Einführung in die religiöse Erwachsenenbildung 9783534254989, 3534254988

Mit dieser Einführung legen die Autoren erstmals ein Lehrbuch für religiöse Erwachsenenbildung vor, das sich den neuen g

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German Pages [157] Year 2014

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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
Hinführung
Sozialwissenschaftliche, bildungswissenschaftliche, anthropologische und theologische Leitgedanken zur religiösen Erwachsenenbildung
1. Teil: Erwachsene im Kontext unserer Zeit
1.1 Was heißt „erwachsen"?
Dynamisierter Erwachsenenbegriff
1.2 Gesellschaftliche Transformation
Verknappung der Zeitressourcen, soziale Beschleunigung
Flüchtige Gesellschaft, flüchtige Moderne
Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens
Radikale Pluralisierung, Mehroptionalität
Führt Individualisierung notwendig zum Individualismus?
Säkularisierung der Lebenswelt
Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung.
1.3 Veränderung der Lebenswelt
Erwachsene Identität?
Patchwork der Identitäten – auch im Erwachsenenalter
Leben in Fragmenten
Welche Erwachsenen?
Milieus, in denen Erwachsene leben
Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung
1.4 Kirchliche Veränderungen, Transformationen der religiösen Landschaft
Entkirchlichung, Enttraditionalisierung
Säkularisierung der Gesellschaft und „Etwas-ismus"?
Freie religiöse und spirituelle Sinnangebote: Religion ohne Gott?
Pluralität der Religionen – Optionen des Christentums
Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung
2. Teil: Bildung und Lernen Erwachsener
2.1 Bildung angesichts gesellschaftlicher Transformation
Ökonomisierung der Bildung?
Integrierendes Verständnis von Bildung
Bildungstheorien für die Erwachsenenbildung
Bildungsgerechtigkeit, „bildungsferne Schichten"
Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung
2.2 Lebenslange Bildung, lebenslanges Lernen
Erweiterung des Begriffs Bildung durch weitere Begriffe
Lebenslanges Lernen – lifelong learning
Hirnforschung als Impuls für die Erwachsenenbildung
Identität als Bildungsaufgabe – auch im Erwachsenenalter
Biografie als „Dauerworkshop"
Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung
2.3 Ziele und Kennzeichen der Erwachsenenbildung
Mündigkeit – ein übergeordnetes Ziel
Bereiche der Erwachsenenbildung
Zielgruppenorientierung?
Professionalität
Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung
2.4 Dimensionen der Erwachsenenbildung
Bildung als Differenz
Bildung als Dialog
Ethische Dimension: Wertebildung
Politische Dimension
Kulturelle und ästhetische Bildung
Medienbildung
Bildung als Befreiung: partnerschaftlich-emanzipatorische Dimension
Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung
3. Teil: Religiöse Erwachsenenbildung in der „Flüchtigen Moderne"
3.1 Neukonzeption der religiösen Erwachsenenbildung als „Re-Kontextualisierung"
Das „Religiöse" der religiösen Erwachsenenbildung: verantwortlich leben in der Beziehung zu Gott
Das zugrunde liegende Menschenbild: der Mensch ist „gottbegabt"
Religiöse Erwachsenenbildung als „Re-Kontextualisierung"
3.2 Religiöse Erwachsenenbildung als „Unterbrechung"
„Zeit" – ein zentraler Faktor religiöser (Erwachsenen-)Bildung
Unterbrechung als theologische und religionspädagogische Kategorie
Unterbrechung: was und woraufhin?
3.3 Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung: Kleine geschichtliche Vergewisserung im Horizont der Re-Kontextualisierung
Jüdische und christliche religiöse Bildung war (und ist) immer auch Erwachsenenbildung
Religiöse Bildung Erwachsener in frühem Christentum, Mittelalter und beginnender Neuzeit
„Neugestaltung des Erbes": Entstehung der modernen jüdischen Erwachsenenbildung
Entstehung der modernen christlichen Erwachsenenbildung
Neuanfang und Aufschwung seit Mitte des 20. Jahrhunderts
Konzeptionelle Weiterentwicklung
3.4 Dimensionen und Perspektiven einer „zeit"-gemäßen religiösen Erwachsenenbildung
Individuelle, gesellschaftliche und kirchliche Verortung
Neue Vermessungen angesichts neuer „Zeit"-Diagnosen
Re-Kontextualisierung der religiösen Erwachsenenbildung im Blick auf das Individuum
Re-Kontextualisierung der religiösen Erwachsenenbildung im Blick auf Kirche und weitere Religionsgemeinschaften
Re-Kontextualisierung der religiösen Erwachsenenbildung im Blick auf die Gesellschaft
4. Teil: Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung und ihre didaktische Realisierung
4.1 Konzeptionelle Grundüberlegungen
Bildungsstandards und Kompetenzen
Konstruktivismus
Adressaten religiöser Erwachsenenbildung
4.2 Didaktik religiöser Erwachsenenbildung
Begriff der Didaktik in der Erwachsenenbildung
Offene didaktische Modelle
Religiöses Lehren und Lernen
Makrodidaktik – religionsdidaktisch reflektiert
4.3 Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung
Narrative, biografieorientierte religiöse Erwachsenenbildung
Unterbrechung als didaktische Kategorie der religiösen Erwachsenenbildung
Unterbrechen statt anbieten
Unterbrechungspotentiale
Didaktik der Unterbrechung
Salutogenetische religiöse Erwachsenenbildung
Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment
4.4 Institutionelle Begründung und Verankerung
Institutionelle Begründung religiöser Erwachsenenbildung
Institutionelle Verortung
Profildiskussionen religiöser Erwachsenenbildung
4.5 Ausblick
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
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Einführung in die religiöse Erwachsenenbildung
 9783534254989, 3534254988

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Ralph Bergold / Reinhold Boschki

Einführung in die religiöse Erwachsenenbildung

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Einbandgestaltung: Peter Lohse, Büttelborn

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-25498-9 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-73227-2 eBook (epub): 978-3-534-73228-9

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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HINFÜHRUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialwissenschaftliche, bildungswissenschaftliche, anthropologische und theologische Leitgedanken zur religiösen Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. TEIL: ERWACHSENE IM KONTEXT UNSERER ZEIT . . . . . . . .

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1.1 Was heißt „erwachsen“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamisierter Erwachsenenbegriff . . . . . . . . . . . . . .

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1.2 Gesellschaftliche Transformation . . . . . . . . . . . . . . Verknappung der Zeitressourcen, soziale Beschleunigung . Flüchtige Gesellschaft, flüchtige Moderne . . . . . . . . . Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens . . . . . . . . Radikale Pluralisierung, Mehroptionalität . . . . . . . . . . Führt Individualisierung notwendig zum Individualismus? . Säkularisierung der Lebenswelt . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung. . . .

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1.3 Veränderung der Lebenswelt. . . . . . . . . . . . . . . Erwachsene Identität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patchwork der Identitäten – auch im Erwachsenenalter. Leben in Fragmenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Erwachsenen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Milieus, in denen Erwachsene leben . . . . . . . . . . Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung. .

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1.4 Kirchliche Veränderungen, Transformationen der religiösen Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entkirchlichung, Enttraditionalisierung . . . . . . . . . . . . Säkularisierung der Gesellschaft und „Etwas-ismus“?. . . . . Freie religiöse und spirituelle Sinnangebote: Religion ohne Gott? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pluralität der Religionen – Optionen des Christentums . . . . Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung. . . . .

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2. TEIL: BILDUNG UND LERNEN ERWACHSENER . . . . . . . . .

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2.1 Bildung angesichts gesellschaftlicher Transformation. Ökonomisierung der Bildung? . . . . . . . . . . . . . Integrierendes Verständnis von Bildung . . . . . . . . Bildungstheorien für die Erwachsenenbildung . . . . Bildungsgerechtigkeit, „bildungsferne Schichten“ . . Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung.

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Inhalt

2.2 Lebenslange Bildung, lebenslanges Lernen . . . . . . . . . Erweiterung des Begriffs Bildung durch weitere Begriffe . . Lebenslanges Lernen – lifelong learning . . . . . . . . . . . Hirnforschung als Impuls für die Erwachsenenbildung . . . Identität als Bildungsaufgabe – auch im Erwachsenenalter . Biografie als „Dauerworkshop“ . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung . . . .

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2.3 Ziele und Kennzeichen der Erwachsenenbildung . . . Mündigkeit – ein übergeordnetes Ziel . . . . . . . . . Bereiche der Erwachsenenbildung. . . . . . . . . . . Zielgruppenorientierung? . . . . . . . . . . . . . . . Professionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung .

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2.4 Dimensionen der Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . Bildung als Differenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildung als Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ethische Dimension: Wertebildung . . . . . . . . . . . . . Politische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturelle und ästhetische Bildung. . . . . . . . . . . . . . Medienbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildung als Befreiung: partnerschaftlich-emanzipatorische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für die religiöse Erwachsenenbildung . . . .

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3. TEIL: RELIGIÖSE ERWACHSENENBILDUNG IN DER „FLÜCHTIGEN MODERNE“ . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.1 Neukonzeption der religiösen Erwachsenenbildung als „Re-Kontextualisierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das „Religiöse“ der religiösen Erwachsenenbildung: verantwortlich leben in der Beziehung zu Gott . . . . . . . Das zugrunde liegende Menschenbild: der Mensch ist „gottbegabt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religiöse Erwachsenenbildung als „Re-Kontextualisierung“

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73

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73

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3.2 Religiöse Erwachsenenbildung als „Unterbrechung“ . . . . . „Zeit“ – ein zentraler Faktor religiöser (Erwachsenen-)Bildung Unterbrechung als theologische und religionspädagogische Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterbrechung: was und woraufhin? . . . . . . . . . . . . .

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3.3 Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung: Kleine geschichtliche Vergewisserung im Horizont der ReKontextualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jüdische und christliche religiöse Bildung war (und ist) immer auch Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religiöse Bildung Erwachsener in frühem Christentum, Mittelalter und beginnender Neuzeit . . . . . . . . . . . . . „Neugestaltung des Erbes“: Entstehung der modernen jüdischen Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Entstehung der modernen christlichen Erwachsenenbildung . Neuanfang und Aufschwung seit Mitte des 20. Jahrhunderts . Konzeptionelle Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Dimensionen und Perspektiven einer „zeit“-gemäßen religiösen Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . Individuelle, gesellschaftliche und kirchliche Verortung . . . Neue Vermessungen angesichts neuer „Zeit“-Diagnosen. . . Re-Kontextualisierung der religiösen Erwachsenenbildung im Blick auf das Individuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Re-Kontextualisierung der religiösen Erwachsenenbildung im Blick auf Kirche und weitere Religionsgemeinschaften . . . . Re-Kontextualisierung der religiösen Erwachsenenbildung im Blick auf die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. TEIL: KONZEPTIONEN DER RELIGIÖSEN ERWACHSENENBILDUNG UND IHRE DIDAKTISCHE REALISIERUNG . . . . . . 4.1 Konzeptionelle Grundüberlegungen. . . . Bildungsstandards und Kompetenzen . . . Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . . Adressaten religiöser Erwachsenenbildung

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4.2 Didaktik religiöser Erwachsenenbildung . . . . Begriff der Didaktik in der Erwachsenenbildung Offene didaktische Modelle . . . . . . . . . . . Religiöses Lehren und Lernen . . . . . . . . . . Makrodidaktik – religionsdidaktisch reflektiert .

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4.3 Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung. . . . Narrative, biografieorientierte religiöse Erwachsenenbildung Unterbrechung als didaktische Kategorie der religiösen Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterbrechen statt anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterbrechungspotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Didaktik der Unterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Salutogenetische religiöse Erwachsenenbildung . . . . . . . Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment . . . . . .

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4.4 Institutionelle Begründung und Verankerung . . . . . . . . Institutionelle Begründung religiöser Erwachsenenbildung. Institutionelle Verortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Profildiskussionen religiöser Erwachsenenbildung . . . . .

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4.5 Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Religiöser Bildungsarbeit mit Erwachsenen kommt angesichts der zunehmenden Fragen und Suchbewegungen heutiger Menschen nach Religion und Orientierung sowie der derzeitigen Diskussionen über den Stellenwert von Religion in der heutigen Gesellschaft eine immer größere Bedeutung zu. Dennoch ist religiöse Erwachsenenbildung sicherlich nicht das Herzstück religionspädagogischer Reflexion und nimmt eher die Rolle eines „Stiefkindes“ neben dem Religionsunterricht als Geschwisterkind ein. Religiöse Erwachsenenbildung verstehen wir gleichzeitig als Beziehungsarbeit (Boschki) und als Unterbrechung (Bergold). Diese beiden Grundgedanken werfen ein neues Licht auf dieses religionspädagogische Handlungsfeld und rücken es wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei erfolgt eine Einbindung religiöser Erwachsenenbildung in zeitliche Kontexte und sie erfährt von daher eine neue religionspädagogische Reflexion. Die Dimension der Zeit und die Berücksichtigung heutiger Zeitdiagnosen (Flüchtigkeit, Beschleunigung, Pluralität etc.) führen zu einer Re-Kontextualisierung religiöser Bildung – was insbesondere für Erwachsenenbildung gilt. Das vorliegende Buch versteht sich nicht als eine reine Sammlung und Darstellung von bestehenden Konzeptionen, Ansätzen und Überlegungen zur religiösen Erwachsenenbildung, sondern stellt im Sinne einer Re-Kontextualisierung den Versuch eines neuen Nachdenkens über diese immer bedeutsamer werdende religiöse Bildungsarbeit dar. Die konzeptionellen Grundlagen dieses Buches entstanden während einer dreitägigen Denkzeit mitten im Schwarzwald. Die Ausstrahlung dieser Landschaft (bewaldete Berglandschaft mit Weitblicken), die Denkraum eröffnende Ruhe der Natur, die zu neuen Perspektiven anregenden gemeinsamen diskursiven Wanderungen im Gespräch und die unterbrechende Auszeit zum Sichten, Orientieren und Konzipieren bildeten – neben unserer Tätigkeit in Wissenschaft und Bildung – die Kontexte, in denen das vorliegende Buch entstanden ist. Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig der Einfluss von Kontexten auf religionspädagogisches Denken und Handeln ist. Wir danken herzlich allen, die an der Realisierung dieses Buches mitgewirkt haben, insbesondere den studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften der Universität Bonn, namentlich Anja Becker-Chouati, Andreas Menne, Lukas Ricken und Teodor Tabus. Sylvia Sokolowski, Universität Bonn, danken wir für unermüdliche und genaue Korrekturarbeiten am Text, Gabi Schupsky im Katholischen Sozialen Institut Bad Honnef für tatkräftige und sorgfältige Hilfen bei der Manuskripterstellung, Astrid und Carolin Kimmig für das Redigieren der Endfassung. September 2013

Ralph Bergold Reinhold Boschki

HINFÜHRUNG Wir leben in einer Zeit der rasanten Transformation: Gesellschaft, Politik und das ökonomische System verändern sich dramatisch – und mit ihnen Kultur, Religion und Kirchen. Auch die individuellen Lebensformen, die persönlichen Beziehungsmuster bis hin zur subjektiven Religiosität und Kirchlichkeit sind einem enormen Wandlungsprozess unterworfen. Mit all diesen Bedingungen verändert sich schließlich auch der Mensch in einem bislang nie gekannten Ausmaß und in unübertroffener Geschwindigkeit. Identität und Interaktion, Persönlichkeit und Kommunikation, das Ich in seinen Beziehungen zu sich selbst, zu anderen, zur Welt, zur Zeit und schließlich auch zu Gott bzw. zur Transzendenz stehen unter diesem enormen Veränderungsdruck, der alle Lebensbereiche umfasst. Wie nie zuvor sind die Menschen gezwungen, sich den immer rascher wandelnden Verhältnissen anzupassen bzw. sich darauf einzulassen – und zwar das ganze Leben lang! Die alte Binsenwahrheit „Der Mensch lernt nie aus“ hat sich in eine bisweilen schwierige Aufgabe, ja, einen lebenslangen „Dauerworkshop“ verwandelt, da wir unablässig gezwungen sind, uns weiter- und fortzubilden, stets den neusten Entwicklungen hinterher zu laufen, um immer „up-to-date“ zu bleiben. In unseren Zeiten gilt: Nichts ist so sicher wie die Veränderung! Lebenslanges Lernen, lebenslange Bildung sind Gebote der Zeit. Sie sind manchmal eine drückende Last, manchmal eine innovative Chance, in jedem Fall aber eine Herausforderung, der sich Gesellschaft, Bildungsinstitutionen und Individuen stellen müssen und dürfen. Was für den beruflichen Bereich gilt, gilt auch für den persönlichen: neue Kommunikationsmedien, laufend neue Computerprogramme und Techniken, veränderte Strukturen im Konsum-, Verwaltungs-, Gesundheits- und Freizeitwesen schaffen ständig neue Optionen, auf die man in irgendeiner Weise reagieren muss. Wer sie alle negiert, wird abgehängt, kommt nicht mehr mit, bleibt auf der Strecke. Auch der Bereich des Religiösen bleibt von dieser drastischen Veränderung nicht ausgenommen: Die persönliche Religiosität, Spiritualität, der eigene, individuelle Glaube, aber auch der „Markt der Religionen“ sowie die Institutionen, Kirche und Gemeinde, sie alle sind der Pluralisierung und Individualisierung, der Säkularisierung und Enttraditionalisierung ausgesetzt, sie stehen mitten im Prozess einer umgreifenden religiösen Transformation, die das Gesicht des einst „christlichen Abendlands“ enorm verändert hat und weiterhin rasant verändern wird. Vor dem Hintergrund dieser knappen Stichworte zur Situation unserer Zeit lautet die Ausgangsthese dieses Buches: Menschen können den radikalen Veränderungen in Gesellschaft, Umwelt und Religion nur dann standhalten und sie sogar mit positivem Gewinn für ihr Leben gestalten, wenn sie sich einem lebenslangen Bildungsprozess aktiv und kreativ stellen – auch und gerade in religiöser Hinsicht. Diesen lebenslangen religiösen Bildungsprozess zu beschreiben, seine Bedingungen aufzuzeigen, wesentliche Inhalte zu umreißen, um schließlich

lebenslanges Lernen notwendig

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Hinführung

Handlungsperspektiven für die konkrete religiöse Bildung Erwachsener zu entwickeln, dazu dienen die folgenden Ausführungen. Sie sind in vier große Teile gegliedert: 1. Erwachsene im Kontext unserer Zeit 2. Bildung und Lernen Erwachsener 3. Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“ 4. Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung und ihre didaktische Realisierung

SOZIALWISSENSCHAFTLICHE, BILDUNGSWISSENSCHAFTLICHE, ANTHROPOLOGISCHE UND THEOLOGISCHE LEITGEDANKEN ZUR RELIGIöSEN ERWACHSENENBILDUNG

Transformation

Alle vier Teile des vorliegenden Buches sind verbunden und durchzogen von inhaltlichen Leitgedanken, die wir in diesem hinführenden Abschnitt kurz erläutern, um sie dann in den weiteren Kapiteln und Teilen immer wieder aufzugreifen, auszuführen und an konkreten Themen und Beispielen „durchzubuchstabieren“. Die Leitgedanken des Buches sind sozialwissenschaftlicher, bildungstheoretischer, anthropologischer und theologischer Natur, und haben allesamt enorme religionspädagogische Konsequenzen. Religiöse Erwachsenenbildung im 21. Jahrhundert muss angesichts der gesellschaftlichen, individuellen und religiös-kirchlichen Transformationen neu konzeptualisiert, d. h. theoretisch durchdacht und in praktische Konzeptionen umgesetzt werden. Denn der „moderne“, genauer gesagt „postmoderne“ Mensch steht heute in neuen veränderten Kontexten, die Fragen nach Kohärenz, Sinn, Wahrheit, Identität und Orientierung aufwerfen, die mit den Antworten aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Bildungsprozessen und -arrangements nicht zufriedenstellend bearbeitet werden können (Ziegler/Bergold 2012). Hier ist neu nach Korrelation, Lebenswelt, Lerntyp, kulturellen und gesellschaftlichen Milieuprägungen, nach Bildungsinhalten, Bildungszielen und Bildungs- bzw. Lernwegen zu fragen. Das kann allgemeiner und religiöser Erwachsenenbildung nur dann gelingen, wenn sie folgende Leitgedanken reflektiert und zum Ausgangspunkt einer konstruktiven Erneuerung macht:

Die Zeit, in der wir leben, ist die der „flüchtigen Moderne“

flüchtige Zeiten

Das individuelle Empfinden der Menschen ebenso wie soziologische Analysen der gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesse lassen das Phänomen der „Beschleunigung“, der immer schneller rasenden Abläufe von biografischen, sozialen und beruflichen Handlungsmustern, erkennen (Rosa 2012). Die Zeit scheint uns durch die Finger zu gleiten. Wir haben keine Zeit mehr, obwohl wir ständig Zeit sparen und gewinnen. In unserer Alltagswelt scheint nichts mehr auf Dauer angelegt zu sein, alles soll rasch durch etwas Neues, Besseres, Effizienteres ersetzt werden. Produkte, Arbeit, sogar die menschlichen Beziehungen unterliegen einer gezielten Kurzfristigkeit, die Welt scheint beherrscht von einer Mentalität der kurzen Dauer. „Flüchtigkeit“ wird zur Schlüsselmetapher der Spät- oder Postmoderne, in der wir leben (Bauman 2011, 2008, 2003). Immer öfter und immer länger bewegen wir uns in digitalen, virtuellen Räumen, die sich jedoch stets neu konstruieren

Hinführung

und im Nu verändern. Der Mensch ist gezwungen, den rasanten Entwicklungen hinterher zu laufen, seine Flexibilität, Mobilität werden beschworen und gefordert. Er soll sich stets alle Optionen offen halten, in alle Richtungen denken und leben. In einer unruhigen Zeit wird der Mensch mehr und mehr zum unruhigen Pilger, ein Pilger jedoch, der sein Ziel nicht genau kennt, es immer wieder aus den Augen verliert und stets neu definieren muss.

Die Identitätskonstruktionen der Menschen heute verändern sich dramatisch – auch die religiöse Identität Die schnelle Abfolge der gesellschaftlichen Veränderungen hat unmittelbare Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Menschen. Die Wahrnehmung der Flüchtigkeit aller Lebensbezüge, selbst der individuellen Beziehungen, lässt Ängste entstehen und wachsen. Ungewissheit, Instabilität, Verletzlichkeit sind die verbreitetsten und zugleich schmerzhaft gefühlten Merkmale unserer Zeit. Unsicherheit wird zum Dauerzustand, da es scheinbar kaum noch Verlässliches gibt. Ein „Leben in Fragmenten“ ist die Konsequenz. Die Menschen heute fühlen sich „entbettet“ (Keupp 2008), sie haben keinen sicheren Ort mehr, an den sie sich zurückziehen oder es sich bequem machen könnten. Man wird nicht mehr in eine bestimmte Identität hineingeboren, sondern muss sie sich in Eigenleistung immer wieder neu erarbeiten, neu formen, „in Heimarbeit“ selbst konstruieren. Der Prozess der Individualisierung bedeutet vor allem, dass das Ich dabei ganz auf sich alleine gestellt ist; die biografischen Verläufe werden nicht länger von außen durch familiäre oder gesellschaftliche Muster vorgegeben, sondern müssen individuell stets neu konstruiert werden. Identität ist keine Lebenslinie mehr, die sich, einmal gewonnen, konstant durch die Biografie zieht, sondern zerfällt in einzelne Fragmente, Patchwork-Flicken. Das gleiche gilt für die religiöse und allgemein weltanschauliche Orientierung. Längst gibt es keine allgemeinverbindlichen Vorgaben mehr, etwa durch Familie, Großinstitutionen, Staat. Die unermessliche Vielfalt an Optionen, wie man religiös-weltanschaulich denken und leben könnte, bringt weitere Unsicherheit und die Schwierigkeit, sich zu entscheiden, hervor.

Entkirchlichung, Enttraditionalisierung und Postsäkularität sind grundlegende Kennzeichen der religiösen Situation unserer Zeit Das Christliche Abendland ist Vergangenheit. Es sind lediglich Reste des Fundaments – manche sprechen auch von Ruinen – erkennbar, auf denen wir stehen oder einst standen. Prozesse der Säkularisierung sind in der gesellschaftlichen Realität unübersehbar, auch ein deutlicher Rückgang der Bedeutung von Kirche und Tradition im öffentlichen Leben und in der individuellen Lebensführung. Die grundlegenden Entscheidungen in der Biografie der Menschen werden nicht mehr durch religiöse Motive festgezurrt, allenfalls noch religiös überhöht (Taufe als Familienfest, Hochzeit in Weiß als Traum vom Glück). Dennoch kann die These von der allgemeinen Säkularisierung, d. h. der Verweltlichung aller Lebensbereiche in der immer moderner werdenden Gesellschaft, nicht gehalten werden (u. a. Joas 2012, S. 13–85). Denn der Bereich des Religiösen, die religiösen Such- und Ange-

unsichere Identitäten

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14

Hinführung

religiöse Transformation

botsmuster haben sich aus den traditionellen Institutionen herausgelöst und in einen gigantischen Supermarkt verlagert, der religiöse „Waren“ bereithält. Dort suchen und finden viele Zeitgenossen die Befriedigung ihrer individuellen religiösen Bedürfnisse, wie sie speziell zu ihnen passen, wie sie aber auch flexibel sind und jederzeit verändert bzw. ausgetauscht werden können. Auf der anderen Seite werden die „offiziellen“ Religionen heute als dominierende Faktoren in sozialen Konflikten wahrgenommen: In der eigenen Gesellschaft (Streit um Moscheebauten, Kopftuch etc.) und weltweit scheinen religiöse Überzeugungen bis hin zu religiösem Fanatismus, religiös motiviertem Hass und religiöser Gewalt gegen Andersgläubige auf dem Vormarsch. Die religiöse Situation unserer Zeit ist geprägt von einer unwahrscheinlichen Vielfalt, von enormen Ambivalenzen und daher von einer besonderen Unübersichtlichkeit.

Der christliche Glaube sieht sich vor der Herausforderung einer neuen, umfassenden „Re-Kontextualisierung“

völlig neuer Kontext

Will sich das Christentum in der Flut religiöser Sinnangebote behaupten, um die frohe Botschaft von Jesus Christus und dem menschenfreundlichen, rettenden Gott auch in der technisierten, fragmentierten, individualisierten und radikal pluralen Welt weiter zu geben, muss es sich auf neue Weise der Zeit und ihren Bedingungen stellen. Nicht eine oberflächliche Anpassung, sondern eine echte Profilierung ist gefragt. Voraussetzung dazu ist, dass sich christlicher Glaube auf den veränderten gesellschaftlichen Kontext einlässt, bereit ist, sich fundamental zu erneuern, ohne seinen ureigenen, im Evangelium grundgelegten Kern preiszugeben. Sich im Kontext der „flüchtigen Moderne“ neu zu definieren, sich auf die Menschen und ihre Zeit radikal einzulassen und sich damit als christlicher Glaube aktiv in einem neuen Kontext zu positionieren, dies bezeichnen wir als Prozess der „Re-Kontextualisierung“ (Boeve 2012, 2007, 2003), der Neuwerdung im gesellschaftlichen Gewebe der aktuellen Zeit. Dazu muss sich das Christentum in seiner dialogischen Existenz auf neue Weise entdecken. Nur im Dialog, in konstruktiver Auseinandersetzung mit anderen Religionen und Weltanschauungen, den gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Kräften, kann sich Kirche zur Sprache bringen. Nicht das Bild der geschlossenen Burg, sondern das des offenen Gasthauses muss zum Leitbild kirchlicher Handlungsfelder werden. Katholischerseits hat das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) den Grundstein dazu gelegt; andere Kirchen haben auf analoge Weise die Öffnung vollzogen. Heute gilt es, das „Aggiornamento“ des Konzils (wörtl.: Heutigwerden, Verheutigung) radikal weiter zu schreiben.

Der Mensch ist ein Beziehungswesen und ist „gottbegabt“ Menschen sind nicht Einzel- sondern „Beziehungswesen“. Sie können nur in ihren vielfältigen Beziehungen verstanden werden: ihren Beziehungen zu sich selbst, zu anderen, zur Welt, zur Zeit und in all diesen Beziehungen in ihrer Gottesbeziehung. Das Vertrauen darauf, dass Menschen auch in der heutigen Welt noch Zugangswege zum Religiösen haben, ja, dass der Glaube an Gott auch und gerade in der fragmentarischen, flüchtigen Zeit noch

Hinführung

lebensbedeutsame Relevanz haben kann, resultiert aus dem christlichen Menschenbild, wonach der Mensch als Mensch von Grund auf zur Gottesbeziehung fähig ist, die Kompetenz hat, Fragen nach Sinn und Zweck des Daseins, der Bedeutung von Leid und Tod, einem Leben nach dem Tod und schließlich und nicht zuletzt nach Gott zu stellen. Christlich formuliert kann man sagen, der Mensch wird als „gottfähig“ bzw. „gottbegabt“ gedeutet (Metz 2006, S. 93–122, in Anlehnung an die anthropologische Theologie, insbesondere Karl Rahners). Diese Offenheit für Gott bedeutet keine Zwangsläufigkeit oder Notwendigkeit. Doch kann der Glaube als Lebenshilfe, als Identitätspol, als Orientierungsmarke im Meer unendlicher Möglichkeiten dienen. Die Rede von der Beziehungsoffenheit und Gottesbegabung der Menschen zielt auf die menschliche Sehnsucht nach „mehr“ als dem empirisch Feststellbaren, nach dem, was unser Leben jenseits von Konsum, Markt und alltäglichen Sorgen ausmacht. Sie ist eine Hoffnungssprache, die die Menschen in ihrer Suche nach Hoffnung, in ihrer Sehnsucht nach erfüllter Beziehung, letztlich nach Anerkennung und Liebe anspricht.

religiöse Begabung

Religiöse Erwachsenenbildung zielt auf religiöse Mündigkeit Religiöse Erwachsenenbildung will die Menschen in ihrer „Sehnsucht nach Sinn“ (Peter L. Berger) begleiten und in ihrer Suche nach Orientierung unterstützen. Sie ist längst keine Vermittlungsinstanz mehr, die vorgefertigte Antworten und Glaubensinhalte in moderner Verpackung an ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer weitergibt. Im Gegenteil, sie ist selbst eine suchende, fragende, erprobende Instanz, auch und gerade deshalb, weil sie ein klar erkennbares Profil hat. Sie ist nicht ein beliebiger Markt der Möglichkeiten, sondern eröffnet einen Raum des Dialogs innerhalb eines bestimmten, des christlich-kirchlichen Bezugsrahmens. Religiöse Erwachsenenbildung will mit den Menschen von heute ins Gespräch kommen, sie zum Gespräch einladen, mit Themen konfrontieren, will herausfordern, neu zu denken, zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Ziel ist die religiöse und weltanschauliche Mündigkeit der erwachsenen Menschen, die an ihr partizipieren. Mündigkeit bedeutet, über die wesentlichen Aspekte des eigenen Lebens entscheiden zu können sowie die Lebensentwürfe anderer und die gesellschaftlichen Entwicklungen verantwortet beurteilen zu können. Entscheidungsfähigkeit, Kompetenz zu argumentieren, sich auf andere, fremde, Positionen einzulassen, kognitive Empathie für Menschen und Ideen fremder Herkunft zu entwickeln bzw. zu fördern, das sind die Elemente einer Erwachsenenbildung, die die Menschen ermutigen will.

Religion, Glaube, Kirche und religiöse Erwachsenenbildung können mit der Kategorie der „Unterbrechung“ neu verstanden werden Religion und Glaube sind nicht einfach die Bestätigung dessen, was man immer schon weiß und wie man immer schon lebt. Gerade der christliche Glaube fordert zur „Umkehr“ (Mk 1,15), zum Umdenken und Neuwerden heraus. Insofern unterscheidet er sich von zahlreichen religiösen, esoterischen oder pseudoreligiösen Strömungen, die den Menschen oft spirituelle Wellness verheißen, de facto aber eher als Schlaf- oder Beruhigungsmittel

eigene Entscheidungsfähigkeit

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stolpern lernen

fungieren. Der christliche Glaube hingegen will (unter anderem) die Menschen beunruhigen, irritieren, den gewohnten, eingefahrenen Gang unterbrechen. „Die kürzeste Definition von Religion: Unterbrechung.“ (Metz 1977, S. 150) Das bedeutet für religiöse Erwachsenenbildung, dass sie ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Lage versetzt, „stolpern zu lernen“ (Bergold 2005c), ihre üblichen Denk- und Handlungsmuster kritisch zu reflektieren, um im Stolpern und durch die Unterbrechung fähig zu werden, Neuland zu betreten, durch Krisen gestärkt hindurch zu kommen, neues Vertrauen in sich selbst und in die Zukunft zu fassen. Die religiöse Bildung Erwachsener fördert „Veränderungskompetenz“ – eine der grundlegenden Fähigkeiten, um im „postmodernen“ Leben, unter den Voraussetzungen der Flüchtigkeit und Pluralität aller Lebensmuster zurecht zu kommen und ein erfülltes Leben zu führen. Voraussetzung dazu ist, dass religiöse Erwachsenenbildung nicht eindimensional, sondern vielfältig konzeptionalisiert ist. Sie bietet Raum für die Begegnung mit Religionen, Weltanschauungen, Kulturen, mit Kunst, Politik und Naturwissenschaft.

Erste Definition und terminologische Klärungen Aus den aufgezeigten Leitlinien ergeben sich erste Umschreibungen des Auftrags und Ziels von religiöser Erwachsenenbildung. Definition (religiöser) Erwachsenenbildung „Erwachsenenbildung ist ganzheitliche, wertorientierte und integrierte Bildung. Sie befähigt zu selbständigem Urteil und eigenverantwortlichem Handeln. Erwachsenenbildung umfasst alle Formen der freiwilligen Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer ersten Bildungsphase. Sie befähigt zu selbständigem Urteil und eigenverantwortlichem Handeln im persönlichen, familiären, beruflichen, gesellschaftlichen und politischen Leben. Erwachsenenbildung orientiert sich an der Lebenswelt und den Bedürfnissen der Menschen. Ihre Angebote tragen zur Chancengleichheit bei. Sie fördern soziales Lernen und bauen Bildungsdefizite ab. Sie vermitteln neue und vertiefen und ergänzen vorhandene Kenntnisse, Fertigkeiten, Verhaltensweisen und Qualifikationen, Dialogfähigkeit, Demokratiefähigkeit und Streitkultur gehören zu den zentralen Zielsetzungen von Erwachsenenbildung. Erwachsenenbildung umfasst allgemeine, politische und berufliche Bildung und dient deren wechselseitiger Integration.“ (aus der „Hirschberger Erklärung“ KBE 2001, S. 16 f.)

Terminologische Klärung Der Begriff „religiöse Erwachsenenbildung“ steht im Kontext vieler Begrifflichkeiten, die mitunter das Gleiche oder Ähnliches meinen. In der Theoriediskussion und in der Praxis liegt hier eine terminologische Uneinheitlichkeit vor (Wolff 2005, S. 21–46; Englert 1992, S. 20). Während mit dem Begriff „religiöse Erwachsenenbildung“ religiöse Bildungsprozesse mit Erwachsenen und religiöses Lernen mit Erwachsenen gemeint ist (Lück/ Schweitzer 1999), wird mit dem Begriff „theologische Erwachsenenbildung“ eher die Einführung des theologischen Laien in den Kenntnis- und Reflexionsstand der wissenschaftlichen Theologie verstanden (Faßnacht/Freitag/

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Klimek 2004; Hungs 1991, 1976). Theologische Erwachsenenbildung als sogenannte „Laientheologie“ zielt auf das „selbstständige Denken und Urteilen von Laien in theologischen und religiösen Fragen“ (Lück/Schweitzer 1999, S. 70). Oftmals werden aber beide Begriffe synonym für religiöse Bildungsprozesse verwendet. Häufig wird das religiöse Lernen mit Erwachsenen auch mit dem Begriff „kirchliche Erwachsenenbildung“ (u. a. Schlag 2013; Drumm 2012; Heinz 2011; Kurz 2007; Lehmann 1993) benannt, um seine institutionelle Verortung zu unterstreichen. Mit dem Terminus „Katholische Erwachsenenbildung“ oder „Erwachsenenbildung in katholischer Trägerschaft“ wiederum wird das „gesamte Spektrum der von Katholiken unternommenen erwachsenenbildnerischen Bemühungen“ (Englert 1992, S. 21) bezeichnet und umschließt damit implizit auch religiöse Bildungsprozesse (zum Verständnis „katholisch“: Ruppert 1996). Strukturanalog wird von „evangelischer Erwachsenenbildung“ gesprochen (u. a. Wolff 2005; Scheilke 1995). Für den Terminus „religiöse Erwachsenenbildung“ gilt der Grundsatz, dass religiöse Erwachsenenbildung von ihrer kirchlichen Verortung und von ihren Inhalten her, nicht aber durch ihre Bildungsträger bestimmt wird. So können auch z. B. in der Volkshochschule religiöse Erwachsenenbildungsangebote und Veranstaltungen stattfinden. Religiöse Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft wendet sich an alle Menschen, nicht nur an die kirchlich Nahestehenden, und versteht sich als Dienst der Kirche an der Gesellschaft. Sie ist damit auch öffentlich anerkannte Bildungsarbeit und wird durch die Weiterbildungsgesetzgebung der Bundesländer gefördert. Religiöse Erwachsenenbildung ist somit eine öffentliche Bildungsaufgabe in kirchlicher Trägerschaft. Zu unterscheiden ist, dass nicht alle kirchliche Erwachsenenarbeit auch schon Erwachsenenbildungsarbeit ist, auch wenn bei der Erwachsenenarbeit etwas gelernt werden kann. Für die Angebote der religiösen Erwachsenenbildung sowohl in Gemeinden als auch in Bildungswerken, Bildungshäusern und Akademien gelten in bildungstheoretischer, didaktischer und rechtlicher Hinsicht die gleichen Bestimmungen und Kriterien wie für alle anderen Veranstaltungen der Erwachsenenbildung (Nipkow 1992, S. 556 f.).

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1. TEIL: ERWACHSENE IM KONTEXT UNSERER ZEIT 1.1 Was heißt „erwachsen“? DYNAMISIERTER ERWACHSENENBEGRIFF

veränderter Begriff erforderlich

Eine religiöse Bildungsarbeit mit Erwachsenen muss sich der Frage stellen, was mit den Termini „Erwachsene“ und „erwachsen“ eigentlich gemeint ist. Rudolf Englert fordert, dass eine heutige religiöse Erwachsenenbildung „etwas von ihren Teilnehmer/innen verstehen“ muss (Englert 2002b, S. 157). Im Zentrum religiöser Bildungsvorgänge stehen also nicht allein die Inhalte, die auf irgendeine Weise an möglichst viele „Erwachsene“ weitergegeben, vermittelt werden sollen – im Sinne reiner Vermittlungshermeneutik bzw. Vermittlungsdidaktik. In erster Linie und an zentraler Stelle stehen die Menschen selbst, die Teilnehmenden, die Erwachsenen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen und Motiven zu einer Bildungsveranstaltung angemeldet haben. Ihre Motive zu ergründen, ihren Fragen, die sie mitbringen, strukturelle Aufmerksamkeit zu schenken, ihren biografischen, sozialen, familiären, beruflichen und lebensweltlichen Bedingungen Raum zu geben, ist wesentliche Aufgabe der Veranstaltenden und Leitenden erwachsenenbildnerischer Maßnahmen. Deshalb muss sich eine Theorie religiöser Erwachsenenbildung bereits im Vorfeld den gesellschaftlichen und individuellen Kontexten von Bildung zuwenden. Für eine religionspädagogische Betrachtung der Zielgruppe religiöser Bildungsprozesse ist eine Unterscheidung zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen wesentlich. Inwiefern kann man von einem Anderssein „erwachsener“ Menschen z. B. gegenüber Kindern ausgehen? Im Gegensatz zum Begriff des „Heranwachsens“, den man mit Kindern und Jugendlichen in Verbindung bringt und der stets einen zukunftsgerichteten Aspekt beinhaltet („jemand wächst heran zu …“), weisen die Termini „erwachsen“ und „Erwachsene“ eher in rückblickender Perspektive auf einen Zustand bzw. ein Stadium, aus dem jemand sich heraus entwickelt und es verlassen hat. Von daher gibt es einen substanziellen Unterschied zwischen Kinder- und Jugendbildung – wie z. B. im schulischen Kontext – und dem Bereich der Erwachsenenbildung. Doch auch das Erwachsensein ist keine feste Zustandsbeschreibung. Angesichts der postmodernen Gesellschaft sind die früheren Definitionen des Erwachsenenstatus nicht mehr eindeutig, da sie sich meist auf traditionelle Bezugsgrößen wie Beruf und Familie ausrichten, die heute mehr denn je fluide geworden und immer weniger fest umrissen sind. Eine solche klassische Beschreibung lautet etwa: „Erwachsener soll heißen, der aus den generellen Fürsorge- und Schonungsmaßnahmen für die Jugend entlassen ist und für sich und seinen Anteil an den gemeinschaftlichen Lasten selber aufkommt oder aufkommen soll.“ (Arnold/Pätzold 2008, S. 15.) In den heutigen

Was heißt erwachsen?

Zeiten der Umbrüche, Unsicherheiten und Entgrenzungen (s. in diesem Teil unten: „gesellschaftliche Veränderungen“, „individuelle Veränderungen“ etc.) ist ein solcher Erwachsenenbegriff kaum mehr zu füllen. Wir folgen daher bei der Bestimmung religiöser Erwachsenenbildung dem Vorschlag Jochen Kades, der einen dynamisierten Erwachsenenbegriff favorisiert, wenn er das Erwachsensein folgendermaßen definiert: „Nicht fertig zu sein, sondern sich auf die eigene Biografie als eine durch Bildung immer erst noch herzustellende zu beziehen, das wird in diesem Sinne zum allgemeinen Merkmal eines nunmehr dynamisierten Erwachsenenbegriffs.“ (Kade 2010)

Bei dieser Bestimmung wird dreierlei deutlich: Zum einen wird auf das biografische Element hingewiesen, was bedeutet, dass das Erwachsensein einen lebensgeschichtlich nie endenden Prozess darstellt. Auch und gerade Erwachsene entwickeln sich, wie die neuere entwicklungspsychologische Forschung, die sog. „life span developmental psychology“, deutlich herausgearbeitet hat, in einem erheblichen Maße und bis hinein ins höchste Alter (Arnold/Nolda/Nuissl 2010, S. 183). Dieser Prozess erfolgt in Kontinuität und in Brüchen zur Kindheit und Jugendzeit (Arnold 2010, S. 92), nimmt allerdings neue Elemente aus den biografischen Stationen, den Erfolgs- und Glücksgeschichten ebenso wie den Verwundungen und Traumata auf, wobei die Bestimmung „nie fertig zu sein“ dominierend ist. Zum anderen – und damit zusammenhängend – wird auf die Bedeutung von Bildung hingewiesen. Bildung im Erwachsenenalter ist zwar von Lernvorgängen in der Kindheit und Jugend zu unterscheiden, da die Dichte des bereits Vorfindbaren und Vorstrukturierten größer und möglichweise festgelegter ist als bei jungen Menschen. Dennoch kann Bildung auch als ein konstitutiver Faktor für das „Erwachsensein“ gelten, da der dynamische Begriff das Element der zeitlichen Progression mit einschließt (vgl. unten Teil 2). Bildung ist stets Bewegung, nicht Stillstand. Schließlich, drittens, verweist die kurze Umschreibung des Erwachsenseins von Kade auf die Bedeutung der Gewinnung von „Identität“, die, wie noch zu zeigen ist, eine lebenslange Aufgabe des Individuums darstellt. „Die Frage ,Wer ist erwachsen?‘ hat eine reflexive Dimension: Sie ist eine zentrale identitätstheoretische Frage in vielen Bildungsveranstaltungen.“ (Siebert 2012, 16) Damit sind wesentliche Bestimmungen und elementare Aufgabenfelder jeder, insbesondere auch der religiösen, Erwachsenenbildung angesprochen: Die Suche nach Identität und die damit zusammenhängende Suche nach Impulsen zur eigenen Identitätsbestimmung entspricht in vielen Fällen explizit und implizit der Motivation Erwachsener, sich zu Bildungsveranstaltungen der (religiösen) Erwachsenenbildungseinrichtungen anzumelden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Erwachsenenbegriff und das Verständnis von Erwachsensein heute dynamisiert, kontextualisiert und biografisch orientiert sein müssen. Für die religiöse Erwachsenenbildung bedeutet dies, dass Erwachsene im Kontext der Transformationen von Gesellschaft, Lebenswelt und Kirche zu sehen sind.

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1.2 Gesellschaftliche Transformation VERKNAPPUNG DER ZEITRESSOURCEN, SOZIALE BESCHLEUNIGUNG

Zeitknappheit

Die Bedingungen der gegenwärtigen Gesellschaft können in verschiedener Hinsicht analysiert werden. Im Blick auf Bildungsvorgänge Erwachsener, zumal im Blick auf religiöse Bildung, scheinen uns Analysen besonders weiterführend, die nach der zeitlichen Struktur der Post- bzw. Nachmoderne fragen. Das allgemeine subjektive ebenso wie kollektive Zeitgefühl der Menschen aus den westlichen Industrienationen, zunehmend aber auch aus den sich enorm entwickelnden östlichen und südlichen „Schwellenländern“, ist ein Gefühl der sich immer mehr beschleunigenden Lebenswelt. „Wo ist nur die Zeit geblieben?“ „Mir fehlt die Zeit für …“ „Die Jahre sind im Nu verflogen!“ etc. sind typische Aussagen von Individuen, die ihr Zeit- und Lebensgefühl ausdrücken und oft schmerzlich darunter leiden, dass sie in einer Situation der Zeitknappheit stecken. Das Tempo des Lebens hat erheblich zugenommen. Allenorts klagen Menschen über Zeitnot, Zeitdruck, zu viel verplante, durchterminierte Zeit. Es bleibt kaum noch Zeit für Müßiggang und fröhlichen, unbeschwerten „Zeitvertreib“. Obwohl wir im Überfluss Zeit gewinnen und Zeit sparen – z. B. durch digitale Kommunikationstechnologien und rasante Steigerung der Transportgeschwindigkeit – gleitet uns die Zeit wie Sand durch die Finger. Unsere derzeitige Generation ist geplagt von „Verpassungsangst“, die allem hinterher jagt, was getan werden muss, darin jedoch immer mehr Zeit verliert anstatt sie zu gewinnen. Michael Ende hatte dies bereits in den 1970er Jahren in seinem berühmten Buch „Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte“ eindrucksvoll auf den Punkt gebracht: Zeitsparen bedeutet keine Bereicherung, sondern eine Verarmung in zwischenmenschlicher Hinsicht; das Leben wird immer ärmer, gleichförmiger und kälter, insbesondere für Kinder hat niemand mehr Zeit. „Je mehr die Menschen daran sparten, desto weniger hatten sie.“ (Ende 1973, S. 72) Dieses persönliche „Zeitbewusstsein“, die individuellen Zeitbestimmungen und Zeitwahrnehmungen spiegeln sich in soziologischen Analysen der Gegenwart (umfassend: Rosa 2012). „Die Überzeugung, dass alle Ereignisse, Objekte und Zustände in der sozialen Welt dynamischer und prozessualer Natur sind und Zeit daher eine Schlüsselkategorie für jede angemessene Analyse darstellt, ist inzwischen nahezu zu einem Allgemeinplatz in den Sozialwissenschaften geworden.“ (ebd., S. 19) Die zeitsoziologischen Neubeschreibungen der Gesellschaft bestätigen eine grundlegende Veränderung der Zeitstrukturen in der modernen, industrialisierten Welt, die mit dem Leitbegriff der „Beschleunigung“ charakterisiert wird: Dieser Begriff ist soziologisch nicht ganz leicht zu bestimmen, da sich nicht einfach alles beschleunigt, sondern es auch wieder zu gegenläufigen Tendenzen kommt, bei denen sich die Abläufe verlangsamen (Verkehrsstau, Reformstau). Dennoch gilt seit der Industrialisierung Europas, aber vor allem durch die gesteigerte Mobilität der Gesellschaft und die schier unendlichen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation: „Die Erfahrung der Modernisierung ist eine Erfahrung der Beschleunigung.“ (ebd., S. 51; kursiv im Original) Die Soziologie spricht ins-

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besondere von sozialer Beschleunigung, die drei „Dimensionen“ hat (ebd., insbes. S. 124–138; 161 ff.): * technische Beschleunigung * Beschleunigung des sozialen Wandels * Beschleunigung des Lebenstempos Die Zeiträume, die uns zur Verfügung bleiben, scheinen zu schrumpfen („Gegenwartsschrumpfung“), die Handlungs- bzw. Erlebnisepisoden pro Zeiteinheit steigern sich kontinuierlich, Pausen verringern und verkürzen sich, wir sind dazu gezwungen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun (Multitasking). Insgesamt kann man unzweifelhaft von einer Verknappung der Zeitressourcen in der Gegenwart sprechen.

FLÜCHTIGE GESELLSCHAFT, FLÜCHTIGE MODERNE Die Gesellschaft, in der wir leben, kann in Erweiterung des Theorems der sozialen Beschleunigung als „flüchtige Gesellschaft“, unsere Epoche als „flüchtige Moderne“ bezeichnet werden – Termini, die der Soziologe und Sozialanalytiker Zygmunt Bauman den Begriffen „Post-“, „Nach-“ oder „Spätmoderne“ vorzieht (Bauman 2011, 2008, 2003). Denn mit dem Adjektiv „flüchtig“ werden die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer zeitlichen Qualität charakterisiert und nicht nur in ihrer zeitlichen Zuordnung zu früheren Epochen („nach“, „spät“). Dabei überschattet ein bestimmtes Merkmal alle gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Jahrzehnte: „die veränderte Beziehung zwischen Zeit und Raum“ (Bauman 2003, S. 15). Seit den Anfängen der Moderne treten Zeit und Raum mehr und mehr auseinander (ebd., S. 131 ff.). Durch die Erfindung der Geschwindigkeit und ihrer atemberaubend zunehmenden Beschleunigung werden zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte Raum und Zeit zu unabhängigen Kategorien. War in der Vormoderne der Aktionsradius noch durch die Kapazität des Wanderers oder höchstens des Reiters begrenzt, wird Mobilität in der ausgehenden Moderne ein Grundthema. Die Eroberung des globalen Raums entgrenzt die Möglichkeiten, sich an vielen Orten fast gleichzeitig zu bewegen, wobei die grenzenlosen Kommunikationstechnologien diesen Prozess nachhaltig unterstützen. Zunächst treten Arbeit und Wohnort, Beruf und Familie auseinander. Mobilität und Flexibilität werden zu Grundstichworten des ökonomischen Systems der Nachmoderne (Sennett 2010, auf den sich Bauman explizit bezieht). Nicht mehr Territorialität oder Sesshaftigkeit kennzeichnen die menschliche Existenz der westlichen und zunehmend auch der asiatischen und lateinamerikanischen Industriegesellschaften, sondern das Heimatlose, das Nomadische. Der Nomade wird zur Urmetapher einer Moderne, die mehr und mehr als „flüchtig“ bezeichnet werden kann. Die Folge der Ökonomisierung der gesamten Alltagswelt (objektive, beschreibbare Lebensbedingungen), aber auch der Lebenswelt der Menschen (subjektive Deutung der umgebenden Welt und der eigenen Erfahrungen) ist eine radikale Demontage aller gewohnten sozialen Verhältnisse und Beziehungen. Die soziale, technische und wirtschaftliche Beschleunigung hat eine nie dagewesene Zeitdimension des neuen Kapitalismus zur Folge: Kurzfristigkeit! Nichts ist mehr auf Dauer angelegt. „Nichts Langfristiges“ wird zum Signum unserer Tage, die dem „Regime der kurzfristigen Zeit“ (ebd.) unterworfen

Zeit und Raum getrennt

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Kurzlebigkeit der Lebensverhältnisse

sind. Arbeitsverträge werden möglichst nur noch auf (kurze) Zeit abgeschlossen, Konsumprodukte sollen rasch wieder durch neue ersetzt werden, Moden und Lebensstile sollen sich gegenseitig jagen, aber ja nicht länger verweilen. Der Markt diktiert den sich immer weiter beschleunigenden Lebensrhythmus. Diese neue „Mentalität der kurzen Dauer“ (Bauman 2003, S. 173) und „gezielte Kurzfristigkeit“ (ebd., S. 15) macht Zygmunt Bauman als Ursache für tiefgreifende Veränderungen des sozialen Zusammenlebens aus, weshalb er das Stichwort der „flüchtigen Moderne“ (liquid modernity) als Grundsignatur bzw. Schlüsselmetapher unserer Zeit einführt. Die „flüchtige Moderne“ stellt alles Bisherige in der Kulturgeschichte der Menschheit in den Schatten; sie ist keine Leitperspektive für menschliches Handeln, sondern eine „negative Utopie“ (ebd., S. 23) zur Gegenwartsbeschreibung. Beispielsweise sind Kultur und kulturelle Güter im Grunde auf Dauer angelegt, sind sie doch die Boten der Vorfahren für ihre Nachwelt. Die heutige Kurzlebigkeit der flüchtigen Moderne indes hinterfragt unser Kulturverständnis, unterwirft Kultur dem ökonomischen System und lässt nur noch gelten, was kurzfristig von Nutzen ist. Auch die Lebensverhältnisse passen sich der ökonomisch geforderten Kurzlebigkeit an und werden flüchtig. Die in allem geforderte kurze Dauer hat eminente Auswirkungen auf die Struktur menschlichen Zusammenlebens, das durch Zerfall und Abbau menschlicher Bindungen und Gemeinschaften gekennzeichnet ist. Beziehungen werden wie schnelllebige Konsumartikel gehandhabt (ebd., S. 193), Partnerschaften können als kurzfristige Bedürfnisbefriedigungen eingekauft werden. Für Beziehungen gibt es die Möglichkeit des Schnupperkaufs mit Rücknahmegarantie bei Nichtgefallen. Bauman malt in seiner Gesellschaftsanalyse ein erschreckendes Schattenbild an die Wand, nämlich dass „das Ende der Definition des Menschen als eines sozialen Wesens“ (ebd., S. 31) erreicht wurde. Alle sozialen Gewebe, die bislang natürlicherweise bestanden, sind dabei, sich aufzulösen und müssen von uns neu und in eigener Verantwortung („in Heimarbeit“) selbst hergestellt werden. Das Auseinandertreten von Zeit und Raum bedeutet für das Individuum grundlegende Veränderungen des Verhältnisses zu sich selbst, zu anderen und zur Welt, in der es lebt: Konsequenz dieser Prozesse sind Ungewissheit, Instabilität, Verletzlichkeit (ebd., S. 189 ff.). Unsicherheit der sozialen Existenz (aufgrund ständiger ökonomischer Veränderungen) fördert Unsicherheit in persönlichen Beziehungen und sozialen Gemeinschaften. Unsicherheit wird zum Dauerzustand (ebd., S. 162), die Bodenhaftung (ebd., S. 21) geht verloren (vgl. Bauman 2008).

DIGITALISIERUNG DES GESELLSCHAFTLICHEN LEBENS Motor der rasanten Transformation der Alltags- und Lebenswelt sind die alle Lebensbereiche umfassende Konsumgesellschaft und nicht zuletzt die digitalen Medien. Sie bestimmen den Lebenstakt der flüchtigen Moderne, sie sind nicht nur Folge, sondern in untrennbarer Wechselwirkung auch Ursache für die Entwicklung der sozialen Beschleunigung. Digitalisierung ist ohne Markt, Ökonomie ist ohne digitale Medien nicht mehr denkbar. Sicher

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ist: „Die digitalen Medien haben den Wandel unserer Gesellschaft in hohem Maße beschleunigt.“ (Die deutschen Bischöfe 2011, S. 17) Die Mediengesellschaft verändert sowohl die Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens als auch Identitätskonzepte der Individuen. Die Begriffe „Virtualität“ und „Inszenierung“ werden zur Signatur des grundlegend veränderten Selbstverständnisses des Menschen im medialen Zeitalter. Medien erzeugen Wirklichkeit und deren Wahrnehmung. Durch unablässige Nutzung, die von der jungen Generation noch viel ungebremster verlangt wird, damit sie im gesellschaftlichen System mithalten kann, erfährt das Subjekt die medial erzeugten Parameter als Realität, so wie es traditionell die zwischenmenschliche Erfahrung oder die Erfahrung der Natur für real gehalten hatte. „Wirklichkeit“ wird digital entworfen. „Nicht mehr was Wirklichkeit ist, steht im Vordergrund, sondern viel mehr, wie sie entworfen wird und wie sie jeweils erscheint.“ (ebd., S. 26) Die Allgegenwart und scheinbare Omnipotenz der Mediengesellschaft wirkt sich radikal auf das aus, was den Menschen scheinbar unverwechselbar macht, sein eigenes Ich. Das Ich konstituiert sich nunmehr als inszeniertes Ich, was zunächst nichts gänzlich Neues darstellt (das soziale Ich ist schon immer ein nach außen inszeniertes Ich), doch wird durch die digitalen Welten die Möglichkeit zur Inszenierung von Identität exponentiell erweitert. Wer eine Seite in einem digitalen Netzwerk gestaltet, entwirft „sich“, genauer, ein Bild von sich, wie er oder sie den anderen Nutzern gerne erscheinen möchte. Die Bilder sind Entwürfe, Stimulationen und Modelle einer inszenierten Wirklichkeit, die es außerhalb des virtuellen Raumes in dieser Weise nicht oder nur partiell gibt. Damit sind persönliche und soziale Identität abhängig von der jeweiligen Inszenierung, die extrem kontingent ist, die ganz anders sein könnte und von Zeit zu Zeit auch anders wird. Sie kann mühelos gelöscht und auf neue Weise etabliert werden. Identität in der digitalen Ära scheint ebenso flüchtig geworden zu sein wie die gesellschaftlichen Strukturen selbst. Digitale soziale Netzwerke definieren mehr und mehr unsere Identität. Doch während das Individuum bisher seine soziale Identität – ein bedeutender Baustein persönlicher Identität – durch Zugehörigkeiten zu bestimmten Gemeinschaften, etwa sozialen, ethnischen, nationalen oder religiösen Gruppierungen, definierte, kehrt sich nun das Verhältnis von Identität und sozialer Bindung völlig um: „In diesen Netzen geht die ,Zugehörigkeit‘ nicht länger der Identität voraus, es ist genau umgekehrt. Das Netzwerk ist die Erweiterung einer ausgesprochen instabilen Identität und passt sich deren sukzessiven Neubildungen und Redefinitionen prompt und reibungslos an.“ (Bauman 2007, S. 120 f.) Digitale Netzwerke – als Realisierung und Symbol digitaler Kommunikation – sind durch voraussetzungslose Bindungen charakterisiert. Entsprechend entgrenzend sind die Beziehungsstrukturen, die in ihnen praktiziert werden. Digitale Beziehungen sind nicht länger auf Verlässlichkeit, Vertrauen, gemeinsame Interessen, Solidarität und schon gar nicht auf Dauer angewiesen. Per Mausklick können sie gekappt werden. All dies wäre für sich genommen nicht besonders problematisch. Schließlich weiß jede und jeder, dass ein Netzwerk keinen realen Freundeskreis ersetzt. Ich kann schlecht mit jemandem digital tanzen oder auf einen Drink ausgehen. Doch die digitalen Formen der Kommunikation haben Rückwir-

digitale Identität

digitale Beziehungen

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kungen auf die Alltagskommunikation und auf unser Beziehungsverhalten im Ganzen. Denn die Ungewissheit wird immer stärker zum Begleiter von Identität und Beziehung. Leben in flüchtigen und medial dominierten Zeiten bedeutet, mit der Ungewissheit zu leben. Die Ängste der Menschen heute erwachsen längst nicht mehr allein aus existentiellen Erschütterungen, sondern sind gesellschaftlich bedingt. Mehr und mehr muss der und die Einzelne individuelle Lösungen für gesellschaftlich erzeugte Probleme suchen (Bauman 2008, S. 25). Die Möglichkeit einer gesicherten, auf gemeinschaftlicher Grundlage ruhenden Existenz ist weitgehend ausgeschlossen, wobei die digitale Vernetzung uns nur scheinbar und flüchtig zusammenwachsen lässt.

RADIKALE PLURALISIERUNG, MEHROPTIONALITÄT

Identität basteln

Ein weiteres Stichwort, das die Situation der gegenwärtigen Gesellschaft charakterisiert, ist das des vielfach beschriebenen, soziologischen Schlüsselbegriffs „Pluralisierung“ (Beck 2006; Beck/Beck-Gernsheim 2004). Die Vervielfältigung aller individuellen und sozialen Lebensformen wird dem Menschen besonders dann bewusst, wenn sie ihre Großeltern von der „damaligen Zeit“ erzählen lassen. Die Lebensverhältnisse früherer Epochen erscheinen als weit weniger komplex und viel überschaubarer als die gegenwärtigen, vor allem waren sie weitaus stärker festgelegt. Der Sohn eines Bäckers, der in die Fußstapfen seines Vater trat, das Bäckerhandwerk erlernte und später das elterliche Geschäft übernahm, hatte relativ wenige Optionen, sein Leben zu gestalten. Besonders Mädchen wurden in feste Rollenzuweisungen und sozial vorgefertigte Muster gepresst, Ausbildungswege waren eingeschränkt auf wenige „typische Frauenberufe“. Auch für die familiären, sexuellen, individuellen Lebensstile blieb außerhalb der „Norm“ wenig Platz. Dagegen hat zunehmende Modernisierung der Gesellschaft seit der Mitte des 20. Jahrhunderts die individuellen und sozialen Lebens- und Handlungsoptionen ins Unermessliche gesteigert. Für das Individuum bedeutet diese gesellschaftliche Entwicklung eine enorme Steigerung der Möglichkeiten, seinen eigenen Lebensentwurf zu realisieren. Menschen heute können zwischen Hunderten oder Tausenden von Optionen wählen, wie sie ihre berufliche, soziale, familiäre Existenz „zusammenbasteln“. Das bedeutet enorme Freiheiten. Auf der anderen Seite erhöhten die immer stärkere Diversifizierung in den Bereichen Ökonomie, Beruf, Recht, Bildung, Freizeit, Medien etc. die Komplexität und Unübersichtlichkeit der die Individuen umgebenden gesellschaftlichen Wirklichkeit. Bei nicht wenigen rufen diese Prozesse Ängste, Unsicherheiten und Ohnmachtsgefühle hervor. Man sieht sich ausgeliefert, ohne die Möglichkeit zu haben, auf die komplexen Verhältnisse Einfluss nehmen zu können. „Was immer man tut, das Spiel geht weiter.“ (Günter Anders) – ein Wort, das man auf die Situation des Individuums in der flüchtigen, unüberschaubaren Gesellschaft übertragen kann. Menschen erleben, dass sie durch ihre Handlungen nur marginal auf das allgemeine Geschehen, nicht einmal auf ihre eigenen Lebensumstände (z. B. bei Verlust des Arbeitsplatzes durch Konkurs der Firma) Einfluss nehmen können. Zurück bleiben Frustration und Verlust der Fähigkeit, einen umgreifenden Sinn im Leben zu finden.

Gesellschaftliche Transformation

Die Komplexität der Gesellschaft wird durch die zunehmende Internationalisierung, Globalisierung und Migration angeheizt. Die Strukturen internationaler Firmen und Banken sind kaum mehr überschaubar. Vorgänge in Asien beeinflussen das Leben hierzulande. Um nur ein eindrückliches Beispiel zu nennen: Die explosionsartige Ausweitung solarer Technologie in China hat durch den globalen Handel binnen weniger Jahre die aufstrebende Solarindustrie in Deutschland, in die noch vor kurzem nicht nur Politiker, Firmenchefs und Städte sondern auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Hoffnungen gesetzt hatten, in den Konkurs getrieben. Familien, die plötzlich ihre Erwerbs- und Einkunftsquelle verloren hatten, sehen sich zu Recht als Opfer des globalisierten Marktes. Ferner hat die Öffnung des europäischen Binnenmarkts und der Wegfall von Grenzen erhebliche Wanderungsbewegungen ausgelöst, insbesondere von Ost nach West und inzwischen verstärkt wieder von Süd nach Nord. Menschen unterschiedlichster Herkünfte leben im unmittelbaren Umfeld. In Mitteleuropa haben ca. 25% der Menschen einen sog. „Migrationshintergrund“. Vielfalt ist selbstverständlich geworden – in der Kindergartengruppe, der Schulklasse, am Arbeitsplatz, im Freizeitangebot etc. Diese Art von Pluralität kann einerseits als Bereicherung empfunden werden, andererseits wird sie als Bedrohung wahrgenommen. Man fürchtet den Verlust des Eigenen und Vertrauten. Die Zunahme an fremdenfeindlichem, rassistischem, rechtsradikalem Denken entspringt oft dieser Verlustangst, die sich mit Ressentiments gegen Fremde und Fremdes paart. Eine weitere Ambivalenz der Pluralisierung liegt im Prozess der Nivellierung von Unterschieden. Differenzen werden nicht mehr als positive Vielfalt, sondern als störend empfunden: Kulturelle Eigenheiten werden in der riesigen Maschinerie der Ökonomisierung aller Lebensbereiche plattgeschliffen, die Profile gehen in der Einheitswelt von Supermärkten, Modestandards und Schnellimbissketten immer mehr zugrunde. Die Gefahr des Relativismus macht sich breit: Alles ist möglich, „anything goes!“ (Paul Feyerabend). „Egal wie du lebst, was du denkst, glaubst, hoffst – alles ist okay, alles ist egal.“ Verlässlichkeit und Wahrheit scheint es nicht mehr insgesamt zu geben, sondern nur noch in kleinen Teilchen, die gleich-gültig nebeneinander stehen.

Globalisierung

Pluralisierung

FÜHRT INDIVIDUALISIERUNG NOTWENDIG ZUM INDIVIDUALISMUS? Die andere Seite der Medaille der Pluralisierung ist die Individualisierung. Dieser Begriff beschreibt die Tatsache, dass der Mensch durch die oben angedeuteten gesellschaftlichen Umwälzungen immer mehr auf sich selbst gestellt ist. Er selbst muss die Entscheidungen treffen, wie er sein Leben einrichtet, niemand nimmt ihm mehr diese Entscheidung ab. Was früher die Familie oder das Milieu, aus dem man stammt, vorgeprägt hatte, ist nun Sache des Individuums. Dies bietet ihm oder ihr nicht nur Freiheiten und Optionalität, sondern kann auch zur bitteren Last bis hin zur Unfähigkeit zur Entscheidung werden. Immer mehr wird er oder sie von der „Qual der Wahl“ heimgesucht. Junge Menschen müssen aus einem schier unendlichen Meer an Möglichkeiten zur Berufsausbildung auswählen, junge Erwachsene müssen entscheiden, an welchem Ort, in welchem Zweig des Berufsschul-

Individualisierung

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Erwachsene im Kontext unserer Zeit

kein Egozentrismus

wesens oder der Hochschule sie ihren Platz finden, Ausgebildete finden – in Zeiten wirtschaftlichen Erfolgs – zahlreiche Optionen vor, müssen sich aber höchst flexibel zeigen und ggf. auch mit anderen Städten und Regionen vorlieb nehmen oder sich gar auf einen Arbeitsplatz im Ausland gefasst machen. Was für die einen Freiheit bedeutet, heißt für andere oft lange Trennungen von Familie und vertrautem Freundeskreis. Auch die konkreten Lebensformen und Beziehungsstrukturen dürfen, müssen aber auch selbst gewählt werden. „Verliebt – verlobt – verheiratet“ ist Sache von gestern. Die Vieloptionalität muss individuell ausgehalten werden und konfrontiert die Einzelnen mit einem ständigen, nie enden wollenden Entscheidungszwang, der nicht wenige überfordert. Wichtig ist zu sehen, dass Individualisierung nicht zwangsläufig Individualismus oder Egozentrismus bzw. Egoismus bedeutet. Individualisierung ist ein soziologisch neutraler Begriff zur Beschreibung der Tatsache, dass Menschen in der heutigen Gesellschaft ständigen Entscheidungsprozessen ausgesetzt und dabei weitgehend auf sich selbst gestellt sind. Sie müssen ihr Leben in eigener Regie entwerfen. Individualismus ist eine ethische Kategorie, die die Selbstzentriertheit von Menschen, die vor allem auf den eigenen Vorteil bedacht sind, charakterisiert und meist verurteilt. Beide Begriffe sind voneinander zu unterscheiden. Dennoch ist eindeutig: Individualisierung führt rasch zu Entsolidarisierung. Wer stets mit seinen Entscheidungen auf sich gestellt ist, gewöhnt sich rasch eine Lebensweise an, die nicht oder wenig nach dem Schicksal anderer fragt. Folge können soziale Verwerfungen sein, die Strukturen der Benachteiligung und Ungerechtigkeit fördern. Menschen, die es aufgrund individueller Voraussetzungen (Behinderungen, Krankheit; geringere Bildungsabschlüsse etc.), familiärer oder sozialer Bedingungen schwerer haben, geraten leicht unter die Räder und werden von denen auf den Erfolgsstraßen kaum noch wahrgenommen. Individualisierung bedeutet auch die Gefahr des Scheiterns, wobei es immer schneller geschehen kann, dass Menschen nicht mehr durch soziale Netzwerke getragen sind, sondern in sozial schwächere Verhältnisse abrutschen. Auch hier zeigt sich die bisweilen gefährliche „Ambivalenz der Moderne“ (Bauman 2005).

SÄKULARISIERUNG DER LEBENSWELT Die Transformation der Gesellschaft betrifft auch und besonders den Bereich des Religiösen, was hier nur angesprochen wird, um das Bild des gesellschaftlichen Wandels zu vervollständigen (s. unten 1.4). Die meisten Erwachsenen in Deutschland leben in einem säkularen Umfeld, in dem das Religiöse auf den ersten Blick kaum eine Rolle spielt: Beruf, Firma, Behörden, Stadt, Waren- und Konsumwelt, Medien, Freizeit, Familienleben „ticken“ nicht mehr nach religiösen Uhren, sondern sind weltlich autonome Bereiche geworden. Kirchliche und religiöse Instanzen ragen gar nicht oder nur sehr marginal in diese Alltags- und Lebenswelten hinein. Auch hier gilt: Die Menschen müssen ihre Entscheidungen selbst und unabhängig treffen sowie ihre Lebensperspektiven und Sinnsuche, ihre Erwartungen und Hoffnungen, aber auch ihre Zweifel und Ängste mit sich allein ausmachen. Institutionen, die ihnen diesbezüglich klare Wege vorgeben, sind nicht mehr in Sichtweite.

Veränderung der Lebenswelt

KONSEQUENZEN FÜR DIE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG Es liegt auf der Hand, dass sich religiöse Erwachsenenbildung angesichts all der aufgezeigten Entwicklungen heutzutage völlig neu konzipieren muss. Die Vermessung der gesellschaftlichen Landschaft hat eine Neuvermessung der Situation und Konzeptualisierung von religiöser Erwachsenenbildung zur Konsequenz. An den einzelnen Punkten entlang können folgende erste Perspektiven entwickelt werden: „Erwachsensein“ bedeutet keinen statischen, sondern einen dynamischen Zustand, der laufender Veränderung unterworfen ist. Religiöse Erwachsenenbildung sieht die Menschen in ihren Entwicklungsverläufen, die gerade im Erwachsenenalter durch Neubestimmung, Brüche und Umorientierung gekennzeichnet sind. * Sie handelt biografiebegleitend und biografieunterstützend. * Religiöse Erwachsenenbildung ist zeitsensibel konzipiert: Sie hat die Zeitabläufe der Gesellschaft und der Menschen, die zunehmende Zeitknappheit und die Situation hoher Mobilität und Flexibilität, die insbesondere Erwachsenen heutzutage abverlangt wird, klar vor Augen. * Die Situation der sozialen Beschleunigung und der Flüchtigkeit von Handlungsund Beziehungsmustern stellt religiöse Erwachsenenbildung vor höchste Herausforderungen. Sie reagiert darauf, indem sie Gegenrealitäten (Verlangsamung, Verlässlichkeit etc.) aufbaut. * Religiöse Erwachsenenbildung ist medienorientiert. * In Einrichtungen der religiösen Erwachsenenbildung werden plurale Sinnangebote und vielfältige weltanschauliche und lebensrelevante Themen behandelt. Gleichwohl hat religiöse Erwachsenenbildung eine klare Option, die vom christlichen Glauben und Menschenbild geprägt ist. * Von daher kann sie dem Einzelnen in der Situation der Individualisierung lebensunterstützende Orientierung bieten. * Religiöse Erwachsenenbildung ist sozial und solidarisch. Dadurch wirkt sie individuellen Tendenzen der Entsolidarisierung und gesellschaftlichen Tendenzen der Marginalisierung bis hin zur Exkludierung sozial Schwacher entgegen. *

1.3 Veränderung der Lebenswelt ERWACHSENE IDENTITÄT? Dieses Kapitel fragt nach der konkreten Lebenswelt Erwachsener, um sie im Blick auf Bildungsvorgänge genauer auszuleuchten. Der Begriff der „Lebenswelt“ ist nicht mit dem der „Alltagswelt“ identisch. Wie oben bereits angedeutet, entspricht die Alltagswelt eher den objektiv vorfindbaren Gegebenheiten, die (z. B. aus soziologischer oder sozialpsychologischer Perspektive) von außen beschrieben werden können. Der Lebensweltbegriff entstammt der phänomenologischen Philosophie Edmund Husserls zu Beginn des 20. Jahrhunderts und wurde von der phänomenologisch orientierten Sozialwissenschaft, insbesondere von Alfred Schütz, zur Erforschung des Verhaltens von Individuen und Gruppen in gesellschaftlichen Kontexten adaptiert (Srubar/Vaitkus 2003; Schütz 1960 [1932]). „Lebenswelt“ ist die subjektive Deutung der Alltagswelt, der je individuelle Zugang zu Welt und Wirklichkeit.

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Erwachsene im Kontext unserer Zeit

Lebenswelt als Konstruktion

Lebenswelt Erwachsener

Menschen gleicher oder ähnlicher Alltagswelt (Familienmitglieder, Nachbarn, die in ähnlichen Verhältnissen leben) können eine höchst unterschiedliche Deutung und Sichtweise der sie umgebenden Welt vornehmen, was völlig verschiedene Lebenseinstellungen und damit eben verschiedene „Lebenswelten“ zur Folge hat. Sie „konstruieren“ ihre Realität in sehr divergenter Weise und gestalten ihr Leben von daher auch sehr verschieden. Hier ist bereits die konstruktivistische Sichtweise erwachsener Lern- und Bildungsvorgänge zugrunde gelegt, die in der Theorie der allgemeinen Erwachsenenbildung derzeit eine wichtige Position darstellt (Rolf Arnold, Kersten Reich, Horst Siebert u. a.; s. unten 2.1). Denn Realität ist nicht einfach objektiv gegeben, sondern wird von den Individuen aufgrund ihres vorhandenen Wissens und ihrer Vorerfahrungen je individuell konstruiert. Wenn wir im Folgenden also von Lebenswelt der Menschen sprechen, meinen wir dieses sozialwissenschaftliche Lebensweltverständnis. Die Lebenswelt Erwachsener hängt eng zusammen mit ihrem Selbstkonzept, ihrer Identität. Das klassische Verständnis von Identität war (und ist bis heute implizit noch vorhanden), dass Identität vor allem im Jugendalter ausgebildet wird, in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter noch „nachreift“, dann aber fix und fertig ist und als solche mit durchs weitere Leben getragen wird. Hier wird Identität nur im frühen Entwicklungsalter als dynamische Größe verstanden (Fend 2005), kaum jedoch für das Selbstkonzept Erwachsener. Doch bereits der große Identitätsforscher Erik Erikson hatte seit den 1930er Jahren aufgrund empirischer Untersuchungen erkannt, dass das ganze Leben einen Entwicklungsprozess darstellt, bei dem sich die Identität der Menschen im Durchlaufen und Bestehen von Lebenskrisen immer weiter entfaltet (Erikson 2003 [1966]; kritisch zu Erikson u. a. Jungwirth 2007). Auch wenn das Schema der „Entwicklungsstufen“, das Erikson entwarf, heute als überholt gelten kann, war und ist die grundlegende Einsicht in die lebenslange Entwicklung von Identität ein Impulsgeber für Lebenslaufforschung (Überblick: Fuchs-Heinritz 2009). Die Frage, ob es eine „erwachsene Identität“ gibt, ist nur im Plural zu beantworten. Erwachsene Identitäten sind vielfältig, vielseitig und höchst dynamisch (Mietzel 2012; Oerter/Montada 2008, S. 333–410). Sie sind – wie im Jugendalter – nicht statisch festgelegt, allerdings stärker mit der gesamten Person des Menschen, seiner Lebensgeschichte und seinen Handlungsweisen verbunden. Deshalb wird umgangssprachlich, aber auch in der entwicklungspsychologischen Forschung, oft von „Persönlichkeit“ gesprochen, wenn man die Identität eines Menschen meint. In beiden Fällen ist das Selbstkonzept des Individuums gemeint, das sich jedoch immer in sozialen Zusammenhängen zeigt („soziale Identität“) und auch von den sozialen Gegebenheiten entscheidend geprägt wird (z. B. durch Beruf, familiären Status, politische Überzeugungen, sexuelle Orientierung etc.). Ein dynamisches Verständnis von Identität im Erwachsenenalter ermöglicht Bildungsvorgänge, die nicht nur kognitiv orientiert sind, sondern die gesamte Persönlichkeit bzw. Identität des Menschen umgreifen. Soziologisch und sozialpsychologisch gesehen sind die Identitäten (Jugendlicher ebenso wie Erwachsener) unter den Voraussetzungen der flüchtigen Gesellschaft nochmals besonderen Veränderungen ausgesetzt.

Veränderung der Lebenswelt

PATCHWORK DER IDENTITÄTEN – AUCH IM ERWACHSENENALTER Wie in der soziologischen Analyse oben aufgezeigt, haben sich Zeit und Zeitgefühl der Menschen in der flüchtigen Moderne grundlegend verändert. Die Zeit ist nicht länger ein Kontinuum, das sich als verlässliche Konstante durch die Lebensgeschichte zieht, sondern wird als eine Abfolge von Episoden wahrgenommen. Diese Neuordnung der Zeit nennt Zygmunt Bauman „Pointillisierung“ (Bauman 2008, S. 180 ff.). Die Zeit wird auf den Punkt gebracht, das Spiel soll möglichst kurz gehalten werden, nichts soll Dauer bekommen. Die flüchtige Moderne ist auf den Zeit-Punkt ausgerichtet, der, wie jeder Punkt, eine Nulldimensionalität und keine räumliche Ausdehnung besitzt. Kennzeichen ist somit ein pointillistisches Leben, eine Verwandlung der kontinuierlichen Zeit in eine Anhäufung einzelner pulverisierter Punkte. Die Folge: „In der pointillistischen Zeit der Flüchtigen Moderne ist die Ewigkeit kein Wert und kein Objekt der Begierde mehr, denn das, was ihren Wert ausmachte, wurde gleichsam herausgeschält und dem Augenblick implantiert.“ (ebd., S. 185) Es kommt zur „Tyrannei des Augenblicks“, dessen Grundmerkmal seine Kurzlebigkeit darstellt. Auch die menschliche Identität durchläuft den Prozess der „Pointillisierung“. Während in früherer Zeit Identität als ein lebenslanges Projekt galt, ist sie vor dem Hintergrund zeitanalytischer Betrachtung nur ein Attribut des Augenblicks, die heute dies und morgen ein anderes sein kann. Identität in der medien- und konsumorientierten Wirklichkeit ist eine „flüchtige Identität“ (ebd., S. 186) geworden. Extrem formuliert ist sie keine Lebenslinie mehr, sondern eine Ansammlung von Punkten ohne inneren Zusammenhang. Menschen unserer Gegenwart sind nicht mehr eingebettet in ein festes System, das ihnen auf Dauer Sicherheit und Halt gewährt, sondern sind „entbettet“ („disembedding“), herausgelöst aus geborgenen Zusammenhängen, die ein behagliches Gefühl von Nestwärme vermitteln. Die flüchtige Moderne lässt keine Chance mehr zur „Wiedereinbettung“. Die Möglichkeiten, sich neu zu betten, zerbröseln, bevor man es sich bequem gemacht hat. In der Flüchtigkeit der Zeit herrscht „Bettenknappheit“ (Bauman 2003, S. 45). Im Anschluss an solche gesellschaftsanalytischen Überlegungen kann die postmoderne Lebenssituation des Menschen auch sozialempirisch erfasst werden. Der Sozialwissenschaftler und Identitätsforscher Heiner Keupp beschreibt die Identitätskonstruktion der Subjekte in der „Spätmoderne“ aufgrund seiner empirischen Studien folgendermaßen (Keupp 2008, S. 46 ff.):

1. Die Subjekte heutzutage fühlen sich „entbettet“; Keupp spricht von „ontologischer Bodenlosigkeit“, da der stabile kulturelle Rahmen verlässlicher Traditionen verloren gegangen ist. 2. Es kommt zur Entgrenzung individueller und kollektiver Lebensmuster, was bedeutet, dass die „Schnittmuster“, nach denen Menschen in früheren Zeiten ihre Biografien entworfen haben, ihre Prägekraft verloren haben. 3. Die Erwerbsarbeit, früher eine wesentliche Basis von Identität, wird brüchig, da sie von häufigem Wechsel, ständiger Aufgabenverlagerung und permanenter Instabilität gekennzeichnet ist.

Zeit als Punkt

Identitätskonstruktionen heute

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4. Die wachsende Komplexität der Lebensverhältnisse führt zu einer Fragmentierung von Erfahrungen, die kein Gesamtbild mehr ergeben. Wir leben, so Keupp, nicht nur in einer schizophrenen, sondern „multiphrenen Situation“, die von absoluter Heterogenität gekennzeichnet ist. 5. Die „virtuellen Welten“ und „virtuellen Gemeinschaften“ sind unsere neuen Realitäten, doch sind die digitalen Netzwerke ohne Vorgeschichte, ohne Tradition und ebenso flüchtig, wie die soziale Identität, die sie suggerieren. 6. Das Zeitgefühl erfährt eine immense „Gegenwartsschrumpfung“ (Hermann Lübbe), denn die subjektiven Bezüge zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verändern sich dramatisch. Die Halbwertszeiten kultureller Güter verringern sich täglich, die Bedeutung der Vergangenheit für das Heute geht verloren, Gegenwart und Zukunft haben keine Fixpunkte mehr. 7. Die Pluralisierung von Lebensformen, Hauptkennzeichen der „Postmoderne“, kann man mit Peter L. Berger auch als „explosiven Pluralismus“ bezeichnen, da sich die Möglichkeiten der Art und Weise zu leben binnen einer Generation sprungartig vervielfältigt haben. 8. Die dramatische Veränderung der Geschlechterrollen bringt alte Selbstverständlichkeiten sowie vermeintliche private und gesellschaftliche Stabilisatoren ins Wanken. 9. Die voranschreitende Individualisierung verändert das Verhältnis des Einzelnen zu sich selbst und zur Gemeinschaft, er muss sich selbst entwerfen, seine Biografie selbst zusammenstellen, was Freisetzung bedeutet, gleichzeitig aber Ängste und Unsicherheiten nährt. 10. „Der Verlust des Glaubens an ,Meta-Erzählungen‘ erzeugt den individualisierten Sinn-Bastler.“ (Keupp 2008, S. 52) Die Großerzählungen des christlichen Abendlands waren Deutungssysteme, mit deren Hilfe der Mensch Sinn von Sinnlosigkeit unterscheiden und Kontingenz bewältigen konnte. Doch die sinnstiftenden Institutionen sind nicht mehr selbstverständlich gegeben, sie haben ihre Dominanz und Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Identitätskonstruktion Erwachsener in der „Spätmoderne“ oder „flüchtigen Moderne“ ist vor dem Hintergrund dieser Analyse ungleich schwieriger geworden. Sie kann auch keineswegs mehr pauschal gebucht werden, so dass sie auf Dauer in Besitz genommen werden könnte, sondern stellt eine Anstrengung dar, die ein Leben lang immer wieder neu unternommen werden muss. Identitätsbildung wird mehr denn je zur never ending story. Eine „biografische Dauerrevision“ (Rosa 2012, S. 354) ist erforderlich, quasi ein Dauerworkshop einer stets neu zu bestimmenden „situativen Identität“ (ebd.). Identität kann längst nicht mehr durch Übernahme kultureller Muster quasi im Vorbeigehen, im Durchgehen durch bestimmte kulturelle Schemata erfolgen, sondern muss immer wieder aufs Neue ausgehandelt werden. Wir sind Pilger im säkularen Sinn geworden, „Flaneure, Spieler und Touristen“ (Bauman 2007), die ihre Identität nicht mehr statisch, sondern höchst dynamisch zusammenbasteln müssen: „Wenn das moderne ,Problem der Identität‘ darin bestand, eine Identität zu konstruieren und sie fest und stabil zu halten, dann besteht das postmoderne ,Problem der Identität‘ hauptsächlich darin, die Festlegungen zu vermeiden und sich die Optionen offen zu halten.“ (ebd., S. 133) „Das flexible Ich“ wurde gleichzeitig zur Beschreibung eines Phänomens wie zum Ideal der spätmodernen Lebensform. Identität ist nunmehr „eine

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Collage aus Fragmenten, die sich ständig wandelt“ (Sennett 2010, S. 182), eine „fragmentierte Identität“ (der Titel der engl. Originalausgabe von Bauman 2007 lautet: „Life in fragments“). Die gesellschaftliche Transformation bewirkt, dass wir uns immer mehr mit der möglichen Konstruktion unserer Identität beschäftigen müssen, da sie nicht mehr selbstverständlich gegeben ist. Und je mehr wir uns mit ihr beschäftigen, desto mehr scheint sie uns durch die Finger zu gleiten. Die Lebensgeschichte entspricht keiner zusammenhängenden Lebenslinie mehr. Konsequenz: Soziale Beziehungen gehen mehr und mehr verloren, denn gerade sie sind auf Dauer und Konstanz angewiesen. Wer ständig umziehen muss, um seine Erwerbstätigkeit zu sichern, wer seine Identität den Erfordernissen des Alltags immer neu anpassen muss, sieht sich gezwungen, „die emotionalen Bindungskräfte wie Zuneigung, Zärtlichkeit, Vertrauen, Sehnsucht, Erinnern, Vermissen durch die Pflege von Kontakten“ zu ersetzen (Funk 2011, S. 118). Bindungsscheue Kontaktpflege statt Beziehungspflege. Entbundene, unverbindliche Sozialkontakte statt verlässlicher Bindung. Noch ist es nicht so weit, aber aufgrund soziologischer Analysen kann man die Brüchigkeit und Fragmentierung verlässlicher Beziehungen und sozialer Gemeinschaften heraufdämmern sehen oder zumindest eine solche Diagnose als Warnschild aufstellen.

Brüchigkeiten

LEBEN IN FRAGMENTEN Postmoderne bzw. flüchtig-moderne Lebensqualität bedeutet in erster Linie, sich alle Optionen offen zu halten, Bindungen möglichst zu vermeiden, um keinesfalls in Abhängigkeiten zu geraten (Bauman 2007, S. 131 ff.). Identität ist heute in soziologischer und sozialpsychologischer Sicht zu einem freien Spiel avanciert, das allen Festlegungen widerstehen und möglichst viele Gelegenheiten in Reichweite halten will. In der Moderne glich das Leben einer Pilgerreise, die auf ein bestimmtes Ziel zuführt, das meist theologisch bestimmt war. „Für Pilger in der Zeit liegt die Wahrheit andernorts; der wahre Ort liegt immer ein Stück weit und eine Weile entfernt.“ (ebd., S. 136) Die Lebenslinie hatte ein Ziel und damit einen Sinn. „Dieses ,Erbringen‘ von Sinn wurde ,Identitätsbildung‘ genannt.“ (ebd., S. 141) Der Pilger legt früh im Leben seinen Zielpunkt fest, um seinem Leben eine Richtung zu geben. Damit gelang es ihm, das Leben als eine zusammenhängende Geschichte, eine sinnvolle Geschichte zu erzählen. Heute jedoch, in der flüchtigen Moderne, gehen Eindeutigkeit und Kontinuität verloren. Identitäten können angenommen, aber rasch und ohne Aufsehen auch wieder verworfen werden. „Der Angelpunkt der postmodernen Lebensstrategie heißt nicht Identitätsbildung, sondern Vermeidung jeglicher Festlegung.“ (ebd., S. 146) Damit werden dauerhafte Bindungen entwichtigt, die Lebenszeit in eine Ansammlung von Beziehungssequenzen aufgespaltet. „Das Gesamtresultat ist die Fragmentierung der Zeit in Episoden, jede für sich. Losgelöst von Vergangenheit und Zukunft, jede in sich geschlossen und unabhängig. Die Zeit entspricht nicht mehr einem Fluss, sondern einer Ansammlung von Teichen und Tümpeln.“ (ebd., S. 148) Der Nachfolger des Pilgers sind der Spaziergänger bzw. der Flaneur, der Tourist, der Vagabund und der Spieler. Das Leben wird zum Spaziergang,

keine Festlegungen und Verbindlichkeiten

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Erwachsene im Kontext unserer Zeit

heimatlos

fragmentarische Beziehungen

zum Bummeln in Einkaufsburgen, den Shopping Malls, die alles feilbieten, was man zum Leben braucht. Die (westlich-industrielle) Welt hat sich in ein gigantisches Einkaufszentrum verwandelt, das die Subjekte vor allem in eines verwandelt: in spazieren gehende, flanierende, bummelnde und vor allem zahlende Konsumenten bzw. Kunden. Neben dem Flaneur ist der Vagabund Sinnbild des heutigen Menschen: Im Gegensatz zum Pilger kennt er kein festes Ziel, keine Reiseroute, sondern entscheidet an jeder Kreuzung eher zufällig aufs Neue, wohin er sich wendet. Der Vagabund bleibt ein Fremder, wird nie einheimisch, ansässig, bleibt herrenlos, ungebunden, frei umher laufend wie ein Landstreicher. Die flüchtige Moderne kennt keine beständigen Orte mehr, Betriebe und Fabriken lösen sich zusammen mit den Arbeitsplätzen auf, sichere Bindungsnetze fallen auseinander. Unsicherheit wird zum Lebensmotiv. Auch die Metapher des Touristen kann einen Aspekt heutiger Lebensumstände kennzeichnen (ebd., S. 156 ff.). Seine innere Verfassung entspricht einer ruhelosen Unzufriedenheit, beseelt vom ständigen Wunsch nach Kontrast, nach neuen Erfahrungen, fremden und bizarren Erlebnissen auf der Reise in unvertrauten Gefilden. Im Gegensatz zum Vagabunden bezahlt der Tourist für seine Abenteuer und Erfahrungen. Die touristischen Eskapaden nehmen einen immer größeren Anteil in unserer Lebenszeit ein. Letztlich drücken sie die Furcht vor Heimatgebundenheit aus, können spielerisch das Weite suchen, ohne die letzten Bindungen zu verlieren. Der Spieler schließlich geht einen Schritt weiter. Seine Zeit unterteilt sich in eine Abfolge von Spielen. Er hat jederzeit die Möglichkeit, von vorne zu beginnen. Alle vier metaphorischen Personen sind miteinander verflochten und verkörpern gemeinsam das postmoderne Lebensgefühl. Die Grundtendenz, die alle verbindet, ist die zunehmende Fragmentarität menschlicher Beziehungen, die nicht länger durch feste, verlässliche Bindungsmuster charakterisiert sind und die kaum Verantwortung für den Anderen kennen. Beziehungen werden mehr und mehr flüchtig, oberflächlich und schnell widerrufbar.

WELCHE ERWACHSENEN?

Phase des Erwachsenseins

Wenn wir bisher von „Erwachsenen“ gesprochen haben, so geschah dies bewusst relativ undifferenziert. Doch der Begriff des Erwachsenseins muss konturiert und v.a. differenziert werden, um die Zielgruppe für Erwachsenenbildung genauer in den Blick bekommen zu können. Lebensalter. Zunächst stellt sich die Frage, wann man erwachsen wird. Ist man mit achtzehn erwachsen? Die großangelegten, regelmäßig durchgeführten Shell-Jugendstudien (z. B. Jugend 2010, 2006 etc.) untersuchen junge Leute von 14 bis 27 Jahren mit der Begründung, dass das Jugendalter aufgrund der langen Ausbildungszeiten bis weit ins frühe Erwachsenenalter reicht. In der Tat sehen sich viele Auszubildende oder Studierende, obwohl sie zwar faktisch über achtzehn Jahre alt sind, noch durchaus der Gruppe der „Jugend“ zugehörig. Der tatsächliche Eintritt ins Erwachsenenalter wird flexibel und individuell verschieden bestimmt. Die erwähnten Jugendstudien machen ein Zusammenspiel von drei Faktoren fest, die den endgültigen Übergang markieren: Auszug aus dem Elternhaus (unabhängiges Zimmer oder eigene Wohnung); feste Bindung (Partnerschaft); finanzielle Unabhän-

Veränderung der Lebenswelt

gigkeit, wobei nicht alle Faktoren gleichzeitig vorhanden sein müssen. In der gegenwärtigen Gesellschaft sind diese Übergänge immer öfter erst in der Mitte oder gar gegen Ende der 20er Jahre der Fall. Wir sprechen im Folgenden von jungen Erwachsenen, wenn wir Menschen von der Volljährigkeit bis zum Ende der 20er Jahre im Auge haben, vom mittleren Erwachsenenalter (30–60), vom höheren Erwachsenenalter (60–75) und vom hohen Alter (75 und höher). Hinzu tritt der Begriff der Senioren, der üblicherweise für Menschen nach der Berentung verwandt wird („nachberufliche Lebensphase“). Alle Altersstufen im Erwachsenenalter sind für die religiöse Bildung wichtig. So wurden viel zu lange die „jungen Erwachsenen“ als Zielgruppe vernachlässigt (Greiner 2005), während man sich fast ausschließlich dem nicht weniger wichtigen Feld der Familienbildung widmete (Jünemann 2012). Wichtig ist zu sehen, dass die Gruppe der älteren Menschen nochmals deutlich differenziert werden muss, da es erhebliche Unterschiede in den einzelnen Stufen des Alters gibt (Überblick: Kade 2009). So unterscheidet die kirchliche Erwachsenenbildung bewusst zwischen dem sog. „Dritten Alter“ (Lebenszeit nach der Familien- und Berufsphase) und „Vierten Alter“ (Zunahme der Bedürftigkeit von Hilfe, Betreuung oder Pflege und damit verbundene Einschränkungen). In der Bildungsarbeit mit älteren Menschen spielen dabei eher Aspekte der Lebenskontexte und Lebenssituation als vielmehr das Lebensalter eine Rolle (vgl. KBE 2002). Lebensform. Die Pluralisierung der Lebensformen bringt eine Heterogenität an Gruppen mit sich, die ihr Leben auf höchst unterschiedliche Weise gestalten. Dazu gehören u. a.: Singles (junge Singles, Singles-Frauen, Singles-Männer, Geschiedene, getrennt Lebende, Verwitwete); Paare, die in Partnerschaften zusammen leben; junge Familien; Familien mit größeren Kindern; Paare, bei denen die Kinder bereits aus dem Haus sind; Berufstätige; Erwerbslose; Menschen aus bildungsnahen oder aus bildungsfernen Schichten; Arme; Menschen, die mit Krankheit oder Behinderung konfrontiert sind (selbst oder im Familien- bzw. engeren Freundeskreis). Die Liste ist um ein Vielfaches verlängerbar. Herkunft. Wie oben bereits angesprochen, leben in unserer Gesellschaft Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammen, die insbesondere mit Blick auf Bildungsveranstaltungen differenziert werden müssen (Migranten bzw. Menschen mit „Migrationshintergrund“; Menschen verschiedener kultureller, sozialer, ethnischer, religiöser Herkunft).

MILIEUS, IN DENEN ERWACHSENE LEBEN In den vergangenen Jahren wurde die deutsche Bevölkerung mehrfach mit Blick auf bestimmte Milieus untersucht (MDG-Milieuhandbuch 2013; Sinus-Institut 2011; zusammenfassende Darstellung mit Blick auf Erwachsenenbildung: Ebertz 2012). Nach dem Wegfall traditioneller Milieus (katholische oder protestantische Milieus; Arbeitermilieu etc.) kann man für die heutige Gesellschaft dann von Milieus sprechen, wenn sich bestimmte Bevölkerungsgruppen durch ähnliche Lebensbedingungen, Lebenserfahrungen, Lebensauffassungen, Lebensweisen, Lebensstile, Lebensführungen und eine gewisse, ausgeprägte Binnenkommunikation ausweisen. Die Gruppen wer-

ältere Menschen

heterogene Lebensformen

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Erwachsene im Kontext unserer Zeit

diverse Milieus

den nach subjektiven und objektiven Parametern, nach Wertorientierungen und ihrer Stellung im sozialen Feld gegliedert. Visuell spiegeln die berühmten „Kartoffelgraphiken“ die Einteilung und Überlappung der einzelnen Milieus (s. Website des Sinus-Instituts, Heidelberg; dort ebenfalls Kurzcharakteristik der Milieus). Je weiter oben die Milieus in der Graphik angesiedelt sind, desto höher ist das Bildungs-, Einkommens- und Berufsniveau; je weiter rechts sie stehen, desto „moderner“ oder „postmoderner“ sind die Menschen dieser Milieus orientiert. Folgende Einteilung wurde aufgrund der empirischen Analysen vorgenommen: Traditionelle (15%), Konservativ-etablierte (10%), Bürgerliche Mitte (14%), Liberal-Intellektuelle und Sozialökologische (zusammen 14%), Prekäre und Adaptivpragmatische (zusammen 18%), Hedonisten (15%), moderne Performer und Expetitive (zusammen 13%). Auch wenn die Trennlinien zwischen den Milieus keineswegs scharf sind und es Menschen gibt, die an verschiedenen Milieus gleichzeitig partizipieren (im Beruf eher bürgerlich, im Freizeitverhalten hedonistisch oder als „Performer“ auftretend), kann als Konsequenz der Milieuforschung gesagt werden: „Die kommunikativ auseinander strebenden Milieus können offensichtlich keinem gemeinsamen Drehbuch mehr unterworfen werden. … Aus Gründen unterschiedlicher Milieuzugehörigkeit wächst das Risiko einer gebrochenen, jedenfalls wechselseitig nicht zufrieden stellenden Kommunikation: dass man sich inhaltlich nichts zu sagen hat, was beiden Seiten wichtig und hilfreich ist, dass die Art und Weise des Mitteilens auf Ablehnung stößt und dass dem Verstehen Grenzen gesetzt sind.“ (Ebertz 2012, S. 69) Damit wird klar, dass Bildungsangebote nicht „für alle“ Menschen gleichermaßen konzipiert werden können, sondern dass sie milieuspezifisch geplant und organisiert werden müssen. Auch sind die jeweiligen Eigenzeiten der unterschiedlichen Milieus zu berücksichtigen (beispielsweise die höchst divergenten Wochenendgestaltungen), ebenfalls die divergenten Aufenthaltsorte (Wohnbereiche und Treffpunkte) ihrer Mitglieder. Der Milieubegriff führt uns wieder zurück zu dem zu Beginn dieses Abschnitts erwähnten „Lebensweltbegriff“: Die subjektive Deutung von Welt und Wirklichkeit ist von Menschen, die in der gleichen Gesellschaft leben, höchst unterschiedlich – je nach ihren Verstehensvoraussetzungen, Gruppenzugehörigkeiten und Vorerfahrungen.

KONSEQUENZEN FÜR DIE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG Bildungsarbeit für Erwachsene im Kontext kirchlicher Einrichtungen stellt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Mittelpunkt der Angebote. Damit verabschiedet sie sich deutlich von einem Einheitskonzept, das alle Menschen integrieren und auf gleiche Weise mit Bildung „versorgen“ will. Demgegenüber gilt angesichts der in diesem Abschnitt behandelten Themen: *

Religiöse Erwachsenenbildung ist immer auf eine sinnvolle Bereicherung und Erweiterung des Selbstkonzepts, d. h. der Identität Erwachsener, ausgerichtet. Sie gibt Impulse zur kritischen Reflexion, konstruktiven Weiterentwicklung und zur kreativen Aneignung von Identität.

Kirchliche Veränderungen Religiöse Erwachsenenbildung arbeitet lebensweltorientiert an biografischen Brüchen und Umbrüchen. Sie hilft bei der Reflexion und Bewältigung kritischer Lebensereignisse (Coping). * Sie greift existentielle und lebensrelevante Themen auf, führt Menschen dazu ins Gespräch miteinander, lässt Widerspruch und Ablehnung zu, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in freier Entscheidung ihre Lebensmuster vertiefen bzw. erweitern können. * Dazu arbeitet religiöse Erwachsenenbildung auch mit Kunst und pluralen kulturellen Angeboten (Musik, Theater, Film etc.), die die Menschen auf tiefere Weise ansprechen und ihnen Anregungen zur Neuorientierung bieten können. * Religiöse Erwachsenenbildung arbeitet zielgruppenorientiert sowie gender- und milieusensibel. *

1.4 Kirchliche Veränderungen, Transformationen der religiösen Landschaft ENTKIRCHLICHUNG, ENTTRADITIONALISIERUNG An mehreren Stellen im bisherigen Gang der Ausleuchtung kontextueller Bedingungen für Bildung, insbesondere religiöse Bildung Erwachsener, war von „Transformation“ die Rede (gesellschaftlich, die Lebensweise betreffend etc.). Eine solche Transformation ereignet sich insbesondere im Bereich des Religiösen. Denn hier geht es im wahrsten Sinne des Wortes um eine transformatio, die tiefer zu verstehen ist als reine „Veränderung“. Wenn sich etwas verändert, bleibt die Sache im Wesentlichen gleich, es treten nur einige Merkmale in einem neuen, äußeren Erscheinungsbild auf. Bei der transformatio wird das Wesen der Sache angetastet: Es erfolgt ein Übergang (trans) in eine neue Gestalt (formatio), d. h. eine neue Wirklichkeit. Die religionssoziologischen Analysen der Gegenwart lassen vermuten, dass die Formen von Religion und des Religiösen in den nachmodernen Gesellschaften sich so radikal verändern, dass sie relativ wenig mit den traditionellen Formen von Religion zu tun haben werden. Bisher hat der christliche Glaube die Länder des „Abendlands“ geprägt und sich in Gestalt der christlichen Kirchen unterschiedlichster Konfessionen manifestiert. Diese kirchlichen Glaubens- und Lebensformen sind momentan im Umbruch, was sich an den soziologischen Stichworten der Entkirchlichung, Enttraditionalisierung oder Entchristlichung festmacht (Kaufmann 2012, 2011). Eine wichtige Nebenbemerkung ist in diesem Zusammenhang zu machen: Die Rede vom „christlichen Abendland“ ist dann fragwürdig, wenn sie suggeriert, es hätte eine ausschließliche christliche Prägung der Kultur Europas gegeben. Die Kulturgeschichte ist jedoch weitaus vielfältiger. So war und ist das Judentum wesentlicher Faktor der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte, das zwar von der herrschenden Dominanzkultur oft genug unterdrückt, negiert, verfolgt wurde, das sich aber durch vielfältige Interaktionen mit christlicher Kultur und Religion immer wieder behauptete – bis heute, nach der großen Zerstörung des europäischen Judentums im Holocaust. Auch der Islam bleibt durch die Jahrhunderte hindurch ein wichtiger kultureller, geistiger und religiöser Impulsgeber für die abendländische Welt, sei es durch philosophischen Austausch im Mittelalter, durch kulturelle Einflüs-

radikaler Übergang

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se in den südlichen Ländern (insbesondere Spanien, Portugal, Italien), durch kriegerische Interventionen oder durch Handel und kulturellen Austausch.

Fremdsprache Religion

Der Begriff Entkirchlichung ist selbstredend. Er meint die fortschreitende Entfremdung der Menschen und ihrer Lebenswelt von kirchlichen Bezügen (ebd.). Zwar sind noch ca. zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland getauft, ihr Bezug zu Kirche im alltäglichen Leben ist aber eher lose oder gar nicht mehr erkennbar. „Kirche“ ist eine „fremde Heimat“ geworden (Höhn 2012), die Sprache der Religion für viele eine „Fremdsprache“ (Altmeyer 2011a). Hans-Joachim Höhn fasst die Situation der Zeit auf drastische Weise zusammen: „Für viele Zeitgenossen ist das Christentum als einstige ,Leitreligion‘ Europas zu einer Größe geworden, mit der sie fremdeln. Dies gilt erst recht für ihr Verhältnis zur Kirche als Sozialform und Institution des Christseins. In ihren Augen ist deren Zeit schon längst abgelaufen. Sie gehöre eigentlich in die Museen der Kulturgeschichte.“ (Höhn 2012, S. 15) Höhn beschreibt mehrere Aspekte dieser Entfremdung (ebd., S. 21 ff.): „Fremde Heimat Kirche“ kann bedeuten … * … dass die religiöse Herkunft einem Menschen mit der Zeit fremd wird, weil er/ sie schon lange nicht mehr an jenem Ort lebt, von dem er/sie herkommt; * … dass die religiöse Herkunft nur noch vom Hörensagen bekannt ist; * … dass die Kirche eine Zuflucht für jene geworden ist, die mit der modernen Welt nicht mehr mitkommen, die sich abgehängt fühlen vom Fortschritt und sich als Modernisierungsverlierer betrachten; * … dass Menschen auf der Suche nach neuen spirituellen ,Niederlassungen‘ sich schwer tun mit der Akzeptanz jener kirchenrechtlichen Normen und dogmatischen Bedingungen, an welche die Kirche die Teilhabe an ihrem religiösen Leben knüpft; * … dass die Kirche Menschen verliert, weil sie pastoral verprellt werden; * … dass in einem sehr unmittelbaren Sinn Christen den architektonischen Ausdruck ihrer Religionszugehörigkeit verlieren (durch Kirchenschließungen, -umwidmungen, -profanisierungen).

Während die Diagnose der weitgehenden Kirchendistanz in quasi allen Studien zur heutigen religiösen Einstellung der Menschen nachgewiesen wurde, ist es umstritten, ob wir deshalb in einer säkularen (weltlichen) Gesellschaft angekommen sind. Seit Jahrzehnten ist die Frage: Leben wir in der Situation der Säkularität?

SÄKULARISIERUNG DER GESELLSCHAFT UND „ETWAS-ISMUS“? Die „Stadt ohne Gott“ („the secular city“) war für die religiöse Gegenwartsanalyse des amerikanischen Theologen Harvey Cox bereits in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Realität (Cox 1969). Doch heute ist eine gegenläufige Tendenz sichtbar: Viele Menschen in Deutschland bezeichnen sich noch „irgendwie“ als religiös – nach dem Religionsmonitor 2008 sind es immerhin 70% der Befragten (Religionsmonitor 2008; vgl. Religionsmonitor 2013). In manchen Ländern sind die Zahlen höher (USA und Indien über 90%), in anderen geringer (Frankreich 40%). Befinden wir uns

Kirchliche Veränderungen

deshalb gar nicht, wie vermutet, in der Säkularität, sondern in einem Prozess der „De-säkularisierung“ (Berger 1999)? Wird also unsere Gesellschaft nicht immer säkularer, sondern, im Gegenteil, immer religiöser? Viele Religionssoziologen sind der Auffassung, dass die Säkularisierungsthese – Modernisierung führt automatisch zur Säkularisierung – nicht mehr haltbar ist (u. a. Berger/Pollack 2013; Gabriel 2011; Joas 2012, S. 16). Doch kann von einer vieldiskutierten „Wiederkehr der Religion“ keine Rede sein, denn diese Begrifflichkeit suggeriert, dass etwas so wiederkommt, wie es vorher war (zusammenfassend und Überblick zur Diskussion: Altmeyer 2013a). Das „christliche Abendland“ im Sinne einer kirchlich und politisch gestützten christlichen Einheitskultur kehrt gewiss nicht wieder, auch dann nicht, wenn in Europa auf neue Weise religiöse Elemente in der Gegenwartskultur auffindbar sind und man von einer „neuen Sichtbarkeit von Religion“ sprechen kann (Hoburg 2010). Prozesse der Pluralisierung des Religiösen in unserer Gesellschaft, religiöse Individualisierung und Detraditionalisierung im Sinne einer Abkehr von institutionell verfasster Kirchlichkeit sind unumkehrbar. Dennoch, bei einer religionssensiblen Betrachtung der Gegenwartslage kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir uns in den westlichen Gesellschaften (Europa und USA) in einer „postsäkularen“ Situation befinden (Basisthese: Habermas 2001; s. auch Habermas/Ratzinger 2005; religionsphilosophische und theologische Weiterführung der Diskussion v.a. bei: Höhn 2010, 2007; Johannsen 2010; Walter/Eckholt 2007). Religion und Religiosität, so die grundsätzliche These, sind gesellschaftlich keine marginalen Phänomene (Religionsmonitor 2013, 2008). Sie sind nicht kirchlich gebunden, sondern auf neue Weise präsent, und zwar vor allem auf zwei Ebenen, der politischen, öffentlichen und der persönlichen, biografischen, privaten: * Religion ist vermehrt präsent im öffentlich-gesellschaftlichen Bewusstsein und auf der politischen Bühne – global wie lokal. Weltweit sind Krisen und Spannungen zu verzeichnen, die religiöse Unter- bzw. Obertöne haben. Konflikte zwischen verschiedenen Religionen (z. B. im Nahen Osten, in Indien oder Afrika) sind ebenso an der Tagesordnung wie Machtkämpfe innerhalb von religiösen Großsystemen, etwa zwischen Sunniten und Schiiten. In den meisten dieser Krisensituationen sind Politik und Religion auf komplizierte Weise miteinander verquickt, klar aber ist, dass religiöse Argumente und Handlungsmotivationen nicht nur äußerlich als politischer „Vorwand“ dienen, sondern der innersten Verfassung und tiefsten Überzeugung der Handlungs- und Entscheidungsträger entspringen. Die subkutane Dimension militärisch-politischer Konflikte ist sehr häufig eminent religiös aufgeladen. * Auch innerhalb westlicher Industriestaaten ist die öffentliche Bedeutung von Religion in den vergangenen Jahren neu bewusst geworden, insbesondere durch die Präsenz von Menschen muslimischen Glaubens. Die globalen Krisen haben nicht selten ihre lokalen Spiegelungen (z. B. in der Angst vor Terroranschlägen). Aber schon allein die friedliche Präsenz von Gläubigen und Glaubensgemeinschaften, die beispielsweise einen würdigen Versammlungsraum und Gottesdienstraum fordern, um ihre Religion frei ausüben zu können, wird zum gesellschaftlichen Diskussionsanlass,

postsäkulare Gesellschaft

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Erwachsene im Kontext unserer Zeit

„Somethingism“ – ein neuer Glaube?

der nicht selten bis hin zu hasserfüllten und gewalthaltigen Abwehrreaktionen hervorrufen kann (z. B. beim Streit um den Moscheebau). Dabei sind nicht allein rechtsradikale Organisationen beteiligt, auch zahlreiche eher unpolitische Bürger melden sich zu Wort, weil sie sich durch die Gegenwart des Islam in ihren Ängsten bestärkt sehen. * Doch nicht nur in öffentlichen Debatten, gerade auch im alltäglichen Leben wird den Menschen heute die religiös höchst heterogene Situation immer deutlicher. Der Arbeitsplatz ist vielfach ein Spiegel der Gesellschaft und oft genug ein deutliches Abbild der pluralen Wirklichkeit. Muslime, anders Konfessionelle, Ungetaufte gehören selbstverständlich zu den Mitarbeitern in Betrieben, Firmen und Dienstleistungsunternehmen. Auch Bildungseinrichtungen sind „multireligiös“ geworden, selbst wenn über Religion nicht viel gesprochen wird. * Schließlich ist der zweite Bereich nicht unerheblich, der die persönliche Sphäre betrifft. Der große Anteil der Bevölkerung, der sich als „irgendwie“ religiös bezeichnet (s. oben), lebt seine Religiosität auf höchst individuelle Weise: sei es reflexiv, aktiv-praktizierend, implizit, unbewusst, reaktiv oder distanziert, aber trotzdem oft nicht uninteressiert. Nicht nur an biografischen Eckpunkten, auch im Alltag tauchen religiöse Muster im privaten und persönlichen Bereich auf, die längst nicht alle explizit werden, da Kommunikation über Religion nur von darin geübten und diskursfähigen, bildungsnahen Menschen gesucht wird. Manche Erwachsene wissen selbst nicht genau „wo bei mir Religion anfängt“ (Reese 2006), sind aber in bestimmten Kontexten und unter bestimmten Voraussetzungen bereit, darüber ins Gespräch zu kommen. Dennoch, die meisten Menschen fühlen zwar, dass die Dimension der Religion zu ihrem Leben irgendwie dazu gehört, können dieses religiöse Gefühl aber nicht genau verorten. Sie können oder wollen sich nicht an eine bestimmte religiöse Tradition binden und geben an, dass sie an „irgendeine“ höhere Macht, an „Irgendetwas“, das unsere Welt übersteigt, glauben. Lieven Boeve spricht von „Something-ism“, „Etwas-ismus“ als einer neuen „Glaubensrichtung“ (Boeve 2012; 2007, S. 139 ff.). Nicht wenige Menschen glauben an „Something“, können aber dieses „Etwas“ nicht genauer benennen. Sie geben in Befragungen an zu glauben, dass es „etwas mehr“ gibt, das die Welt und die Wirklichkeit umgreift, sind aber weder Willens noch in der Lage, dieses „Etwas“ genauer zu benennen oder gar reflexiv zu bestimmen. Dieser „Etwas-ismus“ hat die religiöse Landschaft in Europa von Grund auf verändert. „Etwas-ismus“ ist das Resultat von Enttraditionalisierung und Pluralisierung, so lautet die zentrale These von Boeve. Die unbestimmte Akzeptanz, dass es etwas mehr geben muss als ein Leben in Zahlen und Fakten, ist deshalb weit verbreitet, weil die traditionellen Instanzen, die dieses Etwas näher charakterisierten und mit dem Gott Jesu Christi verbindlich und eindeutig identifizierten, nämlich die Kirchen, nicht mehr selbstverständlicher Ort der religiösen Identitätsbildung sind. Religiöse Identität wird heute weitgehend unabhängig von traditionellen Vorgaben gebildet. In fast allen postmodernen Milieus wird die Kirche auf dem Markt der Sinnstiftungsangebote zu einem Anbieter unter vielen (MDG-Milieuhandbuch 2013).

Kirchliche Veränderungen

FREIE RELIGIöSE UND SPIRITUELLE SINNANGEBOTE: RELIGION OHNE GOTT? Unsere Zeit steckt in einem der größten Umwandlungsprozesse dessen, was traditionell mit Religion und Glaube bezeichnet wird, den die Geschichte des Christentums je erfahren hat. Aufgrund der gesellschaftlichen Transformation (s. oben 1.2), die ihre Spiegelungen in den Identitätskonstruktionen jedes einzelnen Menschen hat (1.3), ist auch die Gestalt des Religiösen einer radikalen Veränderung unterworfen. Transformation ist das Grundsignum der aktuellen religiösen Situation. Die Gesellschaft ist im Umbruch – und mit ihr befindet sich die Religion in einem dramatischen Wandel (hier und zum Folgenden: Höhn 2007). Religion und religiöse Orientierungen zeigen sich heutzutage bekanntlich nicht mehr allein an bestimmte Institutionen und Organisationsformen gebunden, die ihre Existenz in Form von Bräuchen, Sitten, Doktrinen und Lehren absichern. Religion findet ihren Platz in ästhetischen, rituellen, symbolischen Ausdrucksweisen, die weit von dem entfernt sind, was Institutionen, insbesondere die Kirchen vorgeben. „Das Religiöse mischt sich unter das Profane.“ (ebd., S. 35) Es liefert Inhalte für Kinofilme, für Songs der aktuellen Musikszene und Anspielungen in Werbung, Videoclips, auf Plakatwänden. Das Religiöse ist ferner gefragt, wenn Menschen auf der Suche nach Selbstverwirklichung und Sinnentdeckung sind, es schleicht sich unter Wellnessangebote und Pychohygienetrips. Religion hat insbesondere eine „biografieintegrative Funktion“ (ebd., S. 43), dann nämlich, wenn sie den Menschen hilft, ihr Leben durch religiöse oder spirituelle Elemente besser gestalten zu können. Sie unterstützt suchende Personen, ihre inneren Ressourcen zu entdecken und zu stärken, sie gilt als eine Quelle für nötige Energie, um beruflichen Erfolg und privates Glück zu erreichen. Religion im Zeitalter der Transformation ist in erster Linie ein Versprechen, das allerdings nicht in Gestalt eschatologischer Verheißung erscheint, sondern im Gewand eines Versprechens persönlicher, privater Erfüllung präsent ist. Die Überfülle religiöser Angebote im WorldWideWeb, die Angebote religiöser oder spiritueller Erfahrung, Esoterik und Meditation sind in erster Linie auf das individuelle Wohlergehen ausgerichtet. Religion wird subjektiviert, ästhetisiert und psychologisiert und taucht in Form von freien, also nicht institutionell gebundenen Sinnangeboten auf. Sie dient der Suche nach innerem Frieden in einer Welt, die durch äußere Zerrissenheit, durch Krisen und Unübersichtlichkeit gekennzeichnet ist. Religion ist Teil der Wellnessgesellschaft geworden, deren oberstes Prinzip die Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Kunden und Klienten darstellt. Doch genau dadurch schafft sie immer neue Bedürfnisse, da niemand im Status der Wellness verharren kann, sondern im Alltags-, Berufs- und Familienleben schnell in den gewohnten Stress zurückfällt, aus dem man spirituell-religiös heraustreten wollte. Religiosität – also die subjektive Aneignung von Religion – ist in unserer Zeit höchst individualisiert (zur terminologischen Klärung der Begriffe Religion, Religiosität, Glaube und Spiritualität s.: Boschki 2011, S. 12 f.; Angel et al. 2006). Viele Menschen, insbesondere die heranwachsende Generation und junge Erwachsene, stellen sich, wenn sie Bezug zur Welt des Religiösen aufbauen, ihre eigene religiöse Patchwork-Identität selbst zusammen, indem sie sich der verschiedensten Quellen bedienen, in neuerer Zeit immer mehr

religiöse und spirituelle Suche

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Erwachsene im Kontext unserer Zeit

Religion ohne Gott

christlicher Glaube

fernöstlicher Spiritualitätsformen. Diese individuelle Religiosität wird in erster Linie im Aktionsschema der Selbstthematisierung bearbeitet, z. B. in Form von Tagebüchern, einsamen Spaziergängen in der Natur, Rückzug an einen ruhigen Ort, persönlichen Meditationsecken. Solche Handlungen gelten für viele als religiöse Erfahrung, für manche sogar als Gebet. Dabei spielt der Gottesbegriff oder Gottesgedanke keine zentrale Rolle. Gott selbst wird heute oft als abstrakte Größe, als „Höhere Macht“ oder als „Energie“ bezeichnet. Ein persönliches Gottesverständnis ist selbst unter Getauften eminent rückläufig. Aus diesem Grunde scheint die Analyse von Johann Baptist Metz zutreffend zu sein, wonach die religiöse Situation der Zeit als die eines religionsfreundlichen A-Theismus bezeichnet werden kann: „Wir leben in einer Art religionsförmiger Gotteskrise. Das Stichwort lautet: Religion, ja – Gott, nein, wobei dieses Nein wiederum nicht kategorisch gemeint ist im Sinne der großen Atheismen.“ (Metz 2006, S. 70) Metz spitzt seine kritische Analyse sogar noch zu: „Religion als Name für den Traum vom leidfreien Glück, als mythische Seelenverzauberung, als psychologisch-ästhetische Unschuldsvermutung für den Menschen: ja. Aber Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott Jesu? Wie modernitätsverträglich ist die Rede vom biblischen Gott?“ (ebd., S. 71) Theologisch gesehen ist Religion und Religiosität vieler Zeitgenossen weit entfernt von den jüdischen und christlichen Gottestraditionen, die das Abendland in ihrer inneren Dialektik prägten. Deren Grundkennzeichen war die liebende und fordernde Herrschaft eines persönlichen Gottes, der dem Menschen anspruchsvoll und ansprechbar vor allem als Beziehungspartner entgegen tritt. Der Medaille des Religionsbooms westlicher Gesellschaften entspricht auf deren Rückseite eine Gottesschwäche und Gottesvergessenheit angesichts des Gottes der biblischen Überlieferung. Die Transformation des Religiösen in der Zeit der flüchtigen Moderne zeigt sich unter anderem in ihrer individualisierten, pluralisierten und privatisierten Gestalt, der eine Ferne zum Begriff und zur Wirklichkeit eines persönlichen Gottes innewohnt. Trotz dieses Befundes ist es wichtig, die Entwicklungen nicht vorschnell aus theologischer Perspektive negativ zu bewerten, denn die religiöse Gegenwartslage ist äußerst plural und heterogen. Religion, Religiosität, Glaube, Spiritualität können keineswegs mehr einheitlich gedeutet werden. Denn ohne Zweifel gibt es neben den aufgezeigten Tendenzen auch noch die kirchlich-christliche Repräsentanz von Religion und Glauben in unserer Gesellschaft, die Menschen in prägender Weise mit der biblischen Botschaft und dem Gott des Evangeliums vertraut macht. Kirchliche Repräsentanten, theologische Fakultäten an Universitäten, Religionsunterricht in konfessioneller Gestalt, Gegenwart und Lebendigkeit von Kirchengemeinden, Katechese, kirchliche Erwachsenenbildung und Predigt, neue christliche Gemeinschaften, das Phänomen Taizé, ein christlicher Buch- und Medienmarkt etc. stehen für eine christliche Kultur, die zwar nicht mehr Dominanzkultur, aber weiterhin eine kraftvolle Repräsentanzkultur darstellt. Religiosität ist nicht immer rein privatisierend und egozentrisch ausgerichtet, sondern zeitigt bisweilen äußerst verantwortungsvolle Ausdrucksformen, die den

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anderen Menschen, den Nächsten, insbesondere die Schwachen in der Gesellschaft in den Blick nehmen, ihnen auf diakonisch-karitative Weise zur Seite stehen. Religiosität und Solidarität können auch heute eine starke Einheit bilden, wie konkrete, religiös motivierte Handlungsformen (z. B. die Obdachlosenhilfe) zeigen. Auch das Phänomen der Spiritualität kann nicht allein auf individuelle Wellness reduziert werden. Sie ist die Ausdrucksform einer inneren Haltung und zeigt sich in bestimmten Einstellungen (spirituelle Deutung von Welt und Wirklichkeit) sowie in konkreten Handlungen (z. B. Meditations- oder Gebetsformen). Auch sie tritt in vielfältigster Weise in Erscheinung, sie kann in traditioneller Art (kirchliche Spiritualität) oder in transformativer Gestalt (individualisierte Formen) gelebt werden. Sie kann in beiden Fällen ein Element echter Gottessuche darstellen, das nicht auf den individuellen Seelenfrieden verkürzt bleibt, sondern gemeinschaftsbildend, solidaritätsfördernd und identitätssichernd wirkt (Kunz/Kohli Reichenbach 2012; Metz 2011; Langer/Verburg 2007; Altmeyer et al. 2006). Die Transformation des Religiösen darf Theologie und Kirche nicht zu Rückzugstendenzen, zur Abwertung der religiösen Phänomene als „Pseudoreligion“ und schon gar nicht zur Überheblichkeit verleiten. Denn die neuen religiösen Formen können nicht einfach als Randphänomene deklariert werden, sondern sind längst gleichberechtigte Partner im Dialog der Religionen geworden. Ihre Ausdrucksgestalt ist nicht „defizitär“, sondern schlicht und ergreifend „anders“ als die christliche Überlieferung vorgibt. In ihrer Andersheit sind spirituelle und neue religiöse Formen in der pluralen Gesellschaft theologisch ernst zu nehmen. Nur so kann sich Theologie – und mit ihr praktische Theologie und Religionspädagogik – als pluralitätsfähig erweisen (Englert et al. 2012). Neue Formen des Religiösen, aber auch des Atheismus und der religiösen Gleichgültigkeit müssen für Christen und Kirchen als „notwendige Provokation“ (Hoff 2009) gelten, um die eigene, christliche Gottesrede zu schärfen, ihre Verniedlichung und Verharmlosung zurückzunehmen und ihre Radikalität viel deutlicher in den Diskurs und als Zeugnis in praktische Lebenskontexte einzubringen. „Die Atheisten und noch mehr die religiös Indifferenten machen uns auf die Unerfahrbarkeit, Unbegreiflichkeit und Nichtinstrumentalisierbarkeit Gottes aufmerksam und problematisieren damit die oft unvorsichtige Rede von ,religiösen Bedürfnissen‘ und ,Gotteserfahrungen‘.“ (Tiefensee 2009, S. 46)

Pluralitätsfähigkeit

PLURALITÄT DER RELIGIONEN – OPTIONEN DES CHRISTENTUMS Das wichtigste Kennzeichen aller religiösen Entwicklungen in der postmodernen Gesellschaft ist die Pluralität. Die einschlägigen Handbücher der Religionen und Glaubensgemeinschaften in den deutschsprachigen Ländern (Klöcker/ Tworuschka 2004; Rell 2000) zählen unter anderem folgende Religionen und Bewegungen auf: * Christentum (orthodoxe und katholische Kirchen, reformatorische Kirchen, transkonfessionelle Bewegungen, ökumenische Bestrebungen, christliche Glaubensgemeinschaften außerhalb der Großkirchen, Freikirchen und Sondergemeinschaften etc.);

Religionen in Europa

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Erwachsene im Kontext unserer Zeit

Judentum (u. a. orthodoxe, konservative, liberale, kulturelle Flügel); Islam (u. a. sunnitische, schiitische, schiitisch-alevitische Richtungen sowie aus dem Islam hervorgegangene Gemeinschaften); * Fernöstliche Religionen (u. a. buddhistische Strömungen, hinduistische Religionen, weitere asiatische oder von Asien ausgehende Gruppen und Bewegungen, Sikhismus, Jainismus); * Sekten, synkretistische Neureligionen, esoterische und neugnostische Weltanschauungen und Bewegungen, missionierende Religionen des Ostens, kommerzielle Anbieter von Lebensbewältigungshilfen und Psycho-Organisationen etc. Keine Religion bzw. religiöse Bewegung ist in sich einheitlich, sondern umfasst vielfältige, zum Teil sehr unterschiedliche oder gar konkurrierende Richtungen, weshalb keine stereotypen oder vereinnahmenden Aussagen möglich sind. Neben dem Judentum, das für Deutschland und für die christliche Religion eine besondere historische und kulturelle Bedeutung hat, ist der Islam in seiner Vielfalt zum wichtigsten religiösen Gesprächspartner für die christlichen Kirchen geworden. In Deutschland leben ca. fünf bis sechs Millionen Muslime, in Österreich mehr als 500.000, in der Schweiz mehr als 400.000. Sie sind jeweils in großen Dach- bzw. Bundesverbänden sowie in regionalen und lokalen Vereinigungen zusammengeschlossen. Die Regierungen bemühen sich um Dialog, Integration und Kooperation („Islam-Konferenz“ in Deutschland; Einführung von muslimischem Religionsunterricht, Errichtung muslimischer Fakultäten an Universitäten etc.), insbesondere angesichts der zwar zahlenmäßig kleinen, aber durchaus gefährlichen Richtungen innerhalb des Islam (bestimmte Strömungen des Salafismus; Islamismus; radikale muslimische Gruppen). Im Austausch mit den Kirchen gibt es an zahlreichen Stellen Berührungspunkte und Zusammenarbeit, was gesellschaftliche, religiöse und kulturelle Fragen betrifft (Tag der offenen Moscheen, christlich-muslimische Gesellschaften, interreligiöse Bildungsveranstaltungen etc.). Theologie und Kirche können die neuen Phänomene von Religion und die verstärkte Präsenz anderer Religionen nur dann besonders würdigen, wenn sie den Anderen und Fremden einerseits mit dialogischer Offenheit begegnen, andererseits aber auch klare eigene Positionalität bewahren (Klie/ Korsch/Wagner-Rau 2012). Echten Dialog und Austausch kann es nur geben, wenn beide Partner einen eigenen Standpunkt einnehmen, von dem aus sie die Welt und Wirklichkeit betrachten bzw. ihren Glauben leben. Die großen christlichen Kirchen haben seit dem Zweiten Weltkrieg ihre Haltung zu den anderen Religionen vollkommen neu bestimmt. Verlautbarungen der protestantischen Kirchen betonen ebenso wie die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu seiner Haltung gegenüber den nichtchristlichen Religionen (Nostra Aetate, 1965) die Wertschätzung und den Respekt gegenüber anderen Religionen, die vom Evangelium her geboten sind. * *

Bedeutung des Islam

Nostra Aetate

KONSEQUENZEN FÜR DIE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG Die aufgezeigten Entwicklungen im großen und vielfältigen Gebiet der Religionen und religiösen Bewegungen stellen der religiösen Bildung Erwachsener völlig neue Herausforderungen. Um die Phänomene verstehen, die eige-

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ne Lebensführung reflektieren und begründet dazu Stellung nehmen zu können, bedarf es der Auseinandersetzung, des Austauschs und des Dialogs. Von den Einrichtungen und Verantwortlichen der religiösen Erwachsenenbildung sind von daher wichtige Konsequenzen zu ziehen: Religiöse Erwachsenenbildung nimmt die religiösen Entwicklungen und Transformationen in der Gesellschaft sensibel wahr. Sie macht die religiösen Umbrüche und Prozesse zum Thema von Veranstaltungen und Diskussionen. * Insbesondere die Pluralität und Vielstimmigkeit religiöser Formen und Sinnentwürfe sind für religiöse Bildung von Interesse, um Einseitigkeiten und verengte Wahrnehmungen zu vermeiden. Beispielsweise darf Islam nicht auf Islamismus oder Fanatismus reduziert werden, auch wenn diese radikalen und teilweise gewaltbereiten Kräfte ein ernst zu nehmendes Element der neuen Präsenz der Religionen darstellen. * Die differenzierte Wahrnehmung anderer religiöser Bewegungen und Strömungen fördert die „Differenzkompetenz“ der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Bildungsveranstaltungen. * Menschen unterschiedlichster religiöser Einstellungen, Haltungen und Anschauungen finden in den Einrichtungen der kirchlichen Erwachsenenbildung vertrauenswürdige Partner, die sie ernst nehmen und ihre religiösen Suchprozesse begleiten. * Religiöse Erwachsenenbildung sieht sich als Dialogforum und als Plattform, auf der das Gespräch mit gesellschaftlichen religiösen Bedingungen, Entwicklungen, Fragen und Herausforderungen offen, aber auch kontrovers geführt werden darf. * In interreligiösen Bildungsveranstaltungen bemüht sich religiöse Erwachsenenbildung darum, andere Religionen und Weltanschauungen von deren jeweiligem Selbstverständnis her zu verstehen. Nicht die eigene Deutung des Anderen und Fremden, sondern dessen Selbstinterpretation leitet die Auseinandersetzung. * Bei allem Bemühen um Austausch und Dialog mit anderen Religionen ist es bleibender Auftrag der religiösen bzw. kirchlichen Erwachsenenbildung, eine klare und eindeutige Position zu beziehen, nämlich Welt, Wirklichkeit und menschliche Existenz von dem Standpunkt der biblischen Botschaft und des Evangeliums Jesu Christi aus zu betrachten. *

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2. TEIL: BILDUNG UND LERNEN ERWACHSENER Um religiöse Bildung nicht nur vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bedingungen unserer Zeit, der gegenwärtigen Identitätskonstruktionen und Lebenswelten von Erwachsenen sowie von den veränderten kirchlichen Bedingungen her zu verstehen (Teil 1), sondern auch um Anschluss an die aktuelle Bildungsdiskussion und -reflexion zu erhalten, ist es die Aufgabe für den folgenden zweiten Teil des Buches, die Begriffe „Bildung“ (2.1) und „lebenslanges Lernen“ bzw. „lebenslange Bildung“ (2.2) in Auseinandersetzung mit der allgemeinen Bildungstheorie und weiteren pädagogischen bzw. sozialwissenschaftlichen Konzepten auszuleuchten. Insbesondere werden Ziele und Konzepte der allgemeinen Erwachsenenbildung ausgewertet (2.3) und die grundlegenden Dimensionen erarbeitet (2.4), die im weiteren Fortgang des Buches schließlich auch für die religiöse Bildungsarbeit mit Erwachsenen von eminenter Bedeutung sein werden (Teil 3).

2.1 Bildung angesichts gesellschaftlicher Transformation

Zwang zum lebenslangen Lernen

„In der Flüchtigen Moderne muss man tatsächlich fortlaufend und ein Leben lang lernen, wenn das Lernen einen Nutzen haben soll. Keine andere Form von Bildung und Erziehung ist denkbar. Die Formung des Selbst oder der Persönlichkeit ist nur als andauernde, stets unvollendete Um-Formung vorstellbar.“ So beschreibt der im ersten Teil bereits zitierte Sozialanalytiker Zygmunt Bauman das „Leben in der flüchtigen Moderne“ (Bauman 2008, S. 201). Je schneller die gesellschaftlichen Abläufe und Wandlungsprozesse erfolgen, desto rascher und unermüdlicher muss der Mensch sich bemühen, stets auf dem Laufenden zu bleiben. Der schöne Spruch „der Mensch lernt niemals aus“ hat sich unter dem Veränderungsdruck der ökonomischen Verhältnisse in einen Zwang verkehrt, der dem und der einzelnen gar keine andere Chance mehr lässt, als sich ein Leben lang fort- und weiterzubilden. Lebenslanges Lernen ist nicht mehr nur ein netter Zeitvertreib, den man in Volkshochschulkursen oder Bildungsromanen ausleben kann, sondern wird zur bitteren Notwendigkeit. Denn die neuen Möglichkeiten der Kommunikation, das neuste Computerprogramm, die technischen Voraussetzungen für alltägliche Lebensvollzüge (z. B. Homebanking, Internet-Einkäufe, Buchungen von Fahrkarten oder Reisetickets) erfordern eine stetige Anpassungskompetenz und eine nie aufhörende Bereitschaft, Neues zu erlernen und sich auf veränderte Bedingungen einzulassen. Das gilt für den Freizeitbereich, aber umso mehr für die Arbeitswelt. Erwachsene, die vor Jahren ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben

Bildung angesichts gesellschaftlicher Transformation

und längst im Berufsleben etabliert sind, sind in das Karussell der sich rasant verändernden Voraussetzungen eingebunden, ob sie wollen oder nicht. Der klassische Automechaniker kann „einpacken“, wenn er sich nicht längst zum Kfz-Mechatroniker weitergebildet hat, denn in jedem Neuwagen sind bekanntlich seit Jahren mehr als ein Dutzend Computerteile eingebaut. Der gesamte Produktions- und Dienstleistungssektor wird von stets neuen Veränderungswellen überschwemmt. Auch das gesamte gesellschaftliche Leben ist komplizierter geworden. Die Ausdifferenzierung der Gesellschaft, der Politik und der Wissenschaft, die Internationalisierung und Europäisierung fast aller Lebensbereiche, die komplexen Mechanismen des Marktes, der Sprachgebrauch im Alltag, in Zeitungen, Fernsehen und Internet – all dies und vieles mehr rückt die Bedeutung von Bildung und Lernen in den Mittelpunkt aller Lebensabschnitte, auch und gerade des Erwachsenenalters. Ständig fortgeführte Bildung scheint der Schlüssel für ein Leben, das den gesellschaftlichen Veränderungen standhält, nie endendes Lernen scheint Erfolg und persönliche Zufriedenheit zu garantieren. Doch je mehr „alle Welt“ von Bildung redet – Politiker, Journalisten, Manager, Funktionäre – desto unklarer wird, was darunter zu verstehen ist. Deshalb ist es zentral, den Begriff der Bildung genau zu umschreiben, wenn man über Bildung Erwachsener auf wissenschaftlicher Basis nachdenkt und Theorie wie auch Praxis religiöser Erwachsenenbildung reflektiert.

ständiger Wandel

ÖKONOMISIERUNG DER BILDUNG? Der Bildungsbegriff in der Pädagogik hat eine lange Tradition (Überblick: Dörpinghaus/Poenitsch et al. 2012; Benner/Brüggen 2010a) und erlebt derzeit eine wissenschaftliche Renaissance (Tippelt/Schmidt 2010). Doch auch in Politik und Gesellschaft wird der Begriff der Bildung heutzutage immer wieder zitiert, was jedoch sehr häufig in un- bzw. pseudowissenschaftlicher oder gar in tendenziöser Weise erfolgt. Für Wahlprogramme und Politikerreden ist es „in“ und kommt augenscheinlich gut an, auf Bildung zu pochen – Bildung für alle, höhere Bildung auch für Schwächere, gleiche Bildung für Migranten, Bildungsgerechtigkeit etc. Bildung scheint die Lösung, ja bisweilen das Allheilmittel für zahlreiche Probleme der Gesellschaft. Die größte Gefahr jedoch für den Terminus „Bildung“ stellt die der Verkürzung und Vereinseitigung dar. Der Wiener Philosoph und Bildungsanalytiker Paul Konrad Liessmann führt in seiner „Theorie der Unbildung“ die „Irrtümer der Wissensgesellschaft“ unmissverständlich vor Augen (Liessmann 2009): Er kritisiert eine Engführung von Bildung auf Informationsaustausch und den ökonomisch dominierten Erwerb von Fertigkeiten zur Erlangung von „employability“ (Beschäftigungsfähigkeit). „Employability“ stellt das Zauberwort in zahlreichen bildungspolitischen Papieren der Europäischen Union dar, was zu einem großen Teil auch durchaus verständlich ist angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern. Doch genau dort zeigt sich der Widerspruch: Die jungen Menschen sind zwar oft genug gut ausgebildet, also im formalen Sinn „beschäftigungsfähig“, finden aber auf dem angespannten Arbeitsmarkt im Zeichen ökonomischer Krisen keine Anstellung. Bildung wird, so Liessmann, viel zu oft auf Informationsfülle verkürzt. All-

Bildungsbegriff in Gefahr

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Bildung und Lernen Erwachsener

Anhäufung von Wissen und Information

Bildung des ganzen Menschen

tagssprachlich wird Bildung oft mit „viel Wissen“, „reich ausgestattet mit Informationen“ verwechselt. Die Unterhaltungssendung „Wer wird Millionär?“ mit Günther Jauch führt es wöchentlich vor Augen: Reich wird, wer am meisten weiß. Doch bei einem solchen alltäglichen Bildungsverständnis ist bildungstheoretisch zu fragen, ob Bildung tatsächlich mit der Quantität an Informationen gleichgesetzt werden darf. Liessmann sieht für die selbsternannte Bildungsgesellschaft die Gefahr der Datenozeane, die in digitalen Meeren oder „Wolken“ („clouds“) gesammelt werden, jedoch keinen erkennbaren, sinnvollen Zusammenhang mehr bilden. Täglich werden unvorstellbar neue Massen an Wissenseinheiten produziert, gespeichert, kopiert und wieder gespeichert, ein Prozess, der prinzipiell unendlich fortgeschrieben werden kann. Standardisierung, Mechanisierung und Angleichung werden zu Schlüsselwörtern einer Bildungslogik, die auf Quantität anstatt auf Qualität setzt. Bildung jedoch ist weit mehr als Informationsfülle und mehr als pure Gelehrsamkeit. Bildung bedeutet Verstehen im Kontext, Frage nach Sinn, Bedeutung, Zusammenhängen. Es kann nicht nur darum gehen, dass wir „wissen, wo es steht“ (z. B. in Wikipedia), wie es die „Desinformationsgesellschaft“ (ebd., S. 27) vorgibt. Wirkliches Wissen wäre, etwa im Sinne von Aristoteles, als Weisheit zu beschreiben, die auf die Frage nach Wahrheit als Grundvoraussetzung von Wissen nicht verzichten kann. Heute entfernen sich nicht nur Bildungspolitiker, sondern auch Universitäten weit von Wilhelm von Humboldts Bildungsidee, die er 1793 als „Theorie der Bildung des Menschen“ formuliert hat und auf der die modernen Bildungssysteme unserer Gesellschaft ruhen bzw. ruhten (Humboldt 1980). Wissen, so Humboldt, braucht Geist, braucht eine synthetisierende Kraft, die nicht unkritische Verehrung des Alten sein solle, sondern ein Programm der Menschen-Bildung oder Persönlichkeits-Bildung darstellt. Schon Theodor W. Adorno hatte in einem Vortrag auf dem Deutschen Soziologentag 1959 Bildung der Gegenwart als geistlose Bildung, als „Halbbildung“ kritisiert, die immer mehr den Produktionsverhältnissen unterworfen ist (Adorno 1972, 2006). Er beklagte den entfremdeten Geist, die Vergegenständlichung der Bildung, die zu einem Sammelsurium von Kulturgütern mutiert, die transferiert werden, ohne dass dabei irgendein Zusammenhang verstehbar wäre. Statt Bildung handelt es sich um Informationspartikel, die als Bildung ausgegeben werden. Wissen wird zusehends partikularisiert und fragmentiert. Liessmann radikalisiert Adornos kritischen Ansatz und spricht gar von „Unbildung“: „,Unbildung‘ meint demgegenüber, dass die Idee von Bildung in jeder Hinsicht aufgehört hat, eine normative oder regulative Funktion zu erfüllen.“ (Liessmann 2009, S. 70) Übrig bleiben Vorurteile und Stereotypen, unfertige Wissensfragmente, die nicht in größere Zusammenhänge eingebettet sind. In der Rede von „Kompetenzen“ erfolgt schließlich, so die radikale Kritik, die endgültige Abkehr von der Idee von Bildung. Nicht mehr Mündigkeit des Subjekts ist das Ziel von Bildungsprozessen, sondern bestimmte „skills“, Fertigkeiten, die als „Kompetenzen“ bezeichnet werden. Die Bildungslandschaft wird konsequent auf Effizienz und Verwertbarkeit umstrukturiert. Humboldts Bildungsidee, bei der Wissen in das Persönlichkeitskonzept von Menschen integriert ist und Bildung als „Verstehen im Kontext“ charakterisiert wird, ist in Gefahr, endgültig auf der Strecke zu bleiben.

Bildung angesichts gesellschaftlicher Transformation

Gehen diese Sinnzusammenhänge im Wust an Informationen verloren, wird Bildung depotenziert und folgt einer anderen Logik als der Menschwerdung. Bildung wird grundsätzlich missverstanden, wenn sie allein in ökonomischer Hinsicht definiert wird.

INTEGRIERENDES VERSTÄNDNIS VON BILDUNG Demgegenüber ist Bildung auf Sinn-, Bedeutungs- und Zusammenhangslernen, d. h. letztlich auf die Person des Lernenden selbst ausgerichtet. „Bildung zielt auf den ganzen Menschen, auf seine Totalität.“ (Ladenthin 2003, S. 241) Damit ist ein integrierendes Verständnis von Bildung angebahnt, das bei der abendländischen Bildungsidee im Gefolge der Aufklärung stets im Mittelpunkt stand. Immerhin, das Ziel von „education“ wird auch auf zahlreichen EU-Bildungsservern mit „personal fulfillment, social cohesion and employability“ angegeben, wobei neben Beschäftigungsfähigkeit auch die persönliche Selbstverwirklichung und das soziale Zusammenleben als zentrale Aufgaben von Bildungsprozessen genannt werden. Wir folgen bei der Konzeption von Erwachsenenbildung und insbesondere der Reflexion von religiöser Erwachsenenbildung einem breiten Verständnis von Bildung, wie es in der Definition des Bildungstheoretikers Herbert Gudjons zum Ausdruck kommt (Gudjons 2008, S. 204): „Bildung meint … * die Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung und Solidaritätsfähigkeit mit andern, * die Subjektentwicklung im Medium der Objektivationen bisheriger menschlicher Kultur; das bedeutet: Bildung ist immer als ein Selbst- und als ein Weltverhältnis auszulegen, das nicht nur rezeptive, sondern verändernd-produktive Teilnahme an der Kultur meint, * die Gewinnung von Individualität und Gemeinschaftlichkeit, * eine allgemeingültige, d. h. für alle Menschen gleich gültige Bildung, * Vielseitigkeit, vor allem die moralische, kognitive, ästhetische und praktische Dimension.“

Die Definition betont die Selbstverwirklichungsdimension von Bildung, die auch die Fähigkeit zur Teilhabe an sozialen und kulturellen Bereichen einschließt, Bildungsgerechtigkeit einfordert und schließlich an einer Pluralität des Weltzugangs festhält, was als Präfiguration von diversen fachdidaktischen Konzeptualisierungen (ethisches Lernen, ästhetisches Lernen etc.) gelesen werden kann. Bildung ist also ein umfassender Prozess der Befähigung des Menschen zu sich selbst und seinen Möglichkeiten, wobei die soziale Dimension einen wesentlichen Faktor darstellt. Zur Teilhabe an der Gesellschaft gehört unerlässlich die Fähigkeit, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen, wobei die Arbeit selbst als Befriedigung erlebt werden kann und der Lohn der Arbeit die Lebensmöglichkeiten steigert. Karl Ernst Nipkow, von Hause aus Erziehungswissenschaftler, dann Religionspädagoge, hat in seinem grundlegenden Werk zur Bildungsfrage die abendländische Bildungstradition seit der Aufklärung zusammengefasst. Von den großen Bildungstheoretikern Immanuel Kant, Johann Gottfried Herder, Johann Heinrich Pestalozzi, Wilhelm von Humboldt, Friedrich Daniel

breites Bildungskonzept

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Bildung und Lernen Erwachsener

Ernst Schleiermacher bis hin zu den Bildungsdenkern des 19. und 20. Jahrhunderts wie Wilhelm Dilthey, John Dewey, Hermann Nohl, Theodor Litt, Eduard Spranger, Wilhelm und Andreas Flitner etc. wurde Bildung nie eindimensional oder enggeführt, sondern in einem Konzert mehrerer Dimensionen verstanden, die nicht voneinander isoliert werden dürfen (Nipkow 1992, S. 32–37; vgl. Boschki 2011, S. 78 f.):

Schema 1: Dimensionen des Bildungsbegriffs

Bildung als regulative Idee

Alle fünf Dimensionen sind für Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung entscheidend. Sie finden sich in den einzelnen Konzeptionen in unterschiedlicher Gewichtung wieder, auch in den Konzeptionen zur religiösen Erwachsenenbildung. Wichtig ist, dass Veranstaltungen oder Veranstaltungsreihen auf der Zielebene explizit machen, welche Dimension(en) schwerpunktmäßig verfolgt werden. Je nachdem kann die Ausrichtung bei gleicher Themenvorgabe völlig verschieden sein, z. B. kann nach bestimmten Grundsatzentscheidungen eher individuell-subjektorientiert, nach anderen stärker gesellschaftsbezogen und politisch gearbeitet werden. Der Begriff der Bildung ist also nicht als normative Vorgabe, sondern vielmehr als „regulative Idee“ (Schulz 2010, S. 43) zu verstehen, die konzeptionellen Arbeiten, empirischen Recherchen und pragmatischen Entscheidungen eine wegweisende Richtung verleihen soll.

BILDUNGSTHEORIEN FÜR DIE ERWACHSENENBILDUNG Auch das Bildungsverständnis mit Blick auf Erwachsenenbildung unterliegt in den letzten Jahren tiefgreifender Veränderungen (Überblick: Nolda 2012; Siebert 2012; Tippelt/Hippel 2011; Arnold/Nolda/Nuissl 2010). Das Problem ist nicht, dass die erwachsenen Menschen in unserer Gesellschaft nichts wissen, nicht intelligent, nicht intellektuell oder gar ignorant seien. Bei heutigen Bildungskonzeptionen und -prozessen geht es vielmehr darum, auf welche Art und Weise und in welcher Form die sich bildende Person mit eingebunden wird. Nach den Zeiten einer zunehmenden Ökonomisierung und

Bildung angesichts gesellschaftlicher Transformation

utilitaristischen Fokussierung des Bildungsverständnisses wird auch auf dem Sektor der Erwachsenenbildung wieder stärker an den Humboldtschen Bildungsgedanken erinnert, der Bildung als Synonym für das Menschsein begreift (s. oben). Bildung Erwachsener ist in Anlehnung an Humboldt die freie und verantwortete Entfaltung der Selbsttätigkeit. Sie geschieht in Auseinandersetzung zwischen Ich und Welt, zwischen Ich und Gesellschaft und führt zur Selbstverortung des Menschen in den spannungsreichen Bezügen des Lebens. In einem engen Zusammenhang dazu müssen die jüngsten Überlegungen zum Bildungsverständnis der Erwachsenenbildung gesehen werden, die auf konstruktivistischen Denk- und Lernmodellen basieren (Gerstenmaier/ Mandl 2011; Reich 2010; Arnold 2007; Arnold/Siebert 2006; Siebert 2004). Bildung und Lernen werden im Konstruktivismus nicht länger als individuelle Informationsaneignung und Verhaltensänderung angesehen, sondern in die komplexen Bezüge zwischen den individuellen Gegebenheiten (individuelle Erfahrungen, vorhandene Wissensstrukturen etc.), den soziokulturellen Kontexten sowie den emotionalen und motivationalen Vorgängen eingebunden. Bei Lern- und Bildungsvorgängen wird daher eher von „Wissenskonstruktionen“ gesprochen, in denen Wissensstrukturen und Kompetenzen entwickelt werden (Reinmann-Rothmeier/Mandl 2000). Die neueren Untersuchungen weisen darauf hin, dass Wissen nur als Prozesswissen kompetenzbildend wirksam ist, d. h. wenn es sich an den für das Leben der Lernenden bedeutsamen Situationen und ihrer Handlungslogik orientiert und weniger an der Struktur des Wissens selbst und seiner Präsentationslogik (Faulstich/Ludwig 2004). Daran anknüpfend entwickelt Rolf Arnold das Konzept einer Ermöglichungsdidaktik für Bildungsprozesse, das das bisherige Konzept einer Erzeugungsdidaktik ablöst (Arnold/Gómez Tutor 2007). Eine konstruktivistische Pädagogik verweist dabei auf die Zufälligkeit pädagogischer Wirksamkeit sowie auf die notwendige begriffliche Konstruktionsleistung des Subjektes im Lernprozess. Statt um Vermittlung oder Lehre geht es um Anregung und Ermöglichung: „Selbst die beste Lehrkraft kann nicht stellvertretend für die Lernenden lernen, sie kann lediglich zur Kooperation einladen oder gar verführen. Die wirksame Aneignung des Neuen sowie die Einübung und Herausbildung von Kompetenzen ist ein eigener Prozess, zu dem die Lehrenden (ver)führen können, indem sie das Selbstlernen der Lernenden ermöglichen, anregen und unterstützend begleiten. Dadurch bleiben die Lernenden, was sie eigentlich schon immer gewesen sind, auch wenn sie es vergessen mussten: Eigentümer ihres eigenen Lernprozesses. Ihr Lernen ist Selbstlernen.“ (Arnold 2012, S. 144) Ferner ist der systemische Bildungsbegriff, der für die Erwachsenenbildung allmählich große Bedeutung gewinnt (Pohl-Patalong 2003), trotz seiner systemtheoretischen Grundlage stark subjektorientiert. Das mündige Subjekt, das nicht belehrt, sondern in seinem eigenen Lernen unterstützt und begleitet wird, steht im Mittelpunkt und wird in seinen selbsttätigen und selbstbildenden Konstruktionsprozessen, die nicht steuerbar oder vorhersagbar sind, ernst genommen. Bildungsangebote für Erwachsene, auch die religiösen Bildungsangebote in der kirchlichen Erwachsenenbildung, müssen sich diesem Perspektivwechsel stellen. Der systemische Ansatz betont dabei besonders den Aspekt von Reflexion und Deutung im Kontext der umgeben-

Konstruktivismus

Systemtheorie

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Bildung und Lernen Erwachsener

KompetenzOrientierung

den Bedingungen. Es geht weniger um eine Konzentration auf inhaltliche Themen, sondern vor dem Hintergrund heutiger Pluralitäten (auch im religiösen Bereich) um das bewusste Verfügen über den Zusammenhang der Kontexte, in denen die Themen erscheinen. Es geht letztlich um Kohärenz. Konsequent wird in den heutigen Bildungsdiskussionen auch nicht mehr allein von „Wissen“, sondern von „Kompetenzen“ gesprochen (Müller-Ruckwitt 2008). Der Kompetenzbegriff gewinnt auch im Bereich der Theorien zur Erwachsenenbildung zunehmend an Bedeutung, weil mehr denn je die Fähigkeit gefordert ist, mit Vielfalt konstruktiv umzugehen. Mit dem Kompetenzbegriff gerät aber der Blick auf Bildungsprozesse in eine veränderte Perspektivrichtung. Statt die Inhalte zu beschreiben, um die es in den inputorientierten Lern- und Bildungsprozessen geht oder gehen soll, wird viel stärker output-orientiert nach den erworbenen Kompetenzen gefragt, die im Rahmen des Bildungsarrangements gewonnen werden sollten. Das tragende Prinzip ist Fokussierung auf die Lernergebnisse. Gefragt wird, welche Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse sollen in dem jeweiligen Bildungsvorgang erworben werden? Dass die Kompetenzorientierung auch kritisch gesehen werden muss, zeigt die oben angesprochene Bildungskritik. Aus diesem Grunde ist die Rede von den „Kompetenzen“ stets im größeren Kontext der „regulativen Idee“ (s. oben: Schulz 2010, S. 43) einer Bildungstheorie und eines integrierenden Verständnisses von Bildung zu deuten.

BILDUNGSGERECHTIGKEIT, „BILDUNGSFERNE SCHICHTEN“

soziale Herkunft als Faktor

Über Bildung, auch über Erwachsenenbildung, kann nie im „luftleeren Raum“ gesprochen werden, so als ob sich ein Individuum ohne Weiteres auf bestimmte Bildungsprozesse einlassen könnte, die ihn oder sie im Leben weiter bringen. Stets sind die Kontextbedingungen für Bildung entscheidend (s. Teil 1). Über Bildungschancen entscheiden nicht allein die persönlich-individuellen Voraussetzungen, also ob jemand „intelligent“ genug ist, um einen bestimmten Bildungsgrad zu erreichen. Mindestens genauso entscheidend sind die sozialen und sozialpsychologischen Voraussetzungen, also in erster Linie die soziale Herkunft der lernenden Person. Der Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildung wird in allen Bildungsstudien immer wieder aufs Neue nachgewiesen (beispielsweise: Bildung in Deutschland 2012; Analoges gilt für andere Länder). Materielle, familiäre, soziale und ideelle Voraussetzungen entscheiden darüber, wie leicht oder schwer jemand Zugänge zu Bildung findet, sei es in Schule und Ausbildungswegen, sei es in Fort- und Weiterbildung. Dabei ist auch die Gender-Frage wesentlich, denn es ist ein Mythos zu glauben, dass in unserer Gesellschaft Mädchen und Frauen die gleichen Bildungschancen wie Männer besitzen würden. Chancengleichheit besteht allenfalls theoretisch. Blickt man jedoch auf die Anzahl höherer Bildungsabschlüsse und auf die Besetzung von Leitungspositionen (bei denen in den Stellenausschreibungen stets die Floskel „Frauen mit gleicher Qualifikation werden bevorzugt“ erscheint), ergibt sich ein völlig anderes Bild. Klassischen Institutionen der Erwachsenenbildung wird oft vorgeworfen, dass sie für die „typischen“ Bildungsbürger genug Angebote bereitstellen, diese aber von bildungsfernen Schichten (z. B. Arbeitermilieus, Arbeitslosen, Migranten, sozial Schwächeren) kaum bis gar nicht wahrgenommen werden.

Bildung angesichts gesellschaftlicher Transformation

Die einzige Ausnahme bilden die Sprachkurse „Deutsch für Ausländer“, die z. B. von Volkshochschulen angeboten werden und die für Einwanderer vielfach verpflichtend sind. Auch die Arbeitsämter drängen nicht-deutschsprachige Arbeitssuchende oft zur Teilnahme an diesen Kursen. Doch sind Angebote zur kulturellen, ästhetischen, religiösen oder politischen Bildung oft (zu) weit entfernt von den Lebenswelten bildungsferner Menschen. Bildungstheorie und Erwachsenenbildung müssen sich deshalb stets mit der Frage nach „Bildungsgerechtigkeit“ (Heimbach-Steins 2009) auseinandersetzen, was in gleichem Maße für religiöse und kirchliche Erwachsenenbildung gilt (Könemann/Mette 2012). Denn die derzeitige Beschäftigung mit Standardisierung und Kompetenzorientierung innerhalb der Bildungsdiskurse trägt wenig zur Reflexion über Gerechtigkeit bzw. Bildungsgerechtigkeit bei (Fischer/Elsenbast 2007). Auch hier zeigt sich, wie ein verengter Bildungsbegriff, z. B. individualistisch-verkürzte Konzepte, sich in konkreter Bildungspolitik verhängnisvoll auswirkt. Nur ein weites Bildungsverständnis, das gesellschaftliche Faktoren ebenso berücksichtigt wie individuelle, kann in der Erwachsenenbildung den Blick für bildungsschwache oder bildungsferne Menschen und Bevölkerungsschichten weiten.

KONSEQUENZEN FÜR DIE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG Religiöse Erwachsenenbildung ist ebenso wie allgemeine Erwachsenenbildung dazu aufgerufen, ihren Bildungsbegriff zu klären. Je nach Verständnis von Bildung kann die Ausrichtung und Konzeption, die daraus folgt, höchst verschieden sein. Durch eine theoretische Klärung, was religiöse Bildung für Erwachsene bedeutet, können Engführungen und Verkürzungen vermieden werden. Religiöse Erwachsenenbildung steht wie Bildung insgesamt in unserer Gesellschaft unter Ökonomisierungsdruck. Deshalb achtet sie besonders auf ein Verständnis von Bildung, das nicht allein Nützlichkeits- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen genügt. * Im Mittelpunkt religiöser Erwachsenenbildung steht der Mensch in seiner Ganzheit. Aus theologischen Gründen (theologische Anthropologie) darf weder der Mensch noch dessen Bildung auf Teilaspekte verkürzt werden. * Religiöse Bildung sieht die Menschen stets vor dem Hintergrund ihrer Beziehung zu Gott, weshalb sie sich gegen jede Verzweckung und einseitige Vereinnahmung sperrt. * Religiöse Bildung folgt einem integrierenden Verständnis von Bildung, wonach gesellschaftlich-politische, zukunftsorientierte, auf Tradition ausgerichtete, subjektorientierte und dialogisch-begegnungsorientierte Aspekte gemeinsam zum Tragen kommen. * Auch die Religiosität Erwachsener ist „Konstruktion“ von Wirklichkeit, weshalb religiöse Erwachsenenbildung konstruktivistischen Theorieansätzen besondere Aufmerksamkeit schenkt und den Menschen zur „Ermöglichung“ ihrer religiösen Potentiale verhilft. * Religiöse Bildung Erwachsener zielt auf die Förderung und Ausbildung von religiösen Kompetenzen (Sach-, Selbst-, Sozialkompetenz in religiöser Hinsicht, interreligiöse Kompetenz etc.), weshalb auch sie kompetenzorientiert ausgerichtet ist. *

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Bildung und Lernen Erwachsener

*

Religiöse Erwachsenenbildung ist besonders sensibel für Fragen der Bildungsgerechtigkeit und Chancenungleichheit. Von biblischem Gerechtigkeitsdenken und der Vision vom Reich Gottes gespeist, arbeitet sie an gerechten Bildungsstrukturen und an einer immer gerechteren Gesellschaft.

2.2 Lebenslange Bildung, lebenslanges Lernen ERWEITERUNG DES BEGRIFFS BILDUNG DURCH WEITERE BEGRIFFE

Begriff des Lernens

Während der Terminus „Bildung“ das größere und breitere Konzept darstellt, das Bildungsvorgängen ihre Richtung weist und ihre verschiedenen Dimensionen markiert, ist der Begriff des „Lernens“ stärker auf das individuelle Subjekt und das fokussiert, was in ihm geschieht. „Unter Lernen verstehen wir alle nicht direkt zu beobachtenden Vorgänge in einem Organismus, vor allem in seinem zentralen Nervensystem (Gehirn), die durch Erfahrung … bedingt sind und eine relativ dauerhafte Veränderung bzw. Erweiterung des Verhaltensrepertoires zur Folge haben.“ (Treml 2007, S. 107) Lernen erfolgt also innen- und außengesteuert zugleich. Innere Dispositionen, z. B. durch Reifung der Wahrnehmung und Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten, gehen Hand in Hand mit Erfahrungen mit und in der natürlichen und sozialen Umwelt, die reflektiert werden. Dadurch ist zumindest potentiell eine Vergrößerung der zukünftigen Optionen stimuliert. Horst Siebert wägt die Begriffe „Bildung“ und „Lernen“ im Zusammenhang mit den einschlägigen Theorien zur Erwachsenenbildung gegeneinander ab (Siebert 2012, S. 199): „Sind Lernen und Bildung Gegensätze? Selbstverständlich nicht. Bildung ist ohne Lernen kaum denkbar. Allerdings beinhaltet Bildung eine ethische Dimension, die zum Lernbegriff nicht unbedingt dazu gehört. Lernen hat vor allem ,zweckmäßig‘ zu sein, Bildung muss auch ,sinnvoll‘ sein. Zur Bildung gehören Verantwortung und Engagement. Verantwortung bezieht sich auf die eigene Person, auf soziale Gerechtigkeit, auf den Schutz von Umwelt und Natur.“

Normalerweise wird Lernen im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen verstanden, da deren ganze Existenz, deren Entwicklung und Reifung auf Lernen hin angelegt sind, was explizite Lernvorgänge (Familie, Schule) ebenso umschließt wie implizite (Sozialisation, Lernen mit und an Gleichaltrigen, Lernen durch Medien). Doch alle Faktoren, die das Individuum weiterentwickeln, sind auch im Erwachsenenalter zu beobachten. Lernen ist ein prinzipiell unabgeschlossener Vorgang. Dieses Phänomen untersucht die Lernforschung im Zusammenhang mit Erwachsenen seit Jahrzehnten unter den Stichworten „lifelong learning“ – „lebenslanges Lernen“.

LEBENSLANGES LERNEN – LIFELONG LEARNING Lernprozesse

Die Begriffe präzisieren den Erwachsenenbildungsbegriff insofern, als sie auf die Dynamik des Lernens aufmerksam machen. Lernen im jungen, mittleren und hohen Erwachsenenalter ist in jedem Fall notwendig und förderlich, doch seine Struktur und Dynamik verändern sich biografisch stark. Lernstile

Lebenslange Bildung, lebenslanges Lernen

und Lernmotivationen werden durch lebensgeschichtliche Erfahrungen, oft genug auch durch kritische Lebensereignisse geprägt und gesteuert. Die Entwicklung und Bedeutungsklärung des deutschen Begriffs „lebenslanges Lernen“ ist verknüpft mit der Entwicklung der internationalen Diskussion um die englischen Leitbegriffe „lifelong learning“ oder „lifelong education“ und das französische Schlagwort „éducation permanente“. In den siebziger Jahren hat die UNESCO das lebenslange Lernen in die Bildungsdiskussion gebracht (Faure et al. 1973). Um in einer sich rasch wandelnden Welt die notwendigen Kompetenzen zu erwerben – so der Grundgedanke – muss nicht nur zu bestimmten Zeiten in besonderen Lerninstitutionen (Kindergarten, Schule, Hochschule etc.), sondern permanent in allen Lebenssituationen gelernt werden. Und dieses „im Leben lernen zu leben“ muss durch die Entwicklung einer spezifischen Lerngesellschaft unterstützt werden, die in allen Lebensbereichen und Lebenssituationen Anregungen und Hilfe für dieses Lernen anbietet. Jeder muss heute sein Leben lang lernen, um den Veränderungen seiner Umwelt gewachsen zu sein. Und dieses Lernen findet überall dort statt, wo Menschen aus konkreten Lebenserfahrungen Erkenntnisse ableiten und diese Einsichten ausdrücken, mitteilen und auf andere Situationen zu übertragen versuchen. Das lebenslange Lernen wird zum Leitbegriff der Erwachsenenbildung (Dohmen 1996). Gegenüber dem bisherigen pädagogischen Mahnwort für die Schule „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ wurde für die Erwachsenenbildung das Motto formuliert: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans umso mehr!“ Konzeptionen und Überlegungen zum lebenslangen Lernen haben zu einer neuen, lebensoffeneren Perspektive über das menschliche Lernen geführt. Dabei wurden Verbindungen zum Erfahrungslernen (Krüger/Lersch 1993), zum Alltagslernen (Forneck 1984) und zum lebensweltbezogenen Lernen (Kaiser 1991) hergestellt und gegenseitige Bezüge erarbeitet. Eine weitere Unterstützung erfuhr das Konzept des lebenslangen Lernens durch Erkenntnisse aus dem Konstruktivismus und der Selbstorganisation der Lernenden. Informelle und selbstorganisierte Lernformen und die daraus abgeleiteten didaktischen Konsequenzen einer „Ermöglichungsdidaktik“ zeigen, dass Lernen in der Biografie des Menschen in der Tat ein lebenslanger Prozess ist (Siebert 2012) und dass Lernen in den verschiedenen Lebensstufen, auch und gerade im Alter, eine besondere Notwendigkeit darstellt (zu Bildung im Alter siehe: Kruse 2011; Becker/Veelken/Wallraven 2000). Die neueren Konzeptionen und Überlegungen zum lebenslangen Lernen haben auch Konsequenzen für eine entwicklungsorientierte religiöse Erwachsenenbildung (s. Teil 3). Schon vor Jahren wurden an der Universität Bonn die Ergebnisse eines vierjährigen Forschungsprojektes zur „religiösen Entwicklung im Erwachsenenalter“ (Fürst et al. 2003; vgl. Mulia 2011; Klie/ Kumlehn/Kunz 2009) veröffentlicht. Es zeigt sich, dass religiöse Entwicklung im Erwachsenenalter weder von selbst bzw. aus sich selbst heraus in Gang kommt, noch automatisch zum Stillstand gerät. Viel eher ist keine eindeutige und einheitliche Entwicklung vorgegeben (wie sie z. B. die Stufenmodelle religiöser Entwicklung von Oser/Gmünder oder Fowler suggerieren – Näheres dazu vgl. Büttner/Dieterich 2013; Schweitzer 2007). Religiöse Entwicklung muss – wie die allgemeine Entwicklung im Erwachsenenalter – im Kontext und in Korrelation mit Erfahrungen, Begegnungen, Diskontinuitäten in

Hänschen und Hans

Ermöglichungsdidaktik

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Bildung und Lernen Erwachsener

Kompetenz zum lebenslangen Lernen

den biografischen Plausibilitäten gesehen werden. Von daher hat auch lebenslanges Lernen in religiösen Themenfeldern Auswirkungen auf die religiöse Entwicklung. Für die religiöse Erwachsenenbildung wiederum bedeutet dies, Möglichkeiten und Anregungen für lebenslanges religiöses Lernen zu bieten und eine stärker biografisch ausgerichtete Bildungsarbeit zu entwickeln. Entwicklungsmäßige Gegebenheiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen berücksichtigt werden. Aufgrund dessen ist mit einer zunehmenden religiösen Pluralität zu rechnen. „Demnach kann auch Erwachsen sein im christlichen Glauben nur in inhaltlicher Pluralität und – ich füge hinzu – nur in einer Pluriformität von Glaubensstilen sinnvoll gedacht werden.“ (ebd., S. 90) Das Konzept des lebenslangen Lernens verlangt nach einem Lernförderungsklima in der institutionellen religiösen Erwachsenenbildungsarbeit und einer entsprechenden Ausbildung / Qualifizierung für die religionspädagogisch Tätigen in diesem Bereich. Zu bedenken gilt es aber, dass im „Zeitalter des lebenslangen Lernens“ nicht vorschnell davon ausgegangen werden kann, dass im Bereich der Erwachsenenbildung Erwachsene per se über die notwendigen Kompetenzen verfügen, immer wieder neu zu lernen und sich in neuen Lernumgebungen bewegen zu können. Das lebenslange Lernen braucht Unterstützung, Ermutigung und Begleitung. Dabei spielt die Erlangung einer sogenannten „Selbstlernkompetenz“ eine große Rolle und wird zunehmend als eine zukünftige Bildungsaufgabe gesehen (Kaiser 2003). Bildungsprozesse sind so anzulegen, dass sie selbstgesteuertes Lernen ermöglichen und fördern. Nur wer im Lernen unabhängig von Lehrenden oder Leitenden wird, kann sich selbst aktiv weiterbilden, auch dann, wenn er oder sie nicht mehr an einer Bildungsveranstaltung teilnimmt. Selbstlernkompetenz zielt auf Erlangung größtmöglicher Autonomie der erwachsenen Lernenden. Selbstgesteuertes Lernen kann in den verschiedensten Lern- und Lebenskontexten erfolgen: im privaten und sozialen Umfeld, in Arbeit und Beruf, im Bereich der traditionellen und neuen Medien (Schiersmann 2006).

HIRNFORSCHUNG ALS IMPULS FÜR DIE ERWACHSENENBILDUNG

Gehirnvorgänge

Die heutigen Möglichkeiten der Computer-Tomografie erlauben es, Einblicke in das Gehirn zu gewinnen, seinen Aufbau zu analysieren und Prozesse sichtbar und beschreibbar zu machen. Diese neue Technik war so etwas wie ein Quantensprung in der modernen Hirnforschung. Insbesondere die Beobachtung von strukturellen Umbauprozessen im Gehirn von Erwachsenen stellte radikal die bisherige Annahme von der Unveränderbarkeit der einmal in der kindlichen Frühphase herausgebildeten Nervenzellenverschaltung in Frage. Das Gehirn des Menschen erwies sich als weitaus plastischer und anpassungsfähiger als bisher angenommen. Das Gehirn ist keine komplizierte Maschine sondern befindet sich in ständigen Wandlungs- und Entwicklungsprozessen. Der nächste technologische Quantensprung erfolgte dann, als man in der Lage war, die im Gehirn ablaufenden Erregungsprozesse als funktionelle Aktivierungsbilder darzustellen. Jetzt sah man nicht nur, wie das Gehirn strukturell beschaffen ist, sondern man konnte erkennen und lokalisieren,

Lebenslange Bildung, lebenslanges Lernen

was im Gehirn eines Menschen passiert, wenn er z. B. seine rechte Hand hebt oder sich vorstellt, er fahre Fahrrad. Beflügelt von der Vielfalt der Einstellungsmöglichkeiten ihrer funktionellen bildgebenden Verfahren haben Hirnforscher in letzter Zeit auch Phänomene untersucht, die den eigenen Wissenschaftsraum der Gehirnforschung überschritten. Besonders intensiv wird derzeit die Debatte über die Nutzbarkeit neurowissenschaftlicher Erkenntnisse für den Bereich der Bildung und Pädagogik geführt (für den Bereich allgemeiner Bildung: Speck 2009; Reich 2005; speziell für Erwachsenenbildung: Kullmann/Seidel 2005). Konkret können die wissenschaftlichen Erkenntnisse dann in pädagogisch relevante Konzepte übersetzt werden, wenn die „inneren Bilder“ untersucht werden, die bei neuronalen Prozessen entstehen (Hüther 2006). Einige zentrale Ergebnisse der Gehirnforschung für die Fragestellung nach dem Lernen Erwachsener sind: DIE STRUKTURELLE VERANKERUNG VON ERFAHRUNG. Die Neurobiologie lehrt uns, dass das menschliche Gehirn kein Aktenschrank ist. Lernen ist ein hochkomplexer Vorgang, der etwas mit Vernetzung zu tun hat. Unser Gehirn ist also nicht einfach ein großer Speicher, sondern ein riesiges Netzwerk. Jede Nervenzelle ist mit bis zu 10.000 anderen verbunden und tauscht mit ihnen elektrische Impulse aus. Aber – und das ist neu: Lernen bedeutet nicht Aufbau und Zuwachs von Vernetzung, sondern Abbau. Es wird zunächst in dem sich entwickelnden Gehirn ein Überschuss an Nervenzellen, Fortsätzen und Synapsen produziert. Erhalten bleiben im weiteren Verlauf des Reifungsprozesses davon jedoch nur diejenigen, die funktionell genutzt und auf diese Weise stabilisiert werden. Dieser Prozess der nutzungsabhängigen Strukturierung wird letztendlich von den unter jeweiligen und spezifischen Bedingungen gemachten Erfahrungen bestimmt. Die strukturelle Verankerung von Erfahrungen ist eng an die Aktivierung emotionaler limbischer Hirnregionen geknüpft. Zu einer Aktivierung dieser Bereiche kommt es immer dann, wenn etwas Neues, Unerwartetes wahrgenommen wird. Bei Bedrohung (Angst) und Belohnung (Freude) werden Signalstoffe ausgeschüttet, die die Bildung und Bahnung synaptischer Verschaltungen stimulieren. Man spricht hierbei auch von einem „emotionalen Gedächtnis“. DIE STRUKTURELLE VERANKERUNG VON VORSTELLUNGEN. Aufgrund seiner individuell und sozial gewonnenen und im Gehirn verankerten Erfahrungen gelangt jeder Mensch im Laufe seines Lebens zu bestimmten Annahmen und generiert bestimmte Vorstellungen über die Welt und seine Beziehung zu dieser Welt. Diese Vorstellungen werden als innere Orientierungen und Leitbilder im Gehirn verankert. Sie bestimmen seine Entscheidungen, kanalisieren seine Aufmerksamkeit und filtern seine Wahrnehmung. Die jeweiligen entstandenen und gefestigten neuronalen Verbindungen und Verschaltungsmuster verleihen dem betreffenden Menschen seine individuellen Begabungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich von anderen Menschen unterscheiden. DIE ENTSTEHUNG „INNERER BILDER“. In den am stärksten vernetzten Bereichen des Gehirns (Stirnlappen, frontaler Cortex) werden im Laufe der Entwicklung diejenigen Bilder generiert und als charakteristische Aktivierungsmuster gebahnt und gefestigt, die für die höchste Leistung des Gehirns entscheidend sind: Die Fähigkeit, eine Vorstellung von sich selbst (Ich-Bild) und

innere Bilder

Erfahrungen

Musterbildung

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Bildung und Lernen Erwachsener

Gehirn als soziales Organ

der eigenen Wirkung zu entwickeln, sich in andere Menschen hineinzuversetzen (Du-Bild), seine Handlungen zu planen und seine inneren Impulse zu kontrollieren und in eine bestimmte Richtung zu lenken. Mit Hilfe dieser inneren Bilder entscheidet ein Mensch, was ihm wichtig ist, worauf er seine Aufmerksamkeit richtet und wie er seine Vorstellungen umsetzt. DIE BEDEUTUNG VON „VORBILDERN“. Alles Wissen, alle Erfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, alles das, was einem Menschen hilft, sich in seiner Welt zurecht zu finden, muss von anderen Menschen übernommen werden. Keine der kulturspezifischen Leistungen ist angeboren. Andere Menschen helfen uns beim Aufbau der für diese Leistungen erforderlichen Verschaltungsmuster. Diese generiert das Gehirn nicht aus sich selbst heraus. Hier braucht es von außen kommende Impulse, Signale, Reize, die von anderen Menschen (zu Beginn von der Mutter, den Eltern und der Verwandtschaft, dann von Freunden bis hin zu Erziehungs- und Bildungsinstitutionen) ausgehen. Ohne sie wären wir nicht in der Lage, eine Sprache zu sprechen, wir könnten nicht schreiben, lesen und rechnen, weder singen noch tanzen. Alles dies und noch vieles mehr können wir nur von anderen Menschen lernen und uns von anderen Menschen aneignen – auch und gerade im Erwachsenenalter. Denn Erwachsene orientieren sich ebenso stark an anderen Menschen, um ihr Selbstkonzept zu konstruieren, wie junge Menschen. Sie verfügen aber über ein breiteres Erfahrungskonzept, auf das sie zurückgreifen können. Dieses eigene Selbstkonzept – man könnte auch sagen die eigene „Selbstkonstruktion“ – wird, so kann man die Erkenntnisse zusammenfassen, durch interne Verankerungs- und Bildentstehungs- („Bildungs-“)Prozesse auch im Erwachsenenalter ständig umgebildet, reorganisiert und neu konstruiert. Selbstkonstruktion und Identitätsbildung sind demnach keineswegs auf die kindlichen und jugendlichen Lebensabschnitte beschränkt.

IDENTITÄT ALS BILDUNGSAUFGABE – AUCH IM ERWACHSENENALTER

Identität als Bildungsaufgabe

Gegenüber der Vorstellung, Identität würde im Wesentlichen im Jugendalter gebildet und sei ab der Erwachsenenphase mehr oder weniger stabil, zeigt die neuere Identitätsforschung – auch angestoßen durch die Erkenntnisse der Hirnforschung –, wie flexibel das Identitätskonzept sich im Laufe der Biografie, auch und gerade der Erwachsenenbiografie, gestaltet. Inzwischen haben Konzeptionen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung realisiert, dass Identität nicht ein, sondern das zentrale Thema für Bildung Erwachsener darstellt. „Die Frage ,Wer ist erwachsen?‘ hat eine reflexive Dimension: Sie ist eine zentrale identitätstheoretische Frage in vielen Bildungsveranstaltungen.“ (Siebert 2012, S. 16) Insbesondere in Zeiten der „flüchtigen Identität“ (s. o. 1.2 und 1.3) und der „Entgrenzung“ menschlicher Möglichkeiten (Funk 2011) sind Identitätsfragen die impliziten und bisweilen expliziten Leitthemen in der Erwachsenenbildung. Der oben zitierte Sozialpsychologe Heiner Keupp hat mit seinem Team nicht nur das „Patchwork“ spätmoderner Identitäten durch empirische Forschungen analysiert, sondern auch die wesentlichen Elemente einer gelingenden Identitätsarbeit insbesondere für Erwachsene markiert. Seine Ergebnisse werden etwas ausführlicher referiert, da sie für die Bildung Erwachse-

Lebenslange Bildung, lebenslanges Lernen

ner, besonders für religiöse Bildung, von eminenter Bedeutung sind (Überblick zur neueren Identitätsforschung: Pirker 2013, S. 19–171; zum Folgenden: Keupp 2008). In keinem Fall kann Identitätsbildung auf die Adoleszenz eingegrenzt werden. Der Prozess des Zu-sich-selbst-Findens ist längst nicht nur auf die kritische Phase der nachpubertären Zeit festzulegen, sondern dauert prinzipiell ein Leben lang. Dies erfolgt jedoch nicht in passiver Weise, so als ob sich Identität wie von selbst bildet oder verändert. Identität ist in jeder Lebensphase ein aktiver Prozess, mit dem das Individuum bisweilen bewusst, bisweilen weniger bewusst unablässig beschäftigt ist. Identitätsarbeit ist ein lebenslanger und unabschließbarer, ein „endloser Prozess“ (ebd., S. 83). Die neuere Entwicklungspsychologie spricht insbesondere im Blick auf das Jugendalter von sog. „Entwicklungsaufgaben“, die die jungen Menschen zu bewältigen haben, um in die nächsthöhere Stufe des jungen Erwachsenenalters eintreten zu können. Keupp schlägt vor, den Begriff für das Erwachsenendasein eher durch „Handlungsaufgaben“ zu ersetzen, die in allen Lebensphasen in Angriff genommen werden müssen: „Sich entwerfen und leben fallen in eins. Das Identitätsprojekt wird zu einem imaginären Fixpunkt, der beständig geändert werden kann. Vieles gleicht eher dem Umbau eines Schiffs auf hoher See.“ (ebd., S. 74) Eine notwenige Aufgabe der Herstellung von Identität ist das Erreichen von Kohärenz (ebd., S. 93) bzw. Sinnkohärenz. Zentrales Medium der Herstellung von Kohärenz ist Selbstthematisierung und Selbsterzählung (ebd., S. 216), die natürlich nicht individuell mit sich allein vonstatten gehen kann, sondern stets in Bezug auf andere. Von daher ist Identität keineswegs, wie landläufig angenommen, eine individuelle Eigenschaft, sondern eine Beziehung. Identität ist soziale und diskursive Konstruktion (ebd., S. 101), eine Arbeit an der eigenen Biografie, die in einem Aushandlungsprozess mit sich und anderen erfolgt. Als Ergebnis steht im Idealfall eine Syntheseleistung, die die eigene Identität im Modus von Kohärenz, Stimmigkeit und Authentizität begreift (ebd., S. 265). Die Konstruktion der Identitätsarbeit erfolgt in mehreren Schritten und auf mehreren Ebenen. Das nachfolgende Schema von Heiner Keupp (leicht verändert und erweitert) ist von unten nach oben zu lesen (ebd., S. 218): Aus den einzelnen situativen Erfahrungen mit sich selbst und mit seiner unmittelbaren sozialen Umwelt erfolgen situative Selbstthematisierungen, z. B. beim einfachen Erzählen über etwas Erlebtes. Bei mehrfach wiederholender Selbsterzählung können sich aus den jeweiligen Lebenskontexten (Arbeit, Freizeit, Familie, Gesundheit, Religion etc.) „Teilidentitäten“ bilden, die sich in weiteren Thematisierungen verfestigen. Je öfter und je emotional gefärbter eine Erzählung erfolgt, desto stabiler wird das Konzept des betreffenden Teilbereichs. Werden solche Teilbereiche zentral (beispielsweise Familie oder andere Beziehungen als lebensstabilisierende Faktoren), können sie sich zu „Kernnarrationen“ entwickeln, die unverzichtbare Elemente des jeweiligen Selbstkonzepts darstellen. Hier kann ein Identitätsgefühl entstehen, kann Beheimatung und Einbettung in ein stabiles Lebenskonzept erfolgen. Wichtig für die Selbstthematisierungen sind Anerkennung und Aufmerksamkeit durch andere, deren positive Bewertung, aber auch stabile Selbstan-

lebenslange Linie

Identitätsarbeit

identitätsrelevante Erzählung

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Bildung und Lernen Erwachsener

Schema 2: Konstruktionen der Identitätsarbeit

gelingende Identität

erkennung und positive Selbstbewertung (ebd., S. 256). Daraus kann sich „Identitätskompetenz“ entwickeln, die auch einen aufgeklärten Umgang mit bedrohter und gebrochener Identität umfasst (Resilienz im Zusammenhang mit kritischen Lebensereignissen). Schließlich beantworten Keupp und sein Team die Frage „Was ist gelingende Identität“ (ebd., S. 273 ff.), eine hoch spannende und höchst relevante Frage für allgemeine und religiöse Erwachsenenbildung. Gelingende Identität geht einher mit einem Identitätsgefühl, einer Qualität der Beziehung zu sich selbst im Netz der Beziehungen zu anderen. Über das Identitätsgefühl werden wichtige Aspekte der identitätsbezogenen Motivation für das Handeln (Identitätsanpassungen, Veränderungen) gesteuert. Das Identitätsgefühl ist ein Gefühl, das Alltagsleben zu bewältigen, und wird aus Selbsterfahrungen generiert. Es hat prinzipiell drei Komponenten (ebd., S. 227): * Gefühl der Sinnhaftigkeit (meaningfulness) * Gefühl der Machbarkeit (manageability) * Gefühl der Verstehbarkeit (comprehensibility) Haben Menschen das Gefühl, dass ihre alltäglichen Handlungen und Beziehungen eine zumindest gewisse Sinnhaftigkeit enthalten, dass das Leben und dessen Aufgaben einigermaßen machbar sind, und können sie ihre Lebenssituation wenigstens einigermaßen verstehen und reflexiv durchdringen, können sie ein Selbst- und Kohärenzgefühl entwickeln, das ihre Lebensoptionen integriert und bestätigt. In diesem Fall kann man von gelingender Identitätsarbeit sprechen. Gleichwohl ist klar, dass Identität immer auch gefährdet ist und sehr schnell brüchig werden kann (z. B. durch Krisen und kritische Lebensereignisse). Identitätsarbeit also ist eine lebenslange, immer wieder neu zu vollbringende Arbeit, die durch Bildungsarbeit begleitet, gefördert und unterstützt werden kann.

Lebenslange Bildung, lebenslanges Lernen

BIOGRAFIE ALS „DAUERWORKSHOP“ Die Lebensgeschichte des Menschen wird nicht einfach nur erlebt. Sie wird stets reflektiert, gedeutet, uminterpretiert, in einen größeren Kontext gestellt. Jeder Mensch denkt „nach“, d. h. re-flektiert seine Erlebnisse, wodurch sie zu bedeutungsgenerierenden Erfahrungen werden können. „Denken heißt: überschreiten“ ließ der Philosoph Ernst Bloch auf seinen Grabstein schreiben. Dieses „Überschreiten“ (lat. transcendere) muss nicht im philosophischen oder theologischen Gewand erfolgen. Schon jede Erzählung über die eigene Lebensgeschichte umschließt Deutungen – konstruktivistische Ansätze reden von „Konstruktionen“. Das Individuum ist pausenlos damit beschäftigt, sein Leben, seine Beziehungen, seinen Sinn zu konstruieren und zu rekonstruieren: Biografie wird zum „Dauerworkshop“. Aus diesem Grunde ist es für allgemeine und religiöse Erwachsenenbildung zentral, Bildungskonzepte nie nur rein zweckorientiert zu entwerfen und durchzuführen, sondern auch beispielsweise in der betrieblichen Fortund Weiterbildung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrem Lebenskontext wahr- und ernst zu nehmen. Sie kommen zur Bildungsveranstaltung nicht nur mit ihrem Kopf und wollen etwas Konkretes lernen, sondern bringen Herz, Gefühl und Lebensgeschichte in den Lernprozess mit ein. Immer geht es auch um persönliche Weiterentwicklung, um den Erwerb von Lebenszufriedenheit und Sinnkohärenz. Eine solche identitäts- und biografieorientierte Sichtweise (Nittel 2010; Behrens 2010) muss für alle Bildungsvorhaben eine Basis und einen roten Faden darstellen, der sich erkennbar durch den Lernprozess zieht. Erwachsenenbildung sieht sich als Partnerin der Dauerbaustellen „Identität“ und „Biografie“.

KONSEQUENZEN FÜR DIE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG Für Theorie- und Konzeptbildung religiöser Erwachsenenbildung ist es wesentlich, dass sie auf die wissenschaftliche Diskussionslage der allgemeinen Bildungstheorie und natürlich insbes. der allgemeinen Erwachsenenbildung zurückgreift, will sie im Konzert der Bildungsangebote mitspielen. Deshalb sind bildungs- sowie lerntheoretische Einsichten ebenso relevant wie die Ergebnisse der Lebenslauf- und Identitätsforschung. Religiöse Erwachsenenbildung sieht den Menschen stets „auf dem Weg“, als „Pilger auf Erden“. Nie ist der Mensch „fertig“ mit sich, seiner Mitwelt und mit Gott. Deshalb versteht sich religiöse Bildung immer als „Lebensbegleitung und Erneuerung“ (Karl Ernst Nipkow). * Impulse für selbstgesteuertes Lernen Erwachsener zu geben, ist ein Markenzeichen religiöser Erwachsenenbildung. * Religiöse Bildung hat ein besonderes Augenmerk auf die Selbst- und Identitätskonstruktionen Erwachsener. Sie ermutigt Menschen zur religiösen Selbstnarration und bietet an, die je eigenen Erzählungen in die größere Geschichte Gottes mit den Menschen zu integrieren. * Religiöse Bildung gibt auf allen drei identitätsrelevanten Gefühls- und Reflexionsebenen Impulse zum Nach-denken und Nach-fühlen: Ebene der Sinnhaftigkeit (meaningfulness), Machbarkeit (manageability), Verstehbarkeit (comprehensibility). *

reflektierte Biografie

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Bildung und Lernen Erwachsener

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Damit hilft religiöse Erwachsenenbildung die vom Evangelium geforderte permanente Arbeit an der eigenen Biografie, Identität und an den je eigenen Beziehungen mit „leidenschaftlicher Gelassenheit“ im Vertrauen auf Gott zu vollbringen.

2.3 Ziele und Kennzeichen der Erwachsenenbildung MÜNDIGKEIT – EIN ÜBERGEORDNETES ZIEL

die Unmündigkeit verlassen

Wer in Europa achtzehn Jahre alt ist, ist „mündig“, d. h. er oder sie kann bekanntlich Geschäfte abschließen, braucht keine Zustimmung der Eltern mehr, kann in den Staaten der EU frei reisen. Doch juristische Volljährigkeit bzw. Mündigkeit sind nur ein Teil des größeren Konzepts von Mündigkeit, das von dem Gedanken der Bildung her den Menschen ausmachen soll. Das Ziel von Bildungsprozessen kann seit der philosophischen Aufklärung mit Mündigkeit beschrieben werden. Bildung soll den Menschen befähigen, eigenständige Entscheidungen für seine Lebensbereiche (persönlich, sozial, arbeitsbezogen, öffentlich) zu treffen, sie vor sich und vor anderen zu verantworten und zu verwirklichen. Insbesondere hat Immanuel Kant den Prozess der Aufklärung des Menschen mit dem Ziel von Mündigkeit bestimmt (Benner/Brüggen 2010b, S. 691 f.). Der Mensch soll aus der sozial-geschichtlichen ebenso wie aus der individuell-persönlichen, selbst verschuldeten Unmündigkeit heraustreten, was jedoch nicht durch einen einmaligen Akt möglich ist. Für Kant ist Aufklärung eine „unabschließbare Daueraufgabe“, wobei nicht etwa die mündigen Erwachsenen den unmündigen Kindern gegenüber stehen, sondern die Erwachsenen die Aufgabe haben, sich selbst ständig aufs Neue aus allen Unmündigkeiten zu befreien (Kant 1784, S. 35). Dieser kantische Impuls hat in der Philosophie- und Pädagogikgeschichte wie ein Katalysator gewirkt. Mündigkeit wurde fortan zum Bildungsziel, was sich von den großen Bildungsdenkern wie Schleiermacher und Humboldt bis hin ins 20. Jahrhundert zieht, wo die schmerzliche Erfahrung der in die Katastrophe führenden absoluten Unmündigkeit im Nationalsozialismus später von Theodor W. Adorno zu einer kritischen „Pädagogik nach Auschwitz“ entwickelt wurde (Adorno 1971). Zusammenfassend kann gesagt werden (Benner/Brüggen 2010b, S. 687): Mündigkeit als Bildungsziel „In bildungstheoretischer Hinsicht meint der Begriff Mündigkeit die Fähigkeit des Menschen, die eigene Lebensführung reflektieren und zu dieser sowie zu den Formen menschlichen Zusammenlebens Stellung nehmen zu können.“

Selbstreflexion, Selbstkritik

Mündigkeit bedeutet demnach nicht nur die Fähigkeit – wörtlich – „seinen Mund zu gebrauchen“, d. h. seine Stimme zu erheben, Stellung zu beziehen und sich nicht von außenstehenden „Autoritäten“ entmündigen und bevormunden zu lassen. Sie umschließt v.a. die Kompetenz der Selbstreflexion und Selbstkritik, die Fähigkeit, sich und sein Leben selbst zu hinterfragen, seine Beziehung zu anderen zu reflektieren, Fehler zu erkennen, Korrekturen anzubringen, nicht auf eingefahrenen Gleisen stehen zu bleiben, sondern sich

Ziele und Kennzeichen der Erwachsenenbildung

selbst weiterzuentwickeln. Von hier aus kann auch die Lebensführung anderer Menschen in den Blick genommen und kritisch hinterfragt werden (deren Selbst- und Weltverständnis, deren Haltung zu anderen Menschen etc.). Mündigkeit als Globalziel für Bildung, insbesondere Erwachsenenbildung, hat verschiedene Facetten (ebd., S. 698 f.), die an dieser Stelle als Kompetenzen formuliert werden können: * KRITIKFÄHIGKEIT: Selbstkritik und Selbstreflexion; konstruktive Kritik am Lebensstil und Verhalten anderer sowie an den gesellschaftlichen Verhältnissen; * WAHRNEHMUNGSFÄHIGKEIT: realistische Einschätzung der gegenwärtigen individuellen, sozialen und politisch-ökonomischen Lage; * PLURALITÄTSFÄHIGKEIT: selbstbewusste und verantwortungsvolle Positionierung innerhalb von pluralen Kontexten; * DIFFERENZIERUNGSFÄHIGKEIT: gesellschaftliche Wirklichkeit, differente Deutungsmuster, Weltanschauungen, Lebensformen erkennen und anerkennen; * DIALOGFÄHIGKEIT: anderen zuhören können, versuchen sie zu verstehen, wie sie sich selbst verstehen, die eigene Position angemessen und selbstbewusst ins Gespräch bringen; fähig sein, das Eigene zu bedenken, zu revidieren, weiterzuentwickeln; Kompromisse schließen können; * PARTIZIPATIONSFÄHIGKEIT: Bereitschaft und Kompetenz, an sozialen, gesellschaftlichen und politischen Prozessen aktiv-gestaltend teilzunehmen; * HUMANITÄTSFÄHIGKEIT: ethische und humane Verantwortungsbereitschaft; * EINSAMKEITSFÄHIGKEIT: individuelle Entscheidungen – z. B. in Form von Zivilcourage – treffen und deren mögliche Folgen auf sich nehmen. Natürlich können niemals alle diese Facetten von Mündigkeit in jeder Bildungsveranstaltung angestrebt werden; auch muss den Organisatoren von Bildung klar sein, dass Mündigkeit nie ganz und gar erreicht werden kann, dass nur einzelne Aspekte angestoßen werden können, da Mündigkeit – wie Bildung und Identität Erwachsener – eine unabschließbare Aufgabe darstellt. Außerdem ist jeder Mensch individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Zwängen unterworfen, weshalb niemand volle Autonomie oder Mündigkeit erreichen kann. Dennoch darf dieses oberste Ziel nie aus den Augen verloren werden und muss in allen Angeboten zur Bildung Erwachsener zum Tragen kommen.

BEREICHE DER ERWACHSENENBILDUNG Bislang war pauschal von „Erwachsenenbildung“ die Rede, was in diesem Abschnitt nach Bereichen, Aufgaben, Institutionen und Organisationen unterschieden werden wird, um einen Überblick über das großflächige Spektrum der Bildung Erwachsener zu erhalten (s. Tippelt/Hippel 2011; Arnold/Nolda/Nuissl 2010). Insbesondere sollen die verschiedenen Lernorte beleuchtet werden, an denen Erwachsene lernen können. Dabei werden Beispiele für konkrete Träger von Bildungseinrichtungen gegeben, so dass die Bemühungen um religiöse Erwachsenenbildung im Kontext anderer Bereiche der Erwachsenenbildung verstanden werden können. BERUFLICHE BILDUNG. Der weitaus größte Bereich von Bildung für Erwachsene in dieser Gesellschaft ist der der beruflichen Ausbildung. Hier geht es

großes Spektrum an Einrichtungen

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Bildung und Lernen Erwachsener

Fort- und Weiterbildung

Volkshochschule

um das Einweisen in eine Tätigkeit im Arbeitsprozess sowie um tätigkeitsgebundene Qualifizierung. Alle beruflichen Schulen in dem weit verzweigten Netz des beruflichen Schulwesens fallen darunter, aber auch innerbetriebliche Einrichtungen sowie Maßnahmen der Praxisanleitung und des Trainings. BETRIEBLICHE FORT- UND WEITERBILDUNG. Arbeitende können niemals auf dem einst Gelernten stehen bleiben, sondern sind gezwungen, sich ständig fortzubilden. Dem tragen die betrieblichen Einrichtungen zur Fortbildung Rechnung (in größeren Betrieben, aber auch in öffentlichen Einrichtungen, z. B. in Kliniken für Krankenpflegepersonal, Ärztinnen und Ärzte bis hin zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung). Auch Coaching, Supervision sowie Veranstaltungen zum Qualitätsmanagement sind Elemente der Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Als „Fortbildung“ wird die berufsbegleitende Ausweitung der Qualifikation aufgrund neuer Herausforderungen bezeichnet. „Weiterbildung“ bedeutet die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer ersten Berufsbildungsphase und nach Aufnahme einer Berufstätigkeit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer streben dann meist einen weiteren Bildungsabschluss an, der es ihnen erlaubt, ggf. befördert zu werden oder sich auf andere Stellen zu bewerben. ARBEITSFÖRDERUNGSBILDUNG. Hierunter fallen Maßnahmen und Organisationen, die insbesondere für Arbeitsuchende zur Weiterqualifikation führen sollen. Sie ist gesetzlich geregelt und wird meist über die Arbeitsagenturen vermittelt. Die berühmte „Umschulung“ ist hier angesiedelt, aber auch Qualifikationen von benachteiligten Arbeitsuchenden. WISSENSCHAFTLICHE (WEITER-)BILDUNG UND FERNSTUDIEN. Sowohl an Hochschulen und Universitäten als auch in eigenen bundesweiten Gesellschaften bzw. Arbeitsgemeinschaften werden wissenschaftliche (Weiter-)Qualifikationen angeboten – für junge Menschen, für Akademiker, aber auch als Weiterbildung für Ältere. ALLGEMEINE ERWACHSENENBILDUNG. Der Bereich der Allgemeinbildung unterscheidet sich strukturell von dem der Berufsbildung. Die größte und bekannteste allgemeine Erwachsenenbildungseinrichtung stellen die Volkshochschulen dar, die bereits im 19. Jahrhundert entstanden sind. Vater der Volkshochschulbewegung war der dänische Theologe Nikolaj F.S. Grundtvig (1783–1872). Heute gibt es knapp 1000 Volkshochschulen und fast 3000 regionale Außenstellen in Stadtteilen oder ländlichen Gebieten. Die meisten davon sind in kommunaler Trägerschaft (Städte, Gemeinden, Landkreise), andere sind eingetragene Vereine, die allerdings auch Zuschüsse von den Kommunen und Landkreisen erhalten. Die oft stattlichen Programme (dicke Handbücher oder im Internet) umfassen Sprachkurse, Familienbildungsangebote, künstlerische und musische Veranstaltungen, zielgruppenspezifische Angebote wie z. B. Seniorenbildung, Seminare zu gesellschaftlichen, politischen, umweltbezogenen, kulturellen Fragen etc. STAATLICHE ÖFFENTLICHE BILDUNGSEINRICHTUNGEN. Hier können als Beispiel die Bundeszentrale (Berlin und Bonn) sowie die Landeszentralen für politische Bildung genannt werden. Aus der bitteren Erfahrung des Naziregimes geboren, führen die Außenstellen und Tagungshäuser dieser Landeszentralen Seminare und Einzelveranstaltungen v. a. zu gesellschaftspolitischen und historischen Themen durch.

Ziele und Kennzeichen der Erwachsenenbildung

BILDUNGSEINRICHTUNGEN DER GEWERKSCHAFTEN, PARTEIEN, KIRCHEN. Diese Institutionen sind in der thematischen Ausrichtung, Organisationsform und Mitarbeiterwahl autonom, erhalten aber für ihre Angebote staatliche Fördermittel. Sie unterhalten Erwachsenenbildungswerke mit zum Teil fest angestellten Referentinnen und Referenten, führen Tagungshäuser, vermitteln Referentinnen und Referenten vor Ort und leisten Unterstützung für Gruppen und Kreise, die Veranstaltungen zur Bildung Erwachsener organisieren. KOMMERZIELLE WEITERBILDUNGSUNTERNEHMEN. Ein vielfältiges Spektrum an Unternehmen bietet ortsgebunden oder online Fort- und Weiterbildung gegen private Finanzierung an, z. B. zertifizierte Sprachkurse, Bildungsgänge mit qualifizierten Abschlüssen.

ZIELGRUPPENORIENTIERUNG? Bildungsangebote für Erwachsene werden heutzutage meist nicht „ins Blaue hinein“ organisiert, sondern von vorneherein für bestimmte Zielgruppen geplant und ausgeschrieben. Der Vorteil ist, dass für bestimmte Gruppen innerhalb der Gesellschaft sehr spezifische Angebote gemacht werden können (z. B. Deutsch für türkische Migranten; Angebote für Mütter und Väter mit Kleinkindern). Die Gefahr ist, Menschen in abgeschotteten Bildungssegmenten voneinander zu trennen oder auf bestimmte Merkmale von potentiell Teilnehmenden fixiert zu sein. Deshalb ist bei zielgruppenspezifischer Arbeit die Überwindung der Defizitorientierung und der sozialen Segmentierung („Arbeitslose“, „Menschen ohne Schulabschluss“, „Alleinerziehende“, „Migranten“) eine zentrale Aufgabe (Bremer 2010). Besonders wichtig ist ein Bewusstsein der anbietenden Institution für die schichten- und milieuspezifischen Sprachcodes. Veranstaltungen, die offen sein wollen für Teilnehmende aus verschiedenen Milieus, dürfen in ihrer Sprachverwendung nicht einseitig sein (z. B. indem nur eine elaborierte Bildungsbürgersprache gesprochen oder gar akzeptiert würde, wobei Menschen mit einfacherem Bildungshintergrund abgeschreckt bzw. ausgegrenzt werden). Sind sich Träger der Gefahren bewusst und arbeiten sie sowohl zielgruppenorientiert als auch zielgruppenübergreifend und -verbindend, können ihre Angebote genauer geplant und auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden abgestimmt werden. Zielgruppen können sein: * Menschen aus bestimmten Stadtteilen * Menschen in bestimmten Lebenslagen (junge Familien, Singles, Frauen, Männer, junge Alte, ältere Senioren) * Menschen mit Benachteiligungen bzw. Behinderungen * Menschen aus bestimmten Berufsgruppen (Krankenpflegepersonal, Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer, Arbeiterinnen und Arbeiter im Industriesektor etc.) Zielgruppen dürfen nie exklusiv verstanden und definiert werden. Angebote für Bildung müssen immer auch offen sein für Teilnehmende, die nicht in das vorausgedachte „Schema“ passen.

PROFESSIONALITÄT Kennzeichen aller institutionell verankerten Unternehmungen zur Erwachsenenbildung ist deren Professionalität (Gieseke 2002). Mit ihr steht und fällt

Gefahr der Segmentierung

offene Angebote

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Bildung und Lernen Erwachsener

professionelle Institute

pädagogishe Profession

Bedeutung des ungeplanten Lernens

die Qualität der Bildungsangebote, weshalb zur Professionalität Qualitätsmanagement (Qualitätssicherung und -verbesserung) stets dazu gehört. Die Professionalisierung der Erwachsenenbildung (übrigens auch der religiösen) hat in den vergangenen Jahrzehnten Schritt für Schritt zugenommen (vgl. Zeitschrift EB: Erwachsenenbildung 4/2011). Dazu tragen wissenschaftliche Institute für Erwachsenenbildung bei (z. B. das DIE: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Bonn), deren Aufgabe es ist, Service, Forschung und Entwicklung für die Erwachsenenbildung zur Verfügung zu stellen, ebenso wie Lehrstühle an Universitäten, Studiengänge, empirische Forschungen, wissenschaftliche Zeitschriften und Bücher sowie eine selbstreflexive und selbstkritische Praxis, die sich nach professionellen Kriterien evaluiert und evaluieren lässt. Hinzu kommen internationale Vereinigungen und Institute (u. a. EAEA: European Association for the Education of Adults; ERDI: European Research and Development Institutes for Adult Education; ESREA: European Society for Research on the Education of Adults) sowie Publikationen auf internationaler Ebene (u. a. English 2005). Professionelles Handeln in der Erwachsenenbildung bedeutet, Konzeptionen und Praxis auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen, sie stets zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Professionelles Handeln betrifft in erster Linie: * Ausbildung und Qualifikation der Hauptamtlichen und Referentinnen bzw. Referenten * Programmplanung * Professionelle Leitung und Durchführung * Bildungsmanagement * Projekt- und Konzeptentwicklung * Teilnehmergewinnung, Zielgruppenorientierung * Beratung, Supervision, Coaching der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (auch der Ehrenamtlichen) * Betriebswirtschaftliche Bedingungen (Finanzierung, Abrechnung) * Feedback, Evaluation * Qualitätsmanagement, -sicherung, -verbesserung Dennoch, die voranschreitende Professionalisierung in der Erwachsenenbildung hat auch ihre Kehrseite (Reischmann 1995): Wenn alle Bildungsprozesse von professionellen Machern geplant, durchgeführt und perfekt evaluiert werden, bleibt wenig Spielraum für ein „Lernen en passant“, also dem nicht geplanten, eher beiläufigen Lernen, das die Kurse der Erwachsenenbildung stets auszeichnet. Wer einen Kurs belegt, wird nicht nur mit Inhalten vertraut gemacht, sondern lernt „nebenbei“ andere Leute kennen, kommt mit ihnen ins Gespräch, lernt, sich auszutauschen, zuzuhören, stellt, im Idealfall, fest, dass auch ihm oder ihr zugehört und Aufmerksamkeit geschenkt wird; man lernt Methoden, Herangehensweisen, lernt zu lernen, wird bereichert durch neue Erfahrungen, die nicht im Lehrplan der Veranstaltung stehen. Erwachsenenbildung, die professionell organisiert und durchgeführt wird, lässt immer auch Spielraum für ein Lernen, das über das festgelegte Zielspektrum und geplante Kompetenzensemble hinausgeht. Wahre Professionalität bietet unverplante Lernzeiten, offene Möglichkeiten, kreative Freiräume.

Dimensionen der Erwachsenenbildung

KONSEQUENZEN FüR DIE RELIGIÖSE ERWACHSENENBILDUNG Religiöse Erwachsenenbildung gewinnt an Profil und Professionalität, wenn sie sich in Austausch mit der Allgemeinen Erwachsenenbildung begibt, die von weiteren Trägern und Bildungsinstitutionen konzeptionalisiert und angeboten sowie auf wissenschaftlicher Basis reflektiert und evaluiert wird. Das übergeordnete Ziel der religiösen Erwachsenenbildung ist religiöse Mündigkeit. Menschen sollen fähig werden, sich in religiösen Fragen selbst ein Urteil zu bilden und entscheiden zu können. Diese Grundorientierung entspricht einerseits den Zielbestimmungen der Erwachsenenpädagogik, andererseits der Forderung des Evangeliums, wonach sich jeder Mensch in Freiheit für Gott, für den Glauben entscheiden soll. * Religiöse Mündigkeit erfordert religiöse Kompetenz. * Kritikfähigkeit, Wahrnehmungsfähigkeit, Partizipationsfähigkeit etc. (s. o.) sind allesamt auch entscheidende Merkmale religiöser Erwachsenenbildung. * Religiöse Bildungsangebote für Erwachsene werden nicht isoliert, sondern im Konzert anderer Bildungsträger gesehen. Zu manchen Themen und Anlässen legen sich Kooperationen nahe (z. B. mit den Landeszentralen für politische Bildung; mit staatlichen Familienbildungseinrichtungen; mit anderen Trägern wie z. B. der Volkshochschule). * Religiöse Erwachsenenbildung braucht ein hohes Maß an Professionalität, die alle Aspekte der Veranstaltungsplanung, -durchführung und Evaluation umschließt, die aber auch die Qualifizierung Ehrenamtlicher im Blick hat. Professionalität im religiösen Feld kennt auch ihre Grenzen – aus anthropologischen und theologischen Gründen. *

2.4 Dimensionen der Erwachsenenbildung Die grundsätzliche mehrdimensionale Bestimmung von Bildung im Horizont eines weitgefassten und integrierenden Bildungsverständnisses (s. Schema oben: gesellschaftlich-politische, zukunfts-, subjekt-, traditions- und dialogorientierte Dimensionen) zieht konkrete Konsequenzen für die Erwachsenenbildung nach sich. Einige dieser Dimensionen der allgemeinen Erwachsenenbildung sind für religiöse Bildung von besonderer Relevanz, weshalb sie im Folgenden kurz umrissen werden.

BILDUNG ALS DIFFERENZ Der Bildungsvorgang – auch im Erwachsenenalter – kann mit Volker Ladenthin als Differenzgeschehen bestimmt werden. „Bildung entsteht aus der Erfahrung von Differenz: Es gab etwas vor einem, Geschichte. Es gibt etwas neben einem, Gesellschaft. Es gibt etwas außerhalb des Eigenen, Natur. Es gibt etwas über einem, Gott.“ (Ladenthin 2007, S. 207) Die Differenz zwischen Sein und Sollen, zwischen vorher und nachher, zwischen biografisch früher und später markiert die Grenze, an der Bildung erfolgen kann. Die Erkenntnis, dass alles auch ganz anders sein könnte, entwickelt sich zum Motivationshintergrund und damit zur Folie des Bildungsgeschehens. Das Differenzverständnis ist hoch relevant für weitere theoretische Bildungsreflexionen: „Bildungstheorie thematisiert die Differenz zwischen Erkennbarem und prinzipiell unerkennbar Vorausgesetztem: die transzendentale Diffe-

Differenzerfahrungen

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Bildung und Lernen Erwachsener

renz. Da sie unüberbrückbar ist, gibt es keinen abschließenden Gedanken, kein letztes Wort.“ (ebd.) Bildung ist, so verstanden, ein grundsätzlich unabgeschlossener Vorgang, da die Differenz niemals aufgehoben werden kann. Deshalb kann Bildung auch nicht von außen „gemacht“ werden, so dass ein lernendes Subjekt mit Bildung „versorgt“ werden könnte. Bildung als Differenzerfahrung verweist auf die eigene Aktivität des lernenden Individuums. „Lehren“ kann den Lernenden als Impuls- und Anregungspotential zur eigenen Selbst-Bildung dienen, nicht mehr und nicht weniger: „Lehren ist die verbindliche Aufforderung zu verbindlicher Selbsttätigkeit.“ (ebd., S. 208) Die Differenzbestimmung von Bildung betrifft aber auch die Grenze zwischen dem Eigenen und dem Fremden. In der Erfahrung von Differenz im Zuge der Auseinandersetzung mit fremden Denk- und Lebensweisen, Kulturen und Religionen bildet sich – im Idealfall – ein Bewusstsein für die Bedeutung von Verschiedenheiten und für die „Würde der Differenz“ (vgl. Sachs 2011). Nur so kann Erwachsenenbildung pluralitätsfähig sein.

BILDUNG ALS DIALOG

Vermittlung – Aneignung

Damit ist Erwachsenenbildung prinzipiell dialogisch bestimmt. „Bildung heißt: ,Leben im Gespräch‘.“ (Nipkow 1992, S. 37) Sie entsteht im Zwischenraum zwischen Lernenden und anderen Menschen, ist aber nicht durch Vorgegebenes determiniert, sondern kann sich in diesem „Zwischen“ (Martin Buber) freiheitlich, sozusagen „zwanglos“ ereignen – als Potentialität, als in Freiheit eröffneter Möglichkeitsraum. Erwachsenenbildung ist stets ein dialogischer Prozess der Auseinandersetzung mit Lehrenden, Referentinnen und Referenten, mit Bildungsinhalten und thematischen Impulsen – grundsätzlich gesagt mit Welt und Wirklichkeit. Bildung ist immer auf Verständigung aus, also auf dialogische Kompetenz, auf Dialogfähigkeit innerhalb der eigenen, pluralen Gesellschaft und nach außen im Blick auf andere Kulturen, Ethnien, Religionen. Dialogische Erwachsenenbildung heißt dann, dass nicht einfach Inhalte (dozentenorientiert) vermittelt oder (subjektorientiert) angeeignet werden. Vermittlungs- und Aneignungsprozesse in der Erwachsenenbildung bedürfen eines kommunikativen Rahmens (Kade 2010; Becker/Scheilke 1995). Kommunikation ist der unabdingbare Bezugspunkt von Vermittlung und Aneignung. Wenn die letzteren beiden die Brennpunkte einer Ellipse darstellen, ist die Ellipse selbst der Kommunikationsraum, in dem Vermittlung erfolgt und Aneignung ermöglicht wird. Kommunikation in der Erwachsenenbildung ist keine Einbahnstraße, sondern stets ein wechselseitiges, dialogisches Geschehen. Dialogizität schließt ein Verständnis ein, das wir als partnerschaftlich-emanzipatorisch bezeichnen (s. u.).

ETHISCHE DIMENSION: WERTEBILDUNG Ethisches Denken und Handeln ist im Alltag gefordert. Besonders dann, wenn etwas bedenklich wird, wenn ein Problem zu lösen ist, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen. Aber zunehmend entsteht dabei das Problem, an welchen Orientierungspunkten man sein ethisches Denken und Handeln ausrichten soll. Heutzutage erleben wir eine Pluralisierung von

Dimensionen der Erwachsenenbildung

Werthaltungen und eine Relativierung bzw. Individualisierung von Wertvorstellungen und Wertkonzeptionen. Die Frage stellt sich, ob Erwachsenenbildung einen Beitrag zur ethischen Bildung Erwachsener leisten kann (Bergold 2013a, 2007, 2005a, 2005b, 1998; Gisbertz/Kruip/Tolksdorf 2010). Die Schwierigkeit besteht u. a. darin, dass es sich bei dem oft konstatierten Werteverlust im Eigentlichen um einen Prozess des Wertewandels handelt. Es geht also weniger darum, im Bildungssystem verloren gehende und verloren gegangene Werte wieder zu reaktivieren und in das Bewusstsein zu bringen, als vielmehr wertvermittelnd und „wertbildend“ in ständig sich wandelnden Pluralisierungs- und Individualisierungsprozessen hinsichtlich der Wertefrage tätig zu sein. Auf der anderen Seite führen gerade die technischen Innovationen zu ganz neuen ethischen Fragestellungen und Dilemmasituationen, die die Menschen in ihrer Urteilsfähigkeit überfordern. Im Hinblick auf Schwangerschaftsabbruch, Euthanasie, Versuche mit embryonalen Zellen, Soldateneinsätze in Krisengebieten, Terrorbekämpfung etc. liegen derart komplizierte Sachverhalte vor, dass ein eindeutiges ethisches Urteil unmöglich wird. Für die Bildungsarbeit mit Erwachsenen führt dies zu einer radikalen Herausforderung, die im Vergleich zum Schulkontext einen wesentlichen Unterschied aufweist. Das Spezifikum besteht darin, dass Menschen in der Erwachsenenbildung in der Regel über feste Wertsysteme verfügen, die in der Werte-vermittelnden Bildungsarbeit bewusst gemacht und im günstigsten Fall aufgebrochen werden. Allerdings muss im Blick auf die Verknüpfung von Intention und Wirkung im Kontext ethischer Bildungsprozesse auf die prinzipielle Offenheit hingewiesen werden, die jeglichen Automatismus verbietet. Niklas Luhmann hat in diesem Zusammenhang schon zu Beginn der 1980er Jahre auf das strukturelle „Technologiedefizit von Pädagogik“ hingewiesen und meint damit, dass die Personen und Interaktionen keine Gewissheit über den Zusammenhang von richtigem eingegebenem Input und gewünschtem Resultat bzw. Output liefern können (Luhmann/Schorr 1982). So bleibt bei allen guten Angeboten, Konzepten und Erfahrungsmöglichkeiten in der ethischen Bildungsarbeit mit Erwachsenen das Dilemma: Der Ungewissheit und Grenze der erreichten und erreichbaren Wirksamkeit dessen, was man intendiert, steht schon die Selbstreferenz und Freiheit der Adressaten entgegen. So besteht insgesamt eine Ungewissheit der Erfolgschancen in der Pädagogik; sie gehört für Luhmann neben dem Arbeitswissen zu dem „Geheimwissen“ der pädagogischen Profession (Luhmann 2002). Grundsätzlich ist festzuhalten, dass man von ethischem Lernen nur im Blick auf das ethische Verhalten des Menschen als freie Person sprechen kann. Mit „ethisch“ bezeichnen wir ein Urteilen und Handeln, dessen Urheber aus eigenem Entschluss urteilt und handelt und für sein Tun die Verantwortung übernimmt. Ethisches Lernen oder Wertebildung ist somit am Ziel der Selbstbestimmung und Verantwortung des Menschen ausgerichtet (Nunner-Winkler 1999). Dabei sind drei Bereiche zu nennen, in denen sich die Wertebildung abspielt und worauf sie sich bezieht: * Handeln * Urteils- und Argumentationsfähigkeit * Persönlichkeit Diese drei Bereiche der ethischen Bildung lassen sich nicht streng vonein-

ethische Urteilsfähigkeit

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Bildung und Lernen Erwachsener

bewerten und handeln

ander trennen. Denn in der konkreten Wirklichkeit unseres Lebens und des Alltags sind Fragen des Handelns, der Beurteilung und der Persönlichkeit stets miteinander vermischt. Wichtig ist, dass ethische Lern- und Bildungsprozesse in der Erwachsenenbildung zum einen den Menschen als freie Person in seinen Handlungen, Urteilen und Haltungen begreifen müssen und zum anderen sie nur Anlass, Aufklärung und fördernde Unterstützung für Fortschritt in der Entwicklung und Gewinnung von Überzeugungen sein können. Es gibt, so Fritz Oser und Wolfgang Althof in ihrem Lehrbuch über moralische Selbstbestimmung, „keine Zauberformel des moralischen Lernens, keine Tricks und keine Anabolika, durch die moralische Kraft entsteht“ (Oser/Althof 1992, S. 11). Durch eine reine „Vermittlung“ von Werten oder Wertsystemen findet noch keine Wertebildung statt. Das Wissen um Werte bewirkt in Bezug auf das Handeln, auf die Urteils- und Argumentationsfähigkeit und auf die Persönlichkeit so gut wie nichts. Zwischen dem Wissen und dem Handeln muss noch ein für die Erwachsenenbildung bedeutsamer Aspekt Berücksichtigung finden: Es ist der Aspekt des Wertens. Die Frage nach dem Zusammenhang von Wissen – Werten – Handeln wird in diesem Kontext zu einer bedeutenden Grundfrage der Erwachsenenpädagogik im Hinblick auf die Wertebildung. Werten bedeutet nicht, danach fragen, was etwas ist oder wie ich handeln soll, sondern eher die Frage, was ein bestimmter Sachverhalt, eine Situation oder Problematik für mich bedeutet. Wertungen wenden das Wissen und unterwerfen es der Frage nach ihrer persönlichen Bedeutung. Sie sind ich-bestimmt und ich-bestimmend und werden zu Motiven des Handelns. Nur wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Lage versetzt werden und die Gelegenheit erhalten, bestimmte Sachverhalte zu bewerten, sie auf ihre Bedeutsamkeit für die eigene Biografie zu prüfen, kann von einer Wertebildung gesprochen werden. In logischer Konsequenz ist auch die Rede von einer Werte-Vermittlung somit falsch, da Werte nicht vermittelt werden können. Viel eher ist hier von einem wertorientierten Bildungsarrangement auszugehen, wenn eine Wertebildung stattfinden soll. Dies bedeutet aber, dass die Komponente der Selbsttätigkeit, der Ermöglichung von Bewertungen und das Verständnis von Wertungen oder Werten bei Bildungsveranstaltungen der Erwachsenenbildung gewährleistet sein müssen.

POLITISCHE DIMENSION Erwachsenenbildung darf niemals individualistisch verkürzt werden – auch nicht in ethischer Hinsicht auf eine privatisierende ethische Urteilskraft. Sie hat in einer demokratischen Gesellschaft immer einen verantwortungsethischen, sozialen, gesellschaftlichen und politischen Charakter. Somit ist Erwachsenenbildung – neben und mit Schule und Medien – ein zentrales Element der politischen Bildung (Deichmann/Tischner 2013; Hufer et al. 2013; Sander 2005). Dennoch, so schätzt Wolfgang Sander, fallen die direkten, expliziten Veranstaltungen zum Bereich der politischen Bildung (z. B. in Volkshochschulkursen) im Gesamtspektrum aller Erwachsenenbildungsangebote eher gering aus (Sander 2010, S. 241). Anders ist es bei der Bundeszentrale und den Landeszentralen für Politische Bildung, die direkte, staat-

Dimensionen der Erwachsenenbildung

lich gewollte und finanzierte Institutionen zur politischen Bildung aller Bevölkerungsschichten darstellen. Sie unterstützen auch andere Träger in deren politischer Bildungsarbeit. Nicht zu unterschätzen ist der Faktor, dass in vielen Veranstaltungen der Erwachsenenbildung das Politische zwar nicht explizit, aber doch implizit als Thema vorkommt. So hat beispielsweise eine Begegnungsveranstaltung, die sich dem gegenseitigen Kennenlernen von Menschen afrikanischer und europäischer Herkunft durch Musik, Tänze, gemeinsames Essen und Gespräche widmet, einen höchst politischen Charakter, ohne dass darüber diskutiert werden muss: Sie fördert das friedliche Zusammenleben, den Respekt vor anderen Kulturen, und wehrt Vorurteile oder gar Fremdenfeindlichkeit ab. Interkulturelle und interreligiöse Arbeit ist in unserer Gesellschaft höchst politisch. Schließlich sei angemerkt, dass politische Bildungsarbeit nicht nur auf junge Erwachsene beschränkt bleibt, sondern ein wichtiges Aufgabenfeld bei Älteren und Senioren findet (Asbrand et al. 2006).

KULTURELLE UND ÄSTHETISCHE BILDUNG Initiieren von Kunstprojekten, Organisation von künstlerischen Ausstellungen, Durchführen von Theater- und Filmprojekten, Literaturlesungen, Musikveranstaltungen aller Art – solche und zahllose ähnliche Angebote gehören zum festen Bestandteil der allgemeinen Erwachsenenbildungseinrichtungen. Sie haben zum Ziel, die Persönlichkeitsbildung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu unterstützen und die sozialen, kommunikativen sowie kreativen Fähigkeiten zu fördern (Stang 2012, Stang et al. 2003; Gieseke et al. 2005). In der Begegnung mit Kunst und im eigenen Gestalten werden ganz andere „Kanäle“ angesprochen als rein kognitive oder diskursive. Letztere sind mit im Spiel, aber nicht in erster Linie aktiv. Kreativität, eigene oder die von anderen, stimuliert tiefere Dimensionen des Menschseins, bleibt, wenn sie auf qualitativ gutem Niveau initiiert wird, nicht an der Oberfläche, sondern führt den Menschen zu existentiellen, das Leben insgesamt betreffenden Themen und Fragen. Im kreativ-ästhetischen Erleben und Tun, in kulturellen Aktivitäten kann im wahrsten Sinn des Wortes Persönlichkeits-Bildung erfolgen. Erwachsenenbildung, die die kulturelle und ästhetische Bildung pflegt und fördert, stellt sich folgenden Aufgaben (Stang 2012, S. 176): * „Die Förderung gestalterischer, kreativer Fähigkeiten, * die Sensibilisierung für verschiedene Formen künstlerischen Ausdrucks, * die Erweiterung von kulturellen und kommunikativen Kompetenzen, * die Sensibilisierung für soziokulturelle und interkulturelle Lebenszusammenhänge (interkulturelle Bildung).“ Gerade letzterer Aspekt ist in unserer Gesellschaft, wie an mehreren Stellen der gesellschaftlichen Analysen deutlich wurde, ein tragender Pfeiler: Vielfalt ist elementares Kennzeichen unserer Lebensweise und des menschlichen Zusammenlebens geworden. Deshalb schließt kulturelle Bildung interkulturelle Bildung immer mit ein (Hoffmeier/Smith 2013; s. auch Teil 3).

MEDIENBILDUNG Die Medien haben in den letzten Jahren bekanntlich eine enorme Bedeutung und Gestaltungskraft in Kultur und Gesellschaft erlangt. Die herkömm-

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Bildung und Lernen Erwachsener

Aspekte von Medienkompetenz

lichen Medien wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Fernsehen, Radio etc., aber insbesondere die neuen Medien wie PC, Laptop, Tablet, Handy, Smartphone, Internet etc. haben in allen Arbeits- und Lebenswelten kulturprägende Auswirkungen. Insbesondere die digitalen Medien durchdringen alle Lebensbereiche des modernen Menschen und verändern bisherige Gewohnheiten. Die Gesellschaft wird zur digitalen Wissens- und Informationsgesellschaft. Das heißt, dass Wissen und Information zum Produktionsfaktor der Zukunft werden. Dies führt zu Veränderungen in der Arbeitswelt, in der Freizeit und in allen Lebensbereichen. Mit der Entwicklung des Internets erleben wir eine Entgrenzung und Globalisierung von Arbeit und eine Erosion von lebenslangen Arbeitsverhältnissen auf der einen Seite und auf der anderen Seite einen Bedarf an Menschen, die mobil und flexibel sind und die neuen Kommunikationsmedien beherrschen. Aber auch die alltägliche Lebenswelt verändert sich. „Webzentrisch“ soll das Leben werden. Wer keinen Zugang dazu hat, wird von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen abgehängt. Die neue Technik verändert aber nicht nur die Umwelt des Menschen, sondern wandert beispielsweise in der Medizin (Implantation von Mikrochips, etc.) gleichsam in ihn hinein. Große Veränderungen erfolgen auch im Bereich der Verwaltung. Städte, Kommunen und Behörden bringen Schritt für Schritt ihre Dienstleistungsfunktionalität ins Internet und machen sich dadurch den Bürgern auf neue Weise zugänglich (Online-Banking, Fahrkartenkauf, Formular-Download etc.). Das Hineinwachsen in eine Informationsgesellschaft erfasst alle Lebensbereiche und für alle gilt: Der Bürger muss daran teilhaben können. Er muss aber auch in der Lage sein, medial vermittelte Informationen auswerten und bewerten zu können. Hier ergeben sich für eine Informationsgesellschaft ganz neue Herausforderungen. Unter dem Stichwort „Medienkompetenz“ hat sich die Erwachsenenbildung schon von früh an dieses gesellschaftlich virulenten Feldes angenommen und war prägend tätig. Medienkompetenz beinhaltet vier Dimensionen, die der Sozialwissenschaftler Dieter Baacke bereits in den 1970er Jahren pionierhaft beschrieben hat (Baacke 1973). Die erste Dimension ist die Medienkritik. Kritik, im Sinne von Immanuel Kant, meint die Bestimmung von Grenzen. Sie zielt auf die Reflexion und meint die Kompetenz, mediale und gesellschaftliche Prozesse angemessen erkennen zu können. Die Medienkunde als zweite Dimension weist auf das Wissen über die Medien hin, was mehr ist als nur die Fähigkeit ein Gerät bedienen zu können, sondern auch zu wissen, wie beispielsweise Journalismus funktioniert oder welche Programmgenres es beim Fernsehen gibt. Die dritte Dimension ist die Mediennutzung und meint eine Nutzungskompetenz z. B. beim OnlineBanking, beim E-Mail-Kommunizieren, beim Teleshopping etc. In der vierten Dimension, der Mediengestaltung, werden die Lernenden befähigt, selbst innovative Medienbeiträge zu produzieren (z. B. Videoclips, Kurzfilme, Internet-Beiträge). Neue technische Entwicklungen, aber auch ästhetische Aspekte spielen hierbei eine Rolle. Aus Sicht der Erwachsenenbildung wird Medienkompetenz im umfassenden Sinne als Kommunikationskompetenz verstanden (vgl. Hippel 2011; Zeitschrift EB: Erwachsenenbildung 2/2011). Gerade die neuen Medien sind auch soziale Medien. Dieses neue medialunterstützte Miteinander muss ein-

Dimensionen der Erwachsenenbildung

geübt und gelernt werden. Hier setzen die medienpädagogischen Angebote der Erwachsenenbildung als Vermittlung von Kulturtechniken an. Der hohe Grad der Meinungsprägung durch die Medien erfordert mündige, kritische Bürger, um nicht einer freiheitseinschränkenden Manipulation zu unterliegen.

BILDUNG ALS BEFREIUNG: PARTNERSCHAFTLICH-EMANZIPATORISCHE DIMENSION Schon in der philosophischen Aufklärung war „Bildung“ ein Programm zur Befreiung aus selbstverschuldeten oder unverschuldeten Abhängigkeiten und Zwängen (2.3). Nach den Erfahrungen des Faschismus und Kolonialismus wurde diese Bedeutung der Pädagogik insgesamt, des Bildungsbegriffs im Speziellen wiederentdeckt und hervorgehoben (Überblick: Nolda 2012, S. 24–27). Ähnlich wie die „Theologie der Befreiung“ kam es in Lateinamerika aufgrund der Erfahrung extremer Abhängigkeit und Armut zur Entstehung einer „Pädagogik der Befreiung“ (Freire 1973). Bildung wurde als „Praxis der Freiheit“ neu buchstabiert, um Entmündigung und Bevormundung – also das Gegenteil von Mündigkeit der Subjekte – zu überwinden. Der pädagogische Prozess ist so angelegt, dass Menschen ihre eigene Würde wiederfinden, beginnen, ihr Leben selbst in die Hand nehmen und die unterdrückerische Situation verändern bzw. bekämpfen. Ähnliche Bildungsinitiativen gibt es in Afrika (z. B. „Budikadidi – Schule der Selbstständigkeit“ im Kongo) und in Folge der extremen Entmündigungserfahrung durch den Nationalsozialismus in Europa. Der oben bereits zitierte Theodor W. Adorno sieht in einer emanzipatorisch angelegten „Erziehung zur Mündigkeit“ (Adorno 1971) den einzigen Weg, um einen neuen Faschismus oder gar ein neues Auschwitz zu verhindern: „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ (ebd., S. 88) Ihm schwebt eine Erziehung zur kritischen Selbstreflexion vor, die die eigenen Abhängigkeiten und den Autonomieverlust durch Bindung an herrschende Autoritäten hinterfragt. Jede Art von „autoritärer Persönlichkeit“ und Gleichgültigkeit gegenüber dem, was mit anderen geschieht, gilt es zu überwinden (ebd., S. 101). Bildung als Weg zur Selbstverantwortlichkeit, zur Emanzipation, zur Befreiung ist ein Weg, der dem Individuum und der Gesellschaft mehr Freiheit und mehr Menschlichkeit verschaffen kann. Gleichwohl darf die partnerschaftlich-emanzipatorische Dimension von Bildung nicht blauäugig oder naiv postuliert werden in der Meinung, damit Strukturen der Abhängigkeit und der gesellschaftlich-politischen Unterdrückung, auch der subtilen durch Markt und Konsum, einfach überwinden zu können. Gesellschaftliche Veränderungen können nicht allein durch Bildung erreicht werden, es gehören immer auch politische und strukturelle Maßnahmen dazu. Aber Bildung im Horizont von Emanzipation und Befreiung – auch und gerade im Erwachsenenalter – kann einen Beitrag leisten, Abhängigkeiten und Unfreiheiten zumindest bewusst zu machen. Ein (selbst-)kritisches Bewusstsein wäre ein hervorragendes Resultat von Maßnahmen zur allgemeinen Erwachsenenbildung.

Bildung ist Würde

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Bildung und Lernen Erwachsener

KONSEQUENZEN FÜR DIE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG Religiöse Bildung will dem Menschen seine – bisweilen verborgenen und schlummernden – Möglichkeiten, die in ihm stecken, aufzeigen, will ihn ermutigen und aus Abhängigkeiten befreien. Die grundlegende, im Glauben angenommene Differenz zwischen Mensch und Gott wirkt möglichkeitseröffnend, da sie den Menschen von Allmachtsphantasien und Selbsterlösungswahn befreit. Die Erkenntnis dieser Differenz „bildet“ die Persönlichkeit. * Religiöse Erwachsenenbildung fördert die Differenzkompetenz des Menschen. * Bildung in religiöser Hinsicht kann nur dialogisch angelegt sein – im Modus des Angebots, auf das die Einzelnen in freier Selbstbestimmung antworten können. * Religiöse Bildung geht mit ethischer Bildung und Wertebildung Hand in Hand. Wer Gott liebt, liebt seinen Nächsten, besonders die Armen und Bedrängten. Er oder sie beginnt, Welt und Wirklichkeit neu zu beurteilen und ethische Entscheidungen im Licht der biblischen Botschaft zu bedenken. * Religiöse Bildung Erwachsener hat seit alters her eine besondere Affinität zu Kunst, Kultur und Ästhetik. Sie arbeitet selbstverständlich mit Medien, auch den neuen Medien. * Religion ist ein anderes Wort für Befreiung. Deshalb fördert religiöse Erwachsenenbildung die Befreiung aus Abhängigkeit, Bevormundung, Fremdbestimmung und Angst – in der Gesellschaft, aber auch und gerade innerhalb der Kirche. *

3. TEIL: RELIGIÖSE ERWACHSENENBILDUNG IN DER „FLÜCHTIGEN MODERNE“ 3.1 Neukonzeption der religiösen Erwachsenenbildung als „Re-Kontextualisierung“ Für die Reflexion religiöser Bildung in unserer Gesellschaft bedarf es sensibler Zeitdiagnostik. Es gilt, die Kontexte der Lern- und Bildungsprozesse detailliert zu eruieren, was wir in Teil 1 dieses Buches unternommen haben. Teil 2 diente der Vernetzung religionspädagogischer Theoriearbeit mit der allgemeinen Bildungsdiskussion in Wissenschaft und Gesellschaft. Im nun folgenden Teil 3 werden alle Erkenntnisse, die in der Kontextanalyse gewonnen wurden, für die Frage nach Spezifikum und Konzeption religiöser Bildung ausgewertet und fruchtbar gemacht. Dabei wird deutlich, dass angesichts veränderter Kontexte das Feld religiöser Bildung bzw. Erwachsenenbildung völlig neu vermessen werden muss. Eine Neukonzeptionalisierung ist erforderlich, was im Gang dieses dritten Teils unternommen wird. In den ersten beiden Schritten werden die grundlegenden theoretischen Stichworte für eine Erneuerung elaboriert: „Re-Kontextualisierung“ (3.1) und „Unterbrechung“ (3.2). Danach ist eine geschichtliche Vergewisserung unabdingbar, die die Entstehung der religiösen Bildungsarbeit mit Erwachsenen mit Blick auf die Neukonzeption beleuchtet und die bestehenden Konzepte, insbesondere die religionspädagogischen Ansätze der vergangenen Jahrzehnte, auswertet (3.3). Dabei wird geprüft, welche wesentlichen Theorieanteile auch weiterhin Gültigkeit besitzen und für die Neukonzeption religiöser Erwachsenenbildung in Zeiten der Flüchtigen Moderne fruchtbar gemacht werden können. In 3.4 werden schließlich die entscheidenden Dimensionen und Perspektiven einer „zeit“-gemäßen religiösen Erwachsenenbildung erarbeitet.

DAS „RELIGIöSE“ DER RELIGIöSEN ERWACHSENENBILDUNG: VERANTWORTLICH LEBEN

IN DER BEZIEHUNG ZU GOTT

Erwachsenenbildung, die sich „religiös“ nennen kann und will, hat ein Spezifikum gegenüber der „allgemeinen Erwachsenenbildung“ (Teil 2), das sie charakterisiert und gleichzeitig von anderen Formen der Erwachsenenbildung unterscheidet. Dabei geht es nicht um Wertung im Sinne von „besser“ oder „schlechter“, sondern um Differenzierung und Spezifizierung. Eine demokratisch-plurale Gesellschaft braucht verschiedene Anbieter und Formen von Bildung für die verschiedensten Gruppen und Interessen. Angesichts der Angebotspalette religiöser bzw. kirchlicher Erwachsenenbildungsprogramme taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf: Ist ein „Kochkurs für Männer“, der von einer Institution kirchlicher Erwachsenenbildung ange-

Profil religiöser Bildung?

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

konkrete Beispiele

zwei Kriterien

boten wird, „religiös“?, ein „Tanzkurs für Paare“?, ein Yogakurs?, ein Kurs für sinnvolle Zeitgestaltung im Alltag?, für gesunde Ernährung?, ein Angebot zu Erziehungsfragen?, eine Vernissage zur Ausstellungseröffnung künstlerischer Werke?, ein Konzert?, ein Chor?, eine Vortragsreihe zur Geschlechteridentität?, ein EDV-Kurs? Demgegenüber sind Veranstaltungen zu explizit religiösen und kirchlichen Themen zweifellos als „religiöse Erwachsenenbildung“ identifizierbar. Um nur einige Beispiele zu nennen: * Kirchenführungen; Führungen an weiteren sakralen Orten wie Klöstern, Moscheen, Synagogen, Tempeln * Veranstaltungen zur Gottesfrage, zu Glaubensfragen, zu Fragen nach christlichem Leben, nach Kirche, christlichen Gemeinschaften * ökumenische Themen und Arbeitskreise * Bibelabende; Bibelkurse * Glaubenskurse * Veranstaltungen zu ethischen Fragen in der heutigen Gesellschaft * spirituelle Angebote (Kennenlernen von Gebeten; Meditationsübungen) * interreligiöse Themen (jüdische Geschichte und Gegenwart; muslimische Gemeinschaften; hinduistische Religionen; buddhistische Lebensweisen; Sekten; Weltanschauungen) * religiöse, christliche Musik (z. B. in sakralen Räumen) * Veranstaltungen zu religiöser Dichtung, Literatur, Kunst * Vorträge, Seminare, Lesungen zu Religion, Wissenschaft, Kultur, Politik, Lebensführung, die religiöse oder ethische Themen bzw. Wertefragen miteinschließen * Filmabende mit Diskussion (z. B. geleitet von theologisch geschulten Referentinnen oder Referenten) * Exkursionen zu religiös bzw. kirchlich bedeutsamen Orten, Institutionen, Gemeinschaften * Fragen der religiösen Erziehung und des religiösen Familienlebens (z. B. in Familienkreisen, Familienbildungsstätten) * Elternarbeit in kirchlichen Kindertagesstätten (KiTas) * Seniorenbildung kirchlicher Anbieter * etc. Die Liste kann bei jedem Blick in das Programm einer kirchlichen Erwachsenenbildungseinrichtung – in gedruckter Form oder auf der Web-Site – erweitert werden. Angesichts der Unschärfe, Angebote religiöser Erwachsenenbildung von denen allgemeiner Erwachsenenbildung zu unterscheiden, lässt sich nach dem evangelischen Religionspädagogen Bernd Schröder das Arbeitsfeld mithilfe zweier Kriterien umreißen, einem formalen und einem inhaltlichen (Schröder 2012, S. 501). Das formale Kriterium kann herangezogen werden, um Veranstaltungen aufgrund der jeweiligen Trägerschaft bzw. der anbietenden Institution zu charakterisieren (kirchliche oder religiöse Einrichtungen bzw. Träger). Hinzu kommt das inhaltliche Kriterium, das Schröder an dem praktisch-theologischen Theorem der „Kommunikation des Evangeliums“ festmacht (Grethlein 2012; Mette 2005): Überall dort, „wo im Rahmen von Lernprozessen aller Art unter Erwachsenen das Evangelium kommuniziert wird“ (Schröder 2012, S. 501), kann von religiöser Erwachsenenbildung gesprochen werden.

Neukonzeption der Erwachsenenbildung

Wir gehen einen Schritt weiter, indem wir nicht allein die „Kommunikation des Evangeliums“, sondern die „Frage nach der Beziehung zu Gott“ zum entscheidenden Kriterium für religiöse Erwachsenenbildung machen. Wenn in Veranstaltungen für Erwachsene das Leben der Menschen, ihr Zusammenleben und ihre Verantwortung, wenn Welt und Mensch im Horizont der Gottesbeziehung thematisiert werden, sind die Angebote als „religiöse Erwachsenenbildung“ zu sehen. Darin können auch Lernprozesse zu und mit anderen Religionen und Weltanschauungen eingeschlossen werden, da auch dort – ebenso wie bei der Auseinandersetzung mit Kunst, Literatur, Musik oder zu Werthaltungen – die Frage nach Gott aufbrechen und zur Rückfrage nach der eigenen Gottesbeziehung stimulieren kann. Beide Kriterien sind zu beachten: Eine Veranstaltung zu religiösen Themen kann beispielsweise auch von einer Volkshochschule angeboten werden. Sie kann bei den Teilnehmenden auch das Nachdenken über die persönliche Gottesbeziehung stimulieren. Bei kirchlicher Trägerschaft wird das Thema indes vom Standpunkt der christlichen Gottesfrage aus gestellt. Die Inhalte werden nicht „neutral“ behandelt, sondern aus christlich-kirchlicher Perspektive und einer klaren Position, die als „Option für die Menschen“ angesichts der biblischen Botschaft vom befreienden und menschenfreundlichen Gott angeboten wird (Biesinger 2012). Doch auch hier – wie bei der Volkshochschule etc. – wird nicht erwartet, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese Position und Option teilen. Durch ihre Teilnahme bei einer solchen Veranstaltung in kirchlicher Trägerschaft zeigen sie jedoch ihre Bereitschaft, sich auf die christliche Option einzulassen und sich gegebenenfalls damit auseinanderzusetzen. Wo sind angesichts dieser beiden Kriterien die oben exemplarisch erwähnten Koch- oder Tanzkurse einzuordnen? Tauchen sie im Programm einer kirchlichen Einrichtung der Erwachsenenbildung auf und werden sie beispielsweise in den Räumlichkeiten einer Kirchengemeinde durchgeführt, so ist nach dem ersten, dem formalen Kriterium klar, dass die anbietende Institution – wiederum im Modus des Angebots – die Menschen vernetzen will, zum einen untereinander, zum anderen mit Netzwerken innerhalb von Kirche und Gemeinde. Kirchliche Erwachsenenbildung ist nicht rein individualistisch ausgerichtet, also nur auf den einzelnen und seine Bedürfnisse konzentriert, sondern ist immer auch Netzwerkarbeit, „Beziehungsarbeit“. Auch Bildungsangebote zur Lebenshilfe (Sprach-, EDV-Kurse, Fragen der Erziehungspraxis etc.) sind Kommunikations- und „Beziehungsangebote“. Vor dem Hintergrund eines mehrdimensionalen Beziehungsverständnisses (Boschki 2011, S. 107–119; 2004; ausführlich: 2003) will religiöse Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in allen fünf Beziehungsdimensionen ansprechen, unterstützen, ermutigen und fördern, um Bildungsvorgänge zu initiieren: * in der Beziehung der Menschen zu sich selbst (individuelle, subjektbezogene Ebene), * in der Beziehung zu anderen (soziale Ebene), * in der Beziehung zur Welt, in der wir leben (gesellschaftlich-politische und umweltbezogene Ebene), * in der Beziehung zur Zeit (zeitdiagnostische, historische und biografische Ebene),

christliche Option

Beziehungsansatz für religiöse Bildung

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

in der Beziehung zu Gott, die (in christlich-theologischer Perspektive) all die anderen Beziehungsdimensionen durchdringt und umgreift. Diese Beziehungsdimensionen dienen als Fokussierungen für Bildungsarbeit mit Erwachsenen, d. h. sie richten auf der Konzeptions- und Planungsebene die Aufmerksamkeit auf bestimmte, bei jeder Veranstaltung neu zu definierende Schwerpunkte und Ziele. Dabei dürfen die einzelnen Dimensionen jedoch nie unabhängig voneinander gesehen werden, da sie sich gegenseitig durchdringen und voneinander abhängen. Beispielsweise haben die Sozialbeziehungen, die in fast allen Aktivitäten der Erwachsenenbildung zum Tragen kommen (in Seminaren, Workshops, Gruppenarbeit etc.), stets Rückwirkungen auf die einzelnen Teilnehmenden und deren Selbstbeziehung, ihr Selbstbild, Selbstkonzept, ihre Selbstreflexivität, was auch vice versa gilt. Ferner spielt z. B. die Zeitdimension und unsere Beziehung zur Zeit eine eminente Rolle im Blick auf Identitätskonstruktion, Sozialbeziehungen und unser Verhältnis zur Gesellschaft und nicht zuletzt zu Gott. Für diese Beziehungsdimensionen zu sensibilisieren, sie in den Veranstaltungen explizit und implizit zum Thema zu machen, ist Grundaufgabe aller religiösen Erwachsenenbildung, der es um den Menschen geht. Denn Menschsein bedeutet „in Beziehung leben“, was in der neueren religionspädagogischen Anthropologie verstärkt herausgearbeitet wurde (Grümme 2012). Der Mensch in seinen Beziehungen – individuell, sozial, politisch und religiös – ist Dreh- und Angelpunkt einer religiösen Bildungsarbeit mit Erwachsenen. Letztlich will religiöse Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft Menschen dazu ermutigen, die Beziehung zu Gott als Herausforderung, Chance und Anspruch zu begreifen, verantwortlich zu leben – das heißt in Verantwortung gegenüber sich selbst, anderen, der Mitwelt (Gesellschaft, natürliche Umwelt) und der Zeit, die uns zur Verfügung steht. Damit ist die Frage nach dem Menschenbild eröffnet, das das Fundament der religiösen Erwachsenenbildung darstellt.

*

Gottesbeziehung als Chance

DAS ZUGRUNDE LIEGENDE MENSCHENBILD: DER MENSCH IST „GOTTBEGABT“

der freie Mensch – ohne Gott?

Der freie Mensch und Gott. Wie in der Einleitung schon erwähnt, ist ein zentraler anthropologischer Grundgedanke religiöser Bildung der der Gottesbegabung eines jeden Menschen. Ist jedoch der Mensch in einer solchen Sichtweise noch als freier Mensch zu denken? Mit einem anschaulichen Bild beschreibt Friedrich Nietzsche bereits im Jahr 1882 die Situation des freien Menschen, der sich in der Unendlichkeit des Ozeans verliert und gleichzeitig in der Unendlichkeit eingesperrt fühlt. „Im Horizont des Unendlichen. – Wir haben das Land verlassen und sind zu Schiff gegangen! Wir haben die Brücke hinter uns – mehr noch, wir haben das Land hinter uns abgebrochen! Nun, Schifflein! Sieh dich vor! Neben dir liegt der Ozean, es ist wahr, er brüllt nicht immer, und mitunter liegt er da wie Seide und Gold und Träumerei der Güte. Aber es kommen Stunden, wo Du erkennen wirst, dass er unendlich ist und dass es nichts Furchtbareres gibt als Unendlichkeit. Oh, des armen Vogels, der sich frei gefühlt hat und nun an die Wände dieses Käfigs stößt! Wehe, wenn das Land-Heimweh Dich befällt, als ob dort mehr Freiheit gewesen wäre – und es gibt kein „Land“ mehr!“ (Nietzsche 1954, Nr. 124)

Neukonzeption der Erwachsenenbildung

Nietzsche beschreibt diese Situation unmittelbar vor seinen berühmten Aussagen über den neuen „tollen Menschen“, der den Tod Gottes verkündet (ebd., Nr. 125). „Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben Ihn getötet!“ – so ruft der tolle Mensch es den unverständigen Zuhörern auf dem Marktplatz zu. Der freie Mensch dümpelt orientierungslos und als Spielball der Kräfte auf dem unendlichen Ozean und Gott als möglicher Orientierungspunkt, als Sinnhorizont, als Begleiter und Beschützer wird für tot erklärt. Der Theologe Johann Baptist Metz hat daran anknüpfend in seiner Zeitdiagnose der Moderne unter dem Motto „Religion ja – Gott nein“ (s. oben: 1.4) von einer gottlosen Religiosität des heutigen Menschen gesprochen und markiert die aktuelle Zeit als „religionsfreundliche Gottlosigkeit“ (Metz/ Peters 1991, S. 22). Wie man heutzutage dem Kaffee das Koffein entzieht und dem Bier den Alkohol, so entzieht man nicht selten der Religion Gott. Ist damit der Mensch gottlos geworden? Und was folgt aus dem Tod Gottes? Metz weist darauf hin, dass in Konsequenz des Todes Gottes auch der Tod des Menschen folgt. „Die Prozesse der europäischen Moderne, die zur profanen Europäisierung der Welt führten, sind offensichtlich nicht nur Säkularisierungsprozesse als Prozesse der gesellschaftlichen Entmächtigung und Auflösung von Religionen; sie entpuppen sich immer mehr auch als Prozesse der Entmächtigung und auch der Auflösung des Menschen …“ (Metz 2006, S. 79). In diesem Sinne spricht Bernhard Grümme von dem „gefährdeten Menschen“ im Kontext von Pluralisierung, Relativierung und Gotteskrise (Grümme 2012, S. 27–33). Eine religiöse Erwachsenenbildung, in der es um religiöse Bildungsprozesse mit erwachsenen Menschen geht, muss sich vor diesem Hintergrund der Frage nach den anthropologischen Voraussetzungen für religiöse Lernprozesse (vgl. Englert 2008, S. 131–189) stellen. Gibt es eine religiöse Ansprechbarkeit des heutigen Menschen? Kann ein sozusagen „religiöses Erregungspotential“ beim Menschen hervorgerufen werden? Dies führt zur Frage nach einer Gottesbegabung des Menschen, die sich wie ein roter Faden durch die weiteren Erörterungen ziehen wird. GLAUBT DER MENSCH AN GOTT? – GLAUBT DER MENSCH AN DEN MENSCHEN? Die im vorherigen Abschnitt angedeutete Korrelation zwischen der Frage nach Gott und der Frage nach dem Menschen soll nun etwas genauer in den Blick genommen werden und wird im Laufe der Abhandlung dann noch entsprechende Konkretisierungen im Kontext der religiösen Erwachsenenbildung erfahren. Die Fragen „Glaubt der Mensch noch an Gott?“ oder „Wie soll der Mensch noch an Gott glauben?“ stehen in einem engen Zusammenhang mit der Frage „Glaubt der Mensch heute noch an den Menschen?“. Die modernen Kontexte der Pluralisierung und der Mehroptionalität setzten den Menschen zur eigenen Selbstbestimmung und Selbstführung seines Lebensmodells frei („Wer bin ich – und wenn ja wie viele?“ – vgl. Precht 2012) und automatisierten die Moral. „Das große Versprechen der Moderne lautet: Jetzt kannst Du endlich ein eigener Mensch werden. Niemand hat Dir vorzuschreiben, wie Du zu leben hast. Finde selbst heraus, was zu Dir passt. Du hast die Wahl. Führe kein Leben aus zweiter Hand. Schreibe Du das Drehbuch Deiner Biographie selbst (…). Sei ein moderner Mensch – ein „homo optionis“ –

Gotteskrise

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Überforderung des Menschen

Der verlorene Mensch

einer der wird, was er wählt, und aus sich macht, was er für sich auswählt.“ (Höhn 2012, S. 126) Aber damit scheint der Mensch heute überfordert zu sein. Er sucht nach Orientierungen und nach Maßstäben, an denen seine Optionen gemessen werden können. Menschen heute verlieren sich leicht im Meer der Optionen oder ziehen sich ins Private, in die eigenen vier Wände zurück. Dort sind sie zwar zuhause, aber nicht daheim; denn durch den Rückzug und die Abschottung erfolgt kein Kontext zur kulturellen und geschichtlichen Einbindung, die für eine „Beheimatung“ (wo komme ich her, wer bin ich, wie darf ich wirklich sein) konstitutiv sind. Dieser Rückzug aus dem öffentlichen, sozialen, politischen Umfeld führt zu einer „sekundären Unmündigkeit“ (Metz 2006, S. 81), zu einem „schwachen Subjekt“ (Grümme 2012, S. 32) und zu einer Selbstprivatisierung. Fragen nach Identität, Orientierung, Heimat und ethischen Leitlinien werden immer drängender. Und ein weiterer Effekt stellt sich ein: Das Misstrauen gegenüber dem Anderen, dem Fremden. Menschen heute scheinen kaum noch an das Gute im Menschen und an das Gute beim anderen Menschen zu glauben. Kann man dem anderen noch trauen? „Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner“, so lauten die heutigen Ratgeber zum glücklichen Leben, und mit Titeln wie „Der Ehrliche ist der Dumme“ wird der heutige Werteverlust beklagt. Der Mensch scheint sich zu verlieren, je mehr er sich aus den Zusammenhängen von Tradition, von Kultur und Gesellschaft löst und sich auf sich allein stellt. „Vertraue nur Dir selbst – die anderen werden Dich enttäuschen“ – mit dieser Haltung verschwindet der Mensch als soziales Wesen. Durch die technischen, insbesondere biotechnischen Entwicklungen werden Menschen zunehmend technische Geschöpfe ihrer selbst. Metz schreibt zynisch-provozierend: „Es gibt keine Subjekte, nur selbstreferentielle Systeme.“ (Metz 2006, S. 83) Auch die zunehmende Digitalisierung führt zu einem Verlust der Wirklichkeitserfahrung, der Realitätswahrnehmung und dem Verlust selbstgedeuteter Geschichte durch die mediale Informationsflut. „Dieser schleichende, sanfte Tod des Menschen wird umso erfolgreicher vonstatten gehen, je mehr wir ihn nicht als Bedrohung und Unterdrückung erleben, sondern als – Entlastung.“ (ebd., S. 80) Der Verlust des Glaubens an den Menschen geht einher mit dem Verlust des Glaubens an Gott. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sagte auf einer Tagung mit dem symptomatischen Titel „Wohin ist Gott?“: „Es scheint eine geradezu in sich runde Säkularität zu geben, angesichts der es nicht gelingt, so etwas wie einen ,Mehrwert des Glaubens‘ einfach und plausibel zu machen. Nicht zu glauben, scheint für viele tatsächlich „normal sein zu können.“ (Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 2012, S. 28) RELIGIONSPÄDAGOGISCHE ANTHROPOLOGIE. Die heutige religiöse Erwachsenenbildung muss daher zunächst an der Frage nach dem Menschen ansetzen, bevor sie sich der Gottesfrage oder den religiösen Inhalten von Bildungsprozessen mit Erwachsenen zuwendet. Diese Fokussierung nehmen moderne Konzepte einer religionspädagogischen Anthropologie vor (vgl. Grümme 2012; Boschki 2011, S. 41–48; Englert 2008). Zum einen fragt die religionspädagogische Anthropologie nach den anthropologischen Voraussetzungen

Neukonzeption der Erwachsenenbildung

religionspädagogischen Bemühens wie bei religiösen Lern- und Bildungsprozessen mit Erwachsenen. Zum anderen wird dieses nie ohne Bezug zur Gottesfrage erfolgen. Menschenbild und Gottesbild stehen im Kontext religiöser Erwachsenenbildung immer in einem engen, korrelativen Zusammenhang. Sie bedingen sich gegenseitig. Gottesbildlichkeit steht in einer engen Verzahnung mit der Reflexion über die Menschenbildlichkeit. Die religionspädagogische Anthropologie setzt zunächst bei der Frage nach dem Menschbild an. Es handelt sich hierbei um eine religionspädagogische Anthropologie und nicht um eine anthropologische Religionspädagogik. „Denn spätestens nach der anthropologischen Wende der Theologie (…)“ kann religiöse Erwachsenenbildung als religionspädagogisches Handlungsfeld „verantwortbar nur noch im Ausgang vom oder wenigstens unter integraler Berücksichtigung des Menschen und seiner Erfahrungen“ (Grümme 2012, S. 20) betrieben werden. Eine religionspädagogische Anthropologie als Grundlage einer heutigen religiösen Erwachsenenbildung „untersucht die Wirkungen und Zielhorizonte der Anthropologie für religiöse Bildungsprozesse und religiöses Lernen“ (ebd.). Es ist die Frage nach der religiösen Bildsamkeit des Menschen als anthropologisches Grundmerkmal. RELIGIöSE ANLAGE UND RELIGIONSFÄHIGKEIT DES MENSCHEN. Ist der Mensch immer schon religiös, sozusagen von Geburt an? Ist der Mensch von Natur aus religiös? Trägt der Mensch in sich eine religiöse Anlage und verfügt daher über eine natürlich angelegte Gottesfähigkeit? Ist der Mensch neben seiner Vernunftbegabung (homo sapiens) und Gestaltungsfähigkeit (homo faber) auch ein religionsfähiger Mensch (homo religiosus) (vgl. Englert 2008, S. 138) und damit religiös ansprechbar? Diese Fragen sind im Kontext einer religiösen Bildungsarbeit mit Erwachsenen entscheidend. Sie sind aber keine modernen Fragen, sondern begleiteten immer wieder theologische Reflexionen über Gottes Offenbarung, Gottes Vorstellung und Gottes Erkenntnis der vergangenen zweitausend Jahre Christentum (vgl. zum Folgenden Englert 2008; Grümme 2012). Der Kirchenvater Tertullian (160–220) war der erste Vertreter, von dem ein schriftliches Zeugnis über eine religiöse Veranlagung des Menschen vorliegt. In der Seele (anima) des Menschen berühren sich Gott und Mensch. Der Mensch verfügt über die „anima naturalita christiana“ – die von Natur aus christliche Seele, die zur Wohnung Gottes im Menschen wird (Tertullian, Apologeticum, 17,6). Auch Augustinus (354– 430) sieht im Menschen eine natürliche Sehnsucht nach Gott. „Denn zu Dir hast Du (Gott) uns geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir.“ (Confessiones I,1) Jeder Mensch ist demnach von Natur aus auf Gott hin angelegt, und diese Hinwendung zu Gott gehört zur Wesensnatur des Menschen. Für den Mystiker Meister Eckhart (1260–1328) bildet sich Gott in die Seele des Menschen ein, die zuvor entleert werden muss, damit Gott dort den Platz einnehmen kann. Dieser Prozess der „Einbildung Gottes in die menschliche Seele“ wird zum Ursprungsbild des deutschen Bildungsbegriffs. Für den evangelischen Theologen und Pädagogen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834) wird der Mensch „mit der religiösen Anlage

Menschenbild – Gottesbild

Mensch – ein homo religiosus?

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

geboren wie mit jeder anderen. Religion bildet eine anthropologische Grundkonstante.“ (Wendel 2010, S. 41) Aus diesen Prämissen hat sich die Vorstellung einer natürlichen Religion entwickelt, wie sie von Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) vertreten wird. Die Natur schreibt die Religionsfähigkeit in das Herz des Menschen. Für die religiöse Entwicklung bedeutet dies, aufmerksam zu werden, was die Natur eingibt. Aus den hier angeführten Vertretern einer religiösen Anlage des Menschen würde für religiöse Bildungsprozesse als konsequent gelten, nicht von einem Nullpunkt religiöser Entwicklung auszugehen, sondern lediglich dafür zu sorgen, dass diese natürlich angelegte Veranlagung sich entwickeln kann. Allerdings muss in der Frage nach einer religiösen Veranlagung des Menschen ein Unterschied von Religion und Religiosität vorgenommen werden (vgl. Grümme 2012, S. 453). Auch wenn Religion anthropologische Fundamente hat, ist zu klären, ob Religiosität als die subjektive religiöse Dimension des Menschen eine anthropologische Größe ist, ohne z. B. den Vollzug menschlicher Freiheit ebenfalls als anthropologische Größe einzuschränken. Eine schlichte Ableitung von einem Wesensbegriff des Menschen oder aus einem Naturbegriff, wie es bei den hier vorgestellten Konzepten erfolgte, ist heutzutage nicht mehr in dieser Weise haltbar. „Religiosität ist eine wesentliche anthropologische Größe. Sie ist aber keine natürliche, von Geburt her je schon und ungefragt vorhandene Wirklichkeit, keine anthropologische Konstante, kein Organ für Übermenschliches oder Transzendentes. Sie ist ein ,grundmenschliches Potential‘, ist eine anthropologische ,Anlage‘, gehört als die Fähigkeit zur religiösen Selbst- und Weltdeutung in gesellschaftlichen und theologischen Kontexten und im Rahmen bestimmter kultureller Semantiken und Zeichensystemen zur ,Grundausstattung des Menschen‘.“ (ebd., S. 471 f.)

Potentialität zur Gottesbeziehung

THEOLOGISCHE ANTHROPOLOGIE UND GOTTESBEGABUNG. Für die Frage nach der religiösen Ansprechbarkeit muss der Aspekt der Religiosität stärker in den Blick genommen werden. Die theologische Anthropologie sieht mit Karl Rahner den Menschen in seiner Verwiesenheit auf Gott, der sich dem Menschen offenbart und mitteilt. Durch die Selbstmitteilung Gottes an den Menschen, die göttliche Gegenwart im Menschen, die als freies und dialogisches Angebot angenommen oder abgelehnt werden kann, ereignet sich die Gegenwart Gottes beim Menschen (Rahner 1976). Gott ist dem Menschen „unerreichbar nahe“ (Strasser 2010, S. 202). Der Mensch ist aufgrund dieser Zuwendung Gottes ein Wesen der Gottfähigkeit, der Potentialität, mit Gott Kontakt aufzunehmen. Das biblische Menschenbild sieht den Menschen auf Gott hin, auf seinen Zuspruch hin geschaffen, er ist eingeladen, in den von Gott eröffneten Liebesdialog einzutreten, aber unter Wahrung der Autonomie und verantworteten Freiheit des Menschen vor Gott. Somit ist jeder Mensch aufgrund seiner in ihr oder ihm angelegten Gottesbegabung und Gotteskompetenz in der Lage, sich auf den Ruf Gottes einzulassen. Der Mensch kann seine Kompetenz nutzen, er muss sie aber nicht. Die Fähigkeit zur Gottesbeziehung ist aus religionspädagogischer Sicht jedem und jeder in Freiheit gegeben. Eine solche kompetenzorientierte Perspektive hat den Vorteil, dass man den Menschen nicht grundsätzlich als reli-

Neukonzeption der Erwachsenenbildung

giös vereinnahmen und nicht alle Menschen als ,anonym religiös‘ definieren muss. Die Rede von der Gottesbegabung wahrt die Freiheit des Menschen, die Begabung anzunehmen, zu fördern und zu pflegen oder eben nicht. GOTTES ERKENNTNIS UND GOTTES KOMPETENZ. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962–65) hat in seiner Offenbarungskonstitution Dei Verbum ein tiefes Offenbarungsverständnis im Sinne einer geschichtlichen Selbstmitteilung Gottes entwickelt. „In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14–15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen.“ (DV 2) Diese geschichtlich-personale Offenbarung ereignet sich in der Tiefe der geistigen Person, die als „innere geistige Einmaligkeit des Menschen“ verstanden wird. „Gott teilt sich ihr in seiner eigensten Wirklichkeit von geistiger Erhelltheit mit und gibt dem Menschen als Transzendenz die Möglichkeit, diese personale Selbstmitteilung und Selbsterschließung entgegenzunehmen und zu hören und in Glaube, Hoffnung und Liebe (so) anzunehmen.“ (DV 2) Der Mensch wird zum „Hörer des Wortes“ (Karl Rahner) und tritt in einen Dialog ein. So sagt das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes: „Ein besonderer Grund für die menschliche Würde liegt in der Berufung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott. Zum Dialog mit Gott wird der Mensch schon von seinem Ursprung her eingeladen.“ (GS 19,1) In der Geschichte Jesu Christi hat Gott gesprochen. In dieser Selbstmitteilung Gottes im Menschen liegt im Sinne der theologischen Anthropologie die Anlage einer Gottesbegabung, einer Gotteskompetenz des Menschen. Damit ist der Mensch von seinem Grund her ein religiöses Wesen, er besitzt eine Gottfähigkeit und verfügt über eine Gotteskompetenz. Mit Hilfe dieser menschlichen Gotteskompetenz oder besser aufgrund dieser Gotteskompetenz ist eine Gotteserkenntnis möglich. Bereits das Erste Vatikanische Konzil (1869–70) hatte zur Erkennbarkeit Gottes formuliert: „Gott aller Dinge Grund und Ziel, kann mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen mit Gewissheit erkannt werden.“ (DS 3004, Nr. 27) Damit wird der Gedanke einer natürlichen Gotteserkenntnis ausgesprochen. Die „Gottfähigkeit“ des Menschen ermöglicht ihm die natürliche Erkennbarkeit Gottes durch die Vernunft. „Der Mensch besitzt diese Fähigkeit, weil er nach dem Bilde Gottes (Gen 1,26) erschaffen ist.“ (DV 2). Die Kompetenz der Gotteserkenntnis ist dem Menschen also zu eigen. Somit geht der Weg zur Gotteserkenntnis vom Menschen aus, von seinen Kontexten, von seiner Persönlichkeit, von seiner Beziehungsfähigkeit, von seinem Menschenbild. Hier liegt der Anknüpfungspunkt, die didaktische Verortung religiöser Erwachsenenbildung. Im Sinne einer „Theologia negativa“ muss jedoch an dieser Stelle auch auf die Grenze der Gotteserkenntnis hingewiesen werden. Meister Eckhart verdeutlicht dies mit dem Satz: „Ich kann von Gott eher aussagen was er nicht ist, als was er ist.“ Es besteht die Gefahr, über Gott zu sprechen und Gott damit begrifflich zu fixieren. „Ein derartiges ,Bescheid wissen‘ über Gott weckt die Vermutung, dass es sich hierbei um ein blutleeres Gedankenkonstrukt, um theologische Phantastereien, um kirchenamtlich fixierte Ideologie handelt.“ (Scholl 2000, S. 40)

Offenbarung als Liebe

natürliche Gotteserkenntnis

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Diese theologischen und theologisch-anthropologischen Grundsatzreflexionen können nun für die religiöse Erwachsenenbildung fruchtbar gemacht werden. Diese muss sich zusammen mit ihrem Menschen- und Gottesbild vor dem Hintergrund der aktuellen Zeit und der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse immer wieder neu „kontextualisieren“.

RELIGIÖSE ERWACHSENENBILDUNG ALS „RE-KONTEXTUALISIERUNG“

Glaube als Option

verschiedene Kontexte – das eine Evangelium

RELIGION IM KONTEXT. Nicht nur die allgemeine Bildung des Menschen, auch die religiöse Bildung und religiöse Entwicklung dauern ein Leben lang an. Menschen haben die Fähigkeit, sich religiös zu orientieren und zu positionieren. Glaube ist auch in der säkularen, pluralen und technisierten Gesellschaft stets eine „Option“ (Joas 2012). Die Frage, wie sich die konkrete Person religiös entscheidet, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: individuell-biografische, familiäre, soziale und milieuorientierte, nicht zuletzt ökonomische und politische Verhältnisse wirken bestimmend auf die Entwicklung, auch die religiöse, ein. Dabei ist der Kontext entscheidend. Individuelle Religiosität ist ebenso wie offizielle Religion kontextabhängig und kontextgebunden. Dies gilt für alle Religionen. Für das Christentum, das in diesem Buch zur religiösen Erwachsenenbildung im Zentrum steht, sei die Kontextualität im Folgenden etwas genauer erläutert (im Folgenden nach Boeve 2012, 2007, 2003). Der christliche Gottesglaube, sein Menschen- und Gottesbild kann gar nicht anders als kontextuell verstanden werden. Der Mittelpunkt des christlichen Glaubens, der Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, erfolgte nicht über- oder transgeschichtlich, sondern in einem bestimmten historischen Kontext: Jesus war Jude, seine Mutter war Jüdin, Jesu Gottesverhältnis, sein Traditionsverständnis, die Grundbegriffe seiner Botschaft („Reich Gottes“, „Erlösung“, „Messias“, Gott als „Vater“ etc.) sind jüdisch, also von dem religiösen Kontext seiner Zeit und Herkunft geprägt. Auch die ersten Jünger Jesu waren Juden, lebten im Kontext der Synagoge und glaubten an den Gott der Tora und der weiteren heiligen Schriften des biblischen Israel, der geschichtlichen, weisheitlichen und prophetischen Überlieferung. Die Gebete, die sie gesprochen haben – insbesondere die Psalmen – waren jüdische Gebete. Jesus trat zu einer bestimmten historischen Zeit auf, als das Land Palästina, in dem ein Teil des damaligen Judentums lebte, vom römischen Reich mit eiserner Hand besetzt war und beherrscht wurde. Die Römer diktierten die politischen und juristischen Spielregeln, auch was die öffentliche Religionsausübung betraf. Deshalb kam Jesus mit seiner Botschaft und seiner Anhängerschaft unter die Räder einer machtpolitisch höchst prekären Konstellation. Sein Tod am Kreuz war, äußerlich betrachtet, die Konsequenz von ganz bestimmten sozio-historischen und politischen Bedingungen. In genau diese Situation hinein hat sich also das Christentum zum ersten Mal kontextualisiert. Die Koordinaten der antiken jüdischen, römisch-griechischen Geistes- und Lebenswelt sind die Verstehensvoraussetzungen der ersten Christen. Sie sind „Kinder ihrer Zeit“, so wie alle religiösen Lebensäußerungen in allen Weltreligionen zeit- und umweltbedingt sind. Kontextualisierung einer Religion bedeutet Inkulturation, heimisch wer-

Neukonzeption der Erwachsenenbildung

den in einer bestimmten kulturellen und sozialen Umwelt. Die Kultur einer jeweiligen Zeit wird zum Ackerboden der religiösen Betätigung und Lebensweise (vgl. lat. cultura: Ackerbau, Landwirtschaft, Kultivierung). Die theologische Leistung der „Kirchenväter“ (2.–4. Jahrhundert n. Chr.) war es, die christliche Botschaft auf dem Hintergrund des altorientalischen Kontextes und für die damalige Situation, je verschieden nach Region (Palästina, Syrien, Ägypten, West-Nordafrika, Griechenland, Rom) – wörtlich – „durchzubuchstabieren“, das heißt auf dem Hintergrund der jeweiligen geistigen und kulturellen Situation zu lesen, zu verstehen und zu verschriftlichen. Die grundlegenden Texte der Christenheit sind in jener Zeit entstanden (Kanon der biblischen Schriften, Glaubensbekenntnis, theologische Kommentare). Einige Jahrhunderte später musste sich die christliche Religion nahezu völlig neu erfinden. Das römische Reich war untergegangen, das Judentum aufgrund der Zerstörung des Zweiten Tempels durch die Römer (70 n. Chr.) in alle Winde zerstreut und auf kleine, dezentrale Einheiten reduziert. Die Antike war zu Ende und es dämmerte in Europa die Epoche des christlichen Mittelalters (ab ca. 7. Jahrhundert n. Chr.). Ein für die christliche Religion neues Phänomen sollte fortan für die Tradierung des Evangeliums bestimmend werden: das abendländische Mönchtum. Das klösterliche Leben der europäischen Jünger Jesu Christi hatte äußerlich relativ wenig zu tun mit der Fischerromantik der ersten Jesusnachfolger vom See Genezareth. Die Ordensregel des Hl. Benedikt von Nursia (560 n. Chr.) ist lediglich ein Spiegel des Evangeliums, ein neues Gefäß, ein Kommentar, eine Relecture und Interpretation für die neue Zeit – nicht das Evangelium selbst. Denn der christliche Glaube musste sich aufgrund der neuen geo-politischen Lage und im Zuge der Europäisierung neu kontextualisieren, also „re-kontextualisieren“. Dieser Vorgang der Re-Kontextualisierung sollte und musste für die weitere Geschichte des Christentums bestimmend bleiben – bis heute. Re-Kontextualisierung bedeutet eine grundlegende Erneuerung, insbesondere der äußeren Gestalt. Sie bedeutet jedoch nicht den Verlust des Eigentlichen und die Erfindung eines völlig anderen Glaubens. Im Gegenteil! Durch die Re-Kontextualisierung des Christentums z. B. im europäischen Mönchtum (sowie in den weiteren sozialen und politischen Strukturen der damaligen Zeit) konnte das Wesentliche des christlichen Glaubens gerade bewahrt werden. Re-Kontextualisierung heißt Neuwerdung bei gleichzeitiger Bewahrung des Ursprünglichen. Wieder einige Jahrhunderte später änderten sich die ökonomischen und politisch-sozialen Bedingungen aufs Neue. Die großen europäischen Städte entstanden (Florenz, Bologna, Paris, Köln usw.), das Handwerk blühte auf, Universitäten wurden gegründet. Geistesgeschichtlich spricht man jetzt von dem Zeitalter der Scholastik (ca. 12. Jahrhundert n. Chr.). Wiederum musste sich das Christentum neu kontextualisieren, wobei zu beachten ist, dass die christliche Religion die jeweiligen Bedingungen mitprägt, das Christentum also gleichzeitig Motor und Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung ist. Die weitere europäische, zunehmend aber auch die russische, süd- und nordamerikanische, später afrikanische und asiatische christlich-religiöse Geschichte steht im Zeichen immer wieder neu erforderlicher Re-Kontextualisierungen des Christentums, in Europa beispielsweise zur Zeit der Renais-

ständige Neuinterpretation

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Bildung als Re-Kontextualisierung

Gott unterbricht Geschichte

sance und des Humanismus. Auch die Reformation (ab dem 15. Jahrhundert n. Chr.) kann als großartige Unternehmung gedeutet werden, das Christentum zu re-kontextualisieren: Wiederentdeckung des Wesenskerns des Glaubens, der Beziehung zu Jesus Christus, der Treue zur Heiligen Schrift bei gleichzeitiger grundlegender Erneuerung. Im Blick auf die östlich-orthodoxen Traditionen, die Kirchen der Reformation sowie die zahlreichen nordamerikanischen christlichen Denominationen wird deutlich, dass sich nicht „das“ Christentum als Einheitsreligion in seiner Gesamtheit jeweils kontextualisiert, sondern dass die verschiedenen Konfessionen selbst Teilaspekte der Re-Kontextualisierungsprozesse darstellen, die regional sehr unterschiedlich ablaufen. Europäische Aufklärung, Industrialisierung, Modernisierung – wieder hat der Glaube die Aufgabe, seine Gestalt zu verändern, sich aber selbst treu zu bleiben. Der springende Punkt dieser Ausführungen, im Blick auf die Thematik dieses Buches, der religiösen Erwachsenenbildung, ist nun, dass religiöse Bildung heute im Allgemeinen, aber insbesondere auch die religiöse Bildung Erwachsener, die Aufgabe der Re-Kontextualisierung angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung hat. Post- bzw. Nachmoderne, flüchtige Moderne, Pluralismus, Individualisierung, Technisierung, Medialisierung der Lebenswelt etc. sind Stichworte, die die dramatische Transformation der Gesellschaft sozialwissenschaftlich beschreiben (s. oben Teil 1). Religiöse Erwachsenenbildung heute ist Teil der Re-Kontextualisierung des Christlichen in der gegenwärtigen Welt. Diese Grundthese wird die weiteren Ausführungen wie ein roter Faden durchziehen. Re-Kontextualisierung bildet die Basisthese für ein modernes bzw. nachmodernes Verständnis von Aufgabe, Funktion und Gestalt der religiösen Erwachsenenbildung. THEOLOGISCHE BEGRÜNDUNG DER RE-KONTEXTUALISIERUNG. Der Prozess der ReKontextualisierung könnte rein soziologisch bzw. religionssoziologisch verstanden und beschrieben werden. Jede Religion kontextualisiert sich in der jeweiligen Gesellschaft und muss sich im Wandel der Geschichte jeweils neu kontextualisieren. Im Blick auf das Christentum jedoch steht dahinter ein tiefer theologischer Grundgedanke. Aufgrund der Inkarnation, der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, ist es Gott selbst, der die Kontextualisierung des Glaubens will und vollzieht (Boeve 2007: „God interrupts history“). Gott hat sich in Jesus Christus nicht zufällig, sondern aufgrund seiner freien und souveränen Entscheidung in einem bestimmten Kontext der menschlichen Geschichte sichtbar gemacht und sein Wort zur Sprache gebracht. Es sind der Kontext der Tora und ihre israelitische bzw. jüdische Wirkungsgeschichte, die für das Christentum als „Anfänge ihres Glaubens und ihrer Erwählung“ (Nostra Aetate 4) gelten. Gottes Wort hat sich in der religiös-kulturellen Welt des biblischen Israel bzw. des Judentums kontextualisiert, weil es Gott so wollte. Theologisch gesehen ist auch die weitere Geschichte der Kontextualisierung und Re-Kontextualisierung des Judentums und des Christentums Gottes Wille und Werk. Die Kirche lebt aus dem Vertrauen, dass Gott sie auf ihrer „Pilgerschaft durch die Zeit“ (Lumen Gentium 6) begleitet und führt.

Neukonzeption der Erwachsenenbildung

Re-Kontextualisierung des christlichen Glaubens in die jeweilige Situation bedeutet auch eine grundlegende theologische Erneuerung. Das biblische Grundwort „Umkehr“ (neutestamentlich: metanoia; s. Mk 1,15), das eine aktive, nicht von außen gesteuerte, sondern selbst gewollte und selbst bewirkte Neuwerdung anzielt, kann Leitperspektive einer solchen Erneuerung werden. Das Motto ist demnach: Nicht die äußeren Umstände erfordern gezwungenermaßen eine Anpassung, sondern das Christentum will sich selbst immer wieder neu auf die Ursprünge, auf Gottes Wort, auf die Gottesbeziehung, von der das Alte und Neue Testament Zeugnis geben, besinnen. Die Aufgabe der „ecclesia semper reformanda“, der immer sich erneuernden Kirche (vgl. Lumen Gentium 4: „Durch die Kraft des Evangeliums lässt er [der Heilige Geist] die Kirche allezeit sich verjüngen, erneuert sie immerfort…“; Lumen Gentium 9: Auf ihrem Weg wird die Kirche „unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht aufhören, sich selbst zu erneuern.“), muss im Sinne der Re-Kontextualisierung gedeutet und realisiert werden. Auch die gegenwärtige Situation ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Sie entspricht der „Unterbrechung“, wobei, theologisch gesehen, Gott selbst der ist, der unterbricht (Boeve 2007). Die Tradition des christlichen Glaubens erfährt in Zeiten der Pluralisierung, der Flüchtigkeit und der sich ausbreitenden Säkularisierung der menschlichen Lebenswelt einen tiefgreifenden Einschnitt (s. oben 1.4). Dieser Einschnitt wird von uns jedoch nicht kulturpessimistisch als Abbruch, als Verlust oder Niedergang gedeutet, sondern optimistisch und hoffnungsorientiert als „Unterbrechung“ (s. unten 3.2). Die Unterbrechung bewirkt eine radikale Zäsur, doch hört das religiöse Leben danach nicht auf (wie beim Abbruch oder Verfall), sondern wird – so die Hoffnung – angesichts der Zeitumstände eine grundlegende Erneuerung und damit eine neue Vitalität erfahren, was wir als „Re-Kontextualisierung“ bezeichnen. Zusammenfassend können folgende Kennzeichen der Re-Kontextualisierung aufgezeigt werden. Kennzeichen der Re-Kontextualisierung * TRANSFORMATION. Christliche Religion und mit ihr christlich-religiöse Bildung durchlaufen derzeit eine radikale Veränderung. Enttraditionalisierung, Auflösung der konfessionell geprägten Milieus, Entkirchlichung, Angst vor kirchlicher Bindung und Vereinnahmung, Rückgang des Glaubenswissens, religiöse Sprachlosigkeit etc. sind kennzeichnende Stichworte. Die Religion verschwindet nicht, wie die religionssoziologische Säkularisierungsthese behauptete, sondern sie formt sich fundamental um. Statt von Säkularisierung ist es angemessener, von Transformation des Religiösen zu sprechen. * KONTINUITÄT IN DISKONTINUITÄT. Wie bei den früheren Prozessen der Re-Kontextualisierung in der Geschichte der christlichen Religion ist auch in der heutigen Situation die große Herausforderung, das Wesentliche des Christentums zu bewahren – trotz des gigantischen Umbruchs, der sich vollzieht. Bei aller Transformation und Unterbrechung der Tradition muss die Kontinuität zum Ursprung und zur gelebten Überlieferung gewahrt bleiben – ein schwieriger, aber nicht unmöglicher Spagat.

theologische Erneuerung

positive Deutung der Zäsur

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ENTSCHEIDUNGSRELIGION. Persönliche Religiosität wird – im krassen Gegensatz zu früheren Jahrhunderten – in der Situation der Pluralität und Heterogenität eine Frage der eigenen Entscheidung sein. Nicht die familiäre Herkunft oder eine selbstverständliche Sozialisation in einer bestimmten religiösen Tradition werden die Religiosität des und der Einzelnen in Zukunft bestimmen, sondern die persönliche Entscheidung. Dafür benötigt das Individuum mehr und mehr Entscheidungskompetenz – in jungen Jahren ebenso wie im Erwachsenenalter. * LEBEN UND GLAUBEN IN DER FLÜCHTIGEN MODERNE. In der heutigen Konsumund Medienwelt ist, wie oben gesehen, nichts mehr auf Dauer angelegt, sondern auf gezielte Kurzfristigkeit, reine Schnelllebigkeit und rasche Ersetzbarkeit. Nicht nur Warenartikel, selbst menschliche Beziehungen, ja die ganze Lebensweise der Menschen heute werden „flüchtig“. Letztlich betrifft dies auch den Glauben und die Religiosität. Der Ansatz der Re-Kontextualisierung trägt diesen gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung, indem er sich den Prozessen der flüchtigen Moderne stellt und sie als Verstehensvoraussetzung des Glaubens heute begreift. * FRAGMENTIERTE RELIGIÖSE IDENTITÄT. Die Veränderung der Gesellschaft verursacht eine dramatische Veränderung der individuellen Identitätskonstruktionen, auch der religiösen. Nicht mehr stabile, auf Dauer angelegte religiöse Identitäten sind zu erwarten, sondern auf kurze Zeitschritte beschränkte, fragmentierte religiöse „Patchwork-Identitäten“, die Identitätspole und Referenzpunkte auf ganz neue Weise finden müssen. * BEGEGNUNG MIT DEM FREMDEN. Eine wesentliche Ursache für eine völlig veränderte Kontextualität stellt die Pluralität und Heterogenität der gegenwärtigen Gesellschaften dar. Die Gegenwart des Anderen, des Fremden, unterbricht die eigene, selbstbezogene Identität, verunsichert sie, zeigt ihre Grenzen und Bedingtheiten auf. Der Andere stellt das Eigene in Frage, auch und gerade in religiöser Hinsicht. In Europa ist die Multikulturalität und Multireligiosität zum Normalfall geworden, weshalb die Begegnung mit anderen Religionen (insbesondere dem Islam) völlig neue Herausforderungen mit sich bringt. * DIALOGISCHE RELIGIÖSE IDENTITÄT. Religiöse Gemeinschaften können ihre Identität nicht mehr selbstbezogen, allein auf sich konzentriert bilden und finden. Die immense Aufgabe der Re-Kontextualisierung des Christentums besteht in erster Linie darin, den christlichen Glauben als „open narrative“, als „offenes christliches Narrativ“ (Boeve 2012, 2007) zu reformulieren, das heißt als offene, dialogisch verantwortete Gotteserzählung. Von Gott reden können wir nicht mehr länger allein, in Bezug auf uns selbst, also ausschließlich auf die interne christliche Tradition, sondern fortan nur relational, in Bezug auf Menschen anderen Glaubens, anderer religiöser und kultureller Herkunft, anderer Weltanschauung – im partnerschaftlichen, offenen Gespräch auf gleicher Augenhöhe. Hier kann das Christentum seine innere und äußere Stärke zeigen, nämlich in seiner Fähigkeit, den christlichen Glauben im Dialog der Religionen und Kulturen zu re-kontextualisieren. *

Mit dem Stichwort der „Re-Kontextualisierung“ sind die Felder religiöser Erwachsenenbildung für unsere Zeit abgesteckt, was zu dem bereits erwähnten, weiteren theologischen Zentralbegriff führt, der für religiöse Erwachsenenbildung höchst relevant ist: dem der Unterbrechung.

Religiöse Erwachsenenbildung als „Unterbrechung“

3.2 Religiöse Erwachsenenbildung als „Unterbrechung“ Das Verhältnis von Religion und Bildung ist „ein Verhältnis in Kontakt und Distanz“ (Bitter 2011; s. auch: Frost/Krone 2013; Schröder 2012; Bitter/Blasberg-Kuhnke 2011; Altmeyer 2011b). Denn einerseits ist Religion ein Teil der allgemeinen Bildung des Menschen, die ihm Welt- und Sinnerschließungskompetenz vermitteln kann. Andererseits gibt es auch Bildung, die ganz ohne Religion auszukommen scheint. Für religiöse Erwachsenenbildung gilt, dass sich beide Größen – Religion und Bildung – wechselseitig ergänzen, erweitern, bereichern, aber auch kritisieren. Religion passt nicht harmlos in jedes Bildungskonzept, insbesondere dann nicht, wenn der Bildungsbegriff verkürzt wird, z. B. auf ökonomischen Zweckrationalismus. Aber auch Bildung ist nicht jedem religiösen Phänomen inhärent, da sich Religion und Glauben nicht einfach bildungstheoretisch „verrechnen“ lassen. Zur näheren Bestimmung des Zueinanders von Religion und Bildung scheinen uns für die Erwachsenenbildung zwei Kategorien besonders hilfreich: die der Zeitsensibilität und die der Unterbrechung.

Bildung und Religion

„ZEIT“ – EIN ZENTRALER FAKTOR RELIGIÖSER (ERWACHSENEN-)BILDUNG Aus den vorgängigen Abschnitten wird deutlich, dass religiöse Lern- und Bildungsprozesse im Allgemeinen ebenso wie im Speziellen in der religiösen Erwachsenenbildung immer nur kontextgebunden und am Menschen orientiert sein können. Gottesglaube, das Reden von und zu Gott, persönliche Religiosität können, wie gesehen, nicht anders als kontextuell und zeitgebunden verstanden werden. Mit den konzeptionellen Grundstichworten „Re-Kontextualisierung“ und dem in diesem Abschnitt im Mittelpunkt stehenden Terminus „Unterbrechung“ folgen wir einem zeitdiagnostischen Ansatz für die religiöse Erwachsenenbildung (vgl. grundlegend: Wolff 2005). Voraussetzung für Bildung ist immer eine grundlegende Diagnose der Zeit (s. Teil 1). Zeit scheint das aller-Selbstverständlichste auf der Welt zu sein – und gleichzeitig ist es das Fraglichste. Diese Ambivalenz von Zeit charakterisiert den menschlichen Umgang mit ihr. Zeit hat man – und hat sie nicht. Zeit ist geschenkt – und Zeit geht verloren. Gerade deshalb gibt Zeit zu denken. Das Nach-Denken über die Zeit ist so alt wie die abendländische Geschichte des Denkens selbst – von den Vorsokratikern bis zu den großen Zeit-Denkern des 20. Jahrhunderts. Doch Zeit-Reflexion ist selbst wieder zeit-gebunden, geschichtlich verortet im Kontext des jeweiligen denkenden Subjekts. Wenn wir uns heute über Zeit Gedanken machen, erfolgt dies unter anderen historischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen als zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder in anderen früheren Epochen. In religionspädagogischer Hinsicht ist interessant und höchst relevant, dass „Zeit“ nicht nur ein Gegenstand theologischer und philosophischer Reflexion darstellt, sondern auch dem einzelnen Subjekt als existentielle Fragestellung anheimgestellt ist. Eine subjektorientierte Religionspädagogik, wie sie hier vertreten wird, nimmt dieses Zeitdenken, Zeitempfinden, Zeitbewusstsein, die Entwicklung des Zeitverständnisses der Menschen ebenso wahr und ernst wie das Zeitdenken der Wissenschaft. Die Fragen nach der Zeit sind nicht nur „große Fragen“ von Kindern

Zeitdiagnose

Zeit und Identität

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Zeit und Bildung gehören zusammen

Bildung unter Zeitdruck

(Oberthür 2000), sondern auch von Jugendlichen und Erwachsenen. Interessant und wichtig ist, dass die Frage nach der Zeit eng gekoppelt ist mit der Frage nach der eigenen Identität. Die Zeit und die eigene zeitgebundene Identität sind dem Menschen frag-würdig, denk-würdig – das wissen wir durch empirische Studien und durch religionspädagogisch-anthropologische Forschung. Das Plädoyer für die „Zeit“ als ein religionspädagogisches „Schlüsselthema“ geht bereits auf die 1990er Jahre zurück (Schweitzer 1995), indes wurde es kaum von anderen aufgegriffen (Ausnahme: Haep 2007; Hinz 2003). Doch in den vergangenen zwanzig bis dreißig Jahren hat sich etwas Entscheidendes geändert, wie in der soziologischen Analyse der Gegenwart oben beschrieben wurde (1.2). Etwas Neues, Unvorhergesehenes sucht die Menschen von heute heim, nämlich die Beschleunigung und Flüchtigkeit der Zeit sowie das Auseinanderfallen von Zeit und Raum. Offensichtlich ist nun die Zeit reif bzw. die Zeit fraglich geworden, weshalb sich die allgemeine Bildungswissenschaft derzeit verstärkt um die Klärung der Bezugsgröße Zeit bemüht. Weil die Bedingungen der Zeit sich gesellschaftlich grundlegend verändert haben bzw. momentan verändern, ist „Zeit“ neu Gegenstand auch bildungstheoretischer Reflexion. So beklagen die Bildungswissenschaftler Andreas Dörpinghaus und Ina Katharina Uphoff die „Abschaffung der Zeit“ in der gegenwärtigen Bildungslandschaft (Dörpinghaus/Uphoff 2012). Sie meinen damit, dass der selbstverständliche Zusammenhang von Zeit und Bildung heute mehr denn je verloren geht. Ihre Grundthese ist: „Bildung und Zeit gehören zusammen. Bildung ist eine Zeitgestalt und ohne Zeit nicht zu haben.“ (ebd., S. 113) Bildung wird hier nicht verkürzt als Ausbildung oder employability (Beschäftigungsfähigkeit) verstanden, sondern als umfassende Persönlichkeits-Bildung im Sinne Wilhelm von Humboldts, zu der kognitive Anteile (kulturelles Wissen) ebenso gehören wie Bedeutungswissen, Zusammenhangsverständnis, Kontextverstehen (s. oben Teil 2). Zeit bedeutet in diesem Sinne nicht durchgetaktete, strikt reglementierte und stets zu knapp bemessene Unterrichtszeit, die seit der Entstehung der abendländischen Bildungsinstitution Schule das Leben von Lehrenden und Lernenden regiert, sondern wird hier als Bildungszeit verstanden, als Zeit der Verzögerung, des Wartenkönnens und der Erwartung. Gegenüber dem gesellschaftlichen Trend der immer stärker normierten Taktung von Alltagszeit, also der immer geringer werdenden Zeitdispositive, der immer kleineren Zeitfenster und immer ausgedehnteren Verwertung der Lebenszeit der Menschen wird Bildung immer mehr ihrer Zeit beraubt. „Stattdessen dominiert ein radikaler Zeitdruck, der durch den Entzug, das heißt durch die Abschaffung der Zeit entsteht.“ (ebd., S. 214) Bildung aber braucht Zeit. „Bildung ist Ereignis in der Zeit und zugleich charaktergebende Konstrukteurin bzw. Gestalterin von Zeit.“ (Schmidt-Lauff 2012, S. 11) Und weiter: „Der Bildungsbegriff ist unauflöslich mit dem Begriff der Zeit verbunden. Er fasst das Verhältnis des Menschen bzw. Ich und der Welt als verknüpfende Aneignung im zeitlichen Zueinander. Die subjektive Aneignung von Welt ist immer uno acto (zeitgleich) ein Prozess der Selbstbildung, Identitätsentwicklung, Mitbestimmung und Solidarität (Wolfgang Klafki) – letztlich des Menschseins.“ (ebd., S. 12). „Zeit“ wird in diesen bildungstheoretischen

Religiöse Erwachsenenbildung als „Unterbrechung“

Reflexionen subjektorientiert, transformativ, geschichtlich, relational, in ihrer emotionalen Dimension, biografieorientiert, aber gleichzeitig auch in Bezug auf elementare Inhaltlichkeit charakterisiert (ebd., S. 61ff.). Bildungsprozesse implizieren ein konstitutionelles Verhältnis zur Zeit, denn Mündigkeit als Globalziel aller Bildung erfordert ein Freiheitsverhältnis gegenüber Zeit, das den Menschen in seiner Optionalität und nicht in seiner kausalen Gebundenheit wahrnimmt. Kurz: Bildung erfordert Zeitkompetenz. Im Blick auf das Thema Zeit ist es Aufgabe einer – wie wir es nennen möchten – zeitsensiblen Religionspädagogik, die verschiedenen Aspekte der Zeit für Theorie und Praxis der religiösen Bildung zu übersetzen. Es seien an dieser Stelle drei exemplarische Bereiche erwähnt, um aufzuzeigen, was Zeitsensibilität für religiöse Erwachsenenbildung bedeutet:

zeitsensible religiöse Bildung

Religiöse Erwachsenenbildung reflektiert die Bedeutung der Zeit für die Lebenswelt lernender Subjekte und gibt Impulse für biografisch-identitätsorientierte „Zeit-Arbeit“. * Religiöse Erwachsenenbildung erweitert den Zeithorizont der Lernenden im Blick auf ein gesellschaftlich-geschichtliches Zeitbewusstsein. * Religiöse Erwachsenenbildung eröffnet Zeit-Räume mit Gott, indem sie die Gottesfrage wach hält und die menschliche Zeit im Horizont der Zeit Gottes deutet. *

UNTERBRECHUNG ALS THEOLOGISCHE UND RELIGIONSPÄDAGOGISCHE KATEGORIE Der Mensch ist aufgrund seiner Gottesbegabung nicht nur Adressat einer religiösen Sache, sondern subjektorientiert betrachtet ist der Mensch selbst konstitutiver Faktor des Glaubens. Religiöse Erwachsenenbildung bedeutet nicht Lehr- und Lernbarkeit der lebensgeschichtlich sinnstiftenden Relevanz eines nur geglaubten Glaubens, sondern es geht um Lebensrelevanz des Glaubens selbst, um seine Bedeutung in der Lebenswelt der Menschen, in den zeitlich aktuellen Kontexten. Religiöse Erwachsenenbildung vollzieht eine Re-Kontextualisierung, indem sie versucht, in den Lern- und Bildungsprozessen den christlichen Glauben, das Credo, die christliche Botschaft in den jeweiligen Kontext zu stellen und anknüpfend an die Gottesbegabung des Menschen ein Angebot („proposer la foi“: s. DBK 2000) des Glaubens zu bereiten, eine Beziehung herzustellen, eine Auseinandersetzung zu ermöglichen und eine Reflexion oder Prüfung auf Lebensrelevanz und Bedeutung zu initiieren. Religiöse Erwachsenenbildung nimmt damit die von der Würzburger Synode geforderte „vermittelnde, kritische und klärende Funktion“ kirchlicher Bildungsverantwortung wahr (Gemeinsame Synode 1975). Die voran gestellten Reflexionen über die Gottesbegabung und Re-Kontextualisierung haben Konsequenzen für die religionspädagogische Begründung von religiöser Erwachsenenbildungsarbeit. Wie kann heute, inmitten moderner säkularer Kontexte, inmitten der pluralen und individualisierten Lebenswelten der Menschen über oder von Gott erzählt werden, christlicher Glaube erfahrbar beziehungsweise berührbar gemacht werden, wie kann die Glaubenssprache in der heutigen Zeit aussehen? Die Sprache des Gottesglaubens ist für Johann Baptist Metz die Gebetssprache. Sie bittet Gott, sie klagt an und erinnert an die noch offene und nicht versöhnte Geschichte der Leidenden, der Ungerechtigkeiten, der

Gebetssprache

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Offenheit des Menschen

Opfer und der Unterdrückten. Die „Memoria passionis“ (Metz), die Gebetssprache, ist nicht eine Rede über Gott, sondern zu Gott (Zeillinger 2009, S. 235). Denn jedes Reden von Gott oder über Gott muss mit der Prämisse versehen werden: „In Wirklichkeit ist Gott ganz anders.“ Die Rede von Gott kann nur gleichnishaft sein. Gott kann nur in dieser Welt in den jeweiligen Kontexten erfahren werden, aber wie in einem Spiegel (1Kor 13,12). So wie wir nur das Naheste von uns selbst, nämlich das Gesicht, im Spiegel sehen können, so erfahren wir den nahen Gott im Spiegel der Geschichte, im Spiegel der Kontexte. Für TomáÐHalík ist Gott so nah, dass er unerkannt bleibt. „Wir sind uns der Luft, die wir atmen, in der Regel nicht bewusst, das Licht selbst sehen wir nicht, wir sehen nur die Dinge im Licht.“ (Halík 2012, S. 168) Die Philosophin Simone Weil spricht hier von der „Gottesanwesenheit in seiner völligen Abwesenheit.“ (Büchel Sladkovic 2004) Für Paulus ist der Spiegel der Gotteserkenntnis der gekreuzigte Jesus (1Kor 2,2). Gott ist kein fernes Wesen über uns oder an den Grenzen der menschlichen Erkenntnis, sondern er ist die Tiefe unseres menschlichen Lebens. So schreibt Dietrich Bonhoeffer: „Ich möchte von Gott nicht an den Grenzen, sondern in der Mitte, nicht in den Schwächen, sondern in der Kraft, nicht also bei Tod und Schuld, sondern im Leben und im Guten des Menschen sprechen.“ (Bonhoeffer 1970 [1943–44], S. 182) Für Metz ist die menschliche Rede über und zu Gott, die Gebetssprache, nicht eine Form des Frage-Antwortmodells (Metz 2006, S. 99). Im Gebet artikulieren sich Klage und Wut, Hoffnung und Wünsche, Sehnsucht und Verlangen, die aber gerade durch ihren Bezug auf Gott über das Leben, wie es ist, hinausgehen. Die Verwirklichung des Gebetes zielt vielmehr über alles Bestehende hinaus und kritisiert dieses damit als falsch Bestehendes, Vorläufiges (Langenohl 2009, S. 349). Die Gebetssprache ist Ausdruck der Offenheit des Menschen vor Gott, der Personalität des Menschen, und gehört aufs Engste mit der Religion zusammen. Das Gebet ist auch die Sprachform der Erfahrung und des kulturellen Gedächtnisses des Menschen. Wo es keine Gebetssprache mehr gibt, entschwindet auch das Menschliche. C. H. Ratschow sagt über das Gebet in der Religionsgeschichte: „Dass da, wo das Gebet abstirbt, nicht nur Religion ihr Ende hat, sondern auch die Personalität des Menschen“ (Ratschow 1984, S. 34). Das Gebet ist Ausdruck der Beziehungsfähigkeit des Menschen (Boschki 2003). Im Gebet als religiöse Sprache ereignet sich Gotteserfahrung und Gottesgedächtnis. Nicht in Form einer Antwort, nicht in Form einer Lösung, nicht in Form einer Erfüllung, sondern in Form der Erinnerung, in Form einer erzählten Geschichte, in Form der wieder in das Gedächtnis aufgenommenen Rede Gottes. Die Psalmen sind Dokumente und Gestalten dieser Gebetssprache. Sie ist die Sprache des gottbegabten Menschen im Kontext einer religiösen Erwachsenenbildungsarbeit. Im Gebet wird das Erlebte zur Erfahrung, indem es auf eine sprachliche Begrifflichkeit gebracht wird. Damit wird religiöse Sprache, wie z. B. in der religiösen Erwachsenenbildungsarbeit, möglich. Dieses Sprechen, das immer kontextgebunden ist, muss immer wieder neu gelernt werden. Aber wie gelingt es, die Sprache des Glaubens, die Gotteserfahrung, religiöse Erfahrung, die befreiende Botschaft des christlichen Glaubens, das Credo als Botschaft der Hoffnung in der heutigen Zeit in Bildungs- und Lernprozessen mit Erwachsenen zu vermitteln? Metz gab mit dem Begriff „Unter-

Religiöse Erwachsenenbildung als „Unterbrechung“

brechung“ die für ihn kürzeste Definition von Religion (Metz 1977, S. 150). Religion unterbricht. Die Unterbrechung findet dann statt, wenn das christliche Bekenntnis nicht als bloße Weltanschauung angeboten wird, sondern ein Mehr an Wahrnehmungsfähigkeit, Identitätsstiftung und Kommunikations- beziehungsweise Handlungsbereitschaft von ihm ausgeht. Damit wird Unterbrechung zu einem umfassenden theologischen Prinzip, das von der prophetischen Tradition des Judentums und Christentums gespeist ist und Welt und Wirklichkeit keinem naiven Fortschrittsoptimismus überlässt. Gott unterbricht die menschengemachten Abläufe von Geschichte und Politik (Boeve 2007); er stellt menschliches Handeln in Frage, fordert den Menschen zur Reflexion, Umkehr und Erneuerung. Unterbrechung wird somit auch zu einem religionspädagogischen Grundprinzip der religiösen Erwachsenenbildungsarbeit. Eine unterbrechende religiöse Erwachsenenbildung spricht von einem Glauben, der alle Sinnfragen und Sinngebungen in Frage stellt. Er ist nicht Antwort sondern Anfrage. Ausgehend vom Glauben – verstanden als gefährliche, befreiende, praktisch gelebte Erinnerung an Jesus Christus – werden Anfragen an das Leben gestellt, so dass sich Religion als Unterbrechung konstituiert. In dieser Unterbrechung ereignet sich Re-Kontextualisierung. Die Kontexte, die Zeitzeichen werden aufgegriffen und im Sinne einer Re-Kontextualisierung, die auch eine Unterbrechung ist, wird nach einer zeitgenössisch gültigen Artikulation des Glaubensbekenntnisses in Wort und Tat gesucht. „Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf“, so ruft Paulus im Römerbrief (Röm 13,11). Ruhe ist zwar die erste Bürgerpflicht – das gilt aber nicht für Christen. Metz versteht den christlichen Glauben als das Verhalten, bei dem der Mensch sich an vergangene Verheißungen und angesichts dieser Verheißungen gelebte Hoffnung erinnert und sich an diese Erinnerung lebensbestimmend bindet. Damit wird Erinnerung „gefährlich“. Ein solcher Glaube beinhaltet ein Unterbrechungspotential, das in der religiösen Erwachsenenbildung genutzt und eingesetzt werden kann. Christlicher Glaube unterbricht die bisherige Lebens- und Menschheitsgeschichte und führt zu einer Re-Kontextualisierung. Christlicher Glaube unterbricht Gewohnheiten, macht Selbstverständlichkeiten fragwürdig und kann zu einer Transzendierung vorgegebener Lebensmuster und Lebensmodelle kommen. Nur da, wo der Kreislauf des „normalen Denkens“ unterbrochen wird, kann Gott „ins Denken einfallen“ (Lévinas 1988).

Unterbrechung als Prinzip religiöser Bildung

UNTERBRECHUNG: WAS UND WORAUFHIN? Bildungsarbeit erfolgt nicht im luftleeren Raum, sondern steht in jeweiligen gesellschaftlichen und zeitlichen Kontexten. Nun muss festgestellt werden, dass der Zeitbegriff der modernen Gesellschaft sich der Unterbrechung entzieht, da die Signatur der Moderne die permanente Unterbrechung ist, die „ununterbrochene Unterbrechung“ (Sellmann 1999, S. 8). Wir leben im Zeitalter der beschleunigten Veränderungen (Rosa 2012), und das heißt mit anderen Worten: „im epochalen Arbeitsprogramm einer ununterbrochenen Unterbrechung der Moderne“ (ebd.). Der Zeitbegriff der Moderne ist geprägt von Eigenschaften wie Vorläufigkeit, Veränderbarkeit, Flüchtigkeit, d. h. von permanenter Unterbrechung. Moderne bedeutet gerade kein Stillstand, son-

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Unterbrechung – eine Kategorie der Hoffnung

dern Weiterentwicklung, Wechsel, ständige Erneuerung. Sie trägt den Faktor der Unterbrechung in sich, konkret: „die Änderbarkeit (z. B. des Rechts); die Scheidbarkeit (z. B. der Ehe); die Ersetzbarkeit (z. B. am Arbeitsplatz); die Erzeugbarkeit (z. B. von ,Natur’erlebnissen); die Kombinierbarkeit (z. B. genetischer Ketten); die Steigerbarkeit (z. B. der Erlebnisintensität) usw.“ (Sellmann 1999, S. 10) Alles, so scheint es, wird ständig unterbrochen, nur die Unterbrechbarkeit selbst nicht. Die Unterbrechung selbst ist ununterbrochen. Wenn im religionspädagogischen Kontext von Unterbrechung die Rede ist, dann stellt sich die Frage, was unterbrochen werden soll. Unterbrechung als religionspädagogische Kategorie kann nicht in die Kettenglieder ständiger Unterbrechungen zusätzlich eingezogen werden, sondern greift wesentlich tiefer. Unterbrechung in der heutigen Zeit meint hier Unterbrechung des Ununterbrechbaren, des nicht Unterbrechbaren, die Unterbrechung permanenter Unterbrechung. „Es ist ganz offensichtlich, dass gerade die Arbeitsprogramme einer ununterbrochenen Unterbrechung an entscheidenden Stellen tatsächlich des Innehaltens, der Unterbrechung bedürfen. Gemeint sind die Nahtstellen der ,Moderne‘, da, wo sich ihre Versprechungen gegen sich selbst zu kehren scheinen, wo Emanzipation zur Einsamkeit, Pluralismus zur Gleichgültigkeit und Planung zur Willkür wird“ (ebd., S. 13). Unterbrechung als religionspädagogische Kategorie kann aber nicht nur in der Unterbrechung als solcher, im Unterbrechungseffekt, verbleiben, sondern muss produktiv sein, einen Mehr-Wert schaffen. Es bedarf der Reflexion über die Frage „woraufhin“ unterbrochen werden soll. Eine Theologie der Unterbrechung, wie Metz sie konzipiert hat (vgl. Metz 1992), die auch mit dem Begriff „Gottesgerechtigkeit“ bezeichnet werden kann, weist nicht nur einen unterbrechenden Aspekt auf, sondern beinhaltet auch einen aufbrechenden Faktor. In der Unterbrechung bricht die Frage nach dem Mitleid der Leidenden (Compassion), der Gerechtigkeit (Theodizee), der Sehnsucht (Glaube, Liebe, Hoffnung) etc. auf. Metz präzisiert: „Erste Kategorie der Unterbrechung: Liebe, Solidarität, die sich Zeit nimmt (…); Erinnerung, die nicht nur das Gelungene, sondern das Zerstörte, nicht nur das Verwirklichte, sondern das Verlorene erinnert und sich so gegen die Sieghaftigkeit des Gewordenen und Bestehenden wendet: gefährliche Erinnerung, die gerade so das ,christliche Kontinuum‘ rettet.“ (ebd., S. 166 f.) Für Metz muss eine Theologie mit Unterbrechungskraft „politisch“ sein. Er spricht hier von einer „Mystik der offenen Augen“ (vgl. Metz 2013). Sie zieht sich nicht zurück, schottet sich nicht ab, sondern setzt sich mit den Kontexten der Zeit auseinander. In der Unterbrechung des Ununterbrechbaren der Moderne geschieht auch so etwas wie Befreiung und Emanzipation. Dieses ist das kritische Potential einer Theologie der Unterbrechung. Durch die erzählende Erinnerung und den apokalyptischen Grundton christlichen Glaubens wird eine Zeitbotschaft in die heutige Zeit gebracht, die unterbricht, nämlich die Botschaft von der „Verzeitlichung der Zeit“, von ihrer Befristung. „Die Welt der Menschheit hat nun einen Anfang und ihre Zeit ein Ende. (…) Wer vom biblischen Gott spricht, spricht immer auch von der Zeit, der befristeten Zeit, von ihrem Anfang und ihrem Ende, von Alpha und Omega und vom Wandel

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

der Gottesrede im Seinshorizont zur Gottesrede im Zeithorizont“ (Metz 2013, S. 17, vgl. dazu auch Höhn 2006) Während bis zum Zeitalter der Renaissance die Gegenwart der Menschen eher von der Vergangenheit (Herkunft) geprägt war, richtete sich der Blick bei der Gestaltung der Alltagswelt des Menschen in der nachfolgenden Zeit eher auf die Zukunft. In der heutigen Zeit, so sagen Soziologen, verdichtet sich Vergangenheit und Zukunft im Gegenwärtigen. Jetzt muss es erlebt werden, jetzt muss es gemacht werden, jetzt muss sich der Erfolg etc. erweisen. Diese Entzeitlichung als eine Zeitsignatur der Moderne wird durch die christliche Rede von Gott unterbrochen. Eine solche Unterbrechung unterbricht nicht nur, sondern in dieser Unterbrechung bricht etwas Neues auf, und damit entwickelt sie eine bildende Kraft. In einem solchen Unterbrechungspotential liegt ein Bildungspotential. In seiner aufbrechenden und kritischen Ausrichtung zeigt eine solche Unterbrechung darüber hinaus einen gleichsam prophetischen Charakter. Unterbrechung als theologische und religionspädagogische Kategorie religiöser Erwachsenenbildung führt damit im Kontext religiöser Bildungsarbeit zur Fähigkeit des Unterscheidens und zur Erlangung einer „Differenz-Kompetenz“ (vgl. dazu Klie/Korsch/Wagner-Rau 2012). In der Unterbrechung erweist sich das Unterscheidbare.

bildende Kraft

3.3 Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung: Kleine geschichtliche Vergewisserung im Horizont der Re-Kontextualisierung JÜDISCHE UND CHRISTLICHE RELIGIÖSE BILDUNG WAR (UND IST) IMMER AUCH ERWACHSENENBILDUNG Die religiöse Erwachsenenbildung wurde nicht erst in jüngster Zeit „erfunden“. Sie kann auf eine uralte Tradition zurückgreifen, die ihre Ursprünge in der biblischen, altisraelitischen Tradition hat. Denn seit der biblischen Zeit ist das Lernen der Tora eine heilige Pflicht eines jeden Juden, was keineswegs nur die Kindheit und Jugend betrifft, sondern vor allem im Erwachsenenalter betrieben werden muss (Demski et al. 2007; Crenshaw 1998). Die Tora wurde öffentlich vorgelesen und erklärt, wobei es sich vor allem um Erwachsene Hörer handelte, Kinder waren eher beiläufig dabei. Im biblischen Buch Nehemia wird ein solches öffentliches Lernritual im Zusammenhang mit dem siebentägigen Laubhüttenfest (Sukkot) erwähnt: „Am zweiten Tag versammelten sich die Familienoberhäupter des ganzen Volkes sowie die Priester und Leviten bei dem Schriftgelehrten Esra, um die Worte des Gesetzes weiter kennen zu lernen.“ (Neh 8,13) Sie hörten die Worte der Tora, legten sie gemeinsam aus und freuten sich an der Beschäftigung mit dem Wort Gottes. Biblisch gesehen ist das Ziel religiöser Erziehung, Israel „als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk“ zu konstituieren (Ex 19,6) (hier und zum Folgenden: Demski et al. 2007). „Die Furcht des Herrn ist der Anfang aller Weisheit“ (Ps 111,10), weshalb die biblische religiöse Erziehung vor allem zwei Grundlinien folgt: der Erkenntnis und Anerkennung des göttlichen Wil-

biblische Perspektiven

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lebenslanges Studium der Tora

lens im Bund mit Gott und in der Tora sowie der Kenntnis der Geschichte des Volkes Israel, die als Geschichte Gottes gelesen wird, der sich in seinen Taten in der menschlichen Geschichte offenbart. Das Studium der sich im Laufe biblischer Zeit verschriftlichenden Tora sowie die Weitergabe der mündlichen Tradition wurden zum Inbegriff jüdischer Erziehung und jüdischen Lernens. Da es weder in Bibel noch in Talmud oder Midrasch systematische Erziehungs- und Bildungsreflexionen gibt, sind die Elemente erzieherischer Praxis und des Nachdenkens darüber aus verschiedenen Einzeläußerungen zusammenzustückeln. Auch an weiteren Stellen der Tora werden öffentliche Lernrituale erwähnt, so beispielsweise die Verlesung der Bundesurkunde, also der Tora (Ex 24,7), die auch alle sieben Jahre zum Fest des Brachjahres vollständig „vor ganz Israel laut vorgetragen werden soll“ (Dtn 31,10–11). Die Erwachsenen sollten die Tora immer wieder hören, was später in die liturgisch-synagogale Tradition der wöchentlichen Lesung der Tora im Rhythmus eines Jahres aufging. Sie, die Erwachsenen, waren es dann, die vor allem in der Familie die Tradition an die nächste Generation weitergaben. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, mussten sie aber selbst erst „gebildet“ sein. Auch die in rabbinischer Zeit entstehenden jüdischen Schulen sind nur als Anfang einer lebenslangen Lerntradition zu verstehen. „Für das Judentum ist Lernen ein lebenslanger Prozess, durch keine Prüfung und kein Zertifikat beendbar, insofern ist auch die Unterscheidung zwischen Jugend- und Erwachsenenbildung eher eine akademische Konstruktion.“ (Müller-Commichau 2010, S. 168) Aus dieser Tradition heraus ist christliche Bildung von ihren Ursprüngen her ebenfalls „Erwachsenenbildung“ (vgl. Ego/Merkel 2005). Jesus hat seine Botschaft vom Anbruch des Reiches Gottes vor allem an Erwachsene adressiert, obwohl unter seinen Hörerinnen und Hörern immer wieder Kinder waren. Erwachsene waren es, die sich als erste von seinen Worten ansprechen ließen und ihm nachfolgten. Nach Kreuz und Tod wurde die Botschaft von der Auferstehung Jesu wiederum zunächst an Erwachsene weiter gegeben. Das Überleben und die Weiterentwicklung des Judentums sowie die Entstehung und Ausbreitung des Christentums sind ohne „Erwachsenenbildung“ nicht denkbar.

RELIGIÖSE BILDUNG ERWACHSENER IN FRÜHEM CHRISTENTUM, MITTELALTER UND BEGINNENDER NEUZEIT Auch die weitere Geschichte des Christentums (und natürlich ebenso des weiter existierenden Judentums) ist eine Geschichte von Menschen, die die Überlieferung hören, lesen, sie verstehen lernen, deuten, auslegen – also eine Geschichte des Lernens und der Bildung Erwachsener. Wie im Judentum wurde auch im Christentum der Gottesdienst zum „Lernort“ für Erwachsene (hier und zum Folgenden: Schröder 2012, S. 23 ff.), wo biblische Texte gelesen und ausgelegt, Gebete aus- und inwendig gelernt und Rituale vollzogen wurden bzw. bis heute werden. Die Alte Kirche kannte die Tradition des Erwachsenenkatechumenats als der Einführung von Erwachsenen in ein Leben gemäß dem Evangelium

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

(Brakmann/Metzger 2004; Brakmann/Pasquato 2004). Die Entwicklung der frühchristlichen Katechese als Hinführung zur Taufe Erwachsener verlief alles andere als einheitlich, sondern entwickelte sich an den verschiedenen christlichen Zentren wie Alexandria, Caesarea, Antiochia und später über den ganzen Mittelmeerraum verstreut je nach deren kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen in verschiedener Weise. Zusammenfassend gilt: „Die Taufvorbereitung mündet seit Ende des 2. Jh. in ein organisiertes Katechumenat, in dem neben Buße, Fasten und diversen Ritualen die Katechese eine Hauptrolle spielt.“ (Brakmann/Metzger 2004, S. 432) An manchen Orten dauerte das Katechumenat bis zu drei Jahren. Im Mittelalter verlief die Tradierung des Christentums ebenfalls zweigleisig: einerseits für die Kinder in erster Linie durch Sozialisation in der Familie, wobei durch religiöses Mitleben, Mitbeten und Mitfeiern die wesentlichen Elemente des christlichen Lebens erlernt wurden; andererseits für die Erwachsenen als lebenslanges Lernen durch Gottesdienst, Predigt und Belehrungen (Überblick: Schröder 2012, S. 53 ff.; s. auch Paul 1993). Die Predigt in der Volkssprache diente als Erwachsenenkatechese. Sie wurde zur Voraussetzung der Kinderkatechese zu Hause. Bisweilen gab es fortlaufende Predigtzyklen. Im Hochmittelalter kann man von einer Art ,Einsatz von Medien‘ zur religiösen Bildung sprechen. Auf Beichttafeln und in Beichtbüchlein waren z. B. die Zehn Gebote mit bunten, drastischen Bildern dargestellt. Die Tafeln waren an Kirchentüren und Eingangspforten von Spitälern angebracht. Die sog. Bibliae pauperum im hohen und späten Mittelalter (erstmals bekannt ab 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts) waren großformatige Bücher, auf denen biblische Geschichten und Heiligenlegenden abgebildet wurden, Gestalten und Szenen des Alten und Neuen Testaments, v. a. Leben und Passion Christi, Verkündigung und Krönung Mariens etc. Sie dienten der Visualisierung zur Belehrung der Betrachter über wesentliche Elemente der Heilsgeschichte. Die Ausstattung vieler Kirchen, insbesondere in der im Hochmittelalter aufkommenden gotischen Epoche, mit einer Fülle von Altären, Bildern, Statuen, Fahnen, Kreuzwegstationen diente ebenfalls der Unterweisung der erwachsenen Gläubigen und Pilger. Katechese im Mittelalter fand oft am Ort des Gottesdienstes, im Kirchenraum statt. Auch wenn Liturgie nicht zum Zweck der Bildung erfolgt, hat sie dennoch – bis heute – katechetische Elemente: Menschen lernen etwas über ihren Glauben, wenn sie an der Liturgie teilnehmen. Schließlich waren Heiligenviten, Mysterienspiele, Krippenspiele (ab 13. Jh.) weitere Gelegenheiten für die Gläubigen, etwas von der Botschaft des Evangeliums zu erfahren oder neu zu verstehen. Ein wichtiger Aspekt der „Erwachsenenbildung“ des Mittelalters war die aufkommende Bildung von Frauen. Schon im frühen Mittelalter gab es Klosterschulen auch an Frauenklöstern, die externe Mädchen aufnahmen, so dass immer mehr Frauen zu Bildungsträgerinnen wurden. So wurden beispielsweise Bücher von Frauen nur an Frauen vererbt, was bei Männern nicht üblich war. Hoch gebildete Frauen hatten eine bedeutende Wirkungsgeschichte, u. a. Hildegard von Bingen (1098–1179) oder Mechthild von Magdeburg (1207–1283), um nur zwei herausragende Vertreterinnen zu nennen. In der Regel waren im Mittelalter mehr Frauen als Männer ,gebildet‘. Die Reformation und beginnende Neuzeit brachten in zweifacher Hinsicht einen Bildungsschub mit sich: Zum einen das Bedürfnis nach einer ver-

Katechese für Erwachsene

Frauenbildung

Reformation

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tieften biblischen Bildung, die sich in der Bibelübersetzung von Martin Luther (1483–1546) und in seinen Katechismen artikulierte. Diese waren, wie die späteren katholischen Katechismen, zunächst an Erwachsene gerichtet und sollten sie zu einem vertieften Wissen und Verständnis der biblischen und kirchlichen Überlieferung hinführen. Zum anderen brachte die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im 16. Jahrhundert die Möglichkeit mit sich, die ins Deutsche übersetzte Bibel selbst ebenso wie die Katechismen und andere Bildungsschriften weit zu verbreiten. Wenn auch nicht jede und jeder lesen konnte, so konnten die Schriften immerhin von einigen Kundigen vorgelesen werden. Die Reformatoren, aber auch die katholischen „Gegenreformatoren“ wie z. B. der Jesuit Petrus Canisius (1521–1597) sowie weitere protestantische und katholische Denker hatten mit Blick auf die Bildung der Menschen nie nur die Jugend, sondern besonders die Erwachsenen vor Augen. Für einen der ersten Bildungstheoretiker, den reformierten Theologen Jan Amos Comenius (1592–1670), war bereits klar, dass das (religiöse) Lernen des Menschen niemals einen Abschluss findet, sondern das ganze Leben dauert. Er kann als einer der Vordenker des „lebenslangen Lernens“ gelten (vgl. oben 2.2).

„NEUGESTALTUNG DES ERBES“: ENTSTEHUNG DER MODERNEN JÜDISCHEN ERWACHSENENBILDUNG

jüdische Aufklärung

Die Entstehung einer zeitgemäßen religiösen Erwachsenenbildung ist die Folge der Auseinandersetzung mit der Moderne – dies gilt für das Judentum ebenso wie für die christliche Tradition. Denn seit Aufklärung, Französischer Revolution, Überwindung absolutistischer Ständestrukturen, den weiteren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen wie zunehmende Demokratisierung, vermehrte Frauenrechte, Industrialisierung und Modernisierung der Lebenswelt hat sich auch das Bildungsbedürfnis ganzer Bevölkerungsschichten vergrößert. Durch die zunehmende rechtliche Gleichstellung von Juden im modernen Staat und durch die innerjüdische Bewegung der Haskala, der jüdischen Aufklärung, die sich insbesondere im westeuropäischen Judentum abspielte, kamen neue Bildungsgedanken und Bildungsinstitutionen auf. Etwa bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebten die Juden in Europa bildungspolitisch gesehen in relativer Abgeschiedenheit. Sie pflegten und hegten die Erziehung und Bildung in eigener Regie aufgrund der Vorgaben der Tradition. Dies änderte sich in der aufkommenden Moderne, insbesondere ab dem Zeitalter der europäischen Aufklärung, grundlegend. Denn jüdische Denker wie Moses Mendelsohn (1729–1786), die sich das Programm der Aufklärung zu eigen machten und vor dem Hintergrund der jüdischen Überlieferung – in manchen Fällen auch gegen sie – eine eigene jüdische Aufklärung zu fordern begannen, sahen die Bedeutung einer völlig neu konzipierten jüdischen Erziehung in erster Linie als Weg und Mittel, den Anschluss an die Mehrheitsgesellschaft zu finden. „Die Ära Mendelsohn leitete in der Geschichte der jüdischen Erziehung in Deutschland eine komplette Wende ein.“ (Eliav 2001, S. 19; s. insbes. S. 31–64; sowie Behm 2002) Mendelsohn war begeisterter Anhänger der allgemeinen Aufklärung, was ihn recht spät in seinem Lebenswerk auch zu einem Vordenker jüdischer Erziehung werden ließ. Er war daran interessiert, den Kern traditioneller jüdi-

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

scher Bildung zu bewahren, weshalb er, im Gegensatz zu vielen seiner Schüler und Mitstreiter, nicht gegen die klassische Form jüdischer Erziehung polemisierte. Fast alle jüdischen Aufklärer (Maskalim) waren auch Pädagogen, die die Ideen der Aufklärung in erzieherische Programme umzusetzen suchten (Krochmalnik 2000; grundlegend: Eliav 2001; zu hermeneutischen Fragen der Wahrnehmung jüdischer Religionspädagogik: Boschki 2013a). Sie waren von der Vorstellung der „Verbesserungsfähigkeit“ des Judentums geleitet und von der Überzeugung getragen, das bisherige Erziehungswesen im Judentum sei rückwärtsgewandt und könne den Anforderungen der modernen Welt nicht mehr Stand halten. Entscheidend ist, die Haskala in ihrer Vielstimmigkeit zu verstehen. Es gibt nicht die jüdische Aufklärung, ebenso wenig wie es die Orthodoxie gab (und gibt), die sich als Opponentin der Aufklärung ausweisen würde. Verschiedenartige Strömungen und Richtungen, ja unterschiedliche Köpfe ein und derselben Richtung bestimmen das vielfältige Bild jüdischer Erziehungspraxis und -reflexion in der Moderne. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Re-Kontextualisierung jüdischer Erziehung. Entscheidend dabei sind Ansätze von Martin Buber (1878–1965), Franz Rosenzweig (1886–1929) und Ernst Akiba Simon (1899–1988), die allesamt im Blick auf jüdische Erwachsenenbildung eine zentrale Stellung innehaben (zu allen dreien, insbesondere zu Simon s.: Woppowa 2005; zu Buber: Ventur 2003). In ihren Ansätzen, die dem sog. „neuen Denken“ und „neuen Lernen“ im Judentum zugeordnet werden können, spiegelt sich auf paradigmatische Weise die Auseinandersetzung zwischen Tradition und Moderne, die als Leitmotiv jüdischer Erziehung und Erwachsenenbildung seit der Aufklärung gelten und als Re-Kontextualisierung der Überlieferung in den je neuen Zeitkontext gedeutet werden kann. Beispielsweise repräsentiert Rosenzweigs Erziehungs- und Bildungskonzeption einen neuen Zugang zu den Fragen der Emanzipation und Assimilation jüdischer Existenz, der auf Revitalisierung der klassischen jüdischen Bildung setzt. Gegen das Monopol der professionellen Lehrer und Rabbiner entwickelte der „Laie“ Rosenzweig ein konsistentes Erziehungs- und Bildungssystem von der Volksschule bis zum jüdischen Lehrhaus, wobei Letzteres die Bildung der Erwachsenen leisten sollte. 1920 gründete er das „Freie Jüdische Lehrhaus“ in Frankfurt, dessen Leitung er aufgrund seiner Krankheit bereits 1922 an Martin Buber übergab. Diese Institution war ein „imponierendes und inspirierendes Modell“ (Stöhr 2002, S. 56) für weitere Einrichtungen der Erwachsenenbildung nicht nur im jüdischen Raum. Rosenzweig wandte sich gegen jüdische Gelehrsamkeit, die unabhängig von jüdischem Leben, den Gebeten, der Feier von Festen, Sabbat und Liturgie existieren könnte (Rosenzweig 1937). Er wollte „zurück zu den Quellen“, eine erneuerte, vertiefte Zuwendung zu den klassischen jüdischen Texten, eine verstärkte Bemühung um die hebräische Sprache und die Liturgie. Die Tora steht bei Rosenzweig im Mittelpunkt konzentrischer Kreise, die sich als jüdische Bildung ein Leben lang um diese Mitte gruppieren und verbreitern. Gottesdienst und jüdischer Jahresfestkreis ist der Lebensatem des jüdischen Volkes, der neu „eingehaucht“ und erlernt werden muss. Lernen wird hier zur „Vergegenwärtigung der Tradition“ vor dem Hintergrund der neuen Zeit gesehen (Woppowa 2005, S. 65), was als Re-Kontextualisierung bezeichnet

jüdische Denker

das freie jüdische Lehrhaus

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werden kann. Denn der von Rosenzweig entwickelte Grundgedanke des jüdischen Lehrhauses war: „Die alte Wahrheit ist von der Gegenwart her zu übernehmen, durchzuarbeiten und in die eigene Zukunft hinein zu verwirklichen.“ (Stöhr 2002, S. 58) Ähnlich geht es Martin Buber in der jüdischen Erwachsenenbildung um eine „Neugestaltung des Erbes“, das einer relecture der jüdischen Überlieferung angesichts der veränderten Lebensbedingungen von jüdischen Erwachsenen in den modernen gesellschaftlichen Kontexten entspricht (Friedenthal-Haase/Koerrenz 2005, S. 242). Die Tragik der Neukonzeption von jüdischer Erziehung und Erwachsenenbildung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war ihr definitives Ende durch die Shoah. Rosenzweig starb zuvor, Buber und Simon konnten über Flucht und Exil hinweg das Erbe aufgreifen. Doch blieb in der jüdischen Welt nichts, wie es zuvor war. Erneut mussten und müssen sich in der Nachkriegszeit jüdische Erziehung und Bildung in der spätmodernen Welt re-kontextualisieren.

ENTSTEHUNG DER MODERNEN CHRISTLICHEN ERWACHSENENBILDUNG

christliche Vordenker

Analog zur Entwicklung jüdischer Erwachsenenbildung ist, wie gesagt, die aufkommende christliche Erwachsenenbildung im 19. und 20. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Moderne zu verstehen (Überblick: Wolff 2005, S. 59–95; Leimgruber 2005a, S. 47 ff.). Während sich „religionspädagogische Vordenker“ bereits im 18. Jahrhundert mit der Aufklärung positiv auseinandersetzen, wie z. B. Daniel Friedrich Ernst Schleiermacher (1768–1834) auf protestantischer Seite oder (in anderer, weniger umfassender Weise) auf katholischer Seite Johann Baptist Hirscher (1788–1865; kleiner Überblick zu beiden: Boschki 2011, S. 34 ff.), war religiöse Bildung insbesondere in der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert sehr stark im Modus der Instruktion konzipiert und vor allem durch die neuscholastische Rückwärtsbewegung auf Opposition zur Moderne eingestimmt. Der „Antimodernismus“ von Papst Pius IX. (geb. 1792; Papst von 1846–1878) und weiter Teile der kirchlichen Hierarchie sowie der katholischen Theologie konnte jedoch eine gewisse Gegenbewegung nicht verhindern. Insbesondere die „soziale Frage“, also die Frage nach Gerechtigkeit in einer Gesellschaft, in der wenige reich und die Massen u. a. der Industriearbeiter, aber auch Handwerker und Bauern auf dem Land verarmt waren, führte zur Gründung von Vereinen junger Erwachsener. „So gründete Adolf Kolping (1813–1865) die Jünglingsvereine und gab ihnen als Zielsetzung christliche Bildung und Verantwortlichkeit in Beruf und Familie, Kirche und Gesellschaft. Sie sind Beispiele für die entstehenden Verbände und ihre intensive Mitarbeiterschulung im Sinne von Bildung zur Selbsthilfe.“ (Leimgruber 2005a, S. 48) Weitere Initiativen an der Wende zum 20. Jahrhundert, die die Entstehung einer Bildungsbewegung für Erwachsene förderten, waren unter anderem: * FRAUENBEWEGUNG: Sowohl in der evangelischen wie in der katholischen Kirche kam es zur Gründung von Frauenbünden, die v. a. Frauenbildung im sozial-karitativen Bereich förderten. * LITURGISCHE BEWEGUNG: In der katholischen Kirche hat sich gegen einen zu stark formen- und formelhaften Vollzug des kirchlichen Lebens eine my-

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

stisch geprägte Religiosität entwickelt, deren führender Kopf Romano Guardini (1885–1968) wurde. Die Bewegung um die Burg Rothenfels ermutigte Erwachsene zur Selbstbildung, Mündigkeit und aktiven Partizipation. * BIBELBEWEGUNG: Während in den protestantischen Kirchen die Bibel für jedermann seit Martin Luther selbstverständlich war, wurden die katholischen Gläubigen eher bibelfern gehalten und kamen mit der Bibel fast nur durch die Auslegung des Lehramts und die predigenden Priester in Kontakt. De Bibelbewegung versuchte, die Gläubigen mit der Bibel vertraut zu machen. „Seit 1915 kann von der Erwachsenenbildung durch die Bibelbewegung gesprochen werden.“ (ebd., 49) So kam es im katholischen Bereich im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts zu einem vielfältigen Aufblühen informeller und institutionalisierter religiöser Bildung für Erwachsene. Auch für die evangelische Erwachsenenbildung war die Zeit vor und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg sowie die der Weimarer Republik eine „Gründerzeit“, die sich vor allem in der freien Volksbildungsbewegung, in Arbeiterbildungsvereinen, in ländlichen Heimvolkshochschulen und weiteren aufkommenden protestantischen Bildungseinrichtungen abspielte (Wolff 2005, S. 59–96). Dies wurde unter erschwerten Bedingungen, zum Teil aber auf noch intensivere, verdeckte und dem staatlichen Zugriff entzogene Weise im Nationalsozialismus fortgeführt. Dennoch, die NS-Zeit wirkte als jähe Unterbrechung einer aufblühenden, nichtstaatlichen Bildung von mündigen Menschen. Zum Aufschwung und zur Professionalisierung der religiösen Erwachsenenbildung konnte es erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg kommen.

institutionalisierte Erwachsenenbildung

NEUANFANG UND AUFSCHWUNG SEIT MITTE DES 20. JAHRHUNDERTS Seit den 1950er Jahren kam es neben vielen Erneuerungsprozessen auch zu einer Neugestaltung der Bildungsarbeit in der Gesellschaft. Angesichts der vorausgegangenen Diktatur, die auf Entmündigung und Entmenschlichung aufbaute, konnte der Ansatzpunkt nur beim Menschen selbst in seinen mannigfaltigen lebensweltlichen Bezügen liegen. Hierzu bedurfte es der Bildung. Die bildungspolitischen Diskussionen in den 1960er und 70er Jahren verhalfen auch der Erwachsenenbildung allgemein zu einer wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit und Bedeutung im Bildungssystem. Der Stellenwert der allgemeinen Erwachsenenbildung als notwendiges Mittel zur Formung der Identität, zur Urteilsbildung aus selbstständigem Denken, zum verantwortlichen Handeln im Gemeinwesen wurde im Gutachten vom deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen 1960 „Zur Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung“ erstmals zum Ausdruck gebracht. Die sich allmählich neu formierende und definierende katholische Erwachsenenbildung orientierte sich wegen der sich verändernden gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten an den Bedingungen eines funktionierenden gesellschaftlichen Pluralismus und dem Beitrag, den Christen dazu leisten können. Nun setzt aber ein Pluralismus nicht nur die gesetzlich garantierte Gleichberechtigung auf gesellschaftlichem, politischem und religiösem Gebiet voraus, sondern auch die gegenseitige Anerkennung der

kirchliche Erwachsenenbildung

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gesellschaftspolitischer Auftrag

Konzil als Impuls

Würzburger Synode

Bürger untereinander. Diese grundsätzliche Akzeptanz des Anderen ist wiederum Voraussetzung dafür, dass über unterschiedliche Meinungen und Positionen im Dialog gestritten werden kann. Demokratie bedeutet nicht nur Teilhabe der Bürger an politischer Macht, sondern sie ist auch eine auf Dialog angelegte Lebensform, die sich im Alltag ausprägt und die des Lernens und Einübens bedarf. Die katholische Erwachsenenbildung entwickelte vor diesem Hintergrund ein Gesellschaftsverständnis und Menschenbild, in dem Dialog, Mündigkeit und Verantwortung im Vordergrund standen. Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft wurde nicht mehr als rein innerkirchliche Angelegenheit verstanden und verortet, sondern als ein Beitrag der Kirche zur Welt- und Gesellschaftsgestaltung und Wahrnehmung einer Weltverantwortung des Christen. Das Zweite Vatikanische Konzil gab dann mit der Betonung der Mitverantwortung der Laien in der Kirche und dem Weltauftrag von Kirche der sich entwickelnden katholischen Erwachsenenbildung richtungweisende Impulse (Bergold 2012). Es kam zur Gründung von Akademien, Sozialinstituten und Sozialen Seminaren sowie auf der Ebene der Kirchengemeinden zum Aufbau von örtlichen Bildungswerken. Im Anschluss an den Bildungsgesamtplan der Bund-Länder-Kommission 1973 entstanden dann gesetzliche Regelungen der Erwachsenenbildung in den einzelnen Bundesländern. Mit diesen Landesgesetzen zur Weiterbildung wurden die Forderungen nach stärkerer finanzieller Förderung, Professionalisierung, Pluralität und Gleichbehandlung der Anbieter sowie flächendeckender Versorgung anerkannt und ein Rahmen zu ihrer Verwirklichung geschaffen. Damit war Erwachsenenbildung – auch die kirchliche – als öffentliche Aufgabe gesetzlich festgeschrieben. Bei den Bildungszielen wird neben der Vermittlung von Bildungsinhalten aber auch der Erwerb von Fähigkeiten aufgeführt, die ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Handeln im persönlichen, beruflichen und öffentlichen Leben ermöglichen. Eine weitere Stärkung erfuhr die kirchliche Erwachsenenbildung durch den Synodenbeschluss der Würzburger Synode 1976 „Schwerpunkte kirchlicher Verantwortung im Bildungsbereich“, der die Erwachsenenbildung als eigenständigen kirchlichen Dienst versteht, der in seiner vermittelnden, klärenden und kritischen Funktion zu einem wichtigen Instrument der Gestaltung kirchlichen Lebens und der Mitgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse wird. Weiterbildung in katholischer Trägerschaft, so die Synode, ist ein unabdingbarer Beitrag zur Erhaltung der Pluralität in Gesellschaft und Staat. Neben der Themenorientierung wächst nun auch der Umfang zielgruppenorientierter Bildungsarbeit (Arbeitslose, Ausländer, Senioren, Familien, Eltern, etc.). In den 90er Jahren zeigt sich die Bedeutung der Erwachsenenbildung für Kirche und Gesellschaft paradigmatisch beim Konsultationsprozess, an dessen Ende das Gemeinsame Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage stand und maßgeblich unter Mitwirkung von Einrichtungen und Verbänden kirchlicher Erwachsenenbildung geprägt wurde. Im Laufe der 90er Jahre gewinnt der Aspekt der Partizipation ein immer größeres Gewicht. Partizipation ist eine Konsequenz der Pluralität, sozusagen als Handlungskomponente der Pluralität. In den bildungspolitischen Grundsät-

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

zen der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenarbeit (KBE), der Hirschberger Erklärung 1992 heißt es (vollständiges Zitat s. oben, Einführung): Erwachsenenbildung befähigt zu selbstständigem Urteil und eigenverantwortlichem Handeln. Es geht um verantwortungsvolles Handeln im privaten, sozialen, kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld – und darin liegt die hohe gesellschaftliche und politische Bedeutung der Erwachsenenbildung. In diesem Sinne versteht sich kirchliche Erwachsenenbildung als gesellschaftliche, als kulturelle Diakonie. Dialogfähigkeit, Demokratiefähigkeit und Streitkultur werden von der KBE als zentrale Ziele von Erwachsenenbildung genannt. Die Entwicklung in der Evangelischen Kirche verlief zwar unter konfessionell anderen Vorzeichen, doch hat – analog zu den eben dargestellten Schritten im katholischen Bereich – die kirchliche Erwachsenenbildung im evangelischen Kontext eine tiefgreifende Erneuerung erfahren, die sie mit den gesellschaftlichen Prozessen kompatibel gemacht hat (Überblick bei Wolff 2005, S. 97 ff.). Im Jahr 1997 hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in einer Stellungnahme mit dem Titel „Orientierung in einer zunehmenden Orientierungslosigkeit“ deutlich gemacht, dass Erwachsenenbildung „zunehmend als Orientierungsmedium in der Pluralität von Lebensstilen und Wertorientierungen dient“ (Evangelische Kirche in Deutschland, Orientierung, 53). Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung trägt Bildungsarbeit in kirchlicher Trägerschaft in der heutigen Zeit dadurch Rechnung, dass sie mit einem entsprechenden Programmangebot auf die entscheidenden gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, neue Kommunikations- und Informationstechnologien, das Zusammenleben der Völker, die Gestaltung Europas und die Bewahrung der Umwelt reagiert. Sie bringt christliche Wertvorstellungen und christliches Wissen über die menschliche Existenz in den gesellschaftlichen Dialog über die Gestaltung der persönlichen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse ein. Kirchliche Erwachsenenbildung wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Instrument der Gestaltung kirchlichen Lebens und der Mitgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse.

bilden und handeln

evangelische Erwachsenenbildung

KONZEPTIONELLE WEITERENTWICKLUNG Auch in konzeptioneller Hinsicht wurden im Laufe der Jahrzehnte insbesondere durch die wissenschaftliche Religionspädagogik entscheidende Wegmarken gesetzt. Dabei sind vor allem zwei bedeutende Entwicklungen hervorzuheben: Zum einen fand die religiöse Erwachsenenbildung in bildungstheoretischer Hinsicht Anschluss an die aktuelle Entwicklung, wie sie insbesondere in der Erziehungs- und Bildungswissenschaft, allgemeinen Didaktik, Erwachsenenpädagogik und Entwicklungspsychologie („life long learning“; s. oben 2.2) diskutiert wurde. Damit gelang es der religiösen Erwachsenenbildung, aus der „kirchlichen Nische“ herauszutreten und sich in pädagogischer und sozialwissenschaftlicher Weise solide zu begründen. Zum anderen ist es den neu entstandenen Konzeptionen gelungen, die religiöse Erwachsenenbildung theologisch auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Erneuerung der theologischen Anthropologie, die sich beispielsweise in

pädagogische Begründung

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“ theologische Begründung

Erfahrung und Glaube

den Entwürfen des katholischen Theologen Karl Rahner und des protestantischen Theologen Wolfhart Pannenberg wiederfindet, wirkte stimulierend auf die religionspädagogische Konzeptentwicklung – auch im Bereich der Erwachsenenbildung. An einigen ausgewählten Grundprinzipien werden im Folgenden Konturen dieser Entwicklung aufgezeigt, die die Diskussion bis heute entscheidend prägen. KORRELATION – ERFAHRUNG. Bereits ab den 1970er Jahren kam es im katholischen Bereich zu einem „korrelativen“ Verständnis religiöser Erziehung und Bildung. Korrelation ist ein theologisches, hermeneutisches und religionsdidaktisches Konzept, das vor allem für religiöse Bildung in der Schule, also für den Religionsunterricht fruchtbar gemacht wurde (Baudler 1984), das aber auch in die Erwachsenenbildung Eingang gefunden hat. Im Wesentlichen geht es darum, die Welt des Glaubens (Gottesfrage, Bibel, Glaubensbekenntnis, kirchliche Tradition) und die Welt der Erfahrungen der Menschen (Alltagserfahrungen, Beziehungserfahrungen, Sehnsüchte, Hoffnungen, Ängste) nicht als unabhängige Größen nebeneinander zu verstehen, sondern in enger „Korrelation“, in enger Beziehung zueinander wahr- und ernst zu nehmen. Grundlage ist die erneuerte Sicht theologischer Anthropologie, die den Menschen in seinen Erfahrungen theologisch radikal aufwertet. Gott, so der theologische Grundgedanke Karl Rahners (u. a. Rahner 1976), offenbart sich in Welt und Wirklichkeit nicht unabhängig von den menschlichen Verstehensvoraussetzungen und Grunderfahrungen. Die Erfahrungen von Liebe, Schönheit, Vertrauen und Freundschaft, die Sehnsucht nach Geborgenheit, Anerkennung und Freiheit verweisen auf eine tiefere Wirklichkeit, die – transzendentaltheologisch – nur in Gott begründet werden kann. Der Mensch kann lieben, weil ihm eine Ahnung von der unendlichen Liebe Gottes mitgegeben ist. Doch auch negative Erfahrungen wie Verzweiflung, Sinnleere und Angst sind, wie die biblischen Erfahrungen beispielsweise in den Psalmen zeigen, in die Gotteserfahrung und Gottesbeziehung eingebettet. In dieser theologischen Sicht tragen menschliche Erfahrungen einen Verweis auf Gott in sich und sind für den Glauben an Gott nicht länger nebensächlich. Im Gegenteil, sie rücken an eine zentrale Stelle des Glaubens. Religiöse Erwachsenenbildung hat sich die Erfahrungsorientierung zu eigen gemacht. Viele Veranstaltungen, Kurse und Seminare arbeiten „korrelativ“; sie versuchen, die Erfahrungen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mitbringen, aufzunehmen und in „Korrelation“, in Austausch, in Beziehung mit religiösen Themen und religiösen Erfahrungen zu bringen. Dadurch soll den Menschen ermöglicht werden, ihre Erfahrungen in einem neuen Licht zu sehen und sie gegebenenfalls auf neue Weise, nämlich in religiöser Hinsicht deuten zu lernen. Beispielsweise argumentiert Stephan Leimgruber (Leimgruber 1997) von der „anthropologischen Wende“ durch das Zweite Vatikanische Konzil her. Durch die Aufwertung der Kategorie der Erfahrung für das theologische Denken bekommt der persönliche Glaubensvollzug einen hohen Stellenwert (ebd., S. 17 f.). Leimgruber geht von einer Anwendung des didaktischen Prinzips der Korrelation auf die Erwachsenenbildung aus. Diese bietet dann die Möglichkeit, Erfahrungen kreativ und offen zu verarbeiten, und trägt so zu

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

einem tragfähigen Glauben bei. Dieser Glaube ist ein personaler Glaube, der durch Erfahrungen und Krisen gereift ist (ebd., S. 61). Die Erwachsenenbildung versucht, an die Deutungsmuster der Subjekte anzuknüpfen (ebd., S. 47). So kann die Identität und Ich-Stärke des Einzelnen gefördert werden (ebd., S. 66). SUBJEKTORIENTIERUNG. In einer erfahrungsorientierten religiösen Erwachsenenbildung bestimmen die Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Lerninhalte. Erwachsenenbildung hat ihren Ausgangspunkt somit bei der Thematisierung der alltäglichen Wirklichkeit (ebd., S. 47). Die Lernenden sind nicht mehr bloß Rezipienten des Stoffes, sondern Subjekte der Lernvorgänge. Durch die Entobjektivierung der Inhalte kann die Subjektwerdung der Teilnehmenden gefördert werden. Die wichtigsten Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung seit den 1990er Jahren sehen Subjektorientierung als integralen Bestandteil von Theorie und Praxis. Auch hierbei sind theologische ebenso wie philosophische Impulse maßgeblich (Rieck 2008, S. 136–196; Boschki 2005). Der evangelische praktische Theologe Henning Luther fasste die Subjektorientierung zunächst für die religiöse Erwachsenenbildung, später umgreifend als „praktische Theologie des Subjekts“ impulsgebend für viele weitere Ansätze zusammen (H. Luther 1992; 1984). Der Mensch in seiner Potentialität ebenso wie in seiner Fragmentarität und Gebrochenheit steht fortan im Zentrum religionspädagogischer Theorie und Praxis. Ausgangspunkt, so die katholische Religionspädagogin Martina Blasberg-Kuhnke, ist weniger die Frage nach der Tradierung des christlichen Glaubens als die nach der Möglichkeit und Ermöglichung von Zukunft überhaupt, woraus sich eine klare Option für die Zukunft des Subjekts ergibt (Blasberg-Kuhnke 1991, S. 43). Dazu muss die Bedeutung des Mann- und Frauseins für Leben und Glauben sowie des Lebensalters und der Lebensphase viel stärker berücksichtigt werden (ebd., S. 64 ff.). Subjektseinkönnen hängt an der Fähigkeit, Erfahrungen zu machen, gerade Erfahrungen, die religiös offen sind und vom Glauben her erschlossen werden können (ebd., S. 82). Ziel der religiösen Erwachsenenbildung nach Berthold Uphoff ist es, die Handlungsfähigkeit der Subjekte zu fördern (Uphoff 1991, S. 163). Der Mensch in der Ganzheit seiner Wirklichkeitsbezüge ist das Subjekt kirchlichen Handelns. Im Evangelisierungsprozess ist der Mensch zur Realisierung der Fülle des Lebens berufen (ebd., S. 140 ff.). Dieser Gedanke führt von dem Begriff „Subjekt“ hin zu einer vertieften Rezeption des Begriffs „Bildung“ für die Theorie der Erwachsenenbildung der 1990er Jahre. Für Gottfried Orth ist der Ausgangspunkt des Bildungsgeschehens die Lebenswelt der an der Bildungsveranstaltung Teilnehmenden und nicht ein inhaltliches Stoffangebot des Leiters oder der veranstaltenden Institution (Orth 1990, S. 198). Bildung zielt auf eine Erweiterung der Möglichkeiten des Subjekts in seinen Beziehungen. BILDUNG. Die Wiederentdeckung eines vertieften Bildungsverständnisses lässt „Bildung“ also zu einem „regulativen Prinzip“ (Schröder 2012, S. 224) für alle Vorgänge religiösen Lehrens und Lernens werden. Für Karl-Ernst Nipkow ist Bildung ein umfassender Begriff, der für sämtliche Lernfelder in Familie, Schule, Gemeinde, Kindergarten, Jugendarbeit und nicht zuletzt auch für die religiöse Erwachsenenbildung zum Tragen kommt. Für ihn ist Bildung in einem ganzheitlichen Sinne „Lebensbegleitung und Erneuerung“

Subjekt im Mittelpunkt

Bildung als Erneuerung

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Transformation

Bildung global verstehen

(Nipkow 1992; zur Erwachsenenbildung insbes. S. 555–604), die theologisch ebenso wie von der abendländischen Bildungstheorie her begründet ist. Die evangelischen Religionspädagogen Wolfgang Lück und Friedrich Schweitzer greifen auf ein solches Bildungsverständnis zurück, wenn sie religiöse Erwachsenenbildung konzipieren. Für sie zielt Bildung auf den autonomen Menschen, der sich seiner Selbstständigkeit und Freiheit bewusst ist und sie verantwortlich wahrnimmt. Die hier genannte Begriffsverwendung kommt aus der Tradition der Aufklärung, die den einzelnen von vorgegebenen Einbindungen und Beschränkungen freisetzen will zugunsten allgemeiner universeller Erkenntnis, Einsicht und Verantwortung (Lück/ Schweitzer 1999, S. 15 ff.). Religion ist ein unverzichtbarer Bestandteil aller Bildung. Durch Bildung soll religiöse Mündigkeit ermöglicht werden (s. unten). Rudolf Englert beschreibt Bildung als einen Transformationsprozess, der bei den lebensweltlichen Orientierungsmustern der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ansetzt, um diese unter Bezug auf das – in diesem Prozess freilich seinerseits angefragte – Sinnangebot des Glaubens differenzieren und transzendieren zu helfen (Englert 1992, S. 127). Lernen bzw. Bildung wird hier nicht als Übermittlungs- sondern als Transformationsprozess begriffen, als ein Geschehen nicht des An-Lernens, sondern des Um-Lernens, in dem mit der aktiven Erkenntnistätigkeit des Subjekts gerechnet werden darf und muss. Bildung ist Einfügung in einen Überlieferungszusammenhang in Verbindung mit der Befähigung zur Kritik und Transformation dieser Überlieferung (ebd., S. 235 f.). Die Bildung Erwachsener lässt sich in ihrer Begründung nicht auf kompensatorische Motive, arbeitsmarktpolitische Erfordernisse oder gesellschaftspolitische Entwicklungsziele reduzieren. So lässt sich auch speziell religiöse Bildung Erwachsener nicht auf konfessionelle Motive und kirchliche Interessen reduzieren. Bildung zeichnet sich durch das Interesse an der Humanität und Identität des Subjekts aus. An diesem Punkt treffen sich bildungspolitische und christliche Intentionen (ebd., S. 121). Bei Bildung hat es um die möglichst umfassende Mündigkeit eines sich seine Ziele selbst setzenden Subjekts zu gehen und eben nicht um seine Funktionalität in einem wie auch immer vermeintlich gerechtfertigten sozialen System (ebd., S. 236). Schließlich macht Martina Blasberg-Kuhnke darauf aufmerksam, dass Bildung nur global verstanden werden kann, nämlich als gemeinsames Prinzip der gesamten Menschheit angesichts einer Weltbildungskrise. Der Mensch ist für sich selbst im umfassenden Sinn eine Bildungsaufgabe geworden. In diese Weltbildungskrise sind die Christen und die Kirchen involviert (Blasberg-Kuhnke 1991, S. 242). Bildung ist kommunikative Handlungspraxis als Prozess der Antizipation universaler Solidarität (Uphoff 1991, S. 68). Bildung wird in der Erwachsenenbildung in umfassender Weise als Bildung der Persönlichkeit verstanden (s. oben 2.1; vgl. Hungs 1991, S. 131). Bildung ist die Bedingung der Möglichkeit echten Menschseins (Uphoff 1991, S. 43), sie ist das Medium auf dem Weg zur Realisierung geglückten Menschseins und zielt auf freie Entscheidungsfähigkeit, d. h. auf Mündigkeit. MÜNDIGKEIT. Die Mündigkeit des Bürgers bzw. des Christen ist ein erwachsenenpädagogisches Ziel ersten Ranges, auch für die religiöse Erwachsenenbildung. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen lernen, unzensiert ihre

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

eigene Meinung zu vertreten (Englert 1992, S. 51). Mündigkeit bedeutet das Einnehmen der transmodernen Perspektive: Diese verlangt dem Einzelnen eine für das Leben in allen Bereichen relevante Entscheidung ab (ebd., S. 168). Bildung als Edukation geht es nicht einfach um die Einpassung in ein vorgegebenes Gefüge, sondern um die Befähigung, einen eigenen Standpunkt einzunehmen und den Verhaltenserwartungen eines Kollektivs zu widerstehen. Bildung soll helfen, das Vermögen auszubilden, sich Neuem zu stellen, ungewohnte Perspektiven an sich heran zu lassen. Bildung hat sich in den Dienst der Freiheit des Einzelnen zu stellen. Sie geschieht in der Spannung von Sozialisation und Individuation (ebd., S. 235). Soll Subjektfindung und -konstituierung der Menschheit im Bildungsprozess antizipierend gelingen, bedarf es dazu der Selbstaufklärung und in Anspruch genommener Mündigkeit, die nicht erst Ziel des Bildungsgeschehens sein kann (Orth 1990, S. 248). Sie muss im Bildungsgeschehen selbst antizipatorisch in Anspruch genommen werden, was gesellschaftliche Aufklärung zur Voraussetzung hat. Erst dann kann sie sich in Distanz und Nähe in Anspruch nehmen und entwickeln. Zur Mündigkeit gehört demnach einerseits Distanz. Sie gewinnt sich gegenüber der Wirklichkeit. Es bedarf des Austritts aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit, um wieder mündig ein Teil der Gesellschaft werden zu können. Zur Mündigkeit gehört andererseits Nähe: Sie gewinnt sich, indem ich mich dem anderen, dem Fremden aussetze. Mündigkeit erreicht man nicht allein. Nähe dem anderen gegenüber aber impliziert Verwundbarkeit. Unverwundbarkeit versperrt Zukunft und verschließt die Möglichkeit von Mündigkeit. Nur im Dialog kann ein einzelner mündig werden. Erst so lernen sich die Menschen als Subjekte der Bildung kennen und können Zeugen der Leidenden werden (ebd., S. 250; s. unten Abschnitt „gesellschaftliche Verortung“). Im Bildungsgeschehen wie im Evangelisierungsprozess ist die Option für die Berufung des Menschen zu selbstbestimmter Personwerdung die Basis ihrer jeweiligen Praxis (Uphoff 1991, S. 140). Sozialisation und Emanzipation gehören in einem auf Mündigkeit zielenden Bildungsbegriff zusammen (ebd., S. 163). Die Mündigkeit der Subjekte ermöglicht erst echte Solidarität zugunsten einer Praxis befreiender Bildung. Mündige Glaubensbildung ist das vorrangige Interesse der religiösen Erwachsenenbildung am Ende des 20. Jahrhunderts. Diese soll zum mündigen Christsein und zur Glaubensmündigkeit führen sowie zu wachsender personaler Mündigkeit, um schließlich selbst Trägerin und Träger der Evangelisation werden zu können (Blasberg-Kuhnke 1991, S. 214). Damit ist die kirchliche Verortung religiöser Erwachsenenbildung begründet. KIRCHLICHE VERORTUNG. Erwachsenenbildung muss am Sendungsauftrag der Kirche teilhaben (Englert 1992, S. 44). Doch darf sie innerhalb des kirchlichen Handelns kein abgegrenzter Sonderbereich sein, wie Kardinal Karl Lehmann schon in den 1990er Jahren schrieb: „Vielmehr gewinnt sie ihre Aufgabe und Wichtigkeit gerade darin, die Erfahrungen aus den verschiedenen Sektoren heutigen Lebens und Wirkens im Licht des Glaubens zu verstehen, deuten und verarbeiten zu lernen, sie in ihrer Bedeutung für die jeweils eigene Biografie wie auch für das gemeinschaftliche, gesellschaftliche und politische Leben einzuschätzen.“ (Lehmann 1993, S. 500 f.) Damit wird deutlich: Religiöse Erwachsenenbildung ist kein Instrument in

Bildung als Befähigung zur Positionierung

Nähe und Distanz

Deutung im Licht des Glaubens

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Weltdienst

Erwachsenenkatechese

den Händen der Amtskirche zur Propagierung kirchlicher Lehrmeinungen und Ordnungsvorstellungen. Sie ist auch keine Form pastoralen Handelns im engeren Sinne, sondern eine Form christlichen Weltdienstes, der in beruflichem, sozialem, politischem, diakonischem, erzieherischem usw. Wirken des Menschen in der Welt seinen Ausdruck findet. Die Mitarbeit der Christen an einer Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen und an einer Lösung der die Menschen bewegenden Fragen ist ein wesentlicher Bestandteil des Auftrags der Kirchen (ebd., S. 48 f.). Das kirchliche Engagement im Bildungsbereich ist ein Weltdienst in heilender Absicht. Auch da wo die Botschaft keine ausdrückliche Rolle spielt, handelt der Christ im Sinne seiner Berufung als Glied des Volkes Gottes, und in ihm handelt die Kirche im Sinne ihres Bildungsauftrags (vgl. Bornhauser 2000). Eine theoretisch wie praktisch gehaltvolle Zielbestimmung kirchlicher Erwachsenenbildung zeichnet sich erst mit der Bestimmung der Erwachsenenbildung als Mittel zur internen Festigung der Gemeinde, des Gemeindeaufbaus ad intra, und als neue Form der Verkündigung ab, die als Ziele der Erwachsenenbildung die Aktivierung der Glaubenden zur regelmäßigen und qualifizierten Teilnahme am Leben von Kirche und Gemeinde erkennen lässt (Blasberg-Kuhnke 1991, S. 231). Eine Bedingung des Glauben-Lernens in der Erwachsenenbildung ist das Explizitmachen der sozial-politischen, diakonischen Praxis als christlicher Glaubenspraxis (ebd., S. 323). Die konstitutive Zusammengehörigkeit von Orthodoxie und Orthopraxie ist leitender Grundzug der Auswahl der praktisch-theologischen Ansätze zu Glauben und Glaubenlernen Erwachsener (ebd., S. 363). Horizont und Bezugsrahmen des Evangelisierungsparadigmas ist das Reich Gottes, von dem her sich die Option christlichen Handelns bestimmen lässt und die Evangelisierung ihre inhaltliche Fundierung erfährt. Es geht um den Dienst der Christen und ihrer Gemeinschaften, Gemeinden und Kirchen für die eine Welt und die Menschheitsfamilie (ebd., S. 363 ff.). Lernen bedeutet hier, am Auftrag an die Menschen zum Aufbau des Schalom mitzuwirken. Schalom ist umgreifendes Leitwort der Lebensfülle, die die Integration der Trias Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung umfasst (ebd., S. 351). Versteht man Kirche und Welt nicht dualistisch, sondern als integrale Gegebenheiten einer Wirklichkeit, dann ist kirchliche Erwachsenenbildung Teil der Evangelisierung (Uphoff 1991, S. 185). Nach Franz Josef Hungs oszilliert religiöse Erwachsenenbildung zwischen Erwachsenenkatechese und orientierender Information (Hungs 1991, S. 142). In der religiösen Bildungsarbeit mit Erwachsenen geht es zunehmend um eine „Erst“-Unterweisung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Glauben. Die Angebote der Erwachsenenbildung sind auch Erfahrungs- und Erprobungsräume von Kirchlichkeit. Damit ist die Diskussion um das Verhältnis von Erwachsenenkatechese und Erwachsenenbildung eröffnet, die bis heute kontrovers geführt wird. „Als ,Erwachsenenkatechese‘ werden geplante und organisierte Bildungsprozesse verstanden, die der Glaubenseinführung und -vertiefung dienen. Sie stehen nicht notwendigerweise in Zusammenhang mit einer Sakramentenvorbereitung.“ (Becker 2011; vgl. auch Jakobs 2010, S. 135–156; Lutz 2003) Für Erwachsenenkatechese gilt ebenso wie für Erwachsenenbildung ein Verständnis von lebenslangem Lernen in religiösen Fragen und im Glaubensleben. Damit sind indes vielerlei

Wegmarken der religiösen Erwachsenenbildung

Überschneidungen mit dem gegeben, was in diesem Buch als „religiöse Erwachsenenbildung“ bezeichnet wird. Denn viele Impulse in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung enthalten Elemente, die die Glaubensfragen der Teilnehmenden aufgreifen, ggf. weiterführen und vertiefen. Dennoch ist Erwachsenenkatechese im engeren Sinne ein Angebot, den Glaubensweg von einzelnen und Gruppen zu begleiten; sie wird schwerpunktmäßig in eigenen Glaubenskursen, in katechetischen Bibelkreisen oder für bestimme Zielgruppen in den Kirchengemeinden angeboten (z. B. bestehende Familienkreise). Erwachsenenbildung ist in der Intention offener gehalten und richtet sich prinzipiell an alle Menschen, auch solche, die ihr Leben nicht als „Glaubensweg“ definieren oder die nicht in der Kirchengemeinde präsent sind. Bildung fungiert hier als „regulative Idee“ (Schröder 2012, S. 213–331; vgl. Schulz 2010, S. 43), was sie von Katechese abgrenzt. Für Wolfgang Lück und Friedrich Schweitzer ist Erwachsenenbildung nicht die Erneuerung der kirchlich-gemeindlichen Katechetik (Lück/Schweitzer 1999, S. 13 ff.). Es geht darum, die religiösen Fragen, die im Leben aufbrechen, zu behandeln, wie Sinnfragen, Lebensdeutungen oder ethische Fragen. Dies kann mit Bezug auf theologische Erkenntnisse und Deutungsperspektiven geschehen. Der Ansatz einer religiösen Bildung Erwachsener geht weder in einem katechetischen Interesse auf, noch ist er auf die Gemeinde als Sozialraum beschränkt (ebd., S. 29). Es geht um das Erwachsen-Werden im Glauben und die Bildung der Laien (ebd., S. 111), was nie nur einen kirchlichen, sondern stets auch einen gesellschaftlichen Auftrag impliziert. GESELLSCHAFTLICHE VERORTUNG. Alle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung betonen neben dem kirchlichen den gesellschaftlich-diakonischen Auftrag von Bildung Erwachsener gemäß dem kirchlichen Weltauftrag. Erwachsenenbildung ist denkbar als eine Praxis der Reflexion gesellschaftlicher Probleme mit dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung von Handlungsoptionen und politischen Forderungen, sowie einer im ganzheitlichen Bildungsprozess von Reflexion, Aktion und erneuter Reflexion verankerten konkreten Handlungspraxis zugunsten der Bearbeitung gesellschaftlicher Problemfelder. Soziale Handlungsfähigkeit impliziert politische Handlungsfähigkeit (Uphoff 1991, S. 164 ff.). Kirchliche Erwachsenenbildung ist so verstanden ein Prozess umfassender Befreiung zu gleichermaßen personaler wie sozialer Identität und Handlungskompetenz. Angebote in der religiösen Erwachsenenbildung sind dann gerechtfertigt, wenn sie im Dienste des Menschen, also in diakonischer Absicht geschehen (Leimgruber 1997, S. 23). Glaube, Theologie und religiöse Bildung der Christen haben in der modernen Gesellschaft sowohl eine kritische wie eine konstruktive Aufgabe wahrzunehmen. Sie haben die kritische Funktion, den Bezug des modernen Wirklichkeitsverständnisses auf Gott als dem Geheimnis von Welt und Leben wach zu halten und so dazu beizutragen, dass es nicht zu einer Verabsolutierung endlicher Werte – der Grundlage jeden Totalitarismus – kommt (Englert 1992, S. 152). Insofern erfüllt Erwachsenenbildung immer eine öffentliche Aufgabe (ebd., S. 45). Religiöse Bildung wird ein Lernort einer neuen Solidarität (ebd., S. 270). Sie kann und soll einen Beitrag zum kommunikativen Suchprozess der Gesellschaft leisten. Sie schließt die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Problemen ein, die im Gefolge einer alle Lebensbereiche umfassenden Rationalisierung ent-

religiöse Fragen

politische Implikation religiöser Bildung

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

standen sind. Indem sie den kritischen Diskurs über grundlegende Lebensund Sinnfragen pflegt, trägt religiöse Bildung dazu bei, der privatistischen Abspaltung solcher Fragen entgegenzuwirken und religiöse Sinnkonzepte für die ideelle Wertschöpfung der Gesellschaft zu erschließen; indem sie erfahrbar macht, dass sich religiöse Traditionen für den Kampf um menschlichere Lebensbedingungen in Anspruch nehmen lassen, hilft religiöse Bildung zu verhindern, dass man das Bestehende verabsolutiert und darüber jene vergisst, deren Subjektwürde missachtet wird (ebd., S. 289; vgl. Könemann 2012; grundsätzlich zur politischen Dimension religiöser Bildung: Könemann/Mette 2012).

3.4 Dimensionen und Perspektiven einer „zeit“gemäßen religiösen Erwachsenenbildung INDIVIDUELLE, GESELLSCHAFTLICHE UND KIRCHLICHE VERORTUNG

drei Bezugsgrößen

Die im vorangehenden Abschnitt aufgezeigten Wegmarken, insbesondere die Entwicklungen zu Beginn und dann wieder ab Mitte des 20. Jahrhunderts, wurden prägend für eine religiöse Erwachsenenbildung, die „mit der Zeit“ geht. Insbesondere sind die konzeptionellen Entwürfe für religiöse Bildung Erwachsener, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden sind, unhintergehbar. Die durch sie etablierten Grundprinzipien, die als Leitperspektiven für Theorie und Praxis gelten – Erfahrungsorientierung, Subjektorientierung, Mündigkeit, Bildung, kirchliche und gesellschaftliche Verortung –, sind bis in unsere Zeit höchst bedeutsam und maßgebend für Theorie und Praxis. Deshalb sollen im Folgenden zunächst drei Kontexte bzw. Bezugsgrößen ins Verhältnis gesetzt werden, die nach wie vor für religiöse Erwachsenenbildung zentral sind und woraus entsprechende Konsequenzen für eine zeitgemäße religiöse Erwachsenenbildung abgeleitet werden können. Erwachsene als Zielgruppe religiöser Bildungsarbeit sind keine „fertigen“ Menschen, sondern, zumindest was Lern- und Bildungsprozesse betrifft, in steter Entwicklung und Weiterentwicklung begriffen. So ist der Erwachsene sowohl ein Gewordener wie auch ein Werdender, der nur verstehbar ist im Horizont seines Gewordenseins aus seiner Biografie, aber unter Berücksichtigung seiner Entwicklungsfähigkeit. Erwachsensein ist somit kein Statusbegriff, sondern letztendlich ein Konstrukt (vgl. Wolf 2011). Allerdings bringen Erwachsene lebensgeschichtliche Erfahrungen, biografische Vorkenntnisse und Wissen mit. So sagt der Erwachsenenpädagoge Horst Siebert kurz und prägnant: „Erwachsene sind lernfähig, aber unbelehrbar.“ (Siebert 2012, S. 97). Wichtig ist festzuhalten, dass Erwachsensein kontextabhängig und relational ist. Eine religiöse Erwachsenenbildung verortet die Bildungsarbeit im Kontext und in Relation zu den drei Bezugsgrößen Kirche, Gesellschaft und Lebenswelt der Subjekte (vgl. den vorangegangenen Abschnitt „konzeptionelle Weiterentwicklung“; grundsätzlich dazu Nipkow 1992, S. 555–604, wo er die religiöse Erwachsenenbildung als „Prüfstein der Bildungsfrage in Gesellschaft, Kirche und Biografie“ bezeichnet; s. auch Lück/Schweitzer 1999):

Dimensionen und Perspektiven

Schema 3: Verortung religiöser Erwachsenenbildung

NEUE VERMESSUNGEN ANGESICHTS NEUER „ZEIT“-DIAGNOSEN Doch genau diese drei Bezugsgrößen für religiöse Bildung im Allgemeinen wie im Speziellen für Erwachsene sind im Umbruch und brauchen in unserer Zeit völlig „neue Vermessungen“ (Ziegler/Bergold 2012). Wie mehrfach in den bisherigen Ausführungen angesprochen, ist eine grundlegende Neuorientierung erforderlich. Religiöse Erwachsenenbildung heute kann nicht einfach als Verlängerung der früheren Entwürfe realisiert werden, sondern steht inmitten einer radikalen „Umbruchsituation“ (Kohli Reichenbach 2013, S. 18; Schäffter 2012; Könemann 2008), und dies aufgrund der veränderten „Zeit“-Bedingungen, Verknappung der „Zeit“-Ressourcen, Verdichtung und Beschleunigung der „Zeit“-Abläufe und – nach der oben beschriebenen Analyse Zygmunt Baumans – des immer weiter voranschreitenden Auseinanderfallens von Zeit und Raum in der „flüchtigen Moderne“ (s. oben 1.2). Damit verändert sich die Lebenswelt der Subjekte heute radikal. Auf diese Prozesse reagiert zum einen die allgemeine Theorie religiöser Bildung, die die Bedingungen der Transformation im Bereich der individuellen Lebenswelten, in Zeit, Gesellschaft und Kirche reflektiert (u. a. „Bildungsverständnis im Umbruch“: Nipkow 2005). Zum anderen reflektiert die Theorie der religiösen Bildung Erwachsener die Situation der Transformation: Seit Beginn des neuen Jahrtausends gibt es mehr und mehr Ansätze, die die Bedingungen religiöser Erwachsenenbildung „im Zeichen postmoderner Vielfalt“ (Bornhauser 2000) bzw. religiöse Bildung für den erwachsenen „Lebenszyklus“ – Postadoleszenz, Erwachsenenalter, höheres Alter – vor dem Hintergrund des „postmodernen Lebens“ reflektieren (Schweitzer 2003, insbes. S. 91–160). Gerade das Stichwort der Post- oder Nachmoderne wird als soziologischer Analysebegriff aufgenommen (u. a. Kurz 2007; Hoff 2005), um eine kritische „Zeit“-Diagnose zu betreiben – analog zu den hier vorgenommenen „Zeit“-Bestimmungen (Teil 1). Der Religionspädagoge Jürgen Wolff bezeichnet solche soziologisch und identitätstheoretisch solide durchgeführten „Zeit“-Diagnosen zurecht als „maßgebende Bestimmungsfaktoren“ für religiöse Erwachsenenbildung (Wolff 2005, bes. S. 161 ff. und 265 ff.). Im Folgenden werden die diesbezüglichen Ergebnisse unserer bisherigen Ausführungen im Kontext neuerer religionspädagogischer Literatur zur

Umbruch

postmoderne Vielfalt

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Erwachsenenbildung für die genannten drei Bezugsgrößen Subjekt, Kirche (bzw. weitere Religionsgemeinschaften), Gesellschaft synthetisiert und zusammengeknüpft. Dabei werden die Dimensionen und Perspektiven für eine zeit-gemäße religiöse Erwachsenenbildung im Horizont der Re-Kontextualisierung aufgezeigt.

RE-KONTEXTUALISIERUNG DER RELIGIöSEN ERWACHSENENBILDUNG IM BLICK AUF DAS INDIVIDUUM

offenes, dialogisches Narrativ

kulturelles Geschlecht

PERSöNLICHKEITSBILDENDE, BIOGRAFISCHE PERSPEKTIVE. Nicht nur für die Gesellschaft im Ganzen, auch für das einzelne Individuum ist die „Zeit der Großerzählungen“ (François Lyotard) längst vorbei. Für die meisten Zeitgenossen gibt es kein zusammenhängendes, in sich konsistentes Narrativ mehr, das die Welt im Ganzen und ihre Biografie im Einzelnen erklärt bzw. umgreift. Wir stehen vor dem Verlust umfassender, sinnstiftender Meta-Erzählungen, fühlen uns, wie oben gesehen (Teil 1), „entbettet“, heimatlos – auch kirchlich und religiös –, sind „Spieler, Touristen und Flaneure“ in den rasanten Zeitabläufen einer sich immer mehr beschleunigenden Konsum- und Medienwelt. Re-Kontextualisierung stellt sich diesem neuen, dramatisch verändernden „Kontext“. Deshalb geht religiöse Bildung über reine „Subjektorientierung“ hinaus, denkt also nicht allein auf bestimmte Zielgruppen hin (die Begriffe „Adressaten“ oder „Adressatenorientierung“ sind verräterisch), sondern von den Lebens- und Alltagswelten der Einzelnen her. Religiöse Erwachsenenbildung konstituiert sich unter diesen Bedingungen als „open narrative“ (Lieven Boeve), als offenes, dialogisches Narrativ, das Menschen im Modus des Angebots kennen lernen können und das sie darin unterstützt, eine „reflektierte und offene Identitätsbildung“ auch in religiöser Hinsicht zu finden (Boeve 2012, S. 167). Nicht ein geschlossenes System wird in den Veranstaltungen verabreicht oder vermittelt, sondern es werden auf dialogische Weise Themen eingespielt, die Menschen mit ihrer eigenen Lebensgeschichte verknüpfen können. Aus diesem Grunde sind Tendenzen der (religiösen) Bildungsarbeit mit Erwachsenen gegenwärtig besonders stark, die biografieorientiert und persönlichkeitsbildend arbeiten (Klingenberger/Krecan-Kirchbichler 2012; Klingenberger 2003a, 2003b; Miczek 2013; Kaupp 2011, 2005; Nittel 2011; Behrens 2010; Blasberg-Kuhnke 2005; Justen 2001; Könemann 2000). Dabei kommen vielfach Ansätze der Ermöglichungsdidaktik (Biografie als Ermöglichungsgrund für religiöse Bildung), konstruktivistische Entwürfe (Lebensgeschichte als Konstruktion) und narrativ-erzählende Vorgehensweisen zusammen. Unten (Abschnitt 4.3) werden Beispiele für konkrete Ansätze dazu vorgestellt, die biografisch, narrativ, ressourcenorientiert, ermutigend, gesundheitsfördernd („salutogenetisch“) und identitätsstärkend („empowerment“) arbeiten. GENDERSENSIBLE PERSPEKTIVE. Erwachsene sind nicht gleich Erwachsene, es sind Frauen und Männer. Das Thema „Geschlecht“ und sozial zugeschriebene Geschlechterrollen („gender“) wird in der Bildungsarbeit immer wichtiger (u. a. Faulstich-Wieland 2011; Herre 2003), was selbstverständlich auch für die religiöse Erwachsenenbildung gilt (Rieger-Goertz 2012; 2008). Die Genderforschung analysiert und kritisiert die Geschlechterverhältnisse in ihren kulturellen, sozialen, gesellschaftlichen, politischen und religiösen

Dimensionen und Perspektiven

Implikationen, wobei sie zwischen biologischem und kulturellem Geschlecht unterscheidet. Dadurch ergeben sich immense Bildungsaufgaben, was für religiöse Erwachsenenbildung dadurch besonders an Bedeutung gewinnt, dass religiöse Geschlechterzuschreibungen in der christlichen Tradition (insbesondere beispielsweise in der katholischen und orthodoxen) sowie in vielen anderen Religionsgemeinschaften (z. B. im Islam) bis heute dominant präsent sind. Damit werden Modelle der klassischen Bildungsarbeit mit Frauen und Männern in Kirchen und Verbänden angefragt, da diese sehr stark rollenfixiert und strukturaffirmativ ausgerichtet waren und sind. Gender-Arbeit in der Bildung kommt vor allem auf zwei Ebenen zum Tragen: Auf der individuellen Ebene bewirkt die Auflösung traditioneller Rollenmuster Verunsicherungen im Blick auf die eigene Identitätskonstruktion (Heiner Keupp). Bildung Erwachsener, die biografie- und persönlichkeitsorientiert arbeitet, greift die Genderfrage sensibel auf, was insbesondere in Familienbildungsstätten geschieht. Sie begleitet Menschen unterstützend, zum Teil auch irritierend, um ihren Horizont zu weiten und sich kritischreflexiv über die eigene gendergeprägte Identität bewusst zu werden. Aus diesem Grunde plädiert Stefanie Rieger-Goertz dafür „..Gender als Perspektive mitlaufen zu lassen und es zuzulassen, dass die Auswirkungen der Kategorie Gender zum Thema werden“ (Rieger-Goertz 2012, S. 187). Dabei geht es mittlerweile weniger (wie noch in den 1970er und 80er Jahren) um frauenspezifische Fragen als um das Verhältnis der Geschlechter, um Interaktion und Identität. Zum anderen ist die soziale und (kirchen-)politische Ebene der GenderThematik virulent. Denn es darf keinesfalls sein, dass die Frage nach den Geschlechterbildern rein individualistisch oder gar privatistisch abgehandelt wird. „Das Private ist politisch!“ Bildungsarbeit sprengt den individuellen Rahmen auf und macht Strukturen, Macht- und Dominanzverhältnisse in Kirche und Gesellschaft zum Bildungsinhalt (s. unten: gesellschaftliche, politische Perspektive). ÄSTHETISCH-KULTURELLE PERSPEKTIVE. Persönlichkeit „bildet“ sich in Auseinandersetzung mit der Umwelt, was für Bildung mit Erwachsenen bedeutet, dass zwar Dialog und Kommunikation eine wesentliche Säule der Arbeit darstellen, dass aber über Gespräche hinaus ästhetische und kulturelle Impulse den religiösen Bildungsprozess erheblich stimulieren können. Dies kann durch Auseinandersetzung mit literarischen Texten, Filmen, Bildern geschehen, durch Begegnung mit zeitgenössischer Malerei, Zeichnungen, Skulptur, Beschäftigung mit überlieferter Kunst, z. B. in Sakralräumen, durch musische, tänzerische, eigenkreative Tätigkeiten, durch (passive oder aktive) Teilnahme an Konzerten, Chören, Theatergruppen etc. (Beispiele in: Englert/ Leimgruber 2005, S. 225 ff.). In diesen Zusammenhängen ist die ästhetische Begegnung mehr als reine Unterhaltung. Sie öffnet für die Tiefendimension von Wirklichkeit, stimuliert Reflexionen und befähigt zur Wahrnehmung (Koch 2012). Obwohl christliche Bildung schon immer ästhetische Bildung mit umfasste, z. B. durch christliche Kunst in Kirchen und Klöstern, in Musik und Malerei, wurde erst in jüngster Zeit die Bedeutung ästhetischen Lernens in der Religionspädagogik unter den Vorzeichen eines völlig neuen Verständnisses diskutiert (u. a. Gärtner 2013; Altmeyer 2006). Kunst ist nicht länger

biografische und persönlichkeitsorientierte Bildung

Bildungsarbeit mit Kunst und Literatur

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

„Medium der Vermittlung“, um eine bestimmte Botschaft zu transportieren. In rezeptionsästhetischem Verständnis entsteht das Kunstwerk im Kopf bzw. Herzen der Betrachter. Damit bricht sich allmählich ein „zeit“-gemäßes Verständnis von ästhetischer Bildung auch und gerade Erwachsener Bahn: Lernende sind Subjekte der ästhetischen Begegnung, sie generieren Sinn und Bedeutung selbst. Religiöse Erwachsenenbildung schafft dazu einen Dialogund Begegnungsraum, der offen ist für plurale Sinn- und Bedeutungszuschreibungen, aber auch offen ist für die transzendente, unterbrechende Wirklichkeit ästhetischer Erfahrung.

RE-KONTEXTUALISIERUNG DER RELIGIöSEN ERWACHSENENBILDUNG IM BLICK AUF KIRCHE UND WEITERE RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN

dialogische Theologie

THEOLOGISCHE UND BIBLISCHE PERSPEKTIVE. Ohne Zweifel werden auch weiterhin „klassische“ Angebote zur theologischen Erwachsenenbildung in Form von Glaubenskursen nachgefragt und durchgeführt. Erwachsenenbildung rückt hier in die Nähe von Erwachsenenkatechese (s. oben unter 3.3). Klar ist aber ebenso, dass dies nicht das einzige Modell von theologischer Bildung sein kann. Geschlossene Narrative gibt es auch im religiösen oder kirchlichen Bereich nicht mehr. Sie können und sollten zwar in bestimmten Zusammenhängen kennengelernt werden, stehen aber heutzutage immer im Horizont des Dialogs und Austausches mit anderen Weltanschauungen und Religionen. Theologie ist in der postmodernen Wirklichkeit noch stärker als in früheren Epochen in ihrer dialogischen Verfasstheit zu deuten. Ein Verständnis von „Theologie als Gespräch“ (Tracy 1993) und „Bildung als Leben im Gespräch“ (Nipkow 1992) erlaubt es, theologische Bildung konsequent im Modus des „open narrative“ zu konzipieren, in dem es zu Ungereimtheiten, Widersprüchen, Unterbrechungen kommen kann, wobei Teilnehmerinnen und Teilnehmer eher religiös „stolpern lernen“ als sich mit theologischen Sicherheitsgurten zu fixieren. Das Provozieren von Stolpern bedeutet auch, dass die Gottesfrage wach gehalten und in Veranstaltungen zu religiösen Themen auf kluge Weise eingebracht wird. Über „Gott“ zu stolpern, sich von ihm im Alltagstrott unterbrechen zu lassen, mit der Provokation des biblischen Gottes gerade in flüchtigen Zeiten konfrontiert zu werden, sich an biblischen Texten (z. B. in bibelorientierter Erwachsenenbildung) abzuarbeiten, sind Kennzeichen einer theologischen Bildung, die nicht in „religionsfreundlicher Gottlosigkeit“ (Johann Baptist Metz) aufgeht. Theo-Logie als Rede von und zu Gott, bleibt unbequem, sperrig, stachelt auf und an, beunruhigt eher als zu besänftigen, stört den Egozentrismus, ruft zur Solidarität mit den Schwachen und Option für die Armen und Leidenden. Der Gott der Bibel, der Gott Jesu ist kein Kuschel- oder Wellnessgott, sondern leidempfindlich und parteiisch. „Den Gott, der umstandslos zu uns passt, gibt es nicht!“ (Metz 2006, S. 24) Gerade aus dieser unüberbrückbaren Differenzerfahrung heraus kann Theologie „bildend“ wirken. SPIRITUELLE BILDUNG. Identitätsanalytisch gesehen sind nicht wenige Zeitgenossen durch die rasanten Entwicklungen der „flüchtigen Moderne“ verunsi-

Dimensionen und Perspektiven

chert und spüren (bewusst oder unbewusst) eine „ontologische Bodenlosigkeit“ (Heiner Keupp). Denn die Pluralität der Sinnangebote, die Begegnung mit dem Fremden und Unbekannten, die Heterogenität religiöser Wege, die durch die neuen Medien immer sichtbarer werden und auf jedem Bildschirm oder Display auftauchen (können), löst nicht selten eine spirituelle Irritation und damit verbundene Heimatlosigkeit aus. Ein gewisser Hunger nach spirituellen Anregungen und Angeboten kann seit Jahren ausgemacht werden. Doch aufgrund der vielfältigen Verwendungszusammenhänge des Begriffs „Spiritualität“ (Altmeyer 2013b) wird immer weniger klar, was unter „spirituellen Angeboten“ zu verstehen ist und ob religiöse Erwachsenenbildung auch den Bereich der spirituellen Bildung umfasst. Wird Bildung als „Arbeit an sich selbst“ verstanden und Spiritualität als „etwas, das dem Leben Tiefe zu geben verheißt“ (Petsch 2003), können klassische und neue Formen von spiritueller Bildung auch für die religiöse Bildung Erwachsener fruchtbar gemacht werden, und zwar dann, wenn sie das Moment der Reflexion von Spiritualität mit einschließt. Es kann nicht darum gehen, dass Erwachsenenbildung einfach spirituelle Angebote ins Programm stellt, um sich auf dem religiösen Bildungsmarkt behaupten zu können. Die entscheidende Komponente für Bildung ist, die Teilnehmenden gleichzeitig in Nähe und in (kritische) Distanz zum jeweiligen Bildungsgut und Erfahrungsraum zu führen. Dann kann beispielsweise aufgedeckt werden, dass das Label „Spiritualität“ oft den Begriff der Religion ersetzt, dass die Gottesfrage außen vor bleibt (Spiritualität und religiöses Gefühl JA, Gott NEIN), dass es oft nur um „spirituelle Wellness“ geht (Nüchtern 2005), in der „Spiritualität eher als ,Zauberwort‘ oder Ruhekissen fungiert, das Wohlbefinden, seelische Ausgeglichenheit und Stressreduktion verheißt. Denn Spiritualität bedeutet von seinen biblischen Ursprüngen nicht Harmonie mit sich selbst und der Natur, sondern Unterbrechung der Alltagserfahrung in der Gottsuche und Zwiesprache mit Gott“. (Prinz 2007) Spirituelle Erfahrungen zu ermöglichen bzw. zu solchen hinzuführen (z. B. in Räumen der Stille; durch Exkursionen zu Klöstern; im Rahmen von Kirchenerkundungen; als Anfangsimpuls von Seminaren etc.) und einen Ort anzubieten, an dem die eigenen Erfahrungen reflektiert werden können, ist das Spezifikum von verantworteter Bildung und zeitgemäßer religiöser Erwachsenenbildung. INTERRELIGIöSE, INTERKULTURELLE PERSPEKTIVE. Religiöse Bildung ist in unserer Zeit nicht mehr monologisch möglich (Tautz 2013; Woppowa 2013; Engebretson 2010). Zu sehr sind wir durch die Präsenz anderer Religionen in der unmittelbaren Umgebung (in der Nachbarschaft, am Spielplatz, im Stadtteil, im Bus, am Arbeitsplatz, in den Medien etc.) in Berührung mit fremden, vielleicht manchmal befremdlichen religiösen Wegen gekommen. „In einer Situation religiöser oder kultureller Vielfalt gibt es verschiedene Optionen des Umgangs mit dieser Vielfalt: Assimilation, Kampf, Abschottung oder konstruktive Begegnung und Dialog. Zum friedlichen und bereichernden Miteinander führt allerdings nur der Weg der Begegnung und des Dialogs.“ (Höbsch 2012, S. 337) Mehr als noch vor Jahrzehnten sind es „Auftrag und Chance der Erwachsenenbildung“, die „interreligiöse Kompetenz“ (Schambeck 2013) zu fördern oder überhaupt erst zu ermöglichen, wozu „dialogi-

reflektierte Spiritualität

interreligiöse Kompetenz

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

Haltung des Respekts

aufgeklärte Kirchlichkeit

sche Kompetenz“, eine Haltung des „Respekts für Andere“, ein gewisses Wissen, aber vor allem eine Sensibilität für die Bedeutung der Religion im Leben von Menschen umfasst. Die Forderung nach einer völlig neuen Haltung hat in der katholischen Kirche das Dokument Nostra Aetate („In unserer Zeit“) des Zweiten Vatikanischen Konzils eindrücklich beschrieben, was als Wendepunkt der kirchlichen Haltung gegenüber anderen Religionen gelten kann. Doch kann eine solche Haltungsänderung nicht einfach durch Dokumente verordnet, sondern muss in religiöser Erziehung und Bildung eingeübt werden. Interreligiöse Kompetenz ist von daher eingebettet in ein größeres Konzept religiöser Bildung, weshalb „Erwachsenenbildung als interreligiöses und interkulturelles Lernen“ insgesamt konzipiert werden kann (Leimgruber 2005b). Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Wahrnehmung, Wissen, emotionale Dimension, sprachliche Ebene, handlungsbezogene und spirituelle Dimension (ebd., S. 283). Mit einer solchen breiten Ausrichtung können Verengungen (etwa auf den kognitiven Bereich als reine Information über andere Religionen) vermieden werden. Lernen über andere soll immer ein Lernen von anderen und im Idealfall mit anderen, also durch konkrete Begegnung einschließen, die immer den „Königsweg“ des interreligiösen und interkulturellen Lernens darstellt (Leimgruber 2007). Die interreligiöse Dimension von Bildung stellt nicht nur einen Randbereich, ein weiteres Thema, eine „Schublade“ in den Programmen religiöser Erwachsenenbildung dar, sondern durchdringt viele Themenbereiche. Damit ist eine grundlegende Veränderung des Gesamtfeldes religiöser Bildung Erwachsener eingeleitet, da sie alle Beteiligten – Lehrende und Lernende – zur eigenen Standortfindung provoziert. Interreligiös dimensionierte Erwachsenenbildung regt an zur Identitätsfindung im Dialog. Denn: „Ohne eigene religiöse Identität wäre die Religionspädagogik als interreligiöser Partner nicht mehr interessant.“ (Schweitzer 2013, S. 277). KIRCHLICHE PERSPEKTIVE. Letzterer Gedanke ist hilfreich, um die kirchliche Perspektive religiöser Erwachsenenbildung nochmals auf neue Weise, nämlich vor dem Hintergrund der pluralen Gesellschaft, zu reflektieren. Wie oben gesehen, gibt es religiöse Erwachsenenbildung auch in Angeboten außerhalb kirchlicher Trägerschaft, beispielsweise durch Veranstaltungen zu Religionen in einer Volkshochschule. Kirchlich verantwortete Bildung nimmt einen anderen Standort und damit eine andere Perspektive auf Welt und Wirklichkeit ein. Sie ist nicht neutral, sondern positionell. Das gilt für alle Themen der religiösen Bildungsarbeit mit Erwachsenen, in der der christliche Standpunkt, der christliche Glaube nicht vermittelt, aber angeboten (proposer) werden kann. Da es sich beim Glauben aber nicht um ein bloßes Warenangebot handelt, sondern es hierbei um existenzielle Lebensbezüge und Entscheidungen geht, muss man präzisieren, dass eine re-kontextualisierte religiöse Erwachsenenbildung den Glauben „ins Gespräch“ bringt und damit zu einer Auseinandersetzung einlädt. Eine re-kontextualisierte kirchlich gebundene Erwachsenenbildung stellt den Erfahrungs- und Erlebnisbezug des Religiösen in den Mittelpunkt und verbleibt nicht nur in einer theoretischen Auseinandersetzung. Die religiöse Erwachsenenbildung von morgen schließt eine mystische und spirituelle Erwachsenenbildung ein.

Dimensionen und Perspektiven

Aufgrund der veränderten kirchlichen Kontexte wird immer deutlicher, dass ohne Bildung, ohne Verstehen, ohne Wissen, ohne Bedeutung eine Bindung an die Kirche kaum möglich ist. Kirche braucht für ihre Verkündigungsund Bindungsarbeit mit Erwachsenen die Bildungsarbeit mit Erwachsenen. Eine re-kontextualisierte religiöse Erwachsenenbildung führt anders herum auch zu einer Re-Kontextualisierung der Kirche, genauer: zu einer Re-Kontextualisierung der heutigen Sozialformen von Kirche, was Veränderung und Erneuerung bedeutet.

RE-KONTEXTUALISIERUNG DER RELIGIöSEN ERWACHSENENBILDUNG IM BLICK AUF DIE GESELLSCHAFT PLURALITÄTSFÄHIGE RELIGIÖSE ERWACHSENENBILDUNG. Mehr denn je verortet sich Theorie und Praxis religiöser (Erwachsenen-) Bildung heute in der Situation der Pluralität (Englert et al. 2012; Jackson 2004; Schweitzer/Schlag 2004; Schweitzer et al. 2002; Nipkow 1998). Will sich religiöse Bildung in unserer Gesellschaft behaupten, muss sie sich, so Rudolf Englert, als „pluralitätsfähig“ erweisen (Englert 2002a, S. 93 ff.), was für alle Spielarten religiöser Bildung mit Erwachsenen in gleicher Weise gilt. Sie muss: * sich um eine umfassende Kenntnis faktisch gelebter Religiosität bemühen; * auf unvertraute Formen von Religiosität unverkrampft zugehen; * die verschiedenen Erscheinungsformen religiöser Pluralität beachten; * den Bezug auf andere Religionen als Medium der Identitätsfindung und der Wahrheitsfindung begreifen; * sich um angemessene Formen einer pluralisierenden Hermeneutik und Didaktik bemühen (ebd.). Die Erarbeitung religionspädagogischer Pluralitätskonzepte mündet – idealerweise – in die Ausformung von Kompetenzen, die für eine pluralitätsfähige Religionspädagogik (und Religionsdidaktik) sowie für die religionspädagogisch und religionsdidaktisch Handelnden unabdingbar sind (s. weiterhin ebd.). Dazu gehören die Wahrnehmungsfähigkeit für die Religiosität der Menschen heute, die Kompetenz, über unterschiedliche Religiositätsstile zu kommunizieren, die Fähigkeit, an interreligiösen und interkulturellen Diskursen teilzunehmen („Differenzkompetenz“: Klie/Korsch/WagnerRau 2012), sich persönlich zu positionieren sowie seinen eigenen, den jeweiligen Verhältnissen angemessenen Weg zu entdecken. Unter den Vorzeichen der Re-Kontextualisierung kommt religiöser Erwachsenenbildung (analog zur oben angesprochenen interreligiösen und interkulturellen Bildung) eine Motorfunktion zu: Erwachsenenbildung ist nicht einfach passives Rädchen im Getriebe der Neueinschreibung des Christentums in den Kontext der Pluralität, sondern ist Agent und Promotor der Re-Kontextualisierung. In der Bildungsarbeit können nicht nur die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sondern die christlichen Kirchen selbst lernen, in der Situation der Pluralität zurechtzukommen und mit pluralen Sinnentwürfen und Lebensführungen umzugehen. Bildungseinrichtungen (z. B. Akademien) werden für Erwachsene und Kirchen insgesamt zum Lernort von Pluralität, was wiederum Veränderung und Erneuerung mit sich bringt, indem diese Prozesse auf die Kirchen zurückwirken.

Umgehen mit Pluralität

Kompetenzen

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Religiöse Erwachsenenbildung in der „flüchtigen Moderne“

kritische Medienkompetenz

demokratische Bildung

gesellschaftskritische Funktion

MEDIENORIENTIERTE PERSPEKTIVE. „Keine Bildung ohne Medien“, titelt ein medienpädagogisches Manifest aus den vergangenen Jahren (s. gleichlautende Website, leicht zu finden über „Suchmaschinen“; vgl. Bergold 2011). Bildung in der Postmoderne ist medienorientiert. Wikipedia wird zum Bildungsereignis. Wir googeln uns durch den Alltag. Kann man am Ende auch „Gott googeln?“ (so der Gesamttitel des „Jahrbuchs der Religionspädagogik“, Bd. 28, 2012). Religiöse Erwachsenenbildung jedoch geht nicht affirmativ in der Mediengesellschaft auf, sondern leitet zur selbstbestimmten, kritischen Medienkompetenz an. „Erwachsenenbildung in Zeiten des Social Web“ (Büsch 2012) will Kompetenzen in den Menschen stärken, die sie jenseits von „Virtualität und Inszenierung“ zur Entdeckung ihrer „Authentizität“ auch in digitalen Welten führen (Die deutschen Bischöfe 2011, S. 36 ff.). Der Gedanke der Authentizität impliziert medienethische Leitideen, die die Förderung der Würde des Menschen im digitalen Netz, den Schutz der menschlichen Person, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die Ethik und Ästhetik von Bildern sowie eine klare medienöffentliche und demokratische Verantwortung aufbauen. Neben rechtlichen Voraussetzungen bedarf all dies der Bildung, was ein immenses Bildungsfeld für Erwachsene darstellt. Da das Web eine Unzahl an religiösen Angeboten bereithält, gilt es in der Bildung Erwachsener für deren Chancen und Gefahren zu sensibilisieren. Orientierung in religiösen Selbst-, Fremd- und Weltverhältnissen ist eine wesentliche Bildungsaufgabe. Denn die Bewältigung dieser Verhältnisse geschieht nicht zuletzt auch im medialen Kontext (ebd., S. 53). Religiöse Medienkompetenz umschließt religiöse Sachkompetenz, medienkritische Kompetenz (Beurteilung von religiösen Medienangeboten), mediale Handlungs- und Gestaltungskompetenz (z. B. die Fähigkeit, eigene religiöse Medienprodukte herzustellen) sowie ethische Kompetenz, also ein verantwortetes Urteilsvermögen. All dies fällt nicht vom Himmel, sondern muss und kann in gezielten Bildungsprozessen erworben werden. POLITISCHE UND BEFREIENDE PERSPEKTIVE. Christliche Religionspädagogik steht nicht äußerlich, sondern von ihrem Wesen her im „Horizont demokratischer Bildung“, wie der Züricher evangelische Religionspädagoge Thomas Schlag detailliert herausgearbeitet hat (Schlag 2013; 2010). Denn christliche religiöse Bildung ist niemals individualistisch, sondern wirkt dem Evangelium gemäß gemeinschaftsbildend und solidarisierend. Bereits oben wurde festgestellt, dass „Bildung und Gerechtigkeit“ notwendig zusammen gehören und dass „religiöse Bildung politisch sein muss“ (Könemann/Mette 2012; vgl. Marx 2011). Unter den Bedingungen der „flüchtigen Moderne“ wird Bildung Erwachsener immer zur kritischen Zeitgenossenschaft angesichts einer übersteigerten Konsum- und Leistungsorientierung anleiten, wird Zeitknappheit und Zeitverdichtung hinterfragen sowie Gegenmodelle entwerfen, die die herrschenden Trends irritieren und unbarmherzige Zeitabläufe „unterbrechen“. Ein wesentliches Element politisch orientierter religiöser Bildung ist die Sensibilisierung der Teilnehmenden für Situationen der Ungerechtigkeit, des Rassismus oder der Fremdenfeindlichkeit. Von ihrem Auftrag als religiöse Bildung in kirchlicher Verantwortung werden per se alle Formen von Men-

Dimensionen und Perspektiven

schenverachtung, Ausgrenzung oder Demütigung abgelehnt, die Mechanismen, die dazu führen können, kritisch hinterfragt und Möglichkeiten erörtert, wie die Gesellschaft ihre Humanität finden bzw. bewahren kann. Bildung hat, wie oben gesehen (Teil 2), immer eine kritische, selbstkritische und gesellschaftskritische Funktion. Religiöse Bildung Erwachsener umfasst ethische und sozialethische Komponenten, was sie in die Tradition der kirchlichen Soziallehre bzw. Sozialethik stellt (Kruip 2012). Letztere hat ihren Niederschlag in einer langen Tradition erwachsenenbildnerischer kirchlicher Tätigkeiten gefunden. Diese müssen fortgeführt, aber gleichzeitig auch re-kontextualisiert werden: Bioethik, Unternehmensethik, Wirtschaftsethik sind nur drei von vielen Bereichen, in denen sich religiöse Erwachsenenbildung heute engagieren muss. Letztendlich ist (Erwachsenen-)Bildung in einem umfassenden, ganzheitlichen und politischen Verständnis stets „Sprachschule der Freiheit“ (Wolff 2013) und „Praxis der Freiheit“ (vgl. bereits Freire 1973), oder genauer: Praxis der Befreiung. In ihrem kritischen Potential wirkt sie befreiend auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer, befreiend in kirchlicher und gesellschaftlicher Hinsicht, befreiend im Blick auf Andersdenkende und Andersglaubende, auf Marginalisierte und Exkludierte, auf Schwache und Fremde. In einem solchen Sinne, als Praxis der menschlichen, kirchlichen und politischen Befreiung, ist religiöse Erwachsenenbildung im Vergleich zu früheren Jahrzehnten und Epochen völlig neu konzipiert: Sie wird zum Element und zum Motor der Re-Kontextualisierung christlicher Religion in unserer Zeit.

Praxis der Befreiung

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4. TEIL: KONZEPTIONEN DER RELIGIÖSEN ERWACHSENENBILDUNG UND IHRE DIDAKTISCHE REALISIERUNG 4.1 Konzeptionelle Grundüberlegungen Wenn es um die Frage nach der konkreten Umsetzung von religiösen Erwachsenenbildungsveranstaltungen geht, bedarf es im Vorfeld noch einer religionspädagogischen Vergewisserung von Grundbedingungen religiöser Lern- und Bildungsprozesse mit Erwachsenen. Bevor unter 4.3 exemplarisch vier aktuelle Konzeptionen und Modelle religiöser Erwachsenenbildung vorgestellt werden, erfolgt eine kurze Vergewisserung der Ziele religiöser Erwachsenenbildungsprozesse (Bildungsstandards und Kompetenzen), eine Reflexion über neue Erkenntnisse zu Lernprozessen beim Menschen (Konstruktivismus) und eine Vergewisserung über die Teilnehmenden von religiösen Bildungsprozessen (Adressaten). Aus diesen Grundüberlegungen können dann didaktische Überlegungen und Ableitungen vorgenommen werden (4.2), die wiederum Orientierung geben für die neuen Ansätze religiöser Erwachsenenbildung. Im Kontext der vorangegangenen Reflexionen in den Teilen 1–3 in diesem Buch soll das Modell der Unterbrechung etwas ausführlicher besprochen werden. Zum Abschluss (4.4) erfolgen noch einige Klärungen und Informationen zur institutionellen Begründung und Verortung religiöser Erwachsenenbildung.

BILDUNGSSTANDARDS UND KOMPETENZEN

Input- oder OutputOrientierung?

Will ein ambitionierter Hochspringer im kommenden Jahr seine Sprunghöhe auf 1,85 m erhöhen, so wird seine Übung nicht darin bestehen, sich täglich an dieser neuen Höhe zu versuchen. Viel eher wird er seine Schnelligkeit, seine Sprungtechnik und seine Sprungkraft trainieren. Das heißt, sein Übungsfeld ist wesentlich komplexer. Die Trainingserfolge der einzelnen Sparten führen dann im Zusammenspiel im günstigen Fall zu einer neuen Sprunghöhe. Dieses Beispiel aus dem Sport kann auch auf Lern- und Bildungsprozesse in der heutigen Zeit übertragen werden. Um die Jahrtausendwende fand im schulischen Kontext eine grundlegende Reform der Bildungspläne statt. Mit den Begriffen „Bildungsstandards“ und „Kompetenzen“ erfolgte eine neue didaktische Blickrichtung auf Lehrund Lernprozesse. Die frühere Input-Orientierung, d. h. die Frage, welche Inhalte, welches Wissen, welcher Stoff soll vermittelt, gelernt und gelehrt werden, wechselte zu einer Output-Orientierung, d. h. was sollen die Menschen am Ende eines Lern- und Bildungsprozesses wissen, können und beherrschen. Über welche Kompetenzen sollen Menschen verfügen und auf welche Weise können sie im Kontext von Bildungsprozessen diese Kompe-

Konzeptionelle Grundüberlegungen

tenz erwerben? Dieses führt nicht, wie einige Kritiker der Kompetenzorientierung vorwerfen, zu einer Aufgabe von Inhalten; denn in Lern- und Bildungsprozessen werden Kompetenzen immer an Inhalten erworben, die allerdings auf eine andere Weise als bei einer herkömmlichen Stoffvermittlung zur Geltung kommen. Nach dem mittlerweile schon legendären „PISA-Schock“ für Deutschland nach der Veröffentlichung der Ergebnisse 2001 erarbeitete 2003 die Kultusministerkonferenz bundeseinheitliche Bildungsstandards mit einer Kompetenz- und Output-Orientierung. Mit dieser Einführung bundesweiter Bildungsstandards sollte auch eine allgemeine Vergleichbarkeit der Lernergebnisse und erworbenen Kompetenzen ermöglicht werden. Diese Prozesse fanden auch im Kontext der Diskussion des lebenslangen Lernens und der Frage nach der Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen Eingang in den Erwachsenenbildungsbereich. Zunächst empfahlen der Europäische Rat und das Parlament die Einrichtung eines europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), der 2008 in Kraft trat. Dieser EQR entwirft ein Referenzsystem zur Herstellung der Vergleichbarkeit nationaler Bildungssysteme und initiiert im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung und Praxis die Erarbeitung von nationalen Qualifikationsrahmen. 2006 beschlossen das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Kultusministerkonferenz, einen gemeinsamen deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) zu entwickeln, der auf acht Niveaustufen fachliche und personale Kompetenzen beschreibt und im März 2011 vom Arbeitskreis deutscher Qualitätsrahmen verabschiedet wurde (vgl. www.deutscherqualifikationsrahmen.de) und anschließend im Mai 2013 in Kraft trat. Im Rahmen religiöser Bildungsprozesse taucht angesichts der eben beschriebenen bildungspolitischen Entwicklungen die Frage nach den religiösen Kompetenzen und Standards auf. Im schulischen Bereich sind für den Religionsunterricht ab 2004 Bildungsstandards, Kenntnisse und Kompetenzen definiert worden (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2006; Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2004). Für die religiöse Bildungsarbeit mit Erwachsenen führten die Entwicklungen im Religionsunterricht nicht zu Festschreibungen von Bildungsstandards, wohl aber zu einer neuen didaktischen Perspektive auf religiöse Bildungsprozesse mit Erwachsenen. Zunächst ist für religiöse Bildungsprozesse der Frage nachzugehen, was unter religiösen Kompetenzen verstanden wird. Welche religiösen Kompetenzen sollen als Ziel religiöser Bildung erworben werden? Was bedeutet es, „religiös kompetent“ zu sein? (Schambeck 2011). Die Religionspädagogin Monika Jakobs unterteilt die religiöse Kompetenz in Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz (Jakobs 2002). Zur religiösen Sachkompetenz gehören Wissen und Verstehen von Fakten und Zusammenhängen sowie die Fähigkeit, sich solches Wissen zu beschaffen. Religiöse Selbstkompetenz bedeutet, die eigene Tradition zu erkennen und sich selbst in ein Verhältnis dazu zu stellen, und das bedeutet auch, einen eigenen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen und kommunizieren zu können. Schließlich meint religiöse Sozialkompetenz die religiöse Sprachfähigkeit, die die eigene Identität begreiflich macht, die zur Verständigung mit Anderen anleitet und so gesell-

Qualifiation in der Erwachsenenbildung

religiöse Kompetenz

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

Religion und Glaube sind nicht machbar

schaftlich wirksam werden kann. Hier geht es um Werte und Haltungen. Ulrich Hemel hatte bereits 1988 religiöse Kompetenz als „die erlernbare, komplexe Fähigkeit zum verantwortlichen Umgang mit der eigenen Religiosität in ihren verschiedenen Dimensionen und in ihren lebensgeschichtlichen Wandlungen“ definiert (Hemel 1988, S. 674). Religiosität gehört zur anthropologischen Grundausstattung des Menschen und kann durch Bildungsprozesse entfaltet werden. Religiöse Kompetenz ist aber vom Glauben zu unterscheiden, da sich der Glaube – Hemel spricht hier von religiöser Identifikation (ebd., S. 543 f.) – der religionspädagogischen Verfügbarkeit entzieht. Glaube kann nicht gelernt und einfach hergestellt werden. Wohl aber wirkt religiöse Bildung auf Glauben hin. Eine kompetenzorientierte religiöse Erwachsenenbildung ist kein reiner Vermittlungsprozess, sondern sie stellt religiöse Bildungsprozesse in den Kontext der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen. Es geht nicht primär um die Frage, welche Inhalte und Themen vermittelt werden sollen, sondern welche religiösen Kompetenzen erworben und angeeignet werden können. Aus diesen didaktischen Grundfragen haben sich die aktuellen Konzepte religiöser Erwachsenenbildung (narrative, biografieorientierte religiöse Erwachsenenbildung, unterbrechende Erwachsenenbildung, salutogenetische Erwachsenenbildung und Erwachsenenbildung als Empowerment) entwickelt.

KONSTRUKTIVISMUS

Wissenskonstruktionen

Auch für die religiöse Bildung haben die Überlegungen zum Bildungsverständnis große Bedeutung, die auf konstruktivistischen Denk- und Lernmodellen basieren (Bornhauser 2005; Schäfer 2005). Lernen wird im Konstruktivismus nicht länger als individuelle Informationsaneignung und Verhaltensänderung angesehen, sondern in die komplexen Bezüge zwischen den individuellen Gegebenheiten (individuelle Erfahrungen, vorhandene Wissensstrukturen etc.), soziokulturellen Kontexten sowie emotionalen und motivationalen Vorgängen eingebunden. Bei Lern- und Bildungsvorgängen wird daher eher von „Wissenskonstruktionen“ gesprochen, in denen Wissensstrukturen und Kompetenzen entwickelt werden. (Reinmann-Rothmeier/Mandl 1998). Die neueren Untersuchungen weisen daraufhin, dass Wissen nur als Prozesswissen kompetenzbildend wirksam ist, das heißt, wenn es sich an den für das Leben der Lernenden bedeutsamen Situationen und ihrer Handlungslogik orientiert und weniger an der Struktur des Wissens selbst und seiner Präsentationslogik (Faulstich/Ludwig 2004). Daran anknüpfend entwickelt Rolf Arnold das Konzept einer Ermöglichungsdidaktik für Bildungsprozesse, das das bisherige Konzept einer Erzeugungsdidaktik ablöst (Arnold 2007). Eine konstruktivistische Pädagogik verweist dabei auf die Zufälligkeit pädagogischer Wirksamkeit sowie auf die notwendige begriffliche Konstruktionsleistung des Subjekts im Lernprozess. Statt um Vermittlung oder Lehre geht es um Anregung und Ermöglichung. Der systemische Bildungsbegriff, der für die Erwachsenenbildung und insbesondere die religiöse Bildung erst allmählich an Bedeutung gewinnt (Pohl-Patalong 2003), ist sehr

Konzeptionelle Grundüberlegungen

stark subjektorientiert. Das mündige Subjekt, das nicht belehrt, sondern in seinem eigenen Lernen unterstützt und begleitet wird, steht im Mittelpunkt und wird in seinen selbsttätigen und selbstbildenden Konstruktionsprozessen, die nicht steuerbar oder vorhersagbar sind, ernst genommen. Religiöse Bildungsarbeit in der kirchlichen Erwachsenenbildung muss sich diesem Perspektivwechsel stellen. Der systemische Ansatz betont aber besonders den Aspekt der Reflexion und Bedeutung. Es geht weniger um inhaltliche Themen, sondern vor dem Hintergrund heutiger Pluralitäten (auch im religiösen Bereich) um das bewusste Verfügen über den Zusammenhang der Kontexte, in denen die Themen erscheinen. Es geht also um Kohärenz.

ADRESSATEN RELIGIöSER ERWACHSENENBILDUNG Die Frage, wer die Teilnehmenden religiöser Erwachsenenbildungsveranstaltungen und -angebote sind, bedarf einer eigenen Überlegung. Im Gegensatz zum Lern- und Bildungsort Schule zeichnen sich die Angebote der religiösen Erwachsenenbildung durch die Freiwilligkeit der Teilnahme aus (Jakobs 2013). Dies bedeutet, dass von unterschiedlichen und wechselnden Gruppen auszugehen ist. Die religiöse Erwachsenenbildung befindet sich bezüglich der Adressaten ihrer Bildungsangebote in einer Marktsituation und muss sich Strategien aus der Werbung und dem Marketingbereich bedienen. Damit Teilnehmende zu Veranstaltungen religiöser Erwachsenenbildung kommen, muss eine Passung zwischen Angebot und Adressaten erzielt werden. Die Angebote müssen ansprechend sein, sie müssen Interesse wecken und sie müssen zur Teilnahme bewegen und motivieren. Ein wichtiges Kriterium bei der Planung und Konzeption religiöser Erwachsenenbildungsarrangements ist die Frage, welche Adressaten angesprochen werden sollen und für wen religiöse Bildungsangebote konzipiert werden. Diese Frage nach den Adressaten gehört neben den inhaltlichen und methodischen Überlegungen zu einem der didaktischen Grundprinzipien religiöser Erwachsenenbildung (Siebert 2009; Tippelt/Hippel 2011). Bei den didaktischen Überlegungen zu den Adressaten unterscheidet man mehrere Orientierungslinien und Fokussierungen: Das Prinzip der Zielgruppenorientierung legt den Fokus auf die sozialen Gruppen, die mit dem Bildungsangebot erreicht werden sollen. Ein religiöses Bildungsangebot für beispielsweise hauptamtlich pastorale Mitarbeiter unterscheidet sich von einer Bildungsveranstaltung mit ehrenamtlichen Verbandsmitgliedern von Kolping oder mit jungen Eltern, die sich für die religiöse Erziehung ihrer Kinder interessieren. Alle sozialen Gruppen zeichnen sich durch spezifische Erwartungen an religiöse Bildungsangebote aus, für die es entsprechend auch spezifische Angebote geben muss, damit sie adäquat angesprochen werden. Daher ist im Vorfeld eine entsprechende Zielgruppenanalyse erforderlich (Hippel/Tippelt 2011). Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Zielgruppe der sogenannten Bildungsbenachteiligten oder Bildungsfernen dar, die Hemmungen oder Barrieren aufbauen und nicht unbedingt freiwillig zu Bildungsveranstaltungen gehen. Wie in der allgemeinen Erwachsenenbildung können in der religiösen Arbeit mit Erwachsenen Menschen in bestimmten Lebenslagen (junge Familien, Singles, Frauen, Männer, junge Alte, ältere Senioren) angesprochen werden, Menschen

wechselnde Gruppen

Zielgruppenanalyse

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

Partizipation

erwachsene Lebenswelten

mit und ohne Benachteiligungen bzw. Behinderungen (Inklusion), Menschen aus bestimmten Berufsgruppen (Krankenpflegepersonal, Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer, Arbeiterinnen und Arbeiter im Industriesektor etc.), wobei auch hier gilt, dass Zielgruppen niemals exklusiv definiert werden dürfen und sie stets auch offen sein müssen für Teilnehmende, die nicht in das vorausgedachte „Schema“ passen. Ein weiteres didaktisches Prinzip stellt die Teilnehmerorientierung dar, die besagt, dass die Planung und Gestaltung von Bildungsangeboten sich an den Lerninteressen und Lernvoraussetzungen der Adressaten orientieren muss. Nicht der Lerninhalt steht im Vordergrund, sondern die Frage nach der Bedeutung der religiösen Lerninhalte für die Teilnehmenden wird zum Angelpunkt didaktischer Planung (Müller 2008). Kerngedanke der Teilnehmerorientierung ist die Partizipation am Bildungsgeschehen. Insbesondere eine subjektorientierte religiöse Erwachsenenbildung versucht die Bedürfnisse, die Interessenslagen, aber auch die Bildungsvoraussetzungen der Teilnehmenden zu berücksichtigen und im Bildungsprozess Möglichkeiten der Partizipation über Inhalte, Themen, Ziele, Erarbeitungsform und Methoden zu schaffen. Gerade bei religiösen Lehr- und Lernprozessen ist die Frage nach der Bedeutung dessen, was in der Bildungsveranstaltung behandelt wird, für den einzelnen Teilnehmenden evident. Die Lebensweltorientierung ist ebenfalls ein wichtiges didaktisches Prinzip bezüglich der Adressaten (Tippelt/Hippel 2011). Eine re-kontextualisierte religiöse Erwachsenenbildung muss von einer Pluralität der Lebenswelten ausgehen, in denen Menschen heute leben. Die jüngste Lebenswelt- bzw. Milieu-Studie von SINUS (MDG 2013) beinhaltet wichtige Informationen über Lebensstile, Lebensziele, Lebenslagen, Wertvorstellungen, Handlungsziele in den jeweiligen Alltagswelten. Die Kenntnis über die unterschiedlichen Lebenswelten und die Berücksichtigung dieser milieuspezifischen Ausrichtungen führen zu einer milieusensiblen religiösen Erwachsenenbildung (Sellmann/Wolanski 2013). Wer didaktisch religiöse Bildungsangebote konzipiert und plant, muss damit rechnen, dass bei der Veranstaltung unterschiedliche Lebenswelten bei den Teilnehmenden vorliegen. Die Auseinandersetzung mit diesen Lebenswelten kann zu veränderten Angeboten, Formaten, Kommunikationsstilen und Methoden führen (Hempelmann 2013). Die Lebensweltorientierung religiöser Erwachsenenbildung entwickelt eine neue Perspektive von Seiten der Lehrenden auf die Didaktik religiöser Bildungsarbeit, die Bischof Hemmerle einmal ausgedrückt hat: „Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe.“ (Hemmerle 1983)

4.2 Didaktik religiöser Erwachsenenbildung BEGRIFF DER DIDAKTIK IN DER ERWACHSENENBILDUNG Der Begriff der Didaktik (von griechisch didaskein, aktiv: lehren; passiv: lernen; substantivisch: Unterricht, Lehre; adjektivisch: lehrbar) ist vor allem schulpädagogisch verankert.

Didaktik religiöser Erwachsenenbildung

Für den Bereich der Erwachsenenbildung wurden erst Ende der 1980iger und Anfang der 90iger Jahre didaktische Konzeptionen entwickelt (Siebert 1978; Lehner 1989), die weder die Bedeutung der schulpädagogischen Didaktiken erlangten, noch deren Funktion eines verbindlichen Maßstabes für die Planung von Erwachsenenbildungsveranstaltungen übernahmen. Gleiches gilt auch für die religiöse Bildung. Während schon früh korrelationsdidaktische Überlegungen für die Gestaltung des Religionsunterrichtes aufgestellt wurden und bis heute eine permanente Weiterentwicklung erfuhren (z. B. performative Didaktik, abduktive Didaktik, Symboldidaktik etc.), liegen für die religiöse Erwachsenenbildung keine eindeutigen didaktischen Modelle oder Konzeptionen vor. Es gibt hier auch für Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner, die in der religiösen Erwachsenenbildung tätig sind, keine rechtlich vorgeschriebenen Studienseminare, in denen sie gezielt und fachlich begleitet über einen gewissen Zeitraum in didaktisches Denken und Handeln eingeübt werden. Neben dem Bestehen von konzeptioneller Mannigfaltigkeit (s. unten: Abschnitt 4.3) gibt es keine geschlossenen didaktischen Modelle für den Bereich der Erwachsenenbildung. Die „Unterbrechungsdidaktik“ stellt hier eine Ausnahme dar.

keine Festlegung

OFFENE DIDAKTISCHE MODELLE Das Fehlen konkreter didaktischer Modelle ist in der Zielgruppe und der offenen Angebotsstruktur von Erwachsenenbildungsveranstaltungen begründet. Die Pluralität der Lebenswelt erwachsener Menschen sowie der Respekt vor Erwachsenen, die eben nicht wie in der Schule einer geplanten Anleitung und Führung bedürftig sind, erfordern hier eher offenere didaktische Überlegungen. Erhard Meueler spricht hier von der nicht erzwingbaren Vermittlung zwischen Subjekt und Objekt im Kontext der Erwachsenenbildung (Meueler 2011). Durch die Konstruktivismusdebatte kam dann auch eine didaktische Wende von der Lehre zur Gestaltung der Lernkontexte zustande. Stichworte für den Perspektivwechsel waren: * Aneignung statt Vermittlung * Ermöglichungsdidaktik * blended learning * selbstreguliertes Lernen * neue Lehr- und Lernkultur Es zeigt sich, dass als Spezifikum der Erwachsenenbildung die Inhalts- und Beziehungsebenen in Kursen und Seminaren eng verflochten sind und die Lerninhalte mitunter erst im Verlauf des Seminars entstehen und sich verändern. In der religiösen Erwachsenenbildung gibt es im Allgemeinen keinen verbindlichen Lehrplan, in dem festgelegt ist, welche religiösen Themenfelder in welcher Zeit und mit welchen Anteilen zu lernen sind. Selbstverständlich weisen die Angebote religiöser Erwachsenenbildung in ihren Programmen auf die zu behandelnden Themen und Schwerpunkte hin, aber sie sind in der Regel auf die jeweilige Veranstaltung bezogen und begrenzt und werden nicht in ein umfassenderes Curriculum eingebunden. Erwachsene wählen und entscheiden selbst, welches Bildungsangebot sie wahrnehmen. Im Unterschied

neue didaktische Perspektiven

kein festes Curriculum

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

Gestaltung von Bildung

TZI

zur didaktischen Fremdbestimmung in der Schule für Jugendliche haben die Erwachsenen im Prinzip die Möglichkeit der didaktischen Selbstwahl. Didaktische Überlegungen und Entscheidungen für religiöse Bildungsangebote orientieren sich daher nicht primär an den Lehrstoffen als vielmehr an den Subjekten. An die Stelle der Vermittlungsperspektive ist im Bereich religiöser Erwachsenenbildung die Aneignungsperspektive gerückt. Gerade in religiösen Bildungsprozessen mit Erwachsenen, in denen der Lehr- und Lerngegenstand nicht vorzeigbar oder darstellbar ist, da Gott sich der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung entzieht, greift jede Art von Erzeugungsund Vermittlungsdidaktik zu kurz und verlangt eher Ansätze einer Ermöglichungs- und Aneignungsdidaktik (Arnold/Gómez Tutor 2007). Die didaktische Grundfrage religiöser Bildungsprozesse ist, wie das sinnlich nicht Wahrnehmbare aber Wirkmächtige wirklich wirksam werden kann. Didaktisches Handeln ist vom Grundsatz her auf die Gestaltung von Lehrund Lernprozessen gerichtet. Dabei kommt als Spezifikum für den erwachsenenbildnerischen Kontext die Vielfalt der Lehrformate in den Blick. Religiöse Bildungsangebote in der Erwachsenenbildung können in Form von abendlichen Vorträgen mit anschließender Aussprache oder von Gesprächskreisen, von halb- oder eintägigen Tagungen bis hin zu zwei- oder mehrtägigen Seminaren oder Kursen durchgeführt werden. Alle diese unterschiedlichen Formate bedürfen eigener veranstaltungsformbezogener didaktischer Überlegungen, die auch den Einsatz unterschiedlicher Methoden betrifft. So macht der Einsatz von sozial ausgerichteten Methoden (wie z. B. Partnerarbeit, Fishbowl, Rollenspiel etc.; Müller 1982) oder Methoden der Gruppenbildung nur bei Tagungs- oder Seminarformaten Sinn. Auch der Einsatz von Methoden, die für religiöse Bildungsprozesse prädestiniert sind (wie z. B. Bibliodrama oder die „Västeras-Methode“ bei der Bearbeitung von biblischen oder religiösen/theologischen Texten) müssen auf die jeweilige Veranstaltungsform ausgerichtet sein. Ein didaktisches Modell, das ebenfalls als offenes Modell bezeichnet werden kann, verdient der besonderen Erwähnung. Nicht wenige Seminare der religiösen Erwachsenenbildung werden von ausgebildeten Trainern der Themenzentrierten Interaktion (TZI) geleitet. Die TZI wurde von Ruth C. Cohn als allgemeindidaktisches Konzept entwickelt, um insbesondere das Lernen in Gruppen zu einem „lebendigen“, also lebensrelevanten Lernen zu machen (Darstellung bei: Löhmer et al. 2006; Langmaack 2004). Es beruht auf anthropologischen und ethischen Grundlagen. „Lebendiges Lernen“ ist dann möglich, wenn die Beziehungen der Lernenden und (!) der Lehrenden zu sich selbst (ICH), zur Lerngruppe (WIR) und zum Thema (ES) reflektiert, thematisiert und im Lernprozess bearbeitet werden. Der Lernprozess findet stets in einem bestimmten Kontext (GLOBE) statt, der die Gruppe und das Lernen beeinflusst. Erreicht werden soll eine „dynamische Balance“, ein Gleichgewicht zwischen den einzelnen Polen. Im Gegensatz zur Gruppendynamik, bei der die Gruppe sich selbst zum Thema macht, steht in der TZI die Auseinandersetzung mit elementaren und relevanten Themen im Mittelpunkt, weshalb TZI für religiöse Bildungsprozesse prädestiniert ist. Wenn es für die religiöse Erwachsenenbildung keine geschlossenen und abgerundeten didaktischen Modelle gibt, so erspart dies nicht eine didaktisch-methodische Planung von religiösen Erwachsenenbildungsangeboten.

Didaktik religiöser Erwachsenenbildung

Die didaktische Planung richtet sich auf den Lehr- und Lernprozess. Anregungen können hier die von Horst Siebert formulierten, bewusst offen angelegten didaktischen Aspekte zum Lehren und Lernen geben, die einen didaktischen Leitfaden darstellen können.

RELIGIöSES LEHREN UND LERNEN Die folgenden Hinweise stammen aus dem Bereich der allgemeinen Erwachsenenbildung (nach Siebert 2012, S. 95 ff.), werden aber hier für religiöses Lehren und Lernen durchbuchstabiert. 1. Erwachsene sind – auch in religiöser Hinsicht – gleichzeitig lernfähig und unbelehrbar. Das schließt jedoch nicht aus, dass sie mit und von Anderen lernen. 2. Erwachsene lernen (religiös) so, wie sie es Jahrzehnte lang gewohnt sind. Sie können sich aber allmählich an neue Lernsituationen gewöhnen. 3. Gerade in der religiösen Erwachsenenbildung sind Lehrende „autopoietische Systeme“, Lehren und Lernen folgen unterschiedlichen Logiken und Kriterien. Lehren und Lernen sind nur lose miteinander gekoppelt. 4. Nicht nur die Lehrenden, sondern die gesamte Situation (Atmosphäre, Räumlichkeiten, Umgebung) beeinflussen die religiösen Lernprozesse. Eine humorvolle Stimmung fördert den Lernerfolg. 5. Lehrende können ein Lernthema „verkörpern“ und dadurch eine Resonanz mit den Lernenden fördern. Motivierte Lehrende motivieren. 6. Imitationslernen ist möglich. Erwachsene lernen von anderen etwas, wenn sie die Person als sympathisch und kompetent wahrnehmen. 7. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der religiösen Erwachsenenbildung sind keine rezeptiven „Empfänger“ von Wissen, sondern sie gestalten die Lehr – Lernsituation mit. Teilnehmerinnen und Teilnehmer können nicht nicht kommunizieren (Paul Watzlawick). 8. Auch Lernwiderstände und Lernvermeidungen können begründet sein, wenn das Wissen nicht als sinnvoll und lebensrelevant erkannt wird. 9. Nachhaltig gelernt werden insbesondere „generative Themen“ (Paulo Freire). Wissen, das nicht sinnvoll erscheint, bleibt „träge“. 10. Religiöses Lernen heißt auch: „begreifen“. Begreifen hat eine doppelte Bedeutung: a) als Handeln und b) Begriffe verwenden. Beides gehört zusammen. 11. Wer lehrt, lernt. Lernende sollten ihre neuen Erkenntnisse deshalb möglichst anderen (Familie, Kollegen) mitteilen. Lehrende sollten evaluieren, was sie in ihrem Kurs gelernt haben. 12. Nachhaltiges religiöses Lernen erfordert eine kontinuierliche (Selbst-) Reflexion und (Selbst-)Evaluation, z. B. durch Lerntagebücher, Gespräche mit Mitlernenden, Anwendung des Gelernten. Zu unterscheiden ist zwischen kurzfristigen Lernerfolgen und langfristigen Lernwirkungen (auch Sleeper-Effekte). 13. Wer in der religiösen Erwachsenenbildung lernt, erweitert nicht nur seinen geistigen Horizont durch neue Themen, sondern schafft sich dadurch auch neue soziokulturelle Umwelten (neue Gesprächspartner). 14. Lehrende, die Erwachsene umerziehen oder „missionieren“ wollen, bewirken dadurch oft gegenteilige Bumerang-Effekte und Lernwiderstände.

lernende Lehrende

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

15. Eine wichtige religionspädagogische Kompetenz ist „reading and flexing“, das heißt eine Gruppe „lesen“ und flexibel ein Seminar gestalten. 16. Zur anregenden Lehre gehört auch eine „Gegensteuerung“, u. U. durch provokative Gegenpositionen und „Perturbationen“, was bei den Lernenden produktive Unterbrechungen bewirken kann. 17. In Seminaren lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann von anderen Gruppenmitgliedern, wenn sie von denen anerkannt werden. Anerkennung ist ein zentrales theologisches, religiöses und menschliches Konzept. 18. Es gibt Kriterien für „gutes“ oder „schlechtes“ Lehrverhalten. Dennoch ist die Wirkung der Lehre unvorhersehbar, v. a. im religiösen Bereich, da sich Religion und Glaube der einlinigen Machbarkeit entziehen. 19. Lehrende sind zugleich Repräsentantinnen und Repräsentanten der (kirchlichen) Einrichtung und sollten sich – zumindest partiell, kritisch und selbstreflexiv – mit dem institutionellen Selbstbild identifizieren.

MAKRODIDAKTIK – RELIGIONSDIDAKTISCH REFLEKTIERT

Nachhaltigkeit von Bildung

Qualitätssicherung

Solche oder ähnliche Planungs- und Reflexionsüberlegungen über den Zusammenhang von Lehren und Lernen bei Erwachsenen führten zu einem neuen didaktischen Verständnis, das mit dem Stichwort „Makrodidaktik“ bezeichnet wird (Siebert 2009). Dieses neue didaktische Verständnis löst sich von der unmittelbaren Veranstaltung und stellt sie in einen größeren Kontext. Gerade bei religiösen Erwachsenenbildungsprozessen ist die Frage bedenkenswert, worin „nach“ der Veranstaltung der Wert besteht und wie dieser ermöglicht werden kann. Im Unterschied zur Schule, in der es immer den nächsten Schultag gibt, wird im Bereich der Erwachsenenbildung die Zeit danach zu einer wichtigen makrodidaktischen Grundfrage. Der Wert religiöser Bildungsarbeit, der Bildungserfolg beschränkt sich nicht nur auf die Veranstaltung und endet mit ihr, sondern wirkt nach. Diese didaktischen Überlegungen über den Transfer, über Handlungsoptionen, Lebensrelevanz etc. sind ein wichtiger Aspekt einer Didaktik religiöser Erwachsenenbildung (Reischmann 2005). Das Nachdenken über den „Wert danach“ macht die Veranstaltung zu einer Bildungsmaßnahme. Fehlt diese Absicht, so handelt es sich nicht um eine Bildungs-, sondern um eine Unterhaltungsveranstaltung (ebd., S. 56). Folgende makrodidaktische Fragen sind zu bedenken: * Worin besteht „danach“ der Wert des religiösen Erwachsenenbildungsprozesses und wie kann dieser ermöglicht werden? * Welche Auswahl von Inhalten und Themen ist für die Teilnehmenden die richtige? * Wie kann im Nachgang der Veranstaltung das Neugelernte, Erfahrene, Bedachte, Erkannte begleitet, gestützt, gefördert und gestärkt werden? Verantwortliche in der religiösen Erwachsenenbildung sind von daher immer auch „Makrodidaktikerinnen und Makrodidaktiker“. Zum Stichwort „Makrodidaktik“, die die übergreifenden Zusammenhänge didaktischen Handelns in der Erwachsenenbildung in den Blick zu nehmen sucht, gehören auch die Aspekte des Qualitätsmanagements (Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung) von Bildungsveranstaltungen, die vor allem

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

eines zum Ziel haben: die Nachhaltigkeit von Bildung zu fördern. Damit verbunden ist die Aufgabe der Evaluation von Bildungsarbeit mit Erwachsenen, die gerade in religiösen und kirchlichen Kontexten zum Tragen kommt (Wesseler 2011). Planung und Steuerung können evaluiert werden, ebenso die Ergebnisse, das Erreichen der im Vorfeld festgelegten Ziele, der Aufbau von Kompetenzen und die Erfüllung von Teilnehmererwartungen. Im Idealfall bringt Evaluation Lehrende und Lernende ins Gespräch über die Art und Weise des Lehrens und Lernens.

4.3 Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung Neben den eher theoretischen religionspädagogischen und didaktischen Reflexionen über religiöse Bildungsprozesse mit Erwachsenen geht es nun um die Praxis religiöser Bildung. Die neueren didaktischen Überlegungen zu Konzeptionen einer re-kontextualisierten religiösen Erwachsenenbildung führen zu neuen Modellen. Vier derzeitig diskutierte Modelle sollen hier nun exemplarisch vorgestellt werden.

NARRATIVE, BIOGRAFIEORIENTIERTE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG Die Antwort auf Pluralität und die Möglichkeit, mit Pluralität umgehen zu können, ist Identität. Eine re-kontextualisierte religiöse Bildungsarbeit ist von daher maßgeblich Identitätsarbeit. Die Beziehung zwischen Bildung und Identität muss stärker als bisher in den Fokus religionspädagogischer Überlegungen gelangen (s. oben Teil 2). Das alte pädagogische Postulat „die Menschen stärken, die Sache klären“ (Hartmut v. Hentig) erhält angesichts der Moderne für erwachsenenpädagogisches Handeln die Präferenz „Erst die Menschen stärken, dann die Sache klären“, um die Kompetenz, sprich den Umgang, die Auseinandersetzung etc. zu ermöglichen. In dem Zusammenspiel von Bildung und Identität (Meyer-Drawe 2000) rückt das Identitätslernen, genauer das religiöse Identitätslernen zunehmend in den Mittelpunkt religiöser Erwachsenenbildungsarbeit. Identität ist eine permanente Konstruktionsaufgabe und -arbeit der Subjekte. Lebenslaufbezogene Erwachsenenbildung ist identitätsfördernde und auf das Individuum fokussierte, die Menschwerdung des Menschen begleitende Bildungsarbeit (Uphoff 1991, S. 159). Dabei spielt die Narration eine entscheidende Rolle. Erinnern und Erzählen sind konstitutive Elemente für die Konstruktion von individueller und religiöser Identität. Im Hören und Erzählen von Lebensgeschichten, von Biografien bildet sich Identität. Narrationen und insbesondere Biografien schaffen Kohärenzen und Sinnzusammenhänge, die für die Identitätsbildung entscheidend sind. Für Paul Ricoeur ist das Leben eines Menschen ein „Gewebe erzählter Geschichten“ (Ricoeur 1996). Neben dem Aspekt des Zusammenhangs von Bildung und Identität bzw. Identitätskonstruktionen steht noch eine weitere didaktische Überlegung, die die Bedeutung einer narrativen und Biografie-orientierten Konzeption religiöser Erwachsenenbildung begründet. Es handelt sich hierbei um Er-

biografisch relevante Erzählung

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

biografische Vernetzung

Lebens-Bildung

kenntnisse über Lern- und Bildungsprozesse bei Erwachsenen, die neuen konstruktivistischen Lerntheorien entstammen (Mendel 2005; Arnold 2007). Eine systemisch-konstruktivistische Didaktik geht von der Prämisse aus, dass Themen und Inhalte religiöser Erwachsenenbildung nicht einfach „vorhanden“ sind und lediglich „vermittelt“ werden können, sondern dass Lerninhalte in einem konstruktivistischen, selbstorganisierten Prozess in den Adressaten „erzeugt“ werden. Statt von Vermittlung ist eher von Aneignung zu sprechen. Und diese Aneignung erfolgt durch eine biografische Vernetzung. Lernen, religiöses Lernen muss verstärkt in seinen biografischen Bezügen gesehen werden. Inhalte und Themen werden dann nachhaltig gelernt, wenn sie „für eigene Selbstentwürfe produktiv“ gemacht werden können. Welche Inhalte kognitiv anregen oder emotional aufregen, hängt von dem jeweiligen biografischen Kontext ab. Narrationen, Biografien, das Erzählen bekommen auch in diesem Zusammenhang einen großen Stellenwert und macht eine biografische Didaktik und Biografie-orientierte Lehr- und Lernkonzepte erforderlich. Die biografische Rekonstruktion und Integration von Themen und Inhalten religiöser Erwachsenenbildungsarbeit werden von den Teilnehmenden selbst geleistet. Die Lehrenden in der Veranstaltung sollten durch Narrationsangebote biografische Vernetzungen anregen und auf die selbstgesteuerten Lernprozesse im Sinne einer „Ermöglichungsdidaktik“ (Arnold/Gómez Tutor 2007) vertrauen. Eine religiöse Erwachsenenbildung im Kontext der Re-Kontextualisierung entwickelt sich daher zunehmend zu einer narrativen religiösen Erwachsenenbildung. Im Bildungsprozess und Bildungshandeln werden mehr didaktische und methodische Räume und Möglichkeiten geschaffen, in denen es um das Erzählen, um das Hören, um das Erinnern geht. Neue Konzeptionen, wie z. B. das Münchener Modell der Biografiearbeit (Klingenberger/KrecanKirchbichler 2012) oder die Rezeption der Tradition jüdischer Lehrhäuser (Stöhr 2002) für religionspädagogische Prozesse weisen hier in die richtige Richtung, bedürfen aber noch einer tieferen religionspädagogischen Reflexion. Religiöse Lernprozesse werden so zum Erinnerungs- und Erzähllernen. In Psalm 103 lesen wir: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Ps 103,1–2) Dieser sogenannte Geschichtspsalm könnte ein neues didaktisches Signal für heutige religiöse Bildungsprozesse setzen. Biografisches Lernen, das letztlich der Herstellung von Sinn angesichts des eigenen Lebens dient, ist dabei kein Vermittlungs- sondern Aneignungslernen und entspricht damit den Anforderungen konstruktivistischer Überlegungen und Erkenntnisse. Dabei spielt das selbstorganisierte Lernen und das erfahrungsbezogene Lernen gerade in der Erwachsenenbildung eine bedeutende Rolle (Kaupp 2011). Lebensgeschichten und Lebensraum können auf diese Weise auch Räume der Gottesbegegnung werden, was die österreichische Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach einmal wie folgt formuliert hat: „Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.“ Im Erzählen und Erinnern wird das Erlebte gedeutet, wird in einen Sinnzusammenhang gestellt und erhält damit eine Be-Deutung. In einem religiösen Bildungskontext kann hierbei Neues entdeckt werden, Vertrauen gewonnen werden, Begegnung und Beziehung ermöglicht werden.

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

Kirchliche Erwachsenenbildung bietet Raum und Zeit für solche narrativen Prozesse. Hier können Menschen ihre Geschichte erzählen, hier hören sie andere Geschichten, hier setzen sie sich mit anderen Geschichten auseinander, hier werden Geschichten gedeutet, reflektiert. Kirchliche Erwachsenenbildung übernimmt die Aufgabe der Begleitung von narrativen Identitätsbildungen, damit der Mensch Mensch wird, Mensch ist, Mensch bleibt und sein kann und menschlich leben kann in einer mehroptionalen, pluriformen und ständig wechselnden Lebenswelt. Und religiöse Erwachsenenbildung erzählt die Geschichte von dem dem Menschen zugewandten und ihn nie aus dem Auge verlierenden Gott. Es ist ein Erzählen von Kontexten, von Bezügen.

UNTERBRECHUNG ALS DIDAKTISCHE KATEGORIE DER RELIGIöSEN ERWACHSENENBILDUNG Eine weitere neue Konzeption religiöser Erwachsenenbildung stellt die sogenannte „Unterbrechungsdidaktik“ dar, die oben (Teil 3.2) bereits theoretisch und theologisch reflektiert wurde, im Folgenden nun in religionsdidaktischer Hinsicht dargestellt wird (Bergold/Blum 1999). Sie stellt einen konsequenten Versuch einer Re-Kontextualisierung dar, in dem der christliche Unterbrechungscharakter zum didaktischen Prinzip erhoben wird. Das kritische Potential christlichen Glaubens findet sich im Ruf Mk 1,15: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Es ist der Ruf der Umkehr angesichts der Heilszusage, angesichts des angebrochenen Reiches Gottes. „Die messianische Zukunft christlichen Glaubens bestätigt und bestärkt nicht einfach unsere vorgefasste bürgerliche Zukunft, verlängert sie nicht, tut ihr nichts hinzu, überhöht und verklärt sie nicht, sondern unterbricht sie.“ (Metz 1980, S. 10). Religiosität, Glaube erhält damit einen provokativen Charakter. Metz spricht von einem Stachel.

Umkehr

UNTERBRECHEN STATT ANBIETEN Die bisherige Didaktik religiöser Erwachsenenbildung ist stark von einer Angebotsorientierung geprägt. Im Programmhandeln und bei konzeptionellen Überlegungen religiöser Erwachsenenbildung werden Krisenphänomene, Verluste, Defizite, Fragen, gegebenenfalls sogar Ängste beschrieben, an denen die Angebote religiöser Erwachsenenbildung ausgerichtet und didaktisch verortet werden. Religiöse Erwachsenenbildung wird somit zu einem Lieferanten von Sinn, von Orientierung, von Antworten (Sellmann 2005). Die technischen Innovationen, die vielen Angebote im Konsum-, Freizeitund Lebensbereich, so beängstigend und undurchsichtig sie auch sein mögen, sie werden aber von vielen Menschen auch als Chance, als Freiheit, als Lebensqualität erlebt, gedeutet und kreativ und produktiv umgesetzt. Umfragen ergeben, dass für einen hohen Anteil von Menschen heute die Chancen, die durch die vielen gesellschaftlichen Angebote in vielen Lebensfeldern offen stehen, viel stärker im Vordergrund rangieren, als die damit verbundenen Ängste und Risiken (Klages 2003). Haben die Menschen heute denn tatsächlich so viele offene Fragen und sind auf der ständigen Suche nach Orientierung? Sind hier nicht im Laufe der

Angst vor Veränderung

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

Gottesfrage als Unterbrechung

Zeit wirksame Strategien entwickelt worden, damit dieses Fragen und das ständige Suchen einem erspart bleibt? Der Religionspädagoge Benno Haunhorst spricht von immunisierenden Alltagsidealen (Haunhorst 1995). Drei solcher Alltagsideale oder -ideologien lauten z. B.: „Alles bleibt, wie es ist!“, also die resignative, aber zugleich beruhigende Auffassung, dass keine großen Veränderungen in diesem Leben und auf dieser Welt mehr zu erwarten sind (zumindest in der eigenen Lebenswelt); oder: „Das kriegen wir schon hin!“, also das moderne und auf den ersten Blick ermutigende Bekenntnis zur eigenen Machbarkeit einer heilen Welt; oder schließlich: „Das geht mich nichts an!“, also der privatisierende und individualisierende Trend zur Abschottung vor den zum Teil beängstigenden Zuständen unserer Welt und Zeit. Drei Lebensideale, die die Alltagsmoral des heute lebenden Menschen prägen und gegen die gesellschaftlichen, ökologischen, politischen und ethischen Anforderungen alltäglich immunisieren. Und wer immun ist, der wird weder von bestimmten Einflüssen von außen infiziert, noch braucht er in irgendeiner Weise eine Medizin oder ein Heilmittel. Die individualistischen Alltagsmythen und die daraus resultierende Alltagsmoral sind stärker als die beunruhigenden Fragen des Lebens und die ständige Suche nach Sinn und Orientierung. Und wo kein Fragen und kein Suchen mehr ist, da braucht es auch keine Antworten und Hilfen. Statt anbieten müsste eine re-kontextualisierende religiöse Erwachsenenbildung stärker unterbrechen. Aber wie? Die Darstellung einer Unterbrechungsperspektive religiöser Erwachsenenbildung soll in diesem Rahmen exemplarisch auf die Sinnfrage eingeschränkt und an ihr verdeutlicht werden. Religiöse Erwachsenenbildungsarbeit wird oftmals unter dem Stichwort „Lebenshilfe“ mit der Thematisierung der Sinnfrage in Zusammenhang gebracht (Blasberg-Kuhnke 1991, bes. S. 223). Aber, so ist zu fragen, stellt denn heute überhaupt jemand noch die Grundfrage nach dem Sinn des Lebens? Was ist überhaupt der Sinn des Lebens? Haben nicht die Menschen von heute einen Alltagssinn entwickelt oder gefunden, der unreflektiert funktioniert und Orientierung bietet? Haunhorst hat hier beispielsweise drei sinnstiftende Lebensideale des Alltags entdeckt. Er nennt sie: „Dazugehören wollen“, „Freisein wollen“, „sich selbst verwirklichen“ (Haunhorst 1995, S. 380). Diese Aufzählung könnte noch durch andere Ideale erweitert werden. Dies sind Sinnentwürfe, Wertsysteme, die mitten im Alltag wirksam sind und das Handeln und Denken der Menschen mitprägen. Gott, und das ist hierbei entscheidend, hat zunächst einmal mit diesen Sinn-Modellen nichts zu tun und taucht auch nicht auf. Eine religiöse Erwachsenenbildung, die von der Sinnfrage spricht, verbindet diese Frage mit der Frage nach Gott: Gott als der umfassende Sinnhorizont, oder: Ohne Gott kein umfassender Sinn! Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass diese umfassende Sinnfrage bei den Menschen heute in ihrem alltäglichen Leben kaum auftaucht. Für Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus logico-philosophicus ist die Frage nach dem Sinn dann gelöst, wenn die Frage gar nicht mehr vorkommt. Auf die Sinnfrage gibt es keine Antwort. Die Suche und Frage nach dem Sinn kann nicht beantwortet werden, sondern Sinn kann nur erfahren werden (Weiland/Pircher 1990, S. 168 ff.). Zum anderen ist die Sinnfrage nicht schon gleich und unbedingt die Frage nach Gott. Sinnstiftendes und die Suche nach einem letzten Fundament des Ver-

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

trauens lässt sich bewerkstelligen, auch ohne Gott ins Spiel zu bringen. Ein mit der Gottesfrage gekoppeltes Sinnangebot von der religiösen Erwachsenenbildung ist ein Angebot, das zunehmend an Bedeutung verliert. Die Zahl der Menschen, die mit ihren Alltags-Sinnentwürfen versuchen, ein glückliches und zufriedenes Leben zu leben, wächst. Und für diese Menschen zeichnen sich nur wenige Berührungspunkte mit dem Sinnangebot religiöser Erwachsenenbildung ab. An dieser Stelle kann die neue Unterbrechungsperspektive religiöser Erwachsenenbildung z. B. an dem Lebensideal des Freisein-Wollens angedeutet werden. Freiheit ist für die heutige Zeit eines der wesentlichen Signalwörter und Bestandteil der werbeträchtigsten Botschaften. Freiheit stellt einen sehr hohen Wert dar. Menschen wünschen sich frei zu sein und verbinden damit Vorstellungen von Ungebundenheit, von Uneingeschränktheit, von Erlebnis und Fülle. Freisein wird gleich gesetzt mit Lebensgefühl und prestigesteigernden Konsummöglichkeiten. Wer frei ist, kann tun und lassen, was er will. Wer frei ist, kann wählen zwischen vielen Möglichkeiten. Wer frei ist, kann selbst bestimmen. Das ist die sinngebende Ebene dieses Lebensideals „Freisein-Wollen“. Freiheit in diesem Sinne prägt als Zielbestimmung das Denken und Handeln der Menschen, sie wird über die Werbung offeriert und etikettiert die heutige Marktwelt. Bietet aber, so ist kritisch zu fragen, dieses Lebensideal auch eine tragfähige Lebensbasis? Wie vielfältig sind doch die Indizien von Freiheitsmangel, von Überdrüssigkeiten, Langeweile und Vereinsamung inmitten des menschlichen Alltags. Genau an dieser Stelle setzt die Unterbrechungsperspektive religiöser Erwachsenenbildung an. Sie greift dieses Lebensideal, diesen Sinnentwurf mit allen seinen lebensweltlich behafteten und geprägten Erfahrungen auf und stellt ihn in seiner Tragfähigkeit gleichsam in Frage. Sie unterbricht den Kontext des Strebens und Hastens nach mehr Freisein, indem sie nach dem Grund der Alltagssinnkonstruktion fragt, und dabei könnte das Ergebnis sein, „dass man unter der Oberfläche des Alltagssinns wertvolle Sehnsüchte entdeckt, die Christen teilen und sich im Gottesglauben aufbewahren lassen“ (Haunhorst 1995, S. 380). Die christliche Botschaft von der befreienden Liebe Gottes, von der liebenden Bindung Gottes an den Menschen unterbricht das Freisein-Ideal und spricht die diesem Ideal zu Grunde liegende Sehnsucht nach Befreiung aus der Vereinsamung in einer beziehungsarmen und kühlen Welt an. Dieser Aufweis der den Menschen zutiefst befreienden Liebeszusage Gottes hinterfragt die Lebensbewältigungsstrategien, eröffnet tiefere befreiende Dimensionen und setzt Hoffnungszeichen inmitten der nach Freiheit suchenden Lebenswelt mit den ambivalenten Freiheitserfahrungen, -sehnsüchten und -vorstellungen. In dieser Unterbrechungsperspektive der Kontexte erweist sich religiöse Erwachsenenbildung als zutiefst prophetisch. Gerade die alttestamentlichen Propheten in der Exil- und Nachexilzeit haben immer wieder versucht, die Verheißungszusage des befreienden und erlösenden Gottes in den jeweiligen Kontext und den jeweiligen Zeitgeist zu vermitteln. Sie provozierten und hinterfragten. Zugleich aber brachen sie die menschliche Lebenswelt auf und erweiterten diese. Die Propheten predigten Umkehr und Sinnesänderung angesichts des drohenden Endzeitgeschehens: „Noch 40 Tage und Ninive ist zerstört.“ (Jona 3,4) oder „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißt eure Kleider und kehrt um zum

Unterbrechen

biblische Impulse

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

prophetisch

Herrn.“ (Joel 2,13) Sie gaben aber auch Bilder der Hoffnung: „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir!“ (Jes 41,10) oder „Seht, ich wende mich euch wieder zu!“ (Ez 36,9) Sie sprachen tiefe menschliche Sehnsüchte an und stellten in die jeweiligen Kontexte neue Hoffnungszeichen. Damit erfolgte auch eine Re-Kontextualisierung. Jesus bewegte sich ebenfalls in seiner Verkündigung in diesem prophetischen Traditionsrahmen. Eindeutige Indizien sind hierbei die Gleichnisreden. Jesus erzählt vom Reich Gottes in Gleichnissen und lässt an Elementen aus dem Alltagsleben die Reich-Gottes-Dimension aufbrechen. Er spricht vom Samenkorn, vom Senfkorn (Mk 4,26–32), vom Weingarten (Mt 20,1–16) und Hochzeitsfest (Mt 22,1–14). Die Reich-Gottes-Gleichnisse beginnen mit ganz alltäglichen Begebenheiten: „Ein Mann hatte zwei Söhne …“ (Lk 15,11); „Ein Mensch ging von Jerusalem nach Jericho …“ (Lk 10,30); „Es war ein Richter in einer Stadt …“ (Lk 18,1) usw. Alltägliche Begebenheiten werden aufgegriffen, dann aber in ihrer beruhigenden Alltäglichkeit unterbrochen: da werden ungerechte Löhne ausgezahlt (Mt 20,1–16), ein auf Sicherheit bedachter Mensch über Maßen bestraft (Lk 19,11–27), da schlagen Menschen die Einladung zu einer üppigen Hochzeitsfeier aus und ziehen dieser die triste Arbeit vor (Mt 22,1–14) usw. Jesus unterbricht in seinen Gleichnissen die Alltagserfahrungen und -erwartungen und positioniert in diese Kontexte hinein seine Botschaft vom angebrochenen Reich Gottes mitten im Leben. Dabei ereignet sich ein Vermittlungs- und ein Orientierungsprozess religiöser Fragestellung. Religiöse Erwachsenenbildung, die unter dieser Unterbrechungsoptik erfolgt, wirkt wie ein Stolperstein, wie ein Stock zwischen den Beinen, wie Sand im Getriebe, die letztendlich zu einer Erhellung des menschlichen Alltags führen kann im doppelten Sinne, als das Deutlich-Machende (Bewusstmachende) und Froh-Machende (Hoffnunggebende). Dies gilt nicht nur in der hier beispielhaft gewählten individualisierten Sichtweise, sondern auch für den gesellschaftlich-politischen Bereich.

UNTERBRECHUNGSPOTENTIALE

Gegenentwürfe

Die religiöse Erwachsenenbildung in der hier vorgestellten Unterbrechungsperspektive kann den Menschen, die Gesellschaft von der Eindimensionalität befreien, indem sie aufbrechende und unterbrechende Lebenswelten ins Gespräch und Bewusstsein bringt, die nicht technisiert, instrumentalisiert, leistungsorientiert und marktgesteuert sind, sondern zutiefst und eigentlich menschlich. Sie ermöglicht damit eine bildende Auseinandersetzung mit christlichen Wertsystemen und den ethischen Axiomen des christlichen Glaubens. Sie kann dies, da sie im Gepäck die drei Existenzialien christlichen Glaubens hat: den Glauben mit seiner aufbrechenden Kraft, die Liebe mit ihrer vertrauenswürdigen und befreienden Tragfähigkeit und die Hoffnung mit ihren visionären und vitalen Impulsen. Es sind drei Existenzialien, denen ein enormes Unterbrechungspotential anhaftet. Des Weiteren finden sich für religiöse Bildungsprozesse wirksame Unterbrechungspotentiale in biblischen Texten. Diese Texte sind in ihrer archetypischen Bildhaftigkeit ansprechend, sie ergreifen uns auf einer tiefen, ursprünglichen Ebene unseres Seins. Sie greifen Themen auf, die dem Men-

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

schen in keiner Weise fremd sind, auch wenn sie in einer Zeit geschrieben wurden, die dem heutigen Menschen fern zu sein scheint. Sie eignen sich besonders als Ausgangspunkte für eine Standortbestimmung im Bildungsprozess, weil sie wichtige Fragen des Menschenbildes, der Lebensorientierung und der Gestaltung des Zusammenlebens beinhalten. Unser „GewordenSein“ und unsere „Begrenztheit“ wird in ihnen deutlich und sie können Hinweise darauf sein, bei allen Überlegungen und Entscheidungen die Lebensqualität der Menschen und die Verantwortung für die Schöpfung nicht aus den Augen zu verlieren. Letztlich verdichten sich die Unterbrechungspotentiale auch in der Person Jesu Christi. Diese Worte und Taten, wie sie in den Evangelien beschrieben sind, weisen darauf hin, dass Jesus in seiner Person und in seinem Auftreten Unterbrechungen in den menschlichen Haltungen, Erwartungen und Vorstellungen evoziert hat. Eine ganze Schafherde wird allein gelassen, um ein einziges Verlorenes zu suchen (Lk 15,1–7). Ein skrupelloser Richter (Lk 18,1–8) und ein korrupter Verwalter (Lk 16,1–8) werden zu Vorbildern erklärt. Ein reicher junger Mann dagegen soll all sein Hab und Gut verkaufen (Lk 18,18–23). Das Kleine wird groß und hat enorme Wirkung wie der Sauerteig (Mt 13,33) oder das Senfkorn (Mt 13,31 ff.). In der Unterbrechung werden Möglichkeiten erweitert und Impulse für Veränderungen gegeben. Dieser Potentiale muss sich die religiöse Erwachsenenbildung wieder bewusst werden und sie angesichts der kontextuellen Herausforderung durch die Pluriformität und Diffusität der Lebenswelten und Alltagsbefindlichkeiten der heutigen Menschen in Bildungsprozessen einsetzen.

Veränderung

DIDAKTIK DER UNTERBRECHUNG Die didaktischen Überlegungen beruhen auf einer Konzeption von Benno Haunhorst, die für die Schule entwickelt wurde, die sich aber ebenfalls für den Einsatz in der religiösen Erwachsenenbildung eignet. Die konzeptionellen Grundgedanken können in einem didaktischen Strukturraster verdeutlicht werden. Auf der Horizontalen finden sich sieben didaktische Komponenten, an denen exemplarisch sieben Themenfelder religiöser Erwachsenenbildungsarbeit durchdekliniert werden. In der Rubrik Lebenswelt werden Erfahrungsfelder aufgeführt, die zur Herausbildung von immunisierenden und sinnstiftenden Alltagsmythen evident sind. Die Alltagsmythen werden dabei durch Zitate gekennzeichnet. In der Spalte „Brechungsaspekte“ finden sich die Dimensionen, die durch die Unterbrechung der Alltagsmythen in ihrer vordergründigen und tiefgründigen Motivierung aufscheinen und im Bildungsprozess reflektiert und gedeutet werden. In der nachfolgenden Spalte findet sich der unterbrechende theologische Aspekt christlichen Glaubens, an den die Unterbrechung geknüpft wird. Die in diesem Bildungs- und Lernprozess sich entwickelnde Kompetenzerweiterung ist in der nächsten Rubrik aufgeführt. Den Abschluss bildet die Benennung der entsprechenden Handlungs- und projektorientierten Aspekte sowie einiger exemplarischer Querschnittsthemen religiöser Erwachsenenbildung. Die handlungs- oder prozessorientierten Aspekte verstehen sich als Impulse, wie im Bildungsprozess handlungsorientiert gearbeitet werden kann. Diese, wie auch die aufgeführten Querschnittsthemen,

Unterbrechung der Alltagsmythen

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

sind daher bewusst offen formuliert, um hier nicht einengend oder eingrenzend zu wirken, sondern Anregungen zu vermitteln.

Sehnsucht nach Befreiung

Lebenswelt

Lebensideale

Brechungsaspekte

Theol. Inhalte Kompeten- Themen REW bibl. Texte zen

Zwänge Ängste

Mach, was du willst

– Ungebundenheit Gott: Ich bin – Sehnsucht nach da! Befreiung aus Mt 14,22–33 Vereinsamung

KrisenSozialeth. Kompetenz Fragen, Themen rel. Erziehung

Komplexitäten Zeitstress Hetze

Das geht mich nichts an!

– Privatisierung – Sehnsucht nach Gemeinschaft

Reich-GottesBotschaft Mt 22,1–4

KritikSozialpol. Kompetenz Themen, Gerechtigkeit etc.

Enttäuschungen Unglaubwürdigkeiten

Ich will „echt“ bleiben!

– Unverbindlichkeit – Sehnsucht nach letztgültiger Wahrheit

Jesus Christus – wahrer Mensch Mt 11,2–6

LebensKunst und kulKompetenz turelle Themen

Risiken Krisen

Alles bleibt, wie es ist!

– Stabilität, Tradition – Sehnsucht nach zeitgemäßer Veränderung und Entwicklung

Ecclesia semper reformanda Mt 25,1–13

Lern-Kompetenz

Entscheidungszwänge Überforderungen

Entscheide, – ethische Autono- Das gute mie Gewissen was du für richtig hältst – Sehnsucht nach Lk 6,27–42 Grundwerten

Biografie Brüche Identitätsfragen

Ich will ich selbst sein!

– Selbstverwirklichung – Sehnsucht nach den eigenen Wurzeln

Das Heil des Menschen Spr 8,22–36

Ungerechtigkeit Entbehrungen Armut

Ich will gut leben!

– Viel haben – Sehnsucht nach soz. Gerechtigkeit

Option für die Verantwor- Gerechtigkeit, Armen tungs-Kom- VerantMt 5,3 petenz wortung, Nachhaltigkeit

Dialog- und Konsultationsprozesse innerhalb der Kirche

UrteilsEthische Kompetenz Fragestellungen und Themen Handlungs- Biografisches Kompetenz Lernen, Glaubensbiografien

Im Sinne einer Lesehilfe soll exemplarisch am Beispiel der ersten Zeile der Grundgedanke, der allen Themensträngen zu Grunde liegt, aufgezeigt werden: In den lebensweltlichen Kontexten machen viele Menschen die Erfahrung von Zwängen und Ängsten, denen sie in ihren Lebensbezügen ausgesetzt sind. Der Wunsch nach Freiheit wird dabei zu einem immer stärker werdenden Lebensideal, das sich in dem Alltagsmythos „Mach, was du willst!“ widerspiegelt und beispielsweise von den Werbebotschaften auch erfolgreich aufgegriffen wird. Diesen Mythos gilt es im religiösen Bildungsprozess zu unterbrechen, wobei neben dem oberflächlichen Wunsch nach Ungebundenheit die tiefere Sehnsucht nach Befreiung aus Vereinsamung, Ängsten und Zwängen aufscheint. Diese Sehnsucht wird mit dem Bekenntnis zur Gegenwart Gottes in der Geschichte der Menschen (Gen 9,1–17; 12,1–9; Ex

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

3,1–15; Apg 1,4–11) und in den Begegnungen mit Jesus (Mt 14,22–33) in Verbindung gebracht. Dabei können die grundlegenden theologischen Aspekte von Gott dem Schöpfer, Erlöser und Vollender thematisiert werden. Es wird deutlich, dass der christliche Glaube die Sehnsucht nach Befreiung wach hält und vor jeder oberflächlichen Anpassung oder Immunisierung bewahrt. An sozialethischen Themen und Fragestellungen und Fragen religiöser Erziehung können diese Themenfelder erfahrungsorientiert bearbeitet werden. Lebensweltliche Erfahrungen im Horizont des christlichen Glaubens werden so gedeutet und in der Konfrontation mit den tieferliegenden menschlichen Motiven und Sehnsüchten auf ihre Tragfähigkeit hin geprüft. In diesem religiösen Bildungsprozess werden die Immunisierungsstrategien durch Alltagsmythen offenkundig und einer kritischen Reflexion unterzogen. Die Teilnehmenden setzen sich mit dem Unterbrechungspotential des christlichen Glaubens auseinander und können dabei eine neue Sichtweise bezüglich des Umgangs mit Krisenerfahrungen in der eigenen Lebenswelt gewinnen und eventuell neue Sinn- und Deutungsmuster entwickeln. Diese Fähigkeit kann als Krisen-Kompetenz bezeichnet werden. Dieser kurze didaktische Leitfaden kann in entsprechender Abwandlung an die anderen genannten Themenfelder angelegt werden.

Ansätze einer religiösen Erwachsenenbildung, die nicht anbietet, sondern unterbricht * THESE 1: VON WAS REDEN WIR? Es ist heute so oft von der Krise der Weitergabe des Glaubens zu hören bzw. zu lesen. Die eigentliche Krise steckt aber in der Krise von einer Vorstellung von Religion als sinngebende Antwort, in der Krise von einer Konzeption von Vermittlung eines lebensrelevanten und sinnstiftenden Glaubens, in der Krise von dem Reden der christlichen Botschaft, die weder tröstet noch provoziert. * THESE 2: ÜBER WAS REDEN WIR? Menschliche Grundfragen als herkömmliche Orientierungs- und Anknüpfungspunkte theologischer Erwachsenenbildung werden durch immunisierende Alltagsmythen besetzt. Sehnsucht und Suchen der Menschen werden durch verstärkte Konsumhaltung kompensiert. * THESE 3: ZU WEM REDEN WIR? Christliche Religion, religiöse Erwachsenenbildung im Angebot ist nicht mehr so gefragt, da sie weder anzieht noch abschreckt. Nur eine schwindende Zahl von treuen Anhängern greift mit nahezu apathischer Gewohnheit zu. * THESE 4: WARUM SOLLEN WIR REDEN? Der christliche Glaube ist zutiefst von der Reich-Gottes-Botschaft geprägt, die zur Umkehr aufruft (Mk 1,15) und Bisheriges aufbricht bzw. unterbricht. * THESE 5: WO SOLLEN WIR REDEN? Religiöse Erwachsenenbildung muss sich der Unterbrechungspotentiale des christlichen Glaubens wieder neu vergewissern und sie in die Kontexte der Lebenswelten der Menschen neu verorten. * THESE 6: WIE SOLLEN WIR REDEN? Eine Unterbrechungsdidaktik der religiösen Erwachsenenbildung muss zum einen die Immunisierungsstrategie der Menschen und die darunter liegenden Sehnsüchte aufspüren und zum andern sich alltägliche Unterbrechungserfahrungen für die Umsetzung zunutze machen. * THESE 7: SO SOLLEN WIR REDEN! In ihrer Anfrage und Unterbrechung erfüllt die religiöse Erwachsenenbildung ihre vermittelnde, klärende, kritische und orientierende Funktion und damit ihren kirchlichen Auftrag.

tiefere Dimensionen

unterbrechende Thesen

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136

Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

SALUTOGENETISCHE RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG

Widerstandsressourcen

Kohärenzgefühl

Eine konzeptionelle Weiterentwicklung religiöser Erwachsenenbildung im Sinne einer Re-Kontextualisierung des Christlichen in unserer „flüchtigen“ Moderne stellt die Verknüpfung der Bildungsarbeit mit dem sogenannten salutogenetischen Entwicklungsmodell dar. Der Prozess der Re-Kontextualisierung religiöser Erwachsenenbildung fragt, wie eine religiöse Erwachsenenbildung konzipiert sein müsste, die die heutigen religiösen und spirituellen Befindlichkeiten der Erwachsenen aufgreift, die Milieuorientierung berücksichtigt, den Erwerb von religiösen Kompetenzen im Umgang mit Pluralität anzielt und die systematischen und konstruktivistischen Paradigmen von Bildungsarrangements mit Erwachsenen würdigt und damit sich seiner bildenden Kraft erweist. Neuere konzeptionelle Überlegungen beziehen das salutogenetische Entwicklungskonzept mit ein. Das salutogenetische Entwicklungsmodell entstammt aus dem Gesundheitsbereich und ist anfänglich von dem israelischamerikanischen Mediziner Aaron Antonovsky in den siebziger Jahren entwickelt worden (Antonovsky 1997). In Abgrenzung zur Pathogenese fragt Antonovsky nicht, was krank macht, sondern wie es Menschen schaffen, gesund zu bleiben trotz unterschiedlicher gesundheitlicher Belastung. Das Modell der Salutogenese geht von der Prämisse aus, dass Menschen ständig mit belastenden Lebenssituationen konfrontiert werden. Der Organismus reagiert darauf mit entsprechenden Widerstandsressourcen (körperliche, psychische, materielle, psychosoziale Ressourcen). Antonovsky stellt diese Ressourcen, die ein Mensch mobilisieren kann, um mit belastenden, widrigen und widersprüchlichen Alltagserfahrungen produktiv umgehen zu können und nicht krank zu werden, in den Mittelpunkt der Analyse. Dabei zeigt er auf, dass alle mobilisierbaren Ressourcen in ihrer Wirksamkeit letztlich von einer zentralen subjektiven Kompetenz abhängen: dem Gefühl von Kohärenz. Er definiert dieses Gefühl so: „Das Gefühl der Kohärenz, des inneren Zusammenhangs, ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, inwieweit jemand ein sich auf alle Lebensbereiche erstreckendes, überdauerndes und doch dynamisches Vertrauen hat.“ (ebd., S. 16). Kohärenz in diesem Sinne ist das Gefühl, dass es einen Sinn und Zusammenhang im Leben gibt, dass das Leben nicht einem unbeeinflussbaren Schicksal unterworfen ist. Das Herzstück der Salutogenese ist also das Kohärenzgefühl, der Kohärenzsinn. Damit ist sie unmittelbar anschlussfähig an die neuere Identitätsforschung nach Heiner Keupp, der die nach-modernen Identitätskonstruktionen in ihrer Flüchtigkeit, und Fragmentarität beschrieben hat (s. oben 2.2). Keupps Grundannahme für eine gelungene Identitätsarbeit beruht auf der Herstellung von Kohärenzgefühl und Kohärenzsinn. Das Konzept des Kohärenzgefühls weist dabei drei Dimensionen auf: Die Verstehbarkeit (d. h. Gefühl des Vertrauens), die Handhabbarkeit (d. h. Gefühl der Bewältigung) und die Sinnhaftigkeit (d. h. Gefühl von Bedeutsamkeit). Ziel des salutogenetischen Entwicklungsmodells ist der Aufbau eines solchen Kohärenzgefühls als eine zentrale subjektive Kompetenz. Fehlt ein solcher Kohärenzsinn, dann wirkt sich dieses in Phänomenen einer Art „Demoralisierung“ aus. Kennzeichnend sind „Einstellungen und Grundhaltungen, die durch ein geringes Selbstwertgefühl, Hilflosigkeit,

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

Hoffnungslosigkeit, unbestimmte Zukunftsängste und allgemein gedrückte Grundstimmung geprägt sind.“ (Keupp 1999). Zum Beleg verweist Keupp auf eigene Untersuchungen bei Heranwachsenden sowie auf Ergebnisse aus den USA, nach denen dort etwa ein Drittel der Bevölkerung als „demoralisiert“ im beschriebenen Sinne eingeschätzt wird (ebd.). Könnte, so ist im Folgenden zu fragen, dieses Konzept der Salutogenese ein Impuls für die weitere Entwicklung religiöser Erwachsenenbildung angesichts der sich heute verändernden Parameter sein? Auf einen möglichen synergetischen Effekt zwischen Salutogenese und religiöser Erwachsenenbildung hat anfänglich Josef Eckstein hingewiesen. Vor dem Hintergrund einer postmodernen Wissensgesellschaft und der sich verändernden Wissensformen sieht er eine wachsende Bedeutung im Aufbau eines Kohärenzsinnes und weist dies als Aufgabe der kirchlichen Erwachsenenbildung zu (Eckstein 2002, S. 12 f.). Bezug nehmend auf Eckstein und den Sozialpsychologen Heiner Keupp fragt dann der Religionspädagoge Rudolf Englert nach einem möglichen salutogenetischen Beitrag religiöser Erwachsenenbildung, den er in der Bedeutung religiöser Traditionen für den Aufbau von Kohärenzsinn sieht (Englert 2005b, S. 103 f.). Folgende, aus der Salutogenese kommenden Fragen können Impulse für eine Weiterentwicklung religiöser Erwachsenenbildung setzen: Wo leistet die religiöse Erwachsenenbildung Hilfe beim individuellen Aufbau von Sinnkonzepten? Wo versucht religiöse Erwachsenenbildung im konstruktivistischen Sinne Kohärenzsinn nicht einfach zu vermitteln, sondern den Aufbau zu unterstützen? Könnte die Ausrichtung auf den Kohärenzsinn in der religiösen Erwachsenenbildung die systemischen und konstruktivistischen Erfordernisse zukünftiger Bildungsarbeit besser einlösen? Bietet der salutogenetische Ansatz Impulse für ermöglichungsdidaktische Konzepte in der religiösen Erwachsenenbildung? Kann das salutogenetische Entwicklungsmodell ein attraktives Modell für religiöse Erwachsenenbildung vor dem Hintergrund religiöser Pluralität darstellen? Entspricht der Aufbau eines Kohärenzgefühls im Kontext religiöser Erwachsenenbildung nicht sogar der religiösen und spirituellen Befindlichkeit und Sehnsucht heutiger Menschen? Beinhaltet eine salutogenetische Fokussierung religiöser Erwachsenenbildung nicht per se eine Milieuorientierung, weil es den abstrakten Sinn nicht gibt, sondern immer einen auf den jeweiligen Menschen in seiner Situation bezogenen Sinn? Könnte das salutogenetische Konzept aus dem Gesundheitswesen in der Applikation auf die religiöse Erwachsenenbildung helfen, die bildende Kraft religiöser Erwachsenenbildung deutlich herauszustellen? Hier lohnt es sich, weiter nachzudenken und zu diskutieren. Rudolf Englert hebt dabei die Bedeutung der christlichen Tradition für Identitätsprozesse hervor, wenn er formuliert: „Der Rückgriff auf eine religiöse Tradition kann mit den Erfordernissen zeitgenössischer Identitätsentwicklung durchaus kompatibel sein. In diesem Zusammenhang wäre zu zeigen: * dass es religiöse Traditionen gibt, die sich mit nicht-traditionalen Aneignungsformen ihrer Überlieferungen nicht nur vereinbaren lassen, sondern solche produktiven Transformationen geradezu provozieren; * dass es didaktische Arrangements gibt, die Erwachsene befähigen, mit überlieferten Sinnperspektiven selbstschöpferisch umzugehen und diese Perspektiven auf ihre persönliche Lebenssituation zu beziehen;

neuer Ansatz

Sinnkonstruktion

religiöse Sinnperspektiven

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

dass die Vorstellung eines vom Einzelnen im Alleingang herstellbaren Kohärenzempfindens das Potential menschlicher Autonomie überschätzt; * dass es geboten wäre, die geschichtlichen und sozialen Voraussetzungen eines den Einzelnen wirklich tragenden Kohärenzempfindens wieder stärker in den Blick zu nehmen; * dass die Auseinandersetzung mit einer in sich pluralen, spannungsreichen und gerade deshalb auch immer wieder neu transformationsfähigen Tradition etwas zum Aufbau von Kohärenzen beizutragen vermag, was der Einzelne sich aus seinem eigenen Vermögen heraus nicht geben kann.“ (ebd., S. 106) Kohärenz stellt laut Immanuel Kant in seiner „Kritik der Urteilskraft“ auch eine der drei wichtigen Maximen für das Gewinnen von Vertrauen dar. Eine salutogenetisch ausgerichtete religiöse Erwachsenenbildung, die versucht, inmitten einer pluralen und „ontologisch bodenlosen“ Welt (Heiner Keupp) Wege zur Kohärenz aufzuzeigen, könnte damit Vertrauen aufbauen zu sich selbst (Selbstvertrauen), zum Anderen (Gemeinsinn) und zur Welt (Grundvertrauen). Die Ausrichtung religiöser Bildungsarbeit auf die salutogenetischen Lernfelder „Verstehbarkeit“, „Handhabbarkeit“ und „Bedeutsamkeit“ kann letztlich zur Erlangung von religiösen Kompetenzen führen und damit die bildende Kraft religiöser Bildung sichtbar machen. *

RELIGIöSE ERWACHSENENBILDUNG ALS EMPOWERMENT

sich selbst befähigen

ermutigende Bildungsarbeit

„Empowerment“ („Selbstbemächtigung“; „Selbstbefähigung“; „Stärkung von Autonomie und Eigenmacht“) ist heute eine Sammelkategorie für jene Ansätze, die Menschen zur Entdeckung ihrer eigenen Stärken ermutigen und ihnen Hilfestellung bei der Aneignung von Selbstbestimmung und Lebensautonomie vermitteln (Herriger 2006). Hinter diesem Begriff verbergen sich eine Philosophie, theoretische Annahmen und Leitideen wie auch Prozesse, Programme, Konzepte oder Ansätze (Theunissen/Plaute 2002). Ziel der Empowermentpraxis nach Ute Rieck ist es, die vorhandenen Fähigkeiten der Adressaten zu autonomer Lebensorganisation zu kräftigen und Ressourcen freizusetzen, mit deren Hilfe sie die eigenen Lebenswege und Lebensräume selbstbestimmt gestalten können. Empowerment politisch verstanden (engl. Power = politische Macht) thematisiert einen Auf- oder Umbruch, „der Menschen mit Hilfe der SelbstAneignung von Lebenskräften zu aktiv handelnden Akteuren werden lässt“. (Rieck 2008, S. 6) Empowerment lebensweltlich durchbuchstabiert konzentriert sich auf die Begriffe Stärke, Durchsetzungsvermögen, Kompetenz und Alltagsvermögen. Es thematisiert und bestärkt das Vermögen und Potential jedes Menschen, das ihm zur Gestaltung des Alltags zur Verfügung steht. Theunissen und Plaute definieren zusätzlich noch zwei weitere Zugänge: Zum einen steht Empowerment im reflexiven Sinne für einen Prozess, wodurch „Randgruppen“ ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Zum anderen wird Empowerment in einem transitiven Sinne benutzt, um ein Vertrauen in die eigenen Ressourcen zu entwickeln und sich gegenüber Anderen behaupten zu können (Theunissen/Plaute 2002, S. 13). Zusammenfassend kann gesagt werden: „Empowerment beschreibt Mut machende Pro-

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

zesse der Selbstbemächtigung, in denen Menschen in Situationen des Mangels, der Benachteiligung oder der gesellschaftlichen Ausgrenzung beginnen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, in denen sie sich ihrer Fähigkeiten bewusst werden, eigene Kräfte entwickeln und ihre individuellen und kollektiven Ressourcen zu einer selbstbestimmten Lebensführung nutzen lernen.“ (Herriger 2002) Empowerment zielt auf eine (Wieder-) Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags. Das Empowerment-Konzept ist begründet auf normativ-ethischen Grundüberzeugungen. Achtung vor der Autonomie der Lebenspraxis der Menschen, Eintreten für soziale Gerechtigkeit und Stärkung von (basis-)demokratischen Partizipationsrechten werden hierbei miteinander verbunden (Herriger 2006; Rieck 2008). Theunissen und Plaute nennen vertrauensstiftende, subjektzentrierte, autonomieorientierte, identitätsstiftende, aktivitätsanregende, sinnstiftende, entwicklungsgemäße, sozialerzieherische Vorgehensweisen als Leitprinzipien von Empowerment (Theunissen/Plaute 2002, S. 144 ff.). Ute Rieck hat diesen Empowermentbegriff zur Grundlage und zum Bezugspunkt für eine „ermächtigende“ kirchliche Erwachsenenbildung entwickelt, die ein postmodernes Modell für religiöse Erwachsenenbildung darstellt. Religiöse Erwachsenenbildung soll die Entfaltung des „Noch-nicht“ im Menschen anregen und den Menschen zur Entwicklung seines Selbst ermutigen. „Wenn es kirchlicher Erwachsenenbildung gelingt, Räume für solch identitätsstiftende Begegnungen und Orte des Mensch-Werdens zu schaffen, dann kann kirchliche Erwachsenenbildung zur Geburtshelferin werden. Auf diese Weise kann kirchliche Erwachsenenbildung eine Dynamisierung auslösen und zur Hilfe hin zur Menschwerdung werden.“ (Rieck 2008, S. 256) Wozu soll religiöse Erwachsenenbildung ermächtigen? Es geht um eine Wachsamkeit für den Menschen in seiner gegenwärtigen geschichtlichen Situation. Rieck stellt fünfzehn Thesen für eine ermächtigende religiöse Erwachsenenbildung auf (ebd., S. 372–387): Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment muss: * ADRESSATENORIENTIERT SEIN. Eine „ermächtigende“ religiöse Erwachsenenbildung ist versucht, die nach Lebenssituation, -stil und Interesse passgenauen Angebote auszuwählen, und hält damit auch eine größere thematische Bandbreite vor. * PLURALITÄTSFÄHIG UND VIELFÄLTIG SEIN. Eine ermächtigende religiöse Erwachsenenbildung muss pluralitätsfähig sein, das heißt Differenzen ernst nehmen, Gegensätzliches stehen lassen können, kontextuelle Bedingtheiten erkennen und unterschiedliche Adaptionen gelten lassen, Relativität schätzen lernen (Englert 2005a, S. 15). * ERMUTIGEND SEIN. Bei der religiösen Erwachsenenbildung des Empowerment zum Mensch-/Selbst-Werden geht es vorrangig um die Ermutigung des/der Einzelnen zu sich und zum eigenen Leben „Ja zu sagen“. Das heißt, religiöse Erwachsenenbildung möchte ermutigen, zur eigenen Person mit der je eigenen Geschichte, den eigenen Fähigkeiten und Grenzen Ja zu sagen. * DEM MENSCH DIENEND SEIN. Dem Menschen zu dienen heißt, ihm zur Eigenständigkeit zu verhelfen. Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment hat somit zum Ziel, den Menschen in seiner Selbstständigkeit in den

Potentiale nutzen

Grundlinien des Empowerment

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

*

*

sprachfähig

*

*

*

solidarischer Aspekt

*

*

Mittelpunkt zu stellen und ihn gerade „nicht zuerst in seiner möglichen Dienstleistung für Wirtschaft und Kirche sehen“. (Krätzl/Hohmann 1997, S. 159) Damit stellt sich religiöse Erwachsenenbildung eindeutig auf die Seite des Menschen und wehrt sich gegen die Verzweckung des Menschen wie gegen die Funktionalisierung von Bildung. BESTÄRKEND IM EIGENEN GLAUBEN SEIN. Eine ermächtigende religiöse Erwachsenenbildung kann helfen, „religiöse Perspektiven und menschliche Lebenssituationen aufeinander zu beziehen“ (Englert 2000, S. 2), damit Religion und Alltag nicht auseinanderbrechen. Zugleich trägt religiöse Erwachsenenbildung auf diese Weise dazu bei, dass der Glaube nicht ortlos und bedeutungslos wird. Dabei hat sie auch die Verantwortung, neue Orte und Zugänge ausfindig zu machen, um Menschen heute Glaubenserfahrungen zu ermöglichen. Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment kann Erwachsene darin bestärken, dass sie einen erwachsenen Glauben entwickeln und nicht in einem längst hinfälligen, zerbröckelnden Kinderglauben verhaftet bleiben. BEFÄHIGEND ZUM DIALOG SEIN. Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment bedeutet auch, Menschen dahin gehend zu ermächtigen, dass diese (auch in religiöser Hinsicht) sprachfähig, auskunftsfähig und dialogfähig werden. Aufgabe religiöser Erwachsenenbildung ist es daher, Menschen zum Dialog in Sachen Glaube und Religiosität zu ermächtigen. GANZHEITLICH QUALIFIZIEREND SEIN. Eine ermächtigende religiöse Erwachsenenbildung ist bemüht, den Menschen zum eigenverantwortlichen Lernen und Weiterlernen zu stimulieren, zu begleiten und zu verstetigen. Es geht dabei nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch darum, den Menschen in seiner religiösen Lernbiografie zu bestärken und zu begleiten. Damit leistet religiöse Erwachsenenbildung auch einen qualifizierenden Beitrag. KRITIK ÜBEND SEIN. Religiöse Erwachsenenbildung hat die Aufgabe, Menschen zu helfen, die Welt im Licht des Evangeliums bzw. aus dem Glauben heraus und auf dem Hintergrund eines christlichen Menschenbildes zu deuten. Damit befähigt sie auch zur Provokation und zur „Skepsis gegenüber Totalidentifikationen, unbeirrbar positivem Denken und angeblich ultimativen Erfüllungen“. (ebd., S. 4) ENGAGIEREND SEIN. Religiöse ermächtigende Erwachsenenbildung will auch dazu ermutigen, dass Menschen sich eindringlich und aufdringlich in gesellschaftliche Prozesse einbringen und einmischen. Christlicher Glaube beinhaltet immer auch Handlungsoptionen. Ein nur „geglaubter“ Glaube hat keine Wirkkraft. SOLIDARISIEREND SEIN. Eine religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment auch zur Solidarität sieht sich nicht nur in Verantwortung für Bildungsund Glaubensüberlieferung, sondern „macht sich mit der Welt und ihren Sorgen solidarisch“ (Nipkow 1992, S. 555). Religiöse Erwachsenenbildung übernimmt Mitverantwortung dafür, dass die Politik, die Kirche, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber usw. ihr Handeln auf das gemeinsame Wohl der Menschen und der Schöpfung ausrichten. RÄUME ERÖFFNEND SEIN. Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment kann auch zum Türöffner werden für den Kontakt und die Begegnung mit Kirche, ihren Inhalten, Werten und Botschaften. Gerade für Menschen an

Aktuelle Konzeptionen religiöser Erwachsenenbildung

den Rändern „kann religiöse Erwachsenenbildung zu einem entscheidenden Bezug bzw. zu dem Bezug schlechthin zur Kirche werden“. * ÜBERSCHREITEND SEIN. Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment öffnet nicht nur neue Räume, sondern transzendiert, überschreitet diese, indem sie je neu die Weite sucht. Religiöse Erwachsenenbildung wird damit zum Blicköffner, die den Blick der Menschen weitet, um so mitzugestalten, dass die Welt ein menschenfreundliches und menschenwürdiges Angesicht erhält. * VERPFLICHTEND UND SPIRITUELL VERWURZELT SEIN. Eine religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment könnte Menschen darin bestärken, im Alltag „Verdichtungsmomente“ zu entdecken zu suchen, die erahnen lassen, dass es ein „Mehr“ hinter allem Oberflächlichen und Sichtbaren gibt. Dabei zeichnet sich religiöse Erwachsenenbildung gerade dadurch aus, dass sie aus einer spezifischen, nämlich spirituellen Grundhaltung heraus geschieht. Besonders diese spirituelle Grundhaltung religiöser Erwachsenenbildung kann zu einer Profilierung der eigenen Arbeit beitragen und zugleich ermutigend und ermächtigend auf Teilnehmende wirken. * VERNETZEND UND KOORDINIEREND SEIN. Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment nimmt sich als ein Ort im kirchlichen Gefüge wahr. Religiöse Erwachsenenbildung hat in diesem Zusammenhang auch die Aufgabe, Transversalität zwischen den verschiedenen Orten und Ebenen kirchlicher Räume herzustellen. Ihre Aufgabe ist es, kirchliche Orte miteinander zu vernetzen und Synergieeffekte damit zu nutzen. * LEITEND UND BEGLEITEND SEIN. Eine religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment verabschiedet sich von der Lehrstruktur, die die Teilnehmenden zum passiven Zuhören etikettiert. Stattdessen versteht sie sich als „Lebensbegleitung“ (ebd.), die Menschen leitend begleitet und zum Leben und Selbststand ermächtigt. Religiöse Erwachsenenbildung eröffnet Erfahrungsräume, um persönliche Erfahrungen machen zu können. Diesen Erfahrungsprozessen steht religiöse Erwachsenenbildung dann leitend und begleitend zur Verfügung. Abschließend resümiert Rieck, dass religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment eintritt für den Menschen, für dessen Selbstwerden und für einen solidarischen Umgang untereinander. Das heißt religiöse Erwachsenenbildung ermächtigt und bestärkt jede und jeden Einzelnen, selbst Mensch zu werden und zu sein, und ermutigt und befähigt zur Solidarität mit nahe wie fern stehenden Menschen. Auf diese Weise zeigt religiöse Erwachsenenbildung ihre Aufmerksamkeit für den Menschen sowie ihre Anteilnahme am Leben in Würde und Gerechtigkeit. Religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment bedeutet folglich ein „für-den-Menschen-sein“ (Rieck 2008, S. 388). Zugleich ist eine solche religiöse Erwachsenenbildung gegen eine Bildung, die nur gut tut, und gegen ein Erlebnis, wo lediglich der Wissensdurst befriedigt wird, gegen eine Funktionalisierung von Bildung sowie gegen die Erniedrigung von Menschen, das heißt gegen einen unwürdigen, unsolidarischen Umgang mit dem/der Einzelnen. Sie wendet sich gegen ungerechte Strukturen, Prinzipien, Machenschaften und so weiter und gegen Leistungsdruck im Bildungswesen (ebd.). Für Rieck ist religiöse Erwachsenenbildung als Empowerment ermächtigend und provokativ zugleich:

den Blick weiten

begleiten

für den Menschen

provozierender Aspekt

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

Ermächtigend, weil sie Bildung und Wissen als Macht zur Ermächtigung von Menschen verwendet und nicht als Macht zum Erfolg und zur eigenen Karriere. Das heißt, religiöse Erwachsenenbildung verdeutlicht damit, dass Bildung und Wissen in den Prozess des Empowerment und der Befreiung des Menschen gehören. Provokativ, weil sie mit ihrem klaren Standpunkt und mit ihrer befreienden frohen Botschaft für den Menschen einen Gegenpol setzt zu Gegenwärtigem. Das heißt, sie schwimmt sozusagen gegen den Strom der Zeit und geht dennoch mit der Zeit, indem sie Menschen im Hier und Jetzt das bedingungslose „Ja“ Gottes zuspricht und sie zur Ich-Stärke ermutigt.

4.4 Institutionelle Begründung und Verankerung INSTITUTIONELLE BEGRÜNDUNG RELIGIÖSER ERWACHSENENBILDUNG

drei Bestimmungen

Religiöse Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft liegt in der Schnittmenge zwischen kirchlichem Handlungsfeld und öffentlicher Weiterbildung. Ähnlich wie bei der Begründung des katholischen Religionsunterrichtes als ordentliches Lehrfach wird die religiöse Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft als öffentlich anerkannte und damit auch geförderte Weiterbildung durch drei Kriterien bestimmt und begründet. 1. EKKLESIOLOGISCHE BESTIMMUNG. Religiöse Erwachsenenbildung hat Anteil am religionspädagogischen Handeln der Kirche und muss von daher auch religionspädagogisch begründet und verantwortet werden. Sie erfolgt in kirchlicher Trägerschaft, dient aber nicht vorschnell der Verkündigung und Seelsorge, sondern ist eingeordnet in das kirchliche Bildungshandeln. Religiöse Bildung ist ein Feld neben der allgemeinen Bildung, musischen Bildung, politischen Bildung, Familienbildung etc. im Kontext kirchlicher Erwachsenenbildung, die in Rückbindung an die Kirche erfolgt. 2. THEOLOGISCHE BESTIMMUNG. Die Bezugswissenschaft religiöser Erwachsenenbildung ist die Theologie. Den programmatischen Bezugspunkt stellt Jesu Leben, seine Reich-Gottes-Botschaft, sein Tod und seine Auferstehung und die Hoffnung auf die Wiederkunft dar. Von dieser Verortung her gewinnt religiöse Erwachsenenbildung eine dialogische, offene und zugleich eindeutige Ausrichtung und ein klares Profil. Von dieser Bestimmung und Ausrichtung her ist im Kontext religiöser Erwachsenenbildung die Auseinandersetzung mit anderen Religionen, anderen Kulturen, mit anderen nichtgläubigen, nichtkirchlichen und ungetauften Personen möglich. 3. BILDUNGSTHEORETISCHE BESTIMMUNG. Religiöse Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft besitzt die öffentliche Anerkennung und ist von daher Teil des staatlichen Bildungssystems. Die Aufgaben, Ziele und Inhalte sind von daher auch bildungstheoretisch zu bestimmen. Bildung ist eine Kernaufgabe von Kirche und dient der Persönlichkeitsbildung und -entfaltung des Menschen (Teil 2). Religiöse Erwachsenenbildung als kirchliche Erwachsenenbildung steht damit auf einer rechtlichen Grundlage. Der rechtliche Rahmen und die staatliche Förderung wird durch sogenannte „Weiterbildungsgesetze“ der

Institutionelle Begründung und Verankerung

Bundesländer geregelt, die mitunter sehr unterschiedlich sind (ein Überblick findet sich in: Tippelt/ Hippel 2011, S. 347–366). Erwachsenenbildung und Weiterbildung ist Angelegenheit der Bundesländer. Obgleich von einigen Verbänden und Organisationen der Erwachsenenbildung immer stärker ein Bundesgesetz und -recht von Erwachsenenbildungsarbeit gefordert wird, gibt es zurzeit keine einheitlichen, länderumfassenden und -übergreifenden Regelungen. Andersherum spiegeln die länderspezifischen Regelungen auch die Pluralität der Träger von Erwachsenenbildung wider. Mit dem kirchlichen Handlungsfeld religiöser Erwachsenenbildung leistet die Kirche einen Beitrag zum öffentlichen Bildungsauftrag und steht als wichtiger Träger im Konzert mit den anderen öffentlich anerkannten Weiterbildungsträgern. Religiöse Bildung ermöglicht Christen, an der Meinungsbildung und Gestaltung auch des öffentlichen Lebens mitzuwirken. Weiterhin ist zu beachten, dass für die religiöse Bildungsarbeit auch Regelungen zur Wahrung der Religionsfreiheit gelten. Um der kirchlichen Erwachsenenbildung auch bildungspolitisch ein stärkeres Gewicht zu verleihen, wurden in den 1960er und 70er Jahren mit der Einrichtung von Bildungsgesetzgebungen Arbeitsgemeinschaften und Zusammenschlüsse von Einrichtungen kirchlicher Erwachsenenbildung auf Länder- und Bundesebene gegründet, wie beispielsweise die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (Katholische Erwachsenenbildung Deutschland) oder die Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung.

öffentlicher Bildungsauftrag

INSTITUTIONELLE VERORTUNG Eine maßgebliche Regelung aller Weiterbildungsgesetze ist die institutionelle Verfasstheit und Verortung von Bildungsarbeit mit Erwachsenen, die auch für religiöse Bildungsarbeit gilt, wenn sie öffentlich gefördert wird. Geförderte Erwachsenenbildung kann nur von einer auf Erwachsenenbildung ausgerichteten und staatlich anerkannten Einrichtung angeboten werden. Dabei müssen die Veranstaltungen nicht zwingend in der Einrichtung selbst stattfinden, sie müssen aber im pädagogischen Verantwortungsbereich von pädagogisch qualifiziertem Personal liegen und entsprechende Vorgaben erfüllen (bestimmte Zahl von Teilnehmenden und Unterrichtsstunden, Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards, öffentliche Ausschreibung etc.). Religiöse Erwachsenenbildung ist neben Familie, Gemeinde, Schule ein eigener, spezifischer institutioneller Lernort des Glaubens. Religiöse Erwachsenenbildung ereignet sich in unterschiedlichen Institutionen, die sich in ihrer Ausrichtung, in den unterschiedlichen Zielgruppen und in ihrem didaktisch-methodischen Setting unterscheiden. Religionsunterricht in der Berufsschule kann als religiöse Erwachsenenbildung bezeichnet werden, da es sich bei den Schülerinnen und Schülern meist um junge Erwachsene handelt (Schröder 2006). Indes, die „klassische“ religiöse Erwachsenenbildung in Einrichtungen kirchlicher Trägerschaft findet beispielsweise in Bildungswerken statt, die eher flächenorientiert und in Zusammenarbeit mit Gemeinden oder Pfarrverbänden Angebote vor Ort in pastoralen Räumen entwickeln. Religiöse Erwachsenenbildung in Familienbildungsstätten (Jünemann 2012) versucht ebenfalls angebunden an Familien- oder Erziehungsfragen religiöse

verschiedene Lernorte

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Konzeptionen der religiösen Erwachsenenbildung

Bildungsprozesse für die Erwachsenen in den Kommunen, Städten und Regionen durchzuführen. Religiöse Erwachsenenbildung in Bildungshäusern (Landvolkshochschulen, Bildungszentren) oder Akademien sprechen in der Regel eine vorab eindeutig definierte Zielgruppe oder Berufsgruppe an (Akademiker/innen, kirchliche Berufsgruppen, Religionslehrer/innen, Multiplikator/innen, Bildungsbürger/innen etc.).

PROFILDISKUSSIONEN RELIGIöSER ERWACHSENENBILDUNG

Vernetzungen

Im Gegensatz zum Religionsunterricht in der Schule wird das Handlungsfeld religiöser Erwachsenenbildung innerhalb der Kirche neuerdings unter eine Profildiskussion gestellt. In der jüngsten Zeit erfolgt diese Anfrage häufig im Kontext kirchlicher Sparbemühungen, wenn bezüglich der Verwendung kirchlicher Finanzmittel Diskussionen über Prioritäten und Posterioritäten kirchlichen Handelns anstehen und die Bildungsarbeit stärker in seelsorgliche oder pastorale Kontexte gestellt wird. Auch im Zuge der neueren diözesanen Pastoralplanungen (missionarische Pastoral, evangelisierende Pastoral etc.) wird nach der Verortung religiöser Erwachsenenbildung neu gefragt (Bergold/Ziegler 2012). Religiöse Erwachsenenbildung ist damit auch herausgefordert, unter religionspädagogischen Gesichtspunkten das Profil religiöser Bildungsarbeit mit Erwachsenen im Gesamtkontext kirchlichen Handelns herauszustellen. Konkret ist die Frage zu stellen, was die religiöse Bildungsarbeit mit Erwachsenen unterscheidet z. B. von katechetischen Prozessen mit Erwachsenen. Was ist der Unterschied zwischen einer Erwachsenenseelsorge und Erwachsenenbildung? Die Religionspädagogik steht hier vor der Aufgabe, den Bildungsaspekt von religiöser Erwachsenenbildung herauszustellen. Bildung (siehe Teil 2) stellt neben religiöser Erziehung, religiöser Sozialisation und Katechese gleichsam das Profil und das Regulativ religiöser Erwachsenenbildung dar. Es muss nach dem Prinzip der Unterscheidung gesucht werden. Dies bedeutet aber nicht, dass die institutionelle religiöse Erwachsenenbildung als separate pädagogische Aufgabe isoliert und als abgegrenztes Handlungsfeld neben den anderen pastoralen Tätigkeiten etabliert wird. Die zukünftige Aufgabe wird darin bestehen, die Vernetzung und Einbindung der religiösen Erwachsenenbildung aus religionspädagogischer Perspektive mit dem pastoralen Auftrag der Kirche zu begründen. Dieser Prozess dient damit wiederum der Profilierung und der inhaltlichen Klärung institutioneller religiöser Erwachsenenbildung.

4.5 Ausblick

Zukunftsfähigkeit

Bildung bedeutet Zukunft. Unsere heutigen, im Sog der Transformation befindlichen Gesellschaften haben keine andere Wahl, als Bildung in allen Lebenslagen und in allen Lebensstufen konsequent anzubieten und sie für alle Menschen gleich welcher Voraussetzung oder Herkunft ausreichend und frei zugänglich zur Verfügung zu stellen. Bildung ist ein Element der Zukunftsfähigkeit von menschlichen Gemeinschaften, Staaten, ja der ganzen Menschheit. Heutzutage ist es mehr denn je erforderlich, nicht nur auf

Ausblick

Erziehung und Bildung der Jugend zu setzen, sondern ebenso engagiert die Bildung Erwachsener voranzubringen. Aus diesem Grunde wird die Bedeutung und Wichtigkeit von Erwachsenenbildung in Zukunft ohne Zweifel erheblich steigen. Bildung bedeutet auch Zukunft für die religiösen Gemeinschaften und die Kirchen. In der religiös pluralen, heterogenen und oft genug religiös zerrissenen Welt ist Bildung von Erwachsenen in Sachen Religion mehr denn je gefragt. Es ist zu erwarten, dass ihr Stellenwert auch innerhalb der Religionsgemeinschaften bzw. Kirchen in den kommenden Jahren eminent wachsen wird. Für die Kirchen – und ebenso für andere Religionen – ist die Zeit angebrochen, sich dem völlig neuen Kontext, der dramatischen gesellschaftlichen Transformation zu stellen. Sie befinden sich im Prozess einer umfassenden Re-Kontextualisierung, wobei religiöse Bildung und Erwachsenenbildung aktiv Anteil an diesen Prozessen haben. Aus der sozialen, diakonischen und gesellschaftlichen Verantwortung der Religionen ergeben sich eminente Aufgaben für religiöse Bildungsarbeit mit Erwachsenen. Gerechtigkeit, Menschenwürde, friedliches Zusammenleben, Anerkennung des Anderen – all dies und vieles mehr sind nicht nur Aufgaben des Staates, sondern mit Nachdruck auch der Religionen und Kirchen. Letztere können es sich nicht leisten, sich auf Neutralität, Selbstbezug oder Innerlichkeit zurückzuziehen. Im Gegenteil, sie müssen parteiisch sein und sich ihrer öffentlichen Verantwortung stellen, wenn es um das wichtigste Gut der Gesellschaft geht: den Menschen und seine Würde. Religiöse Erwachsenenbildung bindet die Würde des Menschen zurück an Gott. Sie sensibilisiert die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Tiefendimension menschlichen Daseins, das sie in Gott begründet sieht. Gottesrede und Gottesbeziehung wirken „unterbrechend“ im Blick auf Alltagsdeutungen von Welt und Wirklichkeit, z. B. auf konsum- oder leistungsorientierte, auf rein materialistische Sichtweisen. Dadurch wird Bildung initiiert. Im Spannungsfeld von Individuum, Gesellschaft und Kirche ist religiöse Bildung Erwachsener eine konstruktiv-kreative „Unterbrechung“ des Üblichen, des Vorliegenden und Vorherrschenden, die eine menschenwürdige Zukunft ermöglicht.

Aufgaben

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Personenregister Adorno, Theodor W. 46, 60, 71 Althof, Wolfgang 68 Altmeyer, Stefan 36f., 41, 87, 111, 113 Anders, Günter 24 Angel, Hans-Ferdinand 39 Antonovsky, Aaron 136 Aristoteles 46 Arnold, Rolf 18f., 28, 48f., 61, 120, 124, 128 Asbrand, Barbara 69 Augustinus 79 Baacke, Dieter 70 Baudler, Georg 102 Bauman, Zygmunt 12, 21–26, 29, 30f., 44, 109 Beck-Gernsheim, Elisabeth 24 Beck, Ulrich 24 Becker, Klaus 106 Becker, Susanne 53 Becker, Ulrich 66 Behm, Britta L. 96 Behrens, Heidi 59, 110 Benedikt von Nursia 83 Benner, Dietrich 45, 60 Berger, Peter L. 15, 30, 37 Bergold, Ralph 9, 12, 16, 67, 100, 109, 116, 129, 144 Biesinger, Albert 75 Bitter, Gottfried 87 Blasberg-Kuhnke, Martina 103–106, 110, 130 Bloch, Ernst 59 Blum, Bertram 129 Boeve, Lieven 14, 38, 82–86, 91, 110 Bonhoeffer, Dietrich 90 Bornhauser, Thomas 106, 109, 120 Boschki, Reinhold 9, 39, 48, 75, 78, 90, 97f., 103 Brakmann, Heinzgerd 95 Bremer, Helmut 63 Brüggen, Friedhelm 45, 60 Buber, Martin 66, 97f. Büchel Sladkovic, Angela 90 Büsch, Andreas 113 Büttner, Gerhard 53 Canisius, Petrus 96 Cohn, Ruth C. 124 Comenius, Jan Amos 96

Cox, Harvey 36 Crenshaw, James L. 93 Deichmann, Carl 68 Demsky, Aaron 93 Dewey, John 48 Dieterich, Veit-Jakobus 53 Dilthey, Wilhelm 48 Dohmen, Günter 53 Dörpinghaus, Andreas 45, 88 Drumm, Joachim 17 Ebertz, Michael 33f. Ebner-Eschenbach, Marie von 128 Eckholt, Margit 37 Eckstein, Josef 137 Ego, Beate 94 Eliav, Mordechai 96f. Elsenbast, Volker 51 Ende, Michael 20 Engebretson, Kath 113 Englert, Rudolf 16–18, 41, 77–79, 104–107, 111, 115, 137, 139f. English, Leona M. 64 Erikson, Erik 28 Faßnacht, Michael 16 Faulstich-Wieland, Hannelore 110 Faulstich, Peter 49, 120 Faure, Edgar 53 Fend, Helmut 28 Feyerabend, Paul 25 Fischer, Dietlind 51 Flitner, Andreas 48 Flitner, Wilhelm 48 Forneck, Hermann-Josef 53 Fowler, James 53 Freire, Paolo 71, 117, 125 Freitag, Marcus 16 Friedenthal-Haase, Martha 98 Frost, Ursula 87 Fuchs-Heinritz, Werner 28 Funk, Rainer 31, 56 Fürst, Walter 53 Gabriel, Karl 37 Gärtner, Claudia 111 Gerstenmaier, Jochen 49 Gieseke, Wiltrud 63, 69

Gisbertz, Helga 67 Gmünder, Paul 53 Gómez Tutor, Claudia 49, 124, 128 Greiner, Ulrike 33 Grethlein, Christian 75 Grümme, Bernhard 76–80 Grundtvig, Nikolaj F. S. 62 Guardini, Romano 99 Gudjons, Herbert 47 Gutenberg, Johannes 96 Habermas, Jürgen 37 Haep, Christopher 88 Halík, TomáÐ90 Haunhorst, Benno 130f., 133 Heimbach-Steins, Marianne 51 Heinz, Hermann Josef 17 Hemel, Ulrich 120 Hemmerle, Klaus 122 Hempelmann, Heinzpeter 122 Hentig, Hartmut von 127 Herder, Johann Gottfried 47 Herre, Petra110 Herriger, Norbert 138f. Hildegard von Bingen 95 Hinz, Andreas 88 Hippel, Aiga von 48, 61, 70, 121f., 143 Hirscher, Johann Baptist98 Höbsch, Werner 113 Hoburg, Ralph 37 Hoff, Gregor Maria 41, 109 Hoffmeier, Andrea 69 Hohmann, Reinhard 140 Höhn, Hans-Joachim 36f., 39, 78, 93 Hufer, Klaus-Peter 68 Humboldt, Wilhelm von 46f., 49, 60, 88 Hungs, Franz Josef 17, 104, 106 Husserl, Edmund 27 Hüther, Gerald 55 Jackson, Robert 115 Jakobs, Monika 106, 119, 121 Jauch, Günter 46 Joas, Hans 13, 37, 82 Johannsen, Friedrich 37 Jünemann, Elisabeth 33, 143 Jungwirth, Ingrid 28 Justen, Nicole 110

156

Personenregister Kade, Jochen 19, 66 Kade, Sylvia 33 Kaiser, Arnim 53f. Kant, Immanuel 47, 60, 70, 138 Kaufmann, Franz Xaver 35 Kaupp, Angela 110, 128 Keupp, Heiner 13, 29f., 56–58, 111, 113, 136–138 Klafki, Wolfgang 88 Klages, Helmut 129 Klie, Thomas 42, 53, 93, 115 Klimek, Nicolaus 17 Klingenberger, Hubert 110, 128 Klöcker, Michael 41 Koch, Jakob Johannes 111 Koerrenz, Ralf 98 Kohli Reichenbach, Claudia 41, 109 Kolping, Adolf 98, 121 Könemann, Judith 51, 108–110, 116 Korsch, Dietrich 42, 93, 115 Krätzl, Helmut 140 Krecan-Kirchbichler, Brigitte 110, 128 Krochmalnik, Daniel 97 Krone, Wolfgang 87 Krüger, Heinz-Hermann 53 Kruip, Gerhard 67, 117 Kruse, Andreas 53 Kullmann, Heide-Marie 55 Kumlehn, Martina 53 Kunz, Ralph 41, 53, Kurz, Alex 17, 109

Meister Eckhart 79, 81 Mendel, Hans 128 Mendelsohn, Moses 96 Merkel, Helmut 94 Mette, Norbert 51, 74, 108, 116 Metz, Johann Baptist 15f., 40f., 77, 78, 89–93, 112, 129 Metzger, Marcel 95 Meueler, Erhard 123 Meyer-Drawe, Käthe 127 Miczek, Nadja 110 Mietzel, Gerd 28 Montada, Leo 28 Mulia, Christina 53 Müller-Commichau, Wolfgang 94 Müller-Ruckwitt, Anne 50 Müller, Jürgen 122 Müller, Peter 124

Ladenthin, Volker 47, 65 Langenohl, Bertil 90 Langer, Michael 41 Langmaack, Barbara 124 Lehmann, Karl 17, 105 Lehner, Martin 123 Leimgruber, Stephan 98, 102, 107, 111, 114 Lersch, Rainer 53 Lévinas, Emmanuel 91 Liessmann, Paul Konrad 45f. Litt, Theodor 48 Löhmer, Cornelia 124 Lübbe, Hermann 30 Lück, Wolfgang 16f., 104, 107f. Ludwig, Joachim 49, 120 Luhmann, Niklas 67 Luther, Henning 103 Luther, Martin 96, 99 Lutz, Bernd 106 Lyotard, Francois 110

Pannenberg, Wolfhart 102 Pasquato, Ottorino 95 Paul, Eugen 95 Paulus 90, 91 Pestalozzi, Johann Heinrich 47 Peters, Tiemo Rainer 77 Petsch, Hans-Joachim 113 Pircher, Wolfgang 130 Pirker, Viera 57 Pius IX. 98 Plaute, Wolfgang 138f. Pohl-Patalong, Uta 49, 120 Precht, Richard David 77 Prinz, Julia D.E. 113

Mandl, Heinz 49, 121 Marx, Reinhard 116 Mechthild von Magdeburg 95

Nietzsche, Friedrich 76f. Nipkow, Karl Ernst 17, 47f., 59, 66, 104, 108f., 112, 115, 140 Nittel, Dieter 59, 110 Nohl, Hermann 48 Nolda, Sigrid 19, 48, 61, 70 Nüchtern, Michael 113 Nuissl, Ekkehard 19, 48, 61 Nunner-Winkler, Gertrud 67 Oberthür, Rainer 88 Oerter, Rolf 28 Orth, Gottfried 103, 105 Oser, Fritz 53, 68

Rahner, Karl 15, 80f., 102 Ratschow, Carl Heinz 90 Ratzinger, Josef 37 Reese, Annegret 38 Reich, Eberhard 55 Reich, Kersten 28, 49 Reinmann-Rothmeier, Gabi 49, 120 Reischmann, Jost 64, 126 Rell, Horst 41 Ricœur, Paul 127

Rieck, Ute 103, 138f., 141 Rieger-Goertz, Stefanie 110f. Rosa, Hartmut 12, 20, 30, 91 Rosenzweig, Franz 97f. Rousseau, Jean Jaques 80 Ruppert, Godehard 17 Sachs, Jonathan 66 Sander, Wolfgang 68 Schäfer, Brigitte 120 Schäffter, Ortfried 109 Schambeck, Mirjam 113, 119 Scheilke, Christoph Th. 17, 67 Schiersmann, Christiane 54 Schlag, Thomas 17, 115f. Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 48, 60, 79, 98 Schmidt-Lauff, Sabine 88 Schmidt, Bernhard 45 Scholl, Norbert 81 Schorr, Karl E. 67 Schröder, Bernd 74, 87, 94f., 103, 107, 143 Schulz, Erhard 48, 50, 107 Schütz, Alfred 27 Schweitzer, Friedrich 16f., 53, 88, 104, 107–109, 114f. Seidel, Eva 55 Sellmann, Matthias 91f., 122, 129 Sennett, Richard 21, 31 Siebert, Horst 19, 28, 48f., 52f., 56, 108, 121, 123, 125f. Simon, Ernst Akiba 97f. Smith, Dolores 69 Speck, Otto 55 Spranger, Eduard 48 Srubar, Ilja 27 Stang, Richard 69 Stöhr, Martin 97f., 128 Strasser, Peter 80 Tautz, Monika 113 Tertullian 79 Theunissen, Georg 138f. Tiefensee, Eberhart 41 Tippelt, Rudolf 45, 48, 61, 121f., 143, Tischner, Christian K. 68 Tolksdorf, Markus 67 Tracy, David 112 Treml, Alfred K. 52 Tworuschka, Udo 41 Uphoff, Berthold 103–107, 127 Uphoff, Ina Katharina 88 Vaitkus, Steven 27 Veelken, Ludger 53 Ventur, Birgit 97 Verburg, Winfried 41

Personenregister Wagner-Rau, Ulrike 42, 93, 115 Wallraven, Klaus P. 53 Walter, Peter 37 Watzlawick, Paul 125 Weil, Simone 90

Weiland, René 130 Wendel, Saskia 80 Wesseler, Matthias 127 Wittgenstein, Ludwig 130 Wolanski, Caroline 122 Wolf, Gertrud 108

Wolff, Jürgen 16f., 87, 98f., 101, 109, 117 Woppowa, Jan 97, 113 Zeillinger, Peter 90 Ziegler, Horst 12, 109, 144

157

Sachregister Adoleszenz 28, 57, 109 Adressaten 67, 89, 110, 118, 121f., 138, 139 Akademien 17, 100, 115, 144 Alltag 12, 15, 21f., 24, 26f., 31, 36, 38f., 44–46, 53, 58, 66, 68, 70, 74, 88, 93, 100, 102f., 110, 112f., 116, 122, 130–136, 138–141, 145 Ambivalenz 14, 25f., 87, 131 Aneignung 34, 39, 49, 56, 66, 88, 120, 123f., 128, 138 Anerkennung 15, 57, 61, 93, 99, 102, 142, 145 Ängste 20, 25, 37, 55, 72, 85, 102, 129, 137 Anthropologie 12, 15, 51, 65, 76–82, 88, 101f., 120, 124 Anthropologie, religionspädagogische 76–79, 88 Anthropologie, theologische 15, 51, 76, 80–82, 101f. Antimodernismus 98 Arbeit 12, 21f., 24–26, 29, 32, 38, 44f., 47, 51, 54, 57f., 60, 62, 70, 89, 113, 132, 138 Arbeitermilieu 33, 50, 63, 122 Arbeitslosigkeit 45, 50f., 62f., 100f. Arbeitsplatz 24–26, 32, 38, 92, 113 Ästhetik 39, 40, 47, 51, 69f., 111f. Atheismus 40f. Aufklärung 47, 60, 68, 71, 84, 96–98, 104f. Aufklärung, jüdische 96f. Aufklärung, philosophische 47, 60, 71, 84, 96–98, 104 Authentizität 57, 116 Autonomie 26, 54, 61, 71, 80, 104, 134, 138f. Befreiung 71f., 92, 105, 107, 116f., 131f., 134f., 142, Begegnung 16, 52f., 69, 86, 111–114, 128, 135, 139f. Behinderung 26, 33, 63, 122 Beruf 11f., 16, 18, 21, 24–26, 28, 33f., 39, 44f., 54, 61f., 98, 100, 106, 122, 144 Berufsschule 25, 62, 143 Beschleunigung 9, 12, 20–23, 27, 88, 91, 109f. Bewegung, liturgische 98 Beziehung 9, 11–15, 21–24, 26f., 31f., 40, 55, 57–60, 73, 75f., 80f.,

84–86, 89, 91, 102f., 123f., 127f., 145 Bibel 40, 43, 52, 72, 74f., 80–85, 92–96, 99, 102, 107, 112f., 124, 131f., 134 Bildung von Frauen 50, 95, 98 Bildung, ästhetisch 51, 69, 111f. Bildung, beruflich 16, 25, 51, 61f., 143 Bildung, integrierend 16, 28, 44, 47, 50f., 59, 65, 103, 117 Bildung,interreligiös 38,42, 113–115 Bildung, jüdisch 93f., 96–98 Bildung, kulturell 47, 51, 69, 101, 111f. Bildung, politisch 16, 65, 68f., 101, 108, 111, 116, 142 Bildung, religiös 9, 11f., 16–18, 20, 33, 35, 44, 51, 57, 73f., 76, 82, 84, 89, 91, 94f., 98f., 102, 107–110, 114, 116, 118–120, 127, 142f., 145 Bildungsbegriff, systemisch 49, 120f. Bildungsbegriff, verengter 51 Bildungseinrichtung/Bildungsinstitution 17, 19, 38, 56, 62f., 65, 69, 74, 96, 99f., 111, 115, 143f. Bildungsferne 33, 50f., 121 Bildungsgerechtigkeit 45, 47, 51f. Bildungskritik 45, 50 Bildungsstandards 118f. Bildungstheorie 44, 46f., 50f., 59f., 65, 87f., 96, 101, 104, 109, 142 Bindung 22f., 31f., 85, 115, 131 Biografie 12f., 18f., 27, 29f., 35, 37, 39, 52–54, 56f., 59f., 68, 75, 82, 89, 105, 108, 110f., 120, 127, 128, 134, 140 Buddhismus 42, 74 Bundeszentrale für politische Aufklärung 62 Chancengleichheit 16, 50 Coaching 62, 64 Coping 35 Dei Verbum 81 Demokratie 68, 74, 96, 100, 116, 139 Demokratiefähigkeit 16, 101 Diakonie 41, 101, 106f., 145

Dialog 14f., 41–43, 51, 66, 72, 80f., 86, 100f., 105, 110–114, 134, 140, 142 Dialogfähigkeit 16, 61, 101, 140 Didaktik 12, 17f., 49, 53, 81, 101f., 110, 115, 118–129, 133, 135, 137 DIE, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung 64 Differenz 25, 61, 65f., 72, 112, 139 Differenzkompetenz 43, 72, 93, 115 Disembedding 29 Ekklesiologie 142 Emanzipation 66, 71, 92, 97, 105 Emotionen, emotional 31, 49, 55, 57, 89, 114, 120, 128 Employability 45, 47, 88 Empowerment 110, 120, 138–142 Entkirchlichung 13, 35f., 85, Entscheidungsfähigkeit 15, 86, 104 Enttraditionalisierung 9, 13, 35, 38, 85 Entwicklung 15, 19, 27f., 34, 43, 47, 52–59, 64, 68, 80, 82, 87, 94f., 98, 100f., 107f., 120, 134–140, 143 Entwicklungspsychologie 19, 28, 57, 101 Erfahrung 20f., 23, 28, 30, 32–34, 39–41, 49, 52f., 55–60, 62, 64–67, 71, 77–79, 89f., 95, 102f., 105f., 108, 112–114, 120, 126, 128, 130–136, 140f. Ermöglichung 49, 51, 53, 68, 103, 110, 120, 123, 128, 137 Erstes Vatikanisches Konzil 81 Erwachsene 9, 12, 15, 18f., 26–29, 32f., 38, 44f., 51–57, 60–63, 86, 92–99, 108, 110, 123, 140, Erwachsenenbildung, kirchlich 17, 33, 43, 49, 51, 73, 75, 100f., 106f., 114, 121, 129, 137, 139, 142f. Erwachsenenbildung, religiös 9, 12, 15–19, 27, 34f., 42–48, 51–54, 58f., 61, 65, 72–77, 79, 81f., 84, 86f., 89–92, 96, 101–145 Erwachsenenbildung, theologisch 16f., 112, 135, Erwachsenenkatechese 94f., 106f., 112 Erzählung 30, 57, 59, 86, 110, 127 Eschatologie 39 Esoterik 15, 39, 42

Sachregister Evaluation 64f., 125, 127 Evangelium 14, 40, 42f., 60, 65, 74f., 82–85, 94f., 116, 129, 133, 140 Fachdidaktik 47 Familie 13, 16, 18, 21, 24–28, 33, 39, 50, 52, 57, 63, 74, 82, 86, 93–95, 98, 100, 103, 106, 121, 125, 143 Flexibilität 13f., 21, 26f., 30, 56, 70, 126 Flüchtigkeit 12–14, 16, 21–24, 27–32, 40, 44, 56, 73, 84–86, 88, 91, 109, 112, 116, 136 Fort- und Weiterbildung 17, 44, 50, 59, 62f., 100, 142f. Fragmentierung 13f., 30–32, 46, 86, 103, 136 Freiheit 25f., 65–67, 71, 76, 80f., 89, 102, 104f., 117, 129, 131, 134, 143 Freizeit 11, 24–26, 34, 44, 57, 129 Gaudium et spes 81 Gebet 40f., 74, 82, 89f., 94f., 97 Gehirn 52, 54–56 Gender 35, 50, 110f. Gewerkschaft 63 Glauben 11, 14–16, 27, 30, 35, 37–40, 42, 54, 65, 72, 74, 77f., 81–92, 95, 102–107, 114, 120, 126, 129, 131–135, 140, 143, Gleichgültigkeit 41, 71, 92 Globalisierung 25, 70, Gott 11, 14f., 36, 38–41, 51f., 59f., 65, 72f., 75–94, 102, 106f., 112f., 116, 124, 128–135, 142, 145 Gottesbegabung 15, 76–81, 89f. Gottesbeziehung 14f., 75f., 80, 85, 102, 145 Halbbildung 46 Handeln, Handlung 12, 14–16, 21f., 24, 27f., 37, 40f., 49, 52, 56–58, 64, 66–68, 79, 91, 99–107, 114–116, 120–134, 140–144 Haskala 96f. Heterogenität 30, 33, 38, 40, 86, 113, 145 Hinduismus 74 Hirnforschung 54–56 Holocaust 35, 71, 98 Humanitätsfähigkeit 61 Identität, flüchtige 11–13, 23, 28–31, 86, Identität, religiöse 13, 38, 86, 127 Identitätsarbeit 24, 39, 56–58, 91, 103, 110, 114f., 127, 136, 139 Identitätsgefühl 57f. Identitätskonstruktion 13, 29f., 39, 44, 59, 76, 86, 111, 127, 136

Individualisierung 11, 14, 25–27, 30, 37–41, 67, 84, 89, 130, 132 Informationsgesellschaft 46, 70 Inklusion 122 Inkulturation 82 Inszenierung 23, 116 Integration 34, 42, 59, 106, 128 Interaktion 11, 35, 67, 111, 124 Islam 35, 38, 42f., 86, 111 Islamismus 42f. Jesus Christus 14, 38, 40, 43, 81–84, 90f., 94f., 112, 132–135, 142 Judentum 35, 42, 82–84, 91, 93f., 96f. Jugend 18f., 28, 32, 45, 52, 56f., 88, 93f., 96, 103, 116, 124, 145 Katechese 40, 95, 106f., 112, 144 Kindheit 9, 18–20, 33, 52, 54, 56, 60, 63, 87, 93–95, 116, 212, 140 Kirche 11–19, 26, 33–44, 49, 51, 63, 72–76, 81, 84f., 89, 94–117, 121, 126f., 129, 134f., 137, 139–145 Kirche, evangelisch 98–101 Kirche, katholisch 41, 98f., 101, 114 Kirchenväter 79, 83 Kohärenz 12, 50, 57–59, 121, 127, 136–138 Kommunikation 11, 20–24, 33, 34, 38, 44, 66, 69f., 74f., 101, 104, 107, 111, 115, 119, 125, Kommunikation des Evangeliums 74, 75, 91 Kommunikationskompetenz 69f. Kompetenz 15f., 43f., 46, 49–54, 58, 60f., 64–66, 69f., 72, 80f., 86f., 89, 107, 113–120, 125–129, 134–138 Kompetenz, dialogisch 61, 66, 113f. Kompetenz, interreligiös 113–115 Kompetenz, religiös 51, 65, 116, 119f., 136, 138 Konstruktivismus 49, 51, 53, 59, 110, 118, 120, 123, 128, 136f. Konsum 11, 15, 22, 26, 29, 32, 71, 86, 110, 116, 129, 131, 135, 145 Kontingenz 27, 30 Korrelation 12, 53, 77, 79, 102, 123 Kreativität 11, 34, 64, 69, 102, 111, 129, 145 Kritikfähigkeit 60f., 65, 70, 93, 104, 116, 140 Kritische Lebensereignisse 35, 53, 58 Kultur 11f., 22, 25, 29, 30, 35–37, 40, 42, 46f., 49, 51, 56, 62, 66, 69, 70–72, 74, 78, 80, 83f., 86, 88, 90, 95, 101, 110f., 113, 120, 129, 142

Kunst 16, 35, 69, 72, 74f., 111f., 134 Landeszentrale für politische Bildung 62, 65, 68 Lebensalter 32f., 103 Lebenswelt 12, 16, 18–22, 26–28, 34–36, 44, 51, 53, 70, 82, 84f., 89, 96, 99, 103f., 109, 122f., 129–135, 138 Lebensweltorientierung 16, 35, 53, 103, 122, 135 Lehrhaus, jüdisches 97f., 128 Lernen, ästhetisches 47, 111 Lernen, ethisches 47, 52, 67f. Lernen, interreligiöses 114 Lernen, lebenslanges 11, 44f., 52–54, 57, 94–97, 106, 119 Lernen, ökumenisches 38, 41, 74, 101 Lernen, religiöses 16f., 54, 79, 96, 103, 125, 127f. Lernorte 61, 74, 139f., 143 Lifelong learning 52f., 101 Literatur 69, 74, 111 Liturgie 94f., 97f. Lumen Gentium 84f. Makrodidaktik 126 Medien, digitale 22f., 70, 78, 116 Mediengesellschaft 23, 116 Medienkompetenz 70, 116 Meditation 39, 40f., 74 Menschenbild [Mensch steht auf jeder Seite] 27, 76, 79–81, 100, 133, 140 Midrasch 94 Migranten 25, 33, 45, 50, 63 Milieu 12, 25, 33–35, 38, 50, 63, 82, 85, 122, 136f. Mittelalter 35, 83, 94f. Mobilität 13, 20f., 27, 70 Moderne, flüchtige 12, 14, 21f., 29–32, 40, 44, 73, 84, 86, 109, 112, 116, 136, Modernisierung 20, 24, 36f., 84, 96 Moschee 14, 38, 42, 74 Münchner Modell 128 Mündigkeit 15, 46, 49, 60f., 65, 71, 78, 89, 99f., 104f., 108, 121 Mündigkeit, religiöse 15, 65, 104f. Musik 35, 39, 69, 74f., 111 Muslime 37, 42, 74 Narration, Narrativität 57, 59, 86, 110, 112, 120, 127–129 Nationalsozialismus 60, 71, 99 Netzwerke, soziale und digitale 23, 26, 30 Ökonomie 11, 14, 21f., 24f., 44–48, 51, 61, 82f., 87

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Sachregister Ökumene 38, 41, 74, 95f., 101 Option(en) 11, 13, 24–27, 30f., 41, 52, 58, 75, 77f., 82, 89, 103, 105–107, 112f., 126, 129, 134, 140 Orientierung 9, 12f., 15, 27, 39, 55, 63f., 66, 77f., 100, 103f., 116, 118–121, 127, 129–132, 135f., 139 Orthodoxie 41f., 84, 97, 106f. Partei 63 Partizitation/Partizipationsfähigkeit 61, 65, 99f., 122, 139 Patchwork 13, 29, 39, 56, 86 Person 28, 32, 39, 47f., 50, 52, 57, 81, 90, 105, 125, 133, 142 Persönlichkeit 11, 28, 46, 67–72, 81, 88, 104, 110f., 142 Philosophie 27, 35, 37, 59, 60, 71, 87, 103, 130, 138 Pilger 13, 30–32, 59, 84, 95 Pluralisierung 11, 24f., 30, 33, 37f., 67, 77, 85 Pluralität 9, 16, 25, 41, 43, 47, 50, 54, 86, 100f., 113, 115, 121–123, 127, 136f., 143 Pluralitätsfähigkeit 41, 61, 66, 115, 139 Pointilisierung 29 Postmoderne 12, 16, 19, 20f., 29–34, 38, 84, 109, 112, 116, 137, 139 Postsäkularität 13, 37 Predigt 40, 95, 99, 131 Professionalität 63–67, 97, 99f. Qualifizierung/Qualifikation 16, 50, 54, 62–65, 106, 119, 140, 143 Qualitätsmanagement 62, 64, 126 Qualitätssicherung 64, 118, 126 Qualitätsverbesserung 64, 126 Rassismus 25, 116 Raum 9, 12, 15f., 18, 21–23, 29, 37, 50, 55, 64, 66, 74, 75, 88f., 91, 95, 97, 106f., 109, 111–113, 123, 125, 128f., 138f., 141, 143 Referentinnen/Referenten 63f., 66, 74 Reflexion 9, 34f., 44, 47, 49, 51, 60f., 70f., 73, 79, 87–89, 91f., 94, 97, 107, 113, 118, 121, 125–127,135 Reformation 41, 84, 95f. Reich Gottes 52, 82, 94, 106, 129, 132, 134f., 142 Re-Kontextualisierung 9, 14, 73, 82–93, 110, 112, 114f., 117, 122, 127–132, 136, 145 Religion 9, 11, 15f., 35–42, 57, 72, 74, 77, 80, 82–87, 90f., 104, 113f., 117, 120, 126, 135, 145

Religionen 11, 14, 16, 37, 41–43, 66, 74f., 77, 82, 86, 112–115, 142, 145 Religionssoziologie 37, 84f. Religiosität 11, 37–41, 51, 77, 79f., 82, 86f., 99, 115, 129, 140 Respekt 42, 69, 114, 123 Säkularisierung 11, 13, 37, 85 Salutogenese 110, 120, 136–138 Scholastik 83, 98 Sehnsucht 15, 31, 79, 90, 92, 102, 131–137 Sekten 42, 74 Selbstkonstruktion 56, 59, 121 Selbstkonzept 28, 34, 56f., 76 Selbstreflexion 60f., 64, 71, 76, 125f. Selbsttätigkeit 49, 66, 68, 121 Senioren 33, 62f., 69, 74, 100, 121 Sinn 9, 12, 14f., 24, 26f., 30f., 38f., 43, 46f., 52, 54, 57–59, 74, 77, 87, 89, 91, 102, 104, 107f., 110, 112f., 115, 125, 127–130, 132f., 135–139 Solidarität 23, 26f., 41, 47, 88, 102, 104f., 107, 112, 116, 140f. Sozialethik 117, 134f. Soziallehre 117 Sozialpsychologie 27f., 31, 50, 56, 137 Soziologie 12, 20f., 24, 26–29, 31, 35, 46, 84, 88, 93, 109 Spiritualität 11, 15, 36, 39, 40f., 74, 112–114, 136f., 141 Stolpern 16, 112, 132 Subjekt 23, 29, 32, 46f., 49, 52, 66, 71, 78, 87, 89, 103–105, 108–110, 112, 120–124 Subjektorientierung 48f., 65f., 87, 89, 103, 108, 110, 122 Supervision 62, 64 Talmud 94 Teilnehmer 15f., 18, 34f., 43, 54, 59, 63f., 68f., 75f., 102–104, 106f., 112–118, 121f., 125–128, 135, 141, 143, 145 Theater 35, 69, 111 Theatergruppe 111 Themen 12, 15, 27, 35, 43, 48, 50, 56f., 62f., 65f., 69, 74–76, 89, 100, 102f., 110–112, 114, 120–135, 138f. Themenzentrierte Interaktion (TZI) 124 Theologie 15–17, 41f., 71, 79, 92, 98, 107, 112, 142 Theologie, praktische 41, 74, 103, 106 Tora 82, 84, 93f., 97

Träger von Bildungseinrichtungen 17, 61–63, 65, 69, 74–76, 100f., 114, 142f. Transformation, gesellschaftliche 11, 19–22, 31, 39, 44, 84, 109, 144f. Transformation, religiöse 11f., 14, 19, 26, 35, 39, 40f., 85, 137 Transzendenz 11, 80f., 112 Umkehr 15, 85, 91, 129, 131, 135 Unbildung 45f. Unsicherheit 13, 19, 22, 24, 30, 32, 111 Unterbrechung 9, 15f., 73, 85–87, 89, 91–93, 99, 112f., 116, 118, 120, 126, 129–135, 145 Unterbrechungsdidaktik 129, 135 Unterbrechungspotentiale 91–93, 132f., 135 Veranstaltungen 17–19, 33, 42f., 48, 54, 56, 59, 61–63, 65, 68f., 74–76, 10f2., 107, 110, 112, 118, 121–124, 126, 128, 143 Verantwortung 15f., 22, 32, 40, 49, 52, 60f., 67f., 71, 73, 75f., 79f., 86, 89, 98–101, 104, 113, 116, 120, 126, 133f., 140–145 Vermittlung 15, 19, 49, 66, 68, 71, 100, 112, 120, 123f., 128, 132, 135, 140 Verständigung 119 Vertrauen 14, 23, 31, 43, 60, 78, 84, 106, 132, 136, 138f. Virtualität 12, 23, 30, 120 Volkshochschule 17, 44, 51, 62, 65, 68, 75, 114, 144 Vorbilder 56, 133 Wahrheit 11f., 25, 31, 46, 98, 115, 134 Wahrnehmung 13, 20, 23, 43, 52, 61, 65, 78, 91, 100, 111, 114f., 124 Werteverlust 67, 78 Würde, Menschenwürde 66, 71, 81, 108, 116, 141, 145 Würzburger Synode 89, 100 Zeitdiagnostik 9, 73, 75, 87, 109 Zeitknappheit 20f., 27, 29, 88, 109, 116 Zeitsensibilität 27, 87, 89 Ziele 12f., 15f., 31f., 44, 46–48, 60f., 65, 67, 69, 76, 79, 81, 89, 93, 98, 100–107, 118f., 122, 127, 131, 136, 138, 142, Zielgruppe 18, 32f., 35, 62–64, 100, 107f., 110, 121, 122, 123, 143f. Zweites Vatikanisches Konzil 14, 42, 81, 100, 102, 114