühsam erkämpften Rechts der Frauen auf bezahlte Arbeit, so waren andererseits Konzessionen an ihr Idealbild – die Hilfe von Mensch zu Mensch – unausweichlich. „Soziale Arbeit als ,angewandte, auf die Welt übertragene Mütterlichkeit‘ (Alice Salomon) angetreten um die sachlich-männliche Kultur durch spezifisch weiblichen Kultureinfluß gesellschaftlich zurückzudrängen, zu ergänzen und zu bereichern, wurde in der Sozialbürokratie kommunaler oder verbandlicher Art eben dieser männlichen Kultur unterworfen“ (SACHßE 1994b, S. 278).
Den Elementen von Versachlichung, Arbeitsteilung, Spezialisierung etc., die Organisationen prägen, begegneten die Frauen mit der Verinnerlichung eines Dienstethos, das die pädagogisch-emanzipatorischen Ideen sozialer Reformen festschrieb und dessen Verinnerlichung vor allem den Ausbildungseinrichtungen, den Wohlfahrtsschulen oblag. Dieser Doppelcharakter Sozialer Arbeit offenbarte sich in den Lehrplandebatten, die die Widersprüche zwischen der Fachlichkeit, die eine Etablierung des Berufsfeldes in Abgrenzung zum Laien fordert und dem sozialsittlichen Engagement der sozialen Arbeiterin, dem „Eignungsberuf“, widerspiegeln. Soziale Arbeit ist bis heute ein Frauenberuf geblieben. Fragen danach, wie ein angemessenes Verhältnis zwischen Wissen, Können und den zugrunde liegenden Haltungen in der Sozialen Arbeit aussieht, begleiten theo-
„Prinzip der geistigen Mütterlichkeit“
Grenzen der Mütterlichkeit durch die gesellschaftliche Ausdifferenzierung
91
92
Von angeleiteter Tätigkeit zur Verberuflichung
retische wie praktische Überlegungen vor allem im Hinblick auf die Curricula der Sozialen Arbeit.
7.2 Akademisierung und Verwissenschaftlichung der Sozialen Arbeit Die Geschichte der beruflichen Sozialen Arbeit als Prozess der Professionalisierung
Die Professionalisierungsbestrebungen in der Sozialen Arbeit können rückblickend als ein stetiger Prozess der Verberuflichung gedeutet werden, der sich, je nach erreichtem Stand der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung dieses Teilsegmentes, vor allem auch in den Fragen nach einer adäquaten Ausbildung niedergeschlagen hat. Nur aus dieser Perspektive lässt sich die Entwicklungsgeschichte der beruflichen Sozialen Arbeit als ein kontinuierlicher Prozess der Professionalisierung charakterisieren. Jedoch ist es bisher noch nicht gelungen, allgemein anerkannte und verbindliche Standards für die heterogenen Handlungsbereiche festzuschreiben. Entsprechend gelten die formale Eingliederung in das System sozialer Sicherung und eine damit verbundene institutionelle und organisatorische Verankerung sowie die in
Jahr
Soziale Berufe insgesamt
Sozialpädagogen/ innen
Heilpädagogen/ innen
Erzieher/ innen
Altenpfleger/ innen
Dorfhelfer/ innen, Familienpfleger/ innen
Heilerzieher/ innen
Kinderpfleger/ innen
Sonstige soziale Berufe
BKZ 86
BKZ 861
BKZ 862
BKZ 863
BKZ 864
BKZ 865
BKZ 866
BKZ 867
BKZ 869
1993
866.000
154.000
12.000
408.000
194.000
7.000
14.000
22.000
41.000
1995
950.000
180.000
16.000
410.000
213.000
7.000
17.000
30.000
61.000
1996
1.011.000
194.000
19.000
425.000
241.000
7.000
24.000
36.000
48.000
1997
1.039.000
202.000
19.000
417.000
254.000
8.000
26.000
43.000
53.000
1998
1.069.000
208.000
21.000
403.000
268.000
9.000
33.000
49.000
60.000
1999
1.133.000
223.000
23.000
415.000
294.000
7.000
34.000
56.000
62.000
2000
1.176.000
225.000
23.000
419.000
318.000
7.000
35.000
54.000
73.000
2001
1.215.000
228.000
24.000
435.000
333.000
9.000
42.000
52.000
69.000
2002
1.255.000
234.000
26.000
439.000
356.000
7.000
39.000
53.000
75.000
2003
1.295.000
235.000
26.000
452.000
373.000
9.000
42.000
60.000
72.000
2004
1.303.000
236.000
27.000
447.000
385.000
8.000
46.000
57.000
74.000
2005
1.394.000
255.000
34.000
465.000
397.000
7.000
56.000
57.000
92.000
Zuwachs ’93–’05 n
528.000
101.000
22.000
57.000
203.000
–
42.000
35.000
51.000
in %
61,0
65,6
183,3
14,0
104,6
–
300,0
159,1
124,4
BKZ= Berufskennziffern nach der Klassifizierung des Statistischen Bundesamtes Quelle: Rauschenbach, Th. (2008): S. 814.
Abb. 8: Erwerbstätige in sozialen Berufen nach Berufordnungen in Deutschland (1993–2005)
Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste
weiten Bereichen geglückte, beschäftigungspolitisch relevante Ausstattung der Handlungsbereiche mit qualifiziertem Fachpersonal als geeignete Indikatoren, um diesen Prozess nachzeichnen zu können. Trotz dieser positiven Bilanz befriedigt der erreichte Stand der beruflichen Entwicklung nicht. Soziale Arbeit bleibt vielmehr auf der Suche nach ihrer eigenen Identität, nach ihrem exklusiven Kompetenz- und Qualifikationsprofil, das die Anforderungen der unterschiedlichen Tätigkeitsfelder zu bewältigen hilft und ihren politisch sozialen Standort im Geflecht der sozialen Dienstleistungen markiert. Der Eindruck eines kontinuierlichen Anstiegs wissenschaftlich ausgebildeten Personals kann zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Programm der Professionalisierung selbst immer wieder in Frage gestellt wird. Dies ist eng gekoppelt an Verheißungen des wissenschaftlichen Wissens selbst, die insgesamt auf einen Zugewinn an Rationalität zielen. Fordern etwa Otto/Utermann 1971 noch euphorisch die Ablösung des tradierten Berufsverständnisses von ,Berufung‘ hin zu einer rationaleren Interpretation (vgl. OTTO/UTERMANN 1971, S. 10), entpuppt sich die fehlende Reflexion des Rationalitätsbegriffs als Falle. Nicht der Erwerb von Erkenntnis, sondern der Erwerb von Wissen und seine Anwendung (i.S. der richtigen Wahl zwischen Strategien und der angemessenen Verwendung von Technologien) sind Implikationen des Rationalitätsbegriffs, der zwar durchaus zur bürokratischen und administrativen Verfasstheit der sozialpädagogischen Dienste passt, aber keine kritisch emanzipatorische Praxis erlaubt. Stattdessen wird die Reflexion über Erfahrungsdimensionen der Betroffenen, die dabei ihre spezifischen kulturellen Darstellungs- und Verarbeitungsformen einbringen, als Chance für die Erweiterung der Wahrnehmungs- und Reaktionsweisen der beruflich Tätigen gesehen. Flankiert wurden diese Forderungen nach Ablösung des traditionellen, arbeits-organisatorischen Verständnisses von Sozialer Arbeit durch das Wiedererstarken sozialpolitischer Sichtweisen, die eine zunehmende Übernahme allgemeiner Sozialisationsfunktionen mit der Tendenz der Vergesellschaftung von Sozialisationsprozessen (vgl. BARABAS u.a. 1977) als neuen gesellschaftlichen Bezugspunkt der Sozialen Arbeit prophezeiten: „Sozialarbeit resozialisiert nicht mehr nur die in irgendeiner Form ,Devianten‘, sie wird zunehmend zum Bestandteil der ,Durchschnittssozialisation‘ der Menschen in unserer Gesellschaft“ (SACHßE 1984, S. 284). Entsprechend dieser historisch gewandelten – von der Resozialisations- zur Sozialisationsagentur entwickelten – Inklusionsprogrammatik sozialer Arbeit lautete das neue Selbstverständnis „Sozialintegration“ (vgl. BÖHNISCH 1982, S. 24) und erforderte bei dieser drastischen Ausweitung des Gegenstandsbereiches die erneute Konsolidierung des Berufs. Die zu diesem Zweck theoretisch zu fundierende und zu systematisierende Kategorie hieß „Wissen“ und zielte auf die Gratwanderung zwischen einer Handlungsorientierung auf der Basis von Formalisierungen durch sozialpolitische Konditionsprogramme im Rahmen bürokratischer Trägerorganisationen der Sozialarbeit einerseits und sozialen und politischen Aktivitäten einer emanzipatorischen Sozialarbeit andererseits: „Es lässt sich folgern, dass mit zunehmender Professionalisierung für die Sozialarbeiter/innen die Chance steigt, Grundfragen, die mit dem Verhältnis zur Klientel, zu den Trägern der Sozialarbeit und zu den problemverbundenen und zum Teil konkurrierenden Professionen verknüpft
Verheißungen wissenschaftlichen Wissens für die Professionalisierung
Neuorientierung der Sozialen Arbeit im Zuge der Betonung ihrer Sozialisationsfunktion
Wissen als zentrale Kategorie der Professionalität
93
94
Akademisierung der Sozialen Arbeit
Expertokratie als Professionsmodell
Handlungskompetenz als reformuliertes Professionsmodell
sind, funktionaler, d.h. in einer neuen Sachlichkeit zu formulieren und zu beantworten.“ (OTTO/UTERMANN 1971, S. 10) Vor diesem Hintergrund sind die erhobenen Forderungen nach der systematischen Sammlung von Fachwissen und professionellen Interventionen, die ausschließlich auf funktionale Erfordernisse hin ausgerichtet sind, kontraindiziert: Die „Laiisierung“, d.h. die aufgrund von monopolisierten Wissensbeständen zunehmende Zurückdrängung von Selbsthilfepotenzialen und -kompetenzen, wird als zentrale Gefahr erkannt und als „Entmündigung durch Experten“ gebrandmarkt (ILLICH u.a 1979). Sie steht zudem im Widerspruch zu den reformerischen Ideen, die mit dem Konzept der Professionalisierung verbunden waren: „Ein spezifisch für die Sozialarbeit erreichbares Professionsideal ist zu keinem Zeitpunkt formuliert worden. Aufgrund der Diffusität der Handlungsprobleme konnte der Sozialarbeiter einer Delegation seiner Problemfälle systematisch nicht vorbeugen. Indem er aber in der derart ausgelösten Substitutionskonkurrenz zu bestehen suchte, etwa durch weitere Spezialisierung oder Fortbildung, trug er indirekt zur Entstehung einer expertendominierten Lebenswelt sowie zur Enteignung sozialer Problemlösungsmuster bei.“ (NIEMEYER 1984, S. 156) Drei Mechanismen werden im Wesentlichen für die negativen Auswirkungen professionellen Handelns verantwortlich gemacht: – die Transformation eines Bedürfnisses in einen Mangel – die Individualisierung des Bedürfnisses bzw. Mangels – die Spezialisierung, die selektive Wahrnehmung und Behandlung von Problemen. Kritiken dieser Art betonen die Besonderheit des Umgangs mit menschlichen Beziehungen und deren „naturwüchsige“ Problemlösungskompetenzen, die gegenüber expertokratischer Dominanz besonderer Aufmerksamkeit und Stärkung bedürfen. Die Entdeckung, dass ein in diesem Sinne scientifisches Wissenschaftsverständnis dysfunktional ist, veranlasste die Soziale Arbeit, sich entschlossen dem Alltag und den Selbsthilferessourcen der Klientel zuzuwenden. Entsprechend fand Anfang der 1980er Jahre eine (Rück-)Besinnung auf fachinterne Qualifikationserfordernisse und Standards statt, die unter dem Label der „Handlungskompetenz“ das Theorie-Praxis-Verhältnis der Erziehungswissenschaften und der unter ihrem Dach angesiedelten Sozialen Arbeit thematisierten. Diese Professionalisierungsdebatte hat grundsätzliche Fragestellungen pädagogischen respektive sozialpädagogischen Handelns aufgeworfen; ihre Reformulierung orientierte sich hauptsächlich an dem Begriff der „Handlungskompetenz“ (MÜLLER u.a. 1982/1984). Professionalisierung in diesem Sinne lässt sich als prozessuale Aufgabe verstehen, die sowohl die Reflexion system-funktionaler Anteile als auch die Analyse der professionellen Handlungsmuster beinhaltet (vgl. DEWE/OTTO 1984, S. 789). Danach gilt es zum einen, die Spezifika institutionalisierter Hilfeformen herauszuarbeiten und theoretisch zu fundieren. Situationsnähe, Klientenorientierung, Bedürfnis- und Feldbezug, die sozioökonomische und sozialräumliche Gestaltung von Lebenslagen etc. sind in diesem Kontext Stichworte, die nicht nur eine Veränderung der Interventionsformen zum Ziel haben, sondern zusätzlich interaktive und kommunikative Aspekte der „Professionellen-Klient-Beziehung“ systematisch als konstitutive Bestandteile des pro-
Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste
fessionellen Handelns rekonstruieren. Ebenso zentral ist es andererseits, die Imperative des professionell Handelnden nachzuzeichnen, die seinen Status begründen und seine Rolle in der Sicherung und Regulierung der herrschenden Interessen normieren. Hierbei steht weniger der Konflikt zwischen Profession und Administration im Vordergrund als vielmehr ihre Verzahnung und institutionalisierten Arrangements (z.B. Organisationsformen und Legitimationsmuster). Den theoretischen Wegweiser hierfür hat insbesondere Ulrich Oevermann geliefert, indem er eine „alternative Professionalisierung“ vorschlug, die die Strukturlogik professionellen Handelns ins Zentrum stellt. Eine zentrale These der alternativen Professionalisierung lautet: Professionelles Handeln ist gekennzeichnet durch die widerspruchsvolle Einheit von formalisiertem und systematisiertem Wissen und intuitivem Fallverstehen. Danach können Professionelle lediglich eine „stellvertretende Deutung“ eines artikulierten Problems vornehmen, über deren Relevanz und Akzeptanz entscheidet jedoch der Betroffene selbst. Dies setzt voraus, dass nicht Wissensbestände, sondern die subjektive Betroffenheit den Status des Klienten begründen; es ist ihm also per se gar nicht möglich, objektive Entscheidungen zu fällen. Insofern entlastet die These der alternativen Professionalisierung die Profession unerhört, denn sie folgt einer anderen Logik: Die Professionellen zeichnet eine strukturelle Entlastung vom Entscheidungszwang aus, sie sind durch die Distanz zur Lebenswelt des Adressaten bzw. der Adressatin gar nicht in der Lage, direkt in deren Lebensverhältnisse zu intervenieren. Diese Unmöglichkeit der direkten, den Betroffenen nicht berücksichtigenden, Intervention teilt die Profession mit der Wissenschaft, die ebenfalls von Entscheidungszwängen suspendiert ist, allerdings Begründungszusammenhänge liefern soll (vgl. OEVERMANN 1996). Ferchhoff hat resümierend die in der professionstheoretischen Auseinandersetzung hervortretenden Typen der Professionalisierung charakterisiert. Danach orientieren sich die in den sozialpädagogischen Diensten Tätigen an unterschiedlichen Leitbildern, die folgendermaßen zu bezeichnen sind: Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen als (1) „professionelle Altruisten“, (2) „Sozialingenieure“ und (3) als „stellvertretende Deuter“ (vgl. z.B. FERCHHOFF 1993). Die Frage, ob die Soziale Arbeit nun eine Profession ist oder nicht, ist eigentlich längst obsolet. Allerdings kratzt sie immer noch nachhaltig an der beruflichen Identität der in der Sozialen Arbeit Tätigen. Zumindest kann festgehalten werden, dass weder das ambitionierte berufspolitische Programm noch die Akademisierungsprozesse zu einem tragfähigen professionellen Selbstverständnis geführt haben. Und auch die Öffentlichkeit ist nicht wirklich von der entwickelten Professionalität überzeugt. Dies wird durch die Fülle von Karikaturen über die Berufsrolle deutlich:
Alternative Professionalisierung
„Zwei Sozialarbeiter gehen im Park an einem See spazieren. Ein Mann im Wasser schreit verzweifelt um Hilfe. Die Sozialarbeiter gehen unbeeindruckt weiter. Der Mann schreit weiter um Hilfe. Keine Reaktion. Da ruft der Mann: „Hilfe! Ich ertrinke!“ Meint der eine Sozialarbeiter zum anderen: „Das wurde aber auch Zeit. Endlich hat er sein Problem erkannt.“ (http://www.mziltz.de/witze/sozialarbeiter.html)
Aus dem berufspolitischen Programm der Professionalisierung ist damit letztlich ein Forschungsprogramm geworden:
Professionalisierung als Forschungsprogramm
95
96
Akademisierung der Sozialen Arbeit „In conclusion, profession should be seen as a complex programme of research rather than a readily usable and unproblematic concept. Structurally, profession is a link between codified knowledge and practice, in a world of not-knowers or of less knowing laity. As a structural link between the hierarchic educational system and the hierarchic occupational order, profession seeks in both orders institutional guarantees which only the state can offer. Profession can thus become, structurally a material link between the state and the deployment of specialized knowlegde in the civil society. By their structural characteristics, professions are a necessary part in any theory of the modern state“ (SARFATTI LARSON 1990, S. 44). Der neue Blick auf die Professionalisierung
Nicht länger stehen damit Statuszuweisungen, wie die einer „unvollständigen“, „Quasi“- oder „Semi“-Profession, im Vordergrund. Ganz im Sinne des logischen Schlusspunktes des o.a. verallgemeinerten Konsolidierungsprozesses von Professionen wendet sich die Aufmerksamkeit den internen, willentlich erzeugten oder auch unbeabsichtigt etablierten Strukturprinzipien zu und nimmt die Antwort auf die Frage nach dem Proprium der Sozialen Arbeit, zwar nicht als gelöst, jedoch als handhabbar vorweg. Dabei ist es kein Zufall, dass die Ausbildung und der Arbeitsmarkt als zentrale Themen Konjunktur haben, sind sie doch die gesichertsten Indikatoren für eine geglückte Professionalisierung. Nur vor dem Hintergrund einer Reformulierung des Professionalisierungsprogramms der Sozialen Arbeit als Akademisierungsprozess im Kontext von Verwissenschaftlichung, der in einer universitären Ausbildung verankert ist und auch ohne spezifisches Berufsprofil eine Resonanz bei den Anstellungsträgern findet, lassen sich die optimistischen Bilanzen lesen: „Sozialpädagogik als Wissenschaft konstituiert sich – so könnte pointiert formuliert werden – in diesem Sinne über ihre theoretische Fragestellung und nicht (mehr) über die Existenz einer entsprechenden Praxis bzw. über einen ,ihr zugefallenen Gegenstandsbereich‘ (THIERSCH 1985, S. 483)“ (LÜDERS 1989, S. 228).
7.3 Professionelle in sozialpädagogischen Diensten oder professionelle sozialpädagogische Dienste? Neubestimmung des Theorie-PraxisVerhältnisses im Kontext der Professionalisierung
Die hiermit geforderte und partiell auch vollzogene Distanzierung der Professionalisierungsbestrebungen von den Handlungsvollzügen der in den sozialpädagogischen Diensten Beschäftigten und der damit verbundene Zugewinn an wissenschaftlichem Reflektions- und Selbstreflektionspotenzial birgt jedoch die Gefahr einer Abkoppelung der Wissenschaft von der Praxis Sozialer Arbeit in sich, mit der Folge, dass wissenschaftlich generiertes Wissen zum Selbstzweck verkümmern würde. „Ein notwendiger (erster) Schritt aus dem damit verbundenen Zirkel der Irrelevanz und Ineffektivität sozialwissenschaftlicher Problemdeutungen für die sozialarbeiterische Praxis bestünde auf Seiten der „wissenschaftlichen Abteilung“ der Sozialpädagogik/Sozialarbeit darin, die Eigenrationalität des jeweiligen Praxisfeldes Sozialer Arbeit und der dort vorfindbaren beruflichen Handlungsmuster zu erkennen sowie zu analysieren und die wissenschaftliche Perspektive nicht als exklusiv dimensionierende zu betrachten“ (DEWE/OTTO 1992, S. 89).
Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste
Der Geltungsbereich der Professionalisierungsprogrammatik und damit verbunden das Großprojekt „Professionalisierung“ wurde dementsprechend auf ausgesuchte Arbeitsfelder und Dienste der Sozialen Arbeit – und somit auf spezielle sozialpädagogische Arrangements – fokussiert. Dieser Tendenz entsprechend kristallisierten sich sowohl Professionsstudien heraus, die den beruflichen Habitus der Fachkräfte der Sozialen Arbeit in verschiedenen Handlungsfeldern (z.B. THOLE/KÜSTER-SCHAPFL 1997 [Kinder- und Jugendarbeit], LUDWIG/OTTO-SCHINDLER 1992 und KLATETZKI 1993 [Hilfen zur Erziehung]) und/oder die Relevanz und Bedeutung der Ausbildung bzw. des Studiums der Sozialen Arbeit in Bezug auf die Handlungskompetenz von Fachkräften der Sozialen Arbeit in differenten Tätigkeitsfeldern erforscht haben (z.B. SALUSTOWICZ/NEUSER/KLINKMANN 1985; ACKERMANN/SEECK 1999). Gerade das prekäre Verhältnis von Profession und Organisation in den sozialen Diensten wurde dabei überwiegend unter organisationssoziologischen Gesichtspunkten neu thematisiert. Heute dominieren Strategien des „Machbaren“, die das Selbstverständnis Sozialer Arbeit von normativen, ideologieträchtigen Überschüssen entlasten. Stattdessen werden berufsqualifizierende Inhalte, die Erfolg und Misserfolg, Effizienz und Effektivität des Handelns quantifizieren lassen, stärker diskutiert (vgl. MERCHEL 2006b). Dies führt zu Aufmerksamkeitsverschiebungen in der Professionsdebatte und prägt die Professionalisierungsbestrebungen auf zweierlei Weise: 1. durch die Entwicklung eines beruflichen Anforderungsprofils für Leitungsund Führungskräfte in den sozialpädagogischen Diensten und 2. durch personelle Überlegungen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen, thematisiert als Personalentwicklung. Zu 1.: Explizite Konzepte zur Führung und Leitung sozialer Dienstleistungsorganisationen sind in der wissenschaftlichen Theoriebildung und Forschung bislang vernachlässigt worden. Dies gilt ebenso für die öffentliche Verwaltung, da deren Referenzwissenschaften – die Staats- und Politikwissenschaften – ein vergleichsweise geringes Erkenntnisinteresse an den Organisationsabläufen in den Verwaltungen artikulierten (vgl. JANN 2001). Diese Lücken werden unter den neuen gesellschaftlichen Vorzeichen mit betriebswirtschaftlichen Ansätzen geschlossen, wobei auch hier unverkennbar Anleihen in den Schulen der Organisationspsychologie gemacht werden. Klassisch wird dabei unter „Führen“ von Organisationen „ganz allgemein die Möglichkeit (verstanden, d.V.), dass eine Person (als ,Führer‘) auf eine oder mehrere andere Personen im Hinblick auf bestimmte Ziele und Absichten Einfluss nimmt“ (NEUBAUER 1996, S. 76). „Leitung“ bildet hiervon insofern einen Unterfall, als Leitung auf bestimmte formale und organisatorische Rahmenbedingungen basiert, die für die öffentliche Verwaltung jedoch prinzipiell als gegeben angesehen werden können (z.B. hierarchische Arbeitsteilung, Arbeitsverträge). Die bloße Existenz dieser formalen Kriterien der Arbeitsgestaltung, die „Führen und Leiten“ an eindeutig fixierte Positionen in der Organisation band, hatte zur Folge, dass die Managementkompetenzen der Führungs- und Leitungskräfte kaum hinterfragt wurden. Allenfalls unter dem Gesichtspunkt persönlicher Haltungen und Tugenden der Leitungskräfte wurde über die Effekte von Führungsstilen debattiert, wobei große Ähnlichkeiten mit der Diskussion über die Wirkungen von Erziehungsstilen ins Auge fallen: Unterstellt wurde in diesem Zusammenhang
Professionalisierung der sozialpädagogischen Dienste
Professionalisierung durch Sozialmanagement und Personalentwicklung
Führen und Leiten
Führungsstile
97
98
Professionelle in sozialpädagogischen Diensten
Grenzen des Managements
Zielvereinbarung als Managementmodell
Management sozialpädagogischer Dienste
eine mehr oder minder kausale Beziehung zwischen dem Führungsstil eines/einer Vorgesetzten und dem Führungserfolg, der seinerseits in den Größen der Produktivität und Effizienz des organisatorischen Handelns, erweitert – je nach Konzept – um den Aspekt der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gemessen wurde. Obwohl diese Modelle keinerlei empirische Evidenz zeitigten, unterscheiden auch moderne Führungskonzepte noch nach partizipativen, delegierenden, unterstützenden, strukturierenden, direktiven oder autoritären Führungsstilen, die auf dem Spannungsfeld zwischen Mitarbeitenden- und Aufgabenorientierung angesiedelt werden (vgl. KIESER/REBER/WUNDERER 1995). Die kausale Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Führungsstilen und erzeugten Wirkungen wurde jedoch durch den Einfluss system- und kontingenztheoretischer Erkenntnisse verdrängt: Danach wird heute unterstellt, dass insbesondere die Umwelten von Organisationen das Verhalten innerhalb der Organisationen beeinflussen. Diese prinzipiell kontingenten Situationen können von den Organisationen selbst nicht beeinflusst werden, wohl aber die Konstellationen, die dadurch bedingt in den Organisationen entstehen (vgl. WILLKE 1996), was zwar die Relevanz von Führungskonzepten eingegrenzt, aber auch handhabbarer macht. Auf der Basis dieser theoretischen Rahmung von Führungs- und Leitungskonzepten wird auch in der öffentlichen Verwaltung gegenwärtig ein Ansatz erprobt, der sich in der klassischen Managementlehre durchgesetzt hat: Das Führen durch Zielvereinbarungen (management by objectives). Dieser Ansatz prägte entsprechend auch schon die frühen Diskussionen um das Sozialmanagement als eine auf die Besonderheiten der sozialen Dienste abgestimmte Form des Managements (vgl. MÜLLERSCHÖLL/PRIEPKE 1989). Während jedoch Müller-Schöll & Priepke (1989) in ihrem Buch der problembezogenen Frage nachgingen, wie Konflikte innerhalb sozialer Organisationen dauerhaft in produktive, innovative Kräfte umgeformt werden können und welche praktischen Anforderungen für eine Organisationsberatung hieraus abzuleiten sind, verschoben sich die Akzentuierungen in der Diskussion der Sozialen Arbeit in Richtung auf ein zukunftsorientiertes Kompetenzprofil für Leitungs- und Führungskräfte in den sozialen Diensten. Danach bezeichnet Management heute erstens Qualifikationsanforderungen für diejenigen Personen, die mit der Leitung und Führung sozialer Dienste beauftragt sind und die dazu geeignet sind, zweitens durch geplanten sozialen Wandel, also Organisationsentwicklung, die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Organisationen zu vertreten und drittens durch angepasste Konzepte der Personalentwicklung die Motivations- und Leistungsressourcen der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu optimieren. Schon an dieser Richtungskorrektur gegenüber den Ursprüngen wurde deutlich, dass die Ära der Sozialen Arbeit, die es erlaubte, sich selbstreferentiell und einem systemischen Verständnis folgend mit den eigenen Produktionsbedingungen auseinanderzusetzen, ihr vorzeitiges Ende gefunden hatte und sie sich nunmehr auch fremddefinierten, außengesteuerten Anforderungen stellen musste. In ungewohnter Radikalität nämlich wurden explizit Missmanagement und Inkompetenz in den Führungsetagen der sozialen Dienste für den herrschenden Bürokratismus sowie die mangelnde Effektivität und Effizienz verantwortlich gemacht.
Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste
Zu 2.: Die geforderten Innovationen in der Sozialen Arbeit lassen sich allerdings nur dann verwirklichen, wenn komplementär zu den eingeleiteten Organisationsentwicklungsprozessen auch Personalentwicklungsmaßnahmen initiiert werden, deren zentrale Aufgabe es ist, hilfreich auf die Implementierung und Entwicklung von Strategien der Dienstleistungsproduktion einzuwirken und dabei die Elemente von Struktur und Kultur der Organisationen zusammenzuführen. In diesem Zusammenhang ist es Aufgabe des Managements nach geeigneten Konzepten zu suchen, die die Aspekte moderner Personalentwicklung integrativ behandeln: – Personalmarketing – Personalsuche – Personalauswahl – Ausbildung/Einarbeitung – Qualifizierung – Potenzialentwicklung – Ausscheiden/Entlassen Eine der Schlüsselfragen für eine Modernisierung der sozialpädagogischen Dienste lenkt den Blick auf ihren zentralen Produktionsfaktor und lautet: „Mit welchem Personal sollen die veränderten Arbeitsanforderungen und Handlungsprinzipien eigentlich umgesetzt werden?“ – oder, vorsichtiger formuliert: „Welches berufliche Profil benötigt die oder der idealtypische Mitarbeiter in einer sich modernisierenden Sozialen Arbeit? Vor allem die neuen Organisationsmodelle, die sich eher an betriebswirtschaftlichen Entwürfen und Konzepten orientieren, zielen dabei – unabhängig davon, ob es sich um öffentliche, freie oder private Träger handelt – auf einen veränderten Mitarbeitertypus, der mit dem Bild eines „guten Bürokraten“ bzw. eines „guten Mitarbeiters im öffentlichen Dienst“ kaum noch etwas gemein hat. Dem jahrzehntelang idealisierten Bild des sachlich neutralen, qualifizierten, mit klarem Kompetenz- und Zuständigkeitsbereich ausgestatteten, und im Hinblick auf seine berufliche und materielle Sicherheit durchaus privilegierten Mitarbeiters wird im Kontext dieser Überlegungen eine deutliche Absage erteilt. Eine in diesem Zusammenhang zentrale Unterstellung lautet, dass der Typus des Einzelbeamten Verkrustungen der Organisationsstrukturen fördert, da Kreativität und Flexibilität des Einzelnen letztendlich negativ sanktioniert werden, nur geringe Anreize zur Arbeitsmotivation bestehen, keine Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme gefördert wird und einiges mehr, wodurch insgesamt das Bild eines desengagierten, auf Routine bedachten, eher Arbeitsvermeidungsstrategien erfindenden, denn Leistungsbereitschaft signalisierenden, Mitarbeiters entsteht. Dieses Bild wird zudem von einer Reihe empirischer Untersuchungen, die das öffentliche Erscheinungsbild, das Image der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes dokumentierten, bekräftigt (vgl. GRUNOW/STRÜNGMANN 2008). Im Kontext organisationstheoretischer Überlegungen werden diese klassischen Anforderungen an das Personal deshalb revidiert. Insbesondere aus Legitimations- und Akzeptanzproblemen des öffentlichen Dienstes selbst wird in diesem Kontext ein anderes Profil für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefordert: Der hier entstehende Eindruck eines Mitarbeiters von morgen, der jung, dynamisch, immer auf der Suche nach neuen zu lösenden Problemen und –
Personalentwicklung
Welches berufliche Profil benötigt die Soziale Arbeit?
Modernisierung des Berufsprofils
Neuer Professionstypus
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Professionelle in sozialpädagogischen Diensten
Typus des Einzelbeamten
Neuer Mitarbeitertypus
Sachqualifikation
Fachliche Qualifikation und personale Kompetenz
persönlich frei nur sachlichen Amtspflichten gehorchen mit festen Amtskompetenzen
mit problem- und situationsbezogenen Kompetenzen
in fester Amtshierarchie
Zuordnung ergibt sich aus Problemlösungskompetenz
entgolten mit festen Gehältern in Geld
entgolten in Geld und Leistungsanreizen
Amt als Beruf
Beruf als Profession
„Aufrücken“ je nach Amtsalter oder Leistungen oder beiden, abhängig vom Urteil der Vorgesetzten
Leistungsgerechte Beförderung, Leitungsaufgaben entsprechend dem Kompetenzprofil
strenge, einheitliche Amtsdisziplin und Kontrolle
Eigenverantwortlichkeit, geringe Kontrolle
Abb. 9: Alter und neuer Professionstypus
Neuer Mitarbeitertypus in den sozialpädagogischen Diensten
relativ frei von Zugehörigkeiten – einzig an der Aufgabenstellung interessiert ist, kann nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Entsprechend orientieren sich Überlegungen zur zukünftigen Personalstruktur in den Kommunalverwaltungen vor allem an Modellen des Projektmanagements und verabschieden sich von einzelorganisatorischen Konzepten. Reformen des Dienstrechtes, des Berufsbeamtentums und des TVöD stehen folgerichtig auf der Tagesordnung. Zusammenfassend lässt sich für die Professionsdebatte in der Sozialen Arbeit bis hier bilanzieren, dass ein neuer Mitarbeitertypus für die sozialen Dienste gefordert wird, der sich von dem bisherigen Leitbild des Einzelbeamten abwendet und stärker auf professionsorientierte Merkmale setzt (vgl. hierzu auch STICHWEH 1994). Der frei(beruflich) agierende, in erster Linie an fachlichen Standards orientierte Mitarbeiter, der weniger schematisch und routiniert den Aufgabenanfall abarbeitet als vielmehr flexibel und kreativ immer neue Probleme löst, entspricht der Leitidee des Sozialmanagements, das damit Anforderungen an die Profession formuliert, die insgesamt stärker auf Einstellungen, Haltungen und Motivationen des Personals zielen und somit Arbeitstugenden betonen, die den pädagogisch-emanzipatorischen Ideen sozialer Reformen entsprechen und deren Verinnerlichung bislang vor allem den Ausbildungseinrichtungen, den Wohlfahrtsschulen, oblag. Vernachlässigt wird in den bestehenden Konzepten der Personalentwicklung und des Personalmanagements allerdings häufig die spezifische Personalstruktur, mit der die sozialen Dienste operieren: Neben bezahlten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird ein großer Teil Sozialer Arbeit von nebenberuflichen oder ehrenamtlichen Kräften geleistet. Modelle zu entwickeln, die auch dieses Engagement in ihren umfassenden organisatorischen Erneuerungsprozessen berücksichtigen, wird eine der zukünftigen Anforderungen an die sozialpädagogischen Dienste bilden.
Professionalisierung sozialpädagogischer Dienste
Folgende Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie Kapitel 7 gelesen haben: – Welche Merkmale werden den klassischen Professionen zugeschrieben? – Welche Relevanz hat das Konzept der „geistigen Mütterlichkeit“ für die Professionsbestrebungen der Sozialen Arbeit? – Worin besteht das Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis in den sozialpädagogischen Professionsbestrebungen? – Welche Herausforderungen ergeben sich aus der Professionsdebatte für die sozialpädagogischen Dienste? – In welche Richtung verändert sich der Idealtypus des Mitarbeitenden in den sozialpädagogischen Diensten?
Weiterführende Literatur: Zur Geschichte der Ausbildungen: AMTHOR, RALPH-CHRISTIAN (2003): Die Geschichte der Berufsausbildung in der Sozialen Arbeit. Auf der Suche nach Professionalisierung und Identität. Weinheim/München. KRUSE, ELKE (2004): Stufen zur Akademisierung. Wege der Ausbildung für soziale Arbeit von der Wohlfahrtsschule zum Bachelor-Mastermodell. Wiesbaden. Allgemein zu Entwicklungen sozialer Berufe: AMTHOR, RALPH-CHRISTIAN (Hrsg.) (2008): Soziale Berufe im Wandel. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Sozialer Arbeit. Baltmannsweiler. SACHßE, CHRISTOPH (1994b2): Mütterlichkeit als Beruf. Sozialarbeit, Sozialreform und Frauenbewegung 1871–1929. Opladen. MÜLLER, WOLFGANG C. (20064): Wie Helfen zum Beruf wurde. Eine Methodengeschichte der Sozialen Arbeit. Weinheim/München. Zur Professionsforschung: ACKERMANN, FRIEDHELM/SEECK, DIETMAR (1999): Der steinige Weg zur Fachlichkeit. Hildesheim. COMBE, ARNO/HELSPER, WERNER (Hrsg.) (1996): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus pädagogischen Handelns. Frankfurt a.M. CLOOS, PETER (2008): Die Inszenierung von Gemeinsamkeit. Eine vergleichende Studie zu Biografie, Organisationskultur und beruflichem Habitus von Teams in der Kinder- und Jugendhilfe. Weinheim/München. THOLE, WERNER/KÜSTER-SCHAPFL, ERNST-UWE (1997): Sozialpädagogische Profis. Opladen.
8 Professionelles Handeln in den sozialpädagogischen Diensten Solange das Helfen als spontaner, dennoch erwartbarer Akt solidarischen Handelns gekennzeichnet werden konnte, waren Art und Umfang der Hilfeleistung an die individuellen Ressourcen des Helfenden und nicht an Gütekriterien wie die Fachlichkeit und Qualität der Handlung gebunden. Erst mit der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung helfender Berufe tauchten Fragen
Pädagogisches Handeln als Beobachtungsgegenstand
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Professionelles Handeln
Handlungsebenen
Markoebene
Mesoebene
Mikroebene
Bedingungen professionellen Handelns
nach den Kontexten, Formen, Zielen und Mitteln auch des sozialpädagogischen Handelns auf (vgl. LUHMANN 1973). Heute werden diese nicht mehr länger nur professionsintern, sondern vermehrt auch öffentlich thematisiert. Diese Entwicklung lässt sich generell für pädagogisches Handeln beschreiben (vgl. HELSPER 2000; COMBE/HELSPER 1996), betrifft jedoch das Handeln in sozialpädagogischen Diensten in vermehrtem Ausmaß, denn sozialpädagogische Dienste sind nicht nur der Unvorhersagbarkeit des quantitativen und qualitativen Aufgabenanfalls ausgesetzt (vgl. OLK 1994), sondern sie sehen sich mit unterschiedlichen Handlungsanforderungen konfrontiert. Das berufliche Handeln in den sozialpädagogischen Diensten erfüllt verschiedene Aufgaben auf unterschiedlichen Ebenen. Unterschieden werden die kommunale Planungsebene, die Managementebene und die konkrete Fallarbeit mit den Adressatinnen und Adressaten (vgl. VON SPIEGEL 2008, S. 94ff.). Alle drei Ebenen bilden die Grundlage für die Aktivitäten sozialer Organisationen und Institutionen. Auf kommunaler Ebene soll eine angemessene soziale Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und ihre Familien unter Berücksichtigung von politischen und fiskalischen Möglichkeiten geplant und gewährleistet werden. Diese Planungsarbeit findet nicht direkt in den sozialpädagogischen Diensten statt, sondern erfolgt innerhalb der Ressorts der Sozialplanung einer Kommune (Jugendhilfeplanung, Behindertenplanung oder Altenhilfeplanung) in enger Kooperation mit sozialpolitischen Vertreterinnen und Vertretern. Für die sozialpädagogischen Dienste ist sie aber insofern von Belang, als (kommunal-)politische Vorgaben nicht ohne Einfluss auf das sozialpädagogische Handeln in den Einrichtungen und Diensten bleibt. Im Hinblick auf die zweite Ebene (Managementebene) sind es vorrangig die organisationsbezogenen Aufgaben, die von den Leitungskräften der sozialpädagogischen Dienste erfüllt werden müssen. Neben der Erarbeitung konzeptioneller Schwerpunkte in den Angeboten und Leistungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien sind es vor allem Koordinations- und Managementaufgaben (z.B. Finanzierung, Personal, Qualitätsmanagement, Kooperationen mit anderen Institutionen und Organisationen). Während struktur- (Markoebene) und organisationsbezogenes (Mesoebene) Handeln in sozialpädagogischen Diensten darauf gerichtet sind, Hilfearrangements zu planen und zur Verfügung zu stellen, zielen die Aktivitäten der dritten Ebene (Mikroebene) auf Einstellungs- und Verhaltensänderungen von Einzelpersonen oder Gruppen ab (z.B. durch sozialpädagogische Beratung). Diese konkrete Fallarbeit orientiert sich an den individuellen Problemlagen der Adressatinnen und Adressaten vor dem Hintergrund der konzeptionellen Orientierungen, Aufgabenbereiche und gesellschaftliche Vorgaben für die sozialpädagogischen Dienste. Auf dieser Ebene muss neben den strukturellen und organisatorischen Bedingungen immer auch die Frage der Ziele sozialpädagogischer Interventionen mitgedacht werden. Die sozialpädagogische Forschung nimmt die Bedingungen, die das professionelle Handeln prägen, indem sie die Handlungsspielräume begrenzen, in den Blick und macht darauf aufmerksam, dass individuelle aber auch strukturell gewünschte Zielerreichungen von sozialpädagogischen Diensten unter diesen Einflussfaktoren schwierig sind (vgl. SCHÜTZE 1996.). Eine eindeutige Charakterisierung des beruflichen Handelns in der Sozialen Arbeit gestaltet sich kompliziert. Die Frage, was das Besondere des so-
Professionelles Handeln
zialpädagogischen Handelns ausmacht und wodurch sich die sozialpädagogische Praxis von anderen professionellen Hilfeleistungen, z.B. die des Arztes oder des Juristen, unterscheidet, prägte das Nachdenken über (sozial)pädagogisches Handeln über lange Zeit (vgl. HELSPER 2000). Dass das sozialpädagogische Handeln immer wieder hinterfragt wird, lässt sich auf die Charakteristika Sozialer Arbeit zurückführen, die das Handeln in sozialpädagogischen Diensten vor bestimmte Herausforderungen stellt (vgl. GALUSKE 2002). Im Gegensatz zu anderen Professionen, die auf eine bestimmte Zielgruppe (z.B. Kranke oder Straffällige) spezialisiert sind, ist es Aufgabe der Sozialen Arbeit, Hilfen für alle Menschen zu leisten, die Unterstützung, Begleitung, Bildung, Pflege, Förderung oder Erziehung zur Bewältigung ihres Alltags benötigen. Die auftretenden Problemlagen bzw. -situationen sind entsprechend vielschichtig und umfassen ganz unterschiedliche Zielgruppen. Die Folge ist eine fehlende Spezialisierung auf bestimmte soziale Probleme oder Lebenslagen. Daraus folgt, dass mehr oder minder alles zum Problem der sozialpädagogischen Dienste werden kann. Was letztendlich in den sozialpädagogischen Dienste bearbeitet wird, ergibt sich nicht zuletzt im situativen und institutionellen Kontext der Fallbearbeitung und – konkreter – in den Aushandlungsprozessen zwischen den Fachkräften und den Adressatinnen bzw. Adressaten der sozialpädagogischen Dienste. Die fehlende Spezialisierung und Monopolisierung ihrer Tätigkeitsfelder stellen die beruflich Handelnden immer wieder vor die Herausforderung, problemund situationsangemessen, flexibel und einzelfallorientiert zu agieren. Verstärkt werden diese Anforderungen durch den jeweiligen Problemdruck, das subjektive Problembewusstsein und die individuellen Bearbeitungsressourcen sowie die Erwartungen der Adressatinnen und Adressaten, denn oftmals wird erst in der konkreten Interaktion ersichtlich, welche Ressourcen Kinder, Jugendliche und ihre Familien für die Gestaltung ihrer Lebenswelten benötigen. Dies kann durch eine intensive, verständigungsorientierte Fallarbeit mit den jeweilig Betroffenen geklärt werden. Erschwerend kommt aber hinzu, dass die Fachkräfte in den sozialpädagogischen Diensten nicht allein den hilfebedürftigen Menschen verpflichtet sind, sondern auch den sozialpolitischen Zielen, denn das Handeln in sozialpädagogischen Diensten findet nicht im leeren Raum statt, sondern ist eingebunden in strukturelle Gegebenheiten, wie z.B. rechtliche, materielle und personelle Rahmenbedingungen. Die „starke Abhängigkeit von staatlicher Steuerung und direkter Einbindung in bürokratische Organisationen“ (GILDEMEISTER 1995, S. 30) bleibt folglich nicht ohne Einfluss auf das praktische Geschehen in den sozialpädagogischen Diensten. Betrachtet man die Rahmenbedingungen, unter denen die Fachkräfte in sozialpädagogischen Diensten agieren, so zeigt sich seit den ersten systematischen Überlegungen zum pädagogischen Handeln, dass die Anforderungen an das professionelle Handeln sowie die damit verbundenen Professionalisierungsschwierigkeiten durch unaufhebbare Widersprüche geprägt sind. Diese kennzeichnen einerseits das Besondere des sozialpädagogischen Handelns in sozialpädagogischen Diensten, andererseits sind die in den sozialpädagogischen Diensten agierenden Fachkräfte diesen Paradoxien in besonderen Maße ausgesetzt, da sie sich nicht auf „einen ei-
Vielschichtigkeit sozialpädagogischer Dienste
Fehlende Spezialisierung
Verständigungsorientierung
Abhängigkeit von staatlichen Zielen
Paradoxien professionellen Handelns
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Professionelles Handeln
Handeln unter Ungewissheitsbedingungen
genständigen, maßgeblich eigenproduzierten und eigenkontrollierten abgegrenzten, höher symbolischen Sinnbezirk zur Selbststeuerung und Reflexion der Berufsarbeit zurückziehen können“ (SCHÜTZE 1992, S. 146). Die Paradoxien ergeben sich vor allem aus der Unvereinbarkeit der lebensweltlichen Komplexität und aus den Strukturierungserfordernissen professionellen Handelns und können als Kernprobleme sozialpädagogischen Handelns gesehen werden. In der Konsequenz bedeutet dies für jeden einzelnen Mitarbeitenden in den sozialpädagogischen Diensten ein Dilemma, da sie sich mit widersprüchlichen Anforderungen an ihre berufliche Tätigkeit auseinandersetzten müssen. Die Verschiedenheit der Anforderungen der jeweiligen situativen und institutionellen Settings sowie die personalen Ressourcen variieren zwar je nach sozialpädagogischem Arbeitsfeld, sind aber konstitutiv für das professionelle Handeln in sozialpädagogischen Diensten. Vor allem die Balance zwischen folgenden strukturellen Grunddilemmata prägt die berufliche Handlungsstruktur: Sozialpädagogisches Handeln findet immer statt – zwischen freiwilliger Inanspruchnahme und sozialpädagogischem Eingriff – zwischen standardisierter Leistungserbringung (Kategorisierung von Fällen) und individualisiertem Hilfebedarf – zwischen geplanten Hilfeverläufen und unerwarteten Veränderungs- und Lernprozessen – zwischen Nähe und Distanz – zwischen Subjektorientierung, die die Autonomie der Lebensführung des Anderen respektiert und übertriebener Fürsorglichkeit – zwischen Organisationszwängen und pädagogischen Einschätzungen. Diese unauflösbaren, paradoxen Anforderungen prägen die Bearbeitung von Problemen der Kinder, Jugendlichen und deren Familien und verlangen von den Fachkräften ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Reflexion. Erschwerend kommt hinzu, dass das sozialpädagogische Handeln unter den Bedingungen permanenter Ungewissheit stattfinden muss, denn der Alltag, die individuell gewählten Strategien der Lebensführung und die Lebensverläufe der beteiligten Akteure sind kaum prognostizierbar und bieten so auch nur geringe Ansatzpunkte für gezielte, methodisch angeleitete Interventionen. Dies belastet die einzelnen Fachkräfte und stellt die Profession vor enorme Herausforderungen, wenn sie an den „Erfolgen“ bzw. „Misserfolgen“ sozialpädagogischen Handeln in sozialpädagogischen Diensten gemessen wird, denn dann rücken die nicht intendierten Effekte, Wirkungsbedingungen und Fragen nach dem Methodeneinsatz in den sozialpädagogischen Diensten in den Vordergrund (vgl. Kap. 8.3).
8.1 Das doppelte Mandat – Hilfe und Kontrolle Ist also das berufliche Handeln in den sozialpädagogischen Diensten prinzipiell schon einer Fülle von Belastungen ausgesetzt, werden die Handlungsbedingungen der Profession durch die Konstruktionsprinzipien der Sozialen
Professionelles Handeln
Arbeit noch weiter irritiert. Als zentrales, spannungserzeugendes Merkmal, ist hier der Januskopf von „Hilfe und Kontrolle“ zu nennen, der jedweder sozialpädagogischen Praxis inhärent ist. Die Einbindung der sozialpädagogischen Dienste in das System der Sozialpolitik in Deutschland verknüpft die individuelle sozialpädagogische Hilfeleistung untrennbar mit staatspolitischen Zielen, die zum einen als Absicherung der Risiken der Lohnarbeiterexistenzen, zum anderen als die Herstellung von Massenloyalität beschrieben werden können (vgl. OFFE 1987, S. 175). Hierdurch wird der emanzipatorische Anspruch, der einer Hilfeleistung innewohnen kann, begrenzt und den auf Konformität zielenden Kontrollinteressen des Staates unterworfen. Sozialpädagogische Hilfen werden entsprechend nur dann gewährt, wenn der Hilfesuchende sein Verhalten an die gesellschaftlichen Vorgaben anpasst. Wird von den sozialpädagogischen Diensten also die Erzeugung sozialpolitisch definierter „Normalitäten“ (vgl. OLK 1994, S. 14) gefordert, sind die professionell Handelnden in den sozialpädagogischen Diensten ihrerseits mit einem Loyalitätskonflikt konfrontiert: Einerseits gilt als ein zentrales „Mandat“ der sozialpädagogischen Fachkräfte ihre professionelle Orientierung an dem individuellen Wohl(befinden) und der Autonomie der individuellen Lebensbewältigung der Adressaten und Adressatinnen. Die Besonderheiten, Individualität und Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen und Familien sollen im professionellen Handeln Berücksichtigung finden. Andererseits soll ein Verhalten herbeigeführt werden, das den je gegebenen gesellschaftlichen Regeln, Ordnungs- und Wertvorstellungen entspricht, Individualität also begrenzt. Das Handeln in sozialpädagogischen Diensten ist entsprechend darauf bezogen, gesellschaftliche „Normalzustände“ zu gewährleisten, wobei die Gewährleistung sich auf den Schutz und die Bewahrung der ausdifferenzierten Elemente der Sozialstruktur und der Vermittlung zwischen ihnen beschränkt. Als Handlungsanforderung ergibt sich so, dass „weder die Individualität und situative Besonderheit des Falles zugunsten einer allgemeinen Bezugsnorm des Handelns wegschematisiert werden (…), noch umgekehrt die Besonderheiten so maßgeblich werden können, dass auch von Dritten erwartet Normalzustände nicht zustande kommen“ (OFFE 1987, S. 175). Besonders deutlich tritt dies in den sozialpädagogischen Diensten für Kinder, Jugendliche und ihre Familien zutage, wenn es darum geht, Hilfen auch gegen den Willen der Adressatinnen bzw. Adessaten durchzusetzen, wenn beispielsweise der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung vorliegt. Hierbei handelt es sich um Hilfsangebote, die im Kern darauf abzielen, eine Fremd- oder Selbstschädigung der Adressatinnen und Adressaten zu verhindern und die gleichzeitig überprüfen, ob diese Hilfsangebote auch in Anspruch genommen werden und zu dem anvisierten Ziel führen. Hiernach wacht „die staatliche Gemeinschaft“ über die Erziehung und Pflege der Kinder, die das „natürliche Recht“ der Eltern, aber gleichzeitig auch deren „Pflicht“ ist (vgl. Art. 6 Abs. 2 GG; § 1 Abs. 2 SGB VIII). Vor dem Hintergrund der Rechte des Kindes auf „Erziehung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (§ 1 Abs. 1 SGB VIII) ist der öffentliche Träger (Jugendamt) befugt, in die elterlichen Rechte einzugreifen bzw. ihnen bei der Ausübung ihrer Erziehungsrechte Hilfsangebote bereitzustel-
Hilfe und Kontrolle aus sozialpolitischer Perspektive
Hilfe und Kontrolle aus sozialpädagogischer Perspektive
„Staatliches Wächteramt“
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Das doppelte Mandat – Hilfe und Kontrolle
Hilfe und Kontrolle auf der Interaktionsebene „Doppeltes Mandat“
Organisierte Arbeit versus professionelle Autonomie
Berufliche Situation im Spiegel der Forschung
len. Gegen den Willen der Eltern bedarf es jedoch einer gerichtlichen Entscheidung, notfalls durch einen Personensorgerechtsentzug. Mit den neuen Gesetzesänderungen im BGB und SGB VIII sind die Schwellen der Eingriffsbefugnisse des Staates zwar gesenkt worden, gleichzeitig hält der Gesetzesgeber an einer frühzeitigen Hilfebereitstellung (z.B. durch „Frühe Hilfen“, „Hilfen zur Erziehung“) fest. Die Fachkräfte in den sozialpädagogischen Diensten unterliegen angesichts dieser Verknüpfung von Hilfe- und Kontrollinteressen einem „Berufsschicksal“ mit „zentralem Rollenkonflikt“. Böhnisch/Lösch haben dies als das „Doppelte Mandat des Sozialarbeiters“ bezeichnet (BÖHNISCH/LÖSCH 1973, S. 27). Der Zwang, sich zwischen einem staatlichen Auftrag und den individuellen Bedürfnissen und Interessen von Kindern, Jugendlichen und Eltern zu bewegen, stellt die professionell Handelnden in den sozialpädagogischen Diensten vor die Aufgabe, „ein stets gefährdetes Gleichgewicht zwischen den Rechtsansprüchen, Bedürfnissen und Interessen des Klienten einerseits und den jeweils verfolgten sozialen Kontrollinteressen seitens öffentlicher Steuerungsagenturen andererseits aufrechtzuerhalten“ (BÖHNISCH/ LÖSCH 1973, S. 28). Dies ist angesichts potenziell divergierender Interessen im konkreten Interaktionsverhältnis zwischen den Fachkräften und den Familien auszuhandeln. Hierbei müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber hinaus die organisationsbedingten Spielregeln bei der Fallbearbeitung einhalten. Geht man davon aus, dass sich Professionsangehörige primär an dem Wohl ihrer Adressatinnen und Adressaten orientieren, so sind sie in der Wahl ihrer Handlungsmuster und in ihren Entscheidungen noch lange nicht frei. Angesichts ihrer Einbindung in Organisationen, die immer knappe Ressourcen verwalten (wie z.B. materielle und personelle Ressourcen), direkter vertikaler Kontrolle des Arbeitsverhaltens sowie festen Verfahrensregeln sind die Fachkräfte in der Wahl ihrer Methoden und der Legitimation ihres Handelns begrenzt. Zudem existiert in der sozialpädagogischen Praxis ein Handlungsdruck, der Handlungsspielräume einschränkt, wenn Entscheidungen über Interventionen schnell getroffen werden müssen. Die Aktualität bestimmter Problemlagen verringert die Dispositionsspielräume und verstärkt routinisiertes, nicht reflexives Handeln. In der Konsequenz werden die Interessen und Wünsche der Kinder, Jugendlichen bzw. Familien dann oftmals ausgeblendet und Entscheidungen gegen den Willen der Betroffenen durchgesetzt. Dies wird häufig als Machtdemonstration sozialpädagogischer Dienste (z.B. Jugendamt) gegenüber den betroffenen Familien wahrgenommen, der Kontrollaspekt rückt gegenüber dem Hilfeaspekt in den Vordergrund. Grundsätzlich gilt aber: „Die in den Handlungsfeldern Sozialer Arbeit angelegte Widersprüchlichkeit macht es unmöglich, eine funktionale Bestimmung nach dem Muster der Eindimensionalität vorzunehmen.“ (MÜLLER 2001, S. 35) Die berufliche Situation von Fachkräften in sozialpädagogischen Diensten und Einrichtungen wurde im Hinblick auf das Spannungsverhältnis Organisation und Profession (vgl. KLATETZKI 1993), Loyalitätskonflikten (vgl. BLAU/SCOTT 1973), Selbst- und Fremdbildern (vgl. SKIBA 1972), Inszenierungen (vgl. NADAI 2005) sowie unter Autonomieansprüchen und -chancen in Organisationen (vgl. OTTO u.a. 1991) untersucht. Die empirischen Ergeb-
Professionelles Handeln
nisse fanden zudem teilweise Berücksichtigung in die Reformbemühungen um die sozialpädagogischen Dienste (vgl. Kap. 6).
8.2 Die helfende Beziehung Das sozialpädagogische Handeln in den direkten Interaktionen mit Kindern, Jugendlichen und Familien ist durch bestimmte rollenförmige Erwartungshaltungen der Beteiligten gekennzeichnet: Auf der einen Seite wird von den fachlich ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der sozialpädagogischen Dienste eine kompetente und zügige Problembearbeitung erwartet, die zudem der Komplexität des lebensweltlichen sozialen Problems angemessen ist, auf der anderen Seite wird von den Adressatinnen und Adressaten erwartet, dass sie sich trotz ihrer individuellen Überforderungssituation aktiv an der Problembearbeitung beteiligen und hierfür ihre ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen einsetzen. Die Ressourcen, die den Beteiligten zur Verfügung stehen, werden dabei allerdings nicht als gleichwertig eingeschätzt, die Deutungsmacht über das zu bearbeitende Problem und die Sanktionsmacht bei offenkundigem oder prognostizierbarem Fehlverhalten der Adressatinnen bzw. Adressaten liegen eindeutig auf Seiten der Professionellen, während die Adressatinnen bzw. Adressaten ihre Potenziale und Ressourcen vor allem im Prozess der Dienstleistungserstellung aktivieren können. Hieraus resultiert eine prinzipielle Rollenasymmetrie, die allein durch Haltungen oder moralische Verpflichtungen der Professionellen, die Adressatinnen und Adressaten „auf gleicher Augenhöhe“ zu behandeln, nicht aufgehoben werden kann. Entscheidend für die Qualität des Interaktionsverhältnisses ist vielmehr die der Problembearbeitung zugrunde gelegte Handlungsrationalität. Problemlösungsstrategien in Form methodisch angeleiteter Interventionen und kompensatorischer Lernangebote stellen die Bandbreite in der Regel technologischer Verfahren (z.B. therapeutischer Maßnahmen) dar. Die Professionalität besteht in der Auswahl der zweckrationalsten Mittel bei gegebenen Problemen, die Bearbeitungsformen folgen einem quasi-automatisierten Ablauf, dessen Beherrschung dem Professionellen obliegt und der den Betroffenen so entzogen wird. Der in dieser Handlungsrationalität zum Ausdruck kommende Expertenstatus der Fachkräfte wird mit Begriffen wie Therapeutisierung, Psychologisierung, Entmündigung u.a.m. in Verbindung gebracht. Gegenüber der expertokratischen, technologischen Handlungsorientierung bilden für eine subjektorientierte Handlungsrationalität die Interessen, Wünsche, Absichten, Bedürfnisse etc. der Hilfeempfängerinnen bzw. -empfänger die Quelle des Interaktionsprozesses. Ohne ihre Artikulation und konsequente Berücksichtigung während der Problembearbeitung würden die subjektiven oder objektiven Ursachen sozialer Probleme von den sozialpädagogischen Diensten abgeschirmt werden. Zur Untermauerung des Primates einer subjektorientierten professionellen Handlungsrationalität hat Burkhard Müller (1985) das Konzept des „Arbeitsbündnisses“ entwickelt.
Interaktionsverhältnis
„Arbeitsbündnis“ (ist) ein Interpretationsraster, das professionelle Dienstleister selbst benutzen und ihren Klienten anbieten, mit dem Ziel, die jeweils schon vorgegeben
„Arbeitsbündnis“
Objektorientierung
Subjektorientierung
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Das doppelte Mandat – Hilfe und Kontrolle wechselseitigen Situationsdefinitionen und Gegenstandbestimmungen der Interaktion in eine explizite, gemeinsame, wechselseitig für vernünftig und zumutbar gehaltene Arbeitsaufgabe zu transformieren“ (MÜLLER 1985 S. 97).
Damit wird hervorgehoben, dass professionelles sozialpädagogisches Handeln die Bedingungen reflektiert, unter denen ein Interaktionsverhältnis, welches widersprüchliche Ansprüche beinhaltet, zustande kommt. Grundlage hierfür ist das Festlegen von Regeln und Zielen in Zusammenarbeit der professionell Handelnden mit den Betroffenen. Diese Angewiesenheit sozialpädagogischen Handelns auf die Beteiligung der Adressatinnen und Adressaten schwächt nicht die Position des Experten (Professionellen), sondern optimiert vielmehr die unterstützende Beziehung. Die biografische Ganzheitlichkeit der Fallentwicklung steht zwar im Widerspruch der Expertenspezialisierung (vgl. SCHÜTZE 1992), führt aber in ihrer Gegensätzlichkeit im idealen Fall zum Erreichen bestimmter Zwecke bzw. Ziele. Folglich geht es in der helfenden Beziehung nicht darum, den Adressatinnen und Adressatinnen professionelle Handlungsziele, Normen und Werte aufzuoktroyieren. Das „Arbeitsbündnis“ dient somit auch dem Schutz der Adressatinnen und Adressaten. Voraussetzung für „eine gelingende Beziehung“ ist die Klärung der wechselseitigen Ansprüche und Erwartungen. Hierzu gehört allem voran die Aufklärung über Möglichkeiten und Grenzen professioneller Tätigkeiten, die Abklärung des eigentlichen Handlungsauftrags, aber auch die Erörterung, welche Rechte und Pflichten die Adressatinnen und Adressaten haben, damit sie sich gegen Übergriffe in ihre Lebenswelt wehren können. Die fachliche Herausforderung, die mit dem Modell des Arbeitsbündnisses begründet wird, besteht dann einerseits in der Erzeugung von Beteiligungsmöglichkeiten und – in Fällen begrenzter Möglichkeiten der Adressatinnen und Adressaten – in der Herstellung der Beteiligungsfähigkeit (zu neueren Ansätzen vgl. HOMFELDT/SCHRÖER/SCHWEPPE 2008), denn das Expertenwissen der Fachkräfte stellt eine Bedrohung für die Hilfebedürftigen dar und kann somit zu einem Vertrauensentzug seitens der Hilfebedürftigen führen (vgl. SCHÜTZ 1992). Bei einer Übereinkunft über Ziele und Maßnahmen werden die nächsten Schritte und weitere Einzelheiten festgelegt. Für die „Hilfen zur Erziehung“ sieht der Gesetzgeber sogar ein schriftlich zu verfassendes Hilfeplan(dokument) vor (vgl. § 36 SGB VIII). Insgesamt geht es bei dem Arbeitsbündnis also weniger um das konkrete planvolle Vorgehen, vielmehr handelt es sich um die Rahmung einer sozialpädagogischen Handlungssituation. Auf der einen Seite geht es um die Einleitung eines Hilfeprozesses, der bei der Selbstdefinition des Betroffenen ansetzt und diesen als Ausgangspunkt für die folgende Koproduktion nimmt. Auf der anderen Seite soll das sozialpädagogische Handeln die Alltagswelt der Adressatinnen und Adressaten immer wieder zum Gegenstand des Verstehens nehmen, selektive Wahrnehmung bzw. Rückgriffe auf bisherige Deutungsmuster in Zweifel ziehen und dieses wiederum zum Ausgangspunkt weiteren Handelns machen. Damit wird die Gefahr, die Subjekte durch exemplarisches Vorgehen unselbständig zumachen, reduziert. Gleichzeitig dient es den Professionellen zur Steigerung ihrer Reflexivität hinsichtlich ihrer Position im Dienstleistungserbringungsverhältnis.
Die helfende Beziehung
Studien, die die helfende Beziehung zwischen Professionellen und ihrer Klientel zum Gegenstand haben, haben in der klinischen Psychologie eine lange Tradition. Insbesondere psychoanalytisch inspirierte Konzepte definierten dabei Verhaltensanforderungen an die professionellen Helfer (vgl. BRUMLIK 1992; MÜLLER 1985). Aber auch struktur-funktionale Ansätze (vgl. OLK 1986; OLK/OTTO 1987/1989; OTTO/SCHNEIDER 1973), die auf die Besonderheiten sozialpädagogischen Handelns und deren spezifische Erbringungsformen hinweisen, liegen seit den 1970/1980er Jahren vor. Darüber hinaus beschäftigte man sich mit den professionellen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen in der Fallbearbeitung, z.B. als sozialpädagogische Kasuistik (vgl. MÜLLER/NIEMEYER/PETER 1986) und fragte nach den Konstruktionsprinzipien subjektiver Problemdeutungen der Betroffenen aus der methodologischen Perpektive hermeneutischen Fallverstehens (vgl. MOLLENHAUER/UHLENDORFF 1992; 1995; UHLENDORFF 2001) oder der Biografieforschung (vgl. HANSES 2004). Neuerlich wurde aus einem dienstleistungstheoretischen Blickwinkel das Zusammenwirken von Professionellen und Adressatinnen und Adressaten sozialpädagogischer Dienste unter Beteiligungsaspekten verstärkt untersucht (vgl. PETERSEN 1999; PLUTO 2007; SCHEFOLD u.a. 1998).
Forschungstraditionen
8.3 Denn sie wissen (nicht), was sie tun!? – Die Methodenfrage Heben die bisherigen Ausführungen zu den besonderen Herausforderungen professionellen Handelns in sozialpädagogischen Diensten die Komplexität des Interaktionsverhältnisses hervor, verheißt der Methodenbegriff die Reduktion eben dieser Komplexität durch eindeutig beschreibbare Verfahren und Verhaltensanforderungen. Gleichzeitig dient die Reflexion über das methodische Vorgehen in sozialpädagogischen Handlungssituationen dazu, komplexe Problemsituationen und den Umgang mit der Unsicherheit in sozialpädagogischen Handlungsvollzügen zu reduzieren und sich der Grenzen methodischen Handelns bewusst zu werden.
Hintergrund der Methodenreflexion
„Methoden der Sozialen Arbeit thematisieren jene Aspekte im Rahmen sozialpädagogischer/sozialarbeiterischer Konzepte, die auf eine planvolle, nachvollziehbare und damit kontrollierbare Gestaltung von Hilfeprozessen abzielen und die dahingehend zu reflektieren und zu überprüfen sind, inwieweit sie dem Gegenstand, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den Interventionszielen, den Erfordernissen des Arbeitsfeldes, der Institutionen, der Situationen sowie den beteiligten Personen gerecht werden“ (GALUSKE 2002, S. 28).
Methoden
Methoden sind integraler Bestandteil von „Konzepten“, die begründete Versprechen einer spezifischen sozialpädagogischen Praxis darstellen. Konzepte reichen über Methoden hinaus, indem sie Intentionen, Arbeitsfelder, Kompetenzen etc. in einen systematischen Zusammenhang mit den anvisierten Methoden bringen. Geißler/Hege (1997) haben Konzepte entsprechend definiert:
Konzepte
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Denn sie wissen (nicht), was sie tun!? – Die Methodenfrage „Unter Konzept verstehen wir ein Handlungsmodell, in welchem die Ziele, die Inhalte, die Methoden und die Verfahren in einen sinnhaften Zusammenhang gebracht sind. Dieser Sinn stellt sich im Ausweis der Begründung und der Rechtfertigung dar“ (GEIßLER/HEGE 1997, S. 23). Techniken
Dilemma der Methodendiskussion
Klassische Methoden der Sozialen Arbeit
Techniken dagegen sind einzelne Verfahrensschritte, die optimalerweise eine in sich stimmige Methode ausmachen. Während Methoden damit der Forderung nach Kohärenz und logischer Konsistenz unterliegen, ist das Gütekriterium für die Techniken die Erzielung des gewünschten Outputs. „Im Gegensatz zu Methoden (…) könnte man Techniken als Antworten auf Detailprobleme im komplexen Weg von der Identifikation eines Problems zur angestrebten Lösung beschreiben.“ (GALUSKE 2002, S. 24) Wenn also von Methoden die Rede ist, geht es um die Begründung und Planung von Problembearbeitungsmustern innerhalb eines Konzeptes eines sozialpädagogischen Dienstes. Hierzu wird sich bestimmter Techniken bedient, die einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Einsatz zielgerichteter Mittel und den anvisierten Entwicklungen bzw. Zuständen versprechen. Methoden – und Techniken allzumal – verheißen Handlungssicherheit in dem ansonsten unsicheren Interaktionverhältnis, das von wenig standardisierten und routinisierbaren Einflüssen geprägt ist. Von daher ist es auch nicht überraschend, dass sich gerade Methodenseminare einer so großen Beliebtheit erfreuen. Diese Verheißung setzt aber voraus, dass sozialpädagogisches Handeln rational kalkulierbar ist. Jedoch lassen sich im Gegensatz zu Organisationen, die Güter und Waren produzieren, Technologien in sozialpädagogischen Organisationen, deren Ziel eine Personenveränderung und die Verantwortungsübernahme für ein gesellschaftlich konformes Verhalten ist, nur schwer implementieren. Dieses Dilemma prägt die Methodendiskussion, wenn sie zwei unterschiedliche Axiome verbinden will: Sie orientiert sich 1. an einem generalistischen Konzept, das den „ganzen Menschen“ zum Handlungsfeld professioneller Interventionen erklärt und bemüht sich 2. um ein Instrumentarium, mit dessen Hilfe die Problembearbeitung systematisiert, zergliedert und lehr- und lernbar gemacht wird. Deutlich wird dies an der lange dominanten Praxis methodischen Arbeitens in Anlehnung an die Methodenlehre der US-amerikanischen Sozialarbeit. Die als „klassische Methoden“ bezeichneten „Einzelfallhilfe“, „Soziale Gruppenarbeit“ und „Gemeinwesenarbeit“ lassen sich im Hinblick auf ihre Sozialformen, Problemzuschreibungen sowie detaillierten Verfahrensanweisungen in den Problembearbeitungsprozessen charakterisieren. Während bei der Sozialen Einzelfallhilfe die einzelnen Hilfeangebote auf das einzelne Individuum und dessen Probleme bezogen ist, richtet sich die Methode der Sozialen Gruppenarbeit auf Adressatinnen und Adressaten, die sich einer ähnlichen Problemlage ausgesetzt sehen. Die Methode der Gemeinwesenarbeit hingegen bezieht sich auf die Bedürfnisse und Interessensformulierungen von Personen eines bestimmten Sozialraumes (vgl. MÜLLER 2006; GALUSKE 2002). Die Gemeinsamkeit dieser Methoden besteht darin, dass sie sich größtenteils auf psychoanalytische, systemische bzw. lerntheoretische Grundlagen stützen und konkrete Techniken beinhalten. Obwohl die klassischen Methoden heute nur einzelne Facetten in einem Methodenpluralismus darstellen, wurde durch sie ein Prozess der Methodenentwick-
Die helfende Beziehung
lung angestoßen, der bis heute anhält und einer Systematisierung unterschiedlicher Methoden in der Sozialen Arbeit dient (vgl. GALUSKE 2002, S. 163; zur Methodengeschichte vgl. MÜLLER 2006). Trotz der Grenzen der Methodisierbarkeit sozialpädagogischen Handelns und der Notwendigkeit, auf die Problemlagen von Kindern, Jugendlichen und Familien individuell zu reagieren, lässt sich gegenwärtig geradezu ein Boom an methodischen Fragen verzeichnen. Dies dient einerseits der Selbstversicherung der Professionellen und gibt andererseits der Hoffnung Ausdruck, angesichts des Handelns unter Bedingungen von Ungewissheit „hypothetisch konstruierte Wirkungszusammenhänge als Planungsinstrument“ an die Hand zu bekommen. Dabei wird die strikte Orientierung an standardisierten und präzisen Techniken jedoch zugunsten einer weiteren Interpretation des methodischen Arbeitens aufgegeben und die Reflexion von Arbeitsschritten angestrebt. Unabhängig von einem konkreten sozialpädagogischen Arbeitsbereich erfolgen die Herstellung eines Deutungszusammenhanges und die Generierung der Hypothesen (z.B. Erfolgsaussichten) nach folgenden Regeln methodischen Handelns: – Anamnese – Diagnose – Intervention – Evaluation (vgl. MÜLLER 1997) Aus der Perspektive der sozialpädagogischen Dienste ist es insbesondere interessant, welche Prognose einem bestimmten sozialen Problem zugeordnet wird und welche Interventionsformen daraus abgeleitet werden. Darüber hinaus interessiert der Grad der Zielerreichung. Die Frage nach der Wirkung sozialer Dienstleistungen ist für die methodische Weiterentwicklung der Hilfsangebote, für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der sozialpädagogischen Dienste sowie für die Zukunftsfähigkeit ganzer Aufgabenfelder von erheblicher fachpolitischer Bedeutung.
Was Sie wissen sollten, wenn Sie Kapitel 8 gelesen haben: – Was versteht man unter dem „Doppelten Mandat“? – In welchem Verhältnis stehen die Begriffe Konzept, Methode und Technik zueinander? – Worin besteht das Methodenproblem? – Was versteht man unter einem Arbeitsbündnis?
Weiterführende Literatur zu Methoden in der Sozialen Arbeit: Zur Methodengeschichte: MÜLLER, C. WOLFGANG (1988): Wie Helfen zum Beruf wurde. Bd. 1. Weinheim/Basel. MÜLLER, C. WOLFGANG (1988): Wie Helfen zum Beruf wurde. Bd. 2. Weinheim/Basel.
Methoden als Deutungsrahmen
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Denn sie wissen (nicht), was sie tun!? – Die Methodenfrage Allgemeine Einführung in die Methodendiskussion Sozialer Arbeit: GALUSKE, MICHAEL (20024): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Weinheim/München. STIMMER, FRANZ (2000): Grundlagen des methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit. Stuttgart. SPIEGEL, HILTRUD von (20083): Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. München. Weiterführende Literatur zu Nähe und Distanz: DÖRR, MARGRET/MÜLLER, BURKHARD (Hrsg.) (20072): Nähe und Distanz. Ein Spannungsfeld pädagogischer Professionalität. Weinheim/München. Weiterführende Literatur zur Diagnostik in den sozialpädagogischen Diensten: HEINER, MAJA (Hrsg.) (2004): Diagnostik und Diagnosen in der Sozialen Arbeit. Ein Handbuch. Berlin.
9 Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick Erste sozialpädagogische Arbeitsfelder
„Normalisierung“ sozialer Hilfen
Der soziale Wandel innerhalb unserer Gesellschaft spiegelt sich in der Entwicklung der Handlungs- und Arbeitsfelder wider. Neben dem materiellen Sicherungssystem und den klassischen Nothilfesystemen der Armen- und Jugendfürsorge hat sich ein umfangreiches System an sozialen Hilfen, Unterstützungs- und Bildungsangeboten entwickelt, welches quantitativ und qualitativ nicht mit den Anfängen der sozialen Fürsorge zu Beginn des 20. Jahrhunderts vergleichbar ist (vgl. RAUSCHENBACH 1999). Die Wurzeln der heutigen Arbeitsfelder gehen auf die Einrichtung von Kinderbewahranstalten, die Fürsorge für verwahrloste Kinder- und Jugendliche, auf jugendschützende und -pflegerische Maßnahmen sowie auf die Bereitstellung von materiellen Unterstützungen für Familien und ihre Kinder in Notsituationen und -lagen zurück (ausführlich vgl. Kap. 3.1). Während die ersten institutionalisierten Hilfen vor allem sozialdisziplinierenden Charakter hatten bzw. überwiegend aus Nothilfemaßnahmen bestanden, lässt sich mittlerweile ein breites Spektrum an präventiven, lebenswelt- und lebenslagenorientierte Angeboten dokumentieren (vgl. CHASSÉ/VON WENSIERSKI 2008; THOLE 2002b, S. 20). Die Entwicklung der sozialpädagogischen Handlungs- und Arbeitsfelder ist eng mit den gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen verbunden. Angesichts veränderter gesellschaftlicher Lebenslagen im Zuge von Pluralisierungs- und Individualisierungsprozessen erleben Kinder, Jugendliche und ihre Familien die Erosion vorgeprägter und standardisierter biografischer Verläufe, die zwar einerseits die Optionen individueller Lebensgestaltung vervielfachen, andererseits aber auch zu Problemen in der Lebensbewältigung führen können. Für die sozialpädagogischen Dienste bedeutete dieser vermehrte Bedarf an sozialpädagogischen Unterstützung-, Betreuungs- und Bildungsaufgaben insbesondere seit den 1969er Jahren eine quantitative Expansion. Darüber hinaus ist die Inanspruchnahme von personenbezogenen sozialen Dienstleistungen nicht länger an individuelle Problemlagen oder spezifische Lebensphasen gebunden, sondern die sozialpädagogischen Dienste haben sich vielmehr zu einer Sozialisationshilfe im alltäglichen Le-
Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick
ben entwickelt. Die Angebote der Sozialen Arbeit werden zum „Normalfall“ (CHASSÉ/VON WENSIERSKI 2008, S. 8). Die institutionelle Ausdifferenzierung der sozialen Dienste lässt sich einerseits auf die Verwissenschaftlichung sozialpädagogischer Tätigkeiten und Aufgaben zurückführen, andererseits haben Professionalisierungsprozesse innerhalb der Sozialen Arbeit Spezialisierungen von Hilfeleistungen zur Folge, die sich in der Entstehung von neuen Konzepten und Methoden widerspiegeln. Es rücken verstärkt präventive Hilfeleistungen in den Vordergrund, ohne die traditionellen eingriffsorientierten Maßnahmen zu verdrängen (zu Hilfe und Kontrolle vgl. Kap. 8.1). Angesichts wandelnder sozialer Problemlagen sowie durch öffentliche Kritik an den traditionellen methodischen Problemlösungsstrategien erschließen sich für die sozialpädagogischen Dienste neue Aufgaben- und Zielgruppen. Vor allem durch die öffentlich wirksamen sozialen Bewegungen, wie die Studenten- und Frauenbewegung, entstanden neue Arbeitsfelder (z.B. Mädchen- und Frauenarbeit, autonome Jugendarbeit, Drogenhilfe etc.). Betrachtet man die Arbeitsfelder für Kinder, Jugendliche und ihre Familien, so lässt sich festhalten, dass es sich um einen „komplexen und unübersichtlichen Gegenstand“ (THOLE 2002b, S. 13) handelt. Mit der Ausdifferenzierung von Aufgaben und Organisationen seit den 1960 Jahren ist eine Systematisierung der Arbeits- und Handlungsfelder der Sozialen Arbeit nicht mehr umstandslos möglich (zu Systematisierungen von sozialpädagogischen Diensten vgl. THOLE 2002b; HAMBURGER 2003). Der älteste Definitionsversuch einer sozialpädagogischen Praxis geht auf Gertrud Bäumer zurück, die Sozialpädagogik als „alles, was Erziehung, aber nicht Schule und nicht Familie ist“ (BÄUMER 1929, S. 3) kennzeichnete. Diese Definition wird jedoch mit der Entstehung neuer Arbeitsfelder brüchig, da zum Beispiel neue Aufgaben, wie die Schulsozialarbeit oder die sozialpädagogische Familienhilfe, von dieser Definition nicht erfasst werden. Eine oftmals vorgenommene lebenslauf- oder lebensabschnittsbezogen Systematisierung von Arbeitsfeldern (z.B. [frühe] Kindheit, Jugend, Erwachsenstatus, Alter) ist ebenso nicht mehr zeitgemäß, da angesichts der Biografisierungs- und Individualisierungsprozesse eine zeitorientierte Perspektive zu kurz greift. Die Alternative, ein Arbeitsfeldes über bestimmte Zielgruppen (z.B. Kinder, Migratinnen und Migranten, alte Menschen) zu definieren, ist ebenso problematisch, da sich im Zuge des Anstiegs sozialer Problemlagen einerseits die Zielgruppen ändern, andererseits angesichts einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit nicht mehr nur das Individuum im Zentrum des Hilfeangebots steht, sondern ebenso das soziale Umfeld des Hilfebedürftigen in Problemlösungsstrategien einbezogen wird (vgl. THIERSCH 2003; GRUNWALD/THIERSCH 2004). Insbesondere die Überforderung des familiären Hilfesystems führte dazu, dass sich neben der klassischen familienersetzenden Fürsorgeerziehung bzw. Heimerziehung auf die Familie individuelle familienergänzende und -unterstützende Hilfearrangements entwickelten. Diese Unterscheidung der einzelnen Handlungsfelder nach ihrem Einmischungsgrad rückt das System Familie ins Zentrum. Damit entspricht sie dem Selbstverständnis des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII), welches sich zwischen Familienorientierung einerseits und eigenständigen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe andererseits bewegt. Die Aufgaben der
Von der Einheit zur Vielfalt
Ordnungsversuche von Arbeitsfeldern
Lebenslauf- bzw. lebensabschnittsbezogene Systematisierung
Arbeitsfelder nach dem Einmischungsgrad
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Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick
Die Kinder- und Jugendhilfe als zentrales Arbeitsfeld
Arbeitsfelder jenseits der Kinder- und Jugendhilfe
Frage der sozialpädagogischen Zuständigkeit
Kinder- und Jugendhilfe verstehen sich nicht länger als Nothilfe für gefährdete, hilfebedürftige Kinder, sondern vielmehr als präventive Dienstleistungen für alle Kinder, Jugendlichen und ihre Familien (vgl. MÜNDER/MEYSEN/ TRENCZEK 2009). Wenn von Arbeitsfeldern für Kinder, Jugendliche und ihren Familien die Rede ist, so ist die Kinder- und Jugendhilfe „das Feld der öffentlich organisierten Erziehungs- und Sozialisationsformen für Heranwachsende“ (KNUTH/ POTHMANN 2009, S. 681). Mit Blick auf die Leistungen nach Institutionen entfallen auf die Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2007 2,8% des Gesamtvolumens der Ausgaben der öffentlichen Haushalte (21,1 Mrd. Euro). Zum Vergleich: Für Institutionen der Sozialhilfe, die Hilfen für Menschen in individuellen Notlagen in Form von Geld-, Sachleistungen und soziale Dienstleistungen bereitstellten, wurden 23,2 Mrd. Euro ausgegeben (3,1% des Sozialbudgets, vgl. BMAS 2009). Damit stellt die Kinder- und Jugendhilfe einen großen Teil der sozialpädagogischen Einrichtungen bereit. Hintergrund dieser Expansion der Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe liegt in dem bedarfsgerechten und qualitätsorientierten Ausbau der Kindertagesbetreuung. Dieser hatte einen Anstieg der Gesamtausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in den Jahren 2002–2008 zur Folge (vgl. BMAS 2009). Neben dem Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe finden sich sozialpädagogische Erziehungs-, Betreuungs- und Unterstützungsleistungen in der Sozialhilfe (vgl. TRENK-HINTERBERGER 2008), Altenhilfe (vgl. SCHWEPPE 2002; PALENTIEN/HURRELMANN 2006), Gesundheitshilfe (vgl. HOMFELD 2002) und Behindertenhilfe (vgl. METZLER/WACKER 2005), die sich auf die Institution Familie beziehen. Bei einigen sozialpädagogischen Dienstleistungen sind unterschiedliche Verantwortlichkeiten für die Bearbeitung der sozialen Probleme denkbar. Die Grenzen zwischen verschiedenen Systemen, wie z.B. Justiz, Medizin und Sozialer Arbeit, sind nicht immer trennscharf, da es bestimmte Handlungsfelder gibt, die nicht nur ein sozialpädagogisches Arbeitsfeld darstellen. Beispiele finden sich sowohl gegenüber dem System der Medizin (z.B. Maßnahmen der Wiedereingliederung nach SGB IX, SGB XII oder § 35 SGB VIII) und der Justiz (z.B. „Jugendhilfe im Strafverfahren“ nach § 52 SGB VIII und § 38 Jugendgerichtsgesetz [JGG] ). Die Schnittstellen zu weiteren Sozialisationsfeldern, wie z.B. der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der schulischen Bildung (Ganztagsschulen) und die Frage der Zuständigkeit von Arbeitsfeldern für bestimmte Problemlagen sind sozialpolitisch gerahmt und verlangen nach interdisziplinären Kooperationen. Diese gestalten sich aufgrund von unterschiedlichen Perspektiven, Machtinteressen, Überforderung, aber auch Kontrollängsten, oftmals schwierig und bleiben nicht ohne Auswirkungen für die Adressaten und Adressatinnen sozialpädagogischer Dienstleistungen. Analog den Leistungsbereichen des SGB VIII soll im Folgenden eine nicht abschließende Übersicht über die sozialpädagogischen Dienste für Kinder, Jugendliche und ihre Familien im Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe gegeben werden. In der Kinder- und Jugendhilfe kann nach vier Bereiche unterschieden werden, die den Schwerpunkt der praktischen sozialpädagogischen Arbeit darstellen: (1) Die frühkindliche Bildung in Form der Kindertagesbetreuung, (2) Leistungen der Hilfen zur Erziehung, (3) Angebote der
Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick
Kinder- und Jugendarbeit und (4) Angebote der Förderung der Erziehung in der Familie (vgl. RÄTZ-HEINISCH/SCHRÖER/WOLFF 2009).
9.1 Kindertagesbetreuung Das formal gesehen jüngste Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe stellen die unterschiedlichen Formen der Kindertagesbetreuung dar (z.B. Kinderkrippen, Kindertagesstätten, Horte, Kindertagespflege). Die Kindertagesbetreuung wurde erst mit Inkrafttreten des SGB VIII 1991 per definitionem dem Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe zugeschlagen. Die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege umfasst „Erziehung, Bildung und „Betreuung“ (§ 22 SGB Abs. 3 SGB VIII). Mit der Zuordnung der Kindertagesbetreuung zu dem Aufgabenbereich der Kinderund Jugendhilfe wurde eine organisationsrechtliche Regelung geschaffen. Unterhalb dieser formalen Ressortierung gibt es jedoch höchst unterschiedliche Auffassungen über die Kernaufgabe und damit über die Funktion der Kindertagesbetreuung, sodass das Arbeitsfeld in einzelnen Bundesländern auch dem Elementarbereich des Bildungswesens zugeordnet wird. Beispielhaft sei hier auf die Auseinandersetzungen um eine „ganzheitliche Sprachförderung“ verwiesen, die sowohl schulvorbereitende als auch kompensatorische Effekte familialer Sozialisationsdefizite beinhaltet (vgl. ROSSBACH 2003, S. 252ff.). Die durch die Bildungsreform bzw. -expansion der 1970er Jahre des letzten Jahrhunderts angeschobene Reform im Elementarbereich wurde durch den „PISA-Schock“ im Jahre 2000 verstärkt wiederbelebt. Eine daraus resultierende Reform des Bildungswesens führte zu einer Reform der Kindertagesstätten, welche als erste Stufe des Bildungswesens in ihrer Bildungsfunktion gestärkt werden sollten. Einem modernen Verständnis der Kinder- und Jugendhilfe folgend, das Leistungen der Betreuung, Erziehung und Bildung integrativ bereitstellt, erscheint diese Auseinandersetzung jedoch müßig. Es gibt kaum ein Arbeitsfeld in der Kinder- und Jugendhilfe, das in den letzten Jahren eine derartige öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat wie die Kindertagesbetreuung. Überspitzt formuliert wurde der Kindergarten quasi über Nacht zum zentralen sozial- und bildungspolitischen Thema in Deutschland. Während sich bis zur Verabschiedung des SGB VIII im Jahr 1990 die „Pflege und Erziehung von Säuglingen, Kleinkindern und Kindern im schulpflichtigen Alter außerhalb der Schule“ allgemein ohne nähere Bestimmungen im Gesetzestext finden lässt, tut sich im Hinblick auf die heutige frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung eine regelrechte Bestimmungsflut im Hinblick auf Rechtsansprüche (§§ 22ff. SGB VIII), Bildungsaufträge, Zielsetzungen und strukturelle Rahmenbedingungen auf. Allerdings fallen die Konkretisierungen für den Bereich der Kindertagesbetreuung in die Ländergesetzgebung und nicht in die Regelungskompetenz des Bundes. Während auf Bundesebene bis Ende 2004 zur genaueren Bestimmung des Bildungsauftrages keine näheren Angaben existierten, finden sich diese in den gegenwärtigen aktuellen Bildungsprogrammen der Länder sowie in den landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen. In den jeweiligen Kinderbetreuungsgesetzen der Bundesländer ist zwar der allgemeine Bildungsauftrag ver-
Kindertagesbetreuung als Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe
PISA
Kindertagesbereuung ist Ländersache
115
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Kindertagesbetreuung
Erziehungs- und Bildungsaufträge
Zielgruppen
Ausbau der U3-Betreuung
Rechtsanspruch ab 2013
ankert; in seiner Zielgruppenorientierung jedoch unterschiedlich ausgestaltet. Seit 2004 gibt es zudem einen „Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“ (vgl. JUGENDMINISTERKONFERENZ 2004). Im Hinblick auf die landesrechtlichen Reglungen, in denen Mindestanforderungen an die qualitative Arbeit mit Kindern in Kindertageseinrichtungen formuliert sind, lassen sich immer noch starke Unterschiede nachweisen (zum Vergleich von Finanzierung, Personal und Rechtsansprüchen in den jeweiligen Bundesländern vgl. MINISTERIUM FÜR BILDUNG, JUGEND UND SPORT (MBJS) 2010; BOCK-FAMULLA/GROßE-WÖHRMANN 2010). Bundesweit umfasst der Förderungsauftrag der Kindertagesbetreuung die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes bezogen auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Darüber hinaus soll sich die Förderung „am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen“ (§ 22 Abs. 3 SGB VIII). Während die institutionelle Betreuung in den Kindertageseinrichtungen in der Vergangenheit eher ein unspezifisches Angebot für wenige Kinder mit einem eher fürsorgerischen Blick war, entwickelte sich der Kindergarten zu einer „universalen“ Sozialisationsinstanz für alle Kinder. Dieses Angebot wird im Jahre 2008 von 90,3% aller Kinder in der Altersgruppe der 3- bis 6Jährigen wahrgenommen, sodass diese Einrichtungsform (in Variationen) einen nahezu festen Bestandteil in den Lebensläufen der meisten Kinder in der BRD darstellt (vgl. LANGE 2008). In der Regel handelt es sich bei Einrichtungen der Kindertagesbetreuung um Organisationen, in denen Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig untergebracht werden. Die Betreuung der Kinder erfolgt in altersgemischten, altershomogenen oder integrativen Gruppen bzw. in Formen, die ohne feste Gruppenstrukturen arbeiten (vgl. BEHER 2009). Während der Kindergarten früher nur ein vormittägiges Angebot war, können sich die Öffnungszeiten je nach Einrichtungstyp über den ganzen Tag erstrecken. Der Besuch einer Kindertageseinrichtung basiert seit 1996 auf dem individuellen Rechtsanspruch eines jeden Kindes ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt und neuerdings auch darüber hinaus. Mit dem „Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege“ (Kinderförderungsgesetz) findet gegenwärtig ein stufenweiser Ausbau der Kindertagesbetreuung statt. In einer ersten Stufe (bis 31.7.2013) ist ein Kind, welches das dritte Jahr noch nicht vollendet hat, zu fördern, wenn, – a) die Erziehungsberechtigten einer Erwerbsarbeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, – b) die Erziehungsberechtigten sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schul- oder Hochschulausbildung befinden oder – c) die Erziehungsberechtigten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches SGB erhalten (vgl. § 24 SGB VIII). In der zweiten Stufe – ab 1. August 2013 sind dann die Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu fördern, wenn die oben genannten Kriterien erfüllt sind. Kinder zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr haben dann einen „Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer
Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick
Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege“ (vgl. MÜNDER/MEYSEN/TREN2009, S. 259). Damit wird die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Erziehung für Kleinkinder insofern erweitert, dass spätestens ab 2013 alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertagesbetreuung oder in der Kindertagespflege haben. Während die Betreuung von Kindern durch Tagespflegepersonen bislang neben dem Regelangebot in Form von Kindertageseinrichtungen quantitativ eine geringere Rolle spielte, wurde bereits im Zuge der Neuregelungen durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) im Jahr 2005 die Gleichrangigkeit von Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen angestrebt. Die Pflegepersonen im häuslichen Rahmen müssen nun – ebenso wie die freien und öffentlichen Träger von Kindertageseinrichtungen – eine Erlaubnis zur Betreuung von Kindern vorweisen (zur Erlaubnis zur Kindertagespflege vgl. 43 SGB VIII). Mit der Gleichrangigkeit von Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen sollen die unzureichenden Versorgungssituationen bei jüngeren Kindern behoben werden sowie sozialpolitisch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden (vgl. zur Kindertagespflege JURCZYK/HEITKÖTTER 2008). Mit dem infrastrukturell bereitgestellten Regelangebot in Form der Kindertagesstätten ist die Kindertagesbetreuung der personell und ausgabengrößte Bereich innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe. CZEK
Gleichrangigkeit von Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen
9.2 Hilfen zur Erziehung Zum ältesten und ausdifferenziertesten Bereich der Leistungen der Kinderund Jugendhilfe zählen die Hilfen zur Erziehung, die sich aus der traditionellen Anstaltserziehung entwickelt haben. Die Überforderung des familiären Hilfesystems im Zuge von Modernisierungsprozessen führte dazu, dass sich auf die Familien bezogene individuelle Hilfearrangements entwickeln (z.B. Hilfen zur Erziehung). Anlass für die Hilfen zur Erziehung können beispielweise Konflikte innerhalb der Familie oder mit ihrer Umgebung (z.B. soziales Umfeld) sein, Erziehungsschwierigkeiten aufgrund von Entwicklungsproblemen oder Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, Folgeprobleme im Zuge von Arbeitslosigkeit oder schwierigen Wohnverhältnisse, Schulschwierigkeiten des Kindes etc. (vgl. KRAUSE 2002; BLANDOW 2001). Hilfen zur Erziehung werden immer dann gewährt, wenn nicht eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung von den Familien gewährleistet werden kann. Unter erzieherischen Hilfen werden individuelle Beratungs- und Unterstützungsangebote sowie intensivere Hilfen für Familien und ihre Kinder verstanden. Die klassische und bekannteste Hilfeform ist immer noch die Heimerziehung als eine außerfamiliäre Unterbringungsform von Kindern und Jugendlichen über Tag und Nacht in Fällen von Erziehungsproblemen. Die Hilfen zur Erziehung hat der Gesetzgeber als eine „sozialpädagogische Dienstleistung“ (MÜNDER/MEYSEN/TRENCZEK 2009, S. 266) konzipiert. Anspruchsberechtigt sind die Personensorgeberechtigen, „wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht ge-
Auslöser für eine Hilfe zur Erziehung
Rechtsanspruch
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Hilfen zur Erziehung
Hilfeplanung
Hilfeformen
währleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (§ 27 SGB VIII). Hierbei handelt es sich im Gegensatz zu den allgemeinen Förderangeboten in der Kinder- und Jugendhilfe (wie z.B. der Kindertagesbetreuung) um einen individuellen Rechtsanspruch, der eine fachliche Überprüfung im Hinblick auf den Bedarf an einer erzieherischen Hilfe nach sich zieht. Da sich die Hilfen zur Erziehung immer im Spannungsfeld zwischen familiären Erziehungsleistungen und öffentlichem Handlungsbedarf (z.B. in Fällen von Kindeswohlgefährdungen) bewegen, bedarf die Entscheidung über die Bereitstellung einer Hilfe zur Erziehung zunächst einer Definition der familiären Erziehungssituation bzw. des erzieherischen Bedarfs und anschießend einer Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeform. Die Gewährung und Durchführung von erzieherischen Hilfen erfolgt nach gesetzlich festgelegten Grundsätzen. Hierzu schreibt der Gesetzgeber ein Verfahren vor: das Hilfeplanverfahren bzw. die Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII (vgl. MERCHEL 2006a). Dies Verfahren umfasst bestimmte Vorgaben, die im Rahmen der Bereitstellung öffentlicher Erziehungshilfen berücksichtigt werden müssen. Zunächst müssen Eltern und Kinder bzw. Jugendliche bei der Auswahl einer Hilfe zur Erziehung informiert und beraten werden. Hierbei sind die Wünsche und Interessen der betroffenen Familien zu berücksichtigen. Die Leistungsberechtigen haben ein Recht, zwischen sozialpädagogischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und auch Wünsche hinsichtlich der Ausgestaltung der Hilfe zu äußeren (zum Wunsch- und Wahlrecht vgl. § 5 SGB VIII). Allerdings kann das Wunsch- und Wahlrecht nur dann berücksichtigt werden, wenn damit nicht unverhältnismäßige Mehrkosten verbunden sind. Zusätzlich findet eine Beratung über die familiäre Problemsituation sowie die potenzielle Hilfe im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte (kollegiale Beratung im Fachteam) statt. Die konkreten Zielsetzungen der ausgewählten Hilfeform werden dann wieder gemeinsam mit den Leistungsberechtigten in einem gemeinsamen Hilfeplangespräch bzw. einer Erziehungskonferenz festgelegt und in einem Hilfeplan schriftlich dokumentiert. Der Verlauf der Hilfe wird in regelmäßigen Fortführungsgesprächen beobachtet und überprüft. Die Hilfeformen innerhalb der Hilfen zur Erziehung reichen von ambulanten Hilfen (Erziehungsberatung, Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer, sozialpädagogische Familienhilfe) über teilstationäre Hilfen (soziale Gruppenarbeit, Erziehung in einer Tagesgruppe) bis zu stationären Hilfen (Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen, Vollzeitpflege) und flexiblen Hilfen, wie sie zum Beispiel mit der intensiven sozialpädagogischen Hilfe nach § 35 SGB VIII sowohl in ambulanter Form als auch in Einrichtungen über Tag und Nacht erbracht werden können (zum Beispiel reise- und erlebnispädagogische Projekte). Darüber hinaus gibt es Hilfen für junge Volljährige (in der Regel bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres), bei denen weniger die Verbesserung der Erziehungsfunktion bzw. -fähigkeit der Familie im Vordergrund steht, sondern Leistungen, die die Wohn-, Ausbildungs- und Beschäftigungssituation junger Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit darstellen. Damit rücken familienunterstützende bzw. -ergänzende Leistungen gegenüber den tradierten familienersetzenden Hilfen in den Vordergrund. Rechtlich besteht jedoch keine Rangfolge zwischen den verschiedenen Hil-
Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick
Arbeitsformen
Angebote
FamilienErziehungsberatung unterstützende Hilfen Sozialpädagogische Familienhilfe
Familienergänzende Hilfen
Familienersetzende/ -ergänzenden Hilfen
Hauptzielgruppe Eltern mit Kindern aller Altersgruppen Familien mit jüngeren Kindern
Soziale Gruppenarbeit
Ältere Kinder und Jugendliche
Erziehungsbeistände
Ältere Kinder und Jugendliche
Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder
Alleinerziehende Eltern mit Kindern unter 6 Jahren
Tagesgruppen
Kinder bis 14 Jahren
Sozialpädagogische Tagespflege
Kinder im Vor- und Grundschulalter
Vollzeitpflege
Insbesondere jüngere Kinder
Heimerziehung/Sonstige Wohnformen
Kinder/Jugendliche/Junge Volljährige
Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung
Jugendliche und Heranwachsende
Quelle: Vgl. BMFSFJ 2010: Broschüre Kinder- und Jugendhilfe, Berlin, S. 38. Abb. 10: Angebotsformen, Angebote und Zielgruppen
fen. Für das Einsetzen einer Hilfe zur Erziehung ist lediglich ausschlaggebend, ob die Hilfe „für die Entwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen geeignet und notwendig“ ist (vgl. § 27 Abs.1 SGB VIII). Inwieweit die Hilfen zur Erziehung (insbesondere Heimerziehung, Vollzeitpflege, soziale Gruppenarbeit oder die Sozialpädagogische Familienhilfe) in der Praxis immer freiwillig in Anspruch genommen werden, ist fraglich. In der für die Hilfen zur Erziehung vorgesehene Verfahrensweise (Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII) soll die konkrete Hilfe bestimmt werden. Falls in dem Hilfeplanverfahren keine Übereinstimmung zustande kommt, hat das Jugendamt zu prüfen, ob die Unterlassung der von ihm für erforderlich gehaltenen Leistung eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB darstellt. Bei Feststellung des Tatbestandes nach § 1666 BGB hat das Jugendamt das Familiengericht anzurufen. In Anbetracht dieser Möglichkeit des Jugendamtes liegt die Vermutung nahe, dass Familien einer Hilfe zur Erziehung in akuten Problemsituationen nur zustimmen, um eine unter Zwang durchgeführte Herausnahme des Kindes aus der Familie zu umgehen. Zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe gehören ebenfalls Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche. Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, vorläufige Interventionen in Notsituationen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen durchzuführen, wenn das Recht des Kindes auf ein menschwürdiges Leben und auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefährdet ist. Dieser erzieherische Kinder- und Jugendschutz ist allgemein im § 14 SGB VIII verankert. Darüber hinaus hat der Gesetzesgeber im Jahr 2005
Freiwilligkeit der Inanspruchnahme
Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche
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Hilfen zur Erziehung
Hilfen zur Erziehung in der öffentlichen Aufmerksamkeit
neue Regelungen zum Schutzauftrag in Fällen von Kindeswohlgefährdungen erlassen (vgl. § 8a SGB VIII). Bei all diesen Aufgaben handelt es sich um einen sogenannten „hoheitlichen Aufgabenbereich“ des Jugendamtes (vgl. MÜNDER/MEYER/TRENZEK 2009, S. 391). Im Zentrum steht die Sicherung des Wohls des Minderjährigen und seine Unterstützung in Krisensituationen bei dringender Gefahr für das Kind oder den Jugendlichen (z.B. durch eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII), die Mitwirkung in vormundschafts- und familien- und Verfahren nach §§ 50f. SGB VIII (im Falle von Interessenskonflikten zwischen Eltern und Kindern) sowie die Erlaubniserteilung von Einrichtungen und Pflegestellen durch den öffentlichen Träger nach §§ 43ff. SGB VIII. Bei der Ausführung dieser Tätigkeiten stehen trotz aller ordnungsrechtlichen Aspekte sozialpädagogische Unterstützungen im Zentrum. Anders als bei den anderen Handlungsfeldern ist hier der öffentliche Träger das durchführende Organ. Neben der Kindertagesbetreuung stellen die erzieherischen Hilfen das zweitgrößte Handlungsfeld in der Kinder- und Jugendhilfe dar. Im Gegensatz zu den allgemein fördernden Angeboten in der Kindertagesbetreuung stehen die ebenfalls teuren und intensiven Hilfen zur Erziehung, allen voran die Heimerziehung, immer wieder im Zentrum öffentlicher Diskussionen. Der kontinuierliche Anstieg der Hilfen zur Erziehung und die damit verbundene Ausgabenentwicklung ziehen Fragen nach der Angemessenheit und den Wirkungen erzieherischer Hilfen nach sich (vgl. ALBUS u.a. 2010). Deutlich wird dies an den im Jahr 1999 eingeführten neuen Finanzierungsregelungen nach § 78aff. SGB VIII, in denen Vereinbarungen über Leistungen, Entgelte und Qualitätsentwicklungsmaßnahmen zwischen dem öffentlichen Träger (Jugendamt) und den leistungserbringenden Diensten bzw. Einrichtungen die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten darstellen (vgl. KRÖGER 1999).
9.3 Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit Widersprüchliche Aufgabenbereiche seit den Anfängen
Definition
Die Kinder- und Jugendarbeit ist aus der Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhundert hervorgegangen. Seit ihren Ursprüngen ist die Kinder- und Jugendarbeit davon geprägt, dass sie Hilfe in besonderen Problemlagen anbietet, eine soziale Kontrolle für die nachwachsende Generation beinhaltet, einen Raum für politische Interessenvertretungen für jugendliche Belange darstellt sowie formelle als auch informelle Bildungsangebote unterbreitet. Diese teilweise widersprüchlichen Aufgaben der Kinder- und Jugendarbeit lassen sich schwerlich in einem Gesamtkonzept zusammenfassen (vgl. VON WENSIERSKI 2008). „Kinder- und Jugendarbeit umfasst alle – – – –
außerschulischen und nicht ausschließlich berufsbildenden, vornehmlich pädagogisch gerahmten und organisierten öffentlichen nicht kommerziellen bildungs-, erlebnis- und erfahrungsbezogenen Sozialisationsfelder – von freien und öffentlichen Trägern, Initiativen und Arbeitsgemeinschaften
Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick Kinder ab dem Schulalter und Jugendliche können hier – selbständig, mit Unterstützung oder in Begleitung von ehrenamtlichen und/oder beruflichen MitarbeiterInnen – individuell oder in Gleichaltrigengruppen – zum Zweck der Freizeit, Bildung und Erholung – einmalig, sporadisch, über einen turnusmäßigen Zeitraum oder für eine längere, zusammenhängende Dauer zusammenkommen und sich engagieren.“ (THOLE 2000, S. 23)
Während in der Zeit nach 1945 die politisch motivierte Erziehung der nachwachsenden Generation (Entnazifizierung) sowie Angebote für benachteiligte Jugendliche angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit im Vordergrund der Jugendarbeit standen, hat sich die Kinder- und Jugendarbeit heute zu einem allgemeinen, problemunspezifischen Freizeit- und Bildungsangebot entwickelt. Seit ihren Anfängen ist die Jugendarbeit einem emanzipatorischen Bildungsideal verhaftet, in ihrem Zentrum stehen die Persönlichkeitsentwicklung und die Ausbildung sozialer Kompetenzen. Vorrangig richtet die Jugendarbeit ihr Angebot an alle Kinder und Jugendlichen im Alter von sechs bis 27 Jahren. Gegenwärtig werden aber auch neue Zielgruppen unter sechs Jahren erschlossen. Die Jugendarbeit öffnet ihre räumlichen und personellen Ressourcen für kleinere Kinder mit oder ohne Begleitung der Personensorgeberechtigten (Mutter-Kind-Gruppen etc.), weshalb sich für das Arbeitsfeld heute auch die sprachliche Regelung „Kinderund Jugendarbeit“ durchgesetzt hat. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, auch Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, „in angemessenen Umfang einzubeziehen“ (§ 11 Abs. 4 SGB VIII). Allerdings variieren die Zielgruppen je nach inhaltlichem Schwerpunkt der Kinder- und Jugendarbeit. Zu den Schwerpunkten der Kinder- und Jugendarbeit gehören die – außerschulische Jugendbildung, – Jugendarbeit in Sportvereinen, – arbeits-, schul- und familienbezogenen Jugendarbeit, – internationale Jugendarbeit, – Kinder- und Jugenderholung, – Jugendberatung (vgl. § 11 SGB VIII). Die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit beinhaltet Angebote im Bereich der politischen, sozialen und kulturellen Bildung mit dem Ziel der Befähigung zur gesellschaftlichen Mitbestimmung, Selbstreflexivität und -bestimmung, Verantwortungsübernahme und Anregung bzw. Hinführung zu sozialem Engagement. Die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sollen an den Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen anknüpfen und von ihnen mitgestaltet bzw. selbst organisiert werden, sie werden freiwillig in Anspruch genommen (§ 11 SGB VIII). In diesem Zusammenhang spielt die „eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugendverbände“ eine wesentliche Rolle (vgl. § 12 SGB VIII). Die Kinder- und Jugendarbeit zeichnet sich durch eine heterogene Landschaft aus. Zunächst muss zwischen verschiedenen Handlungsfeldern unterschieden werden. Ganz allgemein lässt sich das Feld der Kinder- und Ju-
Zielgruppen der Kinder- und Jugendarbeit
Schwerpunkte der Kinder- und Jugendarbeit
Zielsetzungen der Kinder- und Jugendarbeit
Organisationsformen
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Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit
Offene Kinder- und Jugendarbeit
Kinder- und Jugendverbände
Trägerstrukturen von Jugendzentren
Rechtliche Grundlagen
gendarbeit in zwei Bereiche unterteilen: Verbandliche Kinder- und Jugendarbeit und Offene Kinder- und Jugendarbeit. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit richtet sich an alle Kinder und Jugendliche. Typische sozialpädagogische Einrichtungen sind Jugendzentren (z.B. Jugendfreizeitstätten bzw. -heime, Heime der Offenen Tür, Häuser der Jugend), Bauwagen und Abenteuerspielplätze. Daneben gibt es noch die mobile Jugendarbeit bzw. die aufsuchende Jugendarbeit, die einrichtungsunabhängig sind und sich an den Orten orientieren, an denen sich potenzielle Zielgruppen aufhalten (Geh-Struktur). Die „Offenheit“ dieses Handlungsfeldes besteht darin, dass die Struktur relativ „offen“ und unverbindlich ist. Die niedrigschwellige Kommstruktur der Offenen Kinder- und Jugendarbeit beinhaltet unterschiedliche Angebote (z.B. Gruppenarbeit, Cafe, Veranstaltungen, Außenanlagen sowie Angebote für unterschiedliche Altersgruppen) im Umfang bis zu ca. 30 Wochenstunden. Zudem beansprucht die Offene Jugendarbeit, offen für alle Kinder und Jugendliche zu sein, tatsächlich wird sie jedoch überproportional von 12- bis17-jährigen, männlichen, sozial benachteiligten Jugendlichen (oftmals mit Migrationshintergrund) besucht und genutzt (vgl. SCHMIDT 2009). Die Kinder- und Jugendverbandsarbeit dahingegen ist vereinsförmig organisiert. Kinder- und Jugendverbände richten sich überwiegend an die eigenen (Verbands-)Mitglieder und sind im Gegensatz zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit eher durch feste Gruppenstrukturen und eine kontinuierliche Teilnahme der Kindern bzw. Jugendlichen an den jeweiligen Gruppenangeboten gekennzeichnet. Darüber hinaus engagieren sich die Kinder- und Jugendverbände auf allen Gebieten der Kinder- und Jugendarbeit. Die Jugendorganisationen sind heterogen und zahlreich (ausführlich zu den Jugendverbänden vgl. Kap. 5.2). Betrachtet man das Feld der Kinder- und Jugendarbeit im Hinblick auf die Organisation Jugendzentren, so kann man nicht nur zwischen öffentlichen und freien Trägern unterscheiden, sondern auch zwischen den unterschiedlichen Formen freier Träger differenzieren. So werden 41% der Jugendzentren von öffentlichen Trägern, 17% von Jugendverbänden und -ringen, 12% von Wohlfahrtsverbänden, 7% von Initiativen, 6% selbstverwaltet und 19% der Einrichtungen in konfessioneller Trägerschaft erbracht (vgl. VAN SANTEN u.a. 2003). Ebenso wie die Kindertagesbetreuung ist auch die konzeptionelle Ausgestaltung der Kinder- und Jugendarbeit Ländersache. Grundlage für die Gestaltung der Kinder- und Jugendarbeit in den jeweiligen Kommunen sind die länderbezogenen Ausführungsgesetze, Förderrichtlinien sowie Landesjugendpläne, die gemeinsam mit den Landeshaushalten zur allgemeinen Förderung und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen verabschiedet werden. Im Gegensatz zu den Hilfen zur Erziehung und der Kindertagesbetreuung, bei denen es sich um individuelle Rechtsansprüche auf die jeweilige Hilfe handelt („Muss-Leistung“), ist die offene und verbandliche Kinderund Jugendarbeit als „Soll-Leistung“ in der Kinder- und Jugendhilfe verankert, d.h. es besteht kein individueller Rechtsanspruch auf eine der dargestellten Angebotsformen. Allerdings sind die Kommunen verpflichtet, Angebote und Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit vorzuhalten, in welchem Umfang bleibt jedoch politisch aushandlungsbedürftig.
Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick
Obwohl der Kinder- und Jugendarbeit neben der Familie und anderen Sozialisationsinstanzen in der Fachwissenschaft eine eigene Sozialisationsfunktion zugeschrieben wird (vgl. BÖHNISCH/MÜNCHMEIER 1987), stehen ihre Angebote und Leistungen immer wieder auf der politischen Agenda. Zum einen ist dies der angespannten Finanzlage der Kommunen zuzuschreiben, die nach Möglichkeiten der Einsparung suchen, zum anderen werden Qualität und Wirkungen der Kinder- und Jugendarbeit immer wieder angezweifelt. Neben der Kinder- und Jugendarbeit gibt es zudem die Jugendsozialarbeit, die als eine gezielte Förderung von sozial benachteiligten Jugendlichen bzw. individuell beeinträchtigten Jugendlichen im Übergang von Schule in die Ausbildung bzw. in den Beruf definiert werden kann (z.B. Schulsozialarbeit, Jugendberufshilfe). Zielgruppe der Jugendsozialarbeit sind danach junge Menschen, die „zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind“ (vgl § 13 SGB VIII). Die Benachteiligungen können z.B. in individuellen Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten, Schulverweigerung, aber auch in defizitären ökonomischen und familiären Rahmenbedingungen liegen. Die auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittenen berufs- und arbeitsfeldbezogenen Angebote haben das Ziel der Förderung und Unterstützung der schulischen Ausbildung oder der Integration in die Arbeitswelt. Angesichts der Erosion von Normalarbeitsverhältnissen und -lebensäufen, einem Ungleichgewicht am Ausbildungsstellenmarkt zuungunsten der jungen Menschen, hohen Arbeitslosenzahlen sowie sozialen Benachteiligungen von Jugendlichen aus bestimmten Schichten bestehen die sozialpädagogischen Hilfen der Jugendsozialarbeit auch in alternativen Gestaltungen des Schulbesuches und dem Erwerb von Schulund Berufsabschlüssen (vgl RÄTZ-HEINISCH/SCHRÖER/WOLFF 2009, S. 100; allgemein zur Jugendsozialarbeit vgl. FÜLBIER/MÜNCHMEIER 2002).
9.4 Allgemeine Beratungs- und Unterstützungsangebote Beratung und Unterstützung für Kinder, Jugendliche und ihre Familien werden zum einen in den hier näher ausgeführten Bereichen angeboten. Darüber hinaus gibt es Unterstützungsangebote die „nicht primär an individuell zu bestimmenden Defizitlagen“ (JORDAN 2005, S. 135) ansetzen, sondern als niedrigschwellige Angebote allgemein bereitgestellt werden. Hierzu zählt zum Beispiel die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie, die dazu beitragen soll, dass Eltern oder andere Erziehungsberechtigte ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen oder mit Konfliktsituationen besser umgehen können (vgl. § 16 SGB VIII). Mit diesen Regelungen zur Förderung der Erziehung in der Familie werden den Eltern im Hinblick auf ihr Grundrecht („Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ (vgl. Art. 6 GG) sozialpädagogische Hilfen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe angeboten. Zu den klassischen Angeboten zur Förderung der Familien gehören die
Kinder und Jugendarbeit in der öffentlichen Aufmerksamkeit
Jugendsozialarbeit
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Beratungs- und Unterstützungsangebote
Frühe Hilfen
Familienbildung, Familienberatung und Familienfreizeit bzw. -erholung. Alle Angebote beziehen sich auf die gesamte Familie mit dem Ziel, Eltern bei ihrem Erziehungsauftrag zu unterstützen, zu beraten und ggf. weiterführende Hilfen anzubieten. Vor allem die Familienbildung greift Themen auf, denen sich Familien in den unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen ausgesetzt sehen. Hierzu zählen Angebote zur Erweiterung der Handlungskompetenzen von Erziehungsberechtigten (z.B. Elternkurse, Elternführerschein) sowie die Vorbereitung auf ein späteres Zusammenleben mit einem oder mehreren Kindern. Einrichtungen, die in größerem Maße Fachkräfte für Beratungsangebote einstellen, sind die Familienbildungsstätten (vgl. TEXTOR 2008). Durch „Frühe Hilfen“ sollen Erziehungs- und Beziehungskompetenzen der Erziehungsberechtigten gefördert und verbessert werden. Frühe Hilfen spielen vor allem in der aktuellen Diskussion um den Kinderschutz eine große Rolle. Durch eine Kooperation von Fachkräften der Familienbildung, der Kindertagesstätten und dem Gesundheitswesen sollen Zugänge zu Familien in prekären Lebenssituationen und/oder mit erschwerten Erziehungsbedingungen eröffnet werden. Zielgruppen sind vorrangig werdende Mütter sowie Erziehungsberechtigte mit jüngeren Kindern (i.d.R. die Altersgruppe der Null- bis Dreijährigen). Hierzu sollen sich Fachkräfte aus dem Jugendhilfebereich und dem Gesundheitswesen vernetzen, um wirkungsvolle präventive Angebote umzusetzen. Gegenwärtige Probleme bestehen neben datenschutzrechtlichen Regelungen in den Kooperationsschwierigkeiten zwischen den Hilfesystemen (vgl. MEYSEN/SCHÖNECKER/ KINDLER 2009).
Folgende Fragen sollten Sie beantworten können, wenn Sie Kapitel 9 gelesen haben: – Auf welche Prozesse ist die Expansion und Ausdifferenzierung der sozialpädagogischen Arbeitsfelder zurückzuführen? – Welche Möglichkeiten zur Systematisierung der Handlungsfelder der Sozialen Arbeit gibt es? – Inwiefern können sich in interdisziplinären Arbeitsfeldern Problemlagen und Anforderungen für das System Soziale Arbeit entwickeln? – Was sind die jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen der Handlungsfelder (z.B. Kindertagesbetreuung, Hilfen zur Erziehung und Kinder- und Jugendarbeit)? – Welche aktuellen Entwicklungen vollziehen sich im Bereich der Kindertagesbetreuung? – Wie gestaltet sich der Entscheidungsprozess über die Hilfen zur Erziehung und welchen Stellenwert nimmt in diesem die Hilfeplanung ein? – Welche Formen der Hilfen zur Erziehung lassen sich unterscheiden? – Welche Zielsetzungen und Zielgruppen stehen im Fokus der Kinderund Jugendarbeit? – Worin unterscheidet sich die offene Kinder- und Jugendarbeit von der Jugendverbandsarbeit?
Sozialpädagogische Arbeitsfelder – ein Überblick
Weiterführende Literatur: Für einen allgemeinen Einblick in sozialpädagogische Arbeitsfelder: KRÜGER, HEINZ-HERMANN/RAUSCHENBACH, THOMAS (Hrsg.) (20064): Einführung in die Arbeitsfelder des Bildungs- und Sozialwesens. Opladen. CHASSÉ, KARL AUGUST/VON WENSIERSKI, HANS-JÜRGEN (20084): Praxisfelder der Sozialarbeit. Eine Einführung. Weinheim/München. Für eine allgemeine Einführung in die Kinder- und Jugendhilfe: RÄTZ-HEINISCH, REGINA/SCHRÖER, WOLFGANG/WOLFF, MECHTHILD (2009): Lehrbuch Kinder- und Jugendhilfe. Grundlagen, Handlungsfelder, Strukturen und Perspektiven. Weinheim/München. Eine Einführung in die pädagogische Betreuung in Kindertageseinrichtungen: ADEN-GROSSMANN, WILMA (2002): Kindergarten. Eine Einführung in seine Entwicklung und Pädagogik. Weinheim/Basel. Einführende Literatur für die Hilfen zur Erziehung: KRAUSE, HANS-ULLRICH/PETERS, FRIEDHELM (Hrsg.) (2002): Grundwissen Erzieherische Hilfen. Ausgangsfragen, Schlüsselthemen, Herausforderungen. Münster. BIRTSCH, VERA/MÜNSTERMANN, KLAUS/TREDE, WOLFGANG (Hrsg.) (2001): Handbuch Erziehungshilfen. Leitfaden für Ausbildung, Praxis und Forschung. Münster. Einführende Literatur zu Kinder- und Jugendarbeit: THOLE, WERNER (2000): Kinder- und Jugendarbeit. Eine Einführung. Weinheim/ München. DEINET, ULRICH/STURZENHECKER, BENEDIKT (Hrsg.) (2005): Handbuch Offene Kinderund Jugendarbeit. Wiesbaden. LINDNER, WERNER (Hrsg.) (2006): 1964–2004: Vierzig Jahre Kinder und Jugendarbeit in Deutschland. Aufbruch, Aufstieg und neue Ungewissheit. Wiesbaden.
10 Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten Angesichts der Vielfalt und der Heterogenität der Handlungsfelder ist eine allgemeine Festlegung von Personen oder Personengruppen, an die sich die sozialpädagogischen Dienste richten, nicht möglich. Als Adressatinnen und Adressaten von sozialpädagogischen Diensten werden potenzielle und/ oder schon in Arbeitsbeziehungen zur Sozialen Arbeit stehende Personen benannt. Die begrifflichen Bezeichnungen und Definitionen von potenziellen Adressaten bzw. Adressatinnen von sozialpädagogischen Diensten reichen von „Armen“, „Hilfeempfängern“, „Klienten“, „Konsumenten“, „Kunden“ oder „Nutzern“ (vgl. HAMBURGER 2003, S. 81ff.). Adressatinnen und Adressaten der sozialpädagogischen Dienste werden mit semantischen Konnotationen überzogen, die ihr Verhältnis zu den sozialpädagogischen Diensten nachhaltig beeinflussen. Gesellschaftliche und professionelle Einstellungen und Haltungen gegenüber denjenigen Menschen, die sozialpädagogische Dienste in Anspruch nehmen (könnten), konstruieren so den sozialen Status und die Rolle der Adressatinnen und Adressaten der sozialpädagogischen Dienste. Die Entwicklung und Propagierung einer neuen Zielgruppe ist jedoch keineswegs beliebig, sondern vielmehr ein Ausdruck gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse. Die institutionengeschichtliche Rekonstruktion der sozialpädagogischen Dienste zeigt dabei einen grundle-
Begriffsvielfalt
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Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten
Etikettierung der Adressatinnen und Adressaten
genden Wandel ihres Adressatenmilieus: Während den sozialpädagogischen Diensten zunächst die Aufgabe zukam, sich um die „Störfälle“ des gesellschaftlichen Systems zu kümmern, gehören heute je nach Lebenslage von Kindern, Jugendlichen und Familien erzieherische und/oder sozialpädagogische Unterstützungen durch Institutionen zum Alltag. In diesem Zusammenhang ist auch von einer „Normalisierung“ sozialpädagogischer Dienste die Rede (vgl. SEELMEYER 2008). Inwieweit und in welcher Form Hilfen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien durch sozialpädagogische Dienste angeboten werden, ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig. Die unterschiedlichen Etikettierungen, (Klienten, Zielgruppen, Adressaten, Kunden etc.) stehen für unterschiedliche Auffassungen von Aufgabe, Mandat und politischer Rolle und Funktion der Sozialen Arbeit. Veränderte sozialpolitische Rahmenbedingungen haben unterschiedliche Zugänge zu Ressourcen zur Folge, was für die Charakterisierung des sozialen Status von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien nicht ohne Konsequenzen bleibt. Aus der Perspektive der sozialpädagogischen Dienste wird dieser soziale Status sowohl durch die unterschiedlichen Ausprägungen und Fokussierungen auf formale Rechte und Pflichten der Familien und ihrer Kinder innerhalb der Gesellschaft geprägt (vgl. OLK 2007) als auch in der persönlichen Arbeit mit den Kindern, Jugendlichen und/oder Familien interaktiv erzeugt (vgl. THIERSCH 1995; FLÖSSER 1994; SCHAARSCHUCH 1998; DEWE/OTTO 2002).
10.1 Arme und Abweichende – Repression und Disziplinierung Armut und Abweichung
Die Repression und Disziplinierung von Menschen, die arm waren, aufbegehrten und nicht in vorgegebene Muster passten, prägten die Fürsorge bis Mitte des 20. Jahrhunderts und sind auch bis heute geregelte Bestandteile professioneller sozialpädagogischer Intervention. Der disziplinierende, mitunter auch repressive Eingriff in das Leben von anderen Menschen hat somit eine lange Tradition. Sein Ziel ist die Erziehung der Armen und die Resozialisierung der Abweichenden, die die gesellschaftliche Ordnung durch ihre Existenz materiell und sozial gefährden. Hintergrund war ein bestimmtes Menschenbild und dessen Durchsetzung im Zuge der Aufklärung (vgl. SACHßE/ TENNSTEDT 1980; WENDT 1990; HERING/MÜNCHMEIER 2003). Armut und Abweichung wurden hier ihres schicksalhaften Charakters entkleidet und der individuellen Verantwortlichkeit unterstellt. Insofern Armut und Abweichung nunmehr Ausdruck einer spezifischen individuellen Lebensführung wurden, erweiterte sich auch das fürsorgerische Tätigkeitsspektrum: Nicht allein die Versorgung und Verwahrung der Menschen, die nicht in der Lage waren, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten oder konforme Verhaltensweisen zu zeigen, oblag nunmehr der Fürsorge, sondern ihre Tätigkeiten wurden um erzieherische Interventionen ergänzt. „Die Armut als zentrales fürsorgerisches Problem wird in diesem Verständnis als materielle gesellschaftliche Unangepasstheit definiert, abweichendes Verhalten und Kriminalität gelten als kulturelle gesellschaftliche Unangepasstheiten, die bei Jugend-
Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten lichen, da sie sich noch im Entwicklungsprozess befinden, besonders behandelt werden („Verwahrlosung“), während sie sonst mit dem Begriff des „Asozialen“ gekennzeichnet sind“ (BÖHNISCH 2005, S. 15).
Klinisch-kurative Strategien der Personenänderung beherrschten unter dieser Perspektive die sozialpädagogischen Interventionen. Deutlich zu Tage trat die struktur-funktionalistische Bestimmung der sozialpädagogischen Dienste: Ihre Interventionen zielten darauf, gesellschaftliche Normen und Werte zu stabilisieren und somit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beizutragen. Deutlich wird dies auch an der Verwendung von Begriffskonstruktion wie beispielsweise „Abwendung einer Gefahr“ im Zusammenhang mit einer Erziehungsbeistandschaft (§ 55 JWG, zit. n. SCHNEIDER 1964, S. 198), was eher Assoziationen an eine polizeiliche, eingreifende Tätigkeit hervorruft oder an einen „Zögling“ in den Einrichtungen der Heimerziehung denken lässt, den es mit „Zucht und Ordnung“ zu erziehen gilt (vgl. WENSIERSKI 2006). Die theoretische Grundkonstruktion dieser Perspektive lag in der Funktionsbestimmung der Sozialen Arbeit als „Bewachung und Reproduktion von Normalzuständen bzw. Normalverläufen“ (OLK 1986, S. 6), was der Normanwendung und -durchsetzung gegenüber den Adressatinnen und Adressaten (soziale Kontrolle) im Konfliktfall höhere Relevanz einräumte als die Er- und Bearbeitung der subjektiv immer auch vorhandenen Gründe für den Normverstoß. Solche disziplinierenden und unterdrückenden Zustände in den sozialpädagogischen Diensten wurden im Zuge der sozialen Bewegungen der 1970er und 1980er Jahre (z.B. Heimkampagnen) skandalisiert, was den Adressatenstatus dahingehend veränderte, dass die zu erziehenden jungen Menschen und ihre Familien nunmehr nicht nur Objekt soziapädagogischer Interventionen waren, sondern in den sozialpädagogischen Organisationen und Professionen emanzipatorische und subjektorientierte Einstellungen und Haltungen Einzug hielten: – Leistung statt Eingriff – Prävention statt Reaktion – Flexiblisierung statt Bürokratisierung – Demokratisierung statt Bevormundung. Dieses Erbe der fürsorgerischen und disziplinierenden Tradition in den sozialpädagogischen Diensten findet sich jedoch auch in den aktuellen politischen, medialen oder akademischen Diskursen, in denen der Ruf nach repressiven Methoden und Maßnahmen als Bestandteil sozialpolitischer Lösungen für bestimmte Probleme (z.B. Arbeitslosigkeit und Armut) lauter wird. Die härtere Sanktionierung abweichenden Verhaltens – wie zum Beispiel im Falle mangelnder Leistungsbereitschaft oder bei Bagatellstraftaten – findet gegenwärtig wieder höhere öffentliche Akzeptanz.
„Reproduktion von Normalzuständen“
Perspektivenwandel
10.2 Max und Erika Mustermann – Normalität und Entgrenzung Die Konstruktion von Adressatinnen und Adressaten im Verhältnis zu den sozialpädagogischen Diensten lässt sich aus einer zweiten Perspektive unter
Individualisierung und Pluralisierung
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Max und Erika Mustermann – Normalität und Entgrenzung
Institutionelle Regulierungen
modernisierungstheoretischen Gesichtspunkten, die insbesondere Individualisierungs- und Pluralisierungsprozesse betonen, fassen. Mit Individualisierung ist der Prozess der „Herauslösung aus historisch vorgegebenen Sozialformen und -bindungen im Sinne traditioneller Herrschafts- und Versorgungszusammenhänge“, der „Verlust traditioneller Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswissen, Glauben und leitende Normen“ und die „Suche nach einer neuen Art der sozialen Einbindung“ (BECK 1986, S. 206) gemeint. Im Hinblick auf Kinder, Jugendliche und Familien bedeutete dies, dass sie aus ihren traditionell vorgegebenen sozialen Lebensformen herausgelöst werden. Lebensweltliche Kategorien, wie sie früher mit Klasse und Stand, Geschlechterrollen, Familie, Nachbarschaft usw. beschrieben wurden, lösen sich auf bzw. verlieren an Bindungskraft. Ebenso werden staatlich verordnete Normalbiografien, Orientierungsrahmen und Leitbilder brüchig. Die Folge ist ein Stabilitätsverlust innerhalb der Lebensweise. „An die Stelle von Ständen treten nicht mehr soziale Klassen, an die Stelle sozialer Klassen tritt nicht mehr der stabile Bezugsrahmen der Familie. Der oder die Einzelne selbst wird zur lebensweltlichen Reproduktionseinheit des Sozialen“ (BECK 1986, S. 209). Anders formuliert: Das Individuum muss sich selbst als Handlungszentrum, als „Planungsbüro“ (RAUSCHENBACH 1992b) in Bezug auf seinen eigenen Lebenslauf, seine Fähigkeiten, Orientierungen, Partnerschaften usw. begreifen. Diese „Risikogesellschaft“ (BECK 1986) setzt aber das Individuum als Akteur, Jongleur und Inszenator seiner Biografie, seiner Identität, seiner sozialen Netzwerke, Bindungen und Überzeugungen voraus („Bastelexistenz“). Das bedeutet auf der einen Seite eine „Erweiterung des Lebensradius“, einen „Gewinn an Handlungsspielräumen und Wahlmöglichkeiten“ (BECK-GERNSHEIM 1993, S. 127): Der Lebenslauf wird an vielen Punkten offener und gestaltbarer. Aber auf der anderen Seite kommen auf Kinder, Jugendliche und Familien in der modernen Gesellschaft neue institutionelle Anforderungen, Kontrollen und Zwänge zu, denn Individualisierung meint keine Freisetzung der Individuen aus strukturellen und institutionellen Vorgaben, sondern eine Ersetzung und Überlagerung älterer, kollektiver Institutionen (soziale Klasse, Kleinfamilie) durch neue, individualisierte Institutionen. Zwar impliziert die Individualisierungsthese neu gewonnene Freiheiten von Individuen, jedoch findet die Lebensplanung und Lebensführung nunmehr durch vorstrukturierte, in der Regel sozialstaatlich vorgegebene Optionen zur Lebensführung statt. Kennzeichnend für die Gesellschaftsstruktur ist, dass fortan die Institutionen die Lebensläufe von Kindern, Jugendlichen und Familien mitgestalten (allgemein zur institutionellen Regulierungen von Lebensläufen vgl. LEISERING/MÜLLER/SCHUMANN 2001). Vor allem durch sozialpädagogische Institutionen werden Kinder, Jugendliche und Familien nun in Netze von Regelungen, Maßgaben und Anspruchsvoraussetzungen eingebunden, die ihren Lebenslauf prägen. Damit wird der Einzelne immer nachdrücklicher und offensichtlicher von Verhältnissen und Bedingungen abhängig, die sich seinem Zugriff vollständig entziehen. „Vom Rentenrecht bis zum Versicherungsschutz, vom Erziehungsgeld bis zu den Steuertarifen: all dies sind institutionelle Vorgaben mit dem besonderen Aufforderungscharakter, ein eigenes Leben zu führen“ (BECK/ BECK-GERNSHEIM 1994, S.12).
Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten Die zunehmenden gesellschaftlichen Pluralisierungs- und Individualisierungsprozesse lassen den Bedarf an kollektiven und persönlichen Hilfeleistungen wachsen, die Risikoformen mildern, abfedern und bearbeiten und Folgen negativer Entscheidungen ausgleichen. Die Entgrenzung sozialer Risiken bedingt eine tendenzielle Universalisierung sowohl der Problemlagen wie der Adressatengruppen und lässt Soziale Arbeit zu einem unverzichtbaren Bestandteil allgemeiner sozialer Infrastruktur bzw. der sozialstaatlichen Grundversorgung der Bevölkerung werden. Für die Soziale Arbeit bringt diese Entwicklung eine Akzentverschiebung sowohl bei den Aufgaben (von unmittelbar materiellen Notlagen zu komplexeren psychosozialen Problemen) wie bei den Adressaten (tendenzielle Universalisierung) mit sich (CHASSÉ 1999, S. 148).
Wenn also in diesem Sinne die sozialpädagogischen Dienste zu einem Begleiter der Lebensverläufe des „Durchschnittsbürgers/der Durchschnittsbürgerin“ werden, sind disziplinierende, defizitorientierte Statuszuschreibungen des „Bürgers, den es zu erziehen gilt“, nicht hinreichend. Stattdessen entscheidet die aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Form kommunikativer Aushandlungsprozesse maßgeblich über das Gelingen oder Misslingen einer Hilfeleistung. Basis hierfür ist jedoch eine symmetrische Rollenkonstruktion innerhalb der Problembearbeitung, die in einer sozialen Beziehung zwischen Subjekt (Professioneller) und Subjekt (Adressat/ Adressatin) zum Ausdruck kommt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die sozialen Rechte von Bedeutung, die auf die Gewährleistung von Wohlfahrt und Sicherung (z.B. allgemeines Recht auf ein verfügbares Einkommen im Sinne eines Anspruchs auf „ein Leben als zivilisiertes Leben“ (MARSHALL 1992, S. 40) zielen. Die ersten Anspruchsrechte werden in der Absicherung gegen die typischen Lebensrisiken (Krankheit, Alter, Invalidität) institutionalisiert (zum Sozialsystem vgl. Kap. 4). Mit den Fürsorgegesetzen in der Weimarer Republik werden weitere Rechte auf soziale Grundversorgung sowie auf Gewährung von sozialen Hilfen in Notlagen verankert. Seitdem verfügen alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen, politischen und sozialen Stellung in der Gesellschaft, über die gleichen sozialen Rechte. Besonders mit der Ausdifferenzierung von sozialen Rechten seit den 1960er Jahren (z.B. Sozialhilfe) wird einerseits der Zwang zur Arbeit abgeschwächt und Lohnersatzleistungen werden im Falle der Bedürftigkeit gewährt, andererseits differenzieren sich die sozialpädagogischen Angebote und Maßnahmen aus und werden mit Rechtsansprüchen versehen. Der Adressat bzw. die Adressatin von sozialpädagogischen Diensten wird in diesem Kontext als „Hilfebedürftiger“ gesehen, dem ein einklagbarer Rechtsanspruch auf eine menschenwürdige Lebensführung zusteht. Hilfebedürftig sind danach Familien, die aus eigener Kraft oder unter zumutbarer Zuhilfenahme fremder Mittel auf Dauer oder vorübergehend nicht in der Lage sind, einen angemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten oder sozialpädagogische Lebenshilfen benötigen (vgl. SCHMIDT 2005, S. 84). Begründet wurde dies damit, dass ohne eine soziale Sicherung eine gleichberechtigte Teilnahme der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien an den Prozessen politisch-demokratischer Selbstbestimmung nicht möglich ist (vgl. MARSHALL 1992). Die sozialpädagogischen Dienste zielten hierbei auf bestimmte Normalitätsmuster, die durch den Ausbau formal-rechtlicher Leistungen gewährleistet werden sollten.
Entgrenzung sozialer Risiken
Ausbau sozialer Rechte
Klientel der Kinder- und Jugendhilfe
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Max und Erika Mustermann – Normalität und Entgrenzung „Neben der sich in dieser Entwicklung anzeigenden Entstandardisierung sozialer Risiken und deren gradueller Entkopplung von kontinuierlich problembelasteten Personengruppen und Lebenslagen verschwindet jedoch keineswegs das historisch als „klassisch“ anzusehende Klientel der Jugendhilfe: Im Gegenteil: Im Zuge der Zunahme risikobelasteter Situationen verschärfen sich für die marginalisierten, problembelasteten sozialen Milieus und Personengruppen die auszuhaltenden und auszubalancierenden sozialen Risiken“ (FLÖSSER u.a. 1998, S. 228).
10.3 Kunden und Könige – Konsum und Investment Kundenorientierung
Sozialpädagogische Dienste in der Kritik
Frage nach Verteilungsgerechtigkeit
Mit dem Einzug der Dienstleistungsorientierung in die sozialpädagogischen Dienste nehmen Forderungen nach einer stärkeren Kundenorientierung, die bislang im Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach sozialpädagogischen Dienstleistungen vernachlässigt war, zu (vgl. KGST 1992). Während es sowohl in der Güter- als auch in der Dienstleistungsproduktion kaum einen Produktionssektor gibt, der nicht regelmäßig differenziert Kundenwünsche und -zufriedenheiten erhebt, leisteten sich die sozialpädagogischen Dienste lange Zeit nichts dergleichen. Vielmehr sah es in der Vergangenheit so aus, als seien Fragen nach den Wunsch- und Zufriedenheitsaspekten von Adressatinnen und Adressaten der sozialpädagogischen Dienste, unzulässig, unanständig und irrelevant und könnten von daher tabuisiert werden. Ganz leicht ist dieses Argument auch nicht vom Tisch zu wischen, da es bei einer Vielzahl von Leistungen der Sozialen Arbeit nicht darum geht, Wünsche zu befriedigen oder zufriedene Adressatinnen und Adressaten zu erzeugen, dennoch bleibt der Verdacht, das es auch nicht unbedingt im Interesse der Anbieter liegt, genauere Informationen über ihre Nachfrager zu erhalten (vgl. SEIBEL 1994). Eine erneute Kritik an den sozialpädagogischen Diensten ließ nicht lange auf sich warten (vgl. Kap. 6). Zu den Ausstattungs- und Verteilungsproblemen im Zuge der sparpolitischen Restriktionen sowie Mindereinnahmen bei steigenden sozialstaatlichen Ausgaben treten Forderungen nach neuen fachlichen Strategien zur Bearbeitung sozialer Probleme. „Das der Sozialen Arbeit inhärente Dilemma, einerseits einen (sozial-)staatlichen Auftrag erfüllen zu müssen und andererseits (individuelle) Problemlagen durch kompetente Problembearbeitungen bewältigen zu wollen“ (OTTO 1991, S. 183), erforderte eine umfassende Planung und Entwicklung von Dienstleistungsangeboten, die nicht länger die Bedürfnisse, Interessen und individuellen Problemlösungskompetenzen der Adressatinnen und Adressaten strukturell missachten und gleichzeitig eine Ressourcenverschwendung vermeiden (vgl. FLÖSSER/OECHLER 2008). Kritisiert wurde, dass die staatlichen Reaktionen auf die zunehmende Individualisierung der Lebensführung und die Pluralisierung der Lebenslagen der Staatsbürgerinnen und -bürger durch den Ausbau und die Ausdifferenzierung von bedarfsorientierten personenbezogenen sozialen Dienstleistungen den „individuellen Müßiggang“ fördere (BUTTERWEGGE 2007, S. 136). Angesichts zunehmender Umverteilungsprobleme taucht die Frage nach einer gerechten Verteilung öffentlich finanzierter Güter nun verstärkt im Zusammenhang mit dem Kriterium der Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für ihre Lebensgestaltung auf. Da-
Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten
mit geraten prinzipiell alle Staatsbürgerinnen und -bürger potenziell in den Fokus staatlicher Hilfen und nicht länger ausschließlich diejenigen, die Hilfen in Notlagen und/oder zur Lebensbewältigung benötigten. Kritisch eingewendet wurde, dass die sozialpädagogischen Dienste die Selbstverantwortung der Adressatinnen und Adressaten öffentlicher Hilfen zerstören (Paternalismusvorwurf) und eine Anspruchshaltung erzeugen, die gerade sozioökonomisch schlechter situierte Bürgerinnen und Bürger dazu einlädt, trotz unterstellter Möglichkeit der Verantwortungsübernahme für die eigene Reproduktion, einer Einkommensverbesserung ohne Zutun entgegenzusehen (vgl. KERSTING 2003, S. 113). Die Gerechtigkeitsvorstellungen verschieben sich insofern, als nunmehr das Motto „keine Rechte ohne Verpflichtungen“ (GIDDENS 1999, S. 81) das Verhältnis von sozialpädagogischen Diensten und Kindern, Jugendlichen und Familien prägt. In dem politischen Konzept „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ aus dem Jahr 1999 wird auf die Selbstregulierungskräfte der Gesellschaft gesetzt. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen dazu aktiviert werden, „ihre Belange selbst zu regeln –und zugleich den Beitrag jedes Einzelnen zur Gestaltung seines eigenen und des gesellschaftlichen Lebens einfordern“ (SCHRÖDER 2000, S. 203). Dieser Forderung nach „Aktivierung von mehr Selbstverantwortung und Eigenvorsorge wie durch nachhaltige Sozialinvestitionen“ (DAHME/WOHLFAHRT 2005, S. 7) forciert ein anderes Adressatenbild. Kinder, Jugendliche und Familien werden nunmehr als „Konsumenten“, „Kunden“, „Gutachter ihrer eigenen Lebenswelten“ (PRIDDAT 2003, S. 393) bzw. als „Unternehmerische Selbst“ (BRÖCKLING 2007) gesehen. Diese z.T. der Ökonomie entnommenen Begriffe suggerieren eine Stärkung der Individuen gegenüber dem Staat bzw. den Anbietern sozialer Dienstleistungen. Kinder, Jugendliche und Familien werden als souveräne nachfragende Leistungsabnehmer von sozialpädagogischen Diensten gesehen. Die aktivierende bzw. sozialinvestive Sozialpolitik ist ein staatliches Steuerungsmodell, welches über effiziente Strukturen und die Stärkung von sozialen Rechten die Beziehung zwischen den sozialpädagogischen Diensten und den Familien im Sinne eines Wettbewerbsstaates neu modelliert (ausführlich vgl. Kap. 4.3). Sowohl die aktivierende als auch die sozialinvestive Sozialpolitik beinhalten „Strategien zur Herstellung bzw. Wiederherstellung individueller Wettbewerbsfähigkeit“ (DAHME/KÜHNLEIN/WOHLFAHRT 2005, S. 13). Beide sozialpolitischen Ansätze zielen auf die Vermeidung von Exklusion von Kindern, Jugendlichen und deren Familien. Jedoch unterscheiden sie sich in ihren Zielgruppen: Während Aktivierungspolitik primär Sozialhilfepolitik ist und sich weiterhin auf die klassischen Adressaten der Sozialen Arbeit (Arme) bezieht, wird mit der zunehmenden Durchsetzung einer investiven Sozialpolitik in diejenigen Adressatengruppen (z.B. Kinder) investiert, „die einen produktiven Beitrag zum ,Gemeinwohl‘ beizutragen haben“ (vgl. DAHME/KÜHNLEIN/WOHLFAHRT 2005). Der Denkfigur der Sozialinvestition geht eine Deformation des Gerechtigkeitsbegriffs voraus, wie sie von dem früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsiden Peer Steinbrück wie folgt auf den Punkt gebracht worden ist: „Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun: die lernen und sich qualifizieren, die arbei-
„Keine Rechte ohne Pflichten“
Kunden, Konsumenten
Subjektstärkung
Sozialinvestition in Kinder, Jugendliche und Familien
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Kunden und Könige – Konsum und Investment ten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die – und nur um sie – muss sich die Politik kümmern“ (STEINBRÜCK 2003, zit. n. BUTTERWEGGE 2007, S. 157f.).
„Jeder ist seines Glückes Schmied“
Das seit dem 1. Januar 2007 gezahlte Elterngeld als Lohnersatzleistung in Höhe von 67 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens (max. 1800 EUR pro Monat) ist eine der ersten sozialpolitischen Maßnahmen in Form materieller Hilfen. Ebenso kann der flächendeckende Ausbau der Kindertagesbetreuung hierzu gezählt werden. Als Grundlage für die Beziehung zwischen den sozialpädagogischen Diensten und Kindern, Jugendlichen und Familien ist nunmehr ein „Investitionsvertrag“ bzw. Leistungsvertrag konstruiert worden (zur Vertragsidee vgl. MAASER 2003). Grundannahme hierbei ist, dass im Sinne eines RationalChoice-Ansatzes davon ausgegangen wird, dass „jeder seines eigenen Glückes Schmied (ist)“ (EFFINGER 1995, S. 38) und sein Denken und Handeln an einer Nutzenmaximierung ausrichtet. „Dies setzt weitgehendes Wissen über den bzw. die Anbieter und seine/ihre Produkte sowie die Erreichbarkeit oder Zugänglichkeit von Informationen und Leistungen voraus. Der für funktionierende Märkte konstitutive Tausch von Leistung und Gegenleistung und der dadurch bedingte Wettbewerb unterschiedlicher Anbieter beruhen also auf informationsgesättigten Verhandlungen und Verträgen zwischen Anbietern und Nachfragern“ (EFFINGER 1995, S. 38).
Vertragsbeziehungen
Problematik des Kundenbegriffs
Unterstellt wird, dass Kinder, Jugendliche und Familien zwischen einer Auswahl an sozialpädagogischen Leistungen wählen können. Eine Marktund Wettbewerbsorientierung mit klar definierten Produkten eröffnet die Möglichkeit von Dienstleistungskontrakten, die zwischen dem öffentlichen Träger und den „Kundinnen und Kunden“ öffentlicher Leistungen abgeschlossen werden. Die Frage nach der Vertragsbeziehung gestaltet sich folgendermaßen: Durch die vertraglichen Regelungen kommt es zu einer Transparenz über das Ausmaß der Leistungen sowie Gegenleistungen, der Begrenzbarkeit von Ansprüchen und Erwartungen sowie der Festlegung des jeweiligen Verantwortungsbereichs. Die positiven Auswirkungen einer solchen Konstruktion von Adressatinnen und Adressaten liegen auf der Hand: Die den Adressaten im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis bisherige „schwache Position“ wird durch den internen Wettbewerb im sozialen Sektor insofern nachhaltig aufgewertet, da ihnen eine gewisse Marktmacht zugesprochen wird und sie von den Leistungsanbietern umworben werden. Damit erhalten sie prinzipiell den Status von Quasi-Kunden. Darüber hinaus eröffnet die Transparenz über bereitgestellte (qualitative) Leistungen und Dienste in Fällen der Unzufriedenheit mit der Leistungserbringung die Möglichkeit, sich bei einer geeigneten Stelle zu beschweren (z.B. Beschwerdemanagement). Neben dieser Privilegierung der Adressatenseite ist die Übertragung des Konsumentenmodells in die Soziale Arbeit aufgrund vieler prinzipieller Schwierigkeiten heftig umstritten und führte durch die Umbenennung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in „Kunden und Kundinnen“ öffentlicher Dienstleistungen zu kritischen Beiträgen der Begriffsverwendung.
Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten
Gerade für sozialpädagogische Dienste ist der Kundenbegriff, der sich aus dem marktwirtschaftlichen Prinzip der Preisbildung ableitet, kompliziert. Für die Soziale Arbeit sind mindestens vier Kundenbegriffe relevant: Kunden von sozialen Diensten können danach zum ersten die Auftraggeber sein, zum zweiten die Finanziers, drittens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und viertens die Kinder, Jugendliche und Familien (vgl. SCHWABE 1996). In der Regel fallen diese Kundenrollen auseinander, sodass die sozialpädagogischen Dienste mehrperspektivisch agieren und möglicherweise differierende Erwartungshaltungen austarieren müssen. Von entscheidender Bedeutung für die wertorientierten Ansätze ist jedoch, dass in den meisten Fällen derjenige, der die Leistung erhält, nicht dafür zahlt (vgl. hierzu auch OLK 1994, S. 29; ausführlich: WIDERSPRÜCHE 1994). Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass es bei den Diensten für Kinder, Jugendliche und ihre Familien einige sozialpädagogischen Dienste gibt, die nicht freiwillig in Anspruch genommen werden. Vielmehr sind öffentliche Dienstleistungen, und insbesondere öffentliche soziale Dienstleistungen, dadurch gekennzeichnet, dass staatliche Interventionen kaum vermeidbar sind.
Freiwilligkeit der Inanspruchnahme
„Führt man also in das Konzept der Kunden-Anbieter-Beziehung die öffentlichen wie die Drittinteressen und den staatlichen Zwang wieder ein, so sind viele der Spielräume privatwirtschaftlicher Außenbeziehungen und der dort geltenden Standards nur begrenzt übertragbar“ (BRINCKMANN 1995, S. 315).
Für die sozialpädagogischen Dienste weist dieses Grundproblem eine doppelte Zuspitzung auf: Einerseits sind sozialpädagogische Dienstleistungen durch die Koproduktion bei der Leistungserbringung gekennzeichnet, sodass die Leistungserbringung nicht allein von dem Leistungsanbieter abhängt, sondern ebenso von der Mitwirkungsbereitschaft und -fähigkeit der Adressatinnen und Adressaten. Eine weitere Problematik im Hinblick auf die souveräne und mit einer Wahlfreiheit bzgl. der Angebote ausgestattete „Kundin bzw. den Kunden“ besteht in einer strukturellen Asymmetrie zwischen Leistungsanbietern und -nachfragern innerhalb des Dienstleistungssystems. Diese Asymmetrie bezieht sich auf die Informiertheit über die verfügbaren öffentlichen Ressourcen immaterieller als auch materieller Art. So wissen Kinder, Jugendliche, aber auch Eltern oftmals nicht, welche Rechte sie bei der Inanspruchnahme von sozialen Leistungen haben. Eine rationale Auswahl zwischen den angebotenen Dienstleistungen setzt aber voraus, dass Kenntnisse und Fähigkeiten vorhanden sind, um zwischen verschiedenen Angeboten zu wählen (vgl. MERCHEL 1995). Zwar wird den Leistungsberechtigten in § 5 SGB VIII ein Wunsch- und Wahlrecht im Hinblick auf die sozialpädagogische Einrichtung eingeräumt und Kindern bzw. Jugendlichen und ihren Personensorgeberechtigten werden verschiedene Beteiligungsrechte (z.B. §§ 8, 36 SGB VIII) zugesprochen, jedoch laufen diese rechtlichen Regelungen insofern ins Leere, als die Einräumung von Wahl- und Beteiligungsmöglichkeiten unter den Rahmenbedingungen der Elternrechte stattfinden (allgemein zu Schwierigkeiten der Partizipation vgl. PETERSEN 1999; BERTELSMANN STIFTUNG 2007; PLUTO 2007). Damit ist zumindest für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nicht eindeutig identifizierbar, wer
Handlungsfähigkeiten der Adressatinnen und Adressaten
Mangelnde Informiertheit
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Kunden und Könige – Konsum und Investment
Spaltung der Sozialen Arbeit
Konsumentensouveräntiät
Stärkere Adressatenorientierung
„Kunde bzw. Kundin“ ist. Sieht man von den wenigen eindeutigen rechtlichen Regelungen ab, in denen Kindern eigene Rechtsansprüche (z.B. § 24 SGB VIII) zugesprochen werden, so spielen Kinder und Jugendliche innerhalb der Konstruktionen von Adressatenbildern kaum eine Rolle. Hinzu kommt, dass die Angebote und Maßnahmen oftmals für Kinder, Jugendliche und Familien schwer durchschaubar sind. Neben der Asymmetrie im Erbringungsverhältnis besteht eine Gefahr darin, dass sozialpädagogische Dienste sich tatsächlich nur noch auf die „Kundinnen“ und „Kunden“ beschränken, welche zahlungskräftige Nachfragerinnen und Nachfrager sind. Kundinnen und Kunden ohne Kaufkraft, also „Klientinnen und Klienten“, werden erst gar nicht bedient. Die Spaltung der Sozialen Arbeit inklusive der Spaltung ihrer Adressatinnen und Adressaten kann danach eine Folge der Kundenmetapher sein (vgl. GALUSKE 2008). Darüber hinaus aber widerspräche eine konsequente Missachtung der eingeschränkten Konsumentensouveränität dem sozialpolitischen Auftrag Sozialer Arbeit, der auf den Abbau von Benachteiligungen und Chancenausgleich abzielt. Die strikte Orientierung an den Ideen des Konsumerismus kann dazu führen, dass „(…) unabhängig von den vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten (…) den nicht zum Zuge gekommenen Gruppen die Verantwortung dafür, dass sie die ,Dienstleistungen‘ nicht ,nachgefragt‘ hätten, nun selbst zugeschoben wird“ (MAY 1995, S. 69). Gleichzeitig zeigt die Umsteuerung des bürokratischen hin zum dienstleistungsorientierten Organisationstypus auch positive Aspekte. Diese betreffen die Forderungen nach einem neuen Arrangement zwischen Professionellen und Adressatinnen und Adressaten der Hilfe- und Unterstützungsleistungen. Entsprechende Veränderungen beziehen sich u.a. auf die Ablösung des traditionellen fürsorgerischen (paternalistischen) Selbstverständnisses der Professionellen, das durch Variationen einer ExpertenLaien-Beziehung die Rolle des Adressaten als Klienten festschreibt (zur Kritik vgl. ILLICH u.a. 1979). Gefordert waren also Strategien gegen die Degradierung des „Klienten/Klientin“ zum Objekt fürsorgerischen Handelns. Dieser Diskurs ist in der Sozialen Arbeit keineswegs neu, subjektorientierte, lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist gerade mit Einführung des SGB VIII und dem Erscheinen des Achten Jugendberichts (vgl. BMJFFG 1990) auf der Tagesordnung der Kinder- Jugendhilfe ganz nach oben gerutscht. Begründungsmuster bezogen sich auf einen verstärkten Einbezug von Kindern, Jugendlichen und Familien, den Verzicht auf schematische Lösungen sowie die Einführung von individuell abgestimmten Hilfe- und Unterstützungsleistungen. Konkretisiert wurde dies mit der Individualisierung von Leistungen und der Subjektstellung von Kindern, Jugendliche und Familien im SGB VIII, sodass sie nicht länger Objekte staatlicher Maßnahmen sind, sondern ihnen subjektive Rechte im Rahmen der Inanspruchnahme sozialer Dienste zugesprochen werden (für die Kinder- und Jugendhilfe vgl. WIESNER 1991). Vor allem die Konzipierung von differenzierten Sozialleistungsangeboten in Form von familienersetzenden hin zu familienunterstützenden bzw. -ergänzenden Hilfen schreiben Beteiligungsrechte der betroffenen Familien explizit fest (zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vgl. § 8 SGB VIII, für die Hilfen zur Erziehung vgl. § 36 SGB VIII).
Sozialpädagogische Dienste und ihre Adressaten
Nichtsdestotrotz ist es bis heute nur in Ansätzen gelungen, dem Subjektstatus des Adressaten bzw. der Adressatin Geltung zu verschaffen. Diese Problematik wird erst in Ansätzen und sehr zaghaft thematisiert. Sowohl aus der Perspektive der sozialpädagogischen Dienste, aber auch aus der Perspektive von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Dienste lohnt eine Beschäftigung mit den Anforderungen, die die Kundenperspektive an die Organisationen der sozialpädagogischen Dienste stellt.
Subjektstatus der Adressatinnen und Adressaten
10.4 Forschungsbefunde Forschungen zu dem Verhältnis der sozialpädagogischen Dienste zu ihren Adressatinnen und Adressaten beschäftigten sich traditionell mit dem Konstrukt der „Bürgernähe“ unter den Aspekten der Erreichbarkeit von Infrastruktureinrichtungen sowie ihrer institutionalisierten Umweltorientierung (vgl. vor allem GRUNOW/HEGNER 1978; KAUFMANN 1979). Öffentliche Träger und das Nutzungsverhalten von Adressatinnen und Adressaten wurden systematisch im Hinblick auf die Kriterien ihrer „Publikumsausrichtung“ (ihrem Zielgruppenbezug und dem den Nutzern unterstellten Grad ihrer Bedürftigkeit) sowie der „Publikumsbezogenheit“ (d.h. den organisatorisch implementierten Strukturen bezüglich dieser Zielgruppenorientierung und des Grades der Bedürftigkeit) zueinander in Beziehung gesetzt. Erreichbarkeit und Publikumsausrichtung sind demnach notwendige Indikatoren für eine „bürgernahe“ Sozialadministration, erst die institutionelle Verankerung von adressatenbezogenen Organisationseinheiten schafft jedoch hinreichende Voraussetzungen. Herausgearbeitet wurde in diesen Untersuchungen ein kontra-faktisches Verhältnis der (Selbst-)Einschätzungen, Einstellungen und Orientierungen der Verwaltungsbeschäftigten zu ihren tatsächlichen Handlungsvollzügen. Dieses spiegelt sich in einem Gegensatz von administrativer Bedarfsdeckung und den Bedürfnissen der Adressaten und Adressatinnen, in einem Widerspruch der von der Verwaltung definierten Kontakt- und Leistungsanlässe zu den tatsächlichen Klientenanliegen, in den prozeduralen und resultatsbezogenen Komponenten einer mangelnden publikumsorientierten Organisationsstruktur, der Selektivität der Problemwahrnehmung sowie der Auswahl der Klientel wider (vgl. GRUNOW/HEGNER 1978; GULATI 1982). Prozesse institutioneller Redefinition von Problemlagen konnten darüber hinaus in den Interaktions- und Organisationsanalysen des spezifischen Verhältnisses von Sozialarbeiter/innen und Klientel bestätigt werden (vgl. WOLFF 1983). Dabei zeigte sich, dass die Interessen der Adressatinnen und Adressaten lediglich als Legitimationsbasis für die Bereitstellung sozialer Dienste (vgl. KAUFMANN 1977, S. 68) dienen, das aktuelle Angebot sich jedoch in einem Prozess politischer Bedarfsnormierung entwickelt, dessen Resultat in erster Linie das sozialpolitische Interesse an den Diensten repräsentiert und sich in festgeschriebenen Effizienz- und Effektivitätskriterien niederschlägt. „Solche Selektivität setzt die Transformation individueller Problemlagen in administrativ bearbeitbare Fälle voraus und scheidet der Tendenz nach Problemmaterien aus, die sich resistent gegen solche Transformationsprozesse verhalten“ (JAPP/OLK 1980, S. 70). Organisatorische und professionelle Eigenin-
Klassische Bürgernähe
Interaktions- und Organisationsanalysen
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Kunden und Könige – Konsum und Investment
Kriterium der Inanspruchnahme
Machtpolitische Analysen
teressen sogenannter klientenorientierter Bürokratien und der Zwang, gemäß den in der Verwaltung festgelegten Effizienzkriterien erfolgreich zu arbeiten, produzieren deshalb unterschiedliche Grade der Publikumsbezogenheit sowie der Publikumsorientierung und sind wesentlich für eine Selektivität der Inanspruchnahme verantwortlich (vgl. BLAU 1961; CLOWARD/EPSTEIN 1965; MAEDER/NADAI 2004). Der institutionell vorab definierte Bedarf orientiert sich dabei grundsätzlich an organisatorischen Erfordernissen, die selektive Wirkungen über ihre Anlassprogrammierungen und Zugangsbarrieren entfalten und so eine grundlegende Distanz zwischen den Produzenten und den Konsumenten der Dienstleistungen herstellen. Sozialadministrationen und ihre Adressaten stehen den Ergebnissen dieser Studien zufolge in einem relativ unvermittelten Verhältnis (vgl. KAUFMANN 1979, was in der Konsequenz zu einer Kritik an den sozialen Diensten führte (vgl. Kap. 6). Das Verhältnis von sozialpädagogischen Diensten und ihren Adressatinnen und Adressaten wird traditionell unter den Aspekten der Inanspruchnahme sozialer Dienste thematisiert. Im Vordergrund stehen hierbei Fragen nach der Nutzung der sozialpädagogischen Angebote, also nach der Selektivität der Angebote sowie der Implementation einer nachfragegerechten Angebotsstruktur. Eine Fokussierung auf die Adressatinnen und Adressaten in ihrer Rolle als Leistungsempfängerinnen bzw. -empfänger sozialpädagogischer Angebote bestimmte in der Vergangenheit das Erkenntnisinteresse einer adressatenorientierten Forschung in der Sozialen Arbeit. Abgeleitet aus der theoretischen sozialpädagogischen Diskussion der ausgehenden 1960er Jahre wurden Adressatinnen und Adressaten im Wesentlichen als Produkte von Institutionalisierungsprozessen der sozialpädagogischen Dienste gesehen. Insbesondere die Folgen der Institutionalisierung von sozialpädagogischen Angeboten für Kinder, Jugendliche und Familien werden seitdem im Hinblick auf die Ausbildung eines Klientenstatus immer wieder in den Blick genommen. In Anlehnung an klassische interaktionistische Theorien der sozialen Kontrolle wurden auch pädagogische Prozesse auf die ihnen inhärenten Formen der Rollenkonstitution und -zuschreibung hinterfragt, inspiriert v.a. durch die Stigmatheorie (vgl. GOFFMAN 1972) und den „Labeling approach“ (vgl. SACK/KÖNIG 1968; PETERS 1968; BRUSTEN/HOHMEIER 1975; LAMNEK 2007). Empirische Forschungen, die im engeren das Feld der Sozialpädagogik in den Blick nehmen, stellen hierbei das spezifische Interaktionsverhältnis zwischen Professionellen und „Klientinnen und Klienten“ in den Mittelpunkt (vgl. KNIESCHEWSKI 1976, JUNGBLUT 1983; CLOOS u.a. 2009; WITTKE/SOLS 2007). Mit dem Entwurf eines alternativen Professionskonzepts in den 1980er Jahren gewannen – im Gegensatz zu den machtpolitischen Diskussionen der 1970er Jahre – Fragen nach der Implementation einer nachfragegerechten Organisationsform an Bedeutung. Empirisch rückten während dieser Zeit z.B. Fragestellungen der „Institutionalisierungsformen sozialer Hilfen“ (OLK/OTTO 1987), der Bedürfnisgerechtigkeit, Bürgernähe oder Responsivität von sozialen Diensten (vgl. WINDHOFF-HÉRITIER 1987a) sowie direkte Untersuchungen zur Inanspruchnahme sozialer Dienste (vgl. WIRTH 1982) in den Vordergrund. Festhalten lässt sich für diese ersten Untersuchungen zu sozialpädagogischen Diensten, dass sie alle von einer Anbieterperspektive geprägt waren, die geeignete Organisationsformen entwickeln wollte und
Forschungsbefunde
dabei die Bedürfnisse, Einstellungen, Haltungen, Orientierungen sowie individuellen Problemlösungsstrategien und Ressourcen der betroffenen Kinder, Jugendlichen und Familien einschließlich deren Bedarf an sozialer Unterstützung vernachlässigten. Erst seit jüngerer Zeit scheint es nicht mehr abwegig, sozialpädagogische Dienste aus der Perspektive von Kindern, Jugendlichen und deren Familien zu betrachten (Nachfragedimension). Adressatenforschungen, die diese Nachfragebedingungen verstärkt in den Blick nehmen, thematisieren aber nicht nur die subjektiven Verarbeitungsweisen der Betroffenen, sondern setzen diese wiederum in Beziehung zu institutionellen Strukturen, Angeboten und Maßnahmen sowie professionellen Deutungsmustern der Professionellen (vgl. LÜDERS/RAUSCHENBACH 2005). Somit rückten in den letzten Jahren verstärkt biografisch orientierte Forschungen (z.B. vgl. BITZAN/BOLAY/THIERSCH 2006), Nutzerforschungen (vgl. OELERICH/SCHAARSCHUCH 2005) und Forschungen zu Sichtweisen der Adressatinnen und Adressaten in den Mittelpunkt (für den Bereich der Hilfen zur Erziehung vgl. WOLF 1999, BITZAN/BOLAY/THIERSCH 2006, PLUTO 2007; für den Bereich der Jugendarbeit: FAUSER/FISCHER/MÜNCHMEIER 2006a/2006b, CLOOS u.a. 2009; zur Kindertagesbetreuung: PEUKERT et al. 2010). Im Hinblick auf die gesellschaftliche Stellung und den Adressatenstatus von Kindern lässt sich festhalten, dass sie hinsichtlich ihrer Ansprüche an die vorhandenen politischen und gesellschaftlichen Ressourcen abhängig sind von den Aspirationen ihrer Eltern. Sieht man einmal von dem Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ab, erhalten Kinder wohlfahrtsstaatliche Leistungen überwiegend als abhängige Angehörige des Haushalts ihrer Eltern (vgl. KRÄNZ-NAGL/MIERENDORFF/OLK 2003). Darüber hinaus zeigen empirische Studien, dass die Mitwirkungen junger Menschen, sowohl in den sozialpädagogischen Diensten, aber auch in den Bereichen Familie, Schule und soziales Umfeld, gering ist (vgl. BERTELSMANN STIFTUNG 2004).
Was Sie wissen sollten, wenn Sie Kapitel 10 gelesen haben: – Wie kommt die Begriffsvielfalt für Adressatinnen und Adressaten zustande? – Welche Bilder von Kindern, Jugendlichen und Familien verbergen sich hinter den Perspektiven von „Armen und Abweichenden“; Max und Erika Mustermann und „Kunden und Königen“? – Worin liegt die Problematik des „Kundenbegriffs“? – Welche zentralen Kategorien bestimmen das Verhältnis von sozialpädagogischen Diensten zu ihren Adressatinnen und Adressaten?
Literatur zur Adressatinnen und Adressaten in der Sozialen Arbeit: Zur Konstruktion von Adressatinnen und Adressaten: MARSHALL, THOMAS H. (1992): Bürgerrechte und soziale Klassen. Zur Soziologie des Wohlfahrtstaates. Frankfurt a.M./New York. OLK, THOMAS (2007): Kinder im „Sozialinvestitionsstaat“. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 27, H. 1, S. 43–57.
Nachfrageorientierung
Kinder und ihre Rechte
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Kunden und Könige – Konsum und Investment Zur empirischen Kinder- und Jugendforschung: WORLD VISION DEUTSCHLAND E.V. (Hrsg.) (2007): Kinder in Deutschland. 2007; 1. World Vision Kinderstudie. Bonn. SHELL DEUTSCHLAND HOLDING (Hrsg.) (2006): Jugend 2006. Eine pragmatische Generation unter Druck. Frankfurt a.M. Zur Partizipation von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien: ABELING, MELANIE/BOLLWEG, PETRA/FLÖSSER, GABY/SCHMIDT, MATHIAS/WAGNER, MELISSA (2003): Partizipation in der Kinder- und Jugendhilfe. In: Sachverständigenkommission 11. Jugendbericht (Hrsg): Kinder- und Jugendhilfe im Reformprozess, Bd. 2, München, S. 225–309. OLK, THOMAS/ROTH, ROLAND (2007): Zum Nutzen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. In: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland. Entwicklungsstand und Handlungsansätze. Gütersloh, S. 39–57. Zur Adressatenforschung: OELERICH, GERTRUD/SCHAARSCHUCH, ANDREAS (Hrsg.) (2005): Soziale Dienstleistungen aus Nutzersicht. Zum Gebrauchswert sozialer Arbeit. München. BITZAN, MARIA/BOLAY, EBERHARD/THIERSCH, HANS (Hrsg.) (2006): Die Stimme der Adressaten. Empirische Forschung über Erfahrungen von Mädchen und Jungen mit der Jugendhilfe. Weinheim/München.
D Sozialpädagogische Dienste und Wissenschaft 11 Reflexive Zugänge Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass sich sowohl die Soziale Arbeit als Disziplin wie auch als Berufsfeld seit ihren Anfängen im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Produktionsbereichen explosionsartig vervielfacht hat. Gekoppelt an das Projekt der Moderne und den wohlfahrtsstaatlichen Ausbau profitierte sie überproportional von den staatlichen Anstrengungen der Regulierung der individuellen Daseinsvorsorge und der Bearbeitung sozialer Probleme. Dies schlägt sich in erster Linie in den gesellschaftlich aufgewendeten Kosten für und der Personalstruktur in den sozialpädagogischen Diensten nieder. Auch wenn dieser Trend heute deutlich verlangsamt ist, kann allen Unkenrufen zum Trotz das Ende dieser Erfolgsgeschichte noch nicht geschrieben werden. Gemessen an ihrer gesellschaftlichen Relevanz bleiben die Theoriebildung und Forschungsproduktion in der Sozialen Arbeit jedoch deutlich zurück. Erklärbar ist dies zum einen aus der Tatsache, dass die Disziplingeschichte der Sozialen Arbeit um einiges kürzer ist als ihre Berufsfeldgeschichte. Die Soziale Arbeit wird als Wissenschaft erst seit Ende der 1960er Jahre systematisch betrieben, vorher gab es lediglich vereinzelt universitär verankerte Stellen, deren Profil eindeutig auf die Soziale Arbeit zugeschnitten war. Zum anderen tragen aber auch die Ausdifferenzierung und das Wachstum der sozialpädagogischen Dienste selbst dazu bei, eine Theoriebildung zu erschweren. Entsprechend liegt heute eine Vielzahl von Einzelbefunden zu den Arbeitsfeldern, den beteiligten Professionen, den Trägern und Organisationen oder den Zielgruppen sozialpädagogischen Handelns vor, kaum einmal jedoch werden diese aufeinander bezogen, sie stehen relativ unvermittelt nebeneinander. Auch wenn die Forschungstätigkeit innerhalb der Sozialen Arbeit als durchaus rege beschrieben werden kann, führt die Flut an Einzelbeiträgen eher zur Unübersichtlichkeit als zu einer systematischen Ergänzung oder Modifikation des vorhandenen Wissenskanons. Einen weiteren Grund für die zum Teil disparaten Erkenntnisse liegt in den Verwendungskontexten der erzeugten Ergebnisse begründet.
11.1 Forschungstypen Aus einer metatheoretischen Perspektive lassen sich drei Forschungstypen in der empirischen Beschäftigung mit den sozialpädagogischen Diensten unterscheiden. Da sich alle drei Forschungstypen eines sozialwissenschaftlichen Forschungsinstrumentariums bedienen, können sie als wissenschaftlich klassifiziert werden. Allerdings unterscheiden sie sich im Hinblick auf
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Forschungstypen
die Adressatinnen und Adressaten ihrer Erkenntnisse und im Hinblick auf ihren Geltungsbereich. Im Folgenden wird unterschieden nach grundlagentheoretischen Arbeiten, die sich primär auf die disziplinäre Weiterentwicklung richten sowie Praxisforschungen, die ein im beruflichen Alltag auftretendes Problem zum Gegenstand ihrer Studien machen, deren Ergebnisse dann wiederum den beruflichen Alltag verändern (sollen) und jenen Forschungen, die als Politikberatung den politischen Entscheidern bei der Gestaltung sozialpolitischer Programme und/oder deren konzeptioneller Umsetzung in den sozialpädagogischen Diensten Forschungsergebnisse bereitstellen. Gegenstand aller Forschungsbemühungen ist i.d.R. die sozialpädagogische Praxis. (a) Grundlagentheoretische Forschungen Grundlagentheoretische Studien in der Sozialen Arbeit nehmen ein Problem in der Theoriebildung zum Anlass, um mit ihren Erkenntnissen das Fundament einer Sozialen Arbeit als wissenschaftlicher Disziplin weiter auszubauen. Hierzu können v.a. Forschungen gerechnet werden, die sich mit 1. dem der Sozialen Arbeit zugrunde liegenden Kategoriensystem beschäftigen. Zeitgeistabhängig, gespeist von öffentlichen, politischen, medialen, fachlichen u.a. Diskursen sieht sich die disziplinäre Soziale Arbeit fortlaufend mit einer Justierung ihres zugrunde liegenden begrifflichen Instrumentariums konfrontiert. Begriffe wie Hilfe, Kontrolle, Prävention, Bildung, Partizipation, Macht, Flexibilisierung etc. sind in dieser Perspektive erst einmal Formeln, die auf ihren Beitrag zur Erklärung konsistenter Denkmuster in der Sozialen Arbeit hinterfragt werden müssen. 2. wissenschaftshistorischen Fragestellungen beschäftigen, die die konstitutiven Elemente einer Sozialen Arbeit innerhalb des sozialen und gesellschaftlichen Wandels rekonstruieren. 3. Lebenslagen-, Lebensstil- und/oder Sozialraumanalysen befassen, die die dem Individuum zugeschriebenen Ressourcen und Kompetenzen als Voraussetzungen professioneller Intervention thematisieren. 4. professionstheoretischen Themen auseinandersetzen, deren Kern auf die reflexive Bearbeitung des Theorie-Praxis-Problems in der Sozialen Arbeit zielt. 5. organisationstheoretischen Überlegungen befassen, wobei zum einen die Besonderheiten in der Produktion sozialpädagogischer Dienstleistungen berücksichtigt wird, zum anderen das Verhältnis von Organisation und Profession als für die Soziale Arbeit konstitutives Gefüge im Zentrum steht. Der primäre Ort grundlagentheoretischer Forschungen sind die Universitäten, an denen ein Schwerpunkt „Sozialpädagogik“ besteht. Dies ist im Wesentlichen auf die Praxis der Forschungsförderung zurückzuführen. (b) Praxisforschungen nehmen im Gegensatz zur grundlagenorientierten Forschung ein in der konkreten sozialpädagogischen Praxis vorliegendes Problem zum Anlass, um die Ursachen des Problems zu erkennen, meistens aber auch darüber hinaus das Problem zu bearbeiten oder gar zu lösen. Ob und inwieweit die Erkenntnisse dieses Forschungstypus Eingang auch in die disziplinäre Beschäftigung finden, hängt davon ab, welche Generalisierungsfähigkeit dem zugrunde gelegten Problem und den Bearbeitungsfor-
Reflexive Zugänge
men zugesprochen wird. Verbreitet sind Forschungen in dem praktischen Verwendungskontext zu nachfolgenden Bereichen: 1. Forschungen im Rahmen von Sozialplanungs- und Berichterstattungsprojekten, die die lokale Landschaft an Angeboten und Leistungen sozialpädagogischer Dienste weiterentwickeln sollen, 2. Organisationsanalysen, die Schwachstellen innerhalb von Trägern und Diensten identifizieren sollen, 3. Interaktionsanalysen, die die Binnenkommunikation und -strukturen in den sozialpädagogischen Diensten untersuchen und die in der Regel als professionsorientierte Beiträge gelesen werden können, 4. Evaluationen, die Projekte, Dienste, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Prozesse u.a. auf den Grad ihrer Zielerreichung hin überprüfen. Die weitaus größte Zahl an empirischen Forschungen in der Sozialen Arbeit ist dem Typus der Praxisforschung zuzuordnen. Diese wird in erster Linie durch Fachhochschulen, universitäre Institutsausgründungen, Praxisberatungsinstitute oder Organisations- und Unternehmensberatungen getragen. Neben den Gütekriterien wissenschaftlicher Forschung zeichnet sich dieser Forschungstypus durch den praktischen Nutzen der erzeugten Ergebnisse aus. Oftmals gibt die sozialpädagogische Praxis solche Forschungen in Auftrag, zum Teil besteht aber auch ein professionelles Interesse seitens der Forschenden selbst an der Bearbeitung praktischer Probleme. (c) Forschungen zum Zwecke der Politikberatung Ebenfalls auf einen direkten Verwertungszusammenhang zielen Studien, die durch die gezielte Bereitstellung von Informationen zur Lösung politischer Probleme beitragen wollen. Die Ergebnisse solcher Forschungen sollten unmittelbar in die politische Entscheidungsbildung einbezogen werden und die Entscheidungsträger bei ihrer Meinungsbildung beraten. In diesem Fall müssen besonders hohe Standards eingehalten werden, da andernfalls schnell der Verdacht der „Meinungsmache“ auf der Hand liegt. Zwei Fälle der Politikberatung durch Forschung können dabei unterschieden werden: 1. Gesetzlich verankert gibt es eine Verpflichtung der regelmäßigen und kontinuierlichen Berichterstattung über die Angebote und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Berichterstattung erfolgt einmal in jeder Legislaturperiode und umfasst normalerweise zwei Teile: Ein Berichtsteil beschreibt die je aktuellen Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien, ein zweiter gibt Rechenschaft über die angebotenen Dienste und Leistungen sowie deren Qualität. Erarbeitet wird der Bericht von einer unabhängigen Expertenkommission, an der auch die Wissenschaft maßgeblich beteiligt ist. Der Umfang des Berichts ist unterschiedlich, jeder dritte Bericht bezieht sich auf das gesamte Spektrum der Kinder- und Jugendhilfe, die anderen Berichte sind arbeitsfeld- oder zielgruppenspezifisch (vgl. RICHTER/COELEN 1997). Auch die Bundesländer geben solche Berichterstattungen in Auftrag, mal werden diese von einer Expertenkommission, mal durch die Obersten Landesjugendbehörden selbst durchgeführt. Ergänzt werden diese Berichte durch Analysen, die beispielsweise von Wohlfahrtsverbänden als freiwillige Leistung – die ihrem anwaltschaftlichen Mandat der Interessenvertretung entspringt – vorgelegt werden (z.B. Armutsberichte).
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Forschungstypen
2. Es gehört mittlerweile zum politischen Stil, initiierte Reformvorhaben in Form neuer sozialpolitischer Programme umfangreich zu evaluieren. Programmevaluationen sind i.d.R. – aufwändig und werden arbeitsteilig vorgenommen. Der interdisziplinäre Charakter der Sozialen Arbeit tritt hier deutlich hervor.
11.2 Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste – ein Forschungsprogramm
Dimension einer Theorie sozialpädagogischer Dienste
Das vorliegende Buch vermittelt einen Überblick über den Forschungsstand in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den sozialpädagogischen Diensten für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Es unterstreicht aber genauso die Heterogenität der gewählten Zugänge zu dem Thema, die Vielfalt möglicher Perspektiven seitens der Forschenden, die Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den anfallenden Aufgaben und Problemen, sowie die Abhängigkeit der sozialpädagogischen Dienste von gesellschaftlichen Kontextbedingungen, die durch den Nachweis effizienter Problemlösungen, geeigneter Organisationen und qualifiziertem Personal ihre Existenz erst sichern. Eine konsistente Theoriebildung dagegen liegt bislang nicht vor und kann deshalb hier auch nur in ihren Grundrissen beschrieben werden. Einen solchen Grundriss haben Thiersch & Rauschenbach 1984 einmal für die Soziale Arbeit insgesamt entworfen. Ihr Beitrag „Theorie der SP/SA“ (Sozialpädagogik/Sozialarbeit, d.V.) fragt – nach der gesellschaftlichen Funktion der Sozialen Arbeit, wie sie sich in konkreten Problemlagen, Institutionen und Handlungsformen und im Verbund unterschiedlicher institutioneller Möglichkeiten äußert; – nach den eigenen Arbeitsansätzen, wie sie sich in den vielfältigen Institutionen und Handlungsmustern darstellen und wie sie nur im Kontext der modernen Sozial- und Verhaltenswissenschaften rekonstruiert und analysiert werden können, – nach den Lebensperspektiven von Adressaten, wie sie sich nach und vor dem sozialpädagogisch-institutionalisierten Zugriff für die Betroffenen darstellen, nach „gegebenen Lebenslagen“ (THIERSCH/RAUSCHENBACH 1984, S. 986). Auch eine Theorie sozialpädagogischer Dienste ist dieser allgemeinen Aufgabenstellung der Theoriebildung verpflichtet, da ihr Geltungsbereich jedoch deutlich eingeschränkter ist, also nicht die gesamte Soziale Arbeit umfasst, können die angesprochenen Dimensionen weiter präzisiert werden. Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste für Kinder, Jugendliche und ihre Familien beinhaltet dann im Kern Aussagen zu folgenden Bereichen: – zu den gesellschaftlichen, insbesondere den sozialpolitischen Kontextbedingungen, in denen sozialpädagogische Dienste agieren. – zu den Organisationsformen, die die sozialpädagogischen Dienste wählen und leben, insbesondere zu den Aspekten der Zielsetzung, Arbeitsteilung, der Gestaltung der formellen und informellen Sozialstruktur, der Offenheit oder Geschlossenheit gegenüber den organisatorischen Umwelten, ihrer Qualität und Wirksamkeit.
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– zu den in den Diensten existierenden Wissensbeständen, dem Können und den Haltungen der Professionellen, die im methodischen Arbeiten mit der Klientel, den Organisationen und den gesellschaftlichen Kontexten zum Ausdruck kommen. – zu den subjektiven Voraussetzungen professioneller Intervention durch die sozialen Dienste auf Seiten der beteiligten Akteure, zu ihren Qualifikationsniveaus, ihren Kompetenzen und ihren Ressourcen. Forschung zu gesellschaftlichen, insbesondere sozialpolitischen Kontextbedingungen Sozialpädagogische Dienste bewegen sich in dynamischen Umwelten, die den Aktionsradius sozialpädagogischer Interventionen ständig variieren. Sozialpädagogische Dienste, gebunden an den wohlfahrtsstattlichen Auf- und Ausbau, obliegen den je aktuellen gesellschaftspolitischen Strömungen und Ideen, die um die „richtige“ Konstruktion des Verhältnisses von Allgemeinheit (Gesellschaft) und dem Einzelnen konkurrieren. Dabei sind die sozialpädagogischen Dienste allerdings nicht nur Spielball gesellschaftlicher Einflüsse, sondern wirken ihrerseits auf die Umwelten ein. Diese reziproke Verhältnisbestimmung zwischen den sozialpädagogischen Diensten und ihren Umwelten erfordert kontinuierliche Analysen der öffentlichen Diskurse und politischen Entscheidungen, die jene Probleme, die von den sozialpädagogischen Dienste bearbeitet werden sollen, begleiten. Zu fragen ist hier insbesondere nach den hegemonialen Konstellationen, die über die Zuständigkeit der sozialpädagogischen Dienste für die Problembearbeitung entscheiden. Da die Soziale Arbeit insgesamt nicht über die Alleinzuständigkeit für ein öffentlich zu schützendes Gut verfügt (wie z.B. die Medizin für die Gesundheit oder die Justiz für die Rechtspflege), entfällt jede Eindeutigkeit in der Frage danach, wann und bis zu welchem Punkt sozialpädagogische Dienste für die Bearbeitung eines sozialen Problems verantwortlich sind. Dies wird in öffentlichen und politischen Diskursen ausgehandelt, mit und unter Beteiligung der sozialpädagogischen Dienste. Gerade an den Schnittstellen zu den enger definierten öffentlichen Gütern wie Gesundheit, Sicherheit, Gerechtigkeit, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Gleichstellung der Geschlechter etc. lassen sich die Spielräume möglicher Zuordnungen der Zuständigkeiten und der damit verbundenen öffentlichen Intentionen der Problembearbeitung rekonstruieren. Auch die sozialpolitische Verankerung der soziapädagogischen Dienste beflügelt die Heterogenität der beteiligten Interessen- und Akteurskonstellationen; prinzipiell verwoben sind die sozialpädagogischen Dienste mit allen Ressorts staatlicher Sozialpolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Gesundheitspolitik, der Familienpolitik, der Rentenpolitik usw. Studien zu den sozialpädagogischen Diensten für Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die die Prozesse des „agenda settings“ untersuchen und die Konjunktur und Etablierung eines öffentlich mit Aufmerksamkeit bedachten Themas bis hin zu einem sozialpädagogisch zu bearbeitenden Problem rekonstruieren, sind somit ein unverzichtbarer Baustein für die Erklärung der spezifischen Institutionalisierungsformen sozialer Dienste. Gegenstand dieser gesellschafts- und sozialpolitischen Forschungen sind Analysen öffentlicher Diskurse (z.B. Imageforschungen, Medienforschung,
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Forschungen zu beteiligten Teil- und Fachöffentlichkeiten, u.a. sozialen Bewegungen, Fachverbänden), deren Konkretisierung in politischen Vorhaben (policy-Forschung) sowie die politisch-praktische Umsetzung (politics) (vgl. WINDHOFF-HERITIÉR 1987b) der Forschungsergebnisse. Forschungen zu den Organisationsformen
Forschungen zu den Organisationsformen Die Implementation der für die sozialpädagogischen Dienste definierten Themen und Programme in den Organisationen variiert hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit und Regelungsdichte. Entsprechend müssen die institutionalisierten sozialpädagogischen Programmtypen nach ihrem Geltungsbereich und ihrer Reichweite unterschieden werden, kodifizierte Programme sind anders zu beurteilen als Modellprojekte, Empfehlungen oder Fachdebatten. Unterhalb dieser formalen Ebene zeichnet sich jedoch ab, dass die Organisationskulturen, insbesondere die mikropolitischen Prozesse innerhalb der Organisationen, einen nachhaltigen Einfluss auf die inhaltliche Umsetzung der Programmatiken haben. Die in den Organisationen ausgebildeten Interaktions-, Kommunikations- und Machtstrukturen prägen danach das professionelle Handeln, das sie selbst erzeugt hat, und haben Einfluss auf Form und Inhalt innerorganisatorischer wie organisationsübergreifender Interaktionen. Hiernach müssen neue Wege in den Organisationsanalysen beschritten werden, die die formalen Elemente von Organisationen (z.B. die Arbeitsteilung, die Hierarchiebildung, die Spezialisierung etc.) in Relation zu eben diesen mikropolitischen Prozessen setzen. Dies erweitert die Organisationsforschung zu den sozialen Diensten um fachliche Aspekte, weicht das klassische Spannungsfeld von Profession und Organisation tendenziell auf, da nunmehr auch die Organisationsstrukturen als Ergebnis professionellen Handelns interpretiert werden können. Sozialpädagogische Programme unterliegen in den sozialpädagogischen Diensten vielfältigen Transformationen und Anpassungsleistungen, die zwangsläufig Varianzen in der konkreten Umsetzung nach sich ziehen. Für die geforderten Qualitäts- und Wirksamkeitsnachweise bieten sich Erklärungsmodelle dieser Varianzen an.
Forschungen zu den Wissensbeständen, dem Können und den Haltungen der Professionellen
Forschungen zu den Wissensbeständen, dem Können und den Haltungen der Professionellen Die in den sozialpädagogischen Diensten agierenden professionell, beruflich und/oder ehrenamtlich/freiwillig Tätigen bilden ihrerseits eine je spezifische Kultur der Fachlichkeit aus. In diesen Fachkulturen werden Wissensbestände, Erfahrungen, Menschenbilder, politische und religiöse Überzeugungen u.a.m. zu einem informalisierten, dennoch routinisierten und hierdurch rekonstruierbaren Bündel an Dispositionen, die das methodische Arbeiten des sozialen Dienstes prägen, zusammengefasst. Dieses Set an Dispositionen lässt sich in konkreten Interaktionsanalysen der Professionellen mit den Adressatinnen und Adressaten, anderen Diensten und Trägern, aber auch mit der Öffentlichkeit und relevanten Politikbereichen rekonstruieren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn fachfremde oder von der Fachlichkeit bislang nicht thematisierte Anforderungen, transportiert über die sozialpädagogischen Programme, auf die Fachkulturen in den sozialpädagogischen Diensten treffen (z.B. in Form von Kosten-Nutzen-Be-
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rechnungen, Effizienzgeboten oder die Betonung der Kontrollfunktion von sozialpädagogischen Interventionen). Die hierdurch hervorgerufenen Irritationen der sozialpädagogischen Routinen führen zu Selbstvergewisserungen, die die ansonsten unhinterfragten Dimensionen fachlichen Selbstverständnisses offenlegen. Forschungen zu den subjektiven Voraussetzungen professioneller Intervention Sozialpädagogische Dienste knüpfen mit ihren Interventionsleistungen an die konkreten Lebensbedingungen ihrer Adressatinnen und Adressaten an. Da ihr Interventionsinstrumentarium immer als alltags- bzw. lebensweltnah beschrieben werden kann, sind Theoriebildung und Forschung gleichermaßen aufgerufen, die individuellen Lebensbedingungen der beteiligten Subjekte als Ausgangslage und Bezugspunkte institutioneller Interventionen zu betrachten. Dabei muss jedoch für die Lebensbedingungen der Adressatinnen und Adressaten als grundsätzliche Unterstellung gelten, dass diese einen Mangel bzw. ein Defizit aufweisen, um überhaupt die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme formeller Hilfe- und Unterstützungsleistungen zu erfüllen (z B. einen Mangel an Betreuung, Förderung, Bildung, Erziehung). Die von den sozialpädagogischen Diensten geforderten Transformationsleistungen eines individuellen Bedürfnisses in einen sozialpädagogisch zu bearbeitenden Bedarf steigert die tendenzielle Entkoppelung der Dienste von den Lebensbedingungen der Adressatinnen und Adressaten („Anbieterautonomie“), insofern, als die Kompatibilität der individuellen Bedürfnisse nach Hilfe- und Unterstützungsleistungen mit den Angeboten und Leistungen der sozialpädagogischen Dienste keine generelle Voraussetzung für eine Leistungserbringung darstellt. Dennoch bleibt die passgenaue Zuschneidung von Interventionsleistungen auf die Lebensbedingungen der Beteiligten, die Herstellung von „Responsivität“ (WINDHOFF-HÉRITIER 1987a) eine zentrale Herausforderung für die sozialpädagogischen Dienste, da ihr Einfluss auf die Motivation, die Erwartungen, die Akzeptanz und die Beteiligungsformen mittlerweile nachgewiesen wurden. Auch aus modernisierungstheoretischen Überlegungen heraus bleibt die Forderung nach differenzierten Analysen der Lebensbedingungen der an der Leistungserstellung Beteiligten eine zentrale Aufgabe, denn deren Kritik an der Erklärungskraft sozio-ökonomischer Determinanten für die Charakterisierung der Lebensbedingungen mündet in einer verstärkten Hinwendung zu kultur- bzw. milieutheoretischen Konzepten. Aus einer konstruktivistischen Perspektive heraus werden hier die lebensweltlichen Deutungsmuster, d.h. die sich in Handlungen und Entscheidungen manifestierenden Orientierungen und Einstellungen der Subjekte, zum Gegenstand des Interesses erhoben. Diese beinhalten immer auch Angaben zu den als selbstwirksam eingeschätzten Ressourcen und Kompetenzen der Beteiligten, die wiederum als Parameter in die Leistungserstellung einfließen. Damit rücken aber auch die informellen Unterstützungsleistungen der Netzwerke, Haushalte und Familien als „Produktivitätsreserve des Wohlfahrtsstaates“ (HEINZE/OLK 1982) in den Fokus der Analysen. Die informellen sozialen Netzwerke über Verwandtschaft, Nachbarschaft und Peer-Groups ermöglichen eine vorübergehende Erweiterung der Leistungsgrenzen von Haushalten
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bzw. Familien. Dabei bieten diese zivilgesellschaftlichen Assoziationen und kleinen Gruppen zwar keinen Ersatz für funktionierende Märkte und einen leistungsfähigen Staat, sie stellen mit ihren alltäglichen Mustern der Daseinsbewältigung und sozialen Integration jedoch komplementäre Institutionen der Sicherung dar (vgl. EVERS 1991) und sind so ebenfalls in Art und Umfang differierende Merkmale der individuellen Lebensbedingungen. Querschnittsaufgaben in der Forschung über sozialpädagogische Dienste
Querschnittsaufgaben in der Forschung über sozialpädagogische Dienste Die umrissenen vier Analyseebenen sozialpädagogischer Dienste für Kinder, Jugendliche und ihre Familien lassen sich unter forschungssystematischen Gesichtspunkten nur getrennt behandeln, für eine Theoriebildung liegt die Herausforderung darüber hinaus in der Betrachtung der Interdependenzen zwischen den Ebenen. Allerdings sind die skizzierten Forschungsperspektiven auf jeder Ebene schon hinreichend komplex, um weitere Forschungsaktivitäten anzuregen. Werden zudem als universalistische Kriterien für sozialwissenschaftliche Studien die Historizität und die Heterogenität des Forschungsgegenstandes anerkannt, die zumindest zu geschichtsbewussten, geschlechter- und ethnisch-kulturell differenzierenden Analysen zwingen, wird der Perspektivenreichtum innerhalb des Forschungsprogramms ersichtlich.
Multiperspektivität als Herausforderung
Multiperspektivität als Herausforderung Das Forschungsprogramm präjudiziert keine spezifischen sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden, sondern fördert das Nachdenken über ein angemessenes Set an methodologischen Zugängen. Auf allen Analyseebenen ist allerdings die zu wählende Kombination aus subjekt- und handlungstheoretischen sowie struktur-funktionalen Perspektiven Gegenstand der wissenschaftlichen Ausarbeitungen. Insofern werden durch das Forschungsprogramm auch wissenschaftstheoretische Erkenntnisse für die Sozialpädagogik befördert.
Interdisziplinarität als Herausforderung
Interdisziplinarität als Herausforderung Keine der vorgeschlagenen Analyseebenen lässt sich monodisziplinär bearbeiten. In diesem Fall ist dies jedoch nicht der Unzulänglichkeit der sozialpädagogischen Theoriebildung geschuldet, sondern verweist auf ein modernes Wissenschaftsverständnis, das auf der Anschlussfähigkeit sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse in unterschiedlichen Disziplinen gründet. Auf den meisten Ebenen verschmelzen damit erziehungs-, geschichts- und wirtschaftswissenschaftliche, soziologische, kriminologische und psychologische Facetten des Themas.
Internationalisierung als Herausforderung
Internationalisierung als Herausforderung Spätestens die Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft um vereinheitlichte, internationale Regelungen der sozialen Dienste (vgl. KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 2004, 2007) aber auch die beständigen Versuche einer Internationalisierung der Sozialpolitik durch Vergleichsstudien (vgl. OECD 2009) relativieren jede nationalstaatlich verengte Perspektive auf die sozialpädagogischen Dienste. Gerade die aktuellen internationalen Vergleichsstudien legen die Limitierungen der historisch gewachsenen Insti-
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tutionalisierungsformen sozialpädagogischer Interventionen offen, ihre Leistungsfähigkeit, aber auch ihre Grenzen treten unter Berücksichtigung anderer wohlfahrtskultureller Arrangements deutlich hervor.
Was Sie wissen sollten, wenn Sie Kapitel 11 gelesen haben: – Wie lauten die zentralen Dimensionen sozialpädagogischer Theoriebildung? – Zu welchen Bereichen sollte eine Theorie sozialpädagogischer Dienste Aussagen enthalten? – Welche Forschungstypen lassen sich unterscheiden?
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Register Adressatinnen/Adressaten 11, 17, 22, 24, 26ff., 57, 59, 66, 78f., 81, 84ff., 95, 102f., 105ff., 114, 125ff., 136ff., 140, 142, 144f. – Adressatenforschung 135ff. – Adressatenorientierung 79, 134f. Akademisierung 92ff., 101 Aktivierender Staat 47f., 56, 59, 81ff., 131 Alltagsorientierung 26 Altenhilfe 14f., 18, 59, 102, 114 Allgemeiner Sozialer Dienst/ASD 66, 79 Arbeiterwohlfahrt (AWO) 67, 70 Arbeitsbündnis 107f. Arbeitslosenversicherung 39, 41, 49 Armenfürsorge 32ff., 37ff. Armut 23, 32ff., 37ff., 54, 126f., 141 Ausbildung 13, 24, 80, 91f., 96f., 99ff., 118, 121, 123, 125 Beratung 9, 39, 46, 60, 66, 79, 86, 98, 102, 117ff., 121, 123ff., 140f. – Beratungs- und Unterstützungsangebote 117ff., 121, 123ff. Beruf 12f., 14, 16, 24, 37ff., 45, 55, 69, 71, 73, 80, 89ff., 95, 96f., 99ff., 101ff., 106f., 111, 116f., 120f., 123, 139f. – Berufsprofil 96, 99ff. – Verberuflichung Sozialer Arbeit 37ff., 90ff. Beteiligung 27f., 68f., 108f., 129, 133f., 137f. Bildung 13f., 17f., 23f., 37, 66, 69, 82, 90f., 94, 103, 112, 114ff., 120f., 124f., 140f., 145, 147 – Frühkindliche Bildung 114ff. Bürokratie 31ff., 56, 63ff., 68, 72, 75f., 78f., 80f., 86f., 91, 93, 98, 103, 134, 136 – Merkmale 75 – Bürokratisierung 32f., 39, 48ff., 57, 86, 127 Bürgerliche Frauenbewegung 90ff., 101, 113 Bürgerorientierung 63, 135f. Chancengleichheit 47, 63 Citizenship 18f. Demographischer Wandel 13ff., 47, 56 Deutscher Caritasverband (DCV) 67 Der Paritätische Wohlfahrtsverband 67, 72 Deutsches Rotes Kreuz (DRK) 67 Diagnose 111f. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW der EKD) 67 Dienstleistung 9f., 13f., 16f., 27f., 31, 46f., 51, 57ff., 60ff., 63, 67, 72, 79, 82ff., 88, 93, 97, 99, 107ff., 111f., 114, 117, 130ff. – Dienstleistungsorientierung 27ff., 31, 130ff. Disziplin 9, 23ff., 139ff., 146 Doppeltes Mandat 26, 104ff., 126
Dritter Sektor 52f., 61ff., 68ff. Ehrenamt 38f., 50, 68, 70, 73, 90, 100, 121, 144 Elberfeldersystem 38f., 63 Elterngeld 132 Ergebnisqualität 84f., 87 Erziehung 9, 11, 17, 23, 30, 35ff., 42, 49ff., 64, 69, 79, 86, 88, 91, 97, 103, 105f., 108, 113f., 115ff., 123f., 126ff., 134, 137, 145f. Erziehungsberatung 118f. Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer 118f. Erziehungswissenschaft 23ff., 26, 30, 94 Evaluation 88, 111, 141f. Expertokratie 57, 94, 107f. Fallorientierung 30, 102f., 108 Finalprogrammierung 51f., 78 Finanzierung 20, 40f., 45f., 49, 51, 53, 56ff., 71f., 75, 77, 82, 84, 87, 102, 116, 120, 130, 133 Flexible Hilfen 118 Förderalismus 52, 61, 63 Forschung in der Sozialen Arbeit 10, 23, 25, 28f., 68, 73f., 77, 80, 88, 95f., 97, 101f., 106f., 109, 125, 135ff., 139ff. – Forschungsperspektiven 68, 77, 88, 95f., 101f., 106, 109, 136f., 138, 143f. – Forschungstypen 139ff. Freiwilligkeit 37, 44, 52, 60, 68, 72f., 104, 119, 121, 133, 141, 144 Frühe Hilfen 12, 124 Funktion sozialer Dienste 17ff., 29ff., 142 Führungsstile 97f. Fürsorge 9, 23, 32ff., 34ff., 37ff., 44ff., 60f., 63ff., 91, 112f., 116, 126f., 129, 134 Gemeinnützigkeitsprinzip 68 Geschichte sozialpädagogischer Dienste 31, 32ff., 43, 48ff., 55, 63ff., 69ff., 90ff., 101, 110f., 112f., 120, 125ff., 139 Gesundheitsamt 63, 66 Governance 58 Handlungsformen 17f., 23, 29, 50, 52, 79f., 93f., 103, 107f., 110, 122, 129, 142 – Handlungskompetenz 18, 78, 80, 94f., 97, 124 – Handlungsmaximen 27, 87, 99 – Handlungsebenen 102 Heimerziehung 36, 113, 117ff., 120, 127 Helfende Beziehung 107ff. Hilfe 9, 12, 14, 16, 23, 26, 29ff., 32ff., 46, 48, 51f., 53f., 56, 60ff., 65f., 66, 68, 70f., 71ff., 74f., 79f., 85, 91, 94f., 101, 103ff., 109f., 112ff., 117ff., 122ff., 125f., 129f., 131f., 134, 136, 140, 145 Hilfe und Kontrolle 32, 38, 104ff., 113, 120, 140
Register Hilfen zur Erziehung/Erziehungshilfen 51, 86, 88, 97, 101, 106, 108, 114, 117ff., 122, 124f., 134, 137 Hilfeplanung/Hilfeplanverfahren 108, 118f., 124, 134 Individualisierung 18, 26, 39, 94, 112f., 127ff., 134 Inanspruchnahme Sozialer Dienste 14, 49, 54, 56f., 104, 107, 112, 117, 119, 133ff., 145 Integration 11, 14, 18, 27, 30, 36, 39f., 51, 66, 91, 93, 123, 146 Intensive Sozialpädagogische Einzelbetreuung 118f. Interaktionen 25f., 28, 30, 78f., 103, 106f., 109, 135f., 141, 144 Intermediäre Organisationen 9, 52, 56, 62, 68 Internationalisierung 47, 146f. Intervention 11f., 18f., 26, 29, 38, 44, 46f., 79, 87f., 94f., 102, 104, 106ff., 119, 126f., 133, 140, 143, 145ff. Jugendamt 12, 43, 63ff., 79, 105f.,119f. Jugendbericht 25f., 134 Jugendhilfe im Jugendstrafverfahren 114 Jugendhilfeausschuss 64f., 71 Jugendpflege 49, 69f., 79 Jugendpsychiatrie 114 Jugendsozialarbeit 120f., 123 Jugendverbände 67, 69ff., 121f. Jugendverbandsarbeit 120f., 122, 124 Jugendjustiz 114 Jugendzentren 122 Kausalprogrammierung 41, 51 Kinder- und Jugendarbeit 70f., 97, 115, 120ff. Kinder- und Jugendhilfe 9f., 19, 25, 41ff., 49, 51f., 57ff., 63ff., 71, 83, 88, 101, 113ff., 129f., 133f., 138, 141 – Ursprünge 41ff., 49, 51 Kinderschutz 12f., 49, 52, 64, 119f., 124 Kindertagesbetreuung 18, 36, 59, 112ff., 115ff., 120, 122, 124, 132, 137 Kindertagespflege 115ff. Kindeswohl 12f., 51f., 105f., 117ff. Kindeswohlgefährdung 12f., 105f., 117ff. Kommunalisierung 32ff. Kontrolle 11, 32f., 38, 68, 84, 89, 100, 104ff., 113, 120, 127f., 136, 140 Konzept 21ff., 37f., 45, 62, 75f., 78, 81, 83ff., 94, 97ff., 102, 107, 109ff., 113, 120, 122, 131, 133, 136, 140, 145 Korporatismus 48ff., 68 – Neokorporatismus 52f., 59 Kundenbegriff 81, 125f., 130ff., 136f. Landesjugendämter 66 Lebensführung 14, 24, 26ff., 33, 37, 88, 104, 126, 128f., 130 Lebenslauf 24, 113, 128 Lebensstandard 13, 49, 51 Lebenswelt 16, 19, 25ff., 31, 72, 86, 94f., 103f., 107f., 113, 128, 131, 134, 141, 145 Management 57ff., 74ff., 77ff., 84ff., 97ff., 102, 132 Managementmodelle 59, 74ff., 77ff., 84f., 89, 97f., 102, 132 Methoden der Sozialen Arbeit 101, 104, 106, 109ff., 113, 127
– Klassische Methoden der Sozialen Arbeit 110f. Modernisierung 11, 19, 26, 29, 43, 57f., 80f., 83, 99, 112, 117, 127f., 145 Mütterlichkeit (geistige) 90f., 101 Neokorporatismus 52f., 59 Neues Steuerungsmodell 57f., 81 Neuorganisation Sozialer Dienste 56ff., 66, 77ff. New Public Management 77ff., 87, 146f. Normalisierung / Normalität 17f., 29, 42, 105, 112f., 123, 126, 127ff. Offene Kinder- und Jugendarbeit 122, 124f. Ökonomisierung 35f., 43, 60 Öffentlichkeitsarbeit 11, 17, 57, 95, 99, 113ff., 120, 123, 143f. Organisation 12f., 19, 23ff., 30, 36, 41ff., 46ff., 54ff., 60ff., 73ff., 77ff., 85ff., 89, 91, 93ff.,102f., 104, 106, 110, 113, 115f., 121f., 127, 134ff., 139ff. – Definition 74 – Merkmale 60ff., 73f. – Organisationsentwicklung 77ff., 97ff. Pädagogisches Handeln 101ff., 107ff. – Paradoxien 88, 103ff. Pädagogisierung 32f. Partizipation 14, 27f., 36, 39f., 121, 133, 138, 140 Personal 11, 39, 62, 70, 77, 79ff., 87, 92f., 97ff., 102, 116, 139, 142 – Personalentwicklung 92, 97ff. Pflegekinderwesen 42, 118f. Pietismus 35ff. Prävention 12, 27, 30, 40, 66, 79, 86, 114, 127, 140 Praxisforschung 77, 88, 102f., 106f., 109, 136f., 140f. Profession 9, 12, 24f., 78f., 81, 89f., 93ff., 103f., 106, 127, 136, 139f., 144 – Autonomie 89f., 106f. – Merkmale 89f. – Professionelles Handeln 23, 26, 28, 78f., 81, 90, 94f., 101ff., 125, 137, 144 – Professionsforschung 95f., 101f., 106f., 109, 136, 140ff. – Professionsytypus 89f., 94f., 99 ff. Professionalisierung 48f., 70, 89ff., 103, 113 – alternative Professionalisierung 94f. Prozessqualität 84f. Qualität 9, 17, 57, 59f., 63, 72, 82ff., 91, 101, 107, 120, 123, 141f., 144 – Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung 59, 82ff., 89, 102 – Hintergründe 82f. – Qualitätsparameter 84 – (Akteure der) Qualitätsdiskussion 82ff., 85f., 88 Rationalisierung 32f., 75 Recht 18f., 25, 29f., 42ff., 48ff., 53ff., 57f., 60ff., 65f., 68, 78f., 83, 86, 90f., 100, 103, 105f., 108, 115ff., 131ff., 137, 143 – Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) 49f., 64 – Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) 41, 52, 58, 61, 63ff., 70f., 87, 105f., 108, 113ff., 133f. – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 48ff., 52, 106, 119
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Register – Sozialgesetzbücher 41, 51ff., 56, 58ff., 61, 63ff., 70ff., 87, 105, 108, 113ff., 123, 133f. Recht auf Erziehung 49, 105f., 119f., 137 Responsivität 84, 136, 145 Rettungshaus(-bewegung) 37 Rollenkonflikt 106 Sachleistungen 14, 16, 38f., 46f., 50, 60f., 71, 112, 114, 128, 132 Selbsthilfe 12f., 52, 56, 62f., 71ff., 94 – Selbsthilfebewegung 63 Solidarität 41, 53ff., 60 Sozialamt 63, 65 Sozialarbeitswissenschaft 23ff., 30 Sozialbudget 46, 114 Sozialenzyklika 55 Soziale Arbeit als Wissenschaft 21ff., 25, 29f., 77, 90, 92ff., 96f., 113, 123, 139f. Soziale Gruppenarbeit 110, 118f. Soziale Teilhabe 16, 17ff., 30, 41, 45, 51ff., 61 Soziale Sicherung 9, 13, 18, 30, 39ff., 44ff., 54f., 60, 63, 65, 92, 105, 112, 120, 129, 146 Sozialgesetzgebung 42f., 48ff., 56, 58ff., 60ff., 64, 67 Sozialhilfe 41, 47, 51f., 55, 58, 63, 65f., 80, 114, 129, 131f. Sozialinvestition 56, 131f., 137 Sozialpädagogik 9ff., 17, 19, 22f., 26, 30f., 34, 73, 84f., 88, 90ff., 95ff., 101, 104ff., 109, 112ff., 126f., 129, 136, 140, 142, 144, 146f. Sozialpädagogische Arbeitsfelder 18, 51, 61, 63f., 67f., 97, 104, 106, 109, 12ff., 125, 139 – Systematisierung der Arbeitsfelder 113ff., 119 Sozialpädagogische Familienhilfe 113, 118f. Sozialplanung 63f., 68, 102, 141 Sozialpolitik 9, 17ff., 27, 32ff., 44ff., 63, 68, 71f., 77ff., 80ff., 93, 102f., 105, 114, 117, 126f., 131f., 134f., 140, 142f., 146 – Sozialpolitik im internationalen Vergleich 44ff. Sozialstaat 11, 13, 16f., 28, 30, 32, 39, 44ff., 53ff., 60f., 80ff., 91, 128ff. – Sozialstaatsprinzip 53ff., 60 – Sozialversicherung 14, 39ff., 44ff., 56ff., 60ff., 78 Spezialisierung 48, 75, 79, 87, 91, 94, 103, 108, 113, 144 Staatliches Wächteramt 105f. Straßburgersystem 38f., 43, 63 Strukturprinzipien der Sozialen Arbeit 27f. Strukturelemente Sozialer Arbeit 10f. Strukturqualität 84f. Subjekt 14, 25f., 28f., 31, 72, 85, 87f., 95, 103f., 107ff., 127, 129, 131, 134f., 137, 143, 145f. Subsidiarität 41, 50, 53ff., 58ff., 61, 63, 67 – Subsidiaritätsstreit 55f., 60, 67 Tagesgruppe 118f.
Taylorismus 74ff., 87 Technik 90, 110f. Teilhabegerechtigkeit 18ff. Theorie (Sozialer Arbeit) 9f., 21ff., 32ff., 54, 73ff., 80, 88f., 94, 96f., 101, 136, 139f., 142, 145ff. – Dienstleistungsorientierung 27f., 31, 130 – Lebensweltorientierung 25ff., 31, 86 – Organisationstheorie 73ff., 87, 89, 99 – Subjekttheoretische Ansätze 28f., 31 – Systemtheoretische Ansätze 29f., 31 – Theoriebildung 10, 21ff., 76, 97, 139f., 142, 145ff. Träger(strukturen) 48, 50f., 52ff., 61ff., 66ff., 72f., 80, 82, 93f., 99, 105, 118, 120, 122, 132, 135, 139, 141, 144 – öffentliche 48, 50f., 52f., 55, 57ff., 61ff., 66f., 71f., 80, 82, 99, 105, 120, 122, 132, 135 – freie Träger 48, 50ff., 56ff., 61ff., 66ff., 72, 80, 99, 120, 122 – privat-gewerblich 50, 56, 58ff., 62ff., 67, 71f., 99 U3-Betreuung 116f. Uno-Actu-Prinzip 27ff. Verbände 34, 50, 52ff., 56, 58, 62f., 66ff., 71ff., 90f., 121f., 141, 144 Verein 35, 62, 66ff., 81f., 90f., 121f. Versorgung 35, 40f., 45ff., 49, 51, 60f., 117, 126, 128f. Verteilungsgerechtigkeit 130f. Verwaltungsreform 59, 77ff. – Neues Steuerungsmodell 57f., 81 Vollzeitpflege 118f. Wettbewerb 56ff., 62, 71, 81f., 85, 131f. Wirkungen sozialer Dienstleistungen 19, 82ff., 87ff., 104, 111, 120, 123 Wohlfahrtspluralismus 48ff., 62f. Wohlfahrtsstaat 17f., 37ff., 44f., 48, 56ff., 67, 137, 139, 145 Wohlfahrtsstaatsmodelle 44ff., 58ff. Wohlfahrtsverbände 50, 52, 56, 58, 66ff., 122, 141, 146f. Wunsch- und Wahlrecht 118, 133 Zentralisierung 27, 48ff., 67, 82 Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) 67 Zielgruppen 19, 26, 103, 113, 126, 131, 135, 139, 141 – Kindertagesbetreuung 116f. – Hilfen zur Erziehung 119 – Kinder- und Jugendarbeit 121f., 124 – Allgemeine Beratung und Unterstützung 123f. – Sozialhilfe 51, 65, 129, 131 Zielvereinbarungen 98, 108 Zweckprogrammierung 41f.