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German Pages [176] Year 2014
Bernd Kollmann
Einführung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte 3. Auflage
In memoriam Hartmut Stegemann (1933–2005)
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. 3., erweiterte Auflage 2014 © 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2006 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-26319-6 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-73837-3 eBook (epub): 978-3-534-73838-0
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort zur dritten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Aufgabe einer „Neutestamentlichen Zeitgeschichte“. . . . . . 1.2 Die wichtigsten literarischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Nichtliterarische Zeugnisse (Papyri, Inschriften, Münzen, materielle Überreste) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Palästina unter hellenistischer Herrschaft (332–142 v.Chr.) . . . . . . . 2.1 Alexander der Große und der Siegeszug des Hellenismus . . . . . Exkurs: Die Samaritaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Palästina als Teil des Ptolemäerreiches (301–200 v.Chr.) . . . . . . 2.3 Die Seleukidenherrschaft und der Kampf der Makkabäer (200–142 v. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die Essener, die Qumransiedlung und die Schriftrollen vom Toten Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Das Hasmonäerreich (142–63 v.Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Hasmonäische Priesterfürsten (142–104 v.Chr.) . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die Pharisäer und die Sadduzäer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das Königtum der Hasmonäer (104–63 v.Chr.) . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die Nabatäer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Das römisch-herodianische Zeitalter (63–4 v.Chr.). . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Besetzung Palästinas durch Pompeius . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Herrschaft Hyrkans II. und der Aufstieg des Herodes . . . . . 4.3 Das Königtum Herodes’ des Großen (37–4 v.Chr.) . . . . . . . . . . Exkurs: Kaiser Augustus und das System des Prinzipats . . . . . . . . Exkurs: Der Herodianische Tempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59 59 62 68 71 75
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5. Die Zeit nach Herodes bis zum Jüdischen Krieg (4 v.Chr.–66 n.Chr.) 83 5.1 Judäa unter Archelaos und der Herrschaft römischer Statthalter . 83 Exkurs: Die Zeloten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 5.2 Die Tetrarchien des Philippos und des Herodes Antipas . . . . . . 93 5.3 Die Caligulakrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5.4 Kaiser Claudius und seine Religionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.5 Das Königreich von Agrippa I. (41–44 n.Chr.) . . . . . . . . . . . . . . 100 5.6 Judäa vom Tod Agrippas I. bis zum Vorabend des Jüdischen Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5.7 Nero und die Christenverfolgung in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 6. Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand (66–135 n.Chr.) 6.1 Der Jüdische Krieg (66–70 n.Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Neuformierung des Judentums nach der Tempelzerstörung . 6.3 Das Kaisertum der Flavier (69–96 n.Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Geschichte des Kaiserreiches von Nerva bis Hadrian (96–138 n. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Der Bar-Kochba-Aufstand (132–135 n.Chr.) . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
7. Philosophische Strömungen im neutestamentlichen Zeitalter . . . . . . 7.1 Das Pythagoreertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Der Platonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Der Peripatos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Der Epikureismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Stoa und Kynismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Die nichtjüdische religiöse Umwelt des Neuen Testaments . . . . . . . 8.1 Der Asklepioskult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Die Mysterienkulte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Der Herrscher- und Kaiserkult. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Die Gnosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karte: Palästina zur Zeit Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neutestamentliche Zeitgeschichte im Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stammbaum Hasmonäer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stammbaum Herodesdynastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort Eine Erhellung der neutestamentlichen Zeitgeschichte hat das antike Weltgeschehen zum Gegenstand, das in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht den Hintergrund des Auftretens Jesu bildete und die Lebenswelt des Urchristentums bestimmte. Entscheidenden Anteil daran, dass die „Neutestamentliche Zeitgeschichte“ eine seit langem fest etablierte Disziplin der Bibelwissenschaft darstellt, hat der große Leipziger und Göttinger Gelehrte Emil Schürer. Seine dreibändige „Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi“ (1886–1890), die in neu bearbeiteter und erweiterter Form als „The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ“ (1973–1987) bis heute das Standardwerk schlechthin zur Thematik darstellt, erblickte 1874 als „Lehrbuch der neutestamentlichen Zeitgeschichte“ das Licht der Welt. Mit diesem opus magnum kann und will sich meine Einführung in die neutestamentliche Zeitgeschichte nicht messen. Sie verfolgt das bescheidenere Ziel, einen knappen, aber instruktiven Einblick in die geschichtlichen Entwicklungen von Alexander dem Großen bis Hadrian zu bieten, soweit sie sich für das Verständnis des Neuen Testaments als bedeutsam erweisen. Dabei soll dem aktuellen Forschungsstand in der Theologie, der Judaistik und den Altertumswissenschaften Rechnung getragen werden. Zumindest am Rande kommen auch die religiösen und philosophischen Strömungen in der Umwelt des Neuen Testaments in den Blick. Das Werk richtet sich nicht allein an ein Fachpublikum, sondern hat einen breiteren Kreis von Leserinnen und Lesern im Blick, die an biblisch-theologischen wie geschichtlichen Fragen interessiert sind. Im Anhang finden sich Hinweise auf weiterführende Literatur und zentrale Quellentexte zu den einzelnen Kapiteln, die eine tiefer gehende Beschäftigung mit der Thematik ermöglichen. In besonderer Weise eignet sich dazu die Lektüre von Flavius Josephus. Seine Schriften sind in der immer wieder nachgedruckten Übersetzung von H. Clementz, die zwar strengen wissenschaftlichen Maßstäben nicht mehr genügen kann, aber nach wie vor gute Dienste leistet, bequem zugänglich. Unterhaltsame, wenn auch mit der geschichtlichen Wahrheit recht frei umgehende Zugänge zur neutestamentlichen Zeitgeschichte bieten zudem zahlreiche Monumentalfilme wie „Cleopatra“, „Ben Hur“ oder „Quo Vadis“. Mein Dank geht an alle, die in unterschiedlicher Weise zur Entstehung des vorliegenden Buches beigetragen haben. Der Grundstock wurde in einem Forschungsfreisemester gelegt, das mir die Universität Siegen im Winter 2003/2004 gewährte. Daniel Löttgers und in der Endphase Lili Löwen haben mich durch unermüdliche Literaturbeschaffung unterstützt. Marion Kielmann hielt mir durch gewohnt zuverlässige Erledigung der Alltagsgeschäfte im Sekretariat den Rücken frei. Mein Siegener Kollege Richard Schantz hat den Abschnitt über die philosophischen Strömungen im neutestamentlichen Zeitalter gegengelesen. Manfred Clauss (Frankfurt), aus dessen Publikationen ich viel gelernt habe, bin ich für eine kritische Kommentierung des gesamten Manuskriptes zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Gewidmet ist das Buch dem Andenken meines verehrten Lehrers Hartmut Stegemann, dessen Studien zu den Schriftrollen von Qumran maßgeblich zum besseren Verständnis eines wichtigen Teilbereichs der neutestamentlichen Zeitgeschichte beigetragen haben. Siegen, im November 2005
Bernd Kollmann
Vorwort zur dritten Auflage Es erfüllt mich mit großer Freude, dass meine Einführung in die Neutestamentliche Zeitgeschichte durchweg freundlich aufgenommen wurde und sich für ein breiteres Lesepublikum bei der Beschäftigung mit dem Neuen Testament, dem antiken Judentum und der griechisch-römischen Geschichte als nützlich erwiesen hat. Für die dritte Auflage wurde erneut der Text durchgesehen und das Literaturverzeichnis aktualisiert. Während die zweite Auflage um eine Übersicht zur Rezeption zentraler Ereignisse der Neutestamentlichen Zeitgeschichte im Film bereichert wurde, sind nun im Anhang auch Stammbäume des hasmonäischen wie herodianischen Herrscherhauses und ein Namensregister neu hinzugekommen. Siegen, im November 2013
Bernd Kollmann
1. Einleitung 1.1 Die Aufgabe einer „Neutestamentlichen Zeitgeschichte“ Eine Darstellung der „Neutestamentlichen Zeitgeschichte“ hat das antike Weltgeschehen zum Gegenstand, das in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht den Hintergrund des Auftretens Jesu bildete und die Lebenswelt des Urchristentums bestimmte. Da Jesus in Palästina wirkte und dort nach seinem Tod die christliche Kirche erste Gestalt annahm, liegt ein Schwerpunkt auf den geschichtlichen Entwicklungen des palästinischen Judentums im neutestamentlichen Zeitalter. Die neutestamentliche Zeitgeschichte bleibt aber geographisch nicht auf Palästina beschränkt, sondern nimmt die Verhältnisse im gesamten Römischen Reich und deren Vorgeschichte in der hellenistischen Staatenwelt in den Blick, soweit sie sich für das Verständnis Jesu und des Urchristentums als bedeutsam erweisen. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus der Tatsache, dass Palästina in neutestamentlicher Zeit unter römischer Herrschaft stand und geistig in hohem Maße von der Epoche des Hellenismus geprägt war. Hinzu kommt der Sachverhalt, dass sich die christlichen Gemeinden rasch über die Grenzen Palästinas hinaus im gesamten Imperium Romanum ausbreiteten und das Geschick der Kirche eng mit den Entwicklungen in der römischen Kaisergeschichte verbunden war. Neben den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten sind die religiösen, philosophischen und kulturellen Denkformen der neutestamentlichen Zeit für ein sachgerechtes Verständnis der biblischen Texte von Bedeutung. Daraus ergeben sich enge Berührungspunkte zwischen einer Darstellung der neutestamentlichen Zeitgeschichte und einer Erhellung der Umwelt des Neuen Testaments. Auch wenn beide Themenkomplexe oftmals in einem Atemzug genannt werden, kann gegenüber einer uneingeschränkten Gleichsetzung deutlich zwischen einer auf die historischen Entwicklungen ausgerichteten „Neutestamentlichen Zeitgeschichte“ und einer die geistigen Strömungen der Epoche untersuchenden „Umwelt des Neuen Testaments“ unterschieden werden. Unsere Einführung in die neutestamentliche Zeitgeschichte verfolgt im Wesentlichen das Ziel einer chronologisch orientierten Geschichtsdarstellung und nimmt schon aus Platzgründen die allgemeinen religiösen, philosophischen und kulturellen Verhältnisse des neutestamentlichen Zeitalters nur am Rande in den Blick. Bei der Festlegung des chronologischen Rahmens bietet es sich an, mit dem Aufstieg Alexanders des Großen einzusetzen und mit der Herrschaft von Kaiser Hadrian zu enden. Die Darstellung der neutestamentlichen Zeitgeschichte widmet sich damit über weite Strecken der Epoche des Hellenismus, soweit diese sachlich als Hintergrund für das Neue Testament relevant erscheint. Mit Alexander dem Großen und den Diadochenherrschaften nach seinem Tode wurden jene politischen und geistigen Entwicklungen eingeleitet, die den Referenzrahmen für das Verständnis Jesu und des Urchristentums abgeben. Umgekehrt brachte die Regierungszeit Hadrians mit der Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstandes und der Umwandlung Jerusa-
Chronologischer Rahmen
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Einleitung
lems in die römische Kolonie Aelia Capitolina nicht nur einen gravierenden Einschnitt für das antike Judentum, sondern markiert zugleich auch die Schwelle, an der die Epoche des Urchristentums in die Zeit der Alten Kirche überzugehen beginnt. Hermeneutisch werden Darstellungen der neutestamentlichen Zeitgeschichte und Umwelt des Neuen Testaments gern in den Rahmen der christologischen Bekenntnisaussage von Gal 4,4–5 „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste“ gestellt. Diese theologische Geschichtsdeutung erweist sich spätestens dann als problematisch, wenn die Zeit Jesu und der Kirche einseitig als Erfüllung und Ende jüdischer Geschichte qualifiziert wird. Unsere Darstellung verzichtet auf geschichtstheologische Überhöhungen und begnügt sich damit, die Gegebenheiten des neutestamentlichen Zeitalters mit den Methoden der kritischen Geschichtsforschung zu rekonstruieren.
1.2 Die wichtigsten literarischen Quellen Daniel und Makkabäerbücher
Eine Darstellung der neutestamentlichen Zeitgeschichte kann sich auf eine breite Quellenbasis stützen. Dazu zählen zunächst Spätschriften aus alttestamentlicher Zeit wie das kanonische Danielbuch und die deuterokanonischen ersten beiden Makkabäerbücher, die in den hebräischen Bibelkanon keine Aufnahme fanden, aber Bestandteil der lateinischen und griechischen Bibel, der Septuaginta und der Vulgata, sind. Die in babylonischer Zeit einsetzende apokalyptische Geschichtsschau des Danielbuches spiegelt die Zeit Alexanders und der Diadochen wider, um auf die Schreckensherrschaft des Seleukidenkönigs Antiochos IV. zuzulaufen, während der es entstanden ist. Das auf Hebräisch verfasste, aber nur in Übersetzungen erhaltene erste Makkabäerbuch hat die Ereignisse vom Auftreten Alexanders des Großen bis zum Tod des hasmonäischen Priesterfürsten Simon (134 v. Chr.) zum Inhalt. Auch wenn die Darstellung nicht in allen Teilen als glaubwürdig anzusehen ist und die Interessen der Hasmonäerdynastie vertritt, zeichnet das Werk sich durch relativ große Objektivität und einen hohen Geschichtswert aus. Das zweite Makkabäerbuch, dessen Hauptinteresse in der Verherrlichung des Tempels und der Betonung jüdischer Gesetzesfrömmigkeit liegt, stellt keine Fortsetzung dar, sondern bietet eine den Zeitraum von 187–161 v.Chr. abdeckende Paralleldarstellung. Es handelt sich um einen mit redaktionellen Erweiterungen versehenen Auszug aus dem verloren gegangenen Geschichtswerk des Jason von Kyrene über den Aufstand der Makkabäer. Neben legendarischem Material enthält das zweite Makkabäerbuch mehrere wahrscheinlich authentische seleukidische Urkunden und liefert vor allem für die Vorgeschichte des Aufstandes historisch wertvolle Nachrichten. Bei den weiteren Makkabäerbüchern handelt es sich dagegen um religiöse Erbauungsliteratur. Das dritte Makkabäerbuch trägt einen irreführenden Titel, da es nicht in der Makkabäerzeit spielt, sondern die wunderbare Errettung der ägyptischen Juden vor der Verfolgung durch Ptolemaios IV. (221–204) schildert. Es ist ebenso von geringem Geschichtswert wie das vierte Makkabäerbuch, das den Makkabäeraufstand in einer Mischung aus philoso-
Die wichtigsten literarischen Quellen
phischem Traktat und erbaulichem Märtyrerbericht wiedergibt. Keine zusammenhängende Geschichtsdarstellung, aber wichtiges Einzelmaterial zur Erhellung der neutestamentlichen Zeitgeschichte bieten die Qumrantexte und weitere Apokryphen oder Pseudepigraphen des antiken Judentums. Die bedeutendsten jüdischen Schriftstellerpersönlichkeiten des neutestamentlichen Zeitalters sind Philo von Alexandria und Flavius Josephus. Der Religionsphilosoph Philo verfügte über eine ausgezeichnete griechische Bildung und war einer der führenden Repräsentanten des hellenistischen Judentums. Philos Werk besteht in erster Linie aus exegetischen Kommentaren zum Pentateuch, die mit ihrer allegorischen Schriftauslegung von unschätzbarem Wert sind und tief auf das theologische Denken der Kirchenväter eingewirkt haben. Für die neutestamentliche Zeitgeschichte sind seine philosophischen und historischen Schriften von größerer Bedeutung. In Quod omnis probus liber sit und Hypothetica beschreibt Philo die Essener, eine der vier Religionsparteien des antiken Judentums. Die Schrift De vita contemplativa ist der ansonsten unbekannten Gemeinschaft der Therapeuten gewidmet. Um 40 n. Chr. wurde Philo mit der Gesandtschaft der alexandrinischen Juden an den römischen Kaiser Gaius Caligula betraut. In seinen zeitgeschichtlichen Werken Legatio ad Gaium und In Flaccum beschreibt er ausführlich die Ausschreitungen gegen die Juden in Alexandria, das tatenlose Zusehen des Statthalters Flaccus und die Reise nach Rom mit dem erfolglosen Versuch, Gaius Caligula zum Eingreifen zu bewegen. Flavius Josephus wurde um 40 n. Chr. als Abkömmling einer vornehmen Priesterfamilie geboren, die sich zu den Sadduzäern zählte und ihren Stammbaum auf das Hasmonäergeschlecht zurückführte. Seine Muttersprache war Aramäisch, doch beherrschte er wie jeder weltoffene jüdische Aristokrat seiner Zeit auch das Griechische. In seiner autobiographischen Vita beschreibt Josephus, wie er sich nach intensivem Studium der Religionsparteien und einem Wüstenaufenthalt bei dem Asketen Bannus für die Richtung des Pharisäismus entschied. Im Jüdischen Krieg (66–70 n. Chr.) hatte Josephus als Militärbefehlshaber der Aufständischen das Kommando über Galiläa. Auf der Festung Iotapata wurde er von römischen Truppen eingeschlossen, entzog sich dem kollektiven Selbstmord seiner Einheit und geriet in Kriegsgefangenschaft. Dort prophezeite er dem Feldherrn Flavius Vespasian die künftige Weltherrschaft. Als Vespasian dann überraschend tatsächlich den Kaiserthron einnehmen konnte, wurde Josephus freigelassen, erhielt das römische Bürgerrecht und übernahm aus Dankbarkeit gegenüber Vespasian dessen Familiennamen Flavius. Den weiteren Kriegsverlauf erlebte er im römischen Stab mit, wo er als Berater und Dolmetscher tätig war. Später siedelte er nach Rom über, wo er in Vespasians ehemaligem Palast lebte und vom kaiserlichen Hof ein festes Gehalt bezog. Seine literarische Hinterlassenschaft macht Josephus zum wichtigsten jüdischen Geschichtsschreiber der Antike. Josephus verfasste eine Abhandlung über den Jüdischen Krieg (De bello Judaico), den er über weite Strecken als Augenzeuge miterlebt hatte. Das Werk will die Leserschaft von der Berechtigung der jüdischen Niederlage und der Unüberwindbarkeit der römischen Macht überzeugen. Der Darstellung der kriegerischen Auseinandersetzungen geht ein mit der Makkabäerzeit einsetzender Abriss der jüdischen Geschichte voran. Weitaus umfangreicher sind die Antiquitates Judaicae, in
Philo von Alexandria
Flavius Josephus
Werke des Josephus
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Einleitung
Griechische und römische Historiker
Tacitus
denen einem gebildeten griechisch-römischen Lesepublikum die Geschichte des Judentums seit Erschaffung der Welt bis in die Zeit Neros nahe gebracht wird. Für die Epoche des Hellenismus basiert die Darstellung hochgradig auf der verloren gegangenen Universalgeschichte des Nikolaos von Damaskus, der als Historiker am Hof von Herodes dem Großen tätig war. In seiner Vita, die ursprünglich als Anhang zu den Antiquitates Judaicae verfasst wurde, wehrt sich Josephus vor allem gegen Vorwürfe, sein Volk an die Römer verraten zu haben. Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Antijudaismus der Antike bietet die apologetische Schrift Contra Apionem. Auch wenn die Zuverlässigkeit des Josephus angesichts seiner ausgeprägten Darstellungsabsichten und der unterschiedlichen Qualität seiner Quellen nicht überschätzt werden sollte, ist er der mit Abstand bedeutsamste Zeuge für die neutestamentliche Zeitgeschichte. Von den griechischen und römischen Historikern des neutestamentlichen Zeitalters sind zunächst die Alexanderbiographen von Belang. Während die älteren Geschichtswerke über Alexander allenfalls fragmentarisch überliefert sind, stellt die Anabasis des Arrian, eines hohen Verwaltungsbeamten unter Hadrian, die wichtigste erhaltene Alexanderbiographie dar. Hervorzuheben sind zudem die Alexanderdarstellungen von Curtius Rufus und Plutarch, wobei letzterer mit seinen Parallelbiographien eine ganze Reihe bedeutsamer Lebensbeschreibungen griechischer und römischer Herrschergestalten hinterlassen hat. Während die Epoche Alexanders des Großen wegen der überragenden Persönlichkeit des Makedonenkönigs auf breites Interesse bei den antiken Historikern stieß, sieht dies für die Geschichte der Diadochenreiche anders aus. Die weitaus ergiebigste Quelle für die Diadochenkriege um Alexanders Erbe ist Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.) mit seiner zumindest teilweise erhaltenen Bibliothek, einer vierzigbändigen Universalgeschichte von der Zeit vor dem Trojanischen Krieg bis zur römischen Eroberung Galliens. Polybios von Megapolis (2. Jh. v. Chr.), der die römische Welteroberung zum zentralen Thema seiner Weltgeschichte machte, und Appian von Alexandria (2. Jh. n. Chr.) mit seiner ethnographisch angelegten Römischen Geschichte liefern wichtige Informationen über die Entwicklungen im Ptolemäer- und Seleukidenreich. Unter den griechischen wie römischen Autoren für die Geschichte der Kaiserzeit kommt Tacitus, Sueton und Cassius Dio eine Ausnahmestellung zu. Der aus Gallien stammende Tacitus absolvierte unter den flavischen Herrschern eine beachtliche senatorische Laufbahn und war später Prokonsul der Provinz Asia. Seine großen Geschichtswerke, die Historien und die Annalen, sind beide nur unvollständig erhalten. Die um 110 n. Chr. abgeschlossenen Historien widmeten sich der Flavierdynastie. Davon erhalten sind nur die ersten fünf Bücher, die in detailreicher Berichterstattung von den Wirren nach dem Tod Neros und den Anfängen der Herrschaft Vespasians berichten. Die bald darauf verfassten Annalen behandeln den vorangehenden Zeitabschnitt vom Regierungsantritt des Tiberius bis zum Tod Neros. Bei der historiographischen Wertung der Personen und ihrer Handlungen rückt Tacitus moralische Maßstäbe in den Vordergrund. Als entscheidende Fehlentwicklungen im Prinzipat betrachtet er den Machtmissbrauch einzelner Kaiser und die mangelnde Ausschöpfung vorhandener Handlungsspielräume durch den Senat.
Die wichtigsten literarischen Quellen
Die durch eine Verschränkung von Biographie und Historiographie gekennzeichneten Kaiserviten von Sueton, der um 70 n. Chr. geboren wurde und unter Hadrian einflussreicher Hofbeamter war, beschreiben das Leben der zwölf römischen Herrscher von Caesar bis Domitian. Das Werk ist von der geschichtsphilosophischen Tendenz einer zweimaligen Dekadenzlinie in der frühen Kaiserzeit geprägt. Die Entwicklung des von Caesar konzipierten und von Augustus realisierten Prinzipats über Tiberius, Caligula und Claudius bis zu Nero wird als Geschichte eines zunehmenden Verfalls dargestellt, wie sie sich dann in den Augen Suetons nach den Wirren des Vierkaiserjahres unter den Flaviern Vespasian, Titus und Domitian in kleinerem Maßstab wiederholte. Die ursprünglich achtzig Bände umfassende Römische Geschichte von Cassius Dio entstand um 230 n. Chr. und widmete sich der Entwicklung Roms von den Anfängen bis in die unmittelbare Gegenwart des aus Bithynien stammenden Verfassers, der unter Severus Alexander Statthalter mehrerer Provinzen war. Vollständig erhalten sind nur noch die Bücher 36–60. Sie decken den Zeitraum von 68 v. Chr. bis 47 n. Chr. ab und stellen für diese Epoche eine unschätzbare Quelle dar, auch wenn der Geschichtswert durch chronologische Unklarheiten und fiktive Reden geschmälert wird, in denen Cassius Dio historischen Persönlichkeiten seine eigenen Überzeugungen in den Mund legt. Weitere Teile des Werkes sind zumindest in Auszügen oder Exzerpten überliefert. Eine in unserem Zusammenhang eher unergiebige Geschichtsquelle stellt das Neue Testament selber dar. Es werden zwar vielfach Personen, Begebenheiten oder Eckdaten der Zeitgeschichte erwähnt und Lukas bemüht sich in seinem Doppelwerk gezielt darum, das Jesusgeschehen und die Anfänge der Kirche in die allgemeine Weltgeschichte einzubetten. Dabei handelt es sich aber lediglich um Kurznotizen, die ergänzend zum wesentlich umfänglicheren Zeugnis der außerbiblischen Quellen hinzutreten. Die spätere christliche Historiographie, allen voran die Kirchengeschichte des Euseb von Caesarea, ist in der Darstellung des neutestamentlichen Zeitalters hochgradig von Josephus abhängig und verarbeitet nur gelegentlich auch Traditionen, die Neues zur Rekonstruktion der historischen Abläufe beitragen. Von den christlichen Chroniken erlangten die des Euseb, Malalas und Georgios Synkellos eine gewisse Bedeutung für die moderne Kenntnis der antiken Geschichte. Zahlreiche geschichtliche Ereignisse des neutestamentlichen Zeitalters haben sich auch in der rabbinischen Tradition niedergeschlagen, deren schriftliche Fixierung im 2. Jh. n. Chr. einsetzte und sich über einen relativ langen Zeitraum erstreckte. Den Formen rabbinischer Tradition entsprechend werden kaum zusammenhängende Berichte geboten, sondern es dominieren verstreute Anekdoten und Legenden, die zudem von bestimmten Erzählinteressen geprägt sind. Die Frage nach dem Geschichtswert kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern setzt eine Prüfung des Alters der jeweiligen Tradition und des Verhältnisses zu anderen antiken Geschichtsquellen voraus.
Sueton
Cassius Dio
Christliche Quellen
Rabbinische Tradition
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14
Einleitung
1.3 Nichtliterarische Zeugnisse (Papyri, Inschriften, Münzen, materielle Überreste)
Papyri
Inschriften
Münzen
Eine Erhellung der neutestamentlichen Zeitgeschichte ist nicht allein auf literarische Quellen verwiesen. Sie kann sich auch auf Papyri, Inschriften, Münzen und materielle Relikte aus der Antike stützen, die dazu geeignet sind, die überlieferten literarischen Angaben zu überprüfen, zu revidieren und neu zu interpretieren. Papyri vermitteln ein facettenreiches Bild vom konkreten Alltagsleben, wie es die literarischen Quellen in dieser Anschaulichkeit nicht widerspiegeln. Es handelt sich um Dokumente, die nicht mit der Absicht der dauerhaften Überlieferung erstellt wurden. Neben Briefen spielen dabei Rechtsurkunden wie Kaufverträge, Steuererklärungen, Schuldscheine oder Pachtverträge eine zentrale Rolle. Unter dem für die neutestamentliche Zeitgeschichte bedeutsamen Material kommt den Zenonpapyri aus Ägypten und den Papyrusfunden aus der jüdäischen Wüste eine Ausnahmestellung zu. Bei den Zenonpapyri aus dem 3. Jh. v. Chr. handelt es sich um ein etwa zweitausend Dokumente umfassendes Archiv, das einen umfassenden Einblick in die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Ptolemäerreiches und seiner Provinzen gibt. Unter den Papyri aus der judäischen Wüste ragen Funde aus der Zeit des zweiten jüdischen Krieges gegen die Römer heraus, darunter Briefe des Aufstandsführers Bar Kochba sowie die Familienarchive der Jüdinnen Babatha und Salome. Inschriften sind im Gegensatz zu Papyri mit der Absicht erstellt, über einen längeren Zeitraum erhalten zu bleiben. Die Epigraphik hat zahlreiche schriftliche Überlieferungen des neutestamentlichen Zeitalters, die auf dauerhaften Materialien wie Stein, Metall oder Keramik festgehalten sind, zu Tage gefördert und wissenschaftlich ausgewertet. Dadurch sind viele Einzelheiten vor allem des öffentlichen Lebens überliefert, die sonst unbekannt wären oder sich in den literarischen Quellen nur bruchstückhaft niedergeschlagen haben. Besonders bedeutsame epigraphische Zeugnisse sind der Pilatusstein, eine Bauinschrift des Pontius Pilatus aus Caesarea mit der exakten Amtsbezeichnung des römischen Statthalters (praefectus), und der Galliostein mit einem Erlass des Kaisers Claudius an die Stadt Delphi, der für die Datierung der paulinischen Mission in Korinth und die gesamte Chronologie des Urchristentums von unschätzbarem Wert ist. Auch die von der Numismatik ausgewerteten Münzfunde können in ihrer Bedeutung für die neutestamentliche Zeitgeschichte kaum hoch genug eingeschätzt werden. Münzen legen in einzigartiger Weise Zeugnis von den wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Gegebenheiten ihrer Zeit ab. Antike Herrscher ließen Geldstücke prägen, deren Bilder und Legenden der Verbreitung politischer oder religiöser Propaganda dienten. In einer Zeit, die noch keine Massenmedien im heutigen Sinne kannte, waren Münzen ein wichtiges Mittel, das Antlitz und die Ideologie eines Herrschers breiten Bevölkerungskreisen binnen kürzester Zeit bekannt zu machen. Sie dienten nicht nur als Zahlungsmittel, sondern waren mit ihren Bildern wie Schriftzügen auch Träger konkreter Botschaften und Instrumente der Machtpolitik. Oftmals wurden ältere Münzen unter Beibehaltung ihres Zahlungswertes mit
Nichtliterarische Zeugnisse
neuen Stempeln überprägt, um ein verändertes Programm zu propagieren. Zudem ergänzen und korrigieren antike Münzen in wertvoller Weise das von den literarischen Quellen vermittelte Bild, indem sie beispielsweise in ihren Legenden Rückschluss auf die exakten Titulaturen bestimmter Herrschergestalten geben. An jüdischen Münzen lässt sich ersehen, in welchem Umfang die für die Emission verantwortlichen hasmonäischen oder herodianischen Herrscher Rücksicht auf das biblische Bilderverbot nahmen. Materielle Hinterlassenschaften der Antike, darunter Grabanlagen, Kunstwerke, Gebrauchsgegenstände, Werke der Architektur oder ganze Siedlungen, geben wichtige Aufschlüsse über soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten. Die mit materiellen Relikten aus dem neutestamentlichen Zeitalter befasste Biblische Archäologie war lange Zeit zu einseitig auf Palästina beschränkt und verfolgte oftmals allein die apologetische Tendenz, die Geschichtlichkeit biblischer Aussagen zu untermauern. Bei der Wahrnehmung und Auswertung archäologischer Befunde, die sich für die neutestamentliche Zeitgeschichte als bedeutsam erweisen, sind die Grenzen Palästinas programmatisch zu überschreiten, wobei ein Schwerpunkt auf lokalgeschichtlichen Untersuchungen im östlichen Mittelmeerraum liegt. Durch eine unvoreingenommene archäologische Forschung lässt sich zudem ein eigenständiges Bild der Lebensverhältnisse im neutestamentlichen Zeitalter erheben, das über die literarischen Quellen hinausgehend auch zu völlig neuen Einsichten führen kann.
Materielle Relikte
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2. Palästina unter hellenistischer Herrschaft (332–142 v.Chr.) 333 v.Chr. 332 v.Chr. 327–325 v.Chr. 323 v.Chr. 321–281 v.Chr. 301–200 v.Chr. 200–142 v.Chr. 175–164 v.Chr. 167 v.Chr. 166–160 v.Chr. 25. Chislev 164 v.Chr. 160–143 v.Chr.
Sieg Alexanders über Dareios III. bei Issos Eroberung Syriens und Palästinas durch Alexander Indienfeldzug Alexanders Tod Alexanders Diadochenkämpfe um Alexanders Erbe Ptolemäerherrschaft über Palästina Palästina als Teil des Seleukidenreichs Antiochos IV. Epiphanes Beginn des Makkabäeraufstands Judas Makkabäus Tempelweihfest (Chanukka) Jonathan
2.1 Alexander der Große und der Siegeszug des Hellenismus
Philipp II. von Makedonien
Mit Alexander dem Großen und seinem Sieg über die Perser begann ein neues Zeitalter, indem die Epoche des Hellenismus eingeläutet wurde. Die von Alexander mit atemberaubender Geschwindigkeit geschaffene neue Weltordnung brachte im östlichen Mittelmeerraum einschneidende Umwälzungen mit sich, durch die Jahrhunderte später auch noch die Lebenswelt Jesu und das Ausbreitungsgebiet des Urchristentums nachhaltig geprägt wurden. Während das Zeitalter des Hellenismus politisch mit der Einverleibung Ägyptens in das römische Imperium durch Octavian zum Abschluss kam, hat der Hellenismus geistig weit darüber hinaus gewirkt. Philipp II., der Vater Alexanders, hatte durch eine grundlegende Modernisierung seines Reiches und Heeres sowie durch eine expansive Machtpolitik die Vorherrschaft Makedoniens über Griechenland begründet. In der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.) mussten sich die lange Zeit zerstrittenen griechischen Stadtstaaten dem Makedonenkönig geschlagen geben und im neu gegründeten Korinthischen Bund seinen Führungsanspruch anerkennen. Da den Vereinbarungen zufolge Philipps Befehlsgewalt über die griechischen Städte erst im Fall der Friedensstörung zum Tragen kam, war das Bündnis seiner inneren Logik nach auf eine militärische Offensive angelegt. Auf Initiative Makedoniens beschloss der Korinthische Bund einen Krieg gegen die Perser, ohne dass von diesen eine reale Gefahr ausgegangen wäre. Formal wurde das Unternehmen als Vergeltungsschlag für den fast 150 Jahre zurückliegenden Feldzug des Xerxes gegen Griechenland legitimiert. Bald darauf fiel Philipp einem Mordkomplott zum Opfer. Das Vorhaben, unter der Führung Makedoniens alle Griechen zum Kampf gegen die Perser zusammenzuschließen, wurde von seinem Sohn Alexander aufgegriffen und durchgeführt. Was von Philipp als begrenzte Maßnahme zur Durchsetzung und Legitimierung seiner Herrschaft über Griechenland geplant gewesen war, nahm nicht vorhersehbare Dimensionen an. Während die ursprüng-
Alexander der Große
liche Zielsetzung wohl im Zurückdrängen der Perser aus Kleinasien bestand, setzte Alexander einen beispiellosen Siegeszug in Gang, der ihn bis nach Indien führte und ihm die Herrschaft über den gesamten östlichen Teil der damaligen bekannten Welt einbrachte. Der panhellenische Feldzug der Makedonen begann im Frühjahr 334 mit der Überschreitung des Hellespont. Alexander brachte zunächst Kleinasien unter Kontrolle und befreite es vom angeblichen Joch der Perserherrschaft. Im Herbst 333 kam es in der syrischen Küstenebene bei Issos zur Entscheidungsschlacht mit den Persern. Dareios III. hatte dem Perserreich, das nach dem Tod von Artaxerxes III. deutliche Auflösungserscheinungen zeigte, in Zeiten innerer Unruhen und Kämpfe um die Reichsspitze nochmals Stabilität verliehen. Angesichts der griechischen Bedrohung erwies er sich aber nicht als Herrscherpersönlichkeit mit solchen überragenden Talenten und Fähigkeiten, wie sie die Lenkung seines riesigen, in Satrapien unterteilten Imperiums in dieser Krisensituation erfordert hätte. Als Alexander der überlegenen persischen Streitmacht in offener Feldschlacht eine vernichtende Niederlage zufügte und Dareios in die Flucht schlug, war damit auch das Ende der rund zweihundert Jahre währenden Perserherrschaft über Palästina verbunden. Juda war seit 539 v. Chr. Teil des von Kyros errichteten persischen Großreiches gewesen und hatte innerhalb der Satrapie Transeuphrat zunächst zu Samarien gehört, bevor es in den Tagen Esras und Nehemias in den Rang einer eigenständigen Provinz erhoben wurde. Anders als die Babylonier hatten die Perser die kulturellen und religiösen Traditionen der von ihnen unterworfenen Völker geachtet. Kyros persönlich soll den Befehl zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels und zur Rückführung der nach Babylon verschleppten Tempelgeräte gegeben haben (Esra 6,3–5). Mit dem Siegeszug Alexanders wurde das persische Zeitalter beendet und die griechische Herrschaft über Palästina begründet. Auf Alexanders Weg nach Ägypten entlang der Mittelmeerküste unterwarfen sich die alten Phönizier- und Philisterstädte, die der persischen Flotte als Basen dienten, kampflos. Lediglich Tyros und Gaza konnten erst nach erbittertem Widerstand erobert werden und wurden mit äußerster Härte bestraft. Ein umfassendes Friedensangebot von Dareios, der weitgehende Zugeständnisse machte und den westlich des Euphrat gelegenen Teil seines Imperiums an Makedonien abtreten wollte, lehnte Alexander ab. In der Zielsetzung des Feldzuges war eine Wende eingetreten. Es ging Alexander nun um die Eroberung des gesamten Perserreiches und vielleicht sogar um den Griff nach der Weltherrschaft. Nach dem Fall Gazas brach er im November 332 zunächst nach Ägypten auf, um sich von der dortigen Bevölkerung als Befreier von der Perserherrschaft und göttlicher Herrscher feiern zu lassen. Wahrscheinlich wurde er auch offiziell als Pharao inthronisiert. In der entlegenen Oase Siwa suchte Alexander, der sich im Denken und Fühlen stark von den homerischen Mythen inspirieren ließ, das Orakel des Zeus Ammon auf und folgte darin dem Vorbild von Perseus und Herakles. Die Besetzung des syrophönizischen und palästinischen Binnenlandes hatte er seinen Feldherren Parmenio und Perdikkas überlassen. Neben der Küstenebene waren damit auch Juda und Samarien in die Hände der Makedonier gefallen. Dass Alexander auf dem Weg nach Ägypten im Anschluss an die Eroberung von Tyros auch in Jerusalem Einzug hielt, wird nur von Josephus be-
Feldzug Alexanders
Von Syrien nach Ägypten
Alexander in Jerusalem?
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
richtet (Ant. 11,329–339) und ist mehr als zweifelhaft. Alexander soll sich in Begleitung der Priesterschaft zum Tempel begeben haben, um Opfer darzubringen. Als man ihm das Buch Daniel mit der Vision von der Zerstörung des persischen Großreiches durch einen mächtigen König der Griechen (Dan 11,3) zeigte, habe er diese Prophezeiung freudig auf sich bezogen und die von den Persern gewährten Privilegien bestätigt, indem er dem jüdischen Volk Religionsfreiheit und Befreiung von Abgaben im Sabbatjahr zusicherte. Dieser Bericht entlarvt sich bereits dadurch als Legende, dass das in der Seleukidenzeit entstandene Buch Daniel zu jener Zeit noch gar nicht existierte. Es ist deutlich das Bestreben erkennbar, Alexander den Großen als Förderer der religiösen Traditionen des Judentums darzustellen und den Begründer des hellenistischen Weltreiches mit einem positiven Image in das jüdische Geschichtsbewusstsein eingehen zu lassen. Auch hellenistisch-jüdische Traditionen, die in den aus byzantinischer Zeit stammenden Alexanderroman eingeflossen sind (Vit. Alex. 20; 39), zeichnen den Makedonenkönig als Wohltäter des Judentums und Bekenner seines Gottesglaubens. Eine antisamaritanische Legende im Talmud berichtet von einer Zusammenkunft in der Küstenebene, bei der sich Alexander vor dem Hohenpriester verneigt haben soll (bJom 69a). In der Tat hat Alexander diejenigen Privilegien, die der jüdischen Bevölkerung von den Persern eingeräumt worden waren, nicht angetastet. Die Politik Alexanders, der von einer elementaren Religiosität bestimmt war und in den eroberten Gebieten an verschiedensten Orten den Lokalgottheiten seine Referenz erwies, war von hoher Wertschätzung der geistigen und religiösen Traditionen der unterworfenen Völker gekennzeichnet. Zudem wird ihm eine wichtige Rolle bei der Errichtung des Tempels auf dem Garizim zugeschrieben, der die zunehmende Verselbstständigung der samaritanischen Gemeinde nach sich zog.
Exkurs: Die Samaritaner
Untergang des Nordreichs
Die Rekonstruktion der Ursprünge und theologischen Anschauungen der bis heute existenten Samaritaner wird dadurch erschwert, dass sie sich über weite Strecken auf Quellen stützen muss, die den Samaritanern gegenüber feindselig eingestellt sind. Während die Samaritaner von jüdischer Seite des Synkretismus und Abfalls vom wahren Jahweglauben bezichtigt werden, ist Samarien aus christlicher Perspektive als Heimat von Simon Magus (Apg 8,9) die Wiege der gnostischen Häresien. Die Geschichte der Samaritaner geht bis in die Zeit der getrennten Reiche zurück. Nach dem Tod Salomos war das von David geschaffene jüdische Staatsgebilde in das Nordreich Israel und das Südreich Juda als eigenständige Königtümer zerfallen. Samarien stellt als Territorium der Stämme Ephraim und Manasse das Kerngebiet des Nordreiches dar. Unter der Dynastie der Omriden (881–845) wurde das neu gegründete Samaria zur Residenzstadt des Nordreiches. Mitte des 9. Jh. v. Chr. geriet das Nordreich unter zunehmenden Druck der assyrischen Könige, die ihren Einflussbereich nach Palästina auszudehnen begannen. Nachdem Hosea, der letzte König des Nordreiches, in völliger Fehleinschätzung der politischen Situation die Vasallenverpflichtungen gegenüber den Assyrern aufgekündigt und ein Bündnis mit
Exkurs: Die Samaritaner
Ägypten angestrebt hatte, fiel sein Territorium 722 v. Chr. der assyrischen Eroberung zum Opfer. Dies zog eine Degradierung der israelitischen Königsstadt Samaria zur assyrischen Provinzmetropole nach sich. Die Oberschicht des Nordreiches Israel wurde deportiert und über unterschiedliche Orte des assyrischen Herrschaftsgebietes verstreut, womit sich ihre Spur verliert. Die Mehrheit der israelitischen Bevölkerung konnte allerdings im Land verbleiben. Ohne sie wird die Entwicklung des späteren Samaritanismus mit seinem monotheistischen Jahweglauben nicht verständlich. An Stelle der ins Exil verbannten Oberschicht siedelten die Assyrer in größerem Umfang Kolonisten aus dem Zweistromland in Samarien an, wo es in der Folgezeit zu einer Vermischung der im Land verbliebenen Israeliten mit den hinzugezogenen Fremden kam. In religiöser Hinsicht hatte dies eine intensive Begegnung des Jahweglaubens mit den paganen Kulten Mesopotamiens zur Folge. In der Zeit Alexanders des Großen wurde durch die Errichtung einer makedonischen Militärsiedlung in Samaria das heidnische Element nochmals gestärkt. Terminologisch hat es sich eingebürgert, vor diesem Hintergrund zwischen Samariern und Samaritanern zu unterscheiden. Der Begriff Samarier dient allgemein zur Bezeichnung der Bewohner des politischen Distrikts Samarien, während man unter Samaritanern speziell die dort lebenden Anhänger des Jahweglaubens versteht. Aufgrund der zentralen kultischen Bedeutung von Sichem mit dem heiligen Berg Garizim wurden sie, solange dort der samaritanische Tempel existierte, auch als Sichemiter bezeichnet. Wenn in jüdischen Quellen zudem von Kutäern die Rede ist, handelt es sich um eine polemische Anspielung darauf, dass ein Großteil der von den Assyrern in Samarien angesiedelten Personen aus der babylonischen Stadt Kuta stammte (2Kön 17,24). Dabei werden die Jahweverehrer Samariens aus jüdischer Perspektive undifferenziert als heidnische Kolonisten betrachtet. Diese Sehweise, dass die Samaritaner ethnisch nicht von den Israeliten abstammten, sondern nur deren Religion übernommen und synkretistisch verwässert hätten, ist von deuteronomistischer Polemik gegen das ehemalige Nordreich geprägt und entspricht nicht den Tatsachen. Die unterschwelligen politischen wie religiösen Spannungen zwischen Samarien und Juda traten nach dem Ende des babylonischen Exils offen zu Tage und führten schließlich zum samaritanischen Schisma. Von den Babyloniern war Juda nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar (586 v. Chr.) der politischen Eigenständigkeit beraubt und der benachbarten Provinz Samarien eingegliedert worden. Auch unter den Persern blieb Juda innerhalb der Satrapie Transeuphrat zunächst Bestandteil der Provinz Samarien. Jerusalem war weit von seiner früheren Bedeutung entfernt, zumal längst nicht alle Juden aus dem babylonischen Exil zurückkehrten und der Wiederaufbau des Tempels nur mühsam in Gang kam. Erst die Reformen Esras und Nehemias, die beide Mitte des 5. Jh. v. Chr. von Babylon nach Jerusalem gekommen waren, stellten verfassungsrechtlich und religionsgeschichtlich einen Wendepunkt dar. Die historische Bedeutung Esras liegt darin, dass er die Tora als verbindliche Lebensordnung und lokal gültiges persisches Reichsrecht für die Juden der Satrapie Transeuphrat durchsetzte. Dahinter stand das Interesse der Perser, die Rechtspraxis der unterworfenen Völker zu stützen und gleichzeitig zu normieren. Der jüdischen Volksgruppe
Samarier und Samaritaner
Bruch zwischen Juden und Samaritanern
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Der Tempel auf dem Garizim
bot dies die Möglichkeit, mit Unterstützung der persischen Reichsverwaltung ihre kulturelle und religiöse Identität zu sichern. Nehemia verfolgte vorrangig politisch-militärische Ziele. Juda hatte durch den Wiederaufbau des Tempels politisch wie ökonomisch an Gewicht gewonnen und wurde vom Perserkönig Artaxerxes I. in den Rang einer eigenen Provinz erhoben. Gegen den Widerstand des samarischen Statthalters Sanballat I., der eine Schwächung seiner Provinz zu verhindern suchte, setzte Nehemia als Statthalter eine Befestigung Jerusalems durch und förderte die verwaltungstechnische Verselbstständigung Judas. Damit einher gingen Sozialreformen zur Integration der Schwachen und eine religiös-nationale Absonderung der neuen Provinz durch schroffe Abgrenzung nach außen, die als Garant für ein Überleben der Juden im Meer der Völker betrachtet wurde. Die Kritik richtete sich auch gegen verwandtschaftliche Beziehungen der hohenpriesterlichen Familie mit dem samarischen Statthalter Sanballat I., bei dem es sich um einen JahweVerehrer gehandelt haben dürfte. Die Abneigung gegen die heidnischen Kolonisten im ehemaligen Nordreich wurde nun unterschiedslos auf sämtliche Bewohner Samariens übertragen und damit die Grundlage für die allmähliche Ausgrenzung der Samaritaner aus dem Judentum geschaffen. Infolge der strengen Ehegesetze Esras und Nehemias mussten die in Ehen mit samarischen Frauen lebenden Priester Jerusalem verlassen und fanden in Samarien ein neues Wirkungsfeld. Im 4. Jh. v. Chr. kam es, wie auch der archäologische Befund zeigt, zum Bau eines samaritanischen Tempels auf dem heiligen Berg Garizim. Dafür waren nicht zuletzt religionspolitische Gründe ausschlaggebend, denn mit der Ausgliederung des theokratischen Tempelstaates Juda aus der Provinz Samarien verfügte diese nicht mehr über ein angemessenes Heiligtum auf ihrem Territorium. Der von antisamaritanischen Tendenzen geprägte Bericht des Josephus (Ant. 11,321–324), der die einzige literarische Quelle für den Tempelbau auf dem Garizim darstellt, weist einige Ungereimtheiten auf. Er enthält aber als verlässliche Information, dass die Initiative zu dem Bauvorhaben von Sanballat III. ausging, der zur Zeit des Perserkönigs Dareios III. als Statthalter Samariens amtierte. Als Alexander der Große auf dem Weg nach Ägypten die palästinische Küstenebene durchzog, hat sich Sanballat III. von den Persern abgewandt und Alexander bei der Belagerung von Tyros unterstützt. Im Gegenzug soll er die Genehmigung erhalten haben, auf dem Garizim nahe Sichem einen Tempel zu errichten, der nun für die Samaritaner zum zentralen Ort der Gottesverehrung wurde. Ob Alexander der Große tatsächlich den Tempelbau genehmigte oder die Samaritaner im Nachhinein für das Heiligtum auf dem Garizim einen ähnlich prominenten Ahnherrn reklamierten, wie ihn der Jerusalemer Tempel mit Kyros aufweisen konnte, muss offen bleiben. Der Tempel auf dem Garizim belastete die ohnehin konfliktträchtigen Beziehungen Samarias zu Jerusalem zusätzlich, da er den dortigen Bestrebungen nach Kultzentralisation zuwiderlief. Die Spannungen zu den gesetzestreuen Kreisen Jerusalems wuchsen während der Religionsverfolgung unter Antiochos IV., als die Samaritaner ihr Heiligtum auf dem Garizim Zeus Xenios weihten, um formal der Forderung nach einer Hellenisierung des Kultes Genüge zu tun. In der Hasmonäerzeit erfolgte der endgültige Bruch der Samaritaner mit dem Judentum. Das von jüdischer Seite wegen des religiös-nationalen Alleinvertretungsanspruchs Jerusalems als unzumutbare Konkurrenz
Exkurs: Die Samaritaner
zum Zion empfundene Heiligtum auf dem Garizim wurde durch Johannes Hyrkan (134–104) rücksichtslos dem Erdboden gleichgemacht. Seitdem haben die Samaritaner keinen eigentlichen Opferkult mehr. Als Folge dieser Ereignisse war das Tischtuch zwischen Samaritanern und Juden zerschnitten. Bei Reisen zwischen Judäa und Galiläa mieden Juden häufig das Territorium Samarias, indem sie den Umweg über das Ostjordanland wählten. Juden und Samaritaner haben gemeinsame Wurzeln, von denen aus sie sich in unterschiedlicher Weise entwickelt haben. Religionsgeschichtlich ist es daher unzutreffend, die Samaritaner als Zweig oder gar abweichlerische Sekte des Judentums zu betrachten. Die Samaritaner sind Repräsentanten der alten jüdischen Volksreligion, die in nachexilischer Zeit von den babylonischen Juden und den nach Jerusalem zurückgekehrten Exilanten mit deren exklusivem Anspruch, das wahre und geläuterte Israel zu sein, ausgegrenzt und diffamiert wurden. Als autoritative Schrift akzeptierten die Samaritaner, in dieser konservativen Haltung den Sadduzäern vergleichbar, allein den Pentateuch, die fünf Bücher Moses. Wegen der einzigartigen Heiligkeit des Propheten Mose haben sie die Prophetenbücher des im Entstehen begriffenen jüdischen Kanons nicht als verbindlich anerkannt. Das deuteronomistische Geschichtswerk mit der kritischen Darstellung der Geschichte des Nordreichs und pauschalen Abwertung seiner Bewohner war für die Samaritaner ebenso wenig annehmbar, wie die mit ihrer Zionstheologie auf Jerusalem ausgerichteten Psalmen. Der samaritanische Pentateuch weist einige Eigenheiten auf. Im Mittelpunkt steht dabei die Betonung der Heiligkeit von Sichem und dem Garizim. In Dtn 27,4 ist vom Garizim statt Ebal als Ort der Gottesverehrung die Rede. Im Dekalog der Samaritaner findet sich nach Ex 20,17 bzw. Dtn 5,22 ein Gebot, das den Bau eines Altars auf dem Garizim anordnet. Diese aus unterschiedlichen biblischen Belegen komponierte Erweiterung soll die Priorität des Garizim gegenüber dem Zion sicherstellen. Im Deuteronomium verlegt der samaritanische Pentateuch an zahlreichen Stellen die Erwählung des heiligen Ortes in die Vergangenheit und bezieht ihn damit auf Sichem. Die samaritanische Eschatologie ist von der Erwartung des Dtn 18,15.18 verheißenen Endzeitpropheten nach dem Vorbild Moses geprägt, wie ihn auch die samaritanische Frau Joh 4,19 im Sinn zu haben scheint. Dieser messianischen Hoffnung wurde besonderer Nachdruck verliehen, indem sie Ex 20,21 als weiterer Zusatz in den samaritanischen Dekalog Einzug hielt. Das hohe Alter dieser Erweiterung wird durch die Qumranschriften verbürgt. Die Erscheinung des messianischen Propheten wie Mose wurde auf dem Garizim erwartet. Ein eindrückliches Beispiel dafür bietet das in die Zeit von Pontius Pilatus fallende Auftreten eines samaritanischen Zeichenpropheten, der eine große Volksmenge auf den Garizim führte und den Anbruch der Heilszeit in Aussicht stellte. Da die antiken Samaritaner den Pentateuch als einzige autoritative Offenbarungsquelle betrachteten, haben sie analog zu den Sadduzäern die Auferstehung der Toten nicht als verbindlichen Glaubensgegenstand betrachtet. Nach dem Schisma war die Beurteilung der Samaritaner durch das Judentum divergent. Vereinzelt wurden sie im Bewusstsein der gemeinsamen Wurzeln nach wie vor als Israeliten anerkannt. In Gesetzesdiskussionen der rabbinischen Tradition nehmen sie rechtlich überwiegend eine Mittelstellung
Der Glaube der Samaritaner
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
zwischen Juden und Heiden ein. Dass sie aber auch pauschal mit Heiden auf eine Stufe gestellt werden konnten, zeigt der Eliezer ben Hyrkanus zugeschriebene Ausspruch „Wer das Brot eines Samaritaners isst, gleicht dem, der Schweinefleisch isst“ (Schebiit VIII,10). Die hier behauptete kultische Unreinheit aller Samaritaner spiegelt sich auch in der Erzählung von der Begegnung Jesu mit einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen von Sychar wider (Joh 4,9). Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, in welch positivem Lichte die Samaritaner in der Jesustradition begegnen, wobei neben Joh 4 vor allem an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu denken ist. Alexander in Persien und Indien
Hellenismus
Nachdem Alexander die Verhältnisse in Ägypten in seinem Sinne neu geordnet und damit die Herrschaft über den östlichen Mittelmeerraum stabilisiert hatte, rückte er im Frühjahr 331 über Phönizien und Syrien in das Zentrum des Perserreiches vor, um dieses zu erobern und Dareios endgültig auszuschalten. In der Ebene von Gaugamela nahe der Stadt Arbela kam es zur Entscheidungsschlacht gegen die Streitmacht der Perser, bei der Alexander mit seinem zahlenmäßig unterlegenen Heer erneut auf ganzer Linie siegte. Nach dem Triumph fielen die alten Residenzstädte Babylon, Susa und Persepolis nahezu kampflos in seine Hände. In Susa bestieg Alexander demonstrativ den Königsthron und brachte damit symbolträchtig den Anspruch zum Ausdruck, rechtmäßiger Erbe der persischen Großkönige zu sein. Alexander wurde nun zunehmend von orientalischen Konzepten des göttlichen Königtums und der Weltherrschaft geprägt, die zwar notwendig waren, um das Perserreich zu regieren, aber in deutlichem Widerspruch zu den demokratischen Idealen Griechenlands standen. Der am Perserfeldzug als Historiograph beteiligte Kallisthenes, der den Ruhm Alexanders verbreitet hatte, verweigerte ihm demonstrativ die Proskynese, den nach persischer Tradition üblichen Kniefall vor dem als unnahbar geltenden König, und bezahlte dies später mit dem Leben. Nachdem Dareios auf der Flucht von einem seiner eigenen Satrapen ermordet worden war, trat Alexander offiziell die Nachfolge des Perserkönigs an und übernahm dabei wesentliche Elemente des persischen Hofzeremoniells. Es schlossen sich die Eroberung Zentralasiens und der legendäre Indienfeldzug an. Auch wenn Alexander sein Vorhaben, den Ganges zu erreichen, nicht verwirklichen konnte, hatte er die ursprünglichen Ziele des von Philipp geplanten Perserfeldzuges bei weitem übertroffen. Es war ihm mit unbedingtem Willen zur Macht und immensem militärischem Geschick, aber auch mit unvorstellbarer Brutalität und rücksichtsloser Durchsetzung seiner Ansprüche gelungen, ein Herrschaftsgebiet bis dahin unvorstellbaren Ausmaßes zu errichten. Nach der Rückkehr aus Indien machte Alexander Babylon zur neuen Hauptstadt seines Großreiches und traf die Vorbereitungen für einen Arabienfeldzug. Bevor es dazu kam, starb er im Juni 323 im Alter von nicht ganz 33 Jahren an Sumpffieber. In den nur dreizehn Jahren seiner Herrschaft hat Alexander die Welt grundlegend geändert. Mit ihm wurde nicht nur politisch, sondern auch geistesgeschichtlich ein neues Zeitalter eingeläutet, indem er den Hellenismus etablierte. Mit diesem Begriff der neuzeitlichen Geschichtswissenschaft bezeichnet man jene Epoche der Antike, die das klassische Griechentum ablöste und politisch mit der Herrschaft Roms über den östlichen Mittelmeerraum ihr Ende fand, geistig aber weit darüber hinaus wirkte. Alexander,
Alexander der Große
zu dessen Lehrern Aristoteles zählte, hat auf seinen Feldzügen das Denken der Griechen in den nahen und mittleren Osten gebracht. Kennzeichnend für den Hellenismus ist die intensive Begegnung von griechischer und orientalischer Kultur, ermöglicht und gestützt durch den beispiellosen Erfolg des makedonischen Heeres. Dass Alexander wie kaum ein anderer Mensch vor oder nach ihm die Weltgeschichte geprägt hat, stellt eine unbestrittene Tatsache dar, während das Urteil über ihn sehr unterschiedlich ausfällt. Die Bandbreite reicht von verklärten Darstellungen Alexanders als eines ruhmreichen Helden, der mit einer panhellenischen Verschmelzungspolitik die Verbrüderung der Menschheit angestrebt habe, bis hin zu einer ausgesprochen negativen Betrachtung des Makedonenkönigs als eines skrupellosen Machtmenschen und Zerstörers. Wolfgang Will über Alexander den Großen Wenn Alexander als „Geschäftsführer des Weltgeistes“ einer angeblich überlegenen Kultur Bahn brach, die Epoche des sogenannten Hellenismus einleitete, so ist auch dies zwar allzu oft gerühmtes, doch zweifelhaftes Verdienst. Es beruhte auf der Zerstörung einer noch intakten anderen Kultur. Losgelöst von der Frage, wieweit Hellenisierung des Ostens geschichtlichen Fortschritt bedeutete, war diese außerdem auf friedlichem Weg längst in Gang gekommen. Alexanders hauptsächliches Werk ist Eroberung und Zerstörung, Plünderung und Mord; Hunderttausende von Toten, die der Zug kostete, seien es Zivilpersonen, die von plündernden Truppen erschlagen bzw. von Alexander hingerichtet wurden oder die nach den Requirierungen an Hunger zugrunde gingen, seien es die persischen, indischen, baktrischen Soldaten, Makedonen oder griechische Söldner, die im Kampf fielen, an den Strapazen des Marsches, an Unglücksfällen oder Krankheiten starben, sind sein Beitrag zur Lösung des Bevölkerungsproblems. Die Vernichtung des durchaus noch lebensfähigen Perserreiches – alle gegenteiligen Behauptungen sind Hilfskonstruktion, um Alexanders Vormarsch zu erklären und als welthistorische Notwendigkeit zu deuten – schuf zudem ein machtpolitisches Vakuum, das Jahrzehnte währende Kämpfe nach sich zog. Ob der König den Westen erobern wollte, ist umstritten. Eingeleitet hat er mit Sicherheit die gegenteilige Entwicklung: die hellenistischen Einzelstaaten wurden eine Beute der Römer. (W. WILL, Alexander der Große, Stuttgart 1986, 191 f.)
Die von Alexander betriebene Hellenisierung des Ostens blieb nicht ohne massive Rückwirkungen auf das griechische Leben und Denken. Im politischen Bereich führte der enge Kontakt mit der neuen Umwelt und ihren Traditionen dazu, dass wichtige Elemente der orientalischen Herrschaftsorganisation und ihrer ideologischen Fundierung übernommen wurden, womit die demokratischen Ideale des alten Griechenland in den Hintergrund traten und einer Entpolitisierung der Gesellschaft Vorschub geleistet wurde. Auch im Bereich der Religion kam es nicht zu einer einseitigen Ausbreitung der griechischen Kultur im Orient, sondern zu einer Begegnung unterschiedlicher Denkformen mit weitreichenden Rückwirkungen, indem griechische Gottheiten orientalische Züge annahmen und Kulte aus dem Osten die westliche Welt eroberten. Durch den Hellenismus wurden geistige, religiöse und wirtschaftliche Entwicklungen in Gang gesetzt, die der Welt ein neues Gepräge gaben, indem sie das Zeitalter der hellenistischen Großreiche weit überdauerten und sich bis in die Spätantike als wirksam erwiesen.
Auswirkungen des Hellenismus
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Das Aufblühen der neuen, kosmopolitischen Zivilisation wurde durch die rund siebzig Stadtgründungen Alexanders im Orient systematisch gefördert. In diesen Städten war das hellenistische Element tonangebend. Die Siedler bestanden weitgehend aus griechischen Söldnern oder Veteranen. Das geistige und religiöse Leben war durch die typischen Kennzeichen griechischer Kultur geprägt. Tempel griechischer Gottheiten, Theater, Gymnasien und griechischsprachige Säulen oder Inschriften wurden zum festen Bestandteil des Stadtbildes. Alexandria in Ägypten, die bedeutendste Gründung Alexanders des Großen, wurde mit seiner prachtvollen Bibliothek bald das Zentrum hellenistischer Gelehrsamkeit schlechthin. Diese Öffnung des gesamten Vorderen Orients gegenüber dem griechischen Einfluss färbte auch auf Palästina ab. Die alten Phönizier- und Philisterstädte an der Mittelmeerküste gingen bald vollständig in der Welt des Hellenismus auf. Tyros war nach der Eroberung durch Alexander ohnehin mit Griechen neu besiedelt worden. In Samaria entstand eine makedonische Militärkolonie. Viele Städte gaben sich nicht nur einen griechischen Namen, sondern auch die Verfassung einer griechischen Polis. Die Siedler brachten ihre Kultur und Zivilisation nach Palästina. Im gesamten Osten setzte sich das Griechische als Verkehrssprache durch, die auch von vielen palästinischen Juden erlernt wurde und für Diasporajuden bald die Muttersprache darstellte.
2.2 Palästina als Teil des Ptolemäerreiches (301–200 v. Chr.)
Diadochenkriege
Die grundlegenden Umwälzungen unter Alexander dem Großen hatten für Juda und Jerusalem politisch zunächst keine nennenswerten Veränderungen mit sich gebracht. Die Einteilung des Reiches in Satrapien war von Alexander als einer der Grundpfeiler der persischen Reichsorganisation übernommen worden. Juda blieb als eigenständige Verwaltungseinheit ein Teil der Satrapie Transeuphrat-Syrien. Als in Babylon nach dem Tod Alexanders eine vorläufige Aufteilung des Reiches an seine Generäle erfolgte, war diese Satrapie an Laomedon gefallen. Vermutlich begnügte er sich wie Alexander mit der Anerkennung seiner Herrschaft durch den Hohenpriester und ließ die bewährte organisatorische Struktur des Tempelstaates unangetastet. Bald machten sich die veränderten weltpolitischen Konstellationen auch für Palästina bemerkbar, das nun in den Strudel der Diadochenkriege geriet. Alexanders ebenso früher wie plötzlicher Tod hatte das Reich völlig unvorbereitet getroffen und ohne Erben zurückgelassen. Die Reichsordnung, wie sie 323 von der Heeresversammlung in Babylon verabschiedet worden war, erwies sich bald als brüchig. Es setzten über zwei Jahrzehnte währende gewalttätige Auseinandersetzungen um die Nachfolge Alexanders ein, in denen sich seine bedeutendsten Generäle gegenüberstanden. Nach dem zweiten Diadochenkrieg entstand eine neue Konstellation, die sich bald verfestigte. Die auf die Sicherung ihrer Kerngebiete bedachten Diadochen Lysimachos, Seleukos, Ptolemaios und Kassandros schlossen sich zu einer Allianz gegen Antigonos Monophtalmos zusammen, der mit allen Mitteln die Herrschaft über das gesamte Alexanderreich anstrebte und seit 315 auch Palästina unter seiner Kontrolle hatte. In der Schlacht von Ipsos (301) wurde
Palästina als Teil des Ptolemäerreiches
Antigonos von den alliierten Truppen des Lysimachos und Seleukos vernichtend geschlagen und getötet. Mit Antigonos wurde auch die Idee einer Wiedervereinigung des riesigen Alexanderreiches in einer Hand zu Grabe getragen. Es zerfiel unwiderruflich in mehrere eigenständige Staatsgebilde. Die Sieger von Ipsos teilten im Osten die Beute unter sich auf. Seleukos erhielt Vorderasien und Syrien, an Lysimachos fiel die Mehrzahl der kleinasiatischen Gebiete. Ptolemaios wurde als Herrscher über Ägypten bestätigt. Nach dem Tod des Lysimachos (281) gelang es Antigonos Gonatas, einem Enkel des Antigonos Monophtalmos, das Makedonien, Thrakien, Thessalien und Teile Griechenlands umfassende Antigonidenreich als dritte hellenistische Großmacht neben dem Ptolemäerreich und dem Seleukidenreich zu etablieren. Ptolemaios zählte zu den talentiertesten Generälen Alexanders. Er stammte aus einer alten makedonischen Adelsfamilie und hatte an den Eroberungsfeldzügen Alexanders von Anfang an teilgenommen. Auf der Heeresversammlung in Babylon war ihm 323 die Satrapie Ägypten zugeteilt worden. An den Kampfhandlungen in Ipsos war Ptolemaios nicht beteiligt gewesen, sondern von Ägypten aus lediglich bis nach Syrophönizien vorgerückt. Dort hatte er aus fadenscheinigen Gründen seine Offensive gestoppt und das Risiko der Entscheidungsschlacht den Verbündeten überlassen. Für Ägypten war die syrophönizische und palästinische Küste von elementarem sicherheitspolitischem Interesse. Die Kontrolle über die Küstenstädte mit ihren Flottenverbänden bildete die Voraussetzung für die Seeherrschaft im östlichen Mittelmeerraum. Die gesamte Küstenebene zwischen Syrien und Ägypten stellte strategisch eine bedeutsame Pufferzone gegenüber Angreifern aus dem Norden dar. Zudem war Ägypten aus wirtschaftlichen Gründen auf den Zugang zum Libanon angewiesen, um von dort das für den Schiffsbau notwendige Holz importieren zu können. Deshalb war Ptolemaios seit Beginn der Diadochenkriege mehrfach in die Region einmarschiert und in kriegerische Auseinandersetzungen um die Küstenstädte verwickelt. Jerusalem hatte er um 302 v. Chr. gegen den erbitterten Widerstand der überwiegend auf der Seite des Antigonos stehenden Bevölkerung gewaltsam erobert. Obwohl Koilesyrien und Phönizien mit Judäa im Abkommen von Ipsos an Seleukos gefallen waren, weigerte sich Ptolemaios, das von ihm besetzte Territorium zu räumen. Seleukos wollte nicht mit Waffengewalt gegen den langjährigen Bundesgenossen vorgehen, gab aber seine Rechtsansprüche auf das Land nicht auf. Damit war eine Streitfrage entstanden, die das Verhältnis beider Diadochenreiche dauerhaft belasten sollte. Zwischen 274 und 200 v. Chr. kam es zu fünf syrisch-ägyptischen Kriegen um die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeerraum, bis diese schließlich von den Seleukiden errungen wurde. Die Provinz Syrien und Phönizien, wie ihr offizieller Name lautete, mit dem jüdischen Kernland lag als Zankapfel mitten zwischen den rivalisierenden Großmächten. Indem das jüdische Territorium nach dem Zerfall des Alexanderreichs in die Hand der Ptolemäer fiel, wurde es Teil desjenigen Diadochenstaates, der über das am besten organisierte Verwaltungssystem und den größten Reichtum verfügte. Ptolemaios, der Begründer der Dynastie, schuf mit politischem und organisatorischem Geschick aus der Satrapie Ägypten ein unabhängiges Königreich, das bald zu einer führenden Macht in der Weltpolitik wurde.
Ptolemaios I.
Das Ptolemäerreich
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Verwaltungsstruktur in den Provinzen
Die Tobiaden
Zur ideologischen Untermauerung seiner Herrschaft legte sich Ptolemaios den kultischen Titel Soter (Retter) zu und unternahm alles, um Alexanders Charisma auf sich überströmen zu lassen. Zu diesem Zweck bemächtigte er sich auch des einbalsamierten Leichnams Alexanders, um ihn prestigeträchtig in Memphis beisetzen zu lassen. Kulturpolitisch machte sich Ptolemaios I. Soter die umfassende Etablierung des Hellenismus als Geistesmacht zur Aufgabe und gründete die berühmte Bibliothek im Museion in Alexandria, die mit ihren mehreren hunderttausend Schriftrollen bald zum geistigen Zentrum der damaligen Welt wurde. Unter seinen Nachfolgern Ptolemaios II. Philadelphos (283–246), der umsichtig auf sein Amt vorbereitet wurde und bereits an der Seite seines Vaters Regierungserfahrung hatte sammeln können, und Ptolemaios III. Euergetes (246–221) erlebte das Ptolemäerreich seine Blütezeit. Ägypten wurde systematisch zu einem wohlhabenden Land mit einer zentral gelenkten und straff organisierten politischen, steuerlichen und militärischen Verwaltung ausgebaut. Auch in den Provinzen des Ptolemäerreichs wurden wesentliche Teile der Verwaltungsstrukturen Ägyptens eingeführt, um die Außenbesitzungen effizient regieren und den wirtschaftlichen Ertrag steigern zu können. An der Spitze wohl aller Provinzen standen Strategen, die über die politische und militärische Befehlsgewalt verfügten. In der Provinz Syrien und Phönizien stand dem Strategen ein als Dioiketes bezeichneter Beamter zur Seite, in dessen Aufgabenbereich sämtliche Ressorts der zivilen Verwaltung fielen. Er trug nicht zuletzt die Verantwortung für alle mit der Wirtschaft und den Finanzen zusammenhängenden Angelegenheiten. Die Provinz Syrien und Phönizien, deren strategisch bedeutsame Verkehrswege durch Militärsiedlungen und Wachposten umfassend gesichert wurden, war in kleinere Verwaltungseinheiten wie Judäa, Idumäa oder Samaria untergliedert. Diese Hyparchien wurden von einem mit umfassenden Vollmachten betrauten Statthalter (hyparchos) und einem Finanzfachmann (oikonomos) zur Überwachung der Staatseinkünfte verwaltet. In Judäa, das für die Ptolemäer eher von untergeordneter Bedeutung war, scheint der Hohepriester als höchster Würdenträger die Funktion des Hyparchen ausgeübt zu haben. Vermutlich war ihm nach dem Vorbild der übrigen Hyparchien ein von den Ptolemäern bestätigter Oikonomos zur Seite gestellt, der für die Finanzen des Tempels und die Steuern verantwortlich war. Zusätzlich eingeschränkt wurde die Macht des Hohenpriesters durch die Gerusia, einen aristokratischen Ältestenrat als Vorläufer des späteren Synhedrions. In religiösen Angelegenheiten blieb Judäa autonom, unterlag aber wie alle Hyparchien der Tributpflicht. Für Land und Bevölkerung musste der Hohepriester jährlich eine wohl aus dem Tempelschatz entnommene Steuer von zwanzig Silbertalenten an den ägyptischen König entrichten. In den übrigen Hyparchien der Provinz wurde nach griechischem Vorbild ein ausgeklügeltes System der Steuerverpachtung eingeführt. Die Steuerpächter überwiesen die vereinbarte Pachtsumme im Voraus an die königliche Kasse und trieben dann mit Hilfe der örtlichen Verwaltung von der Bevölkerung Steuern ein, wobei sie immense Gewinne machten. Die Kehrseite der Medaille war eine Verschärfung der allgemeinen Verschuldung und eine zunehmende Versklavung palästinischer Bauern infolge fiskaler Insolvenz. Bei diesem Prozess spielten die im Ostjordanland in der Hyparchie Ammanitis beheimateten und später auch in Jerusalem ansässigen Tobiaden
Palästina als Teil des Ptolemäerreiches
eine zentrale Rolle. Das Familienoberhaupt, der mit dem Hohenpriester in Jerusalem verschwägerte Feudalherr Tobias, war durch seinen Großgrundbesitz und seine von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Beziehungen zum Ptolemäerhof einer der mächtigsten Männer im Land. Vermutlich handelte es sich um einen Nachkommen von jenem Tobia, der in der Perserzeit als hoher ammonitischer Beamter gemeinsam mit Teilen der jüdischen und samarischen Aristokratie die Reformbestrebungen Nehemias zu verhindern suchte (Neh 6). Noch einflussreicher als Tobias war sein Sohn Joseph. Als der offenkundig proseleukidische Hohepriester Onias II. in Erwartung eines Machtwechsels die Tributzahlungen gegenüber Ptolemaios III. verweigerte und damit einen schwerwiegenden Konflikt heraufbeschwor, übernahm Joseph die steuerlichen Verpflichtungen für Judäa. Er gewann damit auch an politischer Macht, indem er von den Ptolemäern zum Vertreter des jüdischen Volkes gegenüber der königlichen Verwaltung bestimmt wurde. Gleichzeitig gelang es ihm, durch eine Verdoppelung des Pachtangebots für mehr als zwei Jahrzehnte von den Ptolemäern die Generalsteuerpacht für die gesamte Provinz Syrien und Phönizien zu erwerben. Zur Eintreibung der mit samarischen Krediten vorfinanzierten Pacht unterhielt Joseph eine eigene Streitmacht und ließ sich den Steuerforderungen widersetzende Angehörige der städtischen Magistrate hinrichten. Mit diesen Entwicklungen trugen die Tobiaden entscheidend zur weiteren Verarmung der Bauern und zur Verschärfung der sozialen Gegensätze in Palästina bei. Für die Zeit der Ptolemäerherrschaft lässt sich eine zunehmende Hellenisierung Palästinas beobachten. Die Kenntnis der griechischen Sprache und Bildung war weit verbreitet. Vor allem in der jüdischen Oberschicht wurde der Hellenismus zu einer zentralen kulturellen Größe. Die Tobiaden sind besonders hervorstechende Repräsentanten jener liberalen Kreise der jüdischen Aristokratie, die aus wirtschaftlichen und politischen Gründen eine Annäherung des Judentums an die hellenistische Umwelt propagierten. Trotz der verwandtschaftlichen Beziehungen zur hohenpriesterlichen Familie wurde dabei der kulturelle Fortschritt klar über die Einhaltung der Tora gestellt und eine sehr freizügige Haltung gegenüber den religiösen Traditionen eingenommen. Ein eindrucksvolles Bild von den geistigen und sozialen Gegebenheiten für die Epoche der Ptolemäerherrschaft über Palästina liefern uns die Zenon-Papyri. Es handelt sich um ein umfängliches Papyrus-Archiv mit der Korrespondenz und weiteren Unterlagen des Zenon, der zur Regierungszeit von Ptolemaios II. eine Art Privatsekretär des obersten ptolemäischen Verwaltungsbeamten Apollonios war. Etwa vierzig dieser Papyri beziehen sich auf ptolemäische Besitzungen im Ausland. Im Jahr 259 v. Chr. unternahm Zenon im Auftrag des Apollonios, der neben seinen Amtsgeschäften ausgedehnte eigene Wirtschaftsinteressen verfolgte, eine Inspektionsreise nach Palästina. Dabei besuchte er neben den Besitzungen des Tobias im Ostjordanland auch ein Landgut des Apollonios in Beth-Anath in Galiläa. Der diesen Besitz betreffende Papyrus dokumentiert anschaulich um die Höhe der Pacht kreisende Konflikte zwischen Großgrundbesitzern und abhängigen Bauern. Zugleich wirft er Licht auf die sozialen Verhältnisse, wie sie im späteren Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Mk 12,1–12) vorausgesetzt sind. Im Diasporajudentum Ägyptens kam es zu einer besonders tiefen Durch-
Hellenisierung Palästinas
Das ägyptische Judentum
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Aristeasbrief und Septuaginta
dringung jüdischen Denkens durch den Hellenismus. Ptolemaios I. hatte nach der kriegerischen Eroberung Palästinas eine große Zahl von Juden und Samaritanern zwangsweise in Ägypten angesiedelt, das sich in der Folgezeit zu einem bevorzugten jüdischen Einwandererziel entwickelte. Auf dem flachen Land wurden die Juden zur wirtschaftlich, sozial und politisch privilegierten Klasse der weit über den einheimischen Ägyptern stehenden Hellenen gerechnet, in Alexandria bildeten sie ein mit bestimmten Selbstverwaltungsrechten ausgestattetes Politeuma, wobei eine Minderheit auch das Bürgerecht besaß und in hohe gesellschaftliche Positionen aufrückte. Von hellenistisch-jüdischen Schriftstellern wurde das Ptolemäerreich ausgesprochen positiv betrachtet. Auf den wohl aus Alexandria stammenden Artapanos (um 100 v. Chr.) machte die staatliche Ordnung Ägyptens einen derart vorbildhaften Eindruck, dass er sie als jüdisches Verdienst betrachtete. Joseph wird als oberster Verwaltungsbeamter Ägyptens und Begründer der Landwirtschaft porträtiert. Mose habe dann den Ägyptern nicht nur technische Entwicklungen wie Schiffbau, Steinhebevorrichtungen oder Bewässerungssysteme beschert, sondern auch die Staatsverwaltung eingerichtet und kulturelle Errungenschaften wie die Philosophie oder die Schreibkunst hervorgebracht. Artapanos erkennt die Leistungen Ägyptens mit Bewunderung an, um im selben Atemzug voller Selbstbewusstsein die geistige Bedeutung des Judentums hervorzuheben. Ein geradezu ideales Bild von den Ptolemäern zeichnet der Aristeasbrief, in dem die Entstehung der griechischen Bibel, der Septuaginta, erzählt wird. Der Verfasser Aristeas gibt sich als hoher Hofbeamter von Ptolemaios II. aus. Dem Brief zufolge will Demetrios von Phaleron, der Vorsteher der königlichen Bibliothek von Alexandria, eine griechische Fassung der jüdischen Gesetze für seine Bestände erwerben. Da eine solche Übersetzung noch nicht existiert, entsendet Ptolemaios II. eine Delegation mit Geschenken zum Jerusalemer Hohenpriester Eleazar. Die Gesandtschaft kehrt mit kostbaren hebräischen Schriftrollen und zweiundsiebzig des Griechischen kundigen Juden zurück. Die Gelehrten werden vom ägyptischen König auf der Insel Pharos einquartiert und bringen innerhalb von zweiundsiebzig Tagen die Übersetzung des Pentateuchs zum Abschluss. Da in einem Teil der Überlieferung die Zahl der Gelehrten auf siebzig abgerundet wird, bezeichnet man die griechische Bibel als Septuaginta. In vielerlei Hinsicht ist der Aristeasbrief unglaubwürdig. Nicht ein heidnischer Hofbeamter des zweiten Ptolemäers hat ihn geschrieben, sondern ein Jude, der etwa hundert Jahre nach Ptolemaios II. gelebt hat und das Gesetz seines Volkes durch den Mund des ägyptischen Königs verherrlichen lässt. Der angebliche Bibliotheksvorsteher von Ptolemaios II., Demetrios von Phaleron, stand in Wirklichkeit in Diensten von Ptolemaios I. Gegen die Thronbesteigung von Ptolemaios II. hatte er offen Partei ergriffen und musste sich bei dessen Regierungsantritt ins Exil begeben. Allerdings dürfte Demetrios den Boden dafür bereitet haben, dass sich die alexandrinische Bibliothek für das jüdische Gesetz interessierte. Er war ein herausragender Vertreter des Peripatos, der Schule des Aristoteles, die das ehrgeizige Projekt einer Sammlung von Staatsverfassungen verfolgte. Die Behauptung des Aristeasbriefes, dass die Übersetzung der Tora auf Wunsch eines königlichen Förderers der Wissenschaften erfolgte, kann damit nicht völlig in das Reich der Fabel ver-
Die Seleukidenherrschaft
wiesen werden, zumal sicher auch die ptolemäische Verwaltung darüber informiert sein wollte, nach welchen Bestimmungen die Judenschaft Alexandrias ihre inneren Angelegenheiten regelte. Die Tora wurde demnach in Alexandria nicht nur deshalb übersetzt, weil die des Hebräischen nicht mehr mächtigen Juden Ägyptens auf eine solche Übersetzung angewiesen waren, sondern auch weil der ptolemäische Staat ein kulturelles und politisches Interesse daran hatte. Gegen Ende des 3. Jh. v. Chr. kam es zu einem schleichenden Machtverlust der Ptolemäer, während das Seleukidenreich unter Antiochos III. (223–187) erstarkte. Dieser versuchte an die Glanzzeiten des Reiches unter Seleukos I. anzuknüpfen und betrieb mit immenser Energie eine von Expansionsbestrebungen gekennzeichnete Machtpolitik. Im Horizont des Abkommens von Ipsos sahen sich die Seleukiden nach wie vor als die rechtmäßigen Besitzer der ägyptischen Provinz Syrien und Phönizien. Wenige Monate nach der Machtübernahme von Ptolemaios IV. Philopator (221–204) marschierte Antiochos III. nach Palästina ein, um diese Machtansprüche durchzusetzen. Er eröffnete damit den vierten syrisch-ägyptischen Krieg, der allerdings 217 in der Nähe von Raphia mit einer unerwarteten Niederlage des seleukidischen Heeres endete. Ptolemaios IV. und seine Schwestergemahlin Arsinoe III. blieben danach noch mehrere Monate in der zurückeroberten Provinz Syrien und Phönizien, um die Verhältnisse wieder zu ordnen und sich der Loyalität der Bevölkerung zu vergewissern. Dabei kamen sie vermutlich auch nach Jerusalem. Trotz des Sieges von Raphia war die Zurückdrängung des Ptolemäerreiches nicht mehr aufzuhalten, zumal das Land von Aufständen politisch und wirtschaftlich schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nach dem mysteriösen Tod von Ptolemaios IV. und der Inthronisation des erst fünfjährigen Ptolemaios V. wendete sich das Blatt endgültig zugunsten der Seleukiden. Antiochos III. schloss 203 ein Geheimabkommen mit dem Makedonenkönig Philipp V., in dem beide Herrscher die Außenbesitzungen des durch Vormundschaftsregierung geschwächten Ptolemäerreichs unter sich aufteilten und einander militärische Unterstützung zusicherten. Danach überschritt Antiochos III. erneut die Grenze nach Palästina, wo der ptolemäische Gouverneur der Provinz auf die Seite der Seleukiden umschwenkte. Der ägyptische General Skopas konnte zwar große Teile des von den Seleukiden besetzten Territoriums einschließlich Jerusalems nochmals zurückerobern, doch wurde sein Heer im Jahr 200 v. Chr. nahe Paneion an den Jordanquellen, dem späteren Caesarea Philippi, von Antiochos III. vernichtend geschlagen. Palästina geriet damit unter die Herrschaft der Seleukiden, während das durch innere Krisen und äußere Bedrohung erschütterte Ptolemäerreich seine Weltgeltung einzubüßen begann.
2.3 Die Seleukidenherrschaft und der Kampf der Makkabäer (200–142 v. Chr.) Seleukos I. war es in den Diadochenkriegen gelungen, den gesamten Osten des einstigen Alexanderreiches unter seine Herrschaft zu bringen und eine neue Dynastie zu begründen. Seit dem Tod des Seleukos unterlag das riesige
Schwächung des Ptolemäerreiches
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Antiochos III.
Konflikt mit Rom
Seleukidenreich allerdings einem ständigen Erosionsprozess, den Antiochos III. mit dem Sieg über Ägypten und der Einverleibung Palästinas nochmals für kurze Zeit aufhalten und umkehren konnte. In Jerusalem gab es zunächst vor allem in priesterlich-aristokratischen Kreisen eine starke proseleukidische Partei, die in dem Hohepriester Simon II. ihren wichtigsten Exponenten hatte. Im Buch des Jesus Sirach wird hymnisch beschrieben, wie über seiner Erscheinung geradezu ein himmlischer Glanz lag, wenn er im priesterlichen Prachtgewand zum Opferdienst aus dem Tempelgebäude heraustrat (Sir 50,1–21). Die Priesteraristokratie versprach sich von den Seleukiden eine Verbesserung ihrer Position, nachdem die Ptolemäerherrschaft einen spürbaren Machtverlust des Hohenpriesters und des Ältestenrates zu Gunsten der Tobiaden mit sich gebracht hatte. Auch im Seleukidenreich war Griechisch die Sprache von Politik und Verwaltung, ohne das Aramäische, das im Perserreich die Verkehrssprache gewesen war, völlig zu verdrängen. Der unter den Ptolemäern eingeleitete Hellenisierungsprozess in Palästina setzte sich unter den Seleukiden rasant fort. Neben Alexandria wurde nun auch die syrische Metropole Antiochia zu einem bevorzugten jüdischen Einwandererziel. Die Anfänge der Seleukidenherrschaft über Palästina gestalteten sich ausgesprochen positiv. Antiochos III. förderte Baumaßnahmen in Jerusalem. Der Bevölkerung der Stadt gewährte er zum Ausgleich für die erlittenen Kriegsschäden und zur Ankurbelung der Wirtschaft eine dreijährige Steuerbefreiung und für die Zeit danach eine Reduktion der Steuern um ein Drittel. Zur Wiederherstellung des sozialen Friedens wurde Personen, die in der Ptolemäerzeit in den Sklavenstand gefallen waren, die Freiheit zurückgegeben. Die Mitglieder der Gerusia und das Kultpersonal kamen in den Genuss völliger Befreiung von den Steuern. Zudem gestand Antiochos III. Religionsfreiheit zu und erließ ein Edikt zum Schutz des Tempels. Diese Maßnahmen deuten darauf hin, dass den Bewohnern Judäas von den Seleukiden der Autonomiestatus als eigenständiges Ethnos bestätigt wurde, wie er seit der Perserzeit bestand. Während für das Tempelvermögen und die Abführung der Steuern wie in den Anfängen der Ptolemäerherrschaft ein königlicher Verwaltungsbeamter zuständig war, fungierte der Hohepriester vermutlich wieder als höchster politischer Repräsentant des Volkes. Die Integration in das Seleukidenreich brachte damit zunächst die erhoffte Stärkung der konservativen Kreise in Jerusalem. Durch den Sieg über Ägypten gewann Antiochos III. Handlungsspielraum für weitere militärische Vorstöße und richtete seine Expansionsbestrebungen nun nach Westen. Mit dem Versuch, alte seleukidische Herrschaftsansprüche in Kleinasien und Griechenland durchzusetzen, forderte er Rom zu einem Gegenschlag heraus, dem er nicht gewachsen war. Er wurde 190 v. Chr. bei Magnesia in Lydien von Scipio Asiaticus besiegt und im Friedensabkommen von Apamea zu immensen Reparationszahlungen an die Römer verpflichtet, die innerhalb von zwölf Jahren zu leisten waren. Von diesem Zeitpunkt an war das Seleukidenreich dem Kraftfeld römischer Interessen ausgesetzt. Finanziell bedeutete das Abkommen von Apamea für das reiche Seleukidenhaus den Ruin. Zur Begleichung der Kriegsschuld kam es in den unter seleukidischer Herrschaft stehenden Territorien zu systematischen Tempelplünderungen. Antiochos III. fand bei dem Ansinnen, sich den Schatz des Bel-Tempels von Elam anzueignen, den Tod. Auch an Judäa ging die finanzielle Krise des Seleukidenstaates nicht spurlos vorüber. Unter dem neuen Herrscher Seleukos IV.
Die Seleukidenherrschaft
wurde durch seinen Kanzler Heliodor der Versuch unternommen, den Jerusalemer Tempelschatz zur Leistung von Kriegsentschädigungen zu konfiszieren. An Stelle des bald ermordeten Seleukos IV. erhob sich dessen Bruder Antiochos IV. (175–164) zum syrischen Herrscher. Er hatte fast fünfzehn Jahre als Kriegsgeisel in Rom gelebt und war in besonderem Maße vom Geist des Hellenismus beseelt, in dem er zudem ein probates Mittel zur Konsolidierung seines von zentrifugalen Kräften bedrohten Reiches sah. Durch den auch auf Münzen belegten Beinamen Epiphanes stellte er unverhüllt den Anspruch, als auf Erden offenbar gewordene Gottheit verehrt zu werden, und trieb damit den seleukidischen Herrscherkult weiter voran. Mit dem Regierungsantritt von Antiochos IV. Epiphanes waren einschneidende Veränderungen in Jerusalem verbunden. In der Forschung wurde lange Zeit die These vertreten, der Seleukidenherrscher habe gegen den erklärten Willen des Judentums einseitig den Versuch der Hellenisierung Jerusalems unternommen. In Wirklichkeit ging, wie Elias Bickerman(n) überzeugend gezeigt hat, die Initiative zu den Neuerungen von jüdischer Seite aus. Die Thronbesteigung von Antiochos IV. war für hellenistisch gesinnte Kreise das Startsignal zum Versuch, mit Unterstützung der Seleukiden die Gesellschaft und den Tempelstaat grundlegend zu modernisieren. Wie andere urbane Eliten suchte die Jerusalemer Aristokratie Anschluss an die hellenistische Kultur und Lebensart, wie sie durch die politisch-gesellschaftlichen Institutionen der Polis und des Gymnasiums repräsentiert wurde. Der konservative Hohepriester Onias III. verweigerte sich diesen Reformen. Er wurde von seinem Bruder Jason aus dem Amt gedrängt, der den seleukidischen Herrscher durch hohe Steuerzusagen und hellenistische Reformversprechen dazu brachte, ihn mit den hohenpriesterlichen Aufgaben zu betrauen. Hinter diesen Entwicklungen stand die Geisteshaltung eines aufgeklärten und weltoffenen Judentums, das sich als Teil der hellenistischen Zivilisation verstand. Um die konservativen Kräfte zu schwächen, entstand der Plan, die theokratische Verfassung außer Kraft zu setzen und Jerusalem in eine griechische Polis mit Namen Antiochia umzuwandeln. Die politische Ordnung in Judäa sollte nicht mehr durch die Tora legitimiert und vom Hohenpriester bestimmt werden, wie es seit den Tagen Esras der Fall war und noch von Antiochos III. bestätigt worden war, sondern sich nach griechischem Vorbild auf die Verfassungsorgane der Polis und die das Bürgerrecht besitzenden Personen stützen. Zu den Hellenisierungsmaßnahmen und der Verfassungsreform Jasons zählte die Errichtung eines Gymnasiums und eines Ephebeninstituts unterhalb des Jerusalemer Tempels. Solche Anlagen für sportliche, musische und akademische Übungen gehörten zu jeder ambitionierten griechischen Stadt. Die Priester des Jerusalemer Tempels sollen derart sportbegeistert gewesen sein, dass sie den Altardienst vernachlässigten, um beim Diskuswerfen zuzuschauen. Jüdische Jünglinge, die sich beim Wettkampf mit entblößtem Körper ihrer Beschneidung schämten, ließen diese durch einen chirurgischen Eingriff wieder rückgängig machen. In diesen von Jason geschaffenen Institutionen, deren kostspieliger Besuch eine wesentliche Voraussetzung für den Eintritt in die politischen Rechte des Vollbürgers darstellte, wurde die männliche Jugend Jerusalems körperlich und geistig auf ihre Führungsrolle in der Gesellschaft vorbereitet. Dies lief darauf hinaus, dass das Bürgerrecht und mit ihm die Einflussnahme auf die Belange der Polis allein der Oberschicht
Antiochos IV. und die Reformen des Jason
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Menelaos als Hoherpriester
vorbehalten blieb, während die Masse der Bewohner Jerusalems zu bloßen Ansässigen ohne politische Rechte herabsank. Letztlich ging es Jason als Exponent der hellenistisch eingestellten Oberschicht darum, religiöse Schranken und Tabus als Zeichen der Rückständigkeit zu beseitigen. Judäa sollte aus seiner wirtschaftlichen, politischen wie geistigen Randstellung befreit und zu einem fortschrittlichen hellenistischen Land gemacht werden. Tora und Tempelkult blieben von diesen Entwicklungen unangetastet, ohne länger die Grundlage der politischen und sozialen Ordnung zu bilden. Jason scheint mit seinem Programm in den gehobenen Gesellschaftsschichten weitgehend Zustimmung gefunden zu haben und konnte die Umwandlung des jüdischen Ethnos in eine hellenistische Polis in ersten Schritten vollziehen. Eine völlig neue Dimension gewannen die Umwälzungen, als 172 v. Chr. abermals ein überraschender Wechsel im Hohepriesteramt eintrat. Menelaos, der zur Überbringung von Steuerzahlungen nach Antiochia entsandt worden war, überbot Jasons Tributzusage an die Seleukiden um die immense Summe von dreihundert Silbertalenten, womit ihm die Hohepriesterwürde zugesprochen wurde. Das Skandalöse daran war nicht die Art des Vorgehens, denn auch Jason hatte das Amt käuflich erworben. Der folgenschwere Einschnitt bestand vielmehr in der Tatsache, dass erstmals eine Person das bis dahin erbliche Amt des Hohenpriesters übernommen hatte, der nicht aus dem alten Priestergeschlecht Zadoks, sondern aus einer einfachen Priesterfamilie stammte. David hatte nach der Eroberung Jerusalems Zadok, der dort vermutlich schon als heidnischer Priester tätig war und später zum Nachkommen Aarons stilisiert wurde, mit den priesterlichen Aufgaben betraut (2Sam 8,17). Seither stellte das Geschlecht der Zadokiden in Jerusalem den Oberpriester. Im Zuge der Kultzentralisation des Josia (639–608) und der damit verbundenen Abschaffung der Landheiligtümer gewannen die Zadokiden die Zentralherrschaft über den gesamten israelitischen Kult. Mit Menelaos war nun zum ersten Mal ein Nichtzadokide in das Amt des Hohenpriesters gelangt. Der von Jason verdrängte Onias III., der nach Antiochia gegangen war und sich nach wie vor als legitimer Amtsinhaber betrachten konnte, wurde im Auftrag des Menelaos mit falschen Versprechungen zum Verlassen des Exils bewogen und getötet. Dessen Sohn Onias IV. gründete später im ägyptischen Leontopolis einen neuen Tempel, der bis zum Ende des Jüdischen Krieges Bestand hatte und die zadokidische hohepriesterliche Linie der Oniaden fortführte. Menelaos wurde massiv von der einst in ptolemäischen Diensten stehenden Tobiadenfamilie gestützt, die aus wirtschaftlichen Gründen für eine noch konsequentere Öffnung des Judentums gegenüber der hellenistischen Welt eintrat und nun mehrheitlich proseleukidisch war. Die Skrupellosigkeit, mit der Menelaos die Veränderungen vorantrieb, beschleunigte das Scheitern des hellenistischen Reformversuchs, der bald auch in der griechenfreundlichen Oberschicht Jerusalems an Rückhalt verlor. Was unter Jason dem Anspruch nach als Aufbruch in eine bessere, dem Zeitgeist des Hellenismus entsprechende Zukunft Judäas begonnen hatte, entlarvte sich nunmehr zusehends als der Versuch einer vor allem von der Tobiadenpartei repräsentierten Elite, mit Hilfe der seleukidischen Fremdherrschaft das Land zum eigenen Vorteil unter Kontrolle zu bringen. Um seinen immensen finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Seleukiden nachkommen zu können, war Menelaos zur Veräußerung von Kultgegenständen aus dem Tempel ge-
Die Seleukidenherrschaft
zwungen und brachte damit auch fortschrittliche Kräfte gegen sich auf. Im Verlauf des sechsten ägyptisch-syrischen Krieges (170–168), der zunächst eine seleukidische Präventivmaßnahme angesichts ptolemäischer Pläne zur Besetzung Palästinas darstellte, bald aber auf eine Eroberung des Ptolemäerreiches abzielte, musste Antiochos IV. neue Finanzmittel akquirieren und bemächtigte sich mit Billigung von Menelaos des Tempelschatzes. Darunter befanden sich auch für den Kultbetrieb unentbehrliche Stücke wie der Schaubrottisch und die Menora. Zudem entweihte Antiochos IV. den Tempel, indem er das Allerheiligste betrat. Einen Aufstandsversuch des abgesetzten Hohenpriesters Jason, der von den gemäßigten liberalen Kräften gestützt wurde und nun auch konservativen Kreisen als das geringere Übel erschien, schlug das seleukidische Heer brutal nieder und behandelte Jerusalem nach Kriegsrecht, indem Plünderungen stattfanden und ein Teil der Bevölkerung in die Sklaverei verkauft wurde. Diese harte Reaktion auf die Erhebung Jasons dürfte darin begründet liegen, dass Antiochos IV. nach seiner zuvor erlittenen Brüskierung durch die Römer keinen weiteren Gesichtsverlust und eine damit verbundene politische Schwächung erleiden wollte. Die Römer hatten Antiochos IV. 168 v. Chr. aus Sorge um die Entstehung eines ptolemäisch-seleukidischen Großreiches an der Eroberung Alexandrias gehindert. Vor den Toren der ägyptischen Hauptstadt wurde der Seleukidenkönig von einer römischen Gesandtschaft aufgehalten, die mit einem Stock einen Kreis um ihn zog und ihn im Namen des Senats zwang, vor Verlassen des Kreises seinen Rückzug aus dem Nilland zu erklären. Selten ist ein hellenistischer Herrscher tiefer gedemütigt worden. Bald darauf errichteten die Seleukiden zur Herrschaftssicherung in Jerusalem eine befestigte Zitadelle, die Akra, und bauten sie zu einer Militärkolonie aus. Konservative jüdische Kräfte wurden enteignet und verließen die Stadt. Jerusalem war nun eine hellenistische Polis mit gemischter Bevölkerung. Das Tempelareal befand sich unter Kontrolle der in der Akra lebenden heidnischen Militärsiedler und der proseleukidischen jüdischen Oberschicht. Der Tempel wurde dem Zeus Olympios geweiht, wobei man den jüdischen Gott auf dem Zion mit dem höchsten Gott des griechischen Pantheons identifizierte und offenkundig als jene oberste Gottheit betrachtete, wie sie überall von gebildeten Menschen unter verschiedenen Namen und in unterschiedlicher Gestalt verehrt wird. Durch diesen Hellenisierungsprozess nahm der Jahwekult synkretistische Züge an oder wurde sogar vollständig durch einen paganen Zeus- und Dionysoskult ersetzt. Innerhalb des in einen heiligen Hain verwandelten Tempelvorhofs bildete ein kleinerer Altar, der auf den großen Brandopferaltar aufgesetzt war, den kultischen Mittelpunkt. In der jüdischen Apokalyptik gilt dieser heidnische Altaraufsatz als Gräuelbild der Verwüstung (Dan 9,27). Auf ihm wurden auch Schweineopfer dargebracht. Über die Verpflichtung zur Zeus- und Dionysosverehrung hinaus erließ Antiochos IV. auf Initiative des Menelaos Religionsgesetze, welche die traditionelle Opferdarbringung, den Besitz von Torarollen, die Beschneidung und die Sabbateinhaltung unter Todesstrafe stellten. Dieser Vorstoß des Menelaos konnte als eine die Reichseinheit stärkende Maßnahme im Sinne der seleukidischen Hellenisierungspolitik verstanden werden und war wohl von dem Kalkül bestimmt, zur Stärkung der eigenen Machtbasis das Wohlwollen des seleukidischen Königshofes und die Sympathie der Mi-
Radikale Hellenisierung der jüdischen Religion
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Makkabäer und Chassidim
Beginn des Aufstands
litärsiedler in der Akra zu gewinnen. Mit den strengen Religionsgesetzen war ein Druckmittel gegen die konservativen Bevölkerungskreise gegeben, die sich den Neuerungen verweigerten. Dass die Radikalität der Religionsreform nicht primär auf Antiochos IV. zurückgeht, sondern von Menelaos und den hinter ihm stehenden Kräften verantwortet wird, zeigt der andersartige Verlauf der Dinge in Samarien. Die Samaritaner erklärten sich bereit, ihr Jahweheiligtum auf dem Garizim Zeus Xenios zu widmen. Dies genügte den Seleukiden als formaler Erweis dafür, dass sie nach griechischer Sitte leben und sich in das hellenistische Staatswesen integrieren wollten. In Samarien blieben die Mosetora und die damit verbundenen Riten und religiösen Traditionen weiterhin in Geltung, während sie in Jerusalem bei Todesstrafe verboten waren. Die von den Seleukiden nach Kräften geförderten Zwangsmaßnahmen, die auf eine Ausmerzung der israelitischen Religion und eine vollständige Anpassung des jüdischen Gottesglaubens an die hellenisierte Umwelt hinausliefen, blieben nicht ohne Wirkung. Sie hatten den Abfall vieler bis dahin noch Gesetzestreuer zur Folge. Andere Juden gingen ins Exil, wo sie ihren Glauben ungehindert leben konnten. Allerdings wurde das Religionsverbot nicht überall im Land widerstandslos hingenommen. Die Makkabäer, bei denen es sich um den Priester Mattathias und seine fünf Söhne handelte, erhoben sich zur Rebellion gegen die Reformen. Der drittälteste Sohn Judas trug den Beinamen Makkabäus, der sich von dem aramäischen Wort für Hammer (maqqabah) ableitet und der Aufstandsbewegung den Namen verlieh. Daneben hatte sich eine „Sammlung der Frommen“ (1Makk 2,42) als breitere Oppositionsbewegung gegen die Hellenisierung der Religion formiert. Diese Hasidäer oder Chassidim schlossen sich vorübergehend dem bewaffneten Kampf gegen die hellenistische Reformbewegung an, den sie als Repräsentanten des gesetzestreuen Jahweglaubens in religiöser Hinsicht bejahten, ohne seine politische Zielsetzung zu teilen. Im Umfeld dieser Gruppierung ist die Entstehung des Danielbuches zu vermuten, das auf dem Höhepunkt des makkabäischen Freiheitskampfes noch zu Lebzeiten von Antiochos IV. als Trostschrift für die Bedrängten verfasst wurde. Der Autor versetzt die Leser um vierhundert Jahre zurück in die Zeit des babylonischen Exils. Seine Hauptfigur Daniel siedelt er am Hofe des Babylonierkönigs Nebukadnezar an und lässt sie von dort aus in die Zukunft blicken, zunächst als vaticinium ex eventu bis in die von der Seleukidenherrschaft bestimmte Gegenwart, dann in Form echter Zukunftsschau auf den Tod von Antiochos IV. und die endzeitliche Errettung der Gerechten. Während das apokalyptische Danielbuch die Heilsvollendung im Rahmen der bevorstehenden Zeitenwende erwartet, kann es den innergeschichtlichen Makkabäeraufstand in verhüllter Ausdrucksweise zumindest als kurzfristige Hilfe Gottes betrachten, welche die Drangsal der Frommen lindert (11,34). Auch das „Buch der Traumgesichte“ aus der Henoch-Literatur zeigt, dass in chassidischen Kreisen der makkabäische Befreiungskampf als unmittelbarer Vorbote von Gottes großem Endzeitkampf gegen die Feinde Israels verstanden wurde (1Hen 90). Um auch die Landbevölkerung zur Observanz gegenüber dem neuen Kult zwingen zu können, wurde von den hellenistisch gesinnten Reformern die deuteronomistische Kultzentralisation aufgehoben und die Errichtung von Altären außerhalb Jerusalems gefördert. In dem kleinen Ort Modin nahe Je-
Die Seleukidenherrschaft
rusalem erschlug Mattathias eigenhändig den ersten Juden, der zum Opfer für Zeus bereit war. Auch der für die Beaufsichtigung der Opferhandlungen zuständige seleukidische Beamte wurde ermordet. Dies war das Signal zur offenen Rebellion. Mattathias zog sich mit seinen Söhnen in den Untergrund zurück und formierte eine bewaffnete Widerstandsgruppe. Die Makkabäer lebten als Freischärler und Partisanen in den Bergen. Von dort aus zerstörten sie heidnische Altäre im Land, gingen gewaltsam gegen Kollaborateure aus dem eigenen Volk vor und vollzogen Zwangsbeschneidungen an den Kindern assimilationsbereiter Juden. Der Aufstand der Makkabäer In jenen Tagen trat Mattathias, der Sohn des Johannes, des Sohnes Simeons, auf, ein Priester aus den Nachkommen Joaribs von Jerusalem; er lebte aber in Modin. Er hatte fünf Söhne: Johannes genannt Gaddi, Simon genannt Thassi, Judas genannt Makkabäus, Eleazar genannt Awaran und Jonathan genannt Apphus … Die Leute des Königs, die den Abfall erzwingen sollten, kamen aber auch in die Stadt Modin, damit die Einwohner Opfer darbrächten. Da gingen viele von Israel zu ihnen hin, auch Mattathias und seine Söhne kamen zu der Versammlung. Da nahmen die Leute des Königs das Wort und sprachen zu Mattathias: „Du bist ein Oberer und angesehen und einflussreich in dieser Stadt und von Söhnen und Brüdern unterstützt. So tritt nun als erster heran und erfülle das Gebot des Königs, wie alle Völker taten und die Männer von Juda und die in Jerusalem Zurückgebliebenen; so werden du und deine Söhne zu dem Kreis der Freunde des Königs gehören, und du und deine Söhne, ihr werdet mit Silber und Gold und vielen Geschenken geehrt werden.“ Mattathias aber antwortete und sprach mit lauter Stimme: „Wenn auch alle Völker, die sich im Herrschaftsbereich des Königs befinden, ihm Gehorsam leisten, indem jeder vom Gottesdienst seiner Väter ablässt, und sie sich in seine Anordnungen fügen, so werden doch ich und meine Söhne und meine Brüder im Bund unserer Väter wandeln. Gott bewahre uns davor, Gesetz und Gebote zu verlassen! Den Befehlen des Königs werden wir nicht Gehorsam leisten; wir weichen von unserem Gottesdienst nicht ab, weder nach rechts noch nach links.“ Doch kaum hatte er diese Worte beendet, da trat vor aller Augen ein jüdischer Mann heran, um auf dem Altar in Modin gemäß der Anordnung des Königs zu opfern. Als Mattathias das sah, geriet er in Eifer und sein Innerstes erbebte. Zu Recht stieg ihm der Zorn auf, er lief hinzu und erschlug ihn am Altar. Zugleich tötete er den Mann des Königs, der zum Opfern nötigte, und zerstörte den Altar. So eiferte er für das Gesetz, wie es Pinehas gegenüber Simri, dem Sohn des Salu, tat (vgl. Num 25,6–15). In der Stadt aber rief Mattathias mit lauter Stimme aus: „Jeder, der für das Gesetz eifert und zum Bunde steht, der folge mir!“ Und er und seine Söhne flohen in die Berge; all ihr Eigentum aber ließen sie in der Stadt zurück. (1 Makkabäer 2,1–5.15–28 [vgl. K.-D. SCHUNCK, JSHRZ I/4 303–305])
Nach dem Tod des Mattathias (166 v. Chr.) übernahm sein Sohn Judas Makkabäus die Führung der Aufstandsbewegung. Wegen seiner Durchsetzungskraft und Verschlagenheit wird er zuweilen mit David verglichen und ist bis heute jüdischer Nationalheld. Mit seinen Kämpfern gewann Judas Makkabäus mehrere Schlachten gegen deutlich besser ausgerüstete seleukidische Truppen. Die Makkabäer, die bald auch am Sabbat kämpften, drängten die seleukidische Besatzungsmacht zunehmend zurück. Es gelang ihnen, nach Jerusalem einzuziehen und den Tempel unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Verehrung des olympischen Zeus wurde ein Ende bereitet und der
Judas Makkabäus
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Auswirkungen der gescheiterten Reform
Wiederherstellung des Tempelstaats
Trennung von Makkabäern und Chassidim
reguläre Tempelkult für den Gott Israels wieder in Gang gesetzt. Dies geschah am 25. Chislev (Dezember) 164 und markiert den Ursprung von Chanukka, dem Lichterfest. Der Legende zufolge wurde im entweihten Tempel noch ein einziges Fass kultisch reinen Öls gefunden, das für acht Tage Licht spendete. Bald darauf starb Antiochos IV. in Persien, nachdem er zuvor den Versuch unternommen hatte, die Stadt Elymas einzunehmen und ihren Artemistempel auszurauben. Thronfolger wurde der noch unmündige Antiochos V. Der Erfolg der makkabäischen Erhebung und das Scheitern der Religionsreform hatten einschneidende Folgen für die weitere geistige und politische Entwicklung des Judentums. Der bis dahin als Herausforderung wie Bereicherung gesehene und unbefangen rezipierte Hellenismus wurde nun als Gefahr für Gesetz und Kult empfunden. Als Gegenreaktion zu den auf eine gewaltsame Abschaffung der Tora zielenden hellenistischen Reformbestrebungen wurde ein Eifer für den Glauben entfacht, der die Identität des Judentums in besonderer Weise an die Tora und den Tempel band. Es schärfte sich das Bewusstsein dafür, dass das Judentum nicht nahtlos in der hellenistischen Kultur aufgehen konnte, sondern sich mit diesen Identität stiftenden Größen deutlich von seiner Umwelt abhob. Die Abwehr des Assimilationsversuchs förderte somit eine Fixierung auf die Einhaltung der Gesetzesvorschriften und den ordnungsgemäßen Tempelkult. Damit einher ging eine besondere Sensibilisierung für tatsächliche oder scheinbare Eingriffe der in Palästina herrschenden politischen Macht in Fragen des religiösen Lebens und Belange des Tempels. Zugleich erhielt das apokalyptische Geschichtsdenken mit der Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden Äonenwende kräftigen Auftrieb. Antiochos IV. wurde in apokalyptischen Denkmustern zum schlimmsten Despoten der Weltgeschichte und zur Schreckensgestalt der Endzeit. Auch die Entwicklung eines reflektierten jüdischen Auferstehungsglaubens, wie er erstmals im Buch Daniel und im zweiten Makkabäerbuch begegnet, wurzelt in der Reflexion der Verfolgungserfahrungen der Makkabäerzeit. Das dort erlittene Leid konnte nicht mehr mit einem weltimmanenten Vergeltungsgedanken bewältigt werden, sondern ließ die Vorstellung von jenseitiger Belohnung oder Bestrafung der Verstorbenen Raum gewinnen. Der Versuch von Judas Makkabäus, die Akra zu erobern, in der sich unter dem Schutz der Seleukiden die hellenistisch gesinnte Jerusalemer Aristokratie aufhielt, hätte beinahe zum Untergang geführt. Antiochos V. und sein Vormund Lysias rückten mit einer überlegenen Heeresmacht, darunter Kampfelefanten, an und schlossen die Makkabäer in Jerusalem ein. Es kam nur deshalb zu einem Friedensabkommen, weil die syrischen Truppen nach Antiochia abziehen mussten, denn dort hatte sich der Reichsverweser Philippos des Thrones bemächtigt. Antiochos V. sicherte den Makkabäern die freie Religionsausübung und die Befolgung der väterlichen Gesetze zu. Aus der hellenistischen Polis Jerusalem war wieder ein Tempelstaat geworden. Zur Wiederherstellung des inneren Friedens wurde auf Anraten des Lysias der Hohepriester Menelaos nach Syrien geschafft und in einem mit Asche gefüllten Turm erstickt. Dies war eine von den Persern übernommene Todesart für Religionsfrevler. Wer sich am Altar mit seiner Asche versündigt hatte, sollte durch Asche sterben. Das Thronkarussell im Seleukidenreich drehte sich indes immer rasanter. Demetrios I., der als Sohn von Seleukos IV. bei der Thronfolge übergangen
Die Seleukidenherrschaft
worden war, hatte aus römischer Gefangenschaft nach Syrien fliehen können. Dort ließ er im Jahr 162 Antiochos V. ermorden und übernahm die Herrschaft. An Stelle des hingerichteten Menelaos ernannte er Jakim (Alkimos) zum Hohenpriester. Dieser wurde zwar mit militärischer Gewalt in Jerusalem installiert und vertrat konsequent die seleukidischen Interessen, war aber aaronitischer Abstammung (1Makk 7,14) und erfüllte damit die Ansprüche der Tora an das Amt. Die Wege der Makkabäer und der Chassidim begannen sich an diesem Punkt zu trennen. Mit der Gewährung freier Religionsausübung und der ordnungsgemäßen Wiederherstellung des Kultbetriebes war für die Chassidim das wesentliche Ziel der Aufstandsbewegung erreicht. Sie zeigten Bereitschaft, Alkimos anzuerkennen, und entsandten eine Delegation zu ihm, die allerdings hingerichtet wurde. Dennoch zogen sich die Chassidim allmählich aus dem makkabäischen Befreiungskampf zurück, der nun einen weltlichen Charakter anzunehmen begann und auf die politische Unabhängigkeit Judäas abzielte. Nach seinem Sieg über die Streitmacht des Seleukidengenerals Nikanor nahm Judas Makkabäus diplomatische Kontakte nach Rom auf, das mit seiner republikanischen Verfassungsordnung und seiner bis dahin gezeigten Außenpolitik im Osten in dem Ruf stand, Bezwinger mächtiger Herrscher und Schutzherr der Schwachen zu sein. Der Senat hatte seit den kriegerischen Auseinandersetzungen Roms mit Antiochos III. die Seleukiden mehrfach in die Schranken gewiesen und betrachtete den makkabäischen Befreiungskampf als destabilisierenden Faktor im Seleukidenreich mit Wohlwollen. Es kam 161 v. Chr. zu einem Abkommen zwischen dem jüdischen und römischen Volk, sich im Kriegsfall gegenseitig beizustehen und den jeweiligen Feinden keine Unterstützung zu gewähren. Dieser Bundesgenossenvertrag lag im beiderseitigen Interesse. Während er den Makkabäern völkerrechtliche Anerkennung und Schutz der politischen Autonomie gewähren sollte, verhalf er Rom zur Ausdehnung seines Einflusses im östlichen Mittelmeerraum. Das mit Rom geschlossene Abkommen und ein Drohbrief des Senats nach Syrien blieben allerdings zunächst ohne die erhoffte Wirkung. Demetrios I. hatte bereits eine Streitmacht nach Judäa entsandt, die den Makkabäern 160 v. Chr. eine empfindliche Niederlage zufügte. Judas fand bei den Kämpfen den Tod und sein Bruder Jonathan übernahm die Führung der Aufstandsbewegung. Obwohl die erneuerten Privilegien der Jerusalemer Kultgemeinde von den Seleukiden nicht angetastet wurden, zogen sich die Makkabäer wieder als Partisanen in die Berge zurück. Das Blatt wendete sich abermals durch skurrile Thronwirren in Antiochia. Zur gezielten Destabilisierung der Herrschaft von Demetrios I. baute Attalos II. von Pergamon mit Unterstützung Roms und Ägyptens den aus Smyrna stammenden Alexander Balas zum seleukidischen Thronprätendenten auf. Alexander Balas, der dem ermordeten Antiochos V. zum Verwechseln ähnlich sah, gab sich als dessen Bruder aus, landete mit einer starken Streitmacht in Ptolemais und residierte dort als Gegenkönig. Sowohl Alexander Balas als auch der von ihm bedrängte Demetrios I. warben zur Stärkung ihrer Position um Jonathan, der beide Rivalen zu seinem eigenen Vorteil geschickt gegeneinander ausspielte. Zunächst erhielt Jonathan von Demetrios I. die Erlaubnis, nach Jerusalem einzuziehen und dort eigene Truppen zu unterhalten. Die nicht allzu lange Zeit zuvor noch von den Seleukiden
Bundesgenossenvertrag mit Rom
Übergang des Hohenpriesteramtes an die Makkabäer
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bekämpfte und ins Partisanendasein abgedrängte militärische Macht der Makkabäer war damit legalisiert. Kaum hatte Jonathan Jerusalem in seine Gewalt gebracht, wechselte er die Partei und ließ sich von Alexander Balas in das Hohepriesteramt einsetzen. Mit der erfolgreichen makkabäischen Erhebung, die auch Elemente der sozialen Umwälzung beinhaltete, bildete sich eine neue Oberschicht heraus. Sowohl die bisherige Priesteraristokratie als auch die Tobiaden hatten unwiderruflich ihre Bedeutung eingebüßt. An ihre Stelle trat die den Aufstand tragende, im ländlichen Milieu verwurzelte Familie der Makkabäer, die nun die politische Führung und das Hohepriesteramt in einer Hand vereinigte und ihren Herrschaftsanspruch durch Dynastiebildung stabilisierte. Unmittelbare Folge dieser Usurpation des Hohenpriesteramtes durch die Makkabäer, die bei den Chassidim nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß, war aller Wahrscheinlichkeit nach die Entstehung der Essener. Mit dem namentlich ungenannten Frevelpriester aus den Qumranschriften dürfte Jonathan gemeint sein.
Exkurs: Die Essener, die Qumransiedlung und die Schriftrollen vom Toten Meer Die Essener
Organisationsstruktur und Gemeinschaftsleben
Die Essener, die Qumransiedlung am Toten Meer und die in deren Nähe gefundenen Schriftrollen sind zunächst einmal auseinanderzuhalten und getrennt zu betrachten. Erst in einem zweiten Schritt kann danach gefragt werden, inwieweit sich Berührungspunkte und Identifikationsmöglichkeiten ergeben. Die Essener stellen neben den Pharisäern, Sadduzäern und Zeloten eine der vier maßgeblichen Religionsparteien des antiken Judentums dar. Im Neuen Testament werden sie nicht erwähnt. Der Name leitet sich wahrscheinlich von dem aramäischen Wort chassaja, die Frommen, ab. Unser Wissen über die Essener stützt sich auf antike Schriftstellerberichte. Die wichtigsten Zeugen sind Philo und Josephus, die allerdings mit Rücksicht auf ihre hellenistische Leserschaft die Essener in den Farben einer griechischen Philosophenschule zeichnen. Dabei verfolgen sie die zum Teil bereits von den Quellen vorgegebene Tendenz, die Essener als eine pythagoreische Gruppierung auf jüdischem Boden zu porträtieren, die durch ihr von Tugendhaftigkeit, Gütergemeinschaft und Gelehrsamkeit gekennzeichnetes Ethos in vorbildlicher Weise das philosophische Ideal der Kaiserzeit verwirklicht. Trotz dieser gefärbten Darstellung gehen Philo und Josephus mit ihren Berichten nicht völlig an der Wirklichkeit vorbei, sondern geben wichtige Informationen über die Essener preis. Die vorwiegend in ländlichen Gebieten Palästinas lebenden, aber auch in Städten anzutreffenden Essener sonderten sich zur Bewahrung der kultischen Reinheit von ihrer Umwelt ab und schlossen sich in Gemeinschaften mit festen Organisationsstrukturen zusammen. Die von einem priesterlichen Vorsteher geleiteten Essenergemeinden verfügten trotz egalitärer Lebensweise über ein vierstufiges hierarchisches Gefälle, an dessen unterem Ende die Novizen standen. Der Name der Essener deutet darauf hin, dass sie zu den gesetzestreuen Hasidäern zählten, die sich im Kampf gegen die Hellenisierung der jüdischen Religion vorübergehend der makkabäischen Bewegung angeschlossen hatten. Dem Eintritt in die Gemeinschaft war eine einjährige Probezeit vorgeschaltet. Erst nach weiteren zwei Jahren wurden die
Exkurs: Essener, Qumransiedliung und Schriftrollen vom Toten Meer
Vollmitgliedschaft und die Berechtigung zur Teilnahme an den Mahlzeiten erworben, die den Mittelpunkt des Gemeindelebens ausmachten. Dem ging ein Eid voraus, in dem die aufnahmewilligen Personen sich zur Ehrfurcht vor Gott, zur Gerechtigkeit gegenüber den Menschen, zur Wahrheitsliebe und zur Respektierung der Gemeinschaftsregeln verpflichteten. Die Essener verachteten den Reichtum und lebten in Gütergemeinschaft. Beim Eintritt in die Gemeinde ging aller Privatbesitz in Gemeinschaftseigentum über. In sämtlichen Dingen, die das Zusammenleben, die Satzungen und die Schriften der Gemeinde betrafen, waren die Mitglieder gegenüber Außenstehenden zur Geheimhaltung verpflichtet. Bei Fehlverhalten griff ein mehrstufiges Verfahren der Gemeindedisziplin. Schwere Verstöße gegen die Satzungen zogen den Ausschluss aus der Gemeinschaft nach sich. Der Tagesablauf der Essenergemeinden war streng geregelt. Nach dem Morgengebet vor Sonnenaufgang gingen sie einer bäuerlichen oder handwerklichen Tätigkeit nach. Zur Mittagszeit traf man sich zu einer gemeinsamen Mahlzeit. Am Nachmittag setzte sich die Arbeit fort, bevor man abends erneut zum Mahl zusammenkam. Die Essener verstanden sich selbst als das wahre Israel und grenzten sich schroff nach außen ab. Sie maßen den rituellen Vorschriften der Tora besonders hohe Bedeutung bei und betonten das priesterliche Element. Oberstes Ziel war es, die kultische Reinheit der Gemeinde und ihrer Glieder zu wahren. Dazu erfolgte eine Radikalisierung und Verallgemeinerung der priesterlichen Reinheitsgesetze, indem die in der Tora nur für die Priester geltenden Vorschriften auf alle Gemeinschaftsmitglieder ausgeweitet wurden. Im Zentrum stand der Gedanke, dass die Forderungen des Gesetzes nur durch eine konsequente Heiligung des ganzen Lebens zu erfüllen seien. Auch das Sabbatgebot wurde strenger als von anderen Gruppierungen des Judentums ausgelegt. Den gemeinsamen Mahlzeiten gingen kultische Waschungen voraus. Die Mahlgebete wurden von einem Priester gesprochen. Das Mahl selber nahmen die Essener in weißen Leinengewändern ein, wie sie auch die Priester im Tempel trugen. Die Mehrzahl der Essener lebte ehelos, um sich nicht durch den Umgang mit Frauen kultisch zu verunreinigen. Daneben gab es aber auch Gruppen von verheirateten Essenern, die im Interesse von Fortpflanzung und Nachkommenschaft eine positive Haltung gegenüber der Ehe einnahmen. Die Zukunftserwartung der Essener war durch den Glauben an ein Fortleben nach dem Tod geprägt. Wenn Josephus ihnen in diesem Zusammenhang eine pythagoreisch-platonische Seelenlehre zuschreibt, die im Widerspruch zum jüdischen Schöpfungsglauben den menschlichen Körper als Gefängnis der unsterblichen Seele betrachtet, ist Vorsicht angebracht. Eher dürften die Essener an eine ganzheitliche Auferstehung der Toten geglaubt haben. Eine höchst umstrittene Frage ist, in welchem Umfang die Qumranfunde unser Verständnis von den Essenern bereichern. Im Jahr 1947 entdeckte ein Beduine, der angeblich nach einer entlaufenen Ziege suchte, aber wohl eher nach einem Versteck für Schmugglerware Ausschau hielt, am Nordwestufer des Toten Meeres in der Nähe des Ruinenplateaus Chirbet Qumran (Mondhügel) eine Höhle mit Tonkrügen und wertvollen Schriftrollen. In der Folgezeit konnten zehn weitere Höhlen in unmittelbarer Umgebung Qumrans aufgespürt werden. Die Summe der dort entdeckten fragmentarischen Dokumente beläuft sich auf rund achthundert, von denen sich ungefähr sechshun-
Tagesablauf
Die Qumrantexte
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Die Qumransiedlung
Qumran – eine Essenersiedlung?
dert inhaltlich bestimmen lassen. Der Erhaltungszustand der Qumrantexte ist außerordentlich schlecht. Lediglich zehn Schriftrollen bieten mehr als die Hälfte des ursprünglichen Textes, nur die Jesajarolle aus Höhle 1 ist fast vollständig erhalten. Die Funde lassen sich grob in drei Gruppen einteilen. Sie umfassen zunächst Bücher, die als Bestandteil der hebräischen Bibel bekannt sind. Daneben wurden in den Höhlen um Qumran auch jüdische Apokryphen und Pseudepigraphen entdeckt, die bei der späteren Kanonisierung der heiligen Schrift durch die Rabbinen keine Berücksichtigung fanden. Eine dritte Gruppe machen schließlich Gemeindeordnungen, schriftgelehrte Abhandlungen und Hymnensammlungen aus, die einer religiösen Gruppierung des antiken Judentums zugeordnet werden können, die sich selbst als Jachad (Einigung) bezeichnete. Dabei dürfte es sich um Essener gehandelt haben, denn die in den antiken Schriftstellerberichten gegebenen Informationen über die Essener stimmen bemerkenswert gut mit dem überein, was sich aus den Schriftrollen über die Lebensweise und religiöse Prägung der von den Qumrantexten repräsentierten Gemeinschaft entnehmen lässt. Bald nach Entdeckung der ersten Schriftrollen entschlossen sich Archäologen, auch die Ruinen von Qumran, die in unmittelbarer Nähe der Höhlen östlich der Felsenhänge auf einem Plateau liegen, einer groß angelegten Untersuchung zu unterziehen. Bei den Ausgrabungen kamen die Grundmauern und Gebäudereste einer Siedlung zutage, die für schätzungsweise sechzig Personen ausgerichtet war. Zudem waren auch die Höhlen im Umfeld der Siedlung bewohnt. Der archäologische Befund deutet darauf hin, dass das über Jahrhunderte unbewohnte Terrain von Qumran in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. wiederbesiedelt und während der Regierungszeit der Hasmonäer Johannes Hyrkan und Alexander Jannai planmäßig ausgebaut wurde. Die Siedlung enthielt drei Hauptkomplexe, nämlich Wohnbereich, Wirtschaftsgebäude und Versammlungshalle samt Speisesaal. Die Wasserzufuhr erfolgte über ein im Gebirge angelegtes Staubecken, mit dem die Zisternen der Siedlung durch einen Aquädukt verbunden waren. Über die Trinkund Nutzwasserversorgung hinaus waren damit auch die Voraussetzungen für rituelle Tauchbäder gegeben. Im Jahr 31 v. Chr. wurde Qumran von einem schweren Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen. Anschauliches Relikt dieser Naturkatastrophe ist ein Wasserbecken, dessen Boden und Stufen in zwei Teile zerrissen wurden, wobei sich die rechte Hälfte rund einen halben Meter absenkte. Die zweite Siedlungsperiode währte vom baldigen Wiederaufbau bis zur mutmaßlichen Zerstörung Qumrans durch die Römer im Jahr 68 n. Chr., als Vespasian mit seinen Truppen das Tote Meer passierte. Anschließend diente Qumran als römischer Militärstützpunkt, bevor es im BarKochba-Aufstand zu einem Rückzugsort jüdischer Widerständler wurde. Für die Beurteilung der Qumranfunde hängt viel davon ab, ob die in den Höhlen entdeckten Schriftrollen in einer direkten Beziehung zu den Bewohnern der Qumransiedlung stehen. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, die Schriftrollen stammten aus Jerusalem und seien erst im Verlauf des Jüdischen Krieges (66–70) nach Qumran gebracht worden, um sie dort in den Höhlen vor den Römern in Sicherheit zu bringen. Dieser These zufolge, die aufgrund einer Neubewertung des archäologischen Befundes derzeit an Bedeutung gewinnt, weisen die Schriftrollen keine innere Beziehung zur Siedlung Qumran und ihren Bewohnern auf. Qumran wird in diesem Zu-
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sammenhang als eine Festung oder ein Handelszentrum ohne besonderen religiösen Hintergrund betrachtet. Die Kupferrolle aus Qumran deutet in der Tat darauf hin, dass zumindest Teile des Jerusalemer Tempelschatzes vor den Römern in den Höhlen am Toten Meer versteckt wurden. Sie enthält ein exaktes Verzeichnis von 64 Verstecken mit immensen Mengen von Gold und Silber. Dennoch hat die traditionelle Annahme, dass es sich bei Qumran um eine Siedlung von Essenern und bei den in den Höhlen gefundenen Dokumenten um deren Bibliothek handelte, nach wie vor die größte Wahrscheinlichkeit für sich. Eine Schlüsselstellung kommt dabei dem älteren Plinius zu, der die Essener am Westufer des Toten Meeres in der Nähe von Engedi verortet. Dies passt vorzüglich zur geographischen Lage von Qumran. Plinius der Ältere über die Essener Im Westen weichen die Essener von den Küsten zurück, soweit diese ungesund sind, ein einsamer und auf dem ganzen Erdkreis vor allen anderen merkwürdiger Stamm, ohne jede Frau, jeder Wollust abhold, ohne Geld und nur in Gesellschaft von Palmen. Er erneuert sich gleichmäßig Tag für Tag durch die Menge der Neuankömmlinge, da viele dorthin wandern, die das Schicksal durch seine Stürme als Lebensmüde veranlasst, ihre Sitten anzunehmen. So besteht ein Stamm, bei dem niemand geboren wird, über Jahrhunderte fort, was unglaublich erscheint. So fruchtbar ist für jene der Lebensüberdruss anderer. Unterhalb von ihnen lag die Stadt Engedi, die zweite nach Jerusalem hinsichtlich der Fruchtbarkeit und wegen der Palmenhaine, jetzt ist sie ebenfalls ein Schutthaufen. Darauf folgt die Festung Masada auf einem Felsen, selbst auch nicht weit vom Asphaltsee. Und bis hierher reicht Judäa. (PLINIUS, Historia naturalis 5,73 [übers. v. R. KÖNIG, München 1993])
Unabhängig von der Essenerhypothese bieten die Qumranfunde entscheidende Informationen über die religiöse Parteienbildung im Judentum zur Makkabäerzeit. Eine maßgebliche Rolle spielen dabei zwei geheimnisumwitterte Gestalten aus den genuinen Gemeinschaftsschriften, nämlich der Lehrer der Gerechtigkeit und der Frevelpriester. Die Damaskusschrift blickt auf die weit vor der Gründung von Qumran liegenden Anfänge der Bewegung zurück. In einem einleitenden Geschichtsabriss verankert sie die Ursprünge der Gemeinde in einem „neuen Bund im Land Damaskus“, der vom Lehrer der Gerechtigkeit begründet wurde. Der Lehrer der Gerechtigkeit hatte bereits zuvor in den Krisenzeiten unter Antiochos IV. eine Bewegung von Gesetzestreuen um sich geschart und war vermutlich eine der charismatischen Führungsgestalten innerhalb der „Sammlung der Hasidäer“ gewesen, die sich zeitweise dem Kampf der Makkabäer angeschlossen hatte. Mehrere Stellen des Habakuk- und Psalmenkommentars aus Qumran sehen den Lehrer der Gerechtigkeit in lebensbedrohlicher Auseinandersetzung mit einem Frevelpriester, der in Israel zur Herrschaft gelangt war und den Versuch unternahm, den ins Exil gegangenen Lehrer der Gerechtigkeit zu beseitigen. Später geriet der Frevelpriester selbst in die Hände von Feinden, die ihn töteten. Bei dem über Israel herrschenden Frevelpriester kann es sich nur um den amtierenden Hohenpriester handeln. Auch für den Lehrer der Gerechtigkeit lassen die Texte erkennen, dass er eine hochrangige priesterliche Gestalt
Der Lehrer der Gerechtigkeit und der Frevelpriester
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Übereinstimmungen mit den Essenern
war. Mit dem namentlich ungenannten Frevelpriester ist aller Wahrscheinlichkeit nach Jonathan gemeint, der von 152–143 v. Chr. das Hohepriesteramt innehatte und dann von dem Seleukidengeneral Trypho hingerichtet wurde. Sowohl der offenkundige Anspruch des Lehrers der Gerechtigkeit auf das vom Frevelpriester okkupierte Hohepriesteramt als auch die Mordversuche des Frevelpriesters am Lehrer der Gerechtigkeit erklären sich plausibel dadurch, dass der Lehrer der Gerechtigkeit vor Jonathan das Amt innehatte und dann zwangsweise abgesetzt wurde, also ein ähnliches Schicksal wie vor ihm Onias III. erlitt. Josephus zufolge soll das Hohepriesteramt vor dem Amtsantritt Jonathans sieben Jahre unbesetzt gewesen sein, was angesichts der Notwendigkeit eines Hohenpriesters für den toragemäßen Kultbetrieb, vor allem das Ritual des Versöhnungstages, historisch undenkbar ist. Nach seinem mutmaßlichen Amtsverlust begab sich der Lehrer der Gerechtigkeit offenkundig nach Syrien ins Exil und konstituierte dort den neuen Bund im Land Damaskus, eine Sammlungsbewegung frommer Juden gegen die Entweihung des Hohenpriesteramtes und des Tempelkultes durch den von Alexander Balas eingesetzten Makkabäer Jonathan, der nicht zadokidischer Herkunft war. Später kehrte er mit seinen Anhängern nach Judäa zurück, konnte aber seine hohenpriesterlichen Ansprüche nicht durchsetzen, woraufhin er sich endgültig vom Tempelkult verabschiedete. In dieser Frage kam es zu einem Bruch innerhalb der Bewegung. Ein von den Qumranschriften als Lügenmann bezeichneter Rivale verweigerte sich dem Führungsanspruch des Lehrers der Gerechtigkeit und spaltete sich mit seinen Anhängern ab, um weiterhin am Tempelkult teilzunehmen. Der Lehrer der Gerechtigkeit dagegen erkannte zwar den Tempel grundsätzlich als das jüdische Heiligtum an, betrachtete ihn aber wegen seines nichtzadokidischen Hohenpriesters und der Befolgung eines falschen Kalenders als entweiht. Später ließ sich die Bewegung in Qumran nieder, wobei offenkundig die Forderung von Jes 40,3, die Wüste zu einem Ort der Erneuerung des Gottesverhältnisses zu machen, eine entscheidende Rolle spielte. Sehr viel von dem, was Philo und Josephus in ihren Essenerreferaten über das Aufnahmeverfahren, die Gütergemeinschaft, die gemeinsamen Mahlzeiten und die Regeln des Zusammenlebens berichten, begegnet in den Gemeinschaftsordnungen von Qumran wieder. Trotz vereinzelter Diskrepanzen spiegeln sich in den Qumrantexten fundamentale Glaubensvorstellungen und Handlungsweisen, wie sie von den antiken Quellen als typisch essenisch charakterisiert werden. Der Begriff Essener begegnet wohl deshalb nicht in den Schriftrollen, weil er eine Fremdbezeichnung darstellt. Von allen bekannten jüdischen Gruppen weisen die Essener die meisten Ähnlichkeiten mit der Qumrangemeinde auf. Wenn es sich demnach aufgrund der signifikanten Übereinstimungen bei Qumran um eine Essenersiedlung handelte, bereichern die Funde von Qumran in außerordentlichem Maße unser Wissen über die religiösen Denkmuster der Essener. Es handelt sich vorwiegend um Aspekte, die Schriftstellern wie Philo oder Josephus nicht bekannt waren oder ihrer gefärbten Darstellung der Essener als Philosophenschule zum Opfer fielen. Dies betrifft vor allem Kalenderfragen und die Endzeiterwartung. Allerdings ist aufgrund der Diskrepanzen zwischen den antiken Essenerberichten und den Schriftrollen vom Toten Meer auch nicht auszuschließen, dass sich hinter den Essenern und der Qumrangemeinde zwei
Exkurs: Essener, Qumransiedliung und Schriftrollen vom Toten Meer
vom Denken und der Organisationsform her eng miteinander verwandte, aber nicht völlig identische religiöse Gruppierungen verbergen. Zuweilen vermutet man, dass der Lehrer der Gerechtigkeit sich mit seinen Gefolgsleuten von einer breiteren essenischen Bewegung abgespalten haben könnte. Die Qumrangemeinde beharrte konsequent auf einem Sonnenkalender anstelle des im Judentum üblich gewordenen Mondkalenders. Dies war ein wesentlicher Grund für die Absonderung vom Tempel, wo die jüdischen Feste nach Auffassung der Qumrangemeinde an den falschen Tagen gefeiert wurden und damit der Kultbetrieb nicht gemäß der Schöpfungsordnung und der Tora organisiert war. In Qumran wurde eine Sonnenuhr in Gestalt einer gravierten Kalksteinscheibe gefunden, die als astronomisches Messinstrument zur Berechnung des Festkalenders diente. Erst von den Hasmonäern eingeführte Feste wie Purim und Chanukka wurden abgelehnt. Das Endzeitdenken der von einem streng dualistischen Welt- und Menschenbild geprägten Gemeinde war, wie vor allem die Kriegsrolle aus Qumran zeigt, von der Erwartung eines Endkampfes zwischen den Mächten des Lichtes und der Finsternis geprägt. Zugleich wurde von der Zukunft erwartet, dass sie neben einem königlichen auch einen priesterlichen Messias bringen werde. Durch seinen engen Schulterschluss mit Alexander Balas hatte Jonathan machtpolitisches Gespür bewiesen. Alexander Balas setzte sich 150 v. Chr. im Entscheidungskampf gegen Demetrios I. durch und konnte für fünf Jahre die Herrschaft über das Seleukidenreich an sich reißen. Jonathan wurde von ihm zum Strategen und Teilherrscher über Judäa ernannt. Anhaltende kriegerische Auseinandersetzungen zwischen diversen Thronprätendenten trugen zu einer weiteren Schwächung des Seleukidenreichs bei und stärkten die Position Jonathans. Demetrios II., ein Sohn von Demetrios I., nahm den Kampf um das seleukidische Thronerbe auf. Er kehrte aus dem Exil auf Kreta zurück, besiegte Alexander Balas mit Hilfe von Ptolemaios VI., der mit allen Mitteln den ptolemäischen Einfluss nach Norden auszudehnen versuchte, und wurde 145 v. Chr. neuer seleukidischer Herrscher. Für Jonathan stellte sich die Situation zunächst wenig vorteilhaft dar. Er war Parteigänger von Alexander Balas gewesen und hatte den Statthalter von Koilesyrien militärisch bekämpft, als dieser zu Demetrios II. abgefallen war. Aufgrund seines diplomatischen Geschicks vermochte er aber Demetrios II., der zur Festigung der Herrschaft auf Unterstützung angewiesen war, in Ptolemais von seiner Loyalität zu überzeugen und ihm weitere Zugeständnisse abzuringen. Jonathan behielt die Hohepriesterwürde, erwirkte Steuererleichterungen und konnte zudem seinen Einflussbereich auf drei südliche Bezirke Samarias ausdehnen. Damit wurde von seleukidischer Seite eine territoriale Erweiterung des jüdischen Herrschaftsbereiches sanktioniert. Mit seinen Streitkräften avancierte Jonathan zum gefragten Bündnispartner in neuerlichen Thronkämpfen zwischen Demetrios II. und Trypho, einem ehemaligen General des Alexander Balas, der nun als Vormund des noch minderjährigen Antiochos VI. die Herrschaft beanspruchte. Jonathan kämpfte zunächst auf Seiten des Demetrios, wechselte dann aber die Fronten. Als Gegenleistung wurde er von Antiochos VI. in seiner Position bestätigt und erreichte, dass sein Bruder Simon die Befehlsgewalt über die Küstenebene von Tyros bis zur ägyptischen Grenze erhielt.
Festigung der Macht Jonathans
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Palästina unter hellenistischer Herrschaft
Das von den Makkabäern kontrollierte oder im Auftrag der Seleukiden befriedete Gebiet erstreckte sich nun weit über Judäa hinaus. Gleichzeitig sicherte Jonathan seine Expansionsbestrebungen durch eine Erneuerung des Freundschaftsvertrages mit dem römischen Senat ab. Hinzu kam ein außenpolitisches Abkommen mit Sparta als wichtigstem Bundesgenossen Roms auf griechischem Boden. Die politische Festigung der Makkabäerherrschaft lag nach wie vor im Interesse römischer Ostpolitik, da sie zur Schwächung des Seleukidenreichs beitrug. Für Jonathan zielte die Bekräftigung des Freundschaftsvertrages nicht nur darauf ab, seiner Herrschaft diplomatische Anerkennung zu verschaffen. Sie war auch deshalb geboten, weil Rom nach dem dritten Punischen Krieg von seiner patronalen Außenpolitik abzurücken begann und in Nordafrika wie Griechenland zu einer direkten Beherrschung eroberter Gebiete übergegangen war. Auf Dauer wurde Jonathan mit seinen politischen Aktivitäten dem hinter Antiochos VI. stehenden syrischen General Trypho allerdings zu mächtig, der ihn in Ptolemais in einen Hinterhalt lockte und töten ließ. Neuer Hoherpriester und Führer der Makkabäer wurde Jonathans Bruder Simon. Mit ihm sind jene Entwicklungen verbunden, die zum hasmonäischen Königtum führten.
3. Das Hasmonäerreich (142–63 v. Chr.) 142–104 v. Chr. 143–134 v. Chr. 134–104 v. Chr. 104–63 v. Chr. 104–103 v. Chr. 103–76 v. Chr. 76–67 v. Chr. 67–66 v. Chr. 66–63 v. Chr.
Hasmonäische Priesterfürsten Simon Johannes Hyrkan I. Hasmonäisches Königtum Aristobul I. Alexander Jannai Alexandra Salome Hyrkan II. (seit 76 v.Chr. bereits Hoherpriester) Aristobul II.
3.1 Hasmonäische Priesterfürsten (142–104 v. Chr.) In erbitterten kriegerischen Auseinandersetzungen und mit wohlwollender Protektion Roms, das als angehende Hegemonialmacht im östlichen Mittelmeerraum seine Schatten vorauswarf, erkämpften sich die Makkabäer schrittweise die politische Unabhängigkeit von den Seleukiden. Mit Jonathans Bruder Simon begann die Zeit des aus der makkabäischen Erhebung erwachsenen Hasmonäerreiches. Der Name Hasmonäer leitet sich davon ab, dass zu den Vorfahren der Makkabäer ein Ahnherr namens Hasmon zählte. Die ersten Hasmonäer Simon und Johannes Hyrkan waren auf dem Papier noch keine Könige, obwohl sie neben dem Hohenpriesteramt auch die weltliche Herrschaft ausübten. Man kann sie als Priesterfürsten bezeichnen. Im Zuge ihrer Entwicklung wurden die aus dem makkabäischen Befreiungskampf gegen eine Hellenisierung des Judentums hervorgegangenen Hasmonäer selbst zu hellenistisch geprägten Königen, die manche Gesetzesvorschrift aus der Tora missachteten. Die unvermittelt wiedergewonnene politische Selbstständigkeit Judäas verdankte sich anhaltenden Thronfolgestreitigkeiten in Antiochia und dem Aufstieg der Parther im Osten, an die das Seleukidenreich bald seine mesopotamischen Besitzungen verlor. Der Seleukidengeneral Trypho ließ den minderjährigen König Antiochos VI. hinrichten, um selbst die Herrschaft an sich zu reißen. Der Makkabäer Simon ging darauf hin ein Bündnis mit dem von Antiochos VI. aus der Herrschaft verdrängten Demetrios II. ein, der im Gegenzug 142 v. Chr. den Bewohnern Judäas Steuerfreiheit gewährte. Dieser Akt markiert den entscheidenden Einschnitt in der Geschichte der makkabäischen Erhebung. Obwohl formal weiterhin eine Abhängigkeit von den Seleukiden bestand, war Judäa faktisch erstmals seit der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier wieder ein souveräner Staat. Simon nannte sich nunmehr großer Hoherpriester, Stratege und Hegemon der Juden. Nach Art eines Königs zählte er die Jahre vom Beginn seiner Amtszeit an neu. Von politischer Weitsicht zeugt die Maßnahme Simons, seine Machtstellung in eine verfassungsmäßige Ordnung einzubinden und diese 140 v. Chr. von der Volksversammlung verabschieden zu lassen. Simon gab damit seiner Herrschaft einen verbindlichen rechtlichen Rahmen, versicherte sich der Zustimmung breiterer Bevölkerungsschichten und legte das Fundament für die Hasmonäerdynastie. Dass die Verabschiedung
Autonomie des Tempelstaates durch Simon
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Das Hasmonäerreich
Die Staatsverfassung des Hasmonäerreiches So beschlossen die Judäer und die Priester, dass Simon für immer ihr Führer und Hoherpriester sein solle, bis ein glaubwürdiger Prophet auftreten würde, und dass er ihr Befehlshaber sein solle, damit durch ihn Männer für ihre Arbeiten, für das Land, für die Waffen und für die Festungen eingesetzt würden; dass ihm die Sorge für das Heiligtum obliegen solle, dass ihm von allen Gehorsam geleistet werden solle, dass unter seinem Namen alle Urkunden im Land abgefasst werden sollen und dass er sich ein Purpurgewand umlegen und in Goldschmuck auftreten solle. Niemand von dem Volk und von den Priestern soll es erlaubt sein, irgendetwas davon aufzuheben, seinen Anordnungen zu widersprechen, ohne ihn im Land eine Versammlung zusammenzubringen, sich ein Purpurgewand umzulegen und sich eine goldene Spange anzuheften. Wer aber dagegen handeln oder etwas davon aufheben sollte, soll schuldig sein. Das ganze Volk beschloss, zu Gunsten Simons festzulegen, dass nach diesen Festlegungen verfahren werde. Simon aber nahm sie an und stimmte zu, das Hohepriesteramt zu übernehmen, Befehlshaber sowie Fürst der Juden und der Priester zu sein und allem vorzustehen. Diese Urkunde ließen sie in eherne Tafeln eintragen und diese an der Mauer des Heiligtums an einer sichtbaren Stelle aufstellen. Die Abschriften davon aber ließen sie in der Schatzkammer niederlegen, damit Simon und seine Söhne sie zur Verfügung hätten. (1 Makkabäer 14,41–49 [vgl. K.-D. SCHUNCK, JSHRZ I/4 359–360])
Aggressive Expansionspolitik der Hasmonäer
des auf Kupfertafeln am Zion veröffentlichten Verfassungsdokuments auch von priesterlichen Kreisen getragen wurde, ist angesichts der nichtzadokidischen Herkunft Simons als besonders bedeutsam anzusehen. Dabei wurde die Simon und seinem Geschlecht zugebilligte Würde, dauerhaft die hohepriesterliche, militärische und politische Macht in seinen Händen zu vereinigen, mit der Einschränkung „bis ein glaubwürdiger Prophet auftrete“ versehen. Diese zeitliche Begrenzung stellte ein Zugeständnis an die Kritiker der Vermischung von hohepriesterlichem Amt und weltlicher Herrschaft dar. Zu den ersten militärischen Aktionen Simons nach Gewinn der Steuerfreiheit zählte die Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Gazara. Die heidnische Einwohnerschaft wurde vertrieben und durch jüdische Siedler ersetzt. Die gewaltsame Vertreibung oder die Zwangsjudaisierung nichtjüdischer Bevölkerungsgruppen zählten fortan zu den typischen Merkmalen der aggressiven hasmonäischen Expansionspolitik, bei der sich wirtschaftliche, politische und religiöse Motive miteinander verbanden. Von hohem Symbolwert waren die Erstürmung der Akra und die Entfernung der verhassten syrischen Garnison aus Jerusalem. Die Seleukiden hatten dem militärisch nichts entgegenzusetzen. Demetrios II. befand sich seit 140 bei den Parthern in Kriegsgefangenschaft, sein Nachfolger Antiochos VII. (138–129) war in Thronkämpfe mit Trypho verstrickt. Dies vergrößerte den Handlungsspielraum Simons. Mit der Inbesitznahme von Joppe gewann er Zugang zum Mittelmeer. Durch weitere Eroberungen wurden die Reichsgrenzen ausgedehnt. Außenpolitisch sicherte er seine Herrschaft durch eine Bekräftigung der Bündnisse mit Rom und Sparta ab. Im Jahr 134 wurde Simon mit zweien seiner Söhne während eines Trinkgelages in der Nähe von Jericho von seinem Schwiegersohn Ptolemaios, der selber die Macht anstrebte, hinterrücks ermordet.
Hasmonäische Priesterfürsten
Von den Söhnen Simons entging nur Johannes Hyrkan dem Attentat. Er trat Simons Nachfolge als Hoherpriester und faktischer König Judäas an. Zu Beginn seiner dreißigjährigen Regierungszeit (134–104) hatte er sich nochmals militärisch mit den Seleukiden auseinanderzusetzen. Antiochos VII. belagerte sogar für kurze Zeit Jerusalem und zwang Johannes Hyrkan zu Tributzahlungen für die außerhalb Judäas liegenden hellenistischen Städte und zu Militärhilfe im Partherkrieg. Als Antiochos VII. nach anfänglichen Erfolgen im Kampf gegen die Parther den Tod fand, war der Niedergang des Seleukidenreichs besiegelt, das bald nur noch Syrien und Kilikien umfasste. Das Ptolemäerreich war nicht in der Lage, aus dieser Schwäche Kapital zu schlagen. Während Ptolemaios VI. noch versucht hatte, mit Hilfe von Demetrios II. die Provinz Syrien und Phönizien wieder unter ägyptische Herrschaft zu bringen, verfolgte Ptolemaios VIII. Euergetes diesen Plan nicht weiter, zumal seine Kräfte von 132–124 in einem blutigen Bürgerkrieg mit Kleopatra II. gebunden waren. Johannes Hyrkan machte sich das Machtvakuum im östlichen Mittelmeerraum und den dadurch gewonnenen Handlungsspielraum während seiner gesamten Regierungszeit zielstrebig zunutze, indem er das Bündnis mit Rom intensivierte und die Reichsgrenzen konsequent weiter nach außen verschob. Das im Zuge der Expansionspolitik neu gewonnene Land wurde entweder jüdischen Bauern als Eigentum überlassen oder als „Königsland“ in hasmonäischen Privatbesitz überführt. Dabei bediente sich Johannes Hyrkan als erster Makkabäer eines Söldnerheeres, das er mit dreitausend Silbertalenten aus dem von ihm geplünderten Grab Davids bezahlt haben soll. Er folgte dabei dem Vorbild der hellenistischen Monarchien, wo Söldner zur Steigerung der militärischen Professionalität und zur Herrschaftssicherung gegenüber dem eigenen Volk unentbehrlich waren. Im Ostjordanland konnte die Festung Madeba eingenommen werden. Das südlich von Judäa gelegene Idumäa wurde annektiert und die Bevölkerung zur Übernahme des jüdischen Glaubens gezwungen. Nach Norden hin erweiterte Johannes Hyrkan den Einfluss in Samaria. Das in den Tagen Alexanders des Großen errichtete samaritanische Heiligtum auf dem Garizim ließ er rücksichtslos zerstören und beraubte damit die samaritanische Gemeinde ihres kultischen Zentrums. Später eroberte Johannes Hyrkan die Hauptstadt Samaria, machte sie dem Erdboden gleich und verkaufte die Einwohner in die Sklaverei. Mit Skythopolis, einer noch von den Ptolemäern auf dem Boden des traditionsreichen Beth Shean errichteten Militärsiedlung, fiel eine weitere bedeutsame hellenistische Stadt in seine Hände. Trotz dieser militärischen Erfolge formierte sich im Volk eine breite Oppositionsbewegung gegen Johannes Hyrkan. Dass er sich deutlicher als die Makkabäer vor ihm als rein weltlicher Herrscher gab und mit seinen kriegerischen Aktivitäten von den ursprünglichen Zielen der Bewegung weit entfernt hatte, wurde als unvereinbar mit den Ansprüchen des Hohenpriesteramtes betrachtet. Wortführer der Opposition waren die Pharisäer, aus deren Kreisen die Forderung laut wurde, Johannes Hyrkan solle der hohenpriesterlichen Würde entsagen und sich mit der politischen Herrschaft begnügen. Um ihn für das Hohepriesteramt zu diskreditieren, wurde behauptet, seine Mutter sei unter Antiochos IV. in syrischer Gefangenschaft gewesen. Damit verband sich der Verdacht, sie könnte entehrt worden sein. Hyrkans Vater Simon hätte dann mit seiner Eheschließung gegen die Tora verstoßen und
Johannes Hyrkan
Oppositionsbewegung gegen die Hasmonäer
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Das Hasmonäerreich
die kultische Reinheit des hasmonäischen Priestergeschlechts verwirkt (Lev 21,14–15). Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen fand Johannes Hyrkan in priesterlich-aristokratischen Kreisen Rückhalt, die aufgrund wirtschaftlicher und politischer Interessen in religiösen Fragen eher zu Kompromissen neigten, und stützte sich auf die Sadduzäer als neue Bundesgenossen. Von den Pharisäern sagte er sich los und stellte die Befolgung ihrer Vorschriften unter Strafe, was wiederum die Animositäten gegen ihn weiter anschwellen ließ. Die Spannungen zwischen den Hasmonäern und den Chassidim traten nun offen zu Tage. Die einstigen Sympathisanten der makkabäischen Bewegung sahen sich um ihre Ziele betrogen. Der seinem Anspruch nach religiös ausgerichtete Hasmonäerstaat konnte sich dem Strudel der Hellenisierung auf Dauer nicht entziehen und nahm zunehmend die Gestalt eines hellenistisch geführten Gemeinwesens an. Die Makkabäer waren innerhalb zweier Generationen von religiös motivierten Freiheitskämpfern zu weltlich gesinnten Herrschergestalten hellenistischer Prägung mutiert. Als Johannes Hyrkan 104 v. Chr. starb, hinterließ er fünf Söhne, von denen mindestens drei, nämlich Aristobul, Antigonos und Alexander, griechische Namen trugen.
Exkurs: Die Pharisäer und die Sadduzäer
Die Sadduzäer
In Analogie zu den Essenern betreten bei Josephus die Pharisäer und die Sadduzäer unter dem Makkabäer Jonathan die Bühne der jüdischen Geschichte. Auch wenn dieser redaktionelle Einschub nichts über das tatsächliche Alter besagt, haben sie sich unter Johannes Hyrkan als feste Parteien konsolidiert, die um die Vormachtstellung im Land konkurrierten. Beide Gruppierungen verfügten nicht nur über eine religiöse Programmatik, sondern strebten auch nach politischem Einfluss und repräsentierten dabei unterschiedliche soziale Schichten. Die Pharisäer waren die Volkspartei, während die Sadduzäer die Interessen der Privilegierten verfolgten. Der Name der Sadduzäer leitet sich von Zadok ab, den David in Jerusalem zum Oberpriester eingesetzt hatte (2Sam 8,17) und dessen Geschlecht seitdem die Herrschaft über den Tempelkult ausübte. Als in der Seleukidenund Makkabäerzeit das Hohepriesteramt in nichtzadokidische Hände überging, wendeten sich zwar hochrangige Zadokiden wie Onias IV. oder der Lehrer der Gerechtigkeit mit ihren Anhängern vom Jerusalemer Tempel ab, doch blieb dies die Ausnahme. Die Mehrheit der Zadokiden gab die Bindung an den Tempel und die heilige Stadt nicht auf. Aus dem Kreis der in Jerusalem verbliebenen Zadokiden und ihrer Sympathisanten konstituierten sich im Zuge der in der Hasmonäerzeit eintretenden Gruppenbildung die Sadduzäer als eine Religionspartei, der die führenden Priesterfamilien, das Bürgertum Jerusalems und der palästinische Landadel zugehörten. Um auf das politische Geschehen Einfluss nehmen zu können, arrangierten sich die Sadduzäer mit dem hasmonäischen Herrscherhaus und dessen eigentlich illegitimen nichtzadokidischen Priesterfürsten. Unter Johannes Hyrkan und Alexander Jannai wurden die Sadduzäer zum entscheidenden politischen Machtfaktor, büßten diese Bedeutung aber unter Alexandra Salome wieder ein. Ein realpolitischer Opportunismus und eine nüchterne Einschätzung der Machtverhältnisse ermöglichten es den Sadduzäern, auch unter Herodes
Exkurs: Die Pharisäer und die Sadduzäer
dem Großen und Archelaos nachhaltigen Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen und hohe Ämter zu besetzen. Da zu jener Zeit die Priesterfamilie des Boethos tonangebend war, begegnen die Sadduzäer in der rabbinischen Tradition auch als Boethusier. Mit der Einrichtung der römischen Provinz Judäa war ein weiterer spürbarer Machtzuwachs verbunden. Die Sadduzäer wurden trotz ihres geringen Rückhalts im Volk zur einflussreichsten Religionspartei, die nicht nur das Synhedrion dominierte und den Hohenpriester stellte, sondern nun unter römischer Aufsicht auch die Innenpolitik bestimmte. Zur Bewahrung der weitgehenden innenpolitischen Autonomie und im Interesse des Machterhalts zeichneten sie sich durch eine romfreundliche Haltung aus und waren bestrebt, den von den Zeloten getragenen wachsenden Widerstand gegen die Römerherrschaft einzudämmen. In theologischer Hinsicht ist an den Sadduzäern bedeutsam, dass sie ähnlich wie die Samaritaner allein die Tora als autoritative Schrift und göttliche Offenbarung anerkannten. Jene Vorstellungen und Erwartungen, wie sie sich beispielsweise in der Prophetie oder der mündlichen Gesetzesauslegung über die Tora hinaus entwickelt hatten, wurden bestritten. Die Sadduzäer orientierten sich in ihrem Gesetzesverständnis streng am schriftlichen Wortlaut der Tora. Ihrem nüchternen Denken gemäß lehnten sie nicht nur jede Form von Engel- und Dämonenglaube ab, sondern vertraten auch die Auffassung, dass es kein Schicksal gebe und der Mensch selbst für sein Ergehen verantwortlich sei. Mit ihrer ausschließlichen Fixierung auf die Tora waren die Sadduzäer rein innerweltlich ausgerichtet und verfügten im Gegensatz zu den Essenern oder Pharisäern über keinerlei Endzeit- und Jenseitserwartung. Da in der Tora von Auferstehung der Toten und zukünftiger Welt keine Rede ist, konnten diese Topoi für die Sadduzäer kein Glaubensgegenstand sein. In der Frage der Auferstehung sind daher sowohl mit Jesus (Mk 12, 18–27) als auch mit den Pharisäern Kontroversen überliefert. Die Sadduzäer waren Repräsentanten eines theokratischen Denkens, das die Königsherrschaft Gottes innerweltlich in Kult und Gesetz uneingeschränkt verwirklicht sah. Apokalyptische Hoffnungen auf eine Überwindung der bestehenden Verhältnisse und ein jenseits dieser Welt liegendes Königtum Gottes waren den Sadduzäern mit ihrer an der Bewahrung des Status Quo orientierten konservativen Grundhaltung wesensfremd und mehr als suspekt. Von den Kirchenvätern werden die Sadduzäer wegen ihrer Diesseitsbezogenheit als jüdische Epikureer charakterisiert. Kritik am Tempel, wie sie von Jesus geäußert wurde, musste den Sadduzäern als subversiv und gefährlich erscheinen. Sadduzäische Kreise um den Hohenpriester Kaiphas betrieben daher die Verhaftung Jesu und seine Auslieferung an Pontius Pilatus. Da die Machtposition der Sadduzäer auf dem Tempel und seinen hierarchischen Institutionen basierte, wurden sie durch die Entwicklungen im Jüdischen Krieg entscheidend geschwächt und waren nach dem Bar-Kochba-Aufstand, als alle Hoffnungen auf eine Wiederherstellung des Heiligtums begraben werden mussten, unwiderruflich zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Die Pharisäer erwuchsen wie die Essener aus der „Sammlung der Hasidäer“, die sich gegen die Hellenisierungsbestrebungen unter Antiochos IV. formiert hatte. Die Pharisäer sprachen von sich selbst vermutlich als Genossen. Ihr Name geht auf das hebräische Wort peruschim zurück und bedeutet „die Abgesonderten“. Dabei handelt es sich um eine Fremdbezeichnung, die
Theologische Anschauungen der Sadduzäer
Geschichte der Pharisäer
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Das Hasmonäerreich
Josephus über die Sadduzäer Die Sadduzäer … streichen das Schicksal vollständig; von Gott aber nehmen sie an, er stehe jenseits davon, etwas Böses zu tun oder auch nur mit anzusehen. Sie behaupten vielmehr, der Wahl der Menschen sei das Gute und das Schlechte anheim gegeben, und nur auf Grund einer von jedem Einzelnen zu treffenden Entscheidung trete der Mensch dem einen wie dem anderen bei. Die Fortdauer der Seele und die Strafen und Belohnungen im Hades lehnen sie ab. Auch die Pharisäer sind einander zugetan und halten die Einigkeit zum gemeinsamen Besten hoch; bei den Sadduzäern aber ist auch unter einander das Benehmen gröber, und die Verkehrsformen mit den Volksgenossen schroff wie mit Fremden. (JOSEPHUS, De bello Judaico 2,164–166 [übers. v. O. MICHEL /O. BAUERNFEIND, Darmstadt 1959]) Die Sadduzäer aber streichen das Schicksal und glauben, dass es so etwas gebe nicht gebe und sich der Menschen Geschick nicht danach richte, sondern alles nur nach unserem Willen geschehe, sodass wir selbst die Urheber unseres Glückes seien und uns unser Unglück durch den eigenen Unverstand zuzögen … Die Lehre der Sadduzäer lässt die Seele mit dem Körper zugrunde gehen und erkennt keine anderen Vorschriften an als das Gesetz. Sie halten es sogar für eine Tugend, mit den Lehrern jener Weisheit, nach der sie selber streben, zu streiten. Ihrer Anhänger sind nur wenige, doch gehören sie den besten Ständen an. Allerdings richten sie nichts Bedeutendes aus, und wenn sie einmal genötigt sind, ein Amt zu bekleiden, so halten sie es mit den Pharisäern, weil das Volk sie sonst nicht dulden würde. (JOSEPHUS, Antiquitates 13,173 und 18,16)
Quellen
ihnen wohl deshalb beigelegt wurde, weil sie sich von ihrer Umwelt absonderten, um als heilige Gemeinde Gottes nicht mit Unreinheit in Berührung zu kommen. Möglicherweise entstanden die Pharisäer als Abspaltung von den Essenern unter Führung des „Lügenmannes“, der dem Lehrer der Gerechtigkeit die Gefolgschaft aufkündigte. Die von den Qumranschriften gegen ihn und seine Bewegung gerichteten Vorwürfe, es sich mit der Auslegung der Tora zu leicht zu machen und eine falsche Haltung zum Tempel einzunehmen, lässt an die Pharisäer denken, auch wenn dieser Bezug nicht zwingend ist. Die Rekonstruktion des Pharisäismus wird durch das Fehlen sicherer Primärquellen erschwert. Sie stützt sich in erster Linie auf Josephus und das Neue Testament. Rabbinische Texte können nur mit äußerster Vorsicht herangezogen werden, da der Pharisäismus bei der Neukonstituierung des Judentums nach der Tempelzerstörung zwar die treibende Kraft war und in das Rabbinentum einmündete, aber trotz dieser Kontinuität nicht einfach mit ihm gleichzusetzen ist. Zweifellos wichtigster Zeuge für den Pharisäismus ist Josephus, der sich im Alter von neunzehn Jahren der pharisäischen Schulrichtung anschloss. Sein aus unterschiedlichen Quellen wie aus persönlicher Erfahrung gespeistes Pharisäerbild ist zwar nicht frei von Widersprüchen und Interessen, vermittelt aber einen guten Eindruck vom Denken der Pharisäer und ihrem Einfluss auf die politische Entwicklung Judäas. Im tendenziösen Pharisäerbild des Neuen Testaments spiegeln sich hochgradig Auseinandersetzungen der christlichen Gemeinden mit einem pharisäisch bestimmten
Exkurs: Die Pharisäer und die Sadduzäer
Judentum, die in die Geschichte Jesu zurückprojiziert wurden. Während die theologischen Konturen der Pharisäer bei aller Polemik umrisshaft zu Tage treten, kommt ihre politische Bedeutung nicht in den Blick. Josephus charakterisiert die Pharisäer als antihasmonäische Volkspartei, die Johannes Hyrkan zum Verzicht auf das Hohepriesteramt auffordert und an der Spitze des Widerstands gegen Alexander Jannai steht. Dabei haben sie als führende Kritiker der Hasmonäerherrschaft die breite Mehrheit des Volkes hinter sich. Unter Alexandra Salome stehen sie auf dem Höhepunkt ihrer politischen Macht, bis sie von Aristobul II. in die Schranken gewiesen werden. Herodes der Große kann zunächst auf den Rückhalt der Pharisäer bauen, doch kühlt das Verhältnis im Verlauf seiner Herrschaft deutlich ab. Die Pharisäer zählen zu den Verweigerern des Loyalitätseids auf Herodes und Augustus. Mit der Beteiligung der Pharisäer am Mordkomplott des Herodessohnes Antipater und dem Versuch von Pharisäerschülern, den goldenen Adler am Jerusalemer Tempel zu entfernen, erreicht das Verhältnis zu Herodes seinen Tiefpunkt. Im Jüdischen Krieg gehören die Pharisäer mehrheitlich zur Friedenspartei, die eine Eskalation des Konfliktes zu verhindern sucht. Diese Darstellung lässt eine klare Tendenz erkennen, die in den Antiquitates besonders deutlich ausgeprägt ist. Die Pharisäer verkörpern bei Josephus in idealtypischer Weise die besten Seiten des Judentums, vertreten gegenüber dem hasmonäisch-herodianischen Herrschergeschlecht konsequent die Interessen des Volkes und sind entschiedene Gegner des Kriegs mit Rom. Hinter der gefärbten Darstellung steckt allerdings ein harter historischer Kern. Die Pharisäer waren im Gegensatz zu den Sadduzäern eine breit im Volk verankerte und sich wohl überwiegend aus der Mittelschicht rekrutierende Religionspartei mit wechselndem politischem Einfluss. An der hasmonäischen Vermischung von weltlicher und geistlicher Macht übten sie Kritik, gerieten später auch mit Herodes in Konflikt und waren zur Zeit der direkten Römerherrschaft gegen die radikale Kriegspolitik der Zeloten, auch wenn sie der heidnischen Obrigkeit innerlich ablehnend gegenüberstanden und namhafte Pharisäer zeitweilig in den Aufstand verstrickt waren. Theologisch standen die Pharisäer im Ruf hervorgehobener Frömmigkeit und akribischer Gesetzesauslegung. Auch Paulus rühmt im Rückblick auf seine pharisäische Vergangenheit die Treue gegenüber der Tora (Phil 3,5). Die Pharisäer schlossen sich als Laienbewegung in organisierten Gemeinschaften zusammen, um vor allem die kultischen Reinheitsvorschriften und die Verzehntungsgebote der Tora mit größter Sorgfalt zu beachten. Oberstes Ziel war die rituelle Heiligung des täglichen Lebens nach den Richtlinien, wie sie im Tempel für die Priester galten. Das ganze Land sollte zum Heiligtum Gottes werden. Die positive Einstellung zum Jerusalemer Tempel, die sich auch in der konsequenten Entrichtung des dem Kultpersonal zugute kommenden Zehnten widerspiegelt, wurde von dieser Demokratisierung priesterlicher Ideale und der Ausweitung des sakralen Bereiches auf das ganze Land nicht berührt. Im Gegensatz zu den Essenern waren die Pharisäer egalitär organisiert und hoben innerhalb ihrer Bewegung den traditionellen Vorrang der Priester auf. Der Tora wurden von den Pharisäern Ausführungsbestimmungen aus dem Erbe der väterlichen Überlieferungen als gleichberechtigtes Offenbarungs-
Pharisäisches Gesetzesverständnis
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Das Hasmonäerreich
Josephus über die Pharisäer Nun aber will ich nur noch darlegen, dass die Pharisäer dem Volke gewisse Gesetze aus der Überlieferung der Väter weitergegeben haben, die nicht in den Gesetzen des Moses aufgeschrieben sind. Aus diesem Grunde verwirft sie die Klasse der Sadduzäer und sagt, dass nur jene Gesetze gelten sollten, die geschrieben sind, während die aus der Überlieferung der Väter nicht zu beachten seien. Über diesen Punkt entstanden oft heftige Streitigkeiten, wobei die Sadduzäer nur die Vermögenden und nicht das Volk überzeugen konnten, die Pharisäer aber das Volk auf ihrer Seite hatten … Die Pharisäer leben enthaltsam und kennen keinen Luxus. Was vernünftige Überlegung als gut erscheinen lässt, dem folgen sie und halten es überhaupt für ihre Pflicht, den Vorschriften der Vernunft nachzukommen. Sie erwiesen den Alten Respekt und maßen sich nicht an, den Anordnungen derselben zu widersprechen. Wenn sie behaupten, alles geschehe nach einem bestimmten Schicksal, so wollen sie damit dem menschlichen Willen nicht das Vermögen absprechen, sich selbst zu bestimmen, sondern lehren, es habe Gott gefallen, die Macht des Schicksals und die menschliche Vernunft zusammenwirken zu lassen, so dass jeder es nach seinem Belieben mit dem Laster oder der Tugend halten könne. Sie glauben, dass die Seelen unsterblich sind und dass dieselben, je nachdem der Mensch tugendhaft oder lasterhaft gewesen ist, unter der Erde Lohn oder Strafe erhalten. Ewige Gefangenschaft ist das Schicksal der bösen Seelen, während die guten Seelen den Übergang zu einem neuen Leben erhalten. Wegen dieser Lehren besitzen sie beim Volk einen solchen Einfluss, dass alle gottesdienstlichen Verrichtungen, Gebete wie Opfer, nur nach ihrer Anleitung dargebracht werden. Ein so herrliches Zeugnis der Vollkommenheit gaben ihnen die Bewohner der Städte, weil man glaubte, dass sie in Wort und Tat nur das Beste wollten. (JOSEPHUS, Antiquitates 13,297–298 und 18,12–15)
zeugnis zur Seite gestellt, die oftmals auf eine Verschärfung der Gesetze hinausliefen. Trotz aller berechtigten Vorbehalte gegenüber einer einseitigen Gleichsetzung von Pharisäismus und Rabbinentum dürften sich viele der von pharisäischen Schriftgelehrten entwickelten Auslegungstraditionen in den Gesetzeskorpora des rabbinischen Schrifttums (Mischna, Tosefta, Talmudim) wiederfinden. In Verschärfung der Tora forderten die Pharisäer vor jeder Mahlzeit ein rituelles Waschen der Hände und des Geschirrs (Mk 7,3–4), in dem sich das Bemühen um kultische Reinheit im Alltag anschaulich widerspiegelt. Die in der Tora auf Korn, Wein und Öl bezogene Pflicht der Verzehntung wurde auf alle agrarischen Produkte ausgeweitet (Mt 23,23). In anderen Bereichen wie etwa dem Sabbatgebot bemühten sich die Pharisäer, die Tora durch erleichternde Bestimmungen wirklichkeitsnah zu gestalten und für breitere Bevölkerungskreise lebbar zu machen. Dieser Pragmatismus im Umgang mit der Tora trug ihnen von Seiten der in Gesetzesfragen strengeren Qumrangemeinde den Vorwurf ein, „Glattes“ zu lehren und sich mit einer zu laxen Torapraxis beim Volk anzubiedern. Die Frömmigkeitspraxis der Pharisäer schloss freiwillige Fastenübungen und umfangreiche Gebetsriten ein. Das Endzeitdenken der Pharisäer war von apokalyptischer Zukunftserwartung unter Einschluss einer Totenauferstehung geprägt. Das wichtigste Zeugnis für die Messiaserwartung sind die vermutlich aus pharisäischen Kreisen stammenden Psalmen Salomos.
Das Königtum der Hasmonäer
Jesus teilte mit den Pharisäern religiöse Grundüberzeugungen wie den Glauben an die Auferstehung der Toten oder an das Kommen der Gottesherrschaft. Neben dieser großen inhaltlichen Nähe gab es vor allem im Zusammenhang mit Gesetzesfragen deutliche Reibungspunkte. Die auf eine Integration stigmatisierter Randgruppen Israels in die Gottesherrschaft abzielenden Mahlgemeinschaften Jesu mit Zöllnern und Sündern, die als unrein galten und es mit der Verzehntung der aufgetischten Speisen nicht allzu genau nahmen, mussten bei den Pharisäern, die aus Sorge vor Gesetzesverstößen nach Möglichkeit nur mit Mitgliedern ihrer eigenen Gemeinschaft Mahl hielten, auf Unverständnis und Ablehnung stoßen. Im Gegensatz zur Lehre der Pharisäer wird in der Ethik Jesu, die durch eine Entschärfung des Ritualgesetzes bei gleichzeitiger Radikalisierung des Liebesgebotes gekennzeichnet ist, die sittliche Reinheit programmatisch einer Beachtung kultischer Reinheitsvorschriften übergeordnet (Mk 7,15). Weiteres Konfliktpotenzial barg die Sabbatthematik in sich. Indem Jesus im Zweifelsfall dem Wohlergehen des Menschen Vorrang gegenüber einer strikten Einhaltung des Sabbat einräumte (Mk 2,27), geriet er in Auseinandersetzung mit der pharisäischen Halacha, derzufolge nur Lebensgefahr einen Bruch der Sabbatruhe rechtfertigte. Zur sachgemäßen Einordnung dieser Konflikte ist allerdings zu berücksichtigen, dass Sadduzäer wie Essener das Sabbatgebot strenger als die Pharisäer auslegten und Jesu Verhalten wahrscheinlich noch entschiedener verurteilten. Innerhalb der Jerusalemer Urgemeinde gerieten die Hellenisten um Stephanus wegen ihrer partiellen Kritik gegenüber Tempel und Tora (Apg 6, 13–14) in Konflikt mit den Pharisäern. Dies führte zur Steinigung des Stephanus und zur Verfolgung seiner Anhänger, an der sich der Pharisäer Paulus bis zu seinem Damaskuserlebnis aktiv beteiligte. Unter den toratreuen Hebräern der Urgemeinde gab es eine namhafte Gruppe ehemaliger Pharisäer, die auch im Glauben an Jesus als den Messias Eiferer für das Gesetz blieben und maßgebliche Träger des frühchristlichen Antipaulinismus waren (Apg 15,5; 21,21). Solange das Judenchristentum an der Tora festhielt, gestaltete sich das Verhältnis zu den Pharisäern über weite Strecken positiv. Erst in der Zeit nach der Tempelzerstörung kam es innerhalb des Prozesses der maßgeblich von den Pharisäern bestimmten Neuformierung des Judentums zunehmend zu Konflikten und Ausgrenzungstendenzen.
Jesus und die Pharisäer
3.2 Das Königtum der Hasmonäer (104–63 v. Chr.) Mit dem Tod von Johannes Hyrkan begann eine neue Epoche der Hasmonäerherrschaft, da die Priesterfürsten nun den Königstitel trugen. Damit war die Angleichung der Hasmonäerdynastie an hellenistische Königshäuser auch formal vollzogen, was die Distanz der Chassidim zur Hasmonäerherrschaft und die Kritik an der Personalunion von politischer Führung und Hohepriesteramt weiter anwachsen ließ. Johannes Hyrkan hatte testamentarisch seine Gemahlin als Regierungsnachfolgerin bestimmt. Sein ältester Sohn Aristobul, der sich nicht mit dem Hohepriesteramt begnügen wollte, ließ daraufhin seine Mutter im Gefängnis verhungern und übernahm selbst die Macht. Der politische Mord an Ver-
Aristobul I.
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Das Hasmonäerreich
Alexander Jannai
Konflikte mit den Pharisäern
wandten, wie er in den hellenistischen Nachbarreichen Syriens und Ägyptens zur Sicherung der Herrschaftsansprüche längst gang und gäbe war, begann nun auch am Jerusalemer Hof salonfähig zu werden und sollte später unter Herodes dem Großen seinen Höhepunkt erreichen. Mit Ausnahme des Antigonos, der aber bald einer Hofintrige zum Opfer fiel, ließ Aristobul I. auch all seine Brüder einkerkern. Außer der Tatsache, dass Aristobul nach dem Vorbild hellenistischer Herrscher die der eigenen Macht gefährlich erscheinenden Familienmitglieder ausschaltete und sich als erster Hasmonäer den Königstitel zulegte, ist aus seiner kurzen Regierungszeit die Expansion des Herrschaftsgebietes nach Norden von Bedeutung. Während die Hasmonäer vor ihm ihren Einfluss bis nach Samaria ausdehnen konnten, eroberte Aristobul einen Teil des Gebietes der Ituräer. Vermutlich handelte es sich dabei um Galiläa, das nach der Zerstörung des Nordreiches durch die Assyrer als „Galiläa der Heiden“ (Jes 8,23) galt und dessen jüdische Minderheit unter dem Makkabäer Simon nach Judäa umgesiedelt worden war. Auch in Galiläa wurde die überwiegend heidnische Bevölkerung zur Übernahme des jüdischen Glaubens gezwungen. Als Aristobul 103 v. Chr. nach nur einjähriger Herrschaft an einer schweren Krankheit starb, veranlasste seine Witwe Alexandra Salome die Befreiung seiner drei inhaftierten Brüder aus dem Gefängnis. Den ältesten davon, nämlich Alexander Jannai, setzte sie zum König ein und vermählte sich mit ihm. Vorbilder für solch eine Schwagerehe im Rahmen der Thronsukzession gab es in hellenistischen Dynastien, beispielsweise im Attalidenreich. Alexander Jannais nahezu dreißig Jahre währende Herrschaft (103–76) ist nach außen durch militärische Vorstöße zur Erweiterung der Gebietsgrenzen gekennzeichnet, während im Inneren über einen langen Zeitraum politische Unruhen und ein blutiger Bürgerkrieg herrschten. Alexander Jannai war der erste Hasmonäer, der Münzen mit dem Königstitel prägen ließ. Bei ihren Münzprägungen knüpften die Hasmonäer mit Bildmotiven wie dem Füllhorn, dem Lorbeerkranz oder dem Anker einerseits bewusst an Vorbilder des zerfallenden Seleukidenreichs an und stellten sich in die Tradition hellenistischer Herrscher, propagierten aber andererseits durch hebräische Münzlegenden und den Verzicht auf Herrscherporträts oder anthropomorphe Götterbilder eine Sonderstellung des jüdischen Königreichs in der hellenistischen Staatenwelt. Der Beginn von Alexander Jannais Königtum ist von schweren kriegerischen Auseinandersetzungen mit Ptolemaios IX. Soter gekennzeichnet, der von seiner Mutter Kleopatra III. aus der ägyptischen Herrschaft herausgedrängt worden war und auf Zypern residierte. Als Alexander Jannai die Stadt Ptolemais angriff, wandte diese sich mit einem Hilfegesuch an Ptolemaios IX., der weite Teile des jüdischen Territoriums unter Kontrolle brachte und erst mit Hilfe von Kleopatra III. zurückgedrängt werden konnte. Nach Abschluss eines Bündnisvertrages mit der judenfreundlichen ägyptischen Königin, in deren Heer zwei Söhne des Hohenpriesters Onias IV. als hochrangige Offiziere dienten, folgte eine Reihe wichtiger Eroberungen. Im Ostjordanland nahm Alexander Jannai Gadara und die Festung Amathus ein. An der Mittelmeerküste wurden die alten Philisterstädte Raphia, Anthedon und Gaza mit brutaler Gewalt unterworfen. Innenpolitisch entstand ein schwerer Konflikt mit den Pharisäern, die im Volk immer größere Sympathien genossen. Im Mittelpunkt stand wiederum
Exkurs: Die Nabatäer
die Kritik der Frommen daran, wie die Hasmonäer weltliche und geistliche Herrschaft vermischten. Bezeichnenderweise kam es während der Ausübung des hohenpriesterlichen Dienstes zum offenen Protest gegen Alexander Jannai. Am Laubhüttenfest, wo alle Feiernden einen Feststrauß mit Zitrusfrucht tragen, wurde er beim Opferdienst vom versammelten Volk mit Zitronen beworfen und durch Sprechchöre verhöhnt. Im Gegenzug ließ er durch seine Söldnertruppen ein Blutbad anrichten. Ab diesem Zeitpunkt war Alexander Jannai im eigenen Volk derart verhasst, dass man ihn selbst unter Inanspruchnahme von Fremdmächten zu beseitigen suchte. Der Zeitpunkt dafür schien gekommen, als Alexander Jannai sich nach einer empfindlichen Niederlage gegen den Nabatäerkönig Obodas I. mit letzter Kraft nach Jerusalem flüchten konnte. Die Pharisäer nutzten diese Situation, um einen offenen Aufstand gegen ihn in Gang zu setzten.
Exkurs: Die Nabatäer Die Nabatäer waren die östlichen Nachbarn der Juden. Es handelt sich um einen ursprünglich wohl aus Mesopotamien kommenden Beduinenstamm, der im 7. Jh. v. Chr. in das Gebiet des heutigen Jordanien einwanderte, dort das Erbe der Edomiter antrat und allmählich sesshaft wurde. Die Metropole des Nabatäerreichs, das im Zeitalter der Diadochenstaaten nach Alexanders Tod entstand, war die Felsenstadt Petra. Das Territorium der Nabatäer nahm aufgrund seiner bedeutsamen geographischen Lage eine Schlüsselstellung für Handel und Wirtschaft im Vorderen Orient ein. Es wurde von wichtigen Karawanenstraßen durchkreuzt, wo auf den Transport von Luxusgütern wie Myrrhe und Weihrauch hohe Zölle erhoben wurden. Westlich erstreckte es sich bis zum Toten Meer mit seinem lukrativen Bitumenabbau. Die erste sichere Erwähnung des nabatäischen Königtums findet sich im zweiten Makkabäerbuch im Zusammenhang mit der Nachricht, dass der aus dem Amt gedrängte Hohepriester Jason nach seinem gescheiterten Aufstandsversuch ins Ostjordanland flüchtete, um bei dem Nabatäerkönig Aretas I. Schutz zu suchen (2Makk 5,8). Als im Zuge des Machtvakuums im Osten, das durch den schleichenden Niedergang des Ptolemäer- und des Seleukidenreichs eintrat, sowohl der Hasmonäerstaat als auch das Nabatäerreich ihr Territorium ausweiteten, kam es mehrfach zu militärischen Konflikten. Alexander Jannai musste sich bei seinen transjordanischen Expansionsbestrebungen von Obodas I. und später auch von Aretas III. in die Schranken weisen lassen. Von Antipater, dem mit einer Nabatäerin verheirateten Vater des Herodes, ließ sich Aretas III. in die Thronstreitigkeiten nach dem Tod der Hasmonäerkönigin Salome (67 v. Chr.) verstricken und belagerte Jerusalem, bis er von den Römern zum Abzug gezwungen wurde. Infolge der Neuordnung des Ostens durch Pompeius geriet das Nabatäerreich zwar in den Sog der römischen Macht, konnte sich aber als eigenständiges Königtum behaupten und wurde erst im 2. Jh. n. Chr. unter Kaiser Traian in die römische Provinz Arabia umgewandelt. Der bedeutsamste Nabatäerkönig war Aretas IV., der bis zu seinem Tod 40 n. Chr. nahezu fünfzig Jahre die Herrschaft innehatte und unter dem das Nabatäerreich die größte räumliche Ausdehnung erreichte. Seine Tochter war mit Herodes Antipas verheiratet, bis dieser die Nabatäerprinzessin verstieß und dadurch eine kriegerische Aus-
Nabatäerreich
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Das Hasmonäerreich
Religiöse Anschauungen der Nabatäer
Massenkreuzigung durch Alexander Jannai
Alexandra Salome
einandersetzung mit den Nabatäern heraufbeschwor, die letztlich sein politisches Ende einleitete. Die polytheistische Religion der Nabatäer mit ihren astralen Zügen ist von edomitischen, syrischen und ägyptischen Elementen beeinflusst und durch die Verehrung von Dusara als männlicher Hauptgottheit gekennzeichnet. Unter den weiblichen Gottheiten kommt Allat und Aluzza eine Ausnahmestellung zu. Der Apostel Paulus begab sich in den weitgehend unbekannten Jahren nach seiner Berufung in die Arabia (Gal 1,17) und zog sich dabei offenkundig mit missionarischen Aktivitäten den Unwillen der Nabatäer zu. Daher trachtete ihm später in Damaskus der dortige Ethnarch von Aretas IV. nach dem Leben (2Kor 11,32). Es folgte ein sechs Jahre währender Bürgerkrieg, bei dem Zehntausende ihr Leben ließen. Die Pharisäer riefen zur Unterstützung sogar den Seleukidenkönig Demetrios III. ins Land, was der Nahum-Kommentar aus Qumran kritisiert (4QpNah I,2). Gemeinsam mit dem syrischen Heer fügten die aufständischen Juden Alexander Jannai bei Sichem eine vernichtende Niederlage bei. Nach diesen Entwicklungen setzte sich allerdings die Überzeugung durch, dass es besser sei, in einem souveränen jüdischen Staat von einem verhassten Hasmonäer regiert zu werden, als erneut unter syrische Fremdherrschaft zu geraten. Zahlreiche Juden liefen zu Alexander Jannai über und zwangen Demetrios III. zum Rückzug. Alexander Jannai gelang die Rückeroberung Jerusalems. Dort ließ er während eines Trinkgelages mit seinen Konkubinen achthundert aufständische Juden kreuzigen und, während sie noch lebend am Kreuz hingen, vor den Augen der Hingerichteten ihre Frauen und Kinder abschlachten. Dieses grausame Spektakel ist der einzige bekannte Fall, dass die Kreuzesstrafe jemals von Juden angewendet wurde. Während die Makkabäer sich einst gegen Zwang und Verfolgung erhoben hatten, war der Urenkel des Mattathias selbst ein Despot geworden, der sich nur noch mit blutigem Terror behaupten konnte. Nachdem Alexander Jannai seine innenpolitischen Gegner vernichtet oder außer Landes getrieben hatte, nutzte er die letzte Phase seiner Herrschaft zu weiteren Eroberungsfeldzügen im Ostjordanland. Obwohl er im eigenen Volk verhasst war wie kein Hasmonäer vor ihm und auf erbitterten innenpolitischen Widerstand stieß, herrschte er am Ende über ein Gebiet, das in seiner Ausdehnung nahezu dem Großreich Davids und Salomos entsprach. Im Jahr 76 v. Chr. starb Alexander Jannai an den Folgen seiner Trunksucht. Nach dem Tod von Alexander Jannai gelang es Alexandra Salome (76–67), sich gegen ihre beiden Söhne als Thronerbin zu behaupten. Neben Atalja (2Kön 11) handelt es sich um die einzige allein regierende Königin in der jüdischen Geschichte. Hyrkan II., der älteste Sohn, wurde zum Hohenpriester eingesetzt. Das Fundament der neuen Ordnung bestand somit in der Trennung von politischer Herrschaft und Hohepriestertum, wie sie von den Frommen seit langem gefordert und bereits von Johannes Hyrkan testamentarisch verfügt worden war, ohne von dessen Witwe durchgesetzt werden zu können. Die beiden Grundpfeiler des Hasmonäerstaates wurden dadurch wieder ins Gleichgewicht gebracht. Es handelte sich um eine Verfassungsreform von großer Tragweite, die Ausdruck der von Alexandra Salome betrie-
Das Königtum der Hasmonäer
benen Politik der Konsolidierung und des Ausgleichs ist. Nach der bewegten Herrschaft des Alexander Jannai trat nun eine Zeit des inneren Friedens und der wirtschaftlichen Prosperität ein. Zur Stabilisierung der Macht vollzog Alexandra Salome einen engen Schulterschluss mit den Pharisäern. Josephus übertreibt allerdings maßlos, wenn er die Pharisäer zu den eigentlichen Herrschern im Land macht und die Königin als deren Marionette stilisiert, die nur außenpolitisch eigenständige Entscheidungen traf. Allerdings erwirkten die Pharisäer die Hinrichtung jener Ratgeber Alexander Jannais, die für die Massenkreuzigung achthundert Aufständischer verantwortlich gewesen waren. Im Gegenzug formierte sich eine oppositionelle Protestbewegung mit Aristobul II., dem ehrgeizigen und machthungrigen jüngeren Bruder von Hyrkan II., an der Spitze. Er intervenierte bei Alexandra Salome gegen das Vorgehen der Pharisäer und stoppte die Hinrichtungswelle. Im Zuge dieses Konfliktes musste Alexandra Salome der Opposition einige Festungen im Lande überlassen. Noch zu Lebzeiten seiner Mutter bereitete Aristobul II. die Usurpation des Thrones vor und rekrutierte ein eigenes Söldnerheer. Außenpolitisch geriet das Hasmonäerreich, das seinen Zenit überschritten hatte, an den Nordgrenzen unter Druck. Der König Tigranes von Armenien hatte 83 v. Chr. den östlichen Teil des zerbröckelnden Seleukidenreichs besetzt und bald seine Herrschaft bis nach Syrien ausgedehnt. Er konnte von Alexandra Salome nur durch Geschenke, die faktisch einer Tributzahlung gleichkamen, an der Ausweitung seiner Expansionsbestrebungen auf das Hasmonäerreich gehindert werden. Die Auseinandersetzungen innerhalb der Dynastie erwiesen sich als schwere Belastung für das hasmonäische Königtum und läuteten dessen Untergang ein. Das Hasmonäerreich teilte das Schicksal anderer späthellenistischer Monarchien, in denen dynastische Konflikte zur treibenden Kraft des Verfalls und der Desintegration wurden. Unmittelbar nach dem Tod von Alexandra Salome 67 v. Chr. begann der blutige Bruderkrieg zwischen Hyrkan II. und Aristobul II. um die Herrschaft. In der Nähe von Jericho erlitt Hyrkan II. eine schwere Niederlage. Die anschließende Friedensvereinbarung verpflichtete ihn zum Rückzug ins Privatleben, während Aristobul II. als Hoherpriester und König die Herrschaft antrat. In dieser Situation betrat der Idumäer Antipater die Bühne der jüdischen Geschichte. Sein gleichnamiger Vater hatte unter Alexander Jannai als Statthalter über Idumäa amtiert. Er selber war mit einer Nabatäerin namens Kypros verheiratet. Aus dieser Ehe ging Herodes der Große hervor. Antipater baute sich als starker Mann hinter dem politisch nicht sonderlich ehrgeizigen Hyrkan II. auf. Er vermochte ihn von Mordplänen Aristobuls II. zu überzeugen und versprach, ihn auf den Thron zurückzuführen. Dazu begab er sich nach Petra und schloss ein militärisches Bündnis mit dem Nabatäerkönig Aretas III., indem er diesem als Gegenleistung für seine Dienste zwölf von Alexander Jannai eroberte Städte im Ostjordanland versprach. Aretas zog darauf mit seiner Streitmacht gegen Aristobul II. und besiegte ihn. Danach belagerten die Nabatäer gemeinsam mit den zu Hyrkan II. übergelaufenen Truppen den Jerusalemer Tempel, wohin Aristobul II. geflüchtet war. Dabei fand Choni der Kreiszieher, der durch ein Regenwunder berühmt geworden war, durch Gefolgsleute von Hyrkan II. den Tod. Unter Bezugnahme auf seine im legendären Regenwunder erwiesenen magischen Fähigkeiten verlangten sie, dass
Bruderkrieg zwischen Hyrkan II. und Aristobul II.
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Das Hasmonäerreich
Hilfegesuch an Pompeius
er einen Schadenszauber gegen Aristobul II. richte. Choni weigerte sich und wurde daraufhin gesteinigt. Die Belagerung Jerusalems durch die Nabatäer endete damit, dass der eingeschlossene Aristobul II. ein Hilfegesuch an die Römer richtete. Pompeius war zu jener Zeit vom Senat mit der Befriedung des Ostens betraut und in kriegerische Auseinandersetzungen im nördlichen Kleinasien verstrickt. Seinen Feldherrn Scaurus hatte er bereits vorausgesandt und mit der Besetzung Syriens beauftragt. Sowohl Aristobul II. als auch Hyrkan II. boten Scaurus vierhundert Talente für die römische Unterstützung an. Die Entscheidung fiel zunächst zu Gunsten von Aristobul. Scaurus befreite ihn von der Belagerung, indem er dem Nabatäerkönig Aretas III. androhte, er werde zum Feind der Römer erklärt, wenn er nicht unverzüglich aus Jerusalem abziehe. Der Kampf um den Hasmonäerthron war damit wieder offen. Die endgültige Entscheidung blieb Pompeius vorbehalten. Letztlich waren es die zerstrittenen Brüder Aristobul II. und Hyrkan II., die den Römern den formalen Anlass zum Eingreifen in die inneren Angelegenheiten des Hasmonäerreiches gaben. Sie unterlagen der gravierenden Fehleinschätzung, dass die Römer keine Herrschaftsabsichten in der Region verfolgten, und waren sich nicht darüber im Klaren, wie weit die römische Einmischung gehen sollte. Das durch den schleichenden Niedergang des Seleukiden- und des Ptolemäerreichs entstandene Machtvakuum im östlichen Mittelmeerraum, dem der Hasmonäerstaat seine Entstehung verdankte, begann sich zu schließen. Am Ende stand der Einmarsch des Pompeius nach Jerusalem, mit dem die Zeit der römischen Fremdherrschaft über Palästina beginnt.
4. Das römisch-herodianische Zeitalter (63–4 v. Chr.) 63 v. Chr. 63–40 v. Chr. 60 v. Chr. 44 v. Chr. 43 v. Chr.
Besetzung Palästinas durch Pompeius Hyrkan II. Hoherpriester, später auch Ethnarch Erstes Triumvirat (Pompeius, Crassus, Caesar) Ermordung von Julius Caesar Zweites Triumvirat (Marcus Antonius, Octavian, Lepidus) 40–37 v. Chr. König Antigonos 37–4 v. Chr. König Herodes der Große 31 v. Chr. Seeschlacht von Actium 30 v. Chr. Ende von Kleopatra und Marcus Antonius 30 v. Chr.–14 n. Chr. Kaiser Augustus (bis 27 v. Chr. Octavian) ca. 4 v. Chr. Geburt Jesu
4.1 Die Besetzung Palästinas durch Pompeius Die neuen politischen Konstellationen in Palästina und das damit verbundene Ende des Hasmonäerreiches waren die Folge der stetigen Ausweitung der römischen Herrschaft in den Osten. Die Entstehung des Römischen Reiches verdankte sich nicht planvoller Eroberungspolitik, sondern war das Ergebnis eines dynamischen Prozesses mit sich verändernden Zielsetzungen römischer Politik. Nachdem Rom im zweiten Punischen Krieg (218–201) mit Karthago seinen gefährlichsten Gegner im Westen niedergerungen hatte, richtete sich das politische und militärische Engagement zunehmend auf den Osten. Rom ließ sich bereitwillig in das Kräftespiel der hellenistischen Mächte hineinziehen, um seinen Einfluss systematisch auszudehnen. Nachdem der Makedonenkönig Philipp V. mit seinen Expansionsbestrebungen ein Hilfegesuch von Pergamon und Rhodos an den römischen Senat heraufbeschworen hatte, wurde ihm 197 v. Chr. von Quinctius Flamininus eine vernichtende Niederlage zugefügt. Als Philipps Sohn Perseus drei Jahrzehnte später erneut den Versuch unternahm, die Position und das Ansehen des Antigonidenreiches wiederherzustellen, wurde die makedonische Monarchie endgültig zerschlagen. Im Kampf gegen Antiochos III. überschritt das römische Heer 190 v. Chr. erstmals den Hellespont, weitete den Einfluss Roms auf Kleinasien aus und erhöhte den Druck auf das Seleukidenreich. Die in Griechenland und Kleinasien bestehenden Herrschaftsstrukturen blieben zunächst unangetastet. Rom verzichtete auf die Einrichtung von Provinzen, setzte auf Klientelkönigtümer und präsentierte sich als Garant für die Freiheit der Griechen. Der dritte Punische Krieg (149–146) mit der Zerstörung Karthagos und der Sieg über das Heer des Achäischen Bundes (146) machten Rom zur Hegemonialmacht im gesamten Mittelmeerraum und markierten einen Richtungswechsel. Rom beschränkte sich nicht mehr auf eine patronale Machtpolitik, sondern ging zur Ausübung direkter Herrschaft über. Mit Einrichtung der Provinzen Macedonia und Africa erfuhr das den Römern unmittelbar unterstehende Territorium eine beträchtliche Erweiterung. Als
Rom als Hegemonialmacht im Osten
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Das römisch-herodianische Zeitalter
Neuordnung des Ostens durch Pompeius
133 v. Chr. nach dem Tod des letzten Attaliden das Königreich von Pergamon durch testamentarische Überschreibung an Rom fiel, verleibte Rom es sich als Provinz Asia ein und untermauerte seine Vormachtstellung im westlichen Kleinasien. Ein erster militärischer Schlag Roms gegen das Seeräuberunwesen vor der südlichen Küste Kleinasiens zog 101 v. Chr. die Entstehung der römischen Provinz Kilikien nach sich. Für das Ptolemäerreich und das Seleukidenreich wurde es unter dem Druck Roms zunehmend schwerer, eigenen politischen Handlungsspielraum zu bewahren. Der hellenistische Osten stellte allerdings einen ständigen Unruheherd im Imperium dar. Der Widerstand gegen das zunehmende Übergewicht Roms entlud sich ab dem späten 2. Jh. v. Chr. vor allem in Kleinasien in einer wachsenden Zahl von Aufständen oder Kriegen gegen die neue Hegemonialmacht. Im Jahr 88 v. Chr. bemächtigte sich Mithradates von Pontus der Provinz Asia und ließ alle dort ansässigen Römer ermorden, konnte aber von Sulla zurückgedrängt werden. Durch Pompeius kam es zu einer Befriedung und völligen Neuordnung des Ostens, von der auch das Hasmonäerreich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Mithradates begehrte 74 v. Chr. ein weiteres Mal gegen Rom auf und erhob Ansprüche auf das testamentarisch an Rom gefallene Königreich Bithynien. Die Steuerpachtgesellschaften sahen dadurch ihre wirtschaftlichen Interessen in der Provinz Asia gefährdet. Gleichzeitig hatte das Seeräuberunwesen im östlichen Mittelmeerraum derartige Dimensionen angenommen, dass dem Handel Roms immenser Schaden entstand und die Getreideversorgung Italiens gefährdet war. In dieser Situation wurde Pompeius 67 v. Chr. vom Senat mit der Bekämpfung der Piraten betraut, die von den Küsten Kretas und Kilikiens aus operierten. Nachdem Pompeius seine Aufgabe binnen kürzester Zeit mit Bravour gelöst hatte, erfolgte eine Ausdehnung der Befehlsgewalt auf den Krieg gegen Mithradates von Pontus und dessen Schwiegersohn Tigranes von Armenien. Pompeius wurde aufgrund der wirtschaftlichen Interessen Roms in Kleinasien zu diesem Zweck vom Senat mit immensen Machtbefugnissen ausgestattet. In der neuen Aufgabe sah Pompeius die willkommene Gelegenheit, seinem Vorbild Alexander dem Großen nachzueifern und Roms Herrschaft im Osten territorial beträchtlich zu erweitern. Den wichtigsten Teil seines Kommandos erfüllte er schnell, indem er Mithradates in die Flucht schlug und Tigranes, dessen Herrschaftsgebiet sich zeitweise bis nach Syrien und Phönizien erstreckte, zur Kapitulation zwang. Während Pompeius weiter nach Asien eindrang, betraute er seinen Feldherrn Scaurus mit der Eroberung Syriens. Im Zuge der Neuordnung der Rom unterworfenen Gebiete kam es zu einer Erweiterung der bereits bestehenden Provinz Kilikien und zur Einrichtung der Doppelprovinz Pontus und Bithynien. Im Jahr 64 v. Chr. begab sich Pompeius nach Damaskus, um das nach dem Untergang des Seleukidenreiches zwischenzeitlich von Tigranes kontrollierte Syrien als römische Provinz neu zu organisieren. Dabei geriet auch das Hasmonäerreich in den Strudel der römischen Eroberungen im Osten. In Damaskus machten drei jüdische Delegationen Pompeius den Hof. Hyrkan II. klagte seinen Bruder Aristobul II. an, er habe ihn unrechtmäßig der Herrschaft beraubt, sei ein Feind der den Römern treu ergebenen hellenistischen Städte und begünstige das Seeräuberwesen vor der Küste Palästinas. Aristobul II., der vorher bereits Scaurus durch Geldgeschenke auf seine
Besetzung Palästinas durch Pompeius
Seite gezogen hatte, hielt dagegen, er habe seinen Bruder Hyrkan II. von der Herrschaft ausgeschlossen, weil der zu träge sei und sich kein Ansehen zu verschaffen wisse. Beide Brüder konnten zur Untermauerung ihrer Behauptungen mit einer großen Zahl von Zeugen aufwarten. Eine Abordnung aus dem jüdischen Volk schließlich forderte eine Beseitigung des hasmonäischen Königtums und die Errichtung einer Priesterherrschaft im Sinne einer Wiederherstellung der theokratischen Verfassung. Sie betrachtete das hasmonäische Königtum als Versklavung der Bevölkerung, wobei auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle gespielt haben werden, da die hasmonäische Expansionspolitik wohl durch wachsende Besteuerung finanziert wurde. Pompeius verpflichtete alle drei Delegationen zur Ruhe, da er erst nach seinem Nabatäerfeldzug eine Entscheidung fällen und die Dinge in Jerusalem ordnen wollte. Aristobul II. geriet in dieser Situation in den Verdacht, sich insgeheim zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Römern zu rüsten. Pompeius belagerte ihn daraufhin in Alexandreion und zwang ihn zur Übergabe aller in seiner Hand befindlichen Festungen. Aristobul ergriff die Flucht, unterbreitete Pompeius dann aber in Jericho ein Friedensangebot, das den Römern den ungehinderten Einzug in Jerusalem zusicherte. Als dem Feldherrn Gabinius entgegen dieser Zusage die Tore nicht geöffnet wurden, veranlasste Pompeius die Verhaftung Aristobuls und rückte gewaltsam gegen die Stadt vor. Während Hyrkans Gefolgsleute Pompeius bereitwillig Einlass gewährten, verschanzten sich die Anhänger Aristobuls auf dem Tempelberg. Pompeius schaffte schweres Belagerungsgerät aus Tyros heran und begann, die Tempelbefestigung mit Steinschleudern zu zermürben. Nach dreimonatiger Belagerung gelang ihm am Versöhnungstag des Jahres 63 v. Chr. die Eroberung des Tempels. Die Anhänger Aristobuls, die sich dort verschanzt hatten, wurden teils von den Römern selber, teils von den Leuten Hyrkans niedergemetzelt. Zudem starben zahlreiche Priester, die unbeeindruckt von allen Kampfhandlungen den Kultdienst fortsetzten. Pompeius drang mit einem Teil seiner Offiziere in das Allerheiligste des Tempels ein. Auch wenn er den Tempelschatz unangetastet ließ, handelte es sich um ein Sakrileg, dessen Schrecken sich in den wahrscheinlich aus pharisäischen Kreisen stammenden Psalmen Salomos mit ihrer Anspielung auf den Fall Jerusalems widerspiegeln (PsSal 2). Hyrkan II., dessen Anhänger Pompeius den Einmarsch in Jerusalem ermöglicht hatten, wurde zum Hohenpriester und Ethnarchen eingesetzt, während Aristobul II. mit seinen Söhnen Alexander und Antigonos als Kriegsgefangener den Weg nach Rom antrat. Dort war er 61 v. Chr. beim öffentlichen Triumphzug zu Ehren des Pompeius eine der Attraktionen. Alexander konnte allerdings auf dem Weg nach Rom entkommen und sorgte bald für Unruhe in Palästina. Die Eroberung Jerusalems durch Pompeius markiert den Beginn der römischen Herrschaft über Palästina und das Ende des hasmonäischen Königtums, auch wenn Antigonos zwei Jahrzehnte später nochmals für kurze Zeit eine Restitution der alten Verhältnisse gelang. Die Rechtsbeziehung zwischen Rom und Judäa veränderte sich von einem Freundschafts- zu einem Vasallenverhältnis. Vordringliches Ziel des Pompeius war es, die Region zu befrieden und in die römische Herrschaft einzugliedern. Judäa wurde dabei weder in eine eigenständige Provinz umgewandelt noch unmittelbar der
Eroberung Jerusalems
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Das römisch-herodianische Zeitalter
Provinzialverwaltung Syriens unterstellt, sondern als ein von Hyrkan II. und Antipater unter römischer Aufsicht regierter Klientelstaat organisiert. Politisch fiel das Hasmonäerreich damit zunächst in jene Bedeutungslosigkeit zurück, die das jüdische Staatsgebilde einst unter persischer, ptolemäischer und seleukidischer Fremdherrschaft innegehabt hatte. Auch in territorialer Hinsicht erfolgten empfindliche Einschnitte. Samaria wurde vom jüdischen Staatsgebiet abgetrennt. Die von den Hasmonäern eroberten Städte an der Mittelmeerküste gewannen ihre Autonomie zurück. Die hellenistischen Städte im Ostjordanland und Skythopolis westlich des Jordans schlossen sich zum selbstständigen Städtebund der Dekapolis zusammen. Dass der jüdische Staat mit der Küstenregion und den hellenistischen Städten im Landesinneren seine am stärksten urbanisierten Gebiete verlor, hatte eine massive Schwächung von Handel und Wirtschaft zur Folge. Das auf Judäa, Galiläa, Peräa und Idumäa – also jene Gebiete, deren Bewohner sich am Jerusalemer Tempelkult beteiligten – reduzierte Staatsgebilde war als tributpflichtiges Territorium der indirekten Herrschaft Roms unterstellt. Mit der Eintreibung der Steuern, über deren Höhe nichts bekannt ist, wurden wohl wie in Kleinasien und Syrien private Pachtgesellschaften betraut. Möglicherweise fiel diese Aufgabe aber auch Hyrkan II. oder Antipater zu.
4.2 Die Herrschaft Hyrkans II. und der Aufstieg des Herodes
Krise der Republik und Erstes Triumvirat
Die Herrschaft Hyrkans II. (63–40) als Hoherpriester und Ethnarch stand ganz im Zeichen der Machtkämpfe in Rom, von denen auch Palästina unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen wurde. Durch geschicktes politisches Taktieren gelang es Hyrkan und Antipater, bei allen Veränderungen in Rom die eigene Machtposition zu sichern und trotz einzelner Rückschläge stetig auszubauen. Nachdem Pompeius mit der Einrichtung dreier neuer Provinzen den Osten des Reiches neu geordnet und die Staatseinnahmen immens gesteigert hatte, ließ er Scaurus als Statthalter von Syrien zurück und begab sich nach Rom, wo er einen grandiosen Triumphzug feiern konnte. Der republikanische Staat befand sich seit langem in einer tiefen Krise. Innere Kämpfe zwischen Popularen, die gestützt auf die Volksversammlung der Senatsmehrheit ihren politischen Willen aufzwingen wollten, und Optimaten, die mit allen Mitteln die Vorrangstellung des Senats aufrecht zu erhalten suchten, drohten die Republik zu zerreißen. Hinzu kamen soziale Spannungen, wie sie sich im großen Sklavenaufstand unter Spartacus (73–71) und in den Umsturzplänen des Catilina (63) entladen hatten. Pompeius hatte sich den in Bedrängnis geratenen Optimaten lange Zeit als unentbehrlich erwiesen, mit seinen Erfolgen im Osten aber auch Neider und Gegner im Senat auf den Plan gerufen. Trotz seiner überwältigenden militärischen Triumphe gelang es ihm nicht, im Senat die pauschale Bestätigung seiner administrativen Neuordnung des Ostens und ein dringend notwendiges Landverteilungsprogramm für die entlassenen Kriegsveteranen durchzusetzen. Ähnlich erfolglos hatte sich zu jener Zeit Crassus im Senat um nachträgliche Vergünstigungen für die Pächter der kleinasiatischen Steuern bemüht. In dieser Situation ergriff
Herrschaft Hyrkans II. und Aufstieg des Herodes
Julius Caesar die Gelegenheit, durch ein Bündnis mit Pompeius und Crassus den eigenen politischen Aufstieg zu beschleunigen. Es kam zum ersten Triumvirat, das den Untergang der Republik einläutete. Im Gegensatz zum späteren zweiten Triumvirat handelte sich nicht um ein offiziell mit Kompetenzen ausgestattetes Gremium, sondern um ein gezielt gegen den Senat gerichtetes Machtkartell, das der Durchsetzung der eigenen Interessen und Gesetzesentwürfe diente. In Palästina entlud sich die Unzufriedenheit prohasmonäischer Kreise mit den neuen politischen Verhältnissen in mehreren Erhebungen gegen die römische Herrschaft. Im Jahr 57 v. Chr. unternahm Alexander, der ältere Sohn von Aristobul II., einen Aufstand. Auslöser war der von den Römern vorangetriebene Wiederaufbau der durch die Hasmonäer zerstörten Griechenstädte in Palästina. Alexander rekrutierte eine Streitmacht von 10 000 Infanteristen und 1500 Reitern, die allerdings von dem syrischen Statthalter Gabinius mit Unterstützung Antipaters vernichtend geschlagen wurde. An den Kampfhandlungen war auch der spätere Triumvir Marcus Antonius in untergeordneter Stellung beteiligt. Als Folge der Erhebung kam es im ehemaligen Hasmonäerreich zu einer Verwaltungsreform mit Dezentralisierung der Macht. Das verbliebene Territorium wurde in fünf Distrikte mit den Hauptstädten Jerusalem, Gadara, Amathus, Jericho und Sepphoris eingeteilt, in denen die örtliche Aristokratie das Sagen hatte. Die Maßnahme zielte darauf ab, die wirtschaftliche und kulturelle Einheit des Landes zu zerbrechen, um die Durchführung der römischen Herrschaft zu erleichtern. Mit der Verlagerung der Macht auf die urbanen Eliten ging ein einschneidender Bedeutungsverlust für Hyrkan II. einher, dessen Einfluss sich nun auf Jerusalem und den Tempel beschränkte, womit die genuin hohepriesterlichen Aufgaben in den Mittelpunkt rückten. Bald darauf kam es erneut zu Unruhen, nachdem Aristobul II. mit seinem jüngeren Sohn Antigonos aus Rom hatte fliehen können und in Palästina die Macht an sich zu reißen versuchte. Auch dieser Aufstand wurde vereitelt und Aristobul II. als Gefangener nach Rom zurückgeführt. Als Crassus 55 v. Chr. vom Senat für einen Zeitraum von fünf Jahren die Provinz Syrien übertragen wurde, plante er, dieses Kommando durch einen Feldzug gegen die Parther zum persönlichen Ruhmgewinn zu nutzen. Zur Finanzierung des Unternehmens konfiszierte er den Jerusalemer Tempelschatz. Nachdem Crassus im Partherkrieg eine verheerende Niederlage erlitten hatte und zu Tode gekommen war, erhoben sich die Anhänger des inhaftierten Aristobul unter Führung eines gewissen Peitholaos abermals gegen die Römer. Der Aufstand wurde vom syrischen Quaestor Cassius, dem späteren Caesarmörder, mit erneuter Hilfe Antipaters niedergeschlagen. Die Republik trieb indessen unaufhaltsam der Katastrophe entgegen. Rom drohte im Chaos der Auseinandersetzungen zwischen Optimaten und Popularen zu versinken. Zur Eindämmung der Anarchie zeichnete sich eine Diktatur des Pompeius zur Neuordnung des Staates ab. Dies rief Caesar auf den Plan, der nach der Unterwerfung Galliens seinen Einfluss weiter hatte steigern können. Als vom Senat mit Billigung des Pompeius die Weichen für die einer Kaltstellung gleichkommende Abberufung Caesars von seinem gallischen Kommando gestellt wurden, vollzog dieser im Januar 49 die sprichwörtlich gewordene Überschreitung des Rubikon, des Grenzflusses zwi-
Unruhen in Palästina
Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius
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Das römisch-herodianische Zeitalter
Caesar in Alexandria
schen der von ihm verwalteten Provinz Cisalpina und Italien. Dies war der Auftakt des Bürgerkrieges, in dem die beiden verbliebenen Triumvirn nun um die Alleinherrschaft stritten. Pompeius, den Caesars Initiative völlig unvorbereitet traf, floh in Begleitung von zweihundert Senatoren über die Adria nach Griechenland und wollte von dort Italien zurückerobern. Daraufhin wurde in Rom Aristobul II. von Caesar freigelassen und mit zwei Legionen ausgestattet, um Judäa unter Kontrolle zu bringen und als Basis für die Eroberung der senatorischen Provinz Syrien auszubauen. Bevor es dazu kommen konnte, fiel Aristobul II. einem Giftanschlag von Sympathisanten des Pompeius zum Opfer. Sein Sohn Alexander wurde in Antiochia auf Befehl des Pompeius mit dem Beil enthauptet. Pompeius wurde in der Schlacht von Pharsalos vernichtend von Caesar geschlagen. Seine zahlenmäßig deutlich überlegenen Truppen lösten sich in wilder Flucht auf. Pompeius selber entkam nach Kleinasien und segelte von dort nach Alexandria, um Ägypten zur Basis für die Fortsetzung des Krieges zu machen. Das Land verfügte nach wie vor über reiche Ressourcen. Sein Herrscher war der erst dreizehnjährige Ptolemaios XIII. Nachdem er zunächst von seiner Schwester Kleopatra VII. aus der gemeinsamen Herrschaft herausgedrängt worden war, hatte er das Blatt wenden können und war vom pompeianischen Senat in Thessalonike als rechtmäßiger König Ägyptens anerkannt worden. Elf Jahre zuvor war Pompeius bereits maßgeblich daran beteiligt gewesen, dem aus Ägypten vertriebenen Ptolemaios XII. auf den Thron zurückzuverhelfen. Als ausgewiesener Patron der Dynastie konnte Pompeius in seiner bedrängten Situation mit Recht erwarten, dass die ptolemäische Regierung ihn weiterhin nach Kräften unterstützen wurde. Da sein Stern unwiderruflich am Sinken war, ließen ihn aber die Berater von Ptolemaios XIII. am 28. September 48 bei der Ankunft in Ägypten heimtückisch ermorden, um das Land aus dem römischen Bürgerkrieg herauszuhalten. Selbst Caesar, der Pompeius nach Ägypten verfolgt hatte, sollen die Tränen gekommen sein, als ihm der abgeschlagene Kopf des Rivalen als Beweis für die Untat überbracht wurde. Sofort nach dem Tod des Pompeius schwenkten Hyrkan II. und Antipater auf die Seite Caesars um. Dieser hatte in völliger Fehleinschätzung der Lage die Beseitigung seines Rivalen als Sympathieerweis für sich selbst interpretiert. In Wirklichkeit war die Ermordung des Pompeius von der ptolemäischen Regierung veranlasst worden, um Caesar keinen Grund für einen längeren Aufenthalt in Ägypten zu geben. Bereits die Tatsache, dass seine Truppen mit den Insignien römischer Staatsmacht das Territorium des formal immer noch souveränen Ptolemäerstaates betreten hatten, war als Akt römischer Anmaßung empfunden worden. Als Caesar auch noch immense Geldzahlungen einforderte, zu denen sich seinerzeit Ptolemaios XII. als Gegenleistung für seine Anerkennung durch den Senat verpflichtet hatte, schlug ihm vollends der Hass der alexandrinischen Bevölkerung entgegen. Zudem griff Caesar zu Gunsten der entmachteten Kleopatra in den Thronstreit der königlichen Geschwister ein. Damit verbunden ist das bekannte Liebesdrama um Caesar und Kleopatra, das in zahlreichen Werken der Weltliteratur Behandlung fand. Ptolemaios XII. hatte am Ende seines Lebens Kleopatra VII. zur Mitregentin erhoben, sie testamentarisch als Thronerbin eingesetzt und ihr aus traditionellen Gründen Ptolemaios XIII. als Brudergemahl zur Seite
Herrschaft Hyrkans II. und Aufstieg des Herodes
gestellt. Um den Fortbestand der Dynastie zu sichern, war Rom zum Testamentsvollstrecker bestimmt worden. Caesar ging es in Alexandria darum, in Roms Namen dem von Pompeius übergangenen Testament Rechtskraft zu verleihen. Im Geschwisterstreit um den Thron stand nicht nur die Mehrheit des ägyptischen Volkes, sondern auch das Militär auf der Seite von Ptolemaios XIII. Caesar, der die Interessen der unbeliebten Kleopatra vertrat, wurde in Alexandria von dem zwanzigtausend Mann umfassenden königlichen Heer eingeschlossen. Diese Kriegshandlungen trafen ihn völlig unvorbereitet. Die in aller Eile georderten Hilfstruppen des befreundeten Königs Mithradates von Pergamon wurden bei der Grenzfestung Pelusium am Einmarsch nach Ägypten gehindert und lagerten in Askalon. In dieser Situation rettete Antipater Caesar Kopf und Kragen und sicherte seinem eigenen Geschlecht eine strahlende Zukunft. Antipater verschaffte Caesar zunächst die militärische Rückendeckung des Nabatäerkönigs Malichos I. und der syrischen Klientelfürsten. Danach griff er selber mit dreitausend jüdischen Soldaten in den Kampf ein. Bei der Eroberung von Pelusium durchbrach Antipater als erster die Stadtmauer. Die Truppen des Mithradates von Pergamon waren nun in der Lage, ungehindert nach Ägypten einmarschieren. Da das Ptolemäerheer ihnen entgegeneilte, wurde Caesars Belagerungszustand in Alexandria aufgehoben. Zudem konnte Antipater mit Hilfe eines von Hyrkan II. ausgestellten Schreibens die ägyptischen Juden in der Gegend um Leontopolis dazu bewegen, auf die Seite Caesars umzuschwenken. Die Schlacht im Nildelta brachte die Entscheidung. Nachdem der von Mithradates befehligte Flügel der Hilfstruppen bereits von der ägyptischen Streitmacht in die Flucht geschlagen war, gelang es Antipater mit seinen jüdischen Soldaten, die siegreiche Wende herbeizuführen. Während Ptolemaios XIII. in den Kämpfen den Tod fand, wurde Kleopatra die Regierungsgewalt als von Rom abhängiger Königin übertragen. An Stelle des verstorbenen Ptolemaios XIII. trat dabei Ptolemaios XIV. als Brudergemahl an ihre Seite. Caesar verdankte seine Rettung in Alexandria den Juden und hat ihnen dies nie vergessen. Zum Dank für die existenzielle Hilfeleistung räumte er ihnen im gesamten Imperium eine Reihe bedeutsamer Privilegien ein, darunter das Recht der freien Religionsausübung und die Befreiung vom Militärdienst. Judäa kam in den Genuss von Steuerbefreiungen im Sabbatjahr. Auch Antipater und Hyrkan II. selber zogen aus ihrem Engagement zu Gunsten Caesars beträchtliche Vorteile. Bald nach dem Alexandrinischen Krieg sprach Antigonos, der jüngere Sohn von Aristobul II., in Syrien bei Caesar vor und bezichtigte Antipater wie Hyrkan, unrechtmäßig die eigentlich ihm zustehende Herrschaft in Judäa auszuüben. Obwohl sich sein Vater in Rom in den Dienst Caesars gestellt und dadurch den Tod gefunden hatte, fand Antigonos kein Gehör. Im Gegenteil wurde Antipater, der sein Gewand emporgehoben und Caesar die bei der Eroberung von Pelusium erlittenen Wunden gezeigt haben soll, zum Prokurator von Judäa eingesetzt und erhielt zudem die Erlaubnis, Jerusalem militärisch zu befestigen. Hyrkan II. gewann mit der Ernennung zum Ethnarchen über das Hohepriesteramt hinaus wieder an politischem Einfluss, auch wenn Antipater als Statthalter die eigentliche Macht in Händen hielt. Zudem wurden dem jüdischen Herrschaftsgebiet Joppe und weitere wichtige Städte eingegliedert. Antipater nutzte den neuer-
Gewährung von Privilegien an das Judentum
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Ermordung Caesars und Zweites Triumvirat
lichen Machtgewinn dazu, seine Söhne Phasael und Herodes mit wichtigen militärischen Positionen zu betrauen. Phasael wurde zum Strategen über Jerusalem eingesetzt, Herodes übte diese Funktion in Galiläa aus. Damit begann der Aufstieg des damals etwa fünfundzwanzigjährigen Herodes, der sogleich energisch gegen Aufrührer vorging, die unter Führung eines gewissen Hiskia im galiläisch-syrischen Grenzgebiet operierten und Vorläufer der zelotischen Bewegung darstellten. Es handelte sich um bäuerliche Outlaws, wie sie in Agrargesellschaften in Zeiten sozialer Destabilisierung und wirtschaftlicher Unterdrückung anzutreffen sind. Die Machtkonzentration in der Hand Antipaters und seiner Söhne führte zu Konflikten mit der jüdischen Aristokratie, die Herodes wegen der eigenmächtigen Hinrichtung des Hiskia und seiner Partisanen den Prozess vor dem Synhedrion machte. Die Aktivitäten des Herodes waren allerdings der Durchsetzung der römischen Interessen im Land dienlich. Daher intervenierte der syrische Statthalter Sextus Caesar und verhinderte nicht nur eine Verurteilung des Herodes, sondern betraute ihn auch mit der Militärgewalt über Koilesyrien und Samaria. In Rom hatten sich in der Zwischenzeit die Dinge erneut zugespitzt. Anfang 44 v. Chr. nahm Caesar das Angebot des Senats an, die ihm gewährte befristete Alleinherrschaft in eine Diktatur auf Lebenszeit umzuwandeln. Damit stellte er klar, dass er einen Schlussstrich unter die römische Republik gezogen hatte und die dauerhafte Monarchie anstrebte. Diese Aushöhlung der alten römischen Staatsidee ließ in republikanischen Kreisen des Senats den Plan einer Ermordung des Diktators entstehen, der von Brutus und Cassius in die Tat umgesetzt wurde. Das Attentat wurde über die Bürgerkriegsgrenzen hinweg nicht nur von Pompeianern, sondern auch von einzelnen Caesarianern getragen, denen es um die Rückgewinnung der Republik ging. Die Bevölkerung Roms war allerdings nicht gewillt, die Diktatur des großzügigen Volksfreundes Caesar wieder gegen die alte Oligarchie einzutauschen, und versagte den Attentätern die erhoffte Zustimmung. Die Caesarmörder wurden vom Senat zwar zunächst amnestiert, aber von der politischen Bühne Roms verbannt und mussten sich in den Osten absetzten. In Rom einigten sich 43 v. Chr. Marcus Antonius, Gaius Octavius – besser bekannt als Octavian – und Lepidus auf ein zweites Triumvirat zur Erneuerung des Staates, dem für zunächst fünf Jahre außerordentliche Gewalt verliehen wurde. Der Mord an Caesar sollte nicht ungesühnt bleiben, die Amnestie wurde aufgehoben. Ein Jahr später kam es bei Philippi zur Entscheidungsschlacht zwischen Brutus und Cassius auf der einen Seite, Antonius und Octavian, dem späteren Kaiser Augustus, auf der anderen Seite. Cassius als Beherrscher des Ostens wies in dieser Situation Antipater und seine Söhne an, Steuern für die Rekrutierung einer Streitmacht gegen Octavian und Antonius einzutreiben. Herodes tat sich dabei besonders hervor, indem er die Einwohnerschaft solcher Städte, die der fiskalischen Verpflichtung nicht nachkamen, in die Sklaverei verkaufen ließ. Im Gegenzug wurde er von Cassius zum Statthalter über die Provinz Syrien eingesetzt und erhielt zugleich das Versprechen, nach erfolgreichem Ausgang des Krieges zum König von Judäa gekrönt zu werden. Dieser neuerliche Machtzuwachs zog den Tod Antipaters nach sich, der wegen der unbedingten Romtreue seiner Familie von einem innenpolitischen Gegner vergiftet wurde.
Herrschaft Hyrkans II. und Aufstieg des Herodes
Aus der Entscheidungsschlacht von Philippi gingen nicht die Caesarmörder Brutus und Cassius, sondern Octavian und Antonius als Sieger hervor. Antonius übernahm die Aufgabe, die Verhältnisse im Osten im Sinn der Triumvirn zu ordnen. Für die Söhne des Antipater hatte der Ausgang der Schlacht von Philippi trotz ihres Engagements für Cassius keine nachteiligen Folgen. Obwohl sie von jüdischen Aristokraten mehrfach vor Antonius verklagt wurden, hielt dieser auf Anraten Hyrkans II. an ihnen fest, zumal er während der Statthalterschaft des Gabinius einstmals freundlich von Antipater aufgenommen worden war. Antonius setzte mit Recht darauf, dass Phasael und Herodes mit ihrer Romtreue ihm bedingungslos ergeben sein würden, und ernannte sie 41 v.Chr. zu Tetrarchen über Judäa und Galiläa. Herodes, der mit einer Jüdin namens Doris verheiratet war, unternahm zu dieser Zeit einen klugen Schachzug, indem er sich mit Mariamme verlobte, die eine Tochter des von Pompeius hingerichteten Alexander und eine Enkelin sowohl von Aristobul II. als auch von Hyrkan II. war. Auf diese Weise wurde Herodes Mitglied der angesehenen Hasmonäerfamilie und konnte seine Ansprüche auf die Herrschaft im Land untermauern. Die Dinge nahmen eine unerwartete Wendung, als 40 v. Chr. die Parther in Syrien eindrangen, dort den Statthalter in die Flucht trieben und sich als Befreier vom Joch der Römerherrschaft feiern ließen. Auch in Judäa verbanden weite Bevölkerungskreise mit dieser neuen Situation die Hoffnung, sich des romtreuen Hohenpriesters Hyrkan samt Herodes und Phasael entledigen zu können. Kristallisationspunkt dieser Hoffnungen auf eine Restauration der alten Hasmonäerherrschaft war Antigonos, der ein Bündnis mit den Parthern einging. Das Partherheer rückte in Judäa ein und versetzte Antigonos in die Lage, knapp vier Jahre lang als letzter hasmonäischer Priesterkönig zu regieren. Als einziger Hasmonäer ließ er Münzen mit der Menora und dem Schaubrottisch als Motiven prägen, um so gegen Herodes seine Ansprüche auf das Hohepriesteramt und die Herrschaft zu untermauern. Während Herodes die Flucht aus Jerusalem gelang, fielen sein Bruder Phasael und Hyrkan II. einer Finte zum Opfer, indem sie bei vermeintlichen Friedensverhandlungen in Gefangenschaft gerieten. Phasael kam seiner sicheren Hinrichtung durch Selbstmord zuvor. Hyrkan wurden von Antigonos die Ohren abgeschnitten. Mit dieser Verstümmelung war er kultisch untauglich und für alle Zeit vom Hohepriesteramt ausgeschlossen, da die Tora nur körperlich Unversehrte zum Priesterdienst zulässt (Lev 21,18). Herodes wandte sich nach der Machtübernahme durch Antigonos an den Nabatäerkönig Malichos I., der sein Hilfegesuch abwies. In dieser schier aussichtslosen Lage wurde ihm bewusst, dass seine politische Zukunft allein in den Händen Roms lag. Den Römern musste daran gelegen sein, die das Reich bedrohenden Parther umgehend aus Syrien zu vertreiben und den mit ihnen verbündeten Antigonos zu stürzen. Herodes brachte seine Familie auf der Festung Masada in Sicherheit und begab sich nach Alexandria. Ein Angebot Kleopatras auf einen hohen Posten im ptolemäischen Heer schlug er aus und gelangte unter widrigen Umständen, darunter ein Schiffbruch vor der kleinasiatischen Küste, nach Rom. Dort vermochte er sowohl Antonius als auch Octavian von seiner Position zu überzeugen und wurde in einer Senatssitzung feierlich zum König von Judäa ernannt, während man Antigonos, der das dynastische Recht auf seiner Seite hatte, wegen seiner Allianz mit
Antonius als Beherrscher des Ostens
Antigonos als letzter Hasmonäerkönig
Ernennung des Herodes zum König
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den Parthern zum Feind des römischen Volkes erklärte. Zunächst war Herodes allerdings ein König ohne Königreich und musste die Herrschaft militärisch erkämpfen. In Galiläa kam mit Joseph ein weiterer Bruder des Herodes im Kampf gegen Antigonos zu Tode. Danach rebellierte die auf Seiten des Antigonos stehende galiläische Landbevölkerung gegen die Vermögenden und ertränkte die herodianisch Gesinnten im See Genezareth. Es bedurfte langer Kämpfe, bis Herodes die Lage im Land kontrollierte und schließlich 37 v. Chr. mit Hilfe einer römischen Streitmacht Jerusalem erobern konnte. Während der Belagerung der Stadt vollzog Herodes in Samaria die Vermählung mit seiner Verlobten Mariamme. Dieser Akt hatte politischen Signalcharakter und untermauerte den Anspruch des Herodes, als rechtmäßiger Erbe des Hasmonäerhauses nach Jerusalem einzuziehen. Antigonos, der sich im Tempel verschanzt hatte, ergab sich dem römischen Feldherrn Sossius und kam als Gefangener nach Antiochia. Dort wurde der letzte Hasmonäerkönig auf Befehl von Marcus Antonius entweder mit dem Beil enthauptet oder gekreuzigt. Diese für einen Herrscher besonders schändliche Art der Hinrichtung sollte jede Hoffnung auf ein Wiederaufleben des hasmonäischen Königtums im Keim ersticken und das jüdische Volk zur Anerkennung des Herodes zu zwingen.
4.3 Das Königtum Herodes’ des Großen (37–4 v. Chr.)
Herkunft des Herodes
Die historische Gestalt des Herodes und seine Verdienste um das jüdische Volk werden von dem düsteren Bild des berüchtigten Kindermörders von Bethlehem und grausamen Despoten bis zur Unkenntlichkeit überlagert. Herodes der Große war einer der bedeutsamsten jüdischen Könige überhaupt, der sein ethnisch heterogenes Herrschaftsgebiet mit großem Geschick in das römische Imperium einband und wirtschaftlich erblühen ließ. Innenpolitisch stellte sich die Situation für ihn zunächst ausgesprochen schwierig dar. Der Mehrheit des Volkes musste ein vom römischen Senat ernannter und mit militärischer Gewalt installierter König ein Dorn im Auge sein. Herodes hatte im Kampf um die Macht im ethnisch indifferenten Geldadel Palästinas, nicht zuletzt in Großgrundbesitzern Galiläas und Idumäas, seinen stärksten Rückhalt gefunden. Antigonos hingegen war nicht nur von der Jerusalemer Aristokratie, sondern auch von der bäuerlichen Landbevölkerung gestützt worden, die sich von einer Restitution der Hasmonäerherrschaft eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse erhofft hatte. Den romtreuen Emporkömmling aus Idumäa lehnte man entschieden ab. Als Sakrileg wurde die Tatsache empfunden, dass Herodes in Rom nach seiner Ernennung zum König auf dem Kapitol Jupiter ein Opfer dargebracht hatte. Zusätzlich erschwert wurde die Akzeptanz des Herodes durch seine Herkunft, denn er galt nicht als vollwertiger Jude. Sein Vater Antipater stammte aus dem erst unter Johannes Hyrkan judaisierten Idumäa, seine Mutter Kypros war Nabatäerin. Ein Idumäer wurde erst in der dritten Generation formell als gleichberechtigtes Mitglied der jüdischen Gemeinde anerkannt (Dtn 23,8–9). Für weite Bevölkerungskreise stand die Herrschaft des Halbjuden Herodes im Widerspruch zu der Weisung der Tora, keinen Ausländer zum König über Israel einzusetzen (Dtn 17,15). Der als Historiker und Di-
Das Königtum Herodes’ des Großen
plomat im Dienst des Herodes stehende Nikolaos von Damaskus, der neben einer 144 Bände umfassenden Universalgeschichte auch eine Biographie des Kaisers Augustus verfasst hat, arbeitete deshalb an einem jüdischen Stammbaum des Herodes. Er bemühte sich um den Nachweis, Antipater sei ein Nachfahre der ersten Juden, die aus dem babylonischen Exil nach Judäa zurückgekehrt waren. Im Volk wurde dagegen verbreitet, Antipater stamme aus der Philisterstadt Askalon, wo sein Vater zu den Tempeldienern am Apolloheiligtum gehört habe. Auch außenpolitisch stand das Königtum des Herodes anfangs unter keinem guten Stern. Als Herodes die Macht übernahm, war Antonius der unumschränkte Herrscher des Ostens. Im Jahr 40 v. Chr. hatten Octavian und Antonius nach kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Differenzen überbrückt und im Vertrag von Brundisium die Herrschaft über die östlichen und westlichen Provinzen des Reiches untereinander aufgeteilt. Bekräftigt wurde das Bündnis durch die Vermählung des Antonius mit Octavia, der Schwester Octavians. Nicht anders als vor ihm Caesar war allerdings auch Antonius den Reizen Kleopatras erlegen. Die ägyptische Königin hatte ihn bereits 41 v. Chr. in Tarsus aufgesucht und in eine Liebesbeziehung verstrickt, aus der ein Zwillingspaar hervorgegangen war. Vier Jahre später erneuerte Antonius die Beziehungen, um sich bei seinem Partherfeldzug auf die Ressourcen Ägyptens stützen zu können. Kleopatra strebte eine Wiederherstellung des ptolemäischen Großreiches an, dem sie Judäa einzuverleiben suchte. Je enger das Verhältnis zwischen ihr und Antonius wurde, desto mehr musste Herodes um sein Königtum fürchten. In den ersten Jahren seiner Regierung ging es ihm vornehmlich darum, nach innen die Herrschaft zu stabilisieren und nach außen sein Territorium vor dem Zugriff Kleopatras zu schützen. Unmittelbar nach der Eroberung Jerusalems griff Herodes mit aller Macht gegen seine innenpolitischen Widersacher durch. Die erste Aktion zur Festigung der Herrschaft war die Hinrichtung von fünfundvierzig hochrangigen Anhängern des Antigonos. Vermutlich handelte es sich um prohasmonäische Angehörige des Synhedrions. Eine latente Bedrohung stellten für Herodes die verbliebenen Mitglieder des Hasmonäerhauses dar, die nun gemeinsam mit Mariamme am königlichen Hof Einzug hielten. Neben Mariammes jüngerem Bruder Aristobul III. und ihrer Mutter Alexandra zählte dazu auch Hyrkan II., der aus parthischer Gefangenschaft nach Jerusalem zurückgekehrt war. Die von Intrigen und Verdächtigungen gekennzeichneten familiären Verstrickungen am Hof stellten das Königtum des Herodes vor große Belastungsproben und veranlassten den Herrscher zu einer Reihe politischer Morde an seinen engsten Verwandten. Alexandra nutzte immer wieder ihre engen Beziehungen zu Kleopatra, um das Königtum des Herodes zu schwächen. Für die Rückkehr Hyrkans nach Jerusalem hatte Herodes sich selber eingesetzt, um ihn unter direkter Beobachtung zu haben. Wegen seiner Verstümmelung kam er für das Hohepriesteramt nicht mehr in Betracht. Herodes brachte das hohepriesterliche Gewand unter seine Kontrolle und förderte Priesterfamilien aus der Diaspora, die ihm politisch nicht gefährlich werden konnten. Zunächst ernannte er einen babylonischen Juden namens Ananel zum Hohenpriester. Bald sah er sich auf Druck von Alexandra, die bei Kleopatra interveniert hatte, zur Einsetzung seines Schwagers Aristobul III. in das Hohepriesteramt gezwungen. Dass dieser am Laubhüttenfest
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Konflikte mit Kleopatra
Ende des Zweiten Triumvirats
des Jahres 35 v. Chr. während des Opferdienstes frenetisch gefeiert wurde, war eine deutliche Sympathiebezeugung für das Hasmonäerhaus. Aristobul III. stellte als Hoffnungsträger für eine Restauration des hasmonäischen Königtums eine Gefahr dar und wurde auf Veranlassung des Herodes in Jericho kaltblütig ertränkt. Nachdem Alexandra erneut Kleopatra eingeschaltet hatte, musste sich Herodes vor Antonius für seine Tat verantworten. Offenbar gelang es ihm, die Beseitigung Aristobuls als eine unumgängliche innenpolitische Maßnahme plausibel zu machen, die angesichts der allgemeinen Sympathien für die Hasmonäer auch im römischen Interesse lag. Nicht nur im Blick auf das Hohepriesteramt betrieb Herodes planmäßig den Aufbau einer von der Hasmonäertradition unabhängigen Ordnung. Indem er Mitglieder seines Herrscherhauses mit wichtigen Verwaltungsposten betraute, entstand eine neue Führungsschicht. So amtierte sein jüngerer Bruder Pheroras als Tetrarch von Peräa, sein Schwager Kostobar als Statthalter von Idumäa und sein Cousin Achiab als Statthalter von Judäa. Außenpolitisch stellte nach wie vor Kleopatra die größte Gefahr dar, die ihre Expansionsbestrebungen mit aller Macht auf die alten ptolemäischen Außenbesitzungen richtete. Dazu zählte auch die frühere ägyptische Provinz Syrien und Phönizien. Neben dem Fürstentum Chalkis im Libanon und Teilen des Nabatäerreiches legte Antonius ihr einzelne Gebiete aus dem Königreich Judäa zu Füßen. Die territorialen Verluste des Herodes betrafen Teile Koilesyriens und der phönizischen Küstenebene sowie die Gegend um Jericho mit ihren einträglichen Balsam- und Dattelplantagen, für die er nun Pacht zu entrichten hatte. Zudem erhielt Kleopatra das Recht zur Ausbeutung der profitablen Asphaltvorkommen im Toten Meer, was in wirtschaftlicher Sicht eine weitere empfindliche Schwächung für Herodes darstellte. Dabei handelte es sich nicht um unbesonnene Schenkungen eines willenlosen Liebhabers, sondern um eine gezielte Neuordnung der Verhältnisse. Antonius betrieb aus politischem Kalkül eine Stärkung Ägyptens, um seinen wichtigsten Vasallenstaat noch enger an sich zu binden, ohne dabei das ihm ebenfalls treu ergebene Herodesreich vollständig den Expansionsbestrebungen Kleopatras preiszugeben. Einer bei Josephus überlieferten Klatschgeschichte zufolge soll Kleopatra im Zuge eines Palästinabesuches sogar den Versuch unternommen haben, Herodes zu verführen und ihn dadurch bei Antonius in Misskredit zu bringen (Ant. 15,96–103). Mit der Schlacht von Actium zwischen Antonius und Octavian trat eine überraschende Wende ein, die Herodes aus der ägyptischen Umklammerung befreite. Das Verhältnis beider Triumvirn war nach dem Vertrag von Brundisium zusehends schlechter geworden. Während Octavian im Westen seine Macht ausbaute und sich als Sohn des Staatsgottes Julius feiern ließ, überhöhte Antonius im Osten seine Herrschaft, indem er sich nach dem erfolgreichen Armenienfeldzug als neuer Dionysos gab. Durch die Bindung mit Kleopatra hatte Antonius nicht nur Octavia und Octavian brüskiert, sondern auch weite Teile Roms gegen sich aufgebracht. Zudem wurde durch widerrechtliche Öffnung seines Testaments bekannt, dass er gewaltige Zuwendungen an die Kinder Kleopatras verfügt hatte und gemeinsam mit ihr in Alexandria beigesetzt werden wollte. Dies galt als Verrat an Rom und schürte Ängste, Alexandria könne zur neuen Hauptstadt des Imperiums werden. Nachdem das Triumvirat 33 v. Chr. zu seinem gesetzlichen Ende gekommen
Exkurs: Kaiser Augustus und der Prinzipat
war, erkannte der Senat Antonius ein Jahr später alle Amtsgewalt ab und erklärte Kleopatra den Krieg. Nach der verlorenen Schlacht von Actium (31 v. Chr.) flüchtete Antonius nach Ägypten. Als Octavian im Jahr darauf in Alexandria einmarschierte, stürzte Antonius sich in sein Schwert und starb in den Armen Kleopatras. Zwölf Tage später beging auch Kleopatra mit Hilfe einer Giftschlange Selbstmord. Octavian hielt nun alle Macht in seinen Händen und war nicht gewillt, sie wieder abzugeben. Unter formaler Wahrung der republikanischen Verfassung erhob er sich zum Alleinherrscher und leitete das Zeitalter des Prinzipats ein.
Exkurs: Kaiser Augustus und das System des Prinzipats Gaius Octavius (Octavian), der spätere Kaiser Augustus, war als Großneffe Caesars von diesem testamentarisch zu seinem Adoptivsohn und Erben erklärt worden. Mit Hilfe eines unter Missachtung der republikanischen Gesetze eigenmächtig angeworbenen Heeres gelang es ihm nach Caesars Tod, sich dessen Ämter und Vollmachten anzueignen. Antonius, der sich als einzig legitimer Nachfolger Caesars verstand, musste sich den Ansprüchen Octavians beugen und ihn notgedrungen an der Macht beteiligen. Der ohnehin brüchige Frieden von Brundisium konnte nicht verhindern, dass die Entwicklung unaufhaltsam auf einen Machtkampf beider Triumvirn hinauslief, den Octavian mit der Seeschlacht von Actium und der Eroberung Ägyptens für sich entschied. Nach Erringung der Alleinherrschaft gelang Octavian eine Einbindung der Monarchie in die republikanische Rechtsordnung, indem er die Institutionen und Ideale der römischen Republik äußerlich am Leben erhielt. Auf einer denkwürdigen Senatssitzung im Januar 27 v. Chr. erfolgte eine Rückübertragung der Allgewalt an den Senat, der seinerseits Octavian in Anbetracht seiner Verdienste mit der allgemeinen Fürsorge für den Staat betraute und ihm zur Idealisierung seiner Person den in den sakralen Bereich führenden Ehrennamen Augustus, der Erhabene, verlieh. Wichtigstes Element der Herrschaftssicherung war die allmähliche Monopolarisierung des Oberbefehls über das Militär. Augustus erhielt ein zunächst auf zehn Jahre befristetes, später dann immer wieder verlängertes prokonsularisches Imperium über die Provinzen Gallien, Spanien, Ägypten und Syrien, mit dem das Kommando über die dort stationierten Truppen verbunden war. Nachdem er zunächst Jahr für Jahr das Konsulat bekleidet hatte, stützte er ab 23 v. Chr. seine Prinzipatskonstruktion auf die Amtsgewalt des Volkstribunen. Damit ging eine Erweiterung der prokonsularischen Befehlsgewalt einher, indem er auch über die Statthalter der senatorischen Provinzen eine Weisungsbefugnis gewann. Im Jahr 12 v. Chr. ging nach dem Tod des früheren Triumvirn Lepidus zudem das Amt des Pontifex Maximus auf Augustus über, der neben der politischen Alleinherrschaft nun auch die Leitung des Sakralwesens innehatte. Vier Jahre später erfuhr er durch Umbenennung des Monats Sextilius in Augustus eine weitere Ehrung des Senats. Zudem wurde zu jener Zeit der Genius des Augustus in die Verehrung der Schutzgottheiten einbezogen, womit ihm im gesamten Stadtgebiet Roms Opfer und Gebete zuteil wurden. Das Jahr 2 v. Chr. bescherte Augustus durch die Verleihung des Titels „Vater des Vater-
Konzeption des Prinzipats
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Heer und Provinzen
Etablierung des dynastischen Systems
lands“ (pater patriae) die höchste Ehrenbekundung, die der römische Staat zu vergeben hatte. Mit seiner Konzeption des Prinzipats schuf Augustus Strukturen der Regierung und Verwaltung, die dauerhaft Bestand hatten. Die Institutionen der Republik behielten innerhalb der neuen Staatsordnung eingeschränkte Machtbefugnisse und besaßen ein nicht zu unterschätzendes symbolisches Gewicht. Der von Augustus auf sechshundert Personen reduzierte Senat blieb, auch wenn die schon in spätrepublikanischer Zeit feststellbare schleichende Entmachtung sich nun fortsetzte, nach außen der Mittelpunkt der Staatsordnung. Augustus und seine Nachfolger legten darauf Wert, trotz ihrer monarchisch anmutenden Machtbefugnisse ihr Amt formal aus der Hand des Senats als Repräsentanten des römischen Volkes zu empfangen und den Prinzipat demonstrativ in das System der Republik einzubinden. Neben Volksversammlungen fanden auch weiterhin Magistratswahlen statt, doch waren die Einflussmöglichkeiten des Princeps auf das Wahlgeschehen beträchtlich. In den Bereichen des Heeres und der Provinzialverwaltung kam es ebenfalls schrittweise zu Veränderungen der traditionellen Strukturen. Zum wichtigsten militärischen Instrument des Princeps in Rom wurde die aus Elitesoldaten bestehende Prätorianergarde. Die Armee wurde auf 25 Legionen reduziert, von denen die meisten in den Grenzprovinzen stationiert waren. Nach einer Dienstzeit von 20–25 Jahren wurden die Veteranen mit Landzuteilungen oder Abfindungen entlassen und konnten zu Wohlstand und Ansehen gelangen. Hinzu traten die Flotte und die in den Provinzen rekrutierten Hilfstruppen, deren Angehörige nach ehrenvoller Entlassung in den Genuss des römischen Bürgerrechts kamen. In den Provinzen wie im italischen Kernland neu gegründete Militärkolonien dienten der Sicherung der römischen Herrschaft und gaben gleichzeitig wirtschaftliche Impulse. Bezüglich der Provinzialverwaltung lässt sich seit Augustus zwischen senatorischen und imperatorischen Provinzen unterscheiden. Befriedete Provinzen mit geringer Militärpräsenz, allen voran Asia und Africa, blieben dem Senat unterstellt und wurden von einem jährlich wechselnden Prokonsul verwaltet. Eher unruhige Grenzprovinzen mit mehreren Legionen wie Spanien, Gallien oder Syrien waren vom Senat dem Princeps übertragen worden und unterstanden einem kaiserlichen Legaten. Hinzu kamen kleinere Verwaltungseinheiten wie die Provinz Judäa, an deren Spitze Präfekten oder Prokuratoren aus dem Ritterstand standen. Einen Sonderstatus nahm die für die Getreideversorgung immens wichtige Provinz Ägypten ein, die Augustus persönlich dem Imperium einverleibt hatte und die dem Einfluss des Senats vollständig entzogen war. Den Provinzen brachte der Prinzipat des Augustus nach einer endlosen Kette von Kriegen die Pax Romana. Die Einführung des Zensus und die Überwachung der Steuererhebung setzte der willkürlichen Ausbeutung der Untertanen ein Ende. Segensreich wirkte sich auch eine Reform des Beschwerde- und Prozesswesens aus, die den Bürgern der Provinzen die Möglichkeit eröffnete, gegen Anordnungen oder richterliche Entscheide der provinzialen Behörden in Rom Einspruch einzulegen. Zur Festigung des Systems hatte Augustus früh Regelungen zur Nachfolge getroffen. Nach dem Tod seines Schwiegersohnes Agrippa im Jahr 12 v. Chr. zwang er seine Tochter Julia zur Eheschließung mit seinem Stiefsohn Tiberius. Tiberius wurde damit zum zweiten Mann im Staate, sah sich aber bald
Exkurs: Kaiser Augustus und der Prinzipat
nur noch in die Rolle des Platzhalters für die beiden aus der Ehe Agrippas mit Julia hervorgegangenen Enkelsöhne des Augustus gedrängt, die zunehmend privilegiert und auf höhere Aufgaben vorbereitet wurden. Tiberius zog sich daraufhin in das Privatleben nach Rhodos zurück. Erst als beide Agrippasöhne binnen zweier Jahre verstarben, besann sich Augustus notgedrungen auf Tiberius, der mit seiner Adoption in die Rolle des Thronfolgers hineinwuchs und sich zur wichtigsten Stütze des Systems entwickelte. Die eigentliche Bewährungsprobe für den dauerhaften Bestand des neuen politischen Systems brachte der Thronwechsel nach dem Tod des Augustus. Der Prinzipat stellte noch keine klar umrissene Institution dar, sondern war eine von Augustus geschaffene und nur von seiner Person ausgefüllte Größe, die zudem von einem elementaren Widerspruch zwischen republikanischer Ideologie und monokratischer Verfassungswirklichkeit gekennzeichnet war. Tiberius forderte unmittelbar nach dem Tod des Augustus den Truppen den Treueid ab und legte damit den Grundstein für die Konsolidierung des Prinzipats, dessen Aufgaben ihm vom Senat nicht mehr nur befristet, sondern auf Lebenszeit übertragen wurden. Herodes wechselte unmittelbar nach der Schlacht von Actium die Fronten und begab sich sogleich zu Octavian nach Griechenland. Vorher ließ er den mittlerweile über achtzigjährigen Hyrkan II. hinrichten, da dieser als letzter Hasmonäer zum Kristallisationspunkt der Opposition hätte werden können. Herodes hatte sich seit Beginn seiner Laufbahn den wechselnden Repräsentanten römischer Herrschaft im Vorderen Orient als effektives Werkzeug erwiesen. In Rhodos legte er vor Octavian als Zeichen der Ergebenheit seine Königskrone nieder und versicherte, dass er ihm mit gleicher Loyalität dienen werde, wie er dies Antonius gegenüber getan hatte. Diese Geste verfehlte nicht ihre Wirkung auf den Princeps, der ohnehin die meisten der von Antonius installierten Klientelkönige in der Herrschaft beließ. Politisch gestärkt kehrte Herodes nach Judäa zurück und bereitete Octavian in Ptolemais einen prächtigen Empfang, als der auf dem Weg nach Alexandria die phönizische Küste passierte. Nach dem Tod von Antonius und Kleopatra kam es in Alexandria zu einer weiteren Zusammenkunft mit Octavian. Dabei gewann Herodes nicht nur jene Territorien zurück, die ihm zugunsten Kleopatras genommen worden waren, sondern er konnte seinem Königreich zusätzlich die Städte Gadara, Hippos, Samaria, Gaza, Anthedon, Joppe und Stratonsturm einverleiben. Diese beträchtlichen Gebietserweiterungen trugen in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht deutlich zur Stärkung der Machtstellung des Herodes bei. Bei der Rückkehr aus Ägypten wurden Gerüchte laut, Mariamme habe sich des Ehebruchs schuldig gemacht und sei in ein Mordkomplott gegen ihren Ehemann verstrickt. Herodes ließ daraufhin nicht nur den vermeintlichen Liebhaber Soemus, sondern auch Mariamme hinrichten. Als er anschließend von Depressionen heimgesucht wurde und schwer erkrankte, schmiedete seine Schwiegermutter Alexandra Umsturzpläne, woraufhin auch sie den Tod fand. Das gleiche Schicksal erlitt Kostobar, der Ehemann von Herodes’ Schwester Salome, der als Statthalter von Idumäa separatistische Tendenzen verfolgte. Dank der Beseitigung aller gegnerischen Kräfte und einer Konsolidierung der politischen Beziehungen zu Rom hatte Hero-
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Das römisch-herodianische Zeitalter
Die Baupolitik des Herodes
des zehn Jahre nach Übernahme der Herrschaft seine Position abgesichert und konnte sich als unumschränkter Herr im Lande fühlen. Das Königreich des Herodes, der den offiziellen Titel eines Freundes und Bundesgenossen des römischen Volkes trug, war integraler Bestandteil des Römischen Reiches. Judäa zählte zu jenen Monarchien am Rande des Imperiums, die Octavian bei seiner Reichsreform bestehen ließ und nicht in römische Provinzen umwandelte. Die lokalen Herrscher regierten als von Rom abhängige Klientelkönige, die bei der Regelung der inneren Angelegenheiten weitgehende Handlungsfreiheit genossen, außenpolitisch aber ohne Zustimmung Roms keine Aktivitäten entfalten konnten. Sie waren in der Regel tributpflichtig und zur militärischen Entlastung Roms mit der Aufgabe betraut, die Reichsgrenzen zu schützen und in ihren Herrschaftsgebieten die Pax Romana durchzusetzen. Zudem bestand die Verpflichtung, Rom im Bedarfsfall Hilfstruppen zur Verfügung zu stellen. Das Königreich des Herodes wurde zu einem wichtigen Stabilitätsfaktor im östlichen Mittelmeerraum. Herodes sicherte die Ostgrenze des Reiches gegen die Nabatäer ab und gewährleistete einen reibungslosen Transport der Wirtschaftsgüter auf den wichtigen Handelsstraßen von Ägypten nach Syrien, die sein Reich durchkreuzten. Durch die Förderung der hellenistischen Kultur band er das Land fest in die römische Ordnung ein. In der bereitwillig geleisteten Abstellung von Hilfstruppen sah er ein probates Mittel, seine Position bei Augustus zu festigen. Als zuverlässiger Garant der römischen Interessen im Osten konnte sich Herodes der ungeteilten Hochschätzung des Kaisers erfreuen und später seinem Herrschaftsgebiet weitere Territorien einverleiben. Mit der Stabilisierung der Herrschaft ging eine Phase der Ruhe einher, die Herodes zur Entfaltung seiner Macht nutzte. Im Mittelpunkt standen zahlreiche Baumaßnahmen, die zu einem wichtigen Element der Herrschaftslegitimation des römischen Klientelkönigs wurden. Die alten Hasmonäerburgen Hyrkania, Alexandreion, Machairos und Masada ließ Herodes zu teilweise luxuriösen Palästen ausbauen. Südlich von Jerusalem errichtete er die Festung Herodeion als Prunkschloss und Mausoleum. In Jericho mit seinem milden Klima entstanden imposante Palast- und Gartenanlagen, in denen Herodes weite Teile des Winters verbrachte. Das über das gesamte Königreich gespannte Netz opulent ausgebauter oder neu errichteter Festungen und Paläste diente der sichtbaren Manifestation der Herrschaft. Hinzu kamen umfassende städtebauliche Aktivitäten. Bedeutsame Orte wie Phasaelis, Antipatris oder die Reiterstadt Gaba entstanden aus dem Nichts. Solche Neugründungen dienten auch der Urbarmachung von Land und trugen zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion bei. Die phönizische Siedlung Stratonsturm baute Herodes zur Hafenstadt Caesarea aus, die für Seereisende als Eingangstor nach Palästina zur Visitenkarte seines Königreiches wurde. Dabei konnte er ungehindert seinen Vorstellungen von hellenistischer Kultur Ausdruck verschaffen, ohne in Konflikt mit den gesetzestreuen Kreisen im Land zu kommen. Herodes versah Caesarea mit den zu einer griechischen Polis gehörigen Bauten wie Tempel, Agora, Theater und Hippodrom. Zur Wasserversorgung wurde ein imposanter Aquädukt errichtet. Durch diese Baumaßnahmen verfügte Herodes über einen Hafen, der sein Land zu einem Zentrum des internationalen Handels machte und die Wirtschaftskraft immens stärkte.
Exkurs: Der Herodianische Tempel
Auch das von Johannes Hyrkan zerstörte Samaria wurde nach den Maßstäben hellenistischer Städtebauarchitektur wieder aufgebaut, mit einem Augustustempel bedacht und zu Ehren des Kaisers in Sebaste, der griechische Name für Augusta, umbenannt. Wie beim Ausbau von Caesarea schwang der Gedanke mit, die Stadt zum Symbol herodianischer Herrschaftsideologie zu machen und durch die Namensgebung die Ehrerbietung gegenüber Rom zum Ausdruck zu bringen. Sebaste war eine vollständig hellenisierte Stadt. Besiedelt wurde sie mit Kriegsveteranen und überwiegend heidnischer Bevölkerung aus dem Umland. Vermutlich ging es Herodes darum, durch Gewährung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Privilegien einen ihm loyal ergebenen nichtjüdischen Bürgerstand zu schaffen. Aus Sebaste rekrutierte sich die dreitausend Mann starke Sebastenertruppe, eine Eliteeinheit des Herodes. Zum Zentrum der städtebaulichen Aktivitäten des Herodes wurde allerdings Jerusalem. Die Stadt erhielt ein Theater und ein Amphitheater oder Hippodrom. In der Nähe des heutigen Jaffatores ließ Herodes einen monumentalen Königspalast errichten. Das mit Abstand umfangreichste und bedeutsamste aller herodianischen Bauprojekte war die Umgestaltung des Tempels.
Exkurs: Der Herodianische Tempel Nachdem der Tempel Salomos 586 v. Chr. der Zerstörung durch die Babylonier zum Opfer gefallen war, kam es 515 v. Chr. unter Serubbabel zur Wiedereinweihung des Heiligtums. Dieser zweite Tempel blieb hinter dem Vorbild des salomonischen Heiligtums weit zurück. Er war von schlichter Gestalt und wurde erst von den Hasmonäern prachtvoller ausgestattet. Mit seiner völligen Neugestaltung des Tempels löschte Herodes die sichtbare Erinnerung an die Hasmonäer aus und stellte sich gezielt in die Tradition des salomonischen Königtums. Die Baumaßnahmen begannen um 20 v. Chr. und kamen erst weit nach dem Tod des Herodes zum endgültigen Abschluss. Beim Bau hielt Herodes sich streng an halachische Vorgaben. In der Steinmetzkunst und im Zimmerhandwerk unterwiesenen Priestern kam die Aufgabe zu, die Bauarbeiten in dem nach den Heiligkeitsvorschriften nur ihnen zugänglichen innersten Tempelbezirk auszuführen. Das viereckige Areal des auf einem gewaltigen Plateau angelegten Tempels wurde gegenüber dem Vorgängerbau nahezu verdoppelt und übertraf mit einem Umfang von etwa eineinhalb Kilometern alle vergleichbaren Kultstätten der Antike an Größe. Das aus Vorhalle, Kultraum und Allerheiligstem bestehende eigentliche Tempelgebäude wurde in Anlehnung an Stilelemente des hellenistischen Zeitalters um verschiedene Höfe und umlaufende Säulenhallen erweitert. Dabei diente der im hellenistischen Raum verbreitete Tempelbautypus des Kaisareion als architektonisches Vorbild. Das erste Bauwerk dieser Art war von Caesar in Alexandria errichtet worden. Im Zuge der gewaltigen Vergrößerung des Tempelareals entstand mit dem Vorhof der Heiden eine Art Markt, der als äußerer Bezirk die gesamte Anlage umgab und Schauplatz der Tempelreinigung Jesu war (Mk 11,15–17). Auf diesem von der königlichen Säulenhalle begrenzten Areal, das angesichts des Fehlens einer Agora in Jerusalem bald zum Mittelpunkt des öffentlichen Lebens wurde, fand ein konzessionierter Handel und Geld-
Neugestaltung des Tempels
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Tempelhaus und Allerheiligstes
wechsel statt. Es wurden die für die Opfer erforderlichen Substanzen und Tiere zum Kauf angeboten. Die Notwendigkeit des für den Tempelbetrieb unentbehrlichen Geldwechsels ergab sich aus der Tatsache, dass die für Geldopfer und Entrichtung der Tempelsteuer allein akzeptierte Währung der Schekel war. Dabei handelt es sich um die tyrische Tetradrachme. Ihre Vorderseite zeigt den Stadtgott von Tyros, Melkart, während auf der Rückseite der seleukidisch-ptolemäische Adler abgebildet ist. Diese eigentlich gegen das Bilderverbot verstoßende heidnische Münze wurde aufgrund ihrer in der Antike einzigartigen Wertbeständigkeit zur offiziellen Tempelwährung. Sie hatte ein Gewicht von vierzehn Gramm und einen Silbergehalt von etwa fünfundneunzig Prozent, der mit nur geringfügigen Schwankungen über fast zwei Jahrhunderte hinweg in allen Emissionen durchgehalten wurde. In der Nordwestecke des Tempelareals hatte Herodes noch zu Zeiten des Marcus Antonius eine Festung errichten lassen und ihm zu Ehren als Antonia bezeichnet. In der Burg Antonia war später nach Einrichtung der Provinz Judäa eine römische Kohorte stationiert. Der innere Tempelbezirk war durch eine Balustrade, deren Überschreiten Nichtjuden bei Todesstrafe untersagt war, vom äußeren Vorhof abgetrennt. Er gliederte sich in Zonen zunehmender Heiligkeit, nämlich Frauenhof, Männerhof und Priesterhof mit Tempelhaus. Im Priesterhof befanden sich der große Brandopferaltar, Schlachtbänke, Becken zu rituellen Waschungen und Schlafkammern für die Dienst habenden Priester. Beim prunkvollen Neubau des Tempelhauses wahrte Herodes die Grundfläche und Struktur des Vorgängermodells. Die streng an gesetzlichen Vorgaben orientierte Bauausführung schloss auch eine Respektierung des Bilderverbots ein. Zum Stein des Anstoßes wurde allerdings ein goldener Adler, der über dem Tor des Tempelgebäudes prangte. Als kurz vor dem Tod des Herodes zwei pharisäische Gesetzeslehrer ihre Schüler zum Abreißen der Figur animierten, wurden sie hingerichtet. Der Adler am Tempeltor musste nicht zwangsläufig als Verstoß gegen das Bilderverbot empfunden werden. Wahrscheinlich richtete sich der pharisäische Protest gegen die Symbolkraft des Adlers als Zeichen der königlichen Macht. Im Hauptraum des Tempelhauses befanden sich mit dem Schaubrottisch, dem siebenarmigen Leuchter und dem Räucheraltar die drei wertvollsten Kultgeräte. Die sieben Arme des auf dem Titusbogen in Rom abgebildeten Leuchters, der Menora, wurden auf das Planetensystem gedeutet. Der aus vergoldetem Akazienholz bestehende Schaubrottisch wurde am Sabbat mit zwölf Schaubroten belegt, die den Priestern zufielen, und symbolisierte die Erde. Er ist ebenfalls auf dem Titusbogen zu sehen und wird dort von acht Soldaten getragen. Der aus dem gleichen Material gefertigte Räucheraltar war mit dreizehn Arten Räucherwerk aus aller Welt bedeckt und stand als Sinnbild für die Wohltaten, die durch Gott und die Naturelemente gewährt werden. Der innerste Raum des Tempelgebäudes war das durch einen kostbaren Vorhang abgetrennte Allerheiligste, das ausschließlich vom Hohenpriester betreten werden durfte, und zwar nur einmal im Jahr an Yom Kippur, um dort das große Ritual des Versöhnungstages zu vollziehen (Lev 16). Das Allerheiligste hatte im Tempel Salomos die Bundeslade beherbergt, die bei der Zerstörung des Heiligtums durch die Babylonier verloren ging. Im Tempel der nachexilischen Zeit war das Allerheiligste leer. Dies wurde auch unter Herodes nicht geändert.
Exkurs: Der Herodianische Tempel
Zehn Jahre nach Beginn der Bauarbeiten konnte der neue Tempel eingeweiht werden. Der Talmud rühmt ihn als ein Muster an Schönheit. Mit dem Neubau des Tempels konnte Herodes sich trotz aller Ressentiments gegenüber seiner Herrschaft hohes Ansehen und bleibenden Ruhm verschaffen. Herodes vollzog dabei mit großem Geschick eine Gratwanderung, indem er sich hellenistische Herrschaftsarchitektur zunutze machte, ohne dabei jüdische Befindlichkeiten zu verletzten. Das Bauprojekt sollte den Einsatz für das Volk und die religiöse Ehrfurcht des Königs versinnbildlichen, der nach dem Vorbild Salomos ein dem Gott Israels würdiges Heiligtum errichtete. Der zunächst auf größtes Misstrauen in der Bevölkerung gestoßene Tempelneubau wurde damit weit über Jerusalem hinaus für Herodes zu einem wichtigen Mittel der Manifestation und Legitimation seiner Herrschaft. Für Juden im gesamten Imperium war er zentraler Bezugspunkt der Frömmigkeit. Zu den großen Wallfahrtsfesten Passah, Shavuot (Pfingsten) und Sukkot (Laubhüttenfest) pilgerten jährlich unzählige Menschen aus der Diaspora nach Jerusalem und förderten damit den wirtschaftlichen Aufschwung im Herodesreich. Auch in der restlichen Zeit des Jahres war das Tempelareal ein Ort pulsierenden Lebens mit zahlreichen Opferhandlungen aus unterschiedlichsten Anlässen. An der Spitze der Tempelhierarchie stand der Hohepriester, der zugleich Vorsitzender des Synhedrions war. Von den Herodianern und den römischen Statthaltern wurden Hohepriester vielfach des Amtes enthoben, behielten aber ihren Titel und übten weiterhin beträchtlichen Einfluss aus. Allein der Hohepriester konnte das kultische Ritual des Versöhnungstages vollziehen, um Sühne für die Sünden des Volkes zu schaffen. Zudem brachte er in der Woche vor dem Versöhnungstag sowie am Sabbat und an ausgewählten Festtagen persönlich das tägliche Opfer dar. Der Tempeloberst wachte über den Kultbetrieb und übte im gesamten Tempelbereich die Polizeigewalt aus. Für den regulären Opferdienst waren vierundzwanzig Priesterklassen zuständig, die mit ihren Familien außerhalb Jerusalems lebten und im Rotationsverfahren für jeweils eine Woche am Tempel tätig waren. Von diesen eigentlichen Priestern aaronitischer Abstammung wurden seit der Zeit Ezechiels die Leviten als Kultusbeamte zweiten Grades unterschieden. Sie waren den Tempelaufsehern unterstellt und durften lediglich Hilfsdienste wie die Bewachung des äußeren Tempelvorhofes und das Schlachten der Opfertiere verrichten. Eine gehobene Klasse von Leviten war für den Tempelgesang zuständig. Privatopfer, wie sie von der Tora zu unterschiedlichsten Anlässen vorgeschrieben sind, machten den Hauptanteil der priesterlichen Tätigkeit aus. Zu den wichtigsten öffentlichen Opferhandlungen zählte das Tamid, bei dem zweimal täglich ein einjähriges Lamm geopfert wurde (Ex 29,38). Damit verbunden wurde das im Namen des Hohenpriesters, aber nicht von ihm persönlich dargebrachte tägliche Speiseopfer (Lev 6,13). Daneben hatten die Priester im Tempelhaus für die Opfer auf dem Räucheraltar und für das kontinuierliche Brennen der Menora Sorge zu tragen. Als Judäa später römische Provinz wurde, kam zweimal täglich ein öffentliches Opfer für den Kaiser hinzu. Finanziert wurde der Tempel im nachexilischen Judentum durch eine Reihe von Abgaben, wie sie in der Neh 10,33–40 wiedergegebenen Urkunde aufgelistet sind. An erster Stelle steht die dem Kultbetrieb und der Armen-
Tempelhierarchie
Tempelsteuer und andere Abgaben
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versorgung dienende Tempelsteuer, die als Symbol nationaler und religiöser Einheit seit der Hasmonäerzeit auch außerhalb des Mutterlandes erhoben wurde. Sie betrug einen halben Schekel pro Jahr, galt für jeden männlichen Juden über zwanzig Jahre und wurde bereitwillig entrichtet, zumal den dadurch finanzierten Opfern Sühnewirkung für das Volk Israel zugeschrieben wurde, an der jeder einzelne partizipierte. In Qumran wurde allerdings die Auffassung vertreten, dass der Halbschekel nicht jährlich, sondern nur einmal im Leben zu entrichten sei. In der Diaspora gab es Sammelstellen für die Tempelsteuer, die dann unter starkem Geleitschutz nach Jerusalem überbracht wurde. In Provinzen mit hohem jüdischem Bevölkerungsanteil war diese immense Kapitalflucht den römischen Statthaltern ein Dorn im Auge. Insbesondere in Kleinasien wurde die Tempelsteuer mehrfach von den Behörden konfisziert. Caesar gewährte vor diesem Hintergrund den Juden ausdrücklich das Recht, Geld und Edelmetall aus der Diaspora nach Jerusalem zu transferieren. Zu der Tempelsteuer kamen weitere religiöse Abgaben hinzu, die unmittelbar den Priestern zufielen und vor allem für die bäuerliche Bevölkerung eine empfindliche Belastung über die staatlichen Steuern hinaus darstellten. Neben dem Zehnten vom Ertrag des Landes zählten dazu die Erstlingsfrüchte und die ungefähr den fünfzigsten Teil aller geernteten Früchte ausmachende Priesterhebe. Dank der Tempelsteuer und weiterer Zuwendungen verfügte der Jerusalemer Tempel über einen immensen Reichtum an Kultgegenständen und Bargeld. Da er durch seine Heiligkeit grundsätzlich vor widerrechtlichem Zugriff geschützt war, diente er wie die meisten Heiligtümer der Antike auch als Gelddepot für Privatpersonen. So hatte beispielsweise in der Seleukidenzeit der Tobiade Hyrkan weite Teile seines Vermögens im Tempel deponiert.
Wirtschaftliche Prosperität
Die Bautätigkeit des Herodes beschränkte sich nicht auf Palästina. Weit über die Grenzen seines Herrschaftsgebietes hinaus stiftete er in zahlreichen Städten Syriens, Kleinasiens und Griechenlands nach Sitte hellenistischer Fürsten Bauten und Denkmäler. Wie bei seinen städtebaulichen Aktivitäten innerhalb Palästinas gab sich Herodes dabei als weltoffener Monarch, der als Förderer griechischer Lebensart auftrat und sich durch die Einbindung seines Landes in die Weltkultur auf der Höhe der Zeit bewegte. Auch die Spiele in Olympia hat er durch namhafte Geldbeträge unterstützt. Das Diasporajudentum profitierte immens von diesen Zuwendungen und Stiftungen, da sie das Ansehen der jüdischen Gemeinden im gesamten Römischen Reich steigerten und zur Verbesserung ihrer Rechtsstellung beitrugen. In Konfliktfällen verstand sich Herodes als Schutzherr der Diasporajuden und trat in Rom oder bei den Provinzbehörden für ihre Interessen ein. Nicht zuletzt wegen der umfangreichen Bautätigkeit war die Regierung des Herodes trotz hoher Steuerlasten für das Volk eine Epoche des wirtschaftlichen Wohlergehens. Der Handel und das Handwerk erlebten eine Blütezeit. Allein der Tempelbau schuf unzählige Arbeitsplätze. Als die Bauarbeiten kurz vor dem Jüdischen Krieg zum Abschluss kamen, sah Agrippa II. sich zu einem Arbeitsbeschaffungsprogramm gezwungen, indem er mit Kapital aus dem Tempelschatz einzelne Straßen Jerusalems pflastern ließ. In Versorgungskrisen aufgrund von Missernten erwies sich Herodes mehrfach als Wohltäter seiner Untertanen. Als Palästina 25 v. Chr. von einer verheerenden Hungersnot heimgesucht wurde, erwarb er aus eigenen Mitteln Getrei-
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de aus Ägypten, um es unter der Not leidenden Bevölkerung zu verteilen. Später kam er seinen Untertanen in Notzeiten zweimal mit spürbaren Steuernachlässen entgegen. Die Beziehung des Herodes zum Volk blieb trotz dieser Verdienste weiterhin angespannt. Eine Gruppe von Verschwörern unternahm den Versuch, den König im Theater zu erdolchen. Die beträchtliche Opposition im Land war bald nur durch Versammlungsverbote, Bespitzelung und Unterdrückung im Zaume zu halten. Auf diesem Hintergrund bewog Herodes die Angst vor einem Aufstand dazu, seinen Untertanen um 20 v. Chr. nach dem Vorbild des römischen Kaisereides einen Loyalitätseid abzuverlangen. Zu den Verweigerern des Eides zählten neben den Essenern auch zahlreiche Pharisäer. Trotz seiner weitgehenden Rücksichtnahme auf die Gesetze und Bräuche des Judentums verstand sich Herodes zweifellos als hellenistischer Regent, der seine Herrschaft nach den Vorbildern orientalischer Königshöfe ausrichtete und es schwer hatte, Akzeptanz bei den Frommen im Land zu finden. Vor allem die Pharisäer propagierten nach wie vor das Ideal einer Theokratie mit religiöser wie politischer Verwirklichung der Tora und nährten gleichzeitig die Hoffnung auf eine von Gott herbeigeführte endzeitliche Wende, während für Herodes an Stelle der Tora das römische Rechtssystem die Basis der staatlichen Ordnung bildete und das Synhedrion zur weitgehenden Bedeutungslosigkeit verurteilt war. Die Beziehungen zu Rom entwickelten sich indes weiterhin vorzüglich. Mit Augustus stand Herodes in regem Kontakt. Zudem verband ihn ein geradezu freundschaftliches Verhältnis mit Agrippa, dem Schwiegersohn des Kaisers, der zweitmächtigster Mann im Reich war und ab 23 v. Chr. die Ostprovinzen als Befehlshaber unter sich hatte. Außerhalb des jüdischen Kernlandes hatte Herodes in griechisch geprägten Städten wie Caesarea und Sebaste nicht gezögert, zu Ehren des Augustus Tempel zu errichten oder Spiele zu stiften. Ein weiteres äußeres Zeichen seiner bedingungslosen Gefolgschaft gegenüber der römischen Herrschaft waren die Titel „Freund der Römer“ und „Freund des Kaisers“, mit denen er sich schmückte. Die uneingeschränkte Loyalität wurde reichlich honoriert. Der Kaiser bekräftigte sein Vertrauen in Herodes, indem er das Königreich Judäa um die Gebiete nordöstlich des Sees Genezareth erweiterte. Damit kamen die Trachonitis, die Auranitis und Batanäa unter jüdische Herrschaft. Bald darauf wurde Herodes eine beratende Funktion gegenüber dem römischen Statthalter von Syrien übertragen. Eine deutliche Abkühlung im Verhältnis zu Augustus trat ein, als Herodes in Überschreitung seiner außenpolitischen Kompetenzen eigenmächtig eine Strafexpedition gegen die Nabatäer durchführte. Für weitere Dissonanzen mit Rom sorgten die Turbulenzen um die Thronfolge. Die letzte Phase der Regierungszeit von Herodes ist durch blutige Familienkonflikte im Rahmen der Nachfolgeregelung und ein kaum noch zu entwirrendes Knäuel von Intrigen am Königshof gekennzeichnet. Aus den zehn Ehen des Herrschers mit Frauen aus der einheimischen Aristokratie oder der eigenen Großfamilie waren zahlreiche männliche Nachkommen hervorgegangen, die um das Erbe konkurrierten. Um sein ad personam gewährtes Königtum in politischer wie personeller Hinsicht für die nachfolgenden Generationen abzusichern, hatte Herodes mit Billigung des Kaisers früh seine Söhne Alexander und Aristobul aus der Ehe mit der Hasmonäerin Mariamme als Nachfolger auserkoren. Sie waren zur Erziehung nach Rom gesandt wor-
Beziehungen zu Rom
Blutige Konflikte um die Nachfolge
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Kindermörder von Bethlehem?
den, wo sie Kontakte zum kaiserlichen Hof knüpfen und sich als designierte Thronerben eines römischen Klientelkönigs auf ihre künftigen Aufgaben vorbereiten konnten. Mit ihrer Rückkehr nach Palästina, die um 17 v. Chr. erfolgte, brachen die alten Familienkonflikte am Königshof wieder auf. Alexander und Aristobul gaben sich als selbstbewusste Repräsentanten des alten Hasmonäererbes, die vom Volk begeistert aufgenommen wurden. Die Hinrichtung der Mutter hatten sie niemals überwunden und hegten Rachegelüste gegen den Vater. Gerüchte machten den Umlauf, dass sie ihn bei Augustus verklagen wollten, um selbst die Herrschaft zu übernehmen. In dieser Situation erinnerte sich Herodes seines ältesten, aus der Ehe mit Doris hervorgegangenen Sohnes Antipater, holte ihn an den Hof und setzte ihn bald auch zum Erben ein. Nachdem Herodes die Mariammesöhne zunächst erfolglos vor Augustus verklagt hatte und es zwischenzeitlich nochmals zu einer Versöhnung gekommen war, machte er ihnen 7 v. Chr. mit römischer Erlaubnis in Beirut den Prozess. Die Verhandlung endete mit dem Todesurteil wegen Hochverrats, das in Sebaste vollstreckt wurde. Als Intrigantin entscheidend an diesen Vorgängen beteiligt war Salome, die Schwester des Herodes, die schon früher den Hass des Herrschers auf alle verbliebenen Angehörigen des Hasmonäerhauses geschürt hatte. Im Volk wurden die Hinrichtungen mit Entsetzen aufgenommen. Zur Festigung seiner Macht verlangte Herodes seinen Untertanen einen weiteren Treueid ab, der um einen Loyalitätserweis gegenüber dem Kaiser erweitert wurde. Der designierte Thronerbe Antipater konnte indes den Tod des Vaters nicht erwarten und plante einen Giftanschlag auf Herodes. Daraufhin wurde er von einem Gericht unter Vorsitz des syrischen Statthalters Varus zum Tode verurteilt. Als neuen Thronfolger legte der inzwischen todkranke Herodes testamentarisch seinen Sohn Herodes Antipas aus der Ehe mit der Samaritanerin Malthake fest. Antipater ließ er fünf Tage vor seinem eigenen Tod hinrichten, nachdem aus Rom die Genehmigung dazu eingetroffen war. Angesichts des Mordens des Herodes, das auch vor seinen engsten Familienangehörigen nicht Halt machte, ist von Augustus die Aussage überliefert, es sei besser ein Schwein als ein Sohn des Herodes zu sein (Macrobius, Saturn. 2.4,11). In diese letzte Phase der Herrschaft des Herodes fällt auch die Geburt Jesu von Nazareth. Bei der Erzählung vom Kindermord in Bethlehem (Mt 2,16–18) handelt es sich um eine volkstümliche Legende, auch wenn man vereinzelt meint, Herodes sei am Ende nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen und könne durchaus einen derartigen Befehl gegeben haben. Die Erzählung, in der sich die rücksichtslose Brutalität des Herodes in Fragen des Machterhalts widerspiegelt, nimmt alttestamentliche Motive von der Rettung des jungen Moses in Ägypten auf und erinnert an römische Legenden von der göttlichen Bewahrung des Kaiserkindes. Nach der Hinrichtung Antipaters änderte Herodes sein Testament ein weiteres Mal und verfügte nun eine Aufteilung seines Königreiches. Zum Haupterben und König über Judäa, Idumäa und Samaria bestimmte er Archelaos, den älteren Bruder von Herodes Antipas. Herodes Antipas selber wurde nun lediglich mit der Stellung eines Tetrarchen über Galiläa und Peräa bedacht, während sein Halbbruder Philippos als Tetrarch über die Reichsteile im Nordosten herrschen sollte. Unmittelbar nach diesen Verfügungen starb He-
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rodes der Große in seinem Winterpalast in Jericho. Archelaos richtete seinem Vater eine prunkvolle Begräbnisfeier aus und ließ ihn entsprechend den testamentarischen Verfügungen auf der Festung Herodeion nahe Bethlehem beisetzen, wo Herodes sich schon zu Lebzeiten ein Mausoleum errichtet hatte. Im Jahr 2007 konnte dort durch Archäologen das Grab des Herodes lokalisiert werden. In der Bewertung des Herodes hat sich in der Geschichtsforschung eine deutliche Wende vollzogen. In der jüdischen wie christlichen Historiographie fiel das Urteil über Herodes lange Zeit ausgesprochen negativ aus. Aus jüdischer Sicht war dafür vor allem die Öffnung des Herodes gegenüber dem Hellenismus verantwortlich, die sich in der Förderung griechischer Kultur, Lebensart und Religiosität niederschlug. Auf christlicher Seite wirkte unverkennbar die Legende vom Kindermord in Bethlehem nach. Diese negative Wirkungsgeschichte verschleiert die unbestreitbaren Verdienste des Herodes bis zur Unkenntlichkeit. Abraham Schalit über Herodes den Großen Aber dieser Mann hat wirklich Großes für das jüdische Volk geleistet. Wäre es dem Volk und dem König vergönnt gewesen, einander zu verstehen, so würde die Regierung des Herodes im Gedächtnis des Volkes einen Ehrenplatz einnehmen, nicht weniger als die Regierung Davids, da die politischen Erfolge des Herodes hinter denen Davids nicht zurückstanden, ja angesichts der widrigen Zeitumstände, gegen die Herodes anzukämpfen hatte, vielleicht noch höher als die Davids zu veranschlagen sind. Die politischen Leistungen des Herodes, deren Wert nicht angezweifelt werden kann, und der Fluch, der im Gedächtnis des Volkes auf dem Mann und seinem Werke liegt, sind die beiden Seiten desselben tragischen Schicksals, das den Herodes in Leben und Tod verfolgt hat. Man kann die Mitwelt verstehen, die die Taten des Mannes im öffentlichen und Privatleben mit Abscheu und Entsetzen erfüllten. Wir aber, die wir aus einer Distanz von zwei Jahrtausenden den Lebensweg dieses Mannes betrachten und es leichter haben, Licht und Schatten im Menschenleben zu erkennen, sollten Verdienst und Schuld gerecht gegeneinander abwägen, nachdem wir alle zeitbedingten Momente aus der Rechnung ausgeschaltet haben. Und so können wir uns der Tatsache nicht verschließen, dass in der römischen Orientierung des Herodes ein überaus wertvoller Kern steckte, und dass, wenn die Führer der Nation es verstanden hätten, diesen zuguns ten der Nation zu nutzen, sie vielleicht vermocht hätten, derselben das furchtbare Unheil zu ersparen, das in den letzten siebzig Jahren des Bestandes des Zweiten Tempels über sie hereinbrach. Aus dieser Perspektive müssen wir Herodes betrachten, wenn wir ein gerechtes Urteil über ihn gewinnen wollen. Wenn wir uns in unserem Urteil freimachen von der Meinung der Zeitgenossen, die natürlich durch ihre allzu große Nähe zu den Taten des Königs und seinen menschlichen Schwächen behindert waren, werden wir ihn als einen der großen politischen Bahnbrecher des jüdischen Volkes im Altertum verstehen, einen Mann von mutigem Herzen und scharfem Verstand. (A. SCHALIT, König Herodes, Berlin/New York 22001, 674f.)
Bei aller Grausamkeit und Härte, mit der Herodes zweifellos regierte, verfolgte er mit großem diplomatischem Geschick die Einbeziehung Judäas in die hellenistisch-römische Weltkultur. Er war sich der Abhängigkeit von Rom und der daraus resultierenden eingeengten Handlungsspielräume bewusst. In diesem Rahmen machte er aus Überzeugung wie aus machtpolitischem
Bewertung des Herodes
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Kalkül die bedingungslose Gefolgschaft gegenüber Rom und die konsequente Einbindung seines Territoriums in das Römische Reich zum Garanten seiner erfolgreichen Herrschaft. Die hasmonäische Politik der Zwangsjudaisierung setzte er in seinem ethnisch heterogenen Königreich nicht fort, sondern trat für ein Miteinander von Juden und Griechen ein. Bei allem Eifer für die griechische Kultur nahm er in hohem Maße Rücksicht auf die religiösen Gefühle des Volkes und verschaffte dem Judentum im gesamten Imperium immenses Ansehen. Durch umfangreiche Baumaßnahmen und eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität wurde der Wohlstand der Bevölkerung nachhaltig gefördert. Josephus zufolge äußerte Herodes anlässlich des geplanten Tempelneubaus öffentlich die Überzeugung, er habe das jüdische Volk zu einem noch nie dagewesenen Glück empor geführt (Ant. 15,383). Diese Einschätzung ist im geschichtlichen Rückblick auf seine Herrschaft sicher nicht ganz falsch. Herodes bescherte dem Land Frieden und Wohlstand, wie es ihn seit den Tagen Salomos nicht mehr erlebt hatte. Mit dem Tod des Herodes ist zugleich der schleichende Verfall der relativen politischen Unabhängigkeit des jüdischen Staatswesens verbunden.
5. Die Zeit nach Herodes bis zum Jüdischen Krieg (4 v. Chr.–66 n. Chr.) 4 v. Chr.–6 n. Chr. 4 v. Chr.–34 n. Chr. 4 v. Chr.–39 n. Chr. 6–41 n. Chr. 14–37 n. Chr. 18–36 n. Chr. 26–36 n. Chr. 30 n. Chr. 37–41 n. Chr. 41–44 n. Chr. 41–54 n. Chr. ab 44 n. Chr. 54–68 n. Chr.
Tetrarchie des Archelaos Tetrarchie des Philippos Tetrarchie des Herodes Antipas Römische Provinz Judäa Kaiser Tiberius Joseph Kaiphas Hoherpriester Statthalter Pontius Pilatus Kreuzigung Jesu Kaiser Caligula Königtum von Agrippa I. Kaiser Claudius Römische Provinz Judäa unter Einschluss von Galiläa und Peräa Kaiser Nero
5.1 Judäa unter Archelaos und der Herrschaft römischer Statthalter Unmittelbar nach dem Tod des Herodes brachen die Spannungen und Gegensätze in seinem bis dahin mit harter Hand regierten Reich offen aus. Für zusätzliche Unruhe sorgten die Auseinandersetzungen um sein Erbe. Bei dem Königtum des Herodes hatte es sich um eine ihm persönlich gewährte Herrschaftsgewalt gehandelt, die mit dem Tod erlosch. Herodes war zwar von Augustus das Recht eingeräumt worden, seinen Nachfolger selbst zu bestimmen, doch lag die Entscheidung über die Zukunft Judäas letztlich in der Hand Roms. Deshalb begab sich Archelaos in die Hauptstadt, um von Augustus als legitimer Erbe der Königswürde anerkannt zu werden. Vermutlich spielt das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Lk 19,11–27) auf diese zeitgeschichtliche Situation an. Dort zieht ein bei seinen Untertanen verhasster Herrscher in ein fernes Land, um sich sein Königtum bestätigen zu lassen, während das Volk eine Abordnung entsendet, die dies zu verhindern sucht. Zur gleichen Zeit erhob jedenfalls eine jüdische Delegation bei Augustus die Forderung, der Provinz Syrien eingegliedert und von einem römischen Statthalter regiert zu werden, um im Rahmen einer theokratischen Verfassung nach den väterlichen Gesetzen leben zu können. Dafür waren auch erste negative Erfahrungen mit Archelaos ausschlaggebend, der unmittelbar nach dem Tod des Herodes in Jerusalem am Passahfest einen offenkundig von Pharisäern getragenen Aufstand brutal niedergeschlagen hatte. Auslöser der Proteste war seine Weigerung gewesen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, die nach der Affäre um den goldenen Adler am Tempeltor die Hinrichtung der Gesetzeslehrer Judas und Matthias angeordnet hatten. In Rom erhielt Archelaos bald von seinem Halbbruder Philippos Unterstützung, den er zunächst als Reichsverwalter in Palästina zurückgelassen hatte. Der im früheren Testament des Herodes als alleiniger Thronfolger
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Unruhen in Palästina
Herrschaft des Archelaos
eingesetzte Herodes Antipas sprach ebenfalls beim Kaiser vor und reklamierte die Herrschaft für sich. Zu allem Überfluss sorgte auch noch ein Betrüger für Unruhe, der sich als der 7 v. Chr. hingerichtete Herodessohn Alexander ausgab und von der Judenschaft Roms zum König ausgerufen wurde. In Palästina eskalierte die Situation währenddessen durch das Vorgehen des kaiserlichen Schatzverwalters Sabinus, der das herodianische Vermögen zu beschlagnahmen begann und mit dieser unverhohlenen Machtgeste Roms das jüdische Volk provozierte. Im Verlauf des Pfingstfestes kam es daher zur organisierten Belagerung der von Syrien nach Jerusalem verlegten römischen Streitkräfte, die ihrerseits den Tempel plünderten. Verschärft wurden die inneren Unruhen im Land dadurch, dass vielerorts Freiheitskämpfer den Versuch unternahmen, die Herrschaft an sich zu reißen. Es handelte sich um eine Reihe unkoordinierter Aufstände, die durch messianische Sehnsüchte nach einer jüdischen Herrschergestalt mit charismatischer Ausstrahlungskraft motiviert waren und starken Rückhalt in den ländlichen Bevölkerungsschichten hatten. In Sepphoris stürmten Rebellen das Zeughaus und zettelten einen bewaffneten Aufstand an. Bei ihrem Anführer Judas handelte es sich wahrscheinlich um Judas den Galiläer, den späteren Begründer der zelotischen Bewegung. Zur gleichen Zeit ließ sich im Ostjordanland Simon, ein ehemaliger Sklave des Herodes, zum König krönen und legte dann den Palast von Jericho in Schutt und Asche, ehe er von den Römern enthauptet wurde. Auch ein offenkundig in der Tradition des makkabäischen Befreiungskampfes stehender Schafhirt namens Athronges reklamierte den Königstitel, scharte gemeinsam mit seinen Brüdern bewaffnete Truppen um sich und griff in Emmaus ein römisches Getreide- und Waffenlager an. In Idumäa rebellierten ehemalige Soldaten des Herodes. Wiederhergestellt wurde die Ordnung durch Varus, der zu jener Zeit Statthalter von Syrien war und ungleich erfolgreicher agierte als bei seiner späteren kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Cheruskerfürsten Arminius. Er rückte von Antiochia aus mit zwei Legionen, die durch Truppen des Nabatäerkönigs Aretas IV. verstärkt wurden, in das Land ein. Die aufständischen Städte Emmaus und Sepphoris wurden zerstört, die Einwohner von Sepphoris zudem in die Sklaverei verkauft. Im Verlauf der von ihm niedergeschlagenen Unruhen ließ Varus um die zweitausend Juden kreuzigen. All diese Entwicklungen spielten sich zu jener Zeit ab, als Archelaos, Herodes Antipas und Philippos in Rom weilten, um die Entscheidung des Augustus über die Zukunft des Herodesreiches abzuwarten. Dieser bestätigte schließlich mit geringfügigen Änderungen das letzte Testament des Herodes. Archelaos konnte die Herrschaft über Judäa, Samaria und Idumäa als tributpflichtiges Territorium antreten. Allerdings musste er auf die Königswürde verzichten und mit dem Titel eines Ethnarchen Vorlieb nehmen. Außerdem wurden die bedeutsamen Städte Gaza, Gadara und Hippos auf deren eigenen Wunsch aus dem Herrschaftsgebiet des Archelaos ausgegliedert und der Provinz Syrien zugeschlagen. Herodes Antipas hatte sich mit der Herrschaft über Galiläa und Peräa zu begnügen. Philippos schließlich wurde als Tetrarch über den sich nordöstlich des Sees Genezareth erstreckenden Teil des Herodesreiches eingesetzt. Beim Antritt seiner Herrschaft war Archelaos von Augustus die Königswürde in Aussicht gestellt worden, sofern er sich dafür empfehle. Davon konnte
Judäa unter Archelaos und der Herrschaft römischer Statthalter
allerdings keine Rede sein. Aus seiner Herrschaftszeit sind zwar einige Baumaßnahmen hervorzuheben, darunter die Rekonstruktion des bei Unruhen zerstörten Palastes von Jericho und die Errichtung eines Aquädukts nördlich der Stadt. Von allen Söhnen des Herodes hatte Archelaos aber die schlechteste Reputation. Josephus schildert ihn als ungerechten und brutalen Herrscher. Dieses Bild spiegelt sich auch in der Bibel wider. Nach der Rückkehr aus Ägypten soll Joseph das Territorium von Judäa aus Furcht vor Archelaos gemieden haben und mit seiner Familie nach Galiläa in das Herrschaftsgebiet des Herodes Antipas übergesiedelt sein (Mt 2,22). Zudem zog Archelaos dadurch Kritik auf sich, dass er Glaphyra, die Witwe seines von Herodes dem Großen hingerichteten Halbbruders Alexander, heiratete. Die Schwagerehe ist von der Tora nur für den Fall vorgesehen, dass der Bruder kinderlos verstarb (Dtn 25,5). Da aus der Bindung von Glaphyra und Alexander mehrere Kinder hervorgegangen waren, verstieß Archelaos mit dieser Heirat gegen das jüdische Gesetz. Weiteren Unmut erregte er durch die willkürliche Absetzung des Hohenpriesters Joazar. Im Jahr 6 n. Chr. begab sich eine Delegation jüdischer und samaritanischer Aristokraten nach Rom, um beim Kaiser die Absetzung des Archelaos einzufordern. Da Augustus dem Anliegen stattgab und Archelaos nach Gallien verbannte, müssen schwere Anschuldigungen gegen ihn vorgebracht worden sein. Während Herodes der Große jahrzehntelang ein Garant römischer Interessen im Osten war und die Gegensätze in seinem Reich zusammengehalten hatte, war Archelaos dazu ganz offenkundig nicht in der Lage. Sowohl Philippos als auch Herodes Antipas bemühten sich vergeblich darum, Archelaos zu beerben. Seine Tetrarchie wurde in die Provinz Judäa umgewandelt und der direkten Herrschaft Roms unterstellt. Dies hatte eine Steuerschätzung durch den syrischen Statthalter Quirinius zur Folge, der als kaiserlicher Sonderbeauftragter tätig wurde. Der Zensus war von Augustus in den Provinzen des Reiches zur Bemessung der Kopfsteuer und Grundsteuer eingeführt worden. Mit der Neueinrichtung einer Provinz mussten sich all deren Bewohner, die nicht das römische Bürgerrecht besaßen, einem in regelmäßigen Abständen wiederholten Zensus unterziehen, mit dem sich die Behörden Einblick in die Zahl der kopfsteuerpflichtigen Personen und deren Vermögensverhältnisse verschafften. Da zwischen der Geburt Jesu gegen Ende der Regierungszeit des Herodes und der Einrichtung der Provinz Judäa eine Lücke von mindestens zehn Jahren klafft, ist Lukas in der Weihnachtsgeschichte (2,1–4) ein chronologischer Irrtum unterlaufen. Alle Versuche, einen Zensus des Quirinius zur Zeit der Geburt Jesu plausibel zu machen, scheitern daran, dass sich eine syrische Statthalterschaft des Quirinius zu Lebzeiten von Herodes dem Großen nicht belegen lässt und von römischer Seite keinerlei Veranlassung bestand, in einem nach innen autonomen Klientelkönigtum wie dem Herodesreich einen Zensus durchzuführen. Der mit Einrichtung der Provinz Judäa erstmalig abgehaltene römische Zensus markierte die Geburtsstunde der zelotischen Bewegung, die sich zum Widerstand gegen die Steuerschätzung formierte. Jenseits des sozialen Aspektes, dass die Steuern schwer auf dem Rücken der durch die religiösen Abgaben zusätzlich beanspruchten jüdischen Bevölkerung lasteten, wurde der Zensus zum Symbol der römischen Fremdherrschaft, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen galt. In dieser Situation griff der 4 v. Chr. von Arche-
Provinz Judäa und Census des Quirinius
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laos abgesetzte und später ins Amt zurückgekehrte Hohepriester Joazar, ein Sohn des Boethos, mäßigend ein und half, den Widerstand der Bevölkerung gegen die Registrierung in den Steuerlisten zu brechen.
Exkurs: Die Zeloten
Zeloten und Sikarier
Judas der Galiläer
Neben den Pharisäern, Sadduzäern und Essenern war die von Judas dem Galiläer begründete Bewegung die vierte bedeutsame Religionspartei des antiken Judentums. Terminologisch zeichnen die Quellen kein einheitliches Bild dieser Widerstandsbewegung, bei der es sich um die treibende Kraft im bewaffneten Kampf gegen die römische Herrschaft handelte. Bei Josephus werden die Mitglieder der Freiheitsbewegung allgemein als Neuerer, Aufständische oder Räuber apostrophiert, die in Gegnerschaft zur staatlichen Ordnung stehen. Daneben spricht er in bestimmten Zusammenhängen auch von Zeloten und Sikariern. Während die allgemeinen Bezeichnungen des Josephus darauf abzielen, die Angehörigen der Aufstandsbewegung bewusst in die Ecke gewöhnlicher Krimineller zu rücken, haben die Freiheitskämpfer selbst sich vermutlich von Anfang an als Zeloten (Eiferer) bezeichnet, auch wenn der Begriff bei Josephus erst im Kontext des Jüdischen Krieges begegnet und dort bestimmten Splittergruppen innerhalb der Bewegung vorbehalten bleibt. Mit ihrem Namen suchten die Zeloten der Tatsache Ausdruck zu verleihen, dass von ihnen der seit der Makkabäerzeit zentrale Gedanke des Eifers für Gott und das Gesetz angesichts der römischen Fremdherrschaft erneut angefacht wurde. Alttestamentliches Vorbild war der Priester Pinhas mit seinem gewalttätigen Eifer für die Befreiung der Jahwereligion von heidnischen Einflüssen (Num 25). Die erst unmittelbar vor dem Jüdischen Krieg aufgekommene und vermutlich von den römischen Behörden geprägte Bezeichnung Sikarier geht auf eine neue Taktik der Bewegung zurück, die den bewaffneten Kampf nun vom offenen Land nach Jerusalem trug und dort die Bevölkerung durch Attentate verunsicherte. Der Begriff leitet sich vom lateinischen sica (Krummdolch) ab und bezeichnet allgemein den bewaffneten Gewaltverbrecher. Die Freiheitskämpfer trugen einen Dolch unter dem Gewand und metzelten damit in größeren Menschenmengen Römer oder Sympathisanten der Besatzungsmacht nieder, wobei der Hohepriester Jonathan das prominenteste Opfer war. Nennenswerte Unterschiede zwischen Zeloten und Sikariern sind nicht auszumachen. Josephus bezeichnet zwar in seiner Darstellung der Endphase des Jüdischen Krieges die Aufständischen in Jerusalem als Zeloten und benutzt den Begriff Sikarier vor allem zur Charakterisierung jener Freiheitskämpfer, die sich auf der Festung Masada verschanzt hatten, hält diese terminologische Zuordnung aber nicht streng durch. Andere Quellen sprechen unterschiedslos von Zeloten oder Sikariern. Die Aufstandsbewegung war zwar in unterschiedliche Gruppen zersplittert, wurde aber von einer einheitlichen religiös-politischen Ideologie getragen. Als geschichtliche Größe tritt die bei Josephus zunächst namenlos bleibende Religionspartei erstmals 6 n. Chr. im Zusammenhang mit der Steuerschätzung des Quirinius in Erscheinung. Ihr Begründer, Judas der Galiläer, ist wohl mit jenem Judas identisch, der zehn Jahre zuvor in Sepphoris
Exkurs: Die Zeloten
schwere Unruhen hervorgerufen hatte und ein Sohn des von Herodes hingerichteten Bandenführers Hiskia war. Hiskia kann als Repräsentant eines sozialen Banditentums gelten, das sich offenbar bald nach dem Einmarsch des Pompeius als Reaktion auf die gesellschaftlichen Umwälzungen und steigenden Steuerlasten gebildet hatte. Ähnliche Aufrührer wurden später von Herodes in der Umgebung von Arbela bekämpft, wo sie sich in schwer zugänglichen Höhlen verborgen hielten. Dieses soziale Banditentum, dem auch religiöse Motive nicht gänzlich abgesprochen werden können, richtete sich gleichermaßen gegen die Repräsentanten der römischen Fremdherrschaft wie gegen deren jüdische Kollaborateure und stellte eine Vorform der zelotischen Erhebung dar. Während Herodes der Große diese Aufrührer gegen die politische Ordnung unter Kontrolle halten konnte, traten sie nach seinem Tod sogleich wieder in Aktion, indem sie die königlichen Paläste und die Villen der Reichen überfielen. Judas der Galiläer hat dann den entscheidenden Schritt vom sozialen Banditentum zur Religionspartei vollzogen, indem er der Bewegung ein klares Profil mit tragfähigem ideologischem Unterbau und festen Organisationsstrukturen gab. Josephus über die Entstehung der Religionspartei des Judas Galilaios Quirinius, einer von den römischen Senatoren, der alle anderen öffentlichen Ämter bereits bekleidet und bis zum Konsul durchlaufen hatte und übrigens ein Mann war, der in hoher Achtung stand, kam mit wenigen Begleitern nach Syrien, vom Kaiser zum Rechtspfleger über das Volk berufen und mit der Vermögensschätzung betraut. Coponius aus dem Ritterstand wurde mit ihm gesandt, damit er mit allen Vollmachten über die Juden herrsche. Auch Quirinius fand sich in Judäa ein, das mit Syrien verbunden war, um ihr Eigentum zu schätzen und die Güter des Archelaos zu verkaufen. Die Juden nahmen die Schätzung zunächst übel, gaben jedoch allmählich auf Zureden des Hohenpriesters Joazar, des Sohnes von Boethos, ihren Widerstand auf. Nachdem sie sich den Worten Joazars gefügt hatten, ließen sie die Schätzung ihres Vermögens anstandslos geschehen. Aber ein gewisser Judas, ein Gaulaniter aus einer Stadt namens Gamala, der einen Pharisäer Zadok hinzugewonnen hatte, trieb zum Aufstand an. Sie sagten, die Schätzung bringe nichts anderes als geradezu Sklaverei, und riefen das Volk zum Schutz der Freiheit auf … Judas und Zadok nämlich, die eine vierte Philosophenschule gegründet und bereits zahlreiche Anhänger um sich versammelt hatten, brachten nicht nur augenblicklich den Staat in grenzenlose Verwirrung, sondern setzten auch durch eine derartige noch nie gehörte Lehre die Wurzeln zu den in späterer Zeit eingetroffenen Übeln. (JOSEPHUS, Antiquitates 18, 1–4.9)
Als weitere Gründergestalt neben Judas begegnet der Pharisäer Zadok. Während der Zelotismus seine sozialen Wurzeln im revolutionären Banditentum hatte, stellte er in religiöser Hinsicht eine radikale Abspaltung vom Pharisäismus dar. Der Hauptunterschied gegenüber den Pharisäern war ein vom ersten Gebot abgeleitetes revolutionär-politisches Programm von der Alleinherrschaft Gottes, das eine Anerkennung des Kaisers als Herrn ausschloss. Die zelotische Lehre vom alleinigen Königtum Gottes über Israel ließ die weltliche Herrschaft Roms, wie sie in der Provinz Judäa ausgeübt wurde, als unvereinbar mit der Tora erscheinen. Nach der römischen Rechtsauffassung der Kaiserzeit, welche die Grundlage der Provinzialsteuern bilde-
Lehre der Zeloten
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Zelotisches Gentilcharisma
te, gingen Grund und Boden der besiegten Völker in den Besitz Roms über. Der Zensus und die damit verbundene Anerkennung des Augustus als Herrn über das Land stellten für die Zeloten eine Grundsatzfrage dar, die auch um den Preis eines Konfliktes auf Leben und Tod nur mit einem entschiedenen Nein beantwortet werden konnte. Nie zuvor im Judentum war die Unterwerfung unter fremde Herrscher derart kategorisch abgelehnt worden, wie dies nun unter Judas und Zadok erfolgte. Die radikale theokratische Ideologie ließ die Zeloten in einen unüberbrückbaren Gegensatz zur römischen Besatzungsmacht und zu allen Juden rücken, die mit ihr zusammenarbeiteten. Das Ziel der Aufstandsbewegung war die Befreiung des erwählten Gottesvolkes vom römischen Joch und die Reinigung des heiligen Landes von Gesetzesübertretern. Mit dieser religiös-politischen Programmatik verband sich eine nicht zu übersehende soziale Komponente der zelotischen Bewegung, die in der unter den wirtschaftlichen Verhältnissen in besonderem Maße leidenden Landbevölkerung Palästinas ihren stärksten Rückhalt hatte und auf die Etablierung einer gerechten Gesellschaftsordnung drängte. Freiheit erschöpfte sich für die Zeloten nicht in der politischen Befreiung von der Fremdherrschaft und der Wiederherstellung einer gerechten Sozialordnung, sondern hatte eschatologische Dimensionen. Die Proklamation der Alleinherrschaft Gottes markierte aus zelotischer Perspektive den ersten Schritt zur endzeitlichen Erlösung Israels. In diesem Zusammenhang gewann die Vorstellung eines revolutionären Synergismus Raum. Die Zeloten waren der Überzeugung, dass man Gottes endzeitliches Heilshandeln herbeiführen und aktiv bei der Durchsetzung der Alleinherrschaft Gottes mitwirken könne. Schon Judas hatte die Pflicht zur Steuerverweigerung in diesem Sinne begründet. Anschauliche Beispiele liefern zudem die im unmittelbaren Umfeld der zelotischen Bewegung anzusiedelnden Zeichenpropheten, die auch im Neuen Testament erwähnt werden (Apg 5,36; 21,38). Sie mobilisierten mit der Ankündigung von Wundern, wie sie beim Exodus oder der Landnahme geschehen waren, große Volksmengen und verbanden damit die Hoffnung, das endzeitliche Eingreifen Gottes, die Befreiung von römischer Fremdherrschaft und den Anbruch der Heilszeit herbeizwingen zu können. Judas der Galiläer starb eines gewaltsamen Todes (Apg 5,37), ohne dass die näheren Umstände bekannt wären. Mit seinen revolutionären Thesen drückte er der gesamten jüdischen Freiheitsbewegung seinen Stempel auf und begründete eine Dynastie, deren Mitglieder dank ihres Gentilcharismas eine besondere Machtstellung innehatten und über mehrere Generationen hinweg eine führende Rolle im Kampf gegen die Römer spielten. Zwei Söhne des Judas, Simon und Jakob, wurden unter dem römischen Statthalter Tiberius Alexander (46–48) gekreuzigt. Ihr Bruder Menachem zog zu Beginn des Jüdischen Krieges mit seinen bewaffneten Anhängern als messianischer König in Jerusalem ein und hatte die Stadt zeitweise unter Kontrolle, bevor er von priesterlichen Aufständischen ermordet wurde. Bei Eleazar ben Jair, der gegen Ende des Jüdischen Krieges die Befehlsgewalt über Masada ausübte und die Festung erbittert gegen die römischen Belagerer verteidigte, handelte es sich um einen Enkel des Judas. Johannes von Gischala und Simon bar Giora mit ihren konkurrierenden Aufstandsbewegungen, die letztlich den Untergang Jerusalems und die Zerstörung des Tempels heraufbeschworen, teilten die religiös-politischen Grundanschauungen der von Judas
Exkurs: Die Zeloten
begründeten Bewegung, indem auch sie dem Ideal der radikalen Theokratie und dem Eifer für das Gesetz verpflichtet waren. Josephus führt die Katastrophe des Jahres 70 unmittelbar auf die Lehren des Judas zurück. Selbst nach dem Untergang Jerusalems und der Eroberung Masadas lebte das zelotische Gedankengut weiter, ohne das die Judenrevolte unter Traian und der BarKochba-Aufstand nicht verständlich wären. Mit Simon dem Zeloten (Lk 6,15) befand sich ein früherer Anhänger der Aufstandsbewegung unter den Jüngern Jesu. Vereinzelt hält man auch Judas Iskarioth für einen Zeloten, doch ist die etymologische Erklärung seines Beinamens als Sikarier mehr als zweifelhaft. Deutlich die Züge eines Zeloten trägt hingegen der an Jesu Stelle von Pontius Pilatus freigelassene Barabbas. Bei den gemeinsam mit Jesus gekreuzigten „Räubern“ könnte es sich ebenfalls um Anhänger der Freiheitsbewegung gehandelt haben. Jesus selber finden wir in den Evangelien zwar nicht in offener Auseinandersetzung mit den Zeloten, doch gibt es mehrere Evangelientexte, die erst auf dem Hintergrund des Zelotentums in ihrer vollen Bedeutung verständlich werden. Die Antithesen von der Wiedervergeltung und Feindesliebe (Mt 5,38–48) gewinnen im Lichte des gewaltsamen Befreiungskampfes der Zeloten und ihres Hasses auf die Römer besondere Sprengkraft. In Mk 8,10–12 wehrt Jesus sich möglicherweise gegen das Missverständnis, ein zelotischer Zeichenprophet zu sein. In dem Streitgespräch Mk 12,13–17 erklärt Jesus die Entrichtung von Steuern an den Kaiser für rechtmäßig und setzt sich damit klar von der Lehre der Zeloten ab. Die Umwandlung der Tetrarchie des Archelaos in eine römische Provinz hatte weit reichende Folgen. Seine Besitzungen wurden beschlagnahmt und veräußert. An die Stelle einer von Rom abhängigen herodianischen Monarchie trat eine aristokratisch-priesterliche Oligarchie unter direkter römischer Kontrolle. Die Regierungsgewalt samt Kapitalgerichtsbarkeit und Steuerhoheit lag in den Händen des römischen Statthalters, über den der ranghöhere und jederzeit zum Eingreifen berechtigte Legat von Syrien die Dienstaufsicht führte. Damit wurde die imperatorische Provinz Judäa zu einem Appendix der Provinz Syrien. Der Statthalter, der seinen Amtssitz in Caesarea Maritima hatte, trug den militärischen Titel eines Präfekten. Dies belegt der 1961 bei Ausgrabungen gefundene Pilatusstein mit seiner von Pontius Pilatus in Auftrag gegebenen Bauinschrift für ein Tiberieum, bei dem es sich um einen Leuchtturm gehandelt haben könnte. Der Statthalter von Judäa war Oberbefehlshaber der römischen Truppen im Land und höchste Instanz in allen Fragen, die das Recht und die Finanzen betrafen. In Jerusalem hielt er sich nur an hohen Feiertagen auf und residierte dann im Prätorium (Mk 15,16), das sich vermutlich im Herodespalast befand. Vom Kaiserkult blieb das jüdische Volk befreit. Zum Erweis der Loyalität wurde stattdessen im Tempel zweimal täglich ein Opfer für den Kaiser und die römische Nation dargebracht. Für innere Angelegenheiten war das Synhedrion zuständig. Es bestand aus siebzig Mitgliedern, den Hohenpriester nicht eingerechnet, und wurde von den Sadduzäern dominiert. Als jüdisches Parlament und oberster Gerichtshof gewann das Synhedrion eine bis dahin nicht gekannte Bedeutung, indem es sich zur höchsten innenpolitischen Entscheidungsinstanz und zum zentralen Organ jüdischer Selbst-
Jesus und die Zeloten
Die Provinzialverwaltung
Befugnisse des Synhedrions und Hohenpriesters
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Die Zeit nach Herodes bis zum Jüdischen Krieg
Tiberius
verwaltung entwickelte. Auch vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum seit dem Einmarsch des Pompeius nach Palästina immer wieder Stimmen im Judentum laut geworden waren, die anstelle eines eigenständigen Königtums eine theokratische Staatsform mit direkter Unterstellung unter römische Herrschaft forderten. Dies hatte nicht nur religiöse, sondern auch politische Gründe. Während die jüdische Aristokratie unter den hasmonäischen und herodianischen Herrschern weitgehend zur Bedeutungslosigkeit verurteilt und der Willkür ausgeliefert gewesen war, verzeichnete sie nach Einrichtung der römischen Provinz Judäa einen enormen Machtzuwachs, indem sie im Synhedrion alle maßgeblichen Entscheidungen in den inneren Angelegenheiten des Landes traf. Vermutlich war das Synhedrion auch für die Erhebung der an Rom abzuführenden direkten Steuern verantwortlich, während Zölle und Wegegelder in der Hand von Kleinpächtern lagen. Auch die Rolle des an der Spitze des Synhedrions stehenden Hohenpriesters erfuhr gegenüber der herodianischen Zeit einen grundlegenden Wandel. Zusätzlich zu seinen traditionellen kultischen Funktionen gewann der Hohepriester nun wieder politische Macht, indem er zum obersten Repräsentanten des jüdischen Volkes gegenüber den Römern wurde und letztlich die Hauptverantwortung für die Innenpolitik trug. Er wurde vom römischen Statthalter eingesetzt, der das hohepriesterliche Gewand in der Burg Antonia verwahrte und nur zu den hohen jüdischen Feiertagen herausgab. Dieses Verfahren hatte auch bereits Herodes der Große praktiziert. An Stelle von Joazar, der wegen seines Engagements zu Gunsten des Zensus im Volk nicht mehr als tragbar erschien, wurde bald Ananos (Hannas) von Quirinius zum Hohenpriester ernannt. Er war das Oberhaupt eines Priestergeschlechts, das nun die seit den Tagen des Herodes vorherrschende Priesterfamilie des Boethos verdrängte. Auch nach seiner Absetzung 15 n. Chr. beherrschte Ananos die Innenpolitik (Apg 4,6), zumal in der Folgezeit bis zur Tempelzerstörung nahezu alle Hohenpriester aus den Reihen seiner Familie kamen. Während Quirinius als kaiserlicher Sonderbeauftragter die administrativen Voraussetzungen für die Steuererhebung schuf, amtierte Coponius als erster Statthalter der römischen Provinz Judäa. Unter ihm brachen die alten Konflikte zwischen Juden und Samaritanern wieder auf. Samaritaner verstreuten während des Passahfestes Leichenteile im Jerusalemer Tempel, um ihn kultisch zu verunreinigen. Zunächst wechselten die Statthalter im Rhythmus von drei Jahren. Unter der Herrschaft des Tiberius trat dann eine Änderung ein. Tiberius war in mancherlei Hinsicht eine tragische Figur. Sein Stiefvater Augustus hatte ihn nur unter großen Bedenken und aus Mangel an Alternativen zum Nachfolger bestimmt. Tiberius verfügte zwar über ausgeprägte intellektuelle Fähigkeiten und hatte vorübergehend der politischen Laufbahn völlig entsagt, um in Rhodos das Philosophiestudium zu vertiefen. Als Kaiser fand er aber zwischen dem Anspruch, die republikanische Idee aufrechtzuerhalten, und der Notwendigkeit, den Prinzipat auszubauen, keine klare Linie. Das Verhältnis zum Senat war zunehmend von Misstrauen und Argwohn geprägt, und das Denunziantentum hatte Hochkonjunktur. Vor allem gegen Ende seiner Herrschaft erwirkte Tiberius unzählige Todesurteile wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrat. Die Vergöttlichung wurde ihm nach seinem Tode vom Senat verwehrt.
Judäa unter Archelaos und der Herrschaft römischer Statthalter
Diese Schattenseiten seiner Herrschaft können nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit ihm ein erfahrener Militär und tatkräftiger Administrator an die Spitze des römischen Gemeinwesens gerückt war. Tiberius konsolidierte die Finanzen und vertraute die Verwaltung der Provinzen bewährten Beamten an. Dabei war es ein auffälliges Merkmal seiner Politik, die Statthalter über einen möglichst langen Zeitraum im Amt zu belassen. Damit schuf er auch in Judäa Kontinuität und Stabilität. Während seiner gesamten Regierungszeit hatten nur zwei Personen die Position des Präfekten von Judäa inne, nämlich Valerius Gratus (15–25 n. Chr.) und Pontius Pilatus (25–36 n. Chr.). Von Valerius Gratus ist neben Klagen der Bevölkerung über die Steuerlast lediglich bekannt, dass er zu Beginn seiner Amtszeit drei unterschiedliche Hohepriester einsetzte und sogleich wieder des Amtes enthob, bis er in Kaiphas, dem Schwiegersohn des Ananos (Joh 18,13), offenbar den geeigneten Kandidaten gefunden hatte. Von ungleich größerer Bedeutung war Pontius Pilatus, der nicht nur im Neuen Testament, sondern auch bei Philo und Josephus eine zentrale Rolle spielt. Er verdankte seine Ernennung wahrscheinlich dem Prätorianerpräfekten und Judenfeind Seianus, der lange Zeit der engste Vertraute und einflussreichste Ratgeber des Tiberius war. Bereits die biblische Tradition zeichnet ein verzerrtes Bild von Pontius Pilatus als gütigem Statthalter, der seine Hände in Unschuld wäscht und die Kreuzigung Jesu nur widerwillig vollzieht. In den neutestamentlichen Apokryphen setzt sich diese Entschuldungsstrategie fort. In den Pilatusakten, bei denen es sich um fiktive Protokolle zum Prozess Jesu handelt, versucht der Statthalter mit allen Mitteln die Kreuzigung zu verhindern. Breit bezeugt ist ein angeblicher Brief an den Kaiser, in dem Pilatus allein die Juden für den Tod Jesu verantwortlich macht und den Vorschlag unterbreitet, Jesus vom römischen Senat zum Gott erklären zu lassen. Auch um das Ende des Pilatus ranken sich bunte Legenden. Bei dem Kirchengeschichtsschreiber Euseb ist von Selbstmord als gerechter göttlicher Strafe für die Kreuzigung Jesu die Rede. Die apokryphe „Auslieferung des Pilatus“ weiß dagegen von einer Enthauptung des Statthalters durch Kaiser Tiberius zu berichten, der erbost darüber gewesen sein soll, dass Pilatus Jesus hinrichten ließ, obwohl er in ihm den Messias erkannt hatte. Dabei wird der römische Statthalter als unschuldiges Werkzeug der Juden und bekennender Christ porträtiert, dessen Haupt nach dem Märtyrertod sofort von einem Engel in den Himmel aufgenommen wird. Von der äthiopischen und koptischen Kirche wird Pontius Pilatus als Heiliger verehrt. Bei kritischer Analyse des Passionsberichtes der Evangelien und Heranziehung der jüdischen Quellen stellt sich seine Person ganz anders dar. Zu Beginn seiner Amtszeit beschwor Pontius Pilatus durch provokative Demonstrationen kaiserlicher Macht schwerwiegende Konflikte mit dem Judentum herauf. Bei Philo ist ein Schreiben von Agrippa I. überliefert, dem zufolge Pontius Pilatus im Herodespalast in Jerusalem vergoldete Schilde anbringen ließ, die zwar keine figürliche Darstellung enthielten und damit keinen Verstoß gegen das alttestamentliche Bilderverbot darstellten, aber den Namen des Kaisers nannten und dadurch Protest hervorriefen. Vermutlich wurde Tiberius auf den Standarten als Sohn des göttlichen Augustus bezeichnet. Ein Bittgesuch der Herodessöhne soll dazu geführt haben, dass der Kaiser persönlich die Entfernung der anstößigen Schilde aus Jerusalem anordne-
Pontius Pilatus
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Kreuzigung Jesu
Das Ende des Pilatus
te. Josephus berichtet von einem ähnlichen, vielleicht sogar damit identischen Vorfall. Seiner Darstellung nach ließ Pontius Pilatus römische Feldzeichen mit dem Abbild des Kaisers nach Jerusalem bringen, was als eklatanter Verstoß gegen das Bilderverbot des Dekalogs empfunden wurde. Die Vorgänger des Pilatus hatten mit Rücksicht auf die religiösen Gefühle des Judentums beim Einzug in Jerusalem stets Standarten ohne Bilder verwendet. Aus Protest zog eine Gruppe von Juden nach Caesarea, um Pilatus zur Beseitigung der Bilder zu bewegen. Pilatus rief die vor dem Palast verharrende Volksmenge herbei, als ob er den Dialog mit ihr suche, ließ aber in Wirklichkeit die Demonstranten durch Soldaten umzingeln, um sie mit gezückten Schwertern zur Akzeptanz der Kaiserbilder zu bewegen. Ein Blutbad wurde dadurch verhindert, dass sich Pilatus von der Martyriumsbereitschaft der Juden beeindruckt zeigte und nachgab. Bald darauf veranlasste Pilatus in Jerusalem den Bau eines Aquädukts, um die Wasserzufuhr für die Stadt zu sichern. Die Kosten für diese sinnvolle und wahrscheinlich notwendige Baumaßnahme bestritt er aus dem Tempelschatz, was als Sakrileg empfunden werden musste. Als es zum erwarteten Protest kam, ließ er die Rädelsführer von Soldaten, die sich in Zivilkleidung unter die Menge gemischt hatten, mit Knüppeln töten. Aus unbekannten Gründen veranlasste der Statthalter zudem ein Blutbad an Galiläern, die sich zu Opferdarbringungen nach Jerusalem begeben hatten (Lk 13,1). An der Kreuzigung Jesu trägt Pontius Pilatus ebenfalls juristisch die Schuld. Gegenüber dem Prozess Jesu vor dem Synhedrion, wie er in den Evangelien geschildert wird (Mk 14,53–65), ergeben sich rechtsgeschichtliche Zweifel. Nicht erst die apokryphe Tradition, sondern auch schon die biblische Darstellung ist von der Tendenz gekennzeichnet, den römischen Statthalter auf Kosten der beteiligten Juden von der Verantwortung für den Tod Jesu zu entlasten und ihn die Hände in Unschuld waschen zu lassen. Allein Pontius Pilatus kann das Todesurteil über Jesus verhängt haben, da nur er über die Schwertgewalt in der Provinz Judäa verfügte. Zudem erlitt Jesus mit der Kreuzigung die römische Todesstrafe, wie sie gegen Aufrührer und Verbrecher verhängt wurde. Vermutlich wurde Jesus, der mit seiner Tempelkritik den Unmut der sadduzäischen Aristokratie erregt hatte, nach der Verhaftung durch die Tempelwache lediglich einem Verhör durch das Synhedrion unterzogen und dann an den Statthalter überstellt, der das Todesurteil fällte und vollstreckte. Mitte der dreißiger Jahre ließ Pontius Pilatus eine Gruppe aufständischer Samaritaner niedermetzeln und besiegelte damit das Ende seiner politischen Laufbahn. Ein samaritanischer Prophet hatte eine Zahl bewaffneter Landsleute am heiligen Berg Garizim versammelt, um ihnen dort die von Mose vergrabenen Tempelgefäße zu zeigen. Im Hintergrund stand die eschatologische Erwartung der Samaritaner, das Auffinden der Tempelgefäße auf dem Garizim werde den Anbruch der Heilszeit und das Ende der Fremdherrschaft markieren. Eine Delegation des samaritanischen Hohen Rates verklagte Pontius Pilatus wegen seines Vorgehens beim syrischen Legaten Vitellius und erreichte seine Ablösung. In seiner Amtsführung unterschied sich Pontius Pilatus nicht gravierend von anderen römischen Statthaltern. Die von ihm emittierten Münzen tragen zwar pagane Kultsymbole wie den Augurenstab und die Schöpfkelle, verzichten aber auf die provokative Abbildung von Herr-
Tetrarchien des Philippos und des Herodes Antipas
scherporträts oder Götterbildern. In entscheidenden Momenten ließ Pontius Pilatus es allerdings an Fingerspitzengefühl fehlen, verletzte durch unbedachte Aktionen die religiösen Empfindungen des Judentums tiefer als seine Vorgänger und scheint bei Widerstand gegen die römische Ordnung zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung geneigt zu haben. Dass gleichzeitig mit ihm auch der Hohepriester Kaiphas seines Amtes enthoben wurde, deutet auf ein enges Einvernehmen beider Personen hin, wie es sich auch im gemeinsamen Vorgehen gegen Jesus von Nazareth widerspiegelt.
5.2 Die Tetrarchien des Philippos und des Herodes Antipas In der sich nordöstlich des Sees Genezareth erstreckenden Tetrarchie des Philippos mit den Bezirken Gaulanitis, Auranitis, Trachonitis und Batanäa, die erst in der Hasmonäerzeit dem jüdischen Kernland angegliedert worden waren, gab das syrische und griechische Bevölkerungselement den Ton an. Dort ließ sich die römische Ordnung leichter durchsetzen als in den anderen Tetrarchien. Die Herrschaft des Philippos wird von Josephus als mild, gerecht und friedlich beschrieben. Hervorzuheben sind zwei städtebauliche Maßnahmen des Tetrarchen. An Stelle des traditionsreichen Paneas bei den Jordanquellen, wo einst Antiochos III. mit seinem Sieg über das ägyptische Heer die Oberherrschaft der Seleukiden über Palästina begründet hatte, entstand die Residenzstadt Caesarea Philippi. Dort spielt das Petrusbekenntnis (Mk 8,27–30). Das an der Einmündung des Jordans in den See Genezareth gelegene Fischerdorf Bethsaida ließ Philippos zur Stadt ausbauen und zu Ehren von Augustus’ Tochter in Julias umbenennen. In unmittelbarer Nähe von Julias Bethsaida ist die Blindenheilung Mk 8,22–26 angesiedelt. Die Berufung des Zöllners Levi (Mk 2,14) trug sich vermutlich westlich der Stadt zu, wo die Grenze zwischen den Tetrarchien des Herodes Antipas und des Philippos verlief. Durch die Wahl der Städtenamen Caesarea und Julias brachte Philippos seine enge Verbundenheit mit der kaiserlichen Familie zum Ausdruck. Zudem war er der erste jüdische Herrscher, der Münzen mit dem Bildnis römischer Herrscher prägen ließ. In seinem ganz überwiegend von Nichtjuden bevölkerten Herrschaftsgebiet rief dies keinen Widerspruch hervor. Philippos war nicht mit Herodias verheiratet (Mk 6,17), sondern mit deren Tochter Salome, wie es bei Josephus verbürgt ist. Da diese Ehe kinderlos blieb, wurde das Herrschaftsgebiet des Philippos nach seinem Tod im Jahr 34 der Provinz Syrien angegliedert, bevor Caligula es wenige Jahre später Agrippa I. übertrug. Herodes Antipas regierte mehr als vierzig Jahre. Anders als Archelaos und Philippos spielt er im Neuen Testament eine wichtige Rolle. Er war der Landesherr Jesu und Johannes des Täufers, den er hinrichten ließ. Sein zweigeteiltes Herrschaftsgebiet umfasste neben Galiläa auch das östlich des Jordans gelegene Peräa. Wie sein Vater verfolgte Herodes Antipas ehrgeizige Bauvorhaben. Im Ostjordanland baute er Betharamatha zum Bollwerk gegen die Nabatäer aus und benannte es in Julias um. Zu seinen hervorgehobenen städtebaulichen Leistungen in Galiläa zählen die Wiederherstellung des von den Römern zerstörten Sepphoris als Residenzstadt und die Neugründung
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Ungesetzliche Eheschließung
Tod Johannes’ des Täufers
von Tiberias. Aufgrund der unmittelbaren Nähe von Sepphoris zu Nazareth ist zu vermuten, dass Joseph und Jesus als Zimmerleute an den Bauarbeiten beteiligt waren. Das neu errichtete Sepphoris war eine hellenistische Stadt auf jüdischem Boden. Ausgrabungen haben ein Theater aus dem frühen 1. Jh. n. Chr. zutage gefördert, das mehr als viertausend Zuschauern Platz bot. In der Stadt wurde mit Sicherheit auch Griechisch gesprochen, wenn es nicht sogar die dominierende Sprache war. Mit der im Jahr 19 n. Chr. erfolgten Neugründung von Tiberias büßte Sepphoris seinen Rang als Hauptstadt Galiläas ein. Bei den Bauarbeiten in Tiberias stellte sich heraus, dass die Stadtgründung auf einem Friedhofsgelände erfolgt war, was Herodes Antipas aber nicht am Weiterbau hinderte. Da nach der Tora jede Berührung mit Gräbern kultisch verunreinigt (Num 19,16), wurde Tiberias von frommen Juden gemieden. Bevor die Stadt in der Spätantike zu einem Zentrum des Rabbinentums und zum Entstehungsort des Palästinischen Talmuds werden konnte, bedurfte es eines umfassenden Reinigungsrituals. Der Königspalast des Herodes Antipas in Tiberias erregte durch seine Tierbilder den Anstoß frommer Juden und wurde deshalb im Jüdischen Krieg gestürmt. Bei seinen Münzprägungen respektierte der Tetrarch allerdings das Bilderverbot. Mit seinen städtebaulichen Maßnahmen in Sepphoris und Tiberias förderte Herodes Antipas inmitten von Galiläa die hellenistische Kultur. Dadurch ergaben sich in Krisenzeiten Spannungen zwischen den hellenisierten Städten und ihrem jüdischen Umland. Erstaunlicherweise werden Sepphoris und Tiberias in den synoptischen Evangelien mit keiner Silbe erwähnt, obwohl Jesus die Städte schon allein aufgrund ihrer unmittelbaren geographischen Nähe zu Nazareth gekannt haben muss. Offensichtlich hat er sie bei seiner Verkündigung bewusst gemieden und sich gezielt der Landbevölkerung Galiläas zugewandt. Zum Verhängnis wurden Herodes Antipas seine Ehegeschichten. Eine der zentralen Aufgaben des von Rom abhängigen Tetrarchen stellte die Absicherung der Ostgrenzen des Imperiums gegen die Nabatäer dar. Bald nach seinem Herrschaftsantritt war Herodes Antipas daher eine von politischem Kalkül diktierte Ehe mit der Tochter des Nabatäerkönigs Aretas IV. eingegangen, der später in Damaskus dem Apostel Paulus nachstellen ließ (2Kor 11,32). Diese Verbindung mit dem nabatäischen Hof verschaffte Herodes Antipas lange Zeit Ruhe an der verwundbaren Ostgrenze seines Herrschaftsgebietes. Die Dinge nahmen eine entscheidende Wendung, als er bei einem Aufenthalt im Haus seines Bruders Herodes in Liebe zu dessen ehrgeiziger Ehefrau Herodias entbrannte und ihr die Ehe versprach. Die brüskierte Nabatäerprinzessin kam ihrer Verstoßung zuvor, indem sie zu ihrem Vater Aretas flüchtete. Herodes Antipas geriet wegen dieser Vorgänge nicht nur außenpolitisch durch eine rapide Verschlechterung des Verhältnisses zu den Nabatäern, sondern auch innenpolitisch massiv unter Druck. Mit der Heirat seiner Schwägerin Herodias war er eine nach Lev 20,21 ungesetzliche Bindung eingegangen. Zu den schärfsten Kritikern dieser Eheschließung zählte Johannes der Täufer, dessen Taufort am Ostufer des Jordans im peräischen Herrschaftsgebiet des Herodes Antipas lag. Die Ehekritik des Täufers hatte politische Brisanz, denn sie konnte als Angriff auf die Autorität des Tetrarchen und als Parteinahme für die Nabatäer verstanden werden. Wegen seiner großen Anziehungskraft auf das Volk entwickelte sich Jo-
Tetrarchien des Philippos und des Herodes Antipas
hannes der Täufer für Herodes Antipas zu einem gefährlichen Unruhestifter, der inhaftiert und hingerichtet wurde. Über das Ende des Täufers existieren zwei unterschiedliche Versionen. In der biblischen Erzählung Mk 6,14–29 fordert Salome auf Betreiben ihrer Mutter Herodias während eines Gastmahls für die Aristokraten Galiläas den Kopf des Täufers, der ihr wunschgemäß auf einem Tablett serviert wird. Ort des Geschehens scheint der Königspalast in Tiberias zu sein. Es handelt sich um eine Klatschgeschichte mit hohem Unterhaltungswert, in der rachsüchtige und blutrünstige Frauen die Schuld am gewaltsamen Ende des Propheten tragen. Die Nachricht des Josephus, dass Johannes der Täufer auf der Festung Machairos im Ostjordanland inhaftiert und hingerichtet wurde, wirkt dagegen deutlich glaubhafter. Jesus geriet ebenfalls vorübergehend in das Visier des Herodes Antipas und hat ihn als verschlagenen Fuchs bezeichnet (Lk 13,31). Vielleicht ist auch das Logion vom schwankenden Rohr im Wind (Mt 11,7) als spöttischer Vorwurf der Anpassungsfähigkeit und Charakterlosigkeit auf Herodes Antipas bezogen, der Münzen mit dem persönlichen Emblem eines Schilfrohrs prägen ließ. Eine Beteiligung des Tetrarchen am Prozess Jesu, wie sie Lk 23,6–16 geschildert wird, ist unwahrscheinlich, da Herodes Antipas keine juristischen Kompetenzen in Jerusalem hatte und seine Beziehung zu Pontius Pilatus recht spannungsgeladen war. Josephus über den Tod Johannes’ des Täufers (Kontext: Kriegsniederlage des Herodes Antipas gegen den Nabatäerkönig Aretas IV.) Einigen von den Juden aber schien Herodes’ Heer von Gott und völlig zu Recht bestraft worden zu sein als Vergeltung für Johannes, genannt der Täufer. Diesen nämlich brachte Herodes um, einen guten Menschen, der den Juden befahl, Tugend zu erstreben, untereinander Gerechtigkeit und Gott gegenüber Frömmigkeit zu üben und sich einer Taufe anzuschließen. Denn die Taufe schien ihm in der Weise auch annehmbar, nicht um sie zur Entsühnung von gewissen Vergehen zu gebrauchen, sondern zur Heiligung des Körpers, da ja die Seele auch schon vorher gereinigt war durch Gerechtigkeit. Als andere zusammenströmten, weil sie über den Vortrag der Worte erfreut waren, fürchtete Herodes, solche Überzeugungskraft könnte bei den Leuten zu einem Aufstand führen; alles nämlich schienen sie auf seinen Rat hin zu tun. Und er hielt es für besser, ihn rechtzeitig, bevor von ihm ein Umsturz ausginge, aus dem Weg zu räumen, als in Schwierigkeiten gekommen zu bereuen, wenn eine Umwälzung eingetreten wäre. Wegen Herodes’ Verdacht wurde er als Gefangener nach Machairos gebracht, der zuvor genannten Festung, und dort hingerichtet. Bei den Juden aber herrschte die Meinung, das Verderben sei als Strafe über das Heer gekommen, weil Gott dem Herodes schaden wollte. (JOSEPHUS, Antiquitates 18,116–119)
Das politische Ende des Herodes Antipas wurde 36 n. Chr. durch eine vernichtende Niederlage gegen die Nabatäer eingeläutet. Anlass des Krieges waren Grenzstreitigkeiten. Daneben dürften aber auch Rachegelüste von Aretas IV. gegen seinen ehemaligen Schwiegersohn mitgeschwungen haben. Im Volk wurde die Niederlage gegen die Nabatäer als Strafe Gottes für die Hinrichtung des Täufers gedeutet. Bald darauf ließ sich Herodes Antipas in völliger Verkennung seiner Lage von Herodias zu einem verhängnisvollen Bittgang nach Rom drängen. Hintergrund war, dass sein Schwager und Neffe
Verbannung des Herodes Antipas
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Agrippa I. 37 n. Chr. von Gaius Caligula nicht nur die Tetrarchie des Philippos, sondern auch die Königswürde erhalten hatte. Das Ansinnen des Herodes Antipas, ebenfalls den Königstitel tragen zu dürfen, endete 39 n. Chr. mit der Verbannung nach Gallien, wohin ihn Herodias begleitete.
5.3 Die Caligulakrise
Sakrale Überhöhung der Herrschaft
Konflikte in Alexandria
Bereits in die Zeit vor diese Ereignisse fiel die Caligulakrise, die den Osten des Reiches nachhaltig erschütterte. Den Spitznamen Caligula, Stiefelchen, erhielt der römische Kaiser Gaius (37–41) schon im frühesten Kindesalter am Niederrhein von den Soldaten seines Vaters Germanicus, weil er an ihrer Seite in der Fußbekleidung eines einfachen Soldaten durch das Feldlager marschierte. Der überaus beliebte Germanicus war auf Druck seines Onkels Augustus von Tiberius adoptiert und in die dynastische Ordnung eingebunden worden, aber 19 n. Chr. unter mysteriösen Umständen in Syrien verstorben. Als Gaius Caligula nach dem Tod des verhassten Tiberius im Alter von 24 Jahren die Herrschaft an sich riss, brach im gesamten Römischen Reich Freudenstimmung aus. Im geschichtlichen Rückblick hingegen wurde Caligula zu einer wahnsinnigen Bestie. Wenn ihm von den antiken Historikern unvorstellbare Grausamkeit, Wahnsinn und Inzest angedichtet werden, entspricht dies kaum den Tatsachen. Das bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Caligulabild verdankt sich einem Umgang des Kaisers mit dem Senat und der Oberschicht, wie er bis dahin im Prinzipat ohne Beispiel war. Zunächst schien Caligula mit seiner Herrschaft die an ihn geknüpften hohen Erwartungen zu erfüllen. Unrechtsentscheidungen aus der Zeit des Tiberius wurden revidiert. Bei der Bevölkerung und dem Militär machte er sich mit Schenkungen und Spielen beliebt. Die Senatsaristokratie ließ er seine faktische Alleinherrschaft nicht spüren, sondern trat bewusst bescheiden auf. Zwischen diesen hoffnungsvollen Anfängen Caligulas und dem weiteren Verlauf seiner Herrschaft klafft ein tiefer Riss. Eine Wende deutete sich an, als er den von ihm adoptierten Tiberius Gemellus, den Enkel des Tiberius, zum Selbstmord zwang, weil er seinen Thron durch ihn bedroht sah. Damit einher gingen eine grundlegend veränderte Haltung gegenüber dem Senat, der nun die Macht und Willkür des Kaisers zu spüren bekam, und ein tiefgreifender Wandel in der Darstellung seiner eigenen Person. Hatte Caligula anfangs jegliche göttliche Verehrung abgelehnt, so trieb er nun die sakrale Überhöhung seiner Herrschaft energisch voran. Dabei hat sich Caligula nicht in wahnsinniger Weise für einen Gott gehalten. Es handelte sich um eine gezielte Selbstinszenierung als Gottheit, die der Herrschaftslegitimation diente und als Instrument der Machtpolitik das Ziel verfolgte, die römische Aristokratie zu demütigen und sich ihres Gehorsams zu versichern. Im Osten führte die neue Dimension des Kaiserkultes zu schweren Unruhen und stürzte das Reich in eine tiefe Krise. Caligula war zwar nicht unmittelbarer Urheber dieser Konflikte, trug aber durch politisch unkluges Handeln und Missachtung der religiösen Gefühle des Judentums zu deren Verschärfung bei. Die Provinzen des Ostens, wo die Herrscher traditionell als Göttersöhne galten, standen dem Kaiserkult, der unter Caligula neue Dimensionen an-
Die Caligulakrise
Sueton über Caligula Und es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich das Diadem aufgesetzt und den Prinzipat in die Herrschaft eines Königs umgewandelt. Doch man erinnerte ihn daran, dass er schon weit über dem Rang von Fürsten und Königen stehe; also begann er, für sich seitdem Würde zu beanspruchen, wie sie einem Gott zusteht. Also gab er den Auftrag, Götterbilder, die besonders verehrt und kunstvoll gearbeitet waren, unter anderem auch das Standbild des Iupiter aus Olympia, von Griechenland nach Rom bringen, diesen dann den Kopf abzunehmen und ihnen den seinen aufzusetzen. Einen Teil des Palastes ließ er bis zum Forum ausweiten; den Tempel von Castor und Pollux ließ er zu dessen Vorhalle umgestalten und stellte sich oft zwischen die göttlichen Brüder; wenn er dann in ihrer Mitte stand, ließ er sich von den Besuchern anbeten. Einige begrüßten ihn sogar als „Iupiter Latiaris“. Er stiftete auch einen Tempel allein für seine Gottheit, bestellte eigens Priester und ließ sich streng ausgesuchte Opfertiere darbringen. Im Tempel stand ein Bild, das seinem Portrait ähnelte und ihn lebensgroß darstellte; täglich legte man ihm das gleiche Gewand an, das auch er trug. Gerade die reichsten Leute versuchten eines der Priesterämter zu erhalten, indem sie um seine Gunst buhlten und sich gegenseitig durch Höchstgebote überboten. (SUETON, Caligula 22 [übers. v. H. MARTINET, Düsseldorf/Zürich 1997])
nahm, von vornherein sehr aufgeschlossen gegenüber. Der Kaiserkult wurde von der lokalen Oberschicht der Städte aus freien Stücken als Loyalitätserweis erbracht, mit dem sich die Hoffnung verband, dass man ihn in Rom wahrnehmen und honorieren würde. Zudem diente der Kaiserkult im Rahmen einer Rivalität der Städte auch der Selbstglorifizierung. Dass für Juden die göttliche Verehrung des Kaisers undenkbar war, ließ in der Diaspora die Spannungen zu den urbanen Eliten anwachsen. Dies war unter Caligula vor allem in der ägyptischen Metropole Alexandria der Fall, die mit ihrem imposanten und an exponierter Stelle nahe dem Hafen errichteten Sebasteion ein Zentrum des Kaiserkults darstellte. Mit Billigung des Statthalters Flaccus kam es dort 38 n. Chr. zu einem verheerenden Pogrom gegen die jüdische Gemeinde. Die Ursache der Konflikte lag weniger in einem grundsätzlichen kulturell-religiösen Gegensatz zwischen Juden und Griechen als in einer konkreten Konkurrenzsituation zwischen beiden Bevölkerungsgruppen Alexandrias. Das Streben des jüdischen Politeumas nach politischer und sozialer Gleichberechtigung kollidierte mit der Statussicherung der Griechen, die ihre privilegierte Stellung in der Stadt nicht einbüßen wollten und zielgerichtet gegen die Juden vorgingen. Drahtzieher waren die Gymnasiumsvorsteher Isidoros und Lampon. Als intellektueller Wortführer des Antijudaismus stand ihnen der Rhetor Apion zur Seite, mit dem Josephus sich in seiner Schrift Contra Apionem auseinandersetzt. Auslöser der Unruhen war Agrippa I., ein enger Freund des Kaisers und einflussreicher Fürsprecher jüdischer Interessen, der im Frühjahr 38 auf dem Weg von Rom nach Caesarea Philippi in Alexandria Zwischenstation machte und von den dortigen Juden als neuer König über die Tetrarchie des Philippos frenetisch begrüßt wurde. Entgegen der Darstellung Philos hat Agrippa I. wohl gezielt die Reiseroute über Alexandria gewählt, um sich dort als Protektor der Juden zu engagieren, die vermutlich nach dem Bürgerrecht und der Beteiligung an der politischen Selbstverwaltung der Stadt strebten.
Agrippa I.
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Ausweitung der Krise auf Palästina
Das Engagement Agrippas könnte eine Gegenleistung dafür dargestellt haben, dass ihm Jahre zuvor Philos Bruder Alexander, der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, durch einen Kredit aus einer ausgesprochen misslichen Lage geholfen hatte. Agrippas Auftreten zog gezielte Gegenaktionen der griechischen Oberschicht Alexandrias nach sich, die ihre Interessen bedroht sah und den minder privilegierten Mob gegen die Juden mobilisierte. Zunächst steckte man einen stadtbekannten Verrückten in herrschaftlichen Ornat und huldigte ihm öffentlich als jüdischem König, um Agrippa I. zu verhöhnen. Danach erfolgte eine Entweihung der Synagogen Alexandrias durch das Aufstellen von Kaiserbildern. Zum einen wurden damit die Juden in einem für ihre religiöse Autonomie besonders empfindlichen Punkt getroffen, zum anderen hoffte man auf diese Weise das Wohlwollen Caligulas zu erringen. Flaccus ließ sich zur vermeintlichen Stärkung seiner Position von der griechischen Führungsschicht instrumentalisieren. Als die Juden sich dem Zwang zum Kaiserkult widersetzten, erkannte er ihnen die Rechte ab und erklärte den überwiegend jüdischen Stadtbezirk Delta zum Ghetto, während in den anderen Quartieren der Mob die jüdischen Häuser plünderte und brandschatzte. Sofern dort noch Juden angetroffen wurden, folterte oder lynchte man sie mit Billigung der Behörden. Ähnliche Konflikte werden von Malalas für Antiochia bezeugt (Chron. 20) und waren wohl ein wesentlicher Grund dafür, dass seitens der Behörden die Jesusanhänger als Christen (Apg 11,26) von den Juden unterschieden wurden und die Kirche als eigenständige Größe neben der Synagoge Gestalt anzunehmen begann. Die Judenschaft Alexandrias entsandte 40 n. Chr. eine von dem Religionsphilosophen Philo angeführte Delegation nach Rom, um dort ihre Rechte persönlich zu verteidigen. Dieses Unternehmen war wenig erfolgreich, zumal zeitgleich eine gegnerische „pressure group“ unter Führung des Rhetors Apion in Rom weilte und die Juden Alexandrias wegen ihrer Verweigerung des Kaiserkultes vor Caligula diskreditierte. Die Situation verschärfte sich, als es in Judäa zu vergleichbaren Auseinandersetzungen wie in der Diaspora kam, in deren Verlauf in der Stadt Jamnia ein von der griechischen Bevölkerung errichteter Kaiseraltar durch aufgebrachte Juden zerstört wurde. In dieser Situation erteilte Caligula dem syrischen Statthalter Petronius den Befehl, ein kaiserliches Standbild im Tempel von Jerusalem aufstellen zu lassen, um auf diese Weise den Juden einen Loyalitätserweis abzufordern. Als das Standbild von Petronius unter dem Schutz von drei Legionen aus Syrien nach Jerusalem geführt wurde, zog ihm eine jüdische Gesandtschaft entgegen und konnte die Aktion in Ptolemais zunächst stoppen. Petronius verschleppte in der Folgezeit die Angelegenheit, weil massive Unruhen absehbar waren. Die jüdische Landbevölkerung machte keine Anstalten, das Bestellen der Felder in Angriff zunehmen, sondern bereitete sich auf eine gewaltsame Auseinandersetzung mit den Römern vor. Mit seiner Verzögerungstaktik zog Petronius den Zorn Caligulas auf sich, der ihn in einem Brief anwies, Selbstmord zu begehen. Kurz darauf, im Januar 41, fiel Caligula, der zuvor bereits zwei Verschwörungen überlebt hatte, einem Attentat der Prätorianergarde zum Opfer. Ebensowenig wie Tiberius wurde ihm posthum eine Divinisierung zuteil. Für Petronius hat es sich als glückliche Fügung erwiesen, dass ihn die Nachricht vom Tod des Kaisers eher erreichte als der Brief mit dem Befehl, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Kaiser Claudius und seine Religionspolitik
5.4 Kaiser Claudius und seine Religionspolitik Nach den Erfahrungen mit Caligula gab es im Senat eine starke Strömung, die sich für eine Beseitigung des Kaisertums und eine Wiederherstellung der Republik einsetzte. In dieser Situation wurde Claudius (41–54), der als Neffe des Tiberius und Onkel des Caligula dem weiteren Kreis der kaiserlichen Familie angehörte, von der Prätorianergarde zum Kaiser ausgerufen und konnte schließlich mit Billigung des Senats die Herrschaft antreten. Während Claudius bei den antiken Geschichtsschreibern als körperlich gebrechlicher, seelisch labiler und von seinen Beratern gesteuerter Herrscher ohne wirklich eigenständige Leistungen gilt, hat er in der modernen Historiographie eine völlige Neubewertung erfahren. Seine Herrschaft, die er mit viel Energie und Geschick ausübte, brachte eine Phase innerer Konsolidierung und nimmt im frühen Prinzipat eine hervorgehobene Stellung ein. Die Religionspolitik des Claudius war bei allen Anstrengungen um eine Wiederbelebung des altrömischen Kultes durch Toleranz gegenüber den Religionen des Römischen Reiches gekennzeichnet, solange diese bei ihren überkommenen Bräuchen blieben und keine Unruhen hervorriefen. Im Rahmen dieser Programmatik bemühte Claudius sich in den von der Caligulakrise aufgerüttelten Provinzen des Ostens um eine Wiederherstellung des Friedens zwischen Griechen und Juden, wobei er sich gezielt in die Tradition des Augustus stellte. Bei Josephus sind zwei die Haltung des Kaisers gegenüber dem Judentum beschönigende, im Kern aber wohl authentische Edikte aus dem ersten Regierungsjahr überliefert (Ant. 19,280–291). Mit dem einen Edikt griff Claudius unmittelbar in die Konflikte von Alexandria ein, wo die Juden nach dem Tod Caligulas ihrerseits einen Rachefeldzug gestartet hatten, und ermahnte beide Streitparteien zur Mäßigung. Der Grundtenor dieses Edikts spiegelt sich auch in einem verfassungsrechtlich höchst bedeutsamen Brief des Claudius an die Alexandriner (CPJ I 153) wider. Darin ermahnt er sie eindringlich, sich gegenüber den Juden in der Stadt friedlich zu verhalten und ihnen wieder die freie Religionsausübung zu gewähren. Umgekehrt werden die Juden Alexandrias angewiesen, sich mit ihren traditionellen Rechten zufrieden zu geben, keine weiteren gesellschaftlichen Privilegien anzustreben und vor allem den Strom jüdischer Zuwanderer in die ägyptische Metropole zu stoppen. Für den Fall der Missachtung dieser Weisung drohte Claudius, das Judentum als allgemeine Krankheit zu bekämpfen. Im anderen Edikt wird den Juden im gesamten Reich das Recht der ungehinderten Religionsausübung bestätigt. Dies ist mit dem Appell verbunden, den nichtjüdischen Religionen Respekt zu zollen. Mit seiner von Toleranz gekennzeichneten Religionspolitik verfolgte Claudius die Absicht, durch Überparteilichkeit und den Appell zur Mäßigung die Pax Romana aufrecht zu erhalten. Seine Judenfreundlichkeit hatte dort ihre Grenzen, wo der politische Frieden gefährdet erschien. Diese Grundhaltung wird durch zwei Maßnahmen des Claudius gegen die Judenschaft Roms bestätigt. Dio Cassius berichtet im Zusammenhang der Ereignisse des Jahres 41 von einer Anordnung des Kaisers, die wohl so zu verstehen ist, dass er den Juden Roms ein Festhalten an ihrer überkommenen Lebensweise befahl und ein vorübergehendes Verbot gottesdienstlicher Versammlungen verfügte (LX.6,6). Im Hintergrund standen Unruhen unter den
Religionspolitik des Claudius
Maßnahmen gegen die Juden Roms
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Folgen für das Christentum
Juden Roms, über deren Ursache wir nichts erfahren. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bereits zu jener Zeit in den Synagogen der Stadt zu Auseinandersetzungen um die Verkündigung Jesu als des erwarteten Messias kam. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind derartige Konflikte für die zweite Maßnahme des Kaisers verantwortlich, die in das Jahr 49 fällt. Sueton zufolge vertrieb Claudius die Juden aus Rom, „die mit Chrestus als Antreiber unermüdlich Tumulte erregten“ (Claud. 25). Dieser Chrestus, den Sueton offenbar für einen in Rom lebenden jüdischen Aufrührer hielt, war wohl Jesus Christus, zumal Tacitus die Christen als Chrestianer bezeichnet (Ann. 15,44). Offenbar war es in Rom zwischen Juden und Judenchristen zu Konflikten um die Messianität Jesu gekommen, wobei judenchristliche Prediger bei den Behörden als Unruhestifter angeschwärzt wurden. Die Vertreibung betraf kaum die gesamte Judenschaft Roms, sondern nur die Rädelsführer, darunter das Ehepaar Priskilla und Aquila, das aufgrund des Claudiusedikts nach Korinth auswanderte und dort den Apostel Paulus beherbergte (Apg 18,2). Das Judenedikt wurde aufgehoben, nachdem Claudius im Jahr 54 von seiner Gattin Agrippina vergiftet worden war und deren Sohn Nero die Herrschaft angetreten hatte. Als Paulus wenige Jahre später den Römerbrief abfasste, befanden sich auch Priskilla und Aquila wieder in Rom (Röm 16,3). Für die Juden im Römischen Reich brachte die Herrschaft des Claudius eine Wiederherstellung der alten Rechtssicherheit unter der Bedingung, an den überkommenen Traditionen festzuhalten. Vor diesem Hintergrund musste das aufkommende Christentum zunehmend zu einer Belastung für die jüdischen Gemeinden werden. Es war für die römischen Behörden noch nicht deutlich vom Judentum unterscheidbar und bewegte sich in judenchristlicher Gestalt nach wie vor im Raum der Synagoge. Als eine neue, die Grenzen zum Heidentum verwischende und nicht mehr an den überkommenen Traditionen festhaltende Form des Judentums wurde das Christentum auf politischer Ebene zum Unruhefaktor, der für die jüdischen Gemeinden das latente Risiko eines staatlichen Eingreifens in sich barg, wie vor allem die Konflikte um die Christusverkündigung in Rom zeigten. Vermutlich wurde die in der Apostelgeschichte mehrfach bezeugte Praxis der Synagoge, judenchristliche Missionare vor den lokalen römischen Behörden als Unruhestifter zu verklagen, durch die Religionspolitik des Claudius begünstigt. Der in diesen Zusammenhang gehörende Prozess des Paulus in Korinth vor dem römischen Statthalter Gallio (Apg 18,12–17) lässt sich aufgrund der GallioInschrift auf den Zeitraum 51/52 n. Chr. datieren. Bei diesem für die Rekonstruktion der Chronologie des Urchristentums höchst bedeutsamen epigraphischen Zeugnis handelt es sich um einen in Stein gemeißelten Erlass des Kaisers Claudius, der sich auf einen Besorgnis erregenden Bevölkerungsschwund in Delphi bezieht und Gallio als Prokonsul der Provinz Achaia erwähnt.
5.5 Das Königreich von Agrippa I. (41–44 n. Chr.) Zu Beginn der Herrschaft des Claudius war es in Palästina Herodes Agrippa I. für kurze Zeit geglückt, an die Glanzzeiten seines Großvaters Herodes des Großen anzuknüpfen und dem jüdischen Volk nochmals ein hohes Maß
Das Königreich von Agrippa I.
an politischer Selbstständigkeit zu bescheren. Agrippa I. war ein Abkömmling von Aristobul, dem aus der Ehe mit der Hasmonäerin Mariamme hervorgegangenen und später hingerichteten Herodessohn. Er wuchs in Rom auf, wo er sich in aristokratischen Kreisen bewegte und weit über seine Verhältnisse lebte. Neben dem Sohn des Tiberius konnte er auch den späteren Kaiser Claudius zu seinen Jugendfreunden zählen. Auf der Flucht vor seinen Gläubigern hätte Agrippa um ein Haar seinem Leben aus Verzweiflung ein Ende gesetzt. Ein Intermezzo in Palästina führte zum Zerwürfnis mit Herodes Antipas, der in zweiter Ehe mit Agrippas Schwester Herodias verheiratet war. Agrippa kehrte um 35 n. Chr. nach Rom zurück und gewann dort das Vertrauen Caligulas, dem er die baldige Kaiserwürde wünschte. Als Kaiser Tiberius davon Kenntnis gewann, bezichtigte er Agrippa der Verschwörung und ließ ihn in Haft nehmen. Mit dem Tod des Tiberius und der Inthronisation von Caligula begann 37 n. Chr. Agrippas rasanter Aufstieg, indem er sogleich nach seiner Freilassung zum König über die Tetrarchien des Philippos und Lysanias ernannt wurde. Im Jahr 39 kam die Tetrarchie des nach Gallien verbannten Herodes Antipas hinzu, den Agrippa vor Caligula der Konspiration mit den Parthern bezichtigt hatte. Den Herrschaftswechsel von Caligula auf Claudius vermochte Agrippa I. zum weiteren Ausbau seiner Macht zu nutzen. Er hatte in Rom maßgeblichen Anteil daran, dass Claudius vom Senat zum Princeps ernannt wurde. Im Gegenzug übertrug ihm Claudius bei seinem Amtsantritt auch die Herrschaft über die ehemalige Tetrarchie des Archelaos, die seit 6 n. Chr. als Provinz Judäa unter der Verwaltung römischer Statthalter gestanden hatte. Für diesen Vorgang waren nicht nur Jugendfreundschaft und Dankbarkeit, sondern auch politische Erwägungen verantwortlich. Claudius hegte die berechtigte Erwartung, dass ein in Rom aufgewachsener hasmonäisch-herodianischer König am ehesten in der Lage sein werde, die römischen Herrschaftsinteressen in Judäa durchzusetzen und gleichzeitig die durch die Caligulakrise zum Brandherd gewordene jüdische Diaspora zu beschwichtigen. Bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 44 regierte Agrippa I. somit als letzter jüdischer König über ein Gebiet, das nahezu deckungsgleich mit dem Reich von Herodes dem Großen war. Agrippa, in dessen Adern großmütterlicherseits Hasmonäerblut floss, erfreute sich im Volk größter Sympathien. Obgleich er ein Enkel des Idumäers Herodes war, wurde sein Königtum nicht im Widerspruch zu Dtn 17,15 gesehen. Eine aller Wahrscheinlichkeit nach von Agrippa I. handelnde rabbinische Legende, die am Laubhüttenfest des Sabbatjahres im Jerusalemer Tempel spielt und von der dortigen Schriftlesung des Königs handelt, reflektiert diesen Sachverhalt. Die politischen Aktivitäten von Agrippa I. zeigen, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten auf Eigenständigkeit gegenüber Rom bedacht war. Symbolträchtig war diesbezüglich die Neuordnung des Hohenpriesteramtes, das er der Familie des Ananos entzog, aus deren Reihen nahezu alle Hohenpriester seit Einrichtung der römischen Provinz Judäa stammten. An Stelle von Theophilos ben Ananos wurde nun mit Simon Cantheras ein Hoherpriester aus der Familie des Boethos eingesetzt. Boethos hatte dieses Amt unter Herodes dem Großen nahezu zwanzig Jahre innegehabt und war vorübergehend auch Schwiegervater des Königs gewesen. Agrippa machte mit diesem Akt deutlich, dass er sich nicht als Nachfolger der römischen Statt-
Agrippa I. als letzter jüdischer König
Politische Aktivitäten Agrippas I.
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Die Zeit nach Herodes bis zum Jüdischen Krieg
Mischnatraktat Sota über Agrippa im Jerusalemer Tempel Der Königsabschnitt folgendermaßen: Am Ausgang des letzten Festtages des Laubhüttenfestes, am achten (Tag), am Ausgang des siebten Jahres, macht man ihm (dem König) im Vorhof eine hölzerne Tribüne und er sitzt darauf, wie es heißt „Am Ende von sieben Jahren“ usw., „Wenn ganz Israel kommt“ usw. (Dtn 31,10–11). Der Synagogendiener nimmt die Torarolle und gibt sie dem Synagogenvorsteher, und der Synagogenvorsteher gibt sie dem Tempelobersten, und der Tempeloberste gibt sie dem Hohenpriester, und der Hohepriester gibt sie dem König, und der König steht und nimmt sie entgegen und liest sitzend. Der König Agrippa stand auf und nahm (die Rolle), und er las stehend (als Zeichen der Demut) und die Weisen lobten ihn. Und als er kam (zu der Stelle) „Du darfst über dich keinen fremden Mann einsetzen, der nicht dein Bruder ist“ (Dtn 17,15), da flossen seine Tränen (weil er dies auf sich und sein Königtum bezog). Sie (die Weisen) sagten zu ihm: „Fürchte dich nicht Agrippa, du bist unser Bruder, du bist unser Bruder!“ (Sota VII,8 [vgl. H. BIETENHARD, Sota, Gießener Mischna III,6, Berlin 1956, 120–123])
Eintreten für Tora und Tempel
halter, sondern als Erbe des Herodes verstand. Offenkundig hatte er dabei den Einfluss der Familie des Ananos unterschätzt, die bald darauf das Hohepriesteramt zurückerhielt. Der Handlungsspielraum des jüdischen Klientelkönigs war recht begrenzt. Den Versuch, Jerusalem durch den Bau einer weiteren Stadtmauer militärisch zu befestigen, musste Agrippa I. abbrechen, nachdem Claudius über den syrischen Statthalter Kenntnis davon gewonnen hatte. Auch seine engen diplomatischen Verbindungen zu anderen orientalischen Herrschern, die wie er von Rom abhängig waren, erregten das Misstrauen der Römer und wurden energisch unterbunden. Ähnlich wie Herodes der Große steigerte Agrippa das allgemeine Ansehen des Judentums, indem er außerhalb seines Herrschaftsgebietes als Förderer hellenistischer Kultur auftrat. Zugleich verstand er sich als Anwalt aller Juden im Römischen Reich. Bereits während der Caligulakrise hatte er mäßigend auf den Kaiser eingewirkt und diesen zumindest vorübergehend dazu bewegen können, von den Plänen zum Aufstellen seines Standbildes im Jerusalemer Tempel Abstand zu nehmen. Als um 41 n. Chr. der Synagoge von Dora eine Bildsäule des Claudius aufgezwungen wurde, intervenierte er mit Erfolg beim Statthalter von Syrien. Außerhalb des jüdischen Kernlandes trat Agrippa I. als weltoffener Hellenist auf und war offenbar auch für eine Überhöhung seiner Herrschaft empfänglich. Nach innen hingegen zeigte er sich als energischer Förderer von Gesetzesfrömmigkeit und Tempelkult. Er brachte nach seiner Rückkehr aus Rom Dankopfer im Tempel dar und ermöglichte einer großen Zahl von Nasiräern (Num 6) den Abschluss ihrer frommen Gelübde, indem er für die dazu notwendigen Opfergaben aufkam. Zudem ließ er in der Schatzkammer des Tempels jene goldene Kette aufhängen, die ihm Caligula zur Erinnerung daran geschenkt hatte, dass er von Tiberius in Ketten gelegt worden war. Die Fürsorge für den Tempel zeigt, dass Agrippa I. nicht einseitig den Pharisäismus förderte, wie aufgrund der ihm von Josephus attestierten Gesetzestreue oftmals angenommen wird, sondern auch das Sadduzäertum unter sei-
Das Königreich von Agrippa I.
ner Herrschaft eine neue Blütezeit erlebte. Die Jerusalemer Urgemeinde war hingegen der Verfolgung durch Agrippa I. ausgesetzt (Apg 12). Zum Gefallen des Volkes ließ er Jakobus Zebedäus durch das Schwert hinrichten und Petrus inhaftieren. Der Grund für diese Maßnahmen war wohl das Bestreben Agrippas, in seinem Herrschaftsgebiet die konservative Religionspolitik des Claudius umzusetzen, die nach den Wirren unter Caligula durch eine Rückbesinnung auf die Tradition gekennzeichnet war. Claudius hatte die Judenschaft Alexandrias nach der Caligulakrise angewiesen, sich mit ihren traditionellen Rechten zufrieden zu geben, und nach den Unruhen in Rom den dortigen Juden befohlen, an ihrer althergebrachten Lebensweise festzuhalten. Vor diesem Hintergrund erregte die Jerusalemer Urgemeinde als eine sich vom traditionellen jüdischen Lebensstil entfernende Minderheit das Missfallen des Königs, der sich veranlasst sah, gegen ihre Leitfiguren Jakobus Zebedäus und Petrus vorzugehen. Angesichts der Entwicklungen in Antiochia, wo sich unter Einfluss der Hellenisten das Christentum als eine von Freiheit gegenüber dem Ritualgesetz und Tempelkult gekennzeichnete Religion zu entwickeln begann, konnte sich dieses Vorgehen des Herrschers gegen die Urgemeinde der Zustimmung der sadduzäischen Aristokratie wie auch des mehrheitlich mit dem Pharisäismus sympathisierenden Volkes sicher sein. Für Petrus lässt sich zudem vermuten, dass er wegen seiner auch in der Urgemeinde nicht unumstrittenen Öffnung gegenüber der beschneidungsfreien Heidenmission (Apg 10) im Ruf stand, dem jüdischen Ritualgesetz mangelnde Beachtung zu schenken. Über die theologische Haltung des Jakobus Zebedäus, dessen Märtyrertod sich auch in Mk 10,35–40 widerspiegelt, ist nichts bekannt. Zweifellos trug das Vorgehen Agrippas gegen führende Repräsentanten der Urgemeinde dazu bei, sein Ansehen als Beschützer von Tempelkult und jüdischer Lebensart zu mehren. Für die Führungsstruktur der Urgemeinde hatten diese Zwangsmaßnahmen einschneidende Auswirkungen. Infolge seiner Verhaftung und anschließenden Flucht war Petrus zumindest vorübergehend gezwungen, Jerusalem zu verlassen (Apg 12,17). An seiner Stelle nahm der wegen seiner Gesetzestreue auch von Pharisäern respektierte Herrenbruder Jakobus nun die Führungsposition innerhalb der dreiköpfigen Gemeindeleitung ein (Gal 2,7). Damit einher ging eine verstärkte Rückbesinnung des Jerusalemer Christentums auf die traditionellen jüdischen Werte. Agrippa I. erlag völlig überraschend 44 n. Chr. in Caesarea einer schweren inneren Krankheit, wie den Berichten der Apostelgeschichte und des Josephus übereinstimmend entnehmbar ist. In den hellenistischen Städten Caesarea und Sebaste, die sich von der projüdischen Politik des Königs offenkundig benachteiligt sahen, löste die Nachricht über seinen Tod Jubelstürme und Unruhen aus. Wegen seines engagierten Eintretens für Tora und Tempel wird Agrippa bei Josephus wie auch in der rabbinischen Tradition äußerst positiv gezeichnet. In das christliche Geschichtsbewusstsein ging er hingegen als Gewaltherrscher ein, der durch qualvollen Würmerfraß von Gott die gerechte Strafe für sein Handeln empfing (Apg 12). Dieses Urteil mag angesichts der blutigen Verfolgung der Urgemeinde nachvollziehbar erscheinen, wird aber der historischen Bedeutung und den Verdiensten Agrippas als letztem König von Judäa bei weitem nicht gerecht.
Verfolgung der Urgemeinde
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Die Zeit nach Herodes bis zum Jüdischen Krieg
5.6 Judäa vom Tod Agrippas I. bis zum Vorabend des Jüdischen Krieges Wiederherstellung der Provinz Judäa
Anwachsen der zelotischen Bewegung
Beim überraschenden Tod von Agrippa I. hielt sich sein siebzehnjähriger Sohn Marcus Julius Agrippa II. zur Vorbereitung auf seine künftigen Aufgaben am kaiserlichen Hof in Rom auf. Claudius stand vor der Alternative, ihn zum Nachfolger seines Vaters zu bestimmen oder das Modell der römischen Provinz Judäa wieder aufleben zu lassen. Unter dem Einfluss seiner politischen Berater entschied er sich für die zweite Option. Verantwortlich dafür war neben dem jugendlichen Alter Agrippas II. ein allgemeines Bestreben des Claudius, Vasallenkönigtümer zu annektieren und in römische Provinzen umzuwandeln. Die Provinz Judäa, die früher lediglich aus der Tetrarchie des Archelaos bestanden hatte, umfasste nun fast das gesamte ehemalige Herodesreich. Damit geriet erstmals auch das rebellische Galiläa, wo die Wurzeln der zelotischen Bewegung lagen, unter direkte römische Herrschaft und Steuerhoheit. Als die Römer sich auch wieder des hohenpriesterlichen Gewandes bemächtigen wollten, um es in der Burg Antonia zu verwahren, konnte dies durch die Entsendung einer jüdischen Delegation nach Rom und die Fürsprache Agrippas II. beim Kaiser verhindert werden. Das Verfügungsrecht über den Jerusalemer Tempel und die Vollmacht zur Ernennung des Hohenpriesters wurden Herodes von Chalkis, dem älteren Bruder von Agrippa I., übertragen. Die Provinzstatthalter Judäas kamen weiterhin aus dem Ritterstand und unterstanden dem ranghöheren Legaten der Provinz Syrien, waren aber nicht mehr Präfekten, sondern Prokuratoren. Die Wiederherstellung der Provinz Judäa erweist sich im geschichtlichen Rückblick als gravierende Fehlentscheidung der römischen Politik. Die neuerliche und nun das gesamte jüdische Territorium betreffende politische Entmündigung rief einen wachsenden Hass auf die Römer hervor, zumal sich in der Folgezeit die Qualität der Provinzialverwaltung dramatisch verschlechterte und die Prokuratoren immer weniger Rücksicht auf religiöse wie nationale Gefühle nahmen. Auch die nun in der Regel nur zweijährige Amtszeit der Statthalter war einer Konsolidierung der Verhältnisse nicht förderlich. Unmittelbare Folge der Unzufriedenheit mit der römischen Herrschaft war, dass das Zelotentum immens an Zulauf gewann und die Lage in Palästina unaufhaltsam eskalierte. Sogleich unter dem ersten Statthalter der neuen Provinz, Fadus (44–46), trat der Zeichenprophet Theudas auf und führte eine Volksmenge von vierhundert Personen mit dem Versprechen zum Jordan, auf seinen Befehl hin werde sich der Fluss teilen. Dies zielte auf eine Wiederholung des Schilfmeer- oder Jordanwunders ab, zumal die Anhänger des Theudas wie seinerzeit die Exodusgemeinde ihre gesamte bewegliche Habe mit sich führten. Theudas wurde von den Römern enthauptet. Sein Auftreten ist charakteristisch für die zelotischen Zeichenpropheten, denen es um die Wiederholung einzelner Exodus- und Landnahmewunder ging. Da das zeitgenössische Judentum sich die Erlösung am Ende der Tage nach dem Vorbild des Exodusgeschehens vorstellte, gewannen die Zeichenankündigungen der Wunderpropheten den Charakter endzeitlicher Heilszusagen, die das Eingreifen Gottes und die Befreiung von römischer Fremdherrschaft erzwingen sollten.
Judäa vom Tod Agrippas I. bis zum Vorabend des Jüdischen Krieges
Mit Tiberius Alexander (46–48), einem Neffen des Philo von Alexandria, hatte die Provinz Judäa nochmals einen herausragenden Prokurator, der später Statthalter von Ägypten und im Jüdischen Krieg hochrangiger militärischer Berater des Titus war. Ein Jude, der sich derart weit von seinen Wurzeln entfernt hatte, musste allerdings im Volk als Abtrünniger und Verräter erscheinen. Unter ihm wurden mit Jakobus und Simon zwei Söhne von Judas dem Galiläer gekreuzigt, die als zelotische Rebellen in die Fußstapfen ihres Vaters getreten waren. Zusätzlich verschärft wurde die Lage durch wirtschaftliche und soziale Probleme. In den frühen vierziger Jahren führten Ernteprobleme in Ägypten, das seit der Ptolemäerzeit zu den wichtigsten Getreidelieferanten des Mittelmeerraumes zählte, zu einem allgemeinen Anstieg der Getreidepreise im Römischen Reich. Von den daraus resultierenden Versorgungsengpässen wurde auch Palästina schwer in Mitleidenschaft gezogen. In die Amtszeit des Tiberius Alexander fällt eine große Hungersnot, die bereits unter seinem Vorgänger Fadus einsetzte. In dieser Situation erwies sich die zum Judentum übergetretene Königin Helena von Adiabene als Wohltäterin, indem sie große Mengen von Lebensmitteln aus Zypern und Ägypten ankaufte, um der Not leidenden palästinischen Bevölkerung zu helfen. Die im Zusammenhang mit dem Apostelkonvent im Jahr 48 ergangene Verpflichtung des Paulus und Barnabas zu einer Kollekte für die Jerusalemer Urgemeinde (Gal 2,10) dürfte auf dem Hintergrund dieser Versorgungskrise zu betrachten sein. Schon zu Zeiten Agrippas I., als sich die Hungersnot ankündigte, hatte die Gemeinde von Antiochia eine Kollekte nach Jerusalem entsandt (Apg 11,27–30). Unter dem Prokurator Cumanus (48–52) kam es zu mehreren Zwischenfällen, die das mangelnde Fingerspitzengefühl der römischen Besatzungsmacht gegenüber der jüdischen Bevölkerung anschaulich dokumentieren. Im Tempel, wo die Statthalter während der hohen jüdischen Festtage immer eine Kohorte auf dem Vorhof der Heiden platziert hatten, entblößte sich während des Passahfestes einer der römischen Soldaten und löste mit dieser provokativen Geste Unruhen aus, in deren Verlauf mehrere tausend Menschen umgekommen sein sollen. Bald darauf zerriss ein römischer Soldat im Zuge einer Strafaktion gegen Aufständische, die auf offener Landstraße einen kaiserlichen Beamten überfallen und beraubt hatten, unter Verhöhnungen und Schmähungen eine Torarolle. Cumanus vermochte die aufgebrachte jüdische Bevölkerung nur dadurch zu beruhigen, dass er den Verantwortlichen mit dem Beil enthaupten ließ. Ein weiterer Krisenherd entwickelte sich in Samaria. Dort waren galiläische Festpilger auf dem Weg nach Jerusalem überfallen und getötet worden. Im Gegenzug wurden von Zeloten mehrere samaritanische Dörfer eingeäschert und ihre Bewohner massakriert. Da Cumanus nicht mehr Herr der Lage war, schaltete sich der syrische Statthalter Quadratus ein. Er ließ die zelotischen Rädelsführer hinrichten und übernahm die Kontrolle über das Land. Cumanus musste sich auf Befehl des Quadratus mit einer Abordnung jüdischer und samaritanischer Aristokraten nach Rom begeben, wo er vom Kaiser seines Amtes enthoben und in die Verbannung geschickt wurde. Nachfolger von Cumanus wurde Felix (52–60). Er trug maßgeblich zum Verfall der römischen Herrschaft in Palästina bei. Kaiser Claudius hatte ihn auf Vorschlag des Hohenpriesters Jonathan ernannt, der aber bald Kritik an
Zwischenfälle unter Cumanus
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Agrippa II.
Verhaftung und Prozess des Paulus
der Amtsführung des Statthalters übte. Felix gehörte im Gegensatz zu den Statthaltern vor ihm nicht dem Ritterstand an, sondern war ein freigelassener Sklave, der die kaiserlichen Machtbefugnisse in Palästina mit aller Grausamkeit und Willkür ausübte. Unter seiner ungewöhnlich langen Statthalterschaft erreichte das Zeichenprophetentum, das die Hoffnung auf eine endzeitliche Heilswende anheizte, einen neuen Höhepunkt. Wenn Wunderpropheten unter Ankündigung von Zeichen der Freiheit zum Zug in die Wüste aufriefen, war wiederum an eine Wiederholung einzelner Exoduswunder und die Befreiung aus der Knechtschaft gedacht. Etwa zur gleichen Zeit führte ein ägyptischer Diasporajude mit prophetischem Sendungsbewusstsein eine Volksmenge von dreißigtausend Personen von der Wüste her mit dem Versprechen auf den Ölberg, auf sein Kommando hin werde die Stadtmauer zusammenfallen, und rief damit die Eroberung Jerichos wach. Weder die kompromisslose Niederschlagung dieser Erhebungen noch die Kreuzigung zahlreicher weiterer Aufständischer durch Felix trug zur Beruhigung der Lage bei, sondern ließ im Gegenteil die Popularität der Zeloten im Volk weiter anwachsen. Die Sikarier begannen ihr mörderisches Unwesen zu treiben und erdolchten den Hohenpriester Jonathan wegen seiner engen Verbindungen zu Rom. In dieser Zeit gewann Agrippa II., der Rom treu ergeben war und keine eigenständigen politischen Aktivitäten entfaltete, an Gewicht. Bereits nach dem Tod seines Onkels Herodes von Chalkis hatte er Ende der vierziger Jahre dessen Königreich geerbt. Gleichzeitig war die Oberaufsicht über den Jerusalemer Tempel auf ihn übergegangen. Um 53 n. Chr. setzte Claudius dann Agrippa II. im Tausch gegen das kleine Königreich von Chalkis zum Herrscher über die ehemaligen Tetrarchien des Philippos und Lysanias ein. Unter Nero konnte Agrippa II. seinem Territorium auch Teile von Galiläa und Peräa einverleiben, woraufhin er aus Dankbarkeit gegenüber dem Kaiser seine Residenzstadt Caesarea Philippi in Neronias umbenannte. Durch die Vermählung seiner Schwester Drusilla mit dem Statthalter Felix festigte Agrippa II. die engen Beziehungen zur römischen Provinzialverwaltung. Felix soll mit Hilfe des jüdischen Magiers Atomos und dessen Liebeszauber Drusilla dazu gebracht haben, ihren Gatten zu verlassen und ihn zu ehelichen. In die letzte Phase der Amtszeit von Felix fällt die Kollektenreise des Paulus nach Jerusalem. Paulus selber rechnete im Vorfeld des Unternehmens damit, dass ihn in Jerusalem lebensbedrohliche Situationen und eine Ablehnung der Kollekte erwarten könnten (Röm 15,31). Im Klima eines sich intensivierenden jüdischen Nationalismus stellte die von Paulus etablierte beschneidungsfreie Heidenmission für die Jerusalemer Christen, die sich nach wie vor als integraler Teil des Judentums verstanden, zunehmend eine Belastung dar. Unter den gesetzestreuen Eiferern der Urgemeinde kursierte der Vorwurf, Paulus lehre die Diasporajuden den Abfall von der Mosetora und halte sie von der Beschneidung ihrer Kinder ab (Apg 21,21). Da Lukas die Kollekte bis auf eine Randbemerkung (Apg 24,17) unterschlägt, ist mit ihrem Scheitern zu rechnen. Vermutlich hat die Urgemeinde die Annahme heidenchristlichen Geldes verweigert, um nicht innerhalb des Judentums in Misskredit zu geraten. Dies dürfte der Grund dafür sein, warum Paulus sich auf Anraten von Jakobus an dem kostspieligen Opfer vierer Judenchristen beteiligte,
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die ein Nasiräer-Gelübde (Num 6) abgelegt hatten. Die Kollekte, paulinisches Lebenswerk und symbolisches Einheitsband zwischen Judenchristen und Heidenchristen, wurde gewissermaßen nur durch die Hintertür abgeliefert. In diesem Zusammenhang kam der Vorwurf auf, Paulus habe den aus Ephesos stammenden Heidenchristen Trophimos in den heiligen Tempelbezirk geführt (Apg 21,28–29). Heiden hatten nur zum äußeren Vorhof des Tempels Zutritt. Selbst wenn sie das römische Bürgerrecht besaßen, drohte beim Betreten des inneren Tempelbezirks die Todesstrafe durch das Synhedrion. Zwei auf Griechisch abgefasste Verbotsschilder aus dem Tempel sind bei Ausgrabungen gefunden worden. Sie tragen die Aufschrift „Niemand aus einem anderen Stamm darf eintreten in die das Heiligtum umgebende Schranke und Umwallung. Wer dabei ergriffen wird, verschuldet an sich selbst die darauf stehende Todesstrafe“. Paulus wird kaum ein derartiges Sakrileg gefördert haben, sah sich aber entsprechenden Anschuldigungen kleinasiatischer Juden ausgesetzt. Es kam zu einem Tumult, in dessen Verlauf Paulus von römischen Soldaten verhaftet und nach Caesarea zum Amtssitz des Statthalters Felix überstellt wurde. Dort verschleppte man seinen Prozess. Nach der Abberufung des Felix wurde unter Festus (60–62) das Verfahren gegen Paulus wieder aufgenommen. Dabei appellierte der Apostel an das kaiserliche Gericht in Rom und wurde dorthin überführt. Nach Apg 25–26 sind Agrippa II. und seine Schwester Berenike, die später die Geliebte von Titus war, in Caesarea mit dem inhaftierten Paulus zusammengetroffen. Zu jener Zeit verhieß ein weiterer Zeichenprophet den Menschen, die ihm in die Wüste nachfolgten, das Ende aller Übel. Als Festus 62 n. Chr. plötzlich verstarb und sich der neue Statthalter Albinus noch auf dem Weg nach Palästina befand, nutzte der Hohepriester Ananos II. dieses Machtvakuum, um den Herrenbruder Jakobus hinrichten zu lassen. Darauf hin sollen auch besonders gesetzestreue Kreise, bei denen es sich wohl um Pharisäer handelte, bei Agrippa II. und dem neuen Statthalter Albinus protestiert haben, was auf ein uneingeschränktes Festhalten des Jakobus an der Tora hindeutet. Josephus über den Tod des Herrenbruders Jakobus Da nun (der Hohepriester) Ananos ein derartiger Mensch war, meinte er, einen günstigen Zeitpunkt gefunden zu haben, da Festus gestorben, Albinus aber noch nicht angekommen war; er versammelte daher den Hohen Rat zum Gericht, und führte ihm den Bruder Jesu, des sogenannten Christus vor – Jakobus war sein Name – und einige andere, klagte sie als Verbrecher an und ließ sie zur Steinigung verurteilen. Dies erbitterte auch die eifrigsten Beobachter des Gesetzes und sie schickten deshalb heimlich Abgeordnete an den König mit der Bitte, den Ananos schriftlich aufzufordern, dass er für die Zukunft ein ähnliches Unterfangen unterlasse, wie er auch jetzt im Unrecht sei. Einige von ihnen gingen sogar dem Albinus, der von Alexandria kam, entgegen und legten ihm dar, dass Ananos ohne seine Genehmigung den Hohen Rat gar nicht zum Gericht habe berufen dürfen. Diesen Ausführungen schloss sich Albinus an und schrieb in höchsten Zorn an Ananos einen Brief, worin er ihm die gebührende Strafe androhte. Agrippa aber enthob ihn in Folge diese Vorfalls schon nach dreimonatiger Amtsführung seiner Würde und ernannte Jesus, den Sohn des Damnaeus, zum Hohenpriester. (JOSEPHUS, Antiquitates 20,200)
Hinrichtung des Jakobus
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Ananos wurde nach dieser Überschreitung seiner Kompetenzen sogleich abgesetzt, spielte aber in der ersten Phase des Jüdischen Kriegs nochmals eine tragende Rolle. Letzter römischer Prokurator vor dem Jüdischen Krieg war Gessius Florus (64–66), den Josephus als grausam, hartherzig und unersättlich in seiner Habgier charakterisiert.
5.7 Nero und die Christenverfolgung in Rom
Der Prinzipat Neros
Nero gehört zu jenen römischen Kaisern, die bereits in der antiken Historiographie sehr negativ betrachtet werden. Der Blick der römischen Geschichtsschreiber richtet sich auf die Gewalttaten, die Verschwendungssucht und das überhebliche Auftreten Neros. Christliche Autoren der Antike rücken die Christenverfolgung Neros in den Mittelpunkt und sehen in ihm eine Unheilsgestalt der Endzeit. Unser heutiges Nerobild ist entscheidend durch den Hollywoodfilm „Quo vadis“ mit seiner ebenso genialen wie tendenziösen Darstellung des römischen Kaisers durch Peter Ustinov geprägt. Auf dem Hintergrund dieser Wirkungsgeschichte ist es nicht einfach, einen objektiven Eindruck zu gewinnen. Nero verdankte den politischen Aufstieg dem Ehrgeiz seiner Mutter Agrippina, die im Jahr 49 den verwitweten Claudius ehelichte und die Adoption ihres Sohnes durch den Kaiser erreichte. Fünf Jahre später starb Claudius, ohne eine verbindliche Nachfolgeregelung getroffen zu haben. Eine Reihe von Indizien sprechen dafür, dass Agrippina den Herrscher vergiftete, um ihrem Sohn den Weg zum Thron zu ebnen. Sie sorgte dafür, dass der nicht einmal siebzehnjährige Nero von der Prätorianergarde zum Imperator ausgerufen wurde und der Senat ihm den Prinzipat übertrug. Die eigentliche Macht lag in den Händen einer Dreiergruppe, zu der neben Agrippina und dem Prätorianerpräfekten Burrus auch der Philosoph Seneca als Erzieher Neros zählte. Die Resonanz auf die am Vorbild des Augustus orientierte Politik Neros, die auf ein gutes Einvernehmen zwischen Senat und Princeps abzielte, war zunächst ausgesprochen positiv. Das Ansehen Neros verschlechterte sich aber bald durch eine Reihe politischer Morde, denen neben Britannicus, dem leiblichen Sohn des Claudius, Neros Mutter Agrippina und später auch seine im Volk überaus beliebte Gattin Octavia zum Opfer fielen. Der Prinzipat Neros stieß zudem auf zunehmende Ablehnung bei der Bevölkerung und im Senat, weil der Kaiser sich kaum der Politik widmete, sondern vornehmlich das Ziel verfolgte, als Wagenlenker, Sänger und Künstler Anerkennung zu finden. Vor diesem Hintergrund wurde der verheerende Brand Roms, der im Jahr 64 weite Teile der Stadt in Schutt und Asche legte und sich wie kein anderes Ereignis aus der Herrschaft Neros tief in das Gedächtnis der Nachwelt eingeprägt hat, zu einem Politikum ersten Ranges. Dass Nero selber die Brandkatastrophe in Gang setzte, entbehrt gesicherter Indizien und hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Entscheidend war der Sachverhalt, dass sich in der Bevölkerung schnell das Gerücht verbreitete, Nero habe Rom niederbrennen lassen, um Raum für eine Neugründung der Stadt zu gewinnen, und beim Anblick der Flammen ein Lied auf den Untergang Trojas gesungen. In dieser Situation machte Nero die in Rom lebenden Christen für die Brandkatastrophe verantwortlich.
Nero und die Christenverfolgung in Rom
Das Römische Imperium der Kaiserzeit war kein totalitäres Herrschaftsgebilde, sondern zeigte sich in religiöser Hinsicht recht tolerant. Aus diesem Grunde ist die Behandlung des Christentums durch die staatlichen Behörden nicht durch generelle und permanente Verfolgung gekennzeichnet. Auf der anderen Seite genoss das Christentum im Gegensatz zum Judentum aber auch nicht den Status einer tolerierten Religion (religio licita). Aus diesem ungeklärten Schwebezustand erklären sich sowohl die sporadischen Übergriffe der heidnischen wie jüdischen Bevölkerung des Imperiums gegen die Christen wie auch Zwangsmaßnahmen von Seiten der Behörden. Ein grundsätzliches Konfliktpotenzial zwischen den staatlichen Institutionen und der christlichen Kirche ist nicht zu leugnen. Dem in erster Linie auf militärischer Macht basierenden Römischen Reich fehlte eine für alle Reichsangehörigen einsichtige Staatstheorie, die das heterogene Gesamtgebilde hätte zusammenhalten können. Deshalb musste der Staat in besonderem Maße darauf bedacht sein, alle inneren Brandherde auszuschalten und sich der Loyalität seiner Untertanen zu versichern. Die Christen wurden als potenzieller Unruhefaktor betrachtet, da sie sich den sozialen und religiösen Normen verweigerten. Eine entscheidende Rolle spielte in diesem Zusammenhang die Ablehnung des Kaiserkults. Zudem waren die Christen bereits dem Namen nach als Parteigänger jenes Jesus Christus erkennbar, der als politischer Aufrührer die Kreuzesstrafe erlitten hatte. Unter Nero kam es im Zusammenhang mit dem Brand in Rom zum ersten gezielten Vorgehen des römischen Staates gegen das sich rasch ausbreitende Christentum. Die staatlichen Zwangsmaßnahmen trafen die Christen zunächst nicht wegen ihrer Religion, sondern wegen des Verdachts der Brandstiftung. Tacitus zufolge haben einzelne Personen sogar die Brandstiftung gestanden, worauf hin die Behörden ihr Vorgehen auf alle Christen Roms wegen angeblicher Misanthropie ausweiteten. Dies war nur möglich, weil die Christen als gesellschaftlich im Abseits stehende Bewegung mit dem Vorurteil belastet waren, eine Gemeinschaft von Verbrechern und Staatsfeinden zu sein. Die öffentlichen Hinrichtungen in der Arena vollzogen sich auf eine derart grausame Weise, dass sie nach Darstellung des Tacitus in der Bevölkerung eher Mitleid mit den Christen hervorriefen als den Hass auf sie zu schüren. Zu den Opfern dieser Maßnahmen gehörte wahrscheinlich auch Petrus, über dessen mutmaßlicher Grabstätte später der Petersdom errichtet wurde. Etwa zwei Jahre vor diesen Ereignissen dürfte bereits Paulus nach einem formellen Verfahren vor dem kaiserlichen Gericht in Rom den Tod durch Enthauptung erlitten haben. Auch wenn es unter Nero keine generelle Christenverfolgung im Imperium Romanum gab und von ihm kein allgemeines Gesetz gegen das Christsein erlassen wurde, hatte er mit seinen zeitlich und örtlich begrenzten Maßnahmen einen Präzedenzfall mit Signalwirkung geschaffen. Ob Nero seine Anweisung an die Behörden in Form eines administrativen Mandats fasste, das archiviert wurde und später auch in den Provinzen des Reiches als Rechtsgrundlage gegen das Christentum diente, lässt sich nicht mit Sicherheit erweisen. Die Vorgänge in Rom trugen aber im gesamten Reich zu einer Erhärtung des Vorurteils bei, dass es sich bei der christlichen Kirche um eine Institution handele, welche die Grundlagen des Staates gefährdete.
Christenverfolgung Neros
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Tacitus über die Christenverfolgung Neros Aber nicht durch menschliche Hilfeleistung, nicht durch die Spenden des Kaisers oder die Maßnahmen zur Beschwichtigung der Götter ließ sich das böse Gerücht unterdrücken, man glaubte vielmehr fest daran: befohlen worden sei der Brand. Daher schob Nero, um dem Gerede ein Ende zu machen, andere als Schuldige vor und belegte die mit den ausgesuchtesten Strafen, die, wegen ihrer Schandtaten verhasst, vom Volk Chrestianer genannt wurden. Der Mann, von dem sich dieser Name herleitet, Christus, war unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden; und für den Augenblick unterdrückt, brach der unheilvolle Aberglaube wieder hervor, nicht nur in Judäa, dem Ursprungsland dieses Übels, sondern auch in Rom, wo aus der ganzen Welt alle Gräuel und Scheußlichkeiten zusammenströmen und gefeiert werden. So verhaftete man zunächst diejenigen, die ein Geständnis ablegten; dann wurde auf ihre Anzeige hin eine ungeheure Menge nicht so sehr des Verbrechens der Brandstiftung als einer hasserfüllten Einstellung gegenüber dem Menschengeschlecht schuldig gesprochen. Und als sie in den Tod gingen, trieb man noch seinen Spott mit ihnen in der Weise, dass sie, in die Felle wilder Tiere eingehüllt, von Hunden zerfleischt umkamen oder, ans Kreuz geschlagen und zum Feuertod bestimmt, sobald sich der Tag neigte, als nächtliche Beleuchtung verbrannt wurden. Seinen Park hatte Nero für dieses Schauspiel zur Verfügung gestellt und gab zugleich ein Circusspiel, bei dem er sich in der Tracht eines Wagenlenkers unters Volk mischte oder sich auf einen Rennwagen stellte. Daraus entwickelte sich Mitgefühl, wenngleich gegenüber Schuldigen, die die härtesten Strafen verdient hätten; denn man glaubte, nicht dem öffentlichen Interesse, sondern der Grausamkeit eines einzelnen würden sie geopfert. (TACITUS, Annalen 15,44 [übers. v. E. HELLER, Düsseldorf/Zürich 31997])
Selbstmord Neros
Nero als Schreckensgestalt der Apokalyptik
Nach dem Brand Roms wuchs die Erbitterung über Nero im Senat und Militär derart an, dass es zur Pisonischen Verschwörung kam. Obwohl diese niedergeschlagen werden konnte, nahm der Druck auf den Kaiser zu, zumal dieser nach wie vor Künstlertum und Wagenrennen an Stelle politischen Handelns in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellte. In den Provinzen am westlichen Rand des Imperiums probten einzelne Statthalter den Aufstand, in Rom wuchs wegen steigender Getreidepreise der Hass der Bevölkerung auf den Kaiser. Als ihm in dieser Situation die Prätorianergarde die Gefolgschaft versagte, war Nero politisch am Ende und wurde im Juni 68 vom Senat zum Feind des Gemeinwesens erklärt. Nero setzte seinem Leben durch Selbstmord ein Ende. Er soll allerdings in den letzten Stunden vor dem Tod die Flucht zu dem Partherkönig Vologaesus erwogen haben, mit dem er freundschaftlich verbunden war. Dies führte zu dem Glauben, Nero sei in Wirklichkeit dem Tode entronnen und werde aus dem Osten wiederkehren. In den Wirren des Jahres 69 machten sich dies mehrere Personen zunutze, die in Kleinasien mit dem Anspruch auftraten, der wiedergekommene Nero zu sein. Die Erwartung eines wiederkehrenden Nero ergriff auch jüdische Kreise und wurde zu einem Schreckensbild in der Apokalyptik. Die vierte Sibylline, eine jüdische Apokalypse aus dem späten 1. Jh. n. Chr., hegt die Erwartung, dass Nero vom Euphrat her Rom angreifen wird. In der fünften Sibylline aus der Zeit Hadrians begegnet Nero als endzeitlicher Widersacher Gottes. Er kommt aus Persien wieder, verwüstet Alexandria und bedrängt Jerusalem,
Nero und die Christenverfolgung in Rom
bevor Gott seinen königlichen Messias gegen ihn sendet. Später überzieht der zurückgekehrte Muttermörder die ganze Welt mit Krieg. In der „Himmelfahrt des Jesaja“, einer christlich überarbeiteten jüdischen Apokalypse, kommt Beliar, der Satan, am Ende der Tage in der Gestalt Neros über die Erde herab (4,1–18). Auch die biblische Offenbarung des Johannes ist von derartigen Vorstellungen geprägt, wenn sie in verschlüsselter Form den wiederkehrenden Nero als endzeitliches Tier aus dem Meer beschreibt, das als Instrument des Teufels in hervorgehobener Weise die gottlose Macht des Römischen Reiches repräsentiert (Offb 13). Die geheimnisvolle Zahl 666, die als gematrisches Rätsel den Namen des Tieres bezeichnet, ist ebenfalls auf Nero gemünzt. Sie bildet im Hebräischen, das keine Zahlzeichen kennt und stattdessen Buchstaben mit festgelegten Zahlenwerten verwendet, die Quersumme von nrwn qsr (Kaiser Neron).
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6. Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand (66–135 n.Chr.) 66–70 n.Chr. 68 n.Chr. 69 n.Chr. 69–79 n.Chr. 70 n.Chr. 73 od. 74 n.Chr. 79–81 n.Chr. 81–96 n.Chr. 96–98 n.Chr. 98–117 n.Chr. 117–138 n.Chr. 132–135 n.Chr. 135 n.Chr.
Jüdischer Krieg Tod Neros Vierkaiserjahr (Otho, Vitellius, Galba, Vespasian) Kaiser Vespasian Eroberung Jerusalems und Tempelzerstörung Eroberung von Masada Kaiser Titus Kaiser Domitian Kaiser Nerva Kaiser Traian Kaiser Hadrian Bar-Kochba-Aufstand Umwandlung Jerusalems in Aelia Capitolina
6.1 Der Jüdische Krieg (66–70 n. Chr.) Beginn des Aufstands
Der Jüdische Krieg war Folge des zunehmenden Unmuts der jüdischen Bevölkerung über die römische Provinzialherrschaft und zugleich Teil einer umfassenden Krise des Imperiums zum Ende der Regierungszeit Neros. Es genügten zwei auf den ersten Blick belanglose Ereignisse, um das Pulverfass zum Explodieren zu bringen. Zunächst entschied Nero im Frühjahr 66 einen seit längerem schwelenden Bürgerstreit um die Vorherrschaft in Caesarea zu Gunsten des griechischen Politeumas. Dies nahm ein Bürger der siegreichen Partei im Übermut zum Anlass, am Sabbat einen umgestülpten Topf vor der Synagoge Caesareas aufzustellen und zur Verhöhnung des jüdischen Kultes einen Vogel darauf zu opfern. Bei den nachfolgenden Auseinandersetzungen zogen die Juden der Stadt den Kürzeren, zumal der Statthalter Gessius Florus, der ihnen zu einem früheren Zeitpunkt gegen Zahlung von acht Silbertalenten Unterstützung zugesichert hatte, eine bei ihm vorsprechende Protestdelegation verhaften ließ. Der Unmut gegen Florus kannte dann keine Grenzen mehr, als dieser in Jerusalem eigenmächtig den Tempelschatz antastete und ihm siebzehn Talente entnahm, um sie der kaiserlichen Kasse zuzuführen. Offenkundig diente das Geld der Zahlung rückständiger Steuern an Rom. Es spricht einiges dafür, dass zelotische Kreise die Bevölkerung zu einem Steuerboykott bewegt hatten. Die anschließenden Proteste, bei denen man zur Verhöhnung des Florus Almosen für ihn sammelte, wurden mit äußerster Härte niedergeschlagen. Dabei kam es auch zur Kreuzigung vornehmer Juden, die in römischen Diensten standen, und zu Übergriffen des Militärs auf die Zivilbevölkerung. Den intensiven Bemühungen von Agrippa II. und seiner Schwester Berenike, in Jerusalem eine Eskalation zu verhindern, war nur vorübergehender Erfolg beschieden. Auf Betreiben des Tempelhauptmannes Eleazar, dem Sohn des Hohenpriesters Ananias, wurde das Opfer für den Kaiser eingestellt, das seit Bestehen der römischen Provinz
Der Jüdische Krieg
Judäa zweimal täglich im Tempel dargebracht wurde. Damit war Jerusalem offiziell in den Aufstand getreten. Die Gründe, die Eleazar dazu bewogen, mit der romfreundlichen sadduzäischen Familientradition zu brechen und sich an die Spitze des Aufstands zu stellen, bleiben im Dunkel. In der Stadt kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Aufständischen und der romtreuen Mehrheit der Aristokratie und des Bürgertums. Auch die Aufstandsbewegung in sich war gespalten. Den priesterlicharistokratischen Revolutionären um Eleazar standen die Zeloten gegenüber, die über die Beendigung der Fremdherrschaft hinaus auch eine Neuordnung der sozialen Verhältnisse anstrebten. Von Sikariern angeführte Aufrührer zerstörten deshalb neben dem Haus des Hohenpriesters Ananias und dem Palast Agrippas II. auch das Archiv mit den Steuerlisten. Bald darauf zog Menachem, ein Sohn des Zelotenbegründers Judas Galilaios, mit bewaffneten Anhängern in Jerusalem ein, nachdem er zuvor das Zeughaus der Festung Masada geplündert hatte. Die Art seines Auftretens deutet auf messianische Ansprüche und eine besondere Machtstellung innerhalb der zelotischen Bewegung hin. Er ließ den nach wie vor Rom ergebenen Hohenpriester Ananias töten und nahm die von der römischen Kohorte besetzte Herodesburg ein, wurde dann aber von den priesterlich-aristokratischen Revolutionären unter Führung des Eleazar, die keinen Herrscher aus dem einfachen Volk duldeten, umgebracht. Damit war die Zersplitterung der Aufstandsbewegung eingeleitet. Über ganz Palästina breitete sich derweilen in ethnisch heterogenen Siedlungsgebieten ein Bürgerkrieg zwischen jüdischen und griechischen Bevölkerungsteilen aus. In Orten wie Caesarea, Skythopolis, Askalon oder Ptolemais, wo das griechische Element klar den Ton angab, kam es zu Übergriffen auf die jüdische Minderheit. Im Gegenzug wurden diese hellenistischen Städte Palästinas zum Ziel der Vergeltungsaktionen aufgebrachter Juden aus dem Umland. Im Herbst 66 bemühte sich der syrische Statthalter Cestius, die Ordnung in der Provinz Judäa wieder herzustellen. Er rückte mit seiner Streitmacht in Jerusalem ein und belagerte die auf dem Tempelberg eingeschlossenen Aufständischen, zog dann aber unverrichteter Dinge wieder ab. Auf dem Rückweg nach Antiochia gerieten seine Truppen in einen Hinterhalt und erlitten schwere Verluste. Nach dieser Niederlage der Römer schlossen sich auch die gemäßigten Kreise Jerusalems der Aufstandsbewegung an, die nun vorübergehend vom gehobenen Bürgertum und der priesterlichen Aristokratie getragen wurde, während sich die Zeloten nach Galiläa oder in die von ihnen kontrollierten Festungen Masada, Herodeion und Machairos zurückgezogen hatten. Auf dem Tempelplatz wurde eine Volksversammlung einberufen, um dem Land eine effiziente Verwaltungsstruktur zu geben und es für den römischen Gegenangriff zu wappnen. Dazu teilte man ganz Palästina in Militärdistrikte (Toparchien) mit Befehlshabern ein, denen die Organisation des Widerstandes oblag. Für Jerusalem wurde der 62 n. Chr. wegen eigenmächtiger Hinrichtung des Herrenbruders Jakobus abgesetzte Hohepriester Ananos II. mit dieser Aufgabe betraut. In Galiläa übernahm der spätere Geschichtsschreiber Josephus das Kommando, wobei er einen Ältestenrat installierte und alle wichtigen Orte militärisch befestigen ließ. Auch andere namhafte Pharisäer, darunter Simeon ben Gamaliel, waren in dieser Phase in den Aufstand verstrickt. Als gemäßigter Repräsentant der Aufstandsbewegung wurde Josephus
Spaltungen innerhalb der Aufstandsbewegung
Josephus als Militärbefehlshaber
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Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand
Übertragung des Kommandos an Vespasian
von dem radikalen Zelotenführer Johannes von Gischala bekämpft und entging nur knapp einem Attentat. In seinem Bellum Judaicum und seiner Vita gibt Josephus eine ausführliche Darstellung des Jüdischen Krieges, den er über weite Strecken als Augenzeuge miterlebt hat. Dabei neigt er allerdings zu einer Beschönigung seiner eigenen Rolle und unternimmt zudem den tendenziösen Versuch, den jüdischen Aufstand allein als das Werk einer kleinen Gruppe radikaler Elemente darzustellen. Mit der Ernennung Vespasians zum römischen Oberbefehlshaber in Judäa begann ein neuer Abschnitt des Jüdischen Krieges. Nero hatte in Griechenland, wo er sich zur Darbietung seiner Künste aufhielt, von der vernichtenden Niederlage des Cestius Kenntnis erhalten. In seinem Gefolge befand sich Vespasian. Der war zwar bei den künstlerischen Vorführungen des Kaisers aus Langeweile eingeschlafen und daher in Ungnade gefallen, hatte sich aber im Britannienfeldzug des Claudius und später als Statthalter der Provinz Africa Verdienste erworben. Nun profitierte Vespasian von Neros ausgeprägtem Misstrauen gegenüber Senatoren vornehmer Herkunft und wurde beauftragt, den jüdischen Aufstand kompromisslos niederzuschlagen. In den Augen des Kaisers war er ein ungefährlicher Emporkömmling, der über die militärische Kompetenz verfügte, die Ordnung in der Provinz Judäa wiederherzustellen. Vespasian rückte Anfang 67 mit den in Syrien stationierten Legionen und den Hilfstruppen benachbarter Vasallenkönige, darunter auch Soldaten von Agrippa II., nach Ptolemais vor. Dort stieß sein Sohn Titus von Alexandria aus mit der fünfzehnten römischen Legion zu ihm. Noch bevor die rund sechzigtausend Mann starke Streitmacht von Ptolemais nach Galiläa einmarschierte, baten Abgesandte aus Sepphoris um die Stationierung einer römischen Militäreinheit in der Stadt. Sepphoris war nach dem Tod des Herodes als Zentrum jüdischer Aufruhr der Zerstörung durch Varus anheim gefallen und wollte nun aus Furcht vor neuerlichen Vergeltungsaktionen um jeden Preis vermeiden, in den Krieg gegen Rom hineingezogen zu werden. Damit war eine der am besten befestigten Städte des Landes kampflos in die Hände der Römer gefallen. Nach der Eroberung von Gamala und Gischala konnte Vespasian Galiläa nahezu ohne Gegenwehr besetzen. Zahlreiche Juden im Lande ergriffen bereits bei der Kunde vom Anrücken des römischen Heeres die Flucht. Allein die nördlich von Sepphoris gelegene Festung Iotapata leistete unter dem Kommando von Josephus erbitterten Widerstand. Als den Römern nach längerer Belagerung die Einnahme von Iotapata gelang, setzte die Mehrzahl der jüdischen Widerständler ihrem Leben selbst ein Ende, wie man es auch von Josephus als Befehlshaber erwartete. Dieser entzog sich allerdings mit List dem Selbstmord und begab sich stattdessen in römische Kriegsgefangenschaft. Seitdem haftete Josephus der Ruf eines Überläufers und Verräters am eigenen Volk an, auch wenn er sich in seinen erhaltenen Schriften als entschiedener Verteidiger des Judentums zeigt. In der Gefangenschaft prophezeite er Vespasian den Aufstieg zur Weltherrschaft. Als dies 69 n. Chr. tatsächlich eintrat, wurde Josephus freigelassen und erlebte den weiteren Kriegsverlauf als Berater und Dolmetscher im römischen Stab mit. In diese Zeit fällt das von ihm geschilderte Auftreten des jüdischen Exorzisten Eleazar, der vor den Augen Vespasians und seines Stabs eine spektakuläre Dämonenaustreibung vollbrachte (Ant. 8,42–49).
Der Jüdische Krieg
Die Eroberung Jerusalems wurde vorerst noch nicht in Angriff genommen. Dort hatten die Dinge eine weitere dramatische Wendung erfahren. Die Stadt wurde zum Anziehungspunkt der im gesamten Land von der Kriegsmaschinerie Vespasians überrollten Rebellengruppen, die sich gegenseitig bis aufs Blut bekämpften. Dem Zelotenführer Johannes war vor der römischen Eroberung seiner Heimatstadt Gischala die Flucht nach Jerusalem gelungen, wo er einen Bürgerkrieg entfachte und mit Hilfe eingeschleuster idumäischer Freiheitskämpfer die Herrschaft über die Stadt errang. Nun regierte in Jerusalem der blanke Terror. Alle gemäßigten Kräfte wurden der Römerfreundschaft bezichtigt und weite Teile der Aristokratie, darunter der Hohepriester Ananos II., beseitigt. Zum Konkurrenten des Johannes von Gischala innerhalb der zelotischen Bewegung und zur eigentlichen Leitfigur des jüdischen Aufstands erhob sich in dieser Phase des Widerstands der aus der Dekapolis stammende Simon bar Giora. Ihm war zu Beginn des Krieges die Militärgewalt über den südöstlich von Sichem gelegenen Bezirk Akrabatene übertragen worden. Bald sagte er sich von den bürgerlichen Revolutionären los, schloss sich den Sikariern in Masada an und sammelte Angehörige der unteren sozialen Schichten um sich, mit denen er den Süden des Landes unsicher machte. Er verstand sich nun als Messias und trat wie ein König auf. Nachdem er im Frühjahr 69 mit seinen Kämpfern in Jerusalem eingezogen war, brachte er weite Teile der Stadt unter seine Kontrolle und drängte Johannes von Gischala auf den Tempelberg zurück, wo bis dahin der rivalisierende Rebellenführer Eleazar ben Simon das Kommando führte. In der Folgezeit kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Zelotengruppen, die mit der von Judas Galilaios begründeten Freiheitsbewegung nur noch indirekt zusammenhingen. Die Christen Jerusalems hatten zu dieser Zeit bereits die Stadt verlassen und sich nach Pella in der Dekapolis begeben. Die betreffenden Traditionen bei Euseb und Epiphanius werden zu Unrecht oftmals als ungeschichtliche Gründungslegende der Gemeinde von Pella betrachtet. Da altkirchliche Zeugnisse für die Zeit nach dem Jüdischen Krieg wieder die Existenz einer judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem voraussetzen, hat es sich nicht um einen dauerhaften Auszug gehandelt. Die vorübergehende Übersiedlung der Urgemeinde nach Pella war von apokalyptischen Weissagungen begleitet, die den Untergang Jerusalems prophezeiten. Von Euseb wird dieses Geschehen im Rückblick mit einer judenfeindlichen Geschichtsdeutung versehen. Der Auszug der Urgemeinde nach Pella Als endlich die Kirchengemeinde in Jerusalem in einer Offenbarung, die ihren Führern zuteil geworden war, die Weissagung erhalten hatte, noch vor dem Krieg die Stadt zu verlassen und sich in einer Stadt Peräas namens Pella niederzulassen, und als sodann die Christusgläubigen von Jerusalem weggezogen waren, und weil damit gleichsam die heiligen Männer die königliche Hauptstadt der Juden und ganz Judäa völlig geräumt hatten, da brach zuletzt das Strafgericht Gottes über die Juden wegen der vielen Freveltaten, die sie an Christus und seinen Aposteln begangen hatten, herein und vertilgte gänzlich dieses Geschlecht der Gottlosen aus der Menschengeschichte. (EUSEB, Historia Ecclesiastica III.5,3 [übers. v. H. KRAFT, München 31989])
Bürgerkrieg in Jerusalem
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Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand Thronwirren nach dem Tod Neros
Belagerung Jerusalems durch Titus
In Rom war derweilen nach dem Selbstmord Neros ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der das Reich an den Rand des Abgrunds und das Kaisertum in eine tiefe Krise stürzte. Vespasian, der den Auftrag zur Kriegsführung von Nero erhalten hatte, zögerte die Eroberung Jerusalems hinaus, da er die weitere Entwicklung abwarten wollte. Vom Senat wurde zunächst dem bereits zweiundsiebzigjährigen Galba, der sich als Statthalter Spaniens dem Aufstand des Vindex gegen Nero angeschlossen hatte, der Prinzipat übertragen. Dies zog eine Meuterei der Rheinarmee nach sich, die bei der Neujahrsparade 69 Galba demonstrativ den Eid verweigerte und am Tag darauf ihren in Köln residierenden Oberbefehlshaber Vitellius zum Nachfolger Neros ausrief. Bevor Vespasian von Galba neue Anweisungen zur Kriegsführung in Judäa entgegennehmen konnte, wurde dieser im Januar 69 von Otho beseitigt. Otho hatte die bis dahin Galba unterstützende Prätorianergarde auf seine Seite gebracht, ließ sich vom Senat den Prinzipat übertragen und amtierte nun als Gegenkaiser zu Vitellius. Im April 69 wurde Otho bei Cremona in Oberitalien von den Truppen des Vitellius vernichtend geschlagen und beging Selbstmord. Vespasian erwies nach außen auch dem neuen Herrscher seine Loyalität und vereidigte die Truppen auf Vitellius. Es waren zunächst mehrere Legionen der Donauprovinzen, die eine Erhebung Vespasians zum Kaiser betrieben. Dabei spielte die traditionelle Rivalität zu den hinter Vitellius stehenden Legionen am Rhein eine entscheidende Rolle. Nachdem Vespasian auf diese Weise als Kaiser ins Spiel gebracht worden war, verhalfen ihm die einflussreichen Statthalter Ägyptens und Syriens, Tiberius Alexander und Licinius Mucianus, zur Herrschaft, indem sie ihn zum Imperator ausrufen ließen und die Legionen ihrer Provinzen auf ihn einschworen. Bald wurde Vespasian vom gesamten östlichen Teil des Imperiums als Kaiser anerkannt. Während er selbst im Hintergrund blieb, rückten die mit ihm sympathisierenden Donaulegionen unter Führung von Antonius Primus nach Italien vor. Nachdem die Truppen des Vitellius in Oberitalien vernichtend geschlagen worden waren, zog Antonius Primus in Rom ein. Vitellius wurde dort im Dezember 69 gelyncht und sein Leichnam in den Tiber geworfen. Als Vespasian auf diese Weise an die Herrschaft gelangt war, beauftragte er seinen Sohn Titus mit der endgültigen Niederwerfung des jüdischen Aufstandes. Er selber verbrachte den Winter in Ägypten und begab sich dann nach Rom, wo er ein knappes Jahr nach seiner Ernennung die Herrschaft antrat. In die Zeit dieses Ägyptenaufenthalts fallen zwei spektakuläre Wunderheilungen. Beim Einzug in Alexandria wandten sich vor dem Sarapisheiligtum ein beinahe Erblindeter und ein Gelähmter mit der Bitte um Heilung an Vespasian. Vermutlich waren sie von den Sarapispriestern instruiert, da sie genaue Vorstellungen von den erforderlichen therapeutischen Maßnahmen hatten. Vespasian mit seiner Neigung, außergewöhnlichen Ereignissen schicksalhafte Bedeutung beizumessen, bewirkte nach Hinzuziehung von Ärzten die Heilungen mit einer Mischung aus volkstümlicher Medizin und Charisma. Diese Wunderheilungen machten im Römischen Reich die Runde und galten als Beweis dafür, dass auf dem neuen Herrscher der göttliche Segen ruhte. Als Titus Ende 69 das Kommando im Jüdischen Krieg übernahm, befand sich mit Ausnahme von Jerusalem und einzelner von den Aufständischen gehaltener Festungen ganz Palästina in römischer Hand. Im Frühjahr des nachfolgenden Jahres setzte Titus mit vier Legionen die Belagerung Jerusalems in Gang,
Der Jüdische Krieg
die von Josephus eindrücklich beschrieben wird. Unterstützt wurde Titus von Tiberius Alexander. Trotz der römischen Belagerung richtete Johannes von Gischala am Passahfest des Jahres 70 im Tempel noch ein Blutbad unter den Kämpfern des Eleazar ben Simon an. Obwohl sich die verfeindeten Zelotengruppen danach mit aller Kraft gegen den gemeinsamen Feind zusammenschlossen, konnten die Stadtmauern innerhalb weniger Wochen gestürmt werden. Die Kämpfe konzentrierten sich bald auf die letzten Bastionen des Widerstands. Während Johannes von Gischala sich auf den Tempelberg mit der Burg Antonia zurückgezogen hatte, verschanzte sich Simon bar Giora mit seinen Kämpfern in der Herodesburg und hielt die Oberstadt. Appelle des Josephus an die Aufständischen, die Waffen niederzulegen und sich zu ergeben, verhallten ungehört. Da ganz Jerusalem von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten war, starben unzählige Menschen eines grausamen Hungertodes. Doch auch in Anbetracht von Hunger, Seuchen und feindlicher Übermacht kam eine Kapitulation für die Zeloten nicht in Frage. Trotz erbitterten Widerstands fiel im Juni 70 die Burg Antonia und bald darauf auch der Tempelbezirk. Johannes von Gischala gelang die Flucht in die Oberstadt zu den dortigen Zeloten um Simon bar Giora. Der Tempel ging in Flammen auf, wurde von römischen Soldaten geplündert und fiel vollständig der Zerstörung anheim. Selbst in dieser Situation weigerten sich Simon bar Giora und Johannes von Gischala, die von ihnen gehaltene Oberstadt den Römern zu übergeben, da diese ihnen keinen freien Abzug zusichern wollten. Nach fünfmonatiger Belagerung konnte schließlich auch die Oberstadt von Titus eingenommen werden. Da von jüdischer Seite im Verlauf der Belagerung mehrere Verhandlungsangebote der Römer mit durchaus annehmbaren Kapitulationsbedingungen brüsk ausgeschlagen worden waren, gingen die römischen Truppen nach dem Fall Jerusalems mit aller Härte vor. Die Stadt wurde weitgehend dem Erdboden gleichgemacht. Unter den am Leben gebliebenen Personen richteten die Soldaten ein Blutbad an. Zwischen Schuldigen und Unschuldigen wurde kein Unterschied gemacht. Wer nicht exekutiert wurde, den erwartete Sklavenarbeit in Bergwerken oder der blutige Gladiatorenkampf in der Arena. Beide Zelotenführer fielen lebend in die Hände der Römer und wurden 71 n. Chr. im Triumphzug durch Rom geführt. Johannes von Gischala kam mit dem Leben davon und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Simon bar Giora, der sich den Römern im purpurnen Feldherrenornat ergeben hatte und als eigentlicher Anführer der Aufständischen galt, wurde unmittelbar nach dem Triumphzug unter dem Jubel der römischen Bevölkerung auf dem Forum hingerichtet. Bei diesem Triumphzug, von dem bis heute der Titusbogen in Rom zeugt, wurden auch die erbeuteten Kultgegenstände aus dem Tempel gezeigt, darunter Torarollen, der siebenarmige Leuchter und der aus vergoldetem Akazienholz bestehende Schaubrottisch. Während Titus sich bereits auf dem Weg nach Rom befand, leisteten einige Festungen im Lande auch nach dem Fall Jerusalems noch Widerstand. Herodeion, wo sich das Grabmal von Herodes dem Großen befand, konnte vom römischen Statthalter Lucilius Bassus zügig eingenommen werden. Die Eroberung von Machairos gestaltete sich zwar deutlich schwieriger, doch nahmen die dortigen Widerständler letztlich die Kapitulationsbedingungen der Römer an. In der südlich von Engedi am Westufer des Toten Meeres gelegenen Festung Masada hingegen, die sich am längsten hielt, siegte nicht
Eroberung von Masada
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Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand
Auswirkungen auf das Diasporajudentum
die Vernunft, sondern der zelotische Fanatismus. Dort führte Eleazar ben Jair, ein weiterer Nachfahre von Judas dem Galiläer, das Kommando. Auf die Festung hatten sich etwa eintausend Sikarier, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, zurückgezogen. Der Fund von Qumrantexten auf Masada deutet darauf hin, dass sich auch Mitglieder der Qumrangemeinde darunter befanden. Sie leisteten bis zur spektakulären Eroberung der als uneinnehmbar geltenden Festung durch den römischen Legaten Flavius Silva im Frühjahr 74 erbitterten Widerstand. Der Gefangennahme durch die Römer kamen sie durch Selbstmord zuvor. Es wurden zehn Männer ausgelost, denen die Aufgabe zufiel, allen Bewohnern der Festung die Kehle durchzuschneiden. Unter diesen zehn Männern fiel auf einen das Los, den anderen den Todesstoß zu versetzen und dann Selbstmord zu begehen. Nur wenige Personen konnten sich in Verstecken dem Tod entziehen. Den Römern bot sich bei der Eroberung von Masada ein Bild des Grauens. Vom Ausgang des Jüdischen Krieges wurde auch das Diasporajudentum schwer in Mitleidenschaft gezogen. Durch den Aufstand gegen Rom war das Ansehen des Judentums im gesamten Imperium rapide gefallen. Allerorts schlug den jüdischen Gemeinden Feindschaft und purer Hass entgegen. Nach dem Fall Jerusalems waren militante Zeloten nach Ägypten, Syrien und in die Kyrenaika geflohen. Dort unternahmen sie den Versuch, ihre gemäßigten Volksgenossen mit dem Bekenntnis zur Alleinherrschaft Gottes in die Erhebung gegen Rom zu verstricken. Bei der Landbevölkerung und in der städtischen Unterschicht stießen sie damit auf positive Resonanz. Dies bot den örtlichen Behörden die willkommene Gelegenheit, gegen die Judenschaft in ihrer Gesamtheit vorzugehen. Der latente Antijudaismus brach offen aus. Im syrischen Antiochia erbat man von Titus, wenn auch vergebens, die Erlaubnis zur Vertreibung aller Juden aus der Stadt. In Ägypten wurde von den Behörden als Folge von Auseinandersetzungen zwischen gemäßigten Juden und Sikariern der einst von Onias IV. gegründete Tempel in Leontopolis geschlossen, da er nach der Zerstörung des Jerusalemer Heiligtums zum Kristallisationspunkt militanter messianischer Hoffnungen zu werden drohte. Als in Kyrene ein zelotischer Zeichenprophet namens Jonathan mit der Ankündigung wunderbarer Erscheinungen in der Wüste für Unruhen sorgte, veranlasste dies den Statthalter der Provinz zu Massenhinrichtungen an Juden und zur Beschlagnahmung ihres Vermögens.
6.2 Die Neuformierung des Judentums nach der Tempelzerstörung Die Folgen des Jüdischen Krieges waren in politischer, wirtschaftlicher und religiöser Sicht verheerend. Die Provinz Judäa wurde nun von einem kaiserlichen Legaten senatorischen Ranges verwaltet, der gleichzeitig Befehlshaber der am Jüdischen Krieg beteiligten zehnten Legion war, die von Titus zur Sicherung des Landes zurückgelassen worden war. Sie trug den Eber als Feldzeichen und hatte ihr Standquartier im nahezu vollständig zerstörten Jerusalem, das nun kaum mehr als ein römisches Feldlager war. Das Synhedrion als entscheidendes Instrument jüdischer Selbstverwaltung wurde aufgelöst. Auch wirtschaftlich zog der Krieg katastrophale Folgen nach sich.
Neuformierung des Judentums nach der Tempelzerstörung
Weite Teile des Landes waren verwüstet und entvölkert. Den Grundbesitz der Provinz betrachtete Vespasian als römisches Staatsland. Die jüdischen Bauern wurden damit ausnahmslos zu abhängigen Pächtern, die für die landwirtschaftliche Nutzung ihres Bodens Pachtzins zu entrichten hatten. In religiöser Hinsicht stellte der Verlust des Jerusalemer Tempels die dramatischste Folge des Jüdischen Krieges war. Während bis dahin mit Ausnahme der Essener alle Religionsparteien auf den Tempel als Mittelpunkt des religiösen Lebens ausgerichtet waren, erwies sich nunmehr eine grundsätzliche Neuorientierung als notwendig. Da das Judentum seines kultischen Zentrums beraubt war, wurde das Gesetz zur unumschränkten Mitte der jüdischen Religion und die Synagoge zum zentralen Ort der Religionsausübung. Äußeres Zeichen für den Untergang des Heiligtums war die römische Neuordnung der Tempelsteuer, die nun dem Tempel des Jupiter Capitolinus in Rom zugute kam. Dafür wurde eine eigene Behörde, der Fiscus Judaicus, eingerichtet. Diese Judensteuer musste von jedem Familienmitglied zwischen drei und zweiundsechzig Jahren, gleich welchen Geschlechts, entrichtet werden, während die Tempelsteuer nur männliche Juden über zwanzig Jahre betroffen hatte. Durch die reichsweite Judensteuer, die neben der finanziellen Belastung eine religiöse Demütigung mit sich brachte, wurden die Zerstörung Jerusalems und der Verlust des Tempels auch im Bewusstsein des Diasporajudentums tief verankert. Aus Ägypten ist eine Quittung vom 2. Juni 72 überliefert, auf der die römische Provinzialverwaltung einem Juden namens Josephus die Entrichtung der Steuer bestätigt (CPJ II 165). Mit diesen Entwicklungen ging bald eine umwälzende Veränderung der religiösen Landschaft einher. Sadduzäer, Essener und Zeloten erlitten durch die Folgen des Jüdischen Krieges einen massiven Bedeutungsverlust oder fielen der völligen Bedeutungslosigkeit anheim. Zur entscheidenden Größe wurde nun der gemäßigte Flügel des Pharisäismus, der relativ unbeschadet aus der Katastrophe hervorging und eine Führungsrolle bei der Neuformierung des Judentums übernahm. Am Ende dieser langen und keineswegs gradlinigen Entwicklung stand die Etablierung eines normativen rabbinischen Judentums. Aus einer von Tempel und Tora geprägten pluralen Gesellschaft wurde ein Gemeinwesen ohne Tempelkult, in dem die Rabbinen mit ihrer Gesetzesauslegung das jüdische Leben bestimmten. In der geschichtlichen Rückschau hat die rabbinische Tradition den Neuanfang mit Jochanan ben Zakkai verbunden und in der Küstenstadt Jabne (Jamnia) verortet. Jochanan ben Zakkai, über dessen Person wenig Sicheres bekannt ist, der aber aller Wahrscheinlichkeit nach den Pharisäern zugehörte, wird als Leitfigur für das Überleben des Judentums nach der Tempelzerstörung und die Entwicklungen in Jabne betrachtet. Eine in zahlreichen Versionen überlieferte rabbinische Legende berichtet davon, wie Jochanan ben Zakkai während des Jüdischen Krieges in einem Sarg aus dem besetzten Jerusalem geschmuggelt wurde, zu den Römern überlief und Vespasian die Kaiserwürde vorhersagte. Vespasian persönlich soll ihm die Errichtung eines Lehrhauses in Jabne zur Neuformierung des Judentums genehmigt haben. In der Forschung neigte man lange Zeit dazu, diese Gründungslegende der Rabbinen nach der Katastrophe der Tempelzerstörung uneingeschränkt für bare Münze zu nehmen und von der sofortigen Etablierung eines normativen Judentums pharisäischer Prägung auszugehen. Die tatsächliche Ent-
Religiöse Folgen der Tempelzerstörung
Jochanan ben Zakkai
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Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand
Neubeginn in Jabne
wicklung verlief wesentlich komplexer. Das Rabbinentum kristallisierte sich in einem längeren Prozess, der nach der Tempelzerstörung einsetzte und im frühen 3. Jh. zu einem gewissen Abschluss kam, als beherrschende Form des Judentums heraus und steht keineswegs in ungebrochener Kontinuität zum Pharisäismus der Zeit vor 70. Zudem sollte man den tatsächlichen Einfluss der frühen rabbinischen Bewegung nicht überschätzen. Dass die Versammlung von Jabne als eine Art Nachfolgeorganisation des Synhedrions sofort die zentrale nationale Führung an sich riss und gleichzeitig zur allgemeinen Durchsetzung ihrer Normen in der Lage war, stellt einen Mythos dar. Die rabbinische Gründungslegende hat allerdings einen historischen Kern. In der Tat dürfte Jochanan ben Zakkai während des Jüdischen Krieges aus Jerusalem geflohen sein, wobei eine grundsätzliche Opposition des gemäßigten Pharisäertums gegen den zelotischen Befreiungskampf und die Hoffnung auf eine Einigung mit den Römern eine Rolle gespielt haben werden. Von den Römern wurde ihm Jabne als neuer Wohnort zugewiesen, das nun zu einem beherrschenden Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit wurde und kraft der geistigen Autorität der dort versammelten Rabbinen bald einen gewichtigen Einfluss auf das religiöse Leben ausübte. Der Neubeginn in Jabne erfolgte unter pharisäischer Führung, wurde aber von einer breiteren Sammelbewegung getragen. Mit der für ihr Denken charakteristischen Ausweitung des priesterlichen Ansatzes auf die profane Welt konnten die in besonderer Weise auf die Tora ausgerichteten Pharisäer den Verlust des Tempels besser als andere bewältigen. Bei der Neuformierung des Judentums wirkten aber auch nichtpharisäische Kräfte mit. Dabei ist vor allem an Priester und Schriftgelehrte aus Sadduzäerkreisen zu denken, während Essener und Zeloten, so weit sie noch existierten, in diesem Prozess keine erkennbare Rolle gespielt haben. Die vom Verlust des Tempels, dem Erlöschen des Hohenpriesteramtes und dem Untergang des Synhedrions besonders empfindlich getroffenen Sadduzäer erlitten zwar durch die Katastrophe des Jahres 70 einen massiven Bedeutungsverlust, verschwanden aber nicht schlagartig vom Boden des Judentums, zumal zunächst die Hoffnung auf eine baldige Wiederherstellung des Tempels bestand. Die mit dem Tempelkult in Zusammenhang stehenden priesterlichen Traditionen und Gesetze galt es daher in Jabne zu bewahren und weiterzuführen. Gleichzeitig ergab sich aber die Notwendigkeit, gesetzliche Neuerungen einzuführen, die eine Weiterführung des religiösen Lebens im Angesicht des zerstörten Tempels ermöglichten. Von Jochanan ben Zakkai sind eine Reihe diesbezüglicher Notverordnungen (taqqanot) überliefert, die ohne biblische Grundlage allein aufgrund rabbinischer Autorität ergingen. Dabei geht es im Wesentlichen darum, auf den Tempel bezogene halachische Vorschriften derart an die neuen Gegebenheiten anzupassen, dass sie auch ohne Existenz des Tempels durchführbar waren. Während beispielsweise das Blasen des Schofar an einem auf den Sabbat fallenden Neujahrsfest ursprünglich nur im Tempel erlaubt war, wurde dies nun auf jeden Ort ausgedehnt, an dem sich ein jüdischer Gerichtshof befand. Am Laubhüttenfest durfte ursprünglich nur im Tempel der Feststrauß über die gesamte Festdauer von sieben Tagen hinweg im Rahmen der Prozession getragen werden, während Jochanan ben Zakkai zufolge diese Praxis nun zur Erinnerung an das Heiligtum im gesamten Land Verbreitung finden sollte. Zudem wurde von der Versammlung in Jabne die dann im 2. Jh. n. Chr. zum Abschluss gekommene Festlegung des Kanons der hebräischen Bibel vorangetrieben,
Das Kaisertum der Flavier
indem ein erster Versuch unternommen wurde, die umstrittenen Bücher Hohes Lied und Prediger (Kohelet) für verbindlich zu erklären. Gleichzeitig verwarf man das aus priesterlichen Kreisen stammende Buch des Jesus Sirach, das bis dahin in hohem Ansehen stand und sich auch bei den neutestamentlichen Autoren großer Wertschätzung erfreute. In Jabne kam es bald zu ersten Ausgrenzungstendenzen innerhalb des Judentums. Eine führende Rolle scheint dabei Gamaliel II. gespielt zu haben. Er war ein Enkel von Gamaliel I., dem Lehrer des Apostels Paulus, und hatte nach Jochanan ben Zakkai die Leitung des Lehrhauses inne. Auf seine Initiative hin wurde die zwölfte Bitte des jüdischen Achtzehngebetes um eine Ketzerverfluchung erweitert. Diese Erweiterung richtete sich gegen verschiedene Gruppen von jüdischen Abweichlern und stellte einen ersten Versuch der Versammlung von Jabne dar, sich als normatives Judentum zu etablieren. Im Interesse der Einheit Israels sollten nicht konform gehende Meinungen abgewehrt werden. Dabei wurde der bedeutende Gelehrte Eliezer ben Hyrkanus mit einem Bann belegt. Ohne dass sich die Ketzerverfluchung gezielt gegen Judenchristen richtete, waren diese von ihr mit betroffen. Vermutlich hat die Erweiterung des Achtzehngebets die komplexen Trennungsprozesse zwischen Judentum und Judenchristentum, wie sie sich im Matthäusevangelium und Johannesevangelium widerspiegeln, beschleunigt und ist maßgeblich für das polemisch geprägte Zerrbild verantwortlich, das beide Schriften von den Pharisäern bzw. dem Judentum in seiner Gesamtheit bieten. Erst aus späterer Zeit stammt die nochmalige Erweiterung der angesprochenen zwölften Bitte des Achtzehngebets um eine nun direkt auf die Judenchristen gemünzte Verfluchung der Nazarener. Unter dem Eindruck des gescheiterten Bar-Kochba-Aufstands (132–135) als eigentlichem Wendepunkt in der Geschichte des antiken Judentums wurde deutlich, dass das Jahr 70 unwiderruflich einen gravierenden Einschnitt mit sich gebracht hatte, indem alle Hoffnungen auf eine Wiederherstellung des Tempelkults und Rückkehr zur alten Ordnung begraben werden mussten. Erst jetzt begann sich das Rabbinat allmählich als die neue Führungsschicht durchzusetzen und mit einer rigiden Ausgrenzung Andersdenkender die Vielfalt des Judentums vor der Tempelzerstörung zu einer gewissen Einförmigkeit zu reduzieren.
6.3 Das Kaisertum der Flavier (69–96 n. Chr.) Der Tod Neros war gleichbedeutend mit dem Ende des julisch-claudischen Kaisertums. Der Prinzipat Vespasians markierte den Beginn einer neuen Ära und begründete die Dynastie der Flavier. Durch die Herrschaft Neros und die Entwicklungen nach seinem Tod hatte das Kaisertum immensen Schaden genommen und war nach genau einem Jahrhundert des Bestehens in seine bis dahin schwerste Krise geraten. Galba, Otho und Vitellius verstrickten in ihrem Konkurrenzkampf um die Herrschaft das Reich in einen blutigen Bürgerkrieg, von dem auch die Stadt Rom schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Da die Überwindung der Bürgerkriege des 1. Jh. v. Chr. einer der stärksten Legitimationsfaktoren für den augusteischen Prinzipat war, stellten die Unruhen des Jahres 69 n. Chr. die grundlegende Bedeutung des Kaisertums als Garant des Friedens in Frage. Zudem ging mit der inneren Zerrissen-
Erste Ausgrenzungstendenzen
Verfluchung der Nazarener
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Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand
Herrschaft Vespasians
Erneuerung des Senats
heit des Imperiums eine Bedrohung seiner äußeren Grenzen einher. An Rhein und Donau machten sich feindliche Stämme die Schwäche der Reichsgewalt zu Nutze und drangen auf römisches Territorium vor. In dieser Situation erwies sich der Prinzipat Vespasians als Glücksfall für das Imperium und stellte nach den Wirren des Vierkaiserjahres 69 die Stabilität wieder her. Vespasian stammte aus recht einfachen Verhältnissen. Er war als Sohn eines Zollpächters und Geldverleihers zur Welt gekommen. Nichts deutete darauf hin, dass er einmal die Herrschaft über das Reich ausüben sollte. Nachdem er von seiner Mutter zu einer senatorischen Laufbahn gedrängt worden war, machte Vespasian unter Caligula und Claudius durch militärische Erfolge schnell Karriere. Von Nero wurde er zunächst zum Statthalter der Provinz Africa ernannt und dann mit der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes betraut. Der Sieg im Jüdischen Krieg, der bald durch den großen Triumphzug und die Prägung von „Iudaea capta“-Münzen propagandistisch ausgewertet wurde, schuf für den Prinzipat Vespasians und seiner Söhne eine glänzende Ausgangsposition. Als Kaiser widmete Vespasian sich mit ganzer Kraft der Lenkung der Staatsgeschäfte. Er fasste die Herrschaft als Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit auf und zeichnete sich durch einen vorbildlichen Regierungsstil aus. Als Frühaufsteher studierte er noch vor der Morgenaudienz die Rapporte der einzelnen Ämter. Er führte ein einfaches und anspruchsloses Leben, das sich bewusst vom Luxus und den Auswüchsen der Zeit Neros abhob. Auf allen Gebieten musste ein Neuanfang gemacht werden. Zu den vordringlichsten Aufgaben gehörte die Sanierung der Staatsfinanzen, die von Nero in einem katastrophalen Zustand hinterlassen worden waren. Bei seiner Kaisererhebung soll Vespasian den immensen Betrag von vierzig Milliarden Sesterzen genannt haben, der nötig sei, um das Defizit auszugleichen und den Staat wieder handlungsfähig zu machen. Als Sohn eines Steuereintreibers und Geldverleihers erwies er großes Geschick, dem Staat neue Einnahmequellen zu verschaffen. Er unterzog das gesamte Steuerwesen einer systematischen Überprüfung. In Vergessenheit geratene Steuern wurden wieder eingeführt, bestehende Steuern erhöht und neue Steuern ins Leben gerufen. Dazu gehörte neben der Erhebung der Judensteuer auch die Besteuerung des von den Gerbern verarbeiteten Urins der öffentlichen Latrinen, die das Sprichwort „pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht) nach sich zog. Die erfolgreiche Sanierung der Staatsfinanzen ermöglichte Vespasian große Bauvorhaben, darunter den Wiederaufbau des bei den Unruhen des Jahres 69 in Flammen aufgegangenen Kapitols, den Bau eines neuen Forums und die Errichtung des Kolosseums, dessen Fertigstellung er allerdings nicht mehr erlebt hat. Nach den Exzessen im Bürgerkrieg wurde die Macht der Prätorianergarde, die in der Vergangenheit immer wieder in Thronwirren verwickelt gewesen war und sich dabei als bestechlich erwiesen hatte, empfindlich beschnitten. Zur Stabilisierung der Flavierherrschaft war zudem die Bildung einer qualifizierten neuen Führungsschicht unerlässlich, bei der Vespasian eine glückliche Hand bewies. Es kam zu einer Auffrischung und umfassenden Erneuerung des Senats, wobei vor allem solche Personen Förderung erfuhren, die wie der Kaiser selbst einfacher ritterlicher Herkunft waren oder aus den Provinzen stammten. Mit den „neuen Männern“, denen wichtige Stellungen im Heer und in der Reichsverwaltung übertragen wurden, schuf Vespasian eine Führungsschicht, die sich auch für die nachfolgenden Herrscher als wichtige
Das Kaisertum der Flavier
Stütze des Imperiums erweisen sollte. Ebenfalls recht erfolgreich betrieb Vespasian die Grenzsicherung. Im Bereich des Oberrheins und in der Provinz Britannien wurde durch Gebietseroberungen eine verbesserte Grenzziehung ermöglicht. An der Donau konnten die Daker zurückgedrängt werden, die im Krisenjahr 69 in die Provinz Moesien eingedrungen waren, während die Donaulegionen in Italien den Sturz des Vitellius betrieben. Im Osten wurden durch die Annexion der Klientelkönigtümer Commagene und Kleinarmenien und die Neuorganisation der Provinzen Kleinasiens und Palästinas die Grenzen des Reiches stabilisiert. Insgesamt ist es Vespasian mit großem Geschick gelungen, den bei seinem Amtsantritt mehr als brüchigen römischen Staat zu festigen und mit neuem Glanz zu versehen. Unmittelbar nach seinem Tod im Jahr 79 wurde vom Senat die Aufnahme des Herrschers unter die Staatsgötter beschlossen. Diese Ehre war zuletzt Claudius zuteil geworden. Für Vespasian hatte nie in Zweifel gestanden, dass nur seine Söhne für die Nachfolge in Betracht kamen. Angesichts seiner Verdienste um den Staat war es ihm gelungen, eine neue Dynastie zu begründen. Nach seinem Tod übertrug der Senat dem ältesten Sohn Titus den Prinzipat. Indem Vespasian ihn in alle wichtigen Entscheidungen einbezogen und ihm faktisch die Stellung eines Mitregenten eingeräumt hatte, war das Kaisertum der Flavier früh für die nächste Generation gesichert worden. Titus hatte eine vorzügliche Ausbildung genossen. Er war gemeinsam mit Britannicus, dem später von Nero vergifteten Sohn des Kaisers Claudius, erzogen worden. Unter dem Oberkommando Vespasians erhielt er im Jüdischen Krieg die Gelegenheit, seine militärische Befähigung unter Beweis zu stellen. Der glanzvolle Triumphzug im Jahr 71 hatte ihn als erfolgreichen Feldherrn tief im Bewusstsein der römischen Bevölkerung verankert. Mit Übernahme der Herrschaft vollzog sich bei Titus eine Wandlung vom leichtfertigen und genusssüchtigen Thronprätendenten zum ernsthaften und würdevollen Princeps. Da seine Liebschaft mit Berenike, der Schwester Agrippas II., Unmut erregte, beendete er sie auf den Druck der Öffentlichkeit hin. Die zehn Jahre ältere Berenike hatte zu jener Zeit nicht nur bereits drei Ehen hinter sich, sondern es wurde ihr in Rom auch eine inzestuöse Beziehung zu ihrem Bruder nachgesagt. Titus war darum bemüht, sich dem Volk jederzeit von der besten Seite zu zeigen. Mit seiner Freigiebigkeit und seiner Leidenschaft für prächtige Spiele gefährdete er allerdings die Staatsfinanzen. Durch Justizreformen und den Verzicht auf Todesurteile gegen Senatoren trug Titus wesentlich zu einer Wiederherstellung der Rechtssicherheit bei. Überschattet wurde seine kurze und sich deshalb einer abschließenden Beurteilung entziehende Regierung durch mehrere Katastrophen mit großen Menschenverlusten. Das spektakulärste Ereignis davon war der Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79. Die Städte Pompeji, Stabiae und Herculaneum wurden durch Erdbeben zerstört und unter einer dicken Schicht aus Asche, Schlamm und Lava begraben. Die unzähligen Opfer der Naturkatastrophe, zu denen auch Plinius der Ältere zählte, starben überwiegend an den tödlichen Phosphordämpfen aus dem Feuer speienden Berg. Nach nur zweijähriger Regierungszeit starb Titus an einer Fieberkrankheit und wurde von Domitian (81–96) als drittem Flavier beerbt. Domitian hatte mit größter Ungeduld auf das Ableben seines älteren Bruders gewartet, um endlich aus dessen übermächtigem Schatten heraustreten zu können. Später kursierte sogar das Gerücht, Titus sei von Domitian vergiftet worden. Sowohl
Titus
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Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand
Zwangsmaßnahmen Domitians
von der christlichen Tradition als auch von römischen Schriftstellern wird Domitian als skrupelloser Gewaltherrscher gezeichnet. Dieses düstere Bild macht es schwer, seiner vielschichtigen Person gerecht zu werden und ein ausgewogenes Urteil über ihn zu fällen. Er verfügte über ein exzentrisches Wesen und war ein labiler, von starken Gefühlsschwankungen beeinflusster Mensch. Wegen seines übermäßigen Ehrgeizes und seiner ausgeprägten Geltungssucht hatte Domitian immer hinter Titus zurückgestanden und war von den wichtigen Staatsgeschäften ferngehalten worden. Nun wollte er sich beweisen. In den hoffnungsvollen Anfängen seiner Regierung errang Domitian mit einem Feldzug zur Unterwerfung der Chatten militärische Anerkennung, die vom Senat mit dem Titel „Germanensieger“ und einem Triumphzug honoriert wurde. Bald folgten allerdings außenpolitische Rückschläge und Machtkämpfe im Inneren. Die Verteidigung der Donaufront, wo im Jahr 85 die Daker erneut in die Provinz Moesien eingedrungen waren, wurde über viele Jahre zu einem der zentralen Probleme der Regierung Domitians. Zudem sah er sich mit einer Meuterei der obergermanischen Legionen konfrontiert, die ihm bei der Neujahrsparade 89 den obligatorischen Eid verweigerten und ihren Befehlshaber Saturninus zum Kaiser ausriefen, der mit Hilfe der Chatten die Herrschaft an sich zu reißen suchte. In diesen kritischen Situationen wahrte Domitian einen kühlen Kopf und meisterte sie dank seines militärischen und diplomatischen Geschicks mit Bravour. In der Endphase seiner Regierungszeit blieb die Lage an den stabilisierten Grenzen des Reiches ruhig. Unbestreitbare Verdienste erwarb Domitian sich auch auf dem Gebiet der Staatsverwaltung und der Rechtssprechung. Gegen bestechliche Richter ging er ebenso energisch vor wie gegen Statthalter, die sich ungesetzliche Vorteile verschafften. Er war auf eine effiziente und gerechte Verwaltung der Provinzen bedacht. Gleichermaßen vom Interesse an einer Erhöhung des Steueraufkommens wie von einer antijüdischen Grundhaltung war die Verschärfung der Judensteuer motiviert. Sie wurde nun rigoros in allen Altersgruppen eingetrieben und offenkundig auch auf solche Personengruppen wie assimilierte Juden, Judenchristen und Gottesfürchtige ausgeweitet, die sich nicht vollgültig zum jüdischen Glauben bekannten. Nahezu völlig verdunkelt wird das Bild Domitians durch jene innenpolitischen Konflikte, welche die letzten Jahre des nun seelisch kranken und an einem übersteigerten Selbstbewusstsein leidenden Kaisers zur Schreckenszeit werden ließen. Im Jahr 93 kam es zur sogenannten Philosophenverschwörung in Rom. Bereits Vespasian hatte eine Reihe missliebiger stoischer Philosophen, in denen er eine Gefahr für Staat und Gesellschaft sah, aus der Stadt ausgewiesen. Als nunmehr erneut aus Stoikerkreisen und von stoisch gesinnten Senatoren grundsätzliche Kritik am Kaisertum geäußert wurde, verurteilte Domitian die Wortführer mit Billigung des Senats zum Tode und verfügte eine generelle Philosophenvertreibung aus Rom, von der auch Epiktet und Dio Chrysostomus betroffen waren. Nicht nur durch diese Vorgänge wurde das Bild von Domitian als einem Gewaltherrscher genährt, der vor keiner Gräueltat zurückschreckte. Hinzu kamen willkürliche Hinrichtungen weiterer politischer Gegner, eine strenge Anwendung der altrömischen Sittengesetze, die eine Wiedereinführung der Bestattung von Missetätern bei lebendigem Leib einschloss, und Zwangsmaßnahmen gegen Christen. Als in hohem Maße destabilisierend wirkte sich die ungeklärte Nachfolgeregelung
Das Kaisertum der Flavier
aus. Domitian, dessen einziger Sohn bereits im Kindesalter verstorben war, hatte die Söhne seines Vetters Flavius Clemens, eines angesehenen Konsuls, als Nachfolger auserkoren. Sie wurden von dem Rhetoriker Quintilian erzogen und auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitet. Bald aber witterte Domitian Verrat im engsten Familienkreis. Er ließ Flavius Clemens hinrichten und dessen Frau Flavia Domitilla, eine Enkelin Vespasians, verbannen. Domitians Vorgehen gegen Angehörige der römischen Oberschicht Und im gleichen Jahr (95 n. Chr.) ließ Domitian neben vielen anderen den Konsul Flavius Clemens hinrichten, obwohl er sein Vetter war und Flavia Domitilla, ebenfalls eine Verwandte des Kaisers, zur Frau hatte. Beiden wurde Atheismus zum Vorwurf gemacht, weshalb auch viele andere, die sich in jüdische Lebensformen hineintreiben ließen, Verurteilung erfuhren. Einige von ihnen wurden hingerichtet, andere nur ihres Vermögens beraubt. Domitilla musste lediglich in die Verbannung nach Pandataria gehen. Den Glabrio hingegen, Traians früheren Mitkonsul, ließ er töten. Gegen ihn war neben den gleichen Anschuldigungen, wie sie auch die Mehrzahl der anderen trafen, vor allem ins Feld geführt worden, dass er als Gladiator mit wilden Tieren gekämpft habe. Sein dabei bewiesener Mut hatte ihm vor allem den Groll des Kaisers eingetragen, der ihn deshalb beneidete. (C ASSIUS D IO , Historia Romana 67.14,1–3 [übers. v. O. V EH , Zürich/München 1987]). Zur erwähnten Zeit (sc. Domitians) strahlte unsere Glaubenslehre bereits solchen Glanz aus, dass selbst Schriftsteller, welche unserer Lehre fern standen, ohne Bedenken in ihren Geschichtswerken über die Verfolgung und ihre Martyrien berichteten. Sie haben auch die Zeit der Verfolgung genau bestimmt, sofern sie erzählen, dass im 15. Jahre des Domitian neben vielen anderen Flavia Domitilla, eine Schwester des Flavius Clemens, eines damaligen römischen Konsuls, wegen ihres Bekenntnisses zu Christus auf die Insel Pontia verbannt worden sei. (EUSEB, Historia Ecclesiastica III.18,4 [übers. v. H. KRAFT, München 31989])
Die offizielle Anklage, die auch weitere Angehörige der römischen Oberschicht betraf, lautete auf Gottlosigkeit, also Ablehnung der Staatsgötter, und auf Übernahme jüdischer Sitten. Allerdings finden sich diese Informationen erst bei Cassius Dio und noch nicht bei Sueton. Da zur Zeit Domitians der Unterschied zwischen den beiden aus Palästina stammenden Religionen noch nicht voll im allgemeinen Bewusstsein verankert war und das Christentum als jüdische Sekte galt, könnte es sich, wie die Kirchenväter meinten, bei den verfolgten Personen aus der Oberschicht Roms um Christen gehandelt haben. Auch der in den frühen neunziger Jahren in Rom entstandene erste Clemensbrief deutet auf ein Einschreiten der Behörden gegen die römische Christengemeinde hin (1,1; 7,1). Für Palästina verbürgt der Jerusalemer Bischof Hegesipp, dass die Enkel des Herrenbruders Judas unter Domitian wegen davidisch-messianischer Ansprüche angeklagt und freigesprochen wurden. Dabei handelte es sich wohl um einen Konflikt zwischen Juden und Judenchristen, der von einem römischen Gericht geschlichtet wurde. Anders war die Situation offenkundig in Kleinasien. Die spätere Mitteilung des Plinius an Traian, einige der von ihm befragten Personen hätten bereits zwanzig Jahre zuvor dem christlichen Glauben abgeschworen (Ep. X,96), führt direkt in die Zeit Domitians. Die Johannesapo-
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kalypse, deren zeitgeschichtlicher Hintergrund die Bedrohung der kleinasiatischen Christen durch den Kaiserkult ist, setzt Verfolgung und Märtyrertod in den angeschriebenen Gemeinden voraus. Der Apokalyptiker Johannes selber wurde wegen seines Festhaltens am christlichen Bekenntnis auf die Insel Patmos verbannt, wo er seine Visionen empfing. Diese Verbannung wird von altkirchlichen Zeugnissen glaubwürdig in die Regierungszeit Domitians datiert, in deren Endphase unterschiedliche Maßnahmen zur Ausbreitung des Kaiserkultes fallen. Domitian knüpfte an die bereits vorgeprägten Strukturen des Herrscherkults an und baute sie zielstrebig aus. Die Divinisierung von Vespasian und Titus intensivierte er durch den Bau von Tempeln in Rom. Sich selber ließ er unzählige Denkmäler errichten. Die angestrebte Überhöhung seiner eigenen Person gipfelte in der Forderung, als „Herr und Gott“ angeredet zu werden. Die Städte Kleinasiens, die sich in der Anbetung des Kaisers als Wohltäter und Retter der Menschheit überboten, suchten diese göttliche Verehrung Domitians allgemein durchzusetzen. Den sich verweigernden Christen drohten Zwangsmaßnahmen bis hin zum Tod. Für den Apokalyptiker Johannes war damit das Kaisertum Domitians eine Gewaltherrschaft, die zu den Schrecken der Endzeit zählte. Allerdings gibt es auch Stimmen, die eine Abfassung der Johannesoffenbarung unter Nero annehmen. In den letzten Jahren seines Lebens gelang es Domitian durch extreme Geltungssucht, mangelndes Feingefühl im Umgang mit dem Senat und eine Unverhältnismäßigkeit der Mittel immer weniger, seiner Herrschaft eine sichere Basis in der Oberschicht und eine breitere Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Hinzu kamen impulsive Entscheidungen und ein Hang zur Einsamkeit. Selbst die Günstlinge und engsten Vertrauten des Kaisers fühlten sich von seiner Unberechenbarkeit zunehmend bedroht und mussten jederzeit damit rechnen, aufgrund willkürlicher Anklagen hingerichtet zu werden. Aus ihren Kreisen erwuchs eine Verschwörung, der Domitian im September 96 durch Erdolchung zum Opfer fiel. Auch seine Gattin Domitia Longina war an dem Mordkomplott beteiligt. Die Domitian immer treu ergebene Prätorianergarde forderte eine Verurteilung der Verschwörer und machte sich für eine Vergöttlichung des Kaisers stark. Der Senat hingegen ließ das Attentat zunächst ungestraft und verfügte über Domitian die Auslöschung des Andenkens (damnatio memoriae), wie sie bis dahin nur Nero und Galba getroffen hatte.
6.4 Geschichte des Kaiserreiches von Nerva bis Hadrian (96–138 n. Chr.) Nerva
Mit Domitians Ende und dem Untergang der Flavierdynastie setzte die Epoche des Adoptivkaisertums ein, durch die der Prinzipat eine richtungsweisende Veränderung erfuhr. Es resultierte aus dem Umstand, dass eine Reihe von Kaisern keine Söhne hatten. Dem Machterhalt dienende Adoptionen waren auch für die julisch-claudische Dynastie prägend gewesen, geschahen dort aber im engsten Familienkreis zur Sicherung des Thronerbes. Nerva, der fast siebzigjährige und zudem kinderlose Nachfolger Domitians, adoptierte mit Traian zur Stützung seines auf schwachen Beinen stehenden Prinzipats einen Thronprätendenten, zu dem keinerlei verwandtschaftliche
Geschichte des Kaiserreiches von Nerva bis Hadrian
Beziehung bestand. Diese Adoption wurde religiös überhöht, indem sie im Jupiterheiligtum auf dem Kapitol geschah und Traian den Nimbus der göttlichen Erwähltheit verlieh. Nerva starb nach nur zweijähriger Herrschaft. Eine der wichtigsten Verfügungen aus seiner kurzen Amtszeit betraf den Fiscus Judaicus. Nerva hat dabei die von Vespasian nach dem Jüdischen Krieg ins Leben gerufene Judensteuer wohl nicht außer Kraft gesetzt, wie man oftmals meint, sondern lediglich die von Domitian angeordneten Verschärfungen wieder rückgängig gemacht. Die Herrschaft Traians (98–117) ist innenpolitisch durch ein harmonisches Verhältnis des Princeps zum Senatorenstand, außenpolitisch durch Feldzüge im Osten zu einer gewaltigen Ausdehnung der Reichsgrenzen geprägt. Traian gehörte zu einer jener Familien aus den Provinzen, denen durch den Umbruch unter Vespasian der Aufstieg in die römische Führungsschicht gelungen war. Er stammte aus der Provinz Baetica in Südspanien und war damit der erste Kaiser, der nicht aus Rom oder dem italischen Kernland kam. Sein gleichnamiger Vater hatte im Jüdischen Krieg die zehnte Legion befehligt und war später in den engeren Führungskreis um Vespasian aufgerückt. Bei seiner Adoption durch Nerva amtierte Traian als Statthalter der Provinz Obergermanien. Auch wenn Anspruch und Wirklichkeit der imperialen Programmatik Traians nicht immer deckungsgleich waren und die Quellen sein Bild auf der Negativfolie Domitians überhell erleuchten lassen, ist die ihm zuteil gewordene extreme Wertschätzung nicht unberechtigt. Traian verkörperte in seiner knapp zwanzigjährigen Regierungszeit in geradezu idealer Weise das Bild des Princeps, wie es von Augustus geprägt und danach nur noch von Vespasian erreicht worden war. Er begegnete dem Senat mit Respekt und vermittelte ihm das Gefühl, an den politischen Entscheidungen beteiligt zu sein. Willkürprozesse und Todesurteile gegen Senatoren gehörten unter seiner Herrschaft der Vergangenheit an. Vorbildliche Sozialmaßnahmen wie Geldzuwendungen an die Plebs und die Einrichtung von Stiftungen, aus deren Zinserträgen die Kinder bedürftiger Familien unterstützt wurden, verschafften ihm hohes Ansehen und trugen zum inneren Frieden im Imperium bei, auch wenn sie bewusst auf das Kernland der römischen Bürger beschränkt blieben. Hinzu kamen beachtliche militärische Erfolge des Kaisers, der über ein soldatisches Naturell verfügte und im Feldherrentum aufging. Durch seine Kriege gegen die Daker und Parther, die ihn fast acht Jahre von Rom fernhielten, verschaffte er dem Römischen Reich beträchtliche Gebietszuwächse und Sicherheit an den Außengrenzen. Mit der Eroberung des Dakerreiches im Jahr 107 und dessen Umwandlung in die Provinz Dacia kehrte Ruhe an der Donau ein. Die erbeuteten Schätze und die Ressourcen des Landes versetzen Traian in die Lage, ein umfangreiches Sozial- und Bauprogramm zu finanzieren. Zur gleichen Zeit wurde im Osten das Nabatäerreich annektiert und in die Provinz Arabia umgewandelt, womit sich die Grenze des Imperiums in die arabische Wüste verlagerte. Wirtschaftspolitisch gerieten damit wichtige Teile des Karawanenhandels unter römische Kontrolle. Als Früchte des Partherkrieges kamen gegen Ende der Regierungszeit Traians die Provinzen Armenien, Mesopotamien und Assyrien neu hinzu. Auf Drängen des Senats nahm Traian nun den auf Jupiter Optimus Maximus bezogenen Beinamen Optimus an, womit die Ideologie vom Kaiser als Gottheit sichtbaren
Traian als optimus princeps
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Zwangsmaßnahmen gegen Christen
Ausdruck gewann. Das Imperium Romanum hatte unter seiner Herrschaft eine nie gekannte Ausdehnung erreicht und erstreckte sich bis an den Indischen Ozean. Nach seinem überraschenden Tod im Jahr 117 wurde Traian als Divus Traianus Parthicus zum Staatsgott erhoben. Seine Verdienste um das Reich wurden vom Senat als derart hoch eingeschätzt, dass die goldene Urne mit seiner Asche innerhalb der Stadtgrenzen in einer Ehrensäule ihren letzten Ruheort fand, wie es bis dahin bei keinem römischen Kaiser der Fall gewesen war. In krassem Gegensatz zu dieser hohen Reputation als idealtypischer Princeps hat Traian in der jüdischen und zum Teil auch in der christlichen Tradition eine negative Wirkungsgeschichte. Dies hängt mit der brutalen Niederschlagung des großen Judenaufstandes und mit Zwangsmaßnahmen gegen Christen zusammen. Christenverfolgungen unter Traian sind für Palästina, Syrien und Kleinasien bezeugt. In Palästina wurde der Jerusalemer Bischof Symeon von dem Statthalter Atticus gekreuzigt. Prominentestes Opfer von Christenverfolgungen in Syrien war der Bischof Ignatius, der in seiner Heimatstadt Antiochia verhaftet wurde. Auf dem anschließenden Transport nach Rom, wo Ignatius um 110 n. Chr. als Märtyrer den Bestien zum Fraß vorgeworfen wurde, verfasste er sieben Briefe an überwiegend kleinasiatische Gemeinden. Schlüsseldokumente nicht nur für den Umgang mit Christen in Kleinasien, sondern für die Rechtsgrundlage und Durchführung der Christenverfolgungen im gesamten Imperium sind der Brief des jüngeren Plinius an Traian aus dem Jahr 112 und das darauf bezogene Antwortschreiben des Kaisers. Plinius war als Statthalter der kleinasiatischen Provinz Pontus und Bithynien von Amts wegen damit befasst, kriminalrechtlich gegen mutmaßliche Angehörige der christlichen Kirche vorzugehen. Ziel war es, bei den betroffenen Verdächtigen eine Abkehr vom Christentum und eine Hinwendung zum Kaiserkult zu erreichen. Seine Vorgehensweise legt Plinius in einem Schreiben an den Kaiser ausführlich dar. Diesem Text kann man die allgemeinen Modalitäten der Christenverfolgung im Imperium Romanum entnehmen. Inwieweit sie sich unmittelbar am Vorgehen Neros gegen die Christen in Rom orientierten, bleibt unklar. Die staatlichen Institutionen in den Provinzen ergriffen keine aktiven Maßnahmen zur Christenverfolgung, sondern reagierten nur auf Anzeigen. Den angeklagten Personen wurden keine besonderen kriminellen Handlungen vorgeworfen, sondern man bezichtigte sie allein des Christseins. Dies genügte, um ein nach einem festen Schema ablaufendes Verfahren in Gang zu setzen. Eine frühere Zugehörigkeit zur Kirche war straffrei, wenn die Verdächtigen dem Christentum aktuell abschworen. Als Bestätigung dieses Sachverhalts ließ Plinius sie ein Gebet an die Götter richten, dem Bild des Kaisers opfern und Christus verfluchen. Damit war aus Sicht der Behörden der Erweis erbracht, dass es sich bei den Angeklagten um keine Christen handeln konnte. Wer sich dagegen standhaft zum Christentum bekannte, wurde hingerichtet oder an ein stadtrömisches Bürgergericht überwiesen, obwohl Plinius von den Christen das Bild eigentlich harmloser, nur in religiöser Hinsicht starrsinniger Menschen gewann. Demnach betrachteten die Behörden das Christsein an sich als ein todeswürdiges Verbrechen. Dem Reskript Traians, dem rechtsverbindliche Geltung zukommt, ist ein grundsätzliches Einverständnis mit der Verfahrensweise des Plinius entnehmbar. Auf die von Plinius
Geschichte des Kaiserreiches von Nerva bis Hadrian
Plinius der Jüngere an Traian und die Antwort des Kaisers (Plinius an Traian) … Vorerst habe ich bei denen, die mir als Christen angezeigt wurden, folgendes Verfahren angewandt: Ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Wer gestand, den habe ich unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und drittes Mal gefragt; blieb er dabei, ließ ich ihn (zur Hinrichtung) abführen. Denn mochten sie vorbringen, was sie wollten – Eigensinn und unbeugsame Halsstarrigkeit glaubte ich auf jeden Fall bestrafen zu müssen … Diejenigen, die leugneten, Christen zu sein oder gewesen zu sein, glaubte ich freilassen zu müssen, da sie nach einer von mir vorgesprochenen Formel unsere Götter anriefen und vor deinem Bilde, das ich zu diesem Zweck zusammen mit den Statuen der Götter hatte bringen lassen, mit Weihrauch und Wein opferten, außerdem Christus fluchten, lauter Dinge, zu denen wirkliche Christen sich angeblich nicht zwingen lassen. Andere, die der Denunziant genannt hatte, gaben zunächst zu, Christen zu sein, widerriefen es dann aber; sie seien es zwar gewesen, hätten es dann aber aufgegeben, manche vor drei Jahren, manche vor noch längerer Zeit, hin und wieder sogar vor zwanzig Jahren. Auch diese bezeugten deinem Bilde und den Götterstatuen ihre Verehrung und fluchten Christus … (Traian an Plinius) Mein Secundus! Bei der Untersuchung der Fälle derer, die bei dir als Christen angezeigt worden sind, hast du den rechten Weg eingeschlagen. Denn insgesamt lässt sich überhaupt nichts festsetzen, was gleichsam als feste Norm dienen könnte. Nachspionieren soll man ihnen nicht; werden sie angezeigt und überführt, sind sie zu bestrafen, so jedoch, dass wer leugnet, Christ zu sein, und das durch die Tat, das heißt durch Anrufung unserer Götter, beweist, wenn er auch für die Vergangenheit verdächtig bleibt, aufgrund seiner Reue Verzeihung erhält. Anonym eingereichte Klageschriften dürfen bei keiner Straftat Berücksichtung finden, denn das wäre ein schlechtes Beispiel und passt nicht in unsere Zeit. (PLINIUS SECUNDUS, Epistulae X, 96–97 [übers. v. H. KASTEN, München 1968])
angedeutete Möglichkeit, bei den Christen wegen der Flut der Anklagen nur tatsächliche Verbrechen zu bestrafen und ihnen ansonsten die vom römischen Staat gegenüber fremden Kulten praktizierte Toleranz zu gewähren, geht Traian nicht ein. Er hatte kein Interesse, die im Umgang mit dem Christentum bestehende Praxis durch neue Rechtsordnungen zu ersetzen. Allerdings schuf er dahingehend Rechtssicherheit und Schutz, dass er eine gezielte staatliche Fahndung nach Christen und ein behördliches Reagieren auf anonyme Anzeigen untersagte. Die gesetzlichen Regelungen unter Traian ließen damit die Grundsatzfrage, warum Christsein ein todeswürdiger Straftatbestand sein könnte, unangetastet und präzisierten lediglich die behördliche Verfahrensweise mit des Christentums verdächtigen Personen. Bis zu den Toleranzedikten des Gallienus (260) und Galerius (311) blieb dies die gültige Rechtslage im Römischen Reich. Die große Judenrevolte unter Traian, die in die Zeit seines Partherfeldzugs (113–117) fiel und ihren Ausgangspunkt in Nordafrika nahm, war eine Erhebung mit apokalyptisch-messianischem Hintergrund. Dabei kamen mehrere Faktoren zusammen. Neben religiösem Fanatismus und einem subtilen Hass auf alles Römische spielten auch Repressalien eine Rolle, denen das Judentum nach dem Jüdischen Krieg im gesamten Imperium immer wieder ausgesetzt war. Die Revolte konzentrierte sich auf die ehemals zum Ptolemäerreich gehörigen Territorien Ägyptens, Zyperns und der Kyrenaika. Dort stellte
Die große Judenrevolte
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Hadrian
sich die rechtliche und soziale Situation der jüdischen Bevölkerung offenkundig schlechter dar als in den Provinzen Griechenlands und Kleinasiens, die nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden. Zudem waren nach dem Untergang Jerusalems zahlreiche Sikarier nach Ägypten und in die Kyrenaika geflüchtet, um dort ihr radikales zelotisches Gedankengut zu verbreiten. Vermutlich wurde Traians Krieg gegen die Parther in apokalyptischen Denkmustern als Zeichen der anbrechenden Endzeit gedeutet und man glaubte, durch die Erhebung gegen die römische Macht aktiv am Eintreten der Äonenwende mitwirken zu können. In Kyrene, Alexandria und Salamis richteten die aufständischen Juden grausame Massaker unter der griechischen Bevölkerung an. Zudem wurden zahlreiche heidnische Tempel zerstört. Führungsgestalt der Juden war der aus Kyrene stammende Lucuas, der als messianischer König verehrt wurde. Er befehligte die militärischen Aktionen und führte die Aufständischen von Kyrene nach Ägypten. Möglicherweise war die Eroberung Judäas das eigentliche Ziel. Dass der Krieg von jüdischer Seite bewusst auf die weitgehende Zerstörung heidnischen Territoriums abzielte, könnte ein Indiz dafür sein, dass man mit einem Leben in der Diaspora abgeschlossen hatte. Die römische Macht hatte dem zunächst wenig entgegenzusetzen, zumal die in Alexandria stationierten Legionen in den Feldzug gegen die Parther eingebunden waren. Als Traian das Ausmaß der Bedrohung erkannte, reagierte er mit aller Härte. Nach Nordafrika entsandte Traian mit Marcius Turbo einen seiner tüchtigsten Generäle, um dort die Erhebung kompromisslos niederzuschlagen. Die Menschenverluste auf beiden Seiten waren verheerend. Das blühende Diasporajudentum der Kyrenaika und Ägyptens hat sich von den Folgen des Aufstandes nie wieder erholen können. Auf Zypern wurde allen Juden unter Androhung der Todesstrafe das Betreten der Insel verboten. In Mesopotamien, wo sich die Juden an einer Erhebung der einheimischen Bevölkerung gegen die römische Besatzungsmacht beteiligt hatten, wurde Lucius Quietus mit dem Kommando zur Wiederherstellung der Ordnung beauftragt. Er ging energisch gegen die Aufständischen vor und wurde später zum Statthalter von Judäa ernannt. Nachfolger Traians wurde Hadrian (117–138). Die Umstände, unter denen er an die Macht kam, sind undurchsichtig. Er war ein langjähriger Weggefährte des Kaisers und zudem mit der Enkeltochter von Traians Schwester vermählt. Traian soll ihn auf dem Sterbebett in Abwesenheit adoptiert und zum Nachfolger bestimmt haben. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Adoption von der Kaiserin Plotina und dem Prätorianerpräfekten Attianus nur vorgetäuscht wurde, um Hadrian die Herrschaft zu sichern. In der Außenpolitik brach Hadrian mit den Expansionsbestrebungen seines Vorgängers, dessen Offensive im Osten bald in sich zusammengebrochen war. Es zeichnete sich klar ab, dass die von Traian nach außen verschobenen Reichsgrenzen nicht zu halten waren. Deshalb machte Hadrian aus strategischen Gründen die von Traian vollzogene Annexion des Partherreiches wieder rückgängig. Auf Kriege zur Erweiterung des Imperiums verzichtete er völlig. Wegen dieser Friedenspolitik sah er sich gleich zu Beginn seiner Herrschaft einer Verschwörung aus Senatskreisen ausgesetzt. Hadrian hatte bereits in seiner Jugend eine leidenschaftliche Begeisterung für die griechische Kultur entwickelt und förderte sie nach Kräften. Aufsehen erregte seine offen zur Schau gestellte homoerotische Beziehung zu Anti-
Der Bar-Kochba-Aufstand
nous, der nach seinem frühen Tod zum Gott erhoben und kultisch verehrt wurde. Auf Münzen, die seine Wohltaten bezeugen, ließ Hadrian sich programmatisch als Erneuerer und Bereicherer des Erdkreises abbilden. Ein wichtiger Ausdruck seines Regierungsprogramms waren ausgedehnte Reisen in die Provinzen des Reiches, mit denen er sich einen persönlichen Einblick in die örtlichen Gegebenheiten, die Verfassung der römischen Truppen und den Zustand der Reichsgrenzen verschaffte. Damit verbunden war eine umfangreiche Bautätigkeit. Der Fürsorge für die Sicherung der Grenzanlagen entsprangen der Ausbau des Limes und die Errichtung des Hadrianwalls, deren eindrucksvolle Reste noch heute sichtbar sind. In den Städten des Imperiums erwies sich Hadrian als großzügiger Stifter zahlreicher Bauten. Seine zweite große Reise durch das Reich führte ihn 130 auch nach Jerusalem. In direktem Zusammenhang mit den dortigen städtebaulichen Maßnahmen des Kaisers steht der Bar-Kochba-Aufstand als letzter Versuch des jüdischen Volkes, sich von der römischen Fremdherrschaft zu befreien.
6.5 Der Bar-Kochba-Aufstand (132–135 n. Chr.) Die Herrschaft Hadrians, die nach den verheerenden Unruhen unter Traian eine Zeit der Konsolidierung und des inneren Friedens brachte, wurde auch von weiten Teilen des Judentums zunächst positiv aufgenommen. Das fünfte Buch der Sibyllinen preist Hadrian in seinem einleitenden Geschichtsabriss als vortrefflichen Kaiser (5,46–50). Unmittelbar nach seinem Regierungsantritt ließ Hadrian den Statthalter Lucius Quietus, der die Provinz Judäa mit strenger Hand regiert hatte, absetzen und später hinrichten. Auch die Juden in der Diaspora profitierten von der auf Frieden und Wohlergehen ausgerichteten Politik des Kaisers. Selbst in der rabbinischen Tradition, die Hadrian in völliger Verzerrung der Tatsachen zu einem der furchtbarsten Feinde des Judentums stilisiert, der durch unzählige Einzeldekrete eine systematische Verfolgung der jüdischen Religion betrieben haben soll, finden sich Reste eines positiven Hadrianbildes. Auf den ersten Blick ist es verwunderlich, dass es unter dem in besonderer Weise auf das Wohlergehen seiner Untertanen bedachten Friedenskaiser zu einem neuerlichen Aufstand in der römischen Provinz Judäa kam, der von den Römern mit aller Härte niedergeschlagen wurde und weitreichende Konsequenzen für das palästinische Judentum hatte. Das von den literarischen Quellen vermittelte Bild bleibt bruchstückhaft und ist legendarisch eingefärbt, wird aber durch Münzen der Aufständischen und durch Aufsehen erregende Handschriftenfunde aus der Wüste Juda erheblich bereichert. Als Grund für den Aufstand nennt Cassius Dio Pläne des Kaisers, das im Jüdischen Krieg zerstörte Jerusalem als römische Kolonie Aelia Capitolina wieder aufzubauen und an Stelle des Tempels ein Jupiterheiligtum zu errichten. In der Historia Augusta ist dagegen von einem Beschneidungsverbot als Kriegsgrund die Rede (Hadr. 14,2). Hadrian hatte bereits das von Domitian eingeführte Kastrationsverbot verschärft und könnte nach Ausbruch der Revolte ein Beschneidungsverbot als Strafmaßnahme gegen die Juden verfügt haben, das später von Antonius Pius zurückgenommen und auf ein Verbot der Proselytenbeschneidung eingeschränkt wurde. Die rabbinische Legende,
Ursachen des Aufstands
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Neugründung Jerusalems
Simon bar Kochba
Hadrian habe auf Druck der Samaritaner eine bereits erteilte Genehmigung zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels wieder zurückgezogen und dadurch den jüdischen Aufstand heraufbeschworen, trägt nichts zur Erhellung der tatsächlichen Kriegsursachen bei. Die beabsichtigte Neugründung Jerusalems war Teil der auf die Reichseinheit und den inneren Frieden ausgerichteten Hellenisierungspolitik Hadrians, der wie kaum ein anderer römischer Herrscher nach Augustus Stadtgründungen vorantrieb und vor allem im Osten des Reiches eine rege Bautätigkeit entfaltete. Der Kaiser konnte sich im Frühjahr 130 bei seinem Palästinabesuch vor Ort persönlich ein Bild von dem erbarmungswürdigen Zustand Jerusalems machen, das seit dem Jüdischen Krieg in Trümmern lag. Der Wiederaufbau Jerusalems als Aelia Capitolina war von Hadrian kaum als antijüdische Maßnahme und gezielte Paganisierung der heiligen Stadt gedacht, sondern sollte einen Wohlerweis gegenüber den Untertanen in der Provinz Judäa darstellen, für den er Anerkennung und Bewunderung erwartete. Die Auswirkungen auf die religiösen und nationalen Gefühle der jüdischen Bevölkerung wurden nicht hinreichend bedacht. Der numismatische Befund deutet darauf hin, dass unmittelbar nach der Abreise Hadrians die bauliche Umwandlung Jerusalems in Aelia Capitolina in Angriff genommen wurde. Mit der Errichtung einer Jupiterstatue auf den Ruinen des Tempels fanden alle jüdischen Hoffnungen, dass es im Rahmen der städtebaulichen Maßnahmen auch zu einer Wiederherstellung des Heiligtums kommen könnte, ein Ende. Damit wurden die gemäßigten Kräfte innerhalb des Judentums, die bis dahin der Friedenspolitik Hadrians aufgeschlossen gegenübergestanden hatten, ins Unrecht gesetzt. Die radikalen Strömungen, die der römischen Herrschaft auch in dem friedlichen Antlitz, das Hadrian ihr verlieh, mit Ablehnung und unversöhnlichem Hass begegneten, gewannen die Oberhand. Nachdem der Kaiser den Osten des Reiches wieder verlassen hatte, kam es im Sommer 132 zum zweiten jüdischen Krieg gegen die Römer. Vermutlich beteiligten sich daran auch Nabatäer, deren Königreich unter Traian in die römische Provinz Arabia umgewandelt worden war. Der Anführer der Rebellen war Simon, der von dem Gesetzeslehrer Aquiba zum verheißenen messianischen Stern aus Num 24,17 erklärt wurde und daher den Beinamen Bar Kochba (Kosiba), Sternensohn, trug. Zum Zeichen der wiedergewonnenen Freiheit prägten die Aufständischen Münzen und führten eine neue Zeitrechnung ein, die mit dem ersten Jahr der Erhebung einsetzte. Auf Münzlegenden und in schriftlichen Dokumenten trägt Simon Bar Kochba die Ehrenbezeichnung „Fürst Israels“, mit der sich endzeitlichmessianische Konnotationen verbinden. Den durch die Herrschaft der Hasmonäer und Herodianer in Misskredit geratenen Königstitel scheint er bewusst vermieden zu haben. Einzelne Münzlegenden nennen einen Priester namens Eleazar, der offenkundig am Aufstand entscheidend beteiligt war. Zum Symbol des jüdischen Nationalismus der Aufständischen wurde das Hebräische, das als Umgangssprache seit langem vom Aramäischen verdrängt worden war. Bei den Münzprägungen fand bewusst die im Alltagsgebrauch längst verschwundene althebräische Schrift Verwendung, wie sie einst auf den Münzen des unabhängigen Hasmonäerreiches begegnete. Vom selben restaurativen Geist ist die Wiederbelebung des Hebräischen auf Urkunden getragen, wo es dem Aramäischen als Rechtssprache zur Seite gestellt wird.
Der Bar-Kochba-Aufstand
Von der Persönlichkeit und den Charaktereigenschaften Bar Kochbas vermitteln die Dokumente aus der Wüste Juda, darunter mehrere Briefe des Aufstandsführers, einen zumindest umrisshaften Eindruck. Typisch für die Briefe Bar Kochbas ist ein strenger und autoritärer Führungsstil, der nahezu jeden Befehl mit einer Strafandrohung für den Fall der Nichtbefolgung verbindet. Zugleich sind die Briefe von der Sorge um die Einhaltung religiöser Vorschriften wie Sabbatobservanz und Verzehntung getragen. Bar Kochba zeigt sich als umsichtiger Politiker und Stratege, aber auch als rigoroser militärischer Führer, dessen in der Tradition des makkabäischen Freiheitskampfes stehende Erhebung gegen die Römer von einer strengen Torafrömmigkeit und messianischen Ansprüchen getragen ist. Zu diesem Bild passen die Angaben der Kirchenväter Justin und Eusebius, dass Bar Kochba mit aller Härte gegen die palästinischen Christen vorging, weil diese sich weigerten, ihn als Messias anzuerkennen und am Aufstand teilzunehmen. Möglicherweise spielt auch die apokryphe Petrusapokalypse mit der Ankündigung eines Pseudomessias, der von den Christen verschmäht wurde und sie daraufhin erdolchen ließ, auf Christenverfolgungen unter Bar Kochba an (Apk Petr 2). Ein Brief des Bar Kochba (Kosiba) Simon der Sohn des Kosiba, der Fürst über Israel, an Jonathan und Masabbala. Heil! (Hiermit wird euch mitgeteilt), dass ihr den Weizen, den Hanun der Sohn des Ismael herabgebracht hat, (auf Gewicht und Verzehntung ?) prüfen und übernehmen sollt und mir (davon) nach Inspektion einhundert (Maß) schicken und sie sicher (bei mir) abliefern sollt, weil (sonst nur) gestohlene Dinge erwartet wurden. Und für den Fall, dass ihr das nicht tut, (wird euch hiermit mitgeteilt), dass ihr bestraft werdet. Und den Mann (Hanun) sollt ihr mir sicher mitschicken. Und was jeden Mann aus Tekoa betrifft, der bei euch gefunden wird, so sollen die Häuser, in denen sie wohnen, in Flammen aufgehen, und ich werde euch (außerdem noch) bestrafen. Und den Jesus den Sohn des Palmyreners sollt ihr verhaften (und) mir wohlbedacht schicken. Aber haltet es nicht für überflüssig, ihm das Schwert abzunehmen, das er trägt! Ihr sollt (ihn mir) schicken. Samuel, der Sohn des Ammi (Unterschrift von anderer Hand) (K. BEYER, Die aramäischen Texte vom Toten Meer. Ergänzungsband, Göttingen 1994, 213 f.)
Territorial konzentrierte sich der Aufstand auf den Süden der Provinz Judäa. Vermutlich wurden auch Teile der Provinz Arabia in Mitleidenschaft gezogen. Für eine Einbeziehung Galiläas gibt es keine sicheren Beweise, auch wenn die Inschrift eines in der Nähe von Skythopolis für Hadrian errichteten Triumphbogens ein Indiz für Kampfhandlungen auf galiläischem Boden darstellen könnte. Das von den Aufständischen kontrollierte Territorium war in Militärdistrikte eingeteilt und Befehlshabern unterstellt, deren Namen aus den Briefen Bar Kochbas teilweise bekannt sind. Die kaiserlichen Domänen in seinem Hoheitsgebiet eignete Bar Kochba sich an, um sie als Staatsland an Bauern zu verpachten. Eine Reihe entsprechender Pachtverträge wurde in der Wüste Juda gefunden. Nicht mit Sicherheit klären lässt sich die Frage, ob es den aufständischen Truppen auch gelang, Jerusalem zu erobern und den Tempelkult wieder in Gang zu setzen. Unmissverständliche Quellenzeugnisse dafür sind nicht vorhanden, doch wird der nu-
Einnahme Jerusalems?
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Niederschlagung des Aufstands
Folgen für die Urgemeinde
mismatische Befund oftmals in diese Richtung interpretiert. Münzen Bar Kochbas mit Tempelmotiven und der Aufschrift „Für die Befreiung Jerusalems“ zeigen, dass die Eroberung der Stadt und die Wiederaufnahme des Opferkultes ein wesentliches Ziel des Aufstandes waren. Wenn andere Geldstücke die Inschrift „Jerusalem“ aufweisen, erlaubt dies allerdings keinen zwingenden Rückschluss auf Jerusalem als Prägeort. Die Tatsache, dass bei Ausgrabungen in Jerusalem bisher keine Münzen aus der Bar-Kochba-Zeit gefunden wurden, spricht gegen eine Einnahme der Stadt durch die Aufständischen. Im Anfangsstadium des Aufstandes erlitten die völlig unvorbereitet getroffenen Römer immense Verluste. Bar Kochba machte sich ein weit verzweigtes Netz unterirdischer Gänge und Höhlen zu Nutze, von denen aus er einen Guerillakrieg führte. Über hundert solcher unterirdischen Verstecksysteme, die teilweise bis in die Makkabäerzeit zurückgehen, konnten bei Ausgrabungen entdeckt werden. Da der römische Statthalter Tineius Rufus auch mit Hilfe syrischer Legionen nicht zur Niederschlagung des Aufstandes in der Lage war, wurde der erfahrene Feldherr Julius Severus von Britannien nach Judäa beordert, was als Indiz für eine extreme Gefährdung der römischen Ordnung gelten kann. Julius Severus gelang es gemeinsam mit weiteren hohen Generälen, die Aufständischen zu besiegen. Im Jahr 134/135 fiel nach erbittertem Widerstand die Festung Bether südwestlich von Jerusalem, wohin sich Bar Kochba mit seinen Leuten zurückgezogen hatte. Bar Kochba selber fand dabei den Tod. Unzählige der Juden, die den Krieg überlebt hatten, wurden als Sklaven verkauft. Andere vermochten in den Höhlen am Westufer des Toten Meeres Zuflucht vor den Römern zu finden. Dazu zählten die Jüdinnen Babatha und Johanna aus der südlich des Toten Meeres in der römischen Provinz Arabia gelegenen Ortschaft Zoara, deren Territorium vermutlich ebenfalls Schauplatz von Kampfhandlungen war. Sie führten auf der Flucht ihre Familienarchive mit sich. Unter den rund vierzig persönlichen Dokumenten Babathas, die 1961 in einer Höhle nahe En-Gedi entdeckt wurden, finden sich beispielsweise Kaufverträge und eine Steuererklärung. Nach der Niederschlagung des Aufstandes erließ Hadrian ein Gesetz, das allen Juden unter Androhung der Todesstrafe verbot, die Stadt Jerusalem und das umliegende Gebiet zu betreten. Jerusalem wurde damit seiner jüdischen Bevölkerung beraubt. Auf dem Tempelberg ließ Hadrian wie geplant ein Jupiterheiligtum errichten und Jerusalem in die römische Kolonie Aelia Capitolina umwandeln. Was unter Antiochos IV. einst gescheitert war, wurde nun Wirklichkeit. Durch die Neuansiedlung nichtjüdischer Bewohner und die Etablierung griechisch-römischer Kulte entstand eine pagane Stadt. Zu den weiteren Strafmaßnahmen des Kaisers gehörte die Umwandlung des Provinznamens Judäa in Syria Palästina. Damit wurde programmatisch zum Ausdruck gebracht, dass es fortan kein Land der Juden mehr geben sollte. Dieser einzig bekannte Fall dafür, dass aufgrund eines Aufstandes der Name einer Provinz geändert wurde, zeigt nochmals, in welchem Maße Hadrian sich von der Revolte getroffen fühlte und welche Bedrohung sie für die römische Ordnung dargestellt hatte. Mit diesen Vorgängen war auch das Ende der Urgemeinde in Jerusalem in der bis dahin bestehenden Gestalt verbunden und der Niedergang des Ju-
Der Bar-Kochba-Aufstand
denchristentums besiegelt. Während Euseb zufolge bis zum Bar-Kochba-Aufstand die Jerusalemer Bischöfe allesamt „Hebräer“ und „aus der Beschneidung“ waren, wurde mit den Sanktionen Hadrians gegen die Jerusalemer Juden die Urgemeinde zwangsläufig heidenchristlich. Ihr erster nicht beschnittener Bischof trug den Namen Markus. Reste des Judenchristentums, das über eigene Evangelien verfügte und den Apostel Paulus als einen Apostaten von der Tora entschieden ablehnte, existierten vor allem in Syrien weiter, wurden aber allmählich zwischen Kirche und Synagoge zerrieben. Während man auf jüdischer Seite im Laufe des 2. Jh. das Achtzehngebet um eine Verfluchung der Nazarener erweiterte, wurde auf christlicher Seite immer mehr bezweifelt, dass an der Tora festhaltende Judenchristen das Heil erlangen können. Die sich von ihren Wurzeln lossagende Kirche verfiel nicht nur zunehmend in eine feindliche Haltung gegenüber dem Judentum, sondern brachte auch kaum noch Toleranz für Judenchristen in ihren Reihen auf. Ab dem ausgehenden 2. Jh. wurden judenchristliche Bewegungen wie Ebionäer, Elkesaiten oder Nazoräer als Häretiker abgestempelt und ins Abseits gedrängt. Indem das Konzil von Nicäa 325 eine Begehung des Osterfestes am Sonntag verbindlich festschrieb und die alte Praxis, den Ostertermin an das bewegliche Passahfest zu koppeln, mit beschämenden antijüdischen Äußerungen als Irrlehre verwarf, entledigte sich die Kirche vollends ihres judenchristlichen Erbes.
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7. Philosophische Strömungen im neutestamentlichen Zeitalter ca. 570–480 v. Chr. 427–348 v. Chr. 384–322 v. Chr. 341–271 v. Chr. 333–264 v. Chr. ca. 70 v. Chr.–200 n. Chr. ca. 50 v. Chr.–250 n. Chr. 1.–2. Jh. n. Chr. um 250 n. Chr.
Hellenistische Philosophie
Pythagoras Platon, Begründer der Akademie Aristoteles, Begründer des Peripatos Epikur Zenon, Begründer der Stoa Neupythagoreismus Mittelplatonismus späte Stoa (Seneca, Epiktet, Marc Aurel) Begründung des Neuplatonismus durch Plotin
Die Philosophie in neutestamentlicher Zeit brachte keine völlig neuen Denkmodelle hervor, sondern ist durch eine stetige Fortentwicklung und wechselseitige Befruchtung der philosophischen Strömungen der klassischen und hellenistischen Epoche gekennzeichnet. Die klassischen griechischen Philosophenschulen, die platonische Akademie und der aristotelische Peripatos, bildeten im Zeitalter des Hellenismus ebenso wie der in elitären Zirkeln verbreitete Pythagoreismus weiterhin einen wesentlichen Bestandteil der philosophischen Landschaft, konnten sich aber von der Breitenwirkung her nicht mit der Stoa und dem Epikureismus messen, die ungefähr gleichzeitig um 300 v. Chr. entstanden und bis in die frühe Kaiserzeit die philosophische Szene eindeutig beherrschten. Obwohl es im Hellenismus kleinere philosophische Zentren von lokaler Bedeutung gab, blieb Athen mit seinen bedeutsamen Philosophenschulen das Kraftfeld der Philosophie, von dem nahezu alle entscheidenden Impulse ausgingen. Erst um die Zeitenwende verschob sich das Zentrum der Philosophie zunehmend nach Rom. Gleichzeitig setzte eine Phase des Übergangs ein, in der Altes und Neues nebeneinander bestanden, bevor schließlich im 3. Jh. n. Chr. der Neuplatonismus zur alles beherrschenden Philosophie der Spätantike wurde. Inhaltlich ist die Philosophie des neutestamentlichen Zeitalters durch eine für den Hellenismus charakteristische Schwerpunktverlagerung von der Physik und Logik auf die Ethik gekennzeichnet. Eine der auffälligsten Gemeinsamkeiten aller philosophischen Richtungen ist der Vorrang, den nun die praktische Philosophie gegenüber der theoretischen Philosophie genoss. Das gemeinsame Grundprinzip der hellenistischen Schulen ist die Zentralstellung der Eudaimonie, der Glückseligkeit, als höchstem Gut. Mit dem Niedergang tradierter religiöser Vorstellungswelt, dem Zerfall der Polis und dem Bewusstsein eigener Individualität angesichts zunehmender Entpolitisierung entstand ein neues Bedürfnis nach Rat und Trost. Die Philosophie übernahm als zentrale Bildungsmacht immer mehr die Aufgabe der Sinnstiftung in einer unübersichtlich gewordenen Welt, in der das Individuum zum Spielball unberechenbarer Kräfte zu werden drohte, und leistete Hilfestellung bei der praktischen Daseinsbewältigung. Vor allem wurde von ihr erwartet, dass sie dem Individuum den Weg zum glückseligen Leben aufzeigte. Innerhalb der philosophischen Systeme werden daher die Physik als Erforschung der natürlichen Welt und die Logik, zu der neben der Erkennt-
Das Pythagoreertum
nistheorie auch die Sprachphilosophie, Rhetorik und Grammatik zählen, konsequent in den Dienst der Ethik gestellt, die nun den eigentlichen Zweck der Philosophie ausmacht. Unterschiedliche Weltbilder und divergente Auffassungen darüber, worin die Gefahren für die innere Ruhe des Individuums bestehen und welche Wege zum Erlangen der Eudaimonie geeignet sind, führen allerdings zu einer Verschiedenheit der ethischen Entwürfe.
7.1 Das Pythagoreertum Die Pythagoreer stellten in der Tradition ihres Begründers eine Schule der Wissenschaft und eine religiöse Bruderschaft dar. Pythagoras (ca. 570–480) war zugleich Wissenschaftler, Weisheitslehrer und Schamane, der den Menschen direkten Kontakt zu den göttlichen Kräften vermittelte. Vermutlich unter dem Einfluss der Orphik lehrte er die Seelenwanderung und widmete sich einer Reinigung der unsterblichen Seele, um dieser die Rückkehr in ihre himmlische Heimat zu ermöglichen. Nach längeren Lehr- und Wanderjahren begründete Pythagoras in Kroton in Unteritalien eine philosophische Gemeinschaft, bevor er gegen Ende seines Lebens nach Metapontion übersiedelte. Nach seinem Tod entstanden in Griechenland und Italien weitere Zentren des Pythagoreismus, der früh einer platonisierenden Deutung unterlag. Pythagoras machte die philosophische Unterweisung von initiationsartigen Vorbereitungen und einer durch rituelle Vorschriften normierten Lebensführung abhängig. Deshalb trugen die Pythagoreer Züge einer Sekte, zumal besonderer Wert auf die Geheimhaltung der Lehren gelegt wurde. Da der pythagoreische Geheimbund deutlich von der gesellschaftlichen Norm abwich und zugleich beträchtlichen politischen Einfluss ausübte, kam es mehrfach zu antipythagoreischen Aufständen. Innerhalb der Schule lässt sich bald nach dem Tod des Pythagoras zwischen Akusmatikern und Mathematikern unterscheiden. Die Akusmatiker legten den Schwerpunkt auf die vornehmlich um Opfer, Kult und Askese kreisenden „Hörsprüche“ (akusmata) des Meisters und trachteten danach, seine Lehren wortgetreu weiterzugeben und konsequent zur Grundlage der Lebensgestaltung zu machen. Die Mathematiker waren dagegen vorrangig um die Pflege und Weiterentwicklung der von Pythagoras begründeten Wissenschaften der Arithmetik, Geometrie und Astronomie bemüht. Bei allen Unterschieden innerhalb der facettenreichen Pythagorasschule werden die Konturen einer typisch pythagoreischen Lebensweise sichtbar, die durch Initiationsriten mit Probezeit, Geheimhaltung der Lehren, radikale Änderung der Lebensweise, Speisetabus, Gütergemeinschaft und bedingungslose Freundschaft gekennzeichnet ist. Im Zeitalter des Hellenismus ist im Umfeld von Platons Akademie eine intensive literarische Auseinandersetzung mit den Lehren des Pythagoras feststellbar, der ein fast völliges Schweigen der Quellen im Hinblick auf das reale Fortbestehen der Pythagorasschule gegenübersteht. Vermutlich gab es aber weiterhin Gruppierungen, die in der Tradition der Akusmatiker den typisch pythagoreischen Lebensstil pflegten. Auf eine Kontinuität der Bewegung und ein ungebrochenes Interesse am Pythagoreismus deutet auch das Aufblühen von pseudepigraphen Pythagorasschriften in hellenistischer Zeit
Pythagoras
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Philosophische Strömungen
Neupythagoreismus
hin. Dazu gehören die „Goldenen Verse“, eine in der griechisch-römischen Antike weit verbreitete, aus einundsiebzig Hexametern bestehende pythagoreische Sammlung ethischer Maximen, deren Befolgung auf eine Vergöttlichung der Seele abzielt. Im 1. Jh. v. Chr. kam es zu einer wiederum stark vom Platonismus geprägten Rückbesinnung auf Pythagoras, nachdem seine Lehren zwischenzeitlich an Bedeutung eingebüßt hatten. Die um 70 v. Chr. erfolgte Gründung einer pythagoreischen Bruderschaft in Rom durch Nigidius Figulus markiert den Anfang des Neupythagoreismus. Zu dessen schillerndsten Gestalten zählt der Popularphilosoph und Wundertäter Apollonios von Tyana (1. Jh. n. Chr.), der als göttlicher Mensch verehrt wurde. Seine Jugend verbrachte Apollonios am Asklepiosheiligtum von Aigai, wo er sich dem Pythagoreertum zuwandte. Er verfasste eine verloren gegangene Pythagorasbiographie, die später Porphyrius und Jamblichus als Quelle diente. Wie Pythagoras bereiste Apollonios weite Teile des Mittelmeerraumes und bemühte sich darum, nach dem Vorbild des Meisters die von ritueller Frömmigkeit und Askese geprägte pythagoreische Lebensweise mit magischen Praktiken und thaumaturgischem Wirken zu verbinden. In diesem Zusammenhang werden ihm unterschiedlichste Wunder, neben Heilungen, Dämonenaustreibungen und einer Totenerweckung auch die Bewahrung von Städten vor Pest oder Erdbeben, die Rettung eines unschuldig Verurteilten vor der Hinrichtung, die Bändigung eines liebestollen Satyrs und die Selbstbefreiung aus Fesseln, zugeschrieben. In der Tradition der Mathematiker steht der Neupythagoreer Nikomachos von Gerasa (2. Jh. n. Chr.), der neben anderen Werken eine „Arithmetische Einführung“ verfasste, in der die antike Zahlenlehre umfassend dargestellt wird.
7.2 Der Platonismus Platon und die Akademie
Die wechselvolle Geschichte der platonischen Akademie, die auf das gesamte philosophische Denken der Antike nachhaltigen Einfluss ausübte, gelangte im 1. Jh. v. Chr. an einen Wendepunkt, der den Mittelplatonismus hervorbrachte. Platon (427–348) war in Athen Schüler des Sokrates, der Hauptfigur in all seinen Dialogen. Als Abkömmling einer begüterten aristokratischen Familie für die Politikerlaufbahn prädestiniert, betätigte er sich nach der Hinrichtung des Sokrates nur noch als philosophischer Schriftsteller und Kritiker der Politik. Eine wichtige Rolle im Leben Platons spielte seine erste Sizilienreise, die ihn 389 v. Chr. in die unteritalischen Zentren der Pythagoreer führte. Dort kam er mit der Seelenlehre des Pythagoreismus und der Orphik in Verbindung, was maßgeblichen Einfluss auf sein philosophisches Denken hatte. Von den Anschauungen Platons und der älteren Akademie erweisen sich vor allem die Ideenlehre, die Seelenlehre und die Dämonologie als bedeutsam. Platon entwickelte eine Ideenlehre, nach der die sinnlich wahrnehmbare Welt einer unsichtbaren Welt der Ideen nachgeordnet ist. Er unterscheidet zwischen einer allein dem Denken zugänglichen, durch Unwandelbarkeit und Idealität gekennzeichneten Welt des Seins und einer der Wahrnehmung zugeordneten, durch Instabilität und Wandelbarkeit gekenn-
Der Platonismus
zeichneten Welt des Werdens. Die Entstehung der Welt schildert Platon als mythischen Umschlag von Idealität zu Realität. Er wird von einem Weltbaumeister (Demiurg) vorgenommen, der die ewigen, unveränderlichen Ideen als Muster für die Schöpfung verwendet. Mit seiner Seelenlehre erhob Platon den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele in höhere philosophische Sphären und verhalf dem bis dahin in elitären Zirkeln verbreiteten Jenseitsdenken zum entscheidenden Durchbruch. Vor allem in den Dialogen seines Phaidon macht es sich Platon zur Aufgabe zu beweisen, dass die Seele als Träger des Lebens den Tod ausschließt und daher unsterblich ist. Der eingestaltigen und sich gleich bleibenden Seele kommen dabei Prädikate der Ideen zu. Oberstes Ziel ist es, im Streben nach der Erkenntnis des immer Seienden der von den Begierden des Körpers gereinigten Seele zu ihrem wesensmäßigen Idealzustand eines dauerhaft leiblosen Lebens in der göttlichen Sphäre zurückzuverhelfen, was allein dem wahren Philosophen gelingt. In seiner Dämonologie entwirft Platon die Vorstellung von den Dämonen als Mittelwesen, die anstelle der Götter unmittelbaren Kontakt mit den Menschen aufnehmen können, und unterscheidet dabei unterschiedliche Klassen von Dämonen. In hellenistischer Zeit befand sich die Akademie im Kampf mit den anderen philosophischen Richtungen und verfiel zunehmend dem Einfluss des Skeptizismus. Im 1. Jh. v. Chr. setzte durch Impulse, die von Kreisen außerhalb der Akademie kamen, eine umfassende Erneuerung des platonischen Denkens ein. Damit wurde die Epoche des Mittelplatonismus eingeleitet, der sich gegenüber anderen philosophischen Strömungen wie dem Peripatos, der Stoa und dem Neupythagoreismus öffnete. Allen Vertretern des Mittelplatonismus sind die Vorstellungen von der Transzendenz Gottes, der Existenz der Ideen und der Unsterblichkeit der Seele gemein. Der Mittelplatonismus stellte wesentliche Denkvoraussetzungen für den jüdischen Religionsphilosophen Philo von Alexandria und die frühchristlichen Apologeten bereit. Sein wohl bedeutsamster Repräsentant ist Plutarch (ca. 45–125), der in seiner Heimatstadt Chaironeia eine Art Privatakademie unterhielt und im nahe gelegenen Delphi als leitender Priester am Orakelheiligtum des Apollo tätig war. In seinen philosophischen Schriften sind ethische Themen überproportional vertreten. Plutarch verstand sich als Bewahrer der Lehren Platons, ohne ein Purist in platonischen Fragen zu sein. Vielmehr übernahm er peripatetische und vereinzelt auch stoische Ansichten, so weit sie ihm mit dem Platonismus vereinbar erschienen. Im Anschluss an Platon waltet für Plutarch jenseits des Kosmos der höchste Gott, der die Ideen aus sich hervorbringt. Nicht nur die Welt, sondern auch die vernunftbegabten Seelen sieht Plutarch in einem einmaligen Akt von Gott erschaffen, während die Mehrzahl der Mittelplatoniker von einer immerwährenden Schöpfung der Seelen ausging. Ziel der Ethik Plutarchs ist die Beherrschung der Affekte durch die Vernunft, was im Inneren zu Glückseligkeit führt und nach außen Menschenfreundlichkeit nach sich zieht. Breiten Raum nimmt in Plutarchs Denken die Vergeltungslehre als Antwort auf die Frage nach der Sühne für verbrecherische Taten ein. Gegen den Epikureismus, dem zufolge sich die Götter nicht um das Geschehen auf Erden kümmern, wird der Glaube an die göttliche Vorsehung als Erklärung von Leid und Strafe verteidigt.
Plutarch und der Mittelplatonismus
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Philosophische Strömungen
Plutarch über göttliche Vorsehung und Strafe Es ist also ein und derselbe Gedankengang, der gleichzeitig die Vorsehung Gottes und das Überdauern der Seele begründet, und man kann nicht an dem einen festhalten, wenn man das andere aufgibt. Und wenn die Seele nach dem Tode weiter existiert, so ist es eine besonders nahe liegende Forderung, dass Ehrungen und Strafen ihr in diesem Zustand zuteil werden. Sie führt ja ihr Leben wie ein Sportler einen Wettkampf, und wenn sie den Kampf beendet hat, wird ihr zuteil, was sie verdient. Freilich haben die Belohnungen und Bußen, die sie für ihr früheres Leben dort drüben erhält, wo sie alleine ganz für sich existiert, keinen Einfluss auf uns Lebende – man glaubt nicht daran und merkt nichts davon. Nur wenn die Vergeltung den Weg über ihre Kinder und ihr Geschlecht nimmt, wird sie den Menschen hier erkennbar und führt zur Abschreckung und Entmutigung vieler schlechter Menschen. (PLUTARCH, Über die späte Strafe der Gottheit 18 [übers. v. H. GÖRGEMANNS, Düsseldorf/Zürich 2003])
Im Rahmen seiner platonischen Seelenlehre ist für Plutarch die göttliche Vergeltung kein rein innerweltliches Geschehen, sondern betrifft auch die Seelen der Verstorbenen im Jenseits. Nach dem Tod des Menschen trennt sich die Seele vom Leib und gelangt vor ein Totengericht, wo sie belohnt oder bestraft wird. Von den Strafen können auch die Nachkommen in Mitleidenschaft gezogen sein. Dies beinhaltet eine zusätzliche Bestrafung der Verstorbenen, deren Seelen vom Jenseits aus ansehen müssen, wie aufgrund ihrer Verfehlungen die Nachfahren gequält werden. Dabei stellt die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele eine hoffnungsvolle Botschaft dar. Plutarch malt in seinen eschatologischen Mythen die Schreckensbilder der Jenseitsqualen primär aus pädagogischen wie therapeutischen Gründen breit aus, um die Menschen zu einem ethisch angemessenen Leben im Diesseits und einer Verwirklichung der gottgewollten Ordnung anzuhalten.
7.3 Der Peripatos
Aristoteles
Bei dem Peripatos handelt es sich um die in der Tradition des Aristoteles stehende antike Philosophenschule. Aristoteles (384–322) gehörte zunächst als Student und dann als Lehrer rund zwanzig Jahre der Akademie an. Nach Platons Tod brach er mit der Akademie und verließ Athen. Während seiner Wanderjahre war er auch am makedonischen Königshof als Lehrer des jungen Alexander tätig. Um 335 v. Chr. kehrte Aristoteles nach Athen zurück und begründete eine eigene Philosophenschule. Ort der Lehre war das Gymnasium Lykeion mit seinem Wandelgang (peripatos), von dem sich die Bezeichnung der Institution als Peripatos und ihrer Mitglieder als Peripatetiker ableitet. Die von Aristoteles selber zu Lebzeiten veröffentlichten und in hellenistischer Zeit weit verbreiteten neunzehn „exoterischen“ Schriften gingen ausnahmslos verloren. Erhalten geblieben sind knapp vierzig philosophische, naturwissenschaftliche, ethische, politische und poietische Lehrschriften des Aristoteles, die erst posthum herausgegeben und dabei redaktionell bearbeitet wurden. Darunter ragen die „Physik“, die „Metaphysik“, die „Nikomachi-
Der Peripatos
sche Ethik“ und die „Politik“ heraus. Trotz intensiver Bemühungen des Aristoteles um eine systematische Unterscheidung zwischen theoretischer und praktischer Philosophie hat sich die bis zum Ende des 19. Jh. verbreitete Annahme eines monolithischen aristotelischen Lehrgebäudes nicht bestätigt. Dennoch gibt es gewisse Eckpfeiler, die sich durch das gesamte Werk ziehen. Dazu zählen der Substanzbegriff, die Vier-Ursachen-Lehre und die Unterscheidung zwischen Potenzialität und Aktualität. In seiner „Metaphysik“, die die betrachtende Wissenschaft von den ersten, göttlichen Prinzipien des Seienden ist, setzt sich Aristoteles entschieden von der platonischen Ideenlehre ab und baut auf dem System eines ewigen Kosmos auf, dessen erster unbewegter Beweger Gott ist. Die oberhalb der Mondlaufbahn in den höheren Sphären befindliche Welt der göttlichen Gestirne ist der irdischen Physik entrückt und läuft in unveränderlichen, vollkommenen Bahnen. Der sublunare Kosmos entbehrt dagegen jeder mathematischen Regelmäßigkeit und ist dem Zufall ausgesetzt. Die Beweglichkeit der Himmelskörper beweist für Aristoteles deren Abhängigkeit von einem höheren, unbewegten Wesen, das die Ursache ihrer Bewegungen ist und indirekt auch die unregelmäßigen Bewegungen in der unterhalb der Mondlaufbahn befindlichen Welt bewirkt. Da Gott als unbewegter Beweger die erste Substanz und zugleich das Seinsfundament aller anderen Substanzen darstellt, ist die Theologie zugleich Ontologie, Grundwissenschaft allen Seins. Aristoteles’ Theorie vom unbewegten Beweger Dass es also ein ewiges, unbewegtes, von dem Sinnlichen getrennt selbstständig existierendes Wesen gibt, ist aus dem Gesagten klar … Das Prinzip nämlich und das Erste von allem Seienden ist unbewegt, sowohl an sich wie auch in akzidenzieller Weise, aber es bringt die erste, ewige und einige Bewegung hervor. Da nun das Bewegte von etwas bewegt werden, und das erste Bewegende an sich unbewegt sein, und die ewige Bewegung von einem ewigen (Prinzip), die einige von einem einigen ausgehen muss, und da wir ferner außer der einfachen Bewegung des Ganzen, welche nach unserer Behauptung von dem ersten und unbewegten Wesen ausgeht, noch andere ewige Bewegungen sehen, die der Planeten nämlich (denn ewig und ruhelos ist der im Kreis bewegte Körper, wie dies in den physischen Schriften erwiesen ist), so muss auch jede dieser Bewegungen von einem an sich unbeweglichen und ewigen Wesen ausgehen. Denn die Natur der Gestirne ist ein ewiges Wesen, und so ist auch das Bewegende ewig und früher als das Bewegte, und was früher ist als ein Wesen, muss notwendig Wesen sein. (ARISTOTELES, Metaphysik [übers. v. H. BONITZ, Hamburg 1980] 1073 a)
Aristoteles ist der erste Philosoph, der die Ethik als eigenständige Disziplin behandelt. Die Tugend begegnet durchweg als Mittelweg zwischen zwei Extremen. Die Glückseligkeit (Eudaimonie) als Zweck des menschlichen Lebens und ultimatives Ziel sittlichen Handelns wird durch eine Aktualisierung der eigenen Möglichkeiten erreicht. Dabei propagiert Aristoteles das Ideal eines vernünftigen Lebens mit verstandesmäßiger Regulierung der Leidenschaften. In seinen politischen Schriften bietet Aristoteles eine deskriptive wie normative Analyse von Staatsverfassungen und betrachtet den Menschen als ein von Natur aus politisches Lebewesen, das erst in der Polis seine Vollkommenheit findet. Während bei Platon das sittliche Handeln
Bedeutung der Ethik
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Philosophische Strömungen
nicht zuletzt von der Sorge um das jenseitige Geschick der Seele getragen wird, ist die aristotelische Ethik als Besorgnis um das faktische Leben in der Polis rein diesseitig ausgerichtet. Der Peripatos stand nach dem Tod des Aristoteles unter der Leitung von Theophrast und blieb am stärksten von allen philosophischen Richtungen der Antike den empirischen Wissenschaften verpflichtet. An der Schule wurden naturwissenschaftliche, gesellschaftswissenschaftliche, politische und kulturgeschichtliche Studien betrieben. Dazu hatte bereits Aristoteles selbst eine Bibliothek mit umfangreichem Archiv – darunter eine Sammlung der Verfassungen von mehr als einhundertfünfzig Stadtstaaten – angelegt, die zum Vorbild der späteren Bibliothek im Museion in Alexandria werden sollte. Das aristotelische Denken vermochte allerdings jahrhundertelang keine nachhaltige Wirkung zu entfalten. Einerseits zeigt sich bei den theoretisch bedeutsamen Peripatetikern eine die systematische Gesamtschau vernachlässigende Spezialisierung, andererseits trat bald ein populärwissenschaftliches peripatetisches Schrifttum ohne tiefere philosophische Substanz in den Vordergrund. Die Lehrschriften des Aristoteles scheinen nach seinem Tod lange Zeit nicht rezipiert worden zu sein. Das kosmologische Modell vom ersten Beweger und die Vorstellung von einem mechanischen Ablauf der Weltgeschichte fanden im Hellenismus wenig Beachtung. Die politischen Schriften des Aristoteles ließen sich wegen ihrer engen Orientierung am Modell der Polis nur schwer auf die veränderten Verhältnisse der hellenistischen Staatenwelt übertragen. Erst im 1. Jh. v. Chr. verließen die Lehrschriften des Aristoteles ihr Schattendasein, nachdem es durch Andronikos von Rhodos zu einer Neuedition gekommen war. In der Kaiserzeit gewann Aristoteles vor allem als Logiker wieder an Bedeutung. Insgesamt blieb der Aristotelismus im neutestamentlichen Zeitalter weitgehend auf den akademischen Bereich beschränkt und kann sich in der Breitenwirkung nicht mit den anderen philosophischen Strömungen messen.
7.4 Der Epikureismus Epikur begründete eine der bekanntesten und einflussreichsten griechischen Philosophenschulen. Um 310 v. Chr. nahm er auf der Insel Lesbos den philosophischen Lehrbetrieb auf und gewann erste begeisterte Anhänger. Bald darauf siedelte er nach Lampsakos am asiatischen Ufer des Hellespont über, um sich dann in Athen niederzulassen, das die besten Voraussetzungen für eine überregionale Verbreitung seiner Lehren bot. Epikur erwarb in Athen ein Gartengrundstück, um dort die „Schule des Gartens“ einzurichten, wo er bis zu seinem Tod im Kreise der Schüler lebte und wirkte. Von den mehr als vierzig Schriften Epikurs blieben lediglich drei wohl authentische Lehrbriefe, weite Teile seines Hauptwerkes „Über die Natur“ und zahlreiche Fragmente wie Zitate erhalten. Hinzu kommen die Katechismen, eine vierzig Sentenzen umfassende Sammlung von Leitsätzen Epikurs, die von ihm selber oder einem seiner Nachfolger zum Einüben und Auswendiglernen zusammengestellt wurden. Die Philosophenschule in Athen hatte mit Unterbrechung bis in die römi-
Der Epikureismus
sche Kaiserzeit Bestand und verschaffte der Lehre Epikurs über die Jahrhunderte hinweg unzählige Anhänger. Das Gemeinschaftsleben der Epikureer, die auch Frauen und Sklaven Zutritt gewährten, war den Zielen gegenseitiger Freundschaft, Dankbarkeit und Wohlgesonnenheit verpflichtet. Als Gründergestalt der Schule wuchs Epikur nach seinem Tod geradezu in die Rolle eines göttlichen Wesens hinein. In Mahlfeiern, die Epikur testamentarisch angeordnet hatte, wurde seiner gedacht. Dem in Form von Statuen reproduzierten Bild Epikurs wurde kultische Verehrung zuteil. Im 1. Jh. v. Chr. kam es durch Philodemos von Gadara auch in Italien zur Eröffnung einer epikureischen Schule, die in Herculaneum beheimatet war und bis zur Zerstörung der Stadt durch den Ausbruch des Vesuvs Bestand hatte. Sie lief der Athener Schule zeitweise den Rang ab und begünstigte eine wachsende Verbreitung der Lehren Epikurs auch in der römischen Welt. Epikur verstand seine auf rationaler Welterklärung und der Überzeugung radikaler Endlichkeit gegründete Lehre als Lebenskunst und Hilfestellung, um dem Menschen Glück zu verschaffen und die Angst vor dem Tod zu nehmen. Die Nachahmung der Göttlichkeit, die angesichts der Übel in der Welt ein glückseliges Leben ermöglicht, wird als zentrales Ziel der Philosophie betrachtet. Der Epikureismus sah sich bereits in der Antike dem unberechtigten Vorwurf des Atheismus ausgesetzt. Das theologische Denken Epikurs stellt die Existenz der Götter nicht in Frage, versucht den Menschen aber vor falscher Götterfurcht zu bewahren. Dabei setzt sich Epikur gezielt von traditionellen Gottesvorstellungen ab. Die Mehrheit der Menschen begehe den entscheidenden Fehler, die Götter mit Furcht erregenden Naturereignissen in Verbindung zu bringen, und unternehme den von vornherein sinnlosen Versuch, sie zu beschwichtigen und gütig zu stimmen. In Wirklichkeit kümmern sich Epikur zufolge die Götter nicht um das, was auf Erden geschieht. Es gibt keinen zielgerichteten Ablauf des Naturgeschehens. Die Götter führen in einem den Menschen entzogenen Bereich der Zwischenwelt ein glückseliges und unvergängliches Leben, ohne dort Opferhandlungen oder Gebeten zugänglich zu sein. Vermeintlich von den Göttern bewirkte Erscheinungen wie die Bewegung der Himmelskörper, Mondphasen, Finsternisse, Gewitter oder Hagel lassen sich auf natürliche Weise erklären. Das Naturgeschehen verläuft ohne göttliche Vorhersehung und Einwirken überirdischer Mächte nach festen Kausalgesetzen und mechanischen Prozessen, die sich aus den Bewegungen der Atome ergeben. Ein weiterer zentraler Aspekt der Philosophie Epikurs ist die Todesproblematik. Die von der atomistischen Welterklärung Demokrits beeinflusste epikureische Physik will nicht nur die Angst vor den Naturereignissen nehmen, sondern auch der Furcht vor dem Tod ein Ende bereiten, um dem Menschen Glück und Seelenruhe zu verschaffen. Der Tod wird als Zustand der Empfindungslosigkeit begriffen und stellt daher für den Menschen keine Bedrohung dar. So lange der Mensch lebt, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod eintritt, existiert der Mensch nicht mehr und wird deshalb auch nicht vom Tod betroffen. Voraussetzung ist dabei die physikalische Annahme, dass die Seele ein vergängliches körperliches Gebilde ohne Präexistenz oder Weiterleben ist. Sie wird mit dem Körper geboren und zersetzt sich genau wie dieser mit dem Tod in ihre Bestandteile. Da der Tod in der Auflösung der Seele besteht, endet mit ihm auch unser Bewusstsein.
Lehren Epikurs
Todesproblematik
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Aus den Katechismen Epikurs (2) Der Tod ist für uns ein Nichts. Denn was der Auflösung anheim gefallen ist, besitzt keine Empfindung mehr, was aber keine Empfindung mehr hat, bedeutet für uns nichts mehr. (3) Die Höchstgrenze der Freude liegt da, wo alles Schmerzende beseitigt ist. Denn wo die Freude ist, da gibt es, solange sie dauert, weder Schmerz noch Trübsal, noch beides zusammen. (8) Keine Freude ist an sich ein Übel. Doch das, was gewisse Freuden erzeugt, bringt vielerlei Beschwerden mit sich, die die Freuden um ein Vielfaches übersteigen. (26) Alle Begierden, die keinen Schmerz hervorrufen, wenn sie nicht befriedigt werden, gehören nicht zu den notwendigen. Das Verlangen zergeht schnell, wenn die Begierden sich auf schwer zu Beschaffendes richten und ihre Erfüllung allem Anschein nach Schaden stiften kann. (27) Von allen Gütern, die die Weisheit sich zur Glückseligkeit des ganzen Lebens zu verschaffen weiß, ist bei weitem das größte die Fähigkeit, sich Freunde zu erwerben. (40) Alle die Menschen, die sich das Vertrauen vor allem der Nachbarn zu verschaffen wissen, leben miteinander das freudevollste Leben in der festesten Zuversicht. Sie genießen das Glück engster Verbundenheit und jammern nicht über den vorzeitigen Heimgang eines Gestorbenen, als ob man ihn bemitleiden müsse. (EPIKUR, Katechismen [übers. v. P. M. LASKOWSKY])
Aus der in der Naturlehre entwickelten Überzeugung, dass die Götter sich nicht um die Welt kümmern, der Tod den Menschen nichts angeht und alle Schreckensbilder vom Jenseits in den Bereich der trügerischen Fabel gehören, leitet Epikur eine vom Hedonismus geprägte Ethik für das zu sich selbst befreite Individuum ab. Die individuelle Glückseligkeit stellt das höchste Gut dar. Der autarke Weise führt ein gottähnliches Leben auf Erden. Der Gewinn von Lust und die Vermeidung von Schmerz werden dabei zu den obersten Prinzipien menschlichen Handeln erhoben. Dass dies von Geburt an der Natur des Menschen entspricht, sieht Epikur im Luststreben des Kleinkindes verbürgt. Dabei geht es nicht um oberflächlichen Lustgewinn, sondern um inneren Frieden, Ataraxie. Ein hohes Gut ist daher die Selbstgenügsamkeit, die sich aus der richtigen Einschätzung der Begierden ergibt. Das Glück ist mit der Befriedigung solcher Begierden erreicht, die wenn sie unbefriedigt blieben zu Unlust und Schmerz führen würden.
7.5 Stoa und Kynismus Die Bewegung der Stoa wurde um 300 v. Chr. durch Zenon von Kition begründet. Sie verdankt ihren Namen einer mit Wandmalereien versehenen Säulenhalle an der Athener Agora, die stoa poikile (bemalte Halle) genannt wurde und Zenon als Ort des öffentlichen philosophischen Lehrbetriebs diente. Unter seinen Nachfolgern Kleanthes von Assos und Chrysippos von Soloi erhielt die Stoa, deren Zentrum bis zum frühen 1. Jh. v. Chr. in Athen lag, ihre entscheidende Prägung. Wichtigste Vertreter der mittleren Stoa sind Panaitios von Rhodos und Poseidonios von Apameia. In der römischen Kai-
Stoa und Kynismus
serzeit gewann dann das stoische Denken insbesondere wegen seiner Ausrichtung auf die praktische Lebensgestaltung eine immense Breitenwirkung und wurde zu einem elementaren Bestandteil des allgemeinen Geisteslebens. Die bedeutendsten Stoiker der frühen Kaiserzeit waren Musonius Rufus, Epiktet und Seneca. Mit Marc Aurel, dem Philosophen auf dem Kaiserthron, hatte die Stoa im 2. Jh. n. Chr. nochmals einen herausragenden Vertreter. Danach endete die Geschichte der Bewegung, deren Gedankengut allgemeine Verbreitung gefunden hatte und zum Teil vom Neuplatonismus aufgesogen wurde. Bei der Stoa handelt es sich um eine materialistische Philosophie, die ihr Denken streng an der Natur und der Vernunft ausrichtet. Die Welt wird für die Stoiker vom göttlichen Logos als der Vernunft durchwaltet und ist daher grundsätzlich gut. Ein Leben gemäß der schlechthin vernünftigen Natur gilt als der Schlüssel zum Glück des vernünftigen Menschen. Der Materialismus der Stoa geht davon aus, dass es nichts über die Welt und ihre stofflichen Prinzipien hinaus gibt. Das Göttliche steht der Welt nicht gegenüber, sondern ist in pantheistischem Sinne ein immanenter Bestandteil von ihr. Ein transzendenter Schöpfergott wird nicht angenommen. Die periodisch untergehende und sich wieder erneuernde Welt sieht die Stoa von einem alles durchwirkenden Feuer, dem substanzhaft-stofflich gedachten Pneuma geschaffen, das sich im Logos als der Weltvernunft verdichtet. Der Mensch hat gemäß dem Denken der Stoa wie alles Seiende Anteil am Logos und trägt Funken des göttlichen Pneumas in sich. Da alles vorherbestimmt und vernünftig ist, kann der Mensch sein Schicksal nicht bestimmen, es aber in angemessener Weise annehmen und bewältigen. Oberstes Ziel ist es, ein Leben in Übereinstimmung mit dem die Welt ordnenden Logos zu führen. Das Ideal der Vollkommenheit wird nicht im Rückzug aus der Welt, sondern an dem jeweils zugewiesenen Platz verwirklicht. Wie in einem Theaterstück geht es darum, die zugeteilte Rolle, deren Auswahl der menschlichen Verfügungsgewalt entzogen ist, gut zu spielen. Die in der Welt bestehende unveränderliche Gesetzmäßigkeit wird als sinnstiftende Ordnung verstanden, von der aus der Mensch die praktische Lebensgestaltung angeht. Dabei entwickelt die Stoa eine am Begriff der Pflicht orientierte Willensethik für das am Logos partizipierende und daher in Souveränität und Autarkie lebende Individuum. Die zu erstrebende Eudaimonie liegt in der Apathie als dem Gemütszustand völliger Ruhe. Gleichmütig gegenüber allen Wechselstürmen des Lebens bleibt der dem göttlichen Logos folgende stoische Weise, der dank seiner inneren Freiheit unerschütterlich in sich ruht, in Glück wie Unglück stets der Herr über sich selbst. Die Frage nach der postmortalen Existenz wird unterschiedlich beantwortet. Einigkeit herrscht darüber, dass nach dem Ableben eine Trennung von Körper und Seele eintritt. Die Mehrzahl der Stoiker geht von einem zeitlich befristeten Weiterleben der Seele aus, das im Höchstfall bis zur nächsten vorprogrammierten Erneuerung der Welt dauert. Epiktet vertritt dagegen die Auffassung, dass die Seele sich im Moment des Todes auflöst. Dass der Tod für die Stoa eine vom Schicksal festgesetzte unabänderliche Bestimmung des Menschen darstellt, führt nicht in Resignation und Sinnlosigkeit, sondern zieht eine nüchterne und emotionslose Betrachtung des Lebens nach sich. Die verbleibende Zeit soll sinnvoll genutzt werden, ohne
Lehren der Stoa
Distanz zur Welt
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Philosophische Strömungen
den Tod aus dem Auge zu verlieren. In seinem eindrücklichen Gleichnis vom Steuermann deutet Epiktet das Leben als Landgang, bei dem man jederzeit zum Loslassen der angetroffenen Güter und Personen bereit sein muss, wenn das Signal zur Abfahrt ertönt. Diese innere Distanz zur Welt macht die Freiheit des stoischen Weisen aus und bewahrt ihn vor der Schmach, wie ein Stück Vieh mit Zwangsmitteln aus diesem Leben abgeholt zu werden. Vor diesem Hintergrund entwickelt die Stoa eine positive Einstellung zum Suizid. Der Freitod gilt als ethisch erlaubt oder sogar geboten, um Handlungssouverän über das eigene Schicksal zu bleiben und die Freiheit gegenüber der Welt zu realisieren. Epiktet, Gleichnis vom Steuermann Wenn das Schiff auf einer Seereise vor Anker geht und du aussteigst, um frisches Wasser zu holen, dann kannst du unterwegs eine Muschel oder einen kleinen Tintenfisch auflesen, aber deine Aufmerksamkeit muss auf das Schiff gerichtet bleiben, und du musst es ständig im Auge behalten. Der Steuermann könnte ja rufen, und wenn er ruft, dann musst du alles liegen lassen, damit du nicht gefesselt wie die Schafe auf das Schiff geworfen wirst. So ist es auch im Leben: Wenn dir statt einer Muschel oder eines Tintenfisches eine Frau und ein Kind gegeben sind, so wird dies kein Hindernis sein. Wenn der Steuermann ruft, lauf zum Schiff, lass alles liegen und dreh dich nicht um. Wenn du aber alt geworden bist, dann entferne dich nur nicht zu weit vom Schiff, damit du nicht zurückbleibst, falls du gerufen wirst. (EPIKTET /TELES /MUSONIUS, Ausgewählte Schriften, hrsg. v. R. NICKEL, Zürich 1994, 17)
Kynismus
Gemäß der vernunftbetonten und nüchternen Art der Stoa gehören Affekte wie Begehren, Furcht und Lust, aber auch Reue und Mitleid zu den krankhaften Zuständen der Seele. Von ihnen muss der Weise sich freimachen, um das Ziel der Unerschütterlichkeit (ataraxia) zu erreichen. Die innere Distanz zur Welt zieht Selbstgenügsamkeit und Askese nach sich. Wer möglichst wenig von dem nimmt, was ihm an irdischen Gütern zugeteilt wird, wird mit Recht göttlich genannt werden. Dabei sind enge Berührungen zwischen der Stoa und dem im 5. Jh. v. Chr. von Antisthenes begründeten Kynismus zu beobachten, nach dessen Güterlehre alle äußeren Dinge für die innere Glückseligkeit bedeutungslos sind und die Autarkie des Weisen gefährden. Die Kyniker führten ein bedürfnisloses Wanderleben und übten durch nonkonformistisches Verhalten Kritik an den gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Diogenes von Sinope (4. Jh. v.Chr.) als wohl bekannteste Gestalt der Bewegung soll zeitweise in einer Tonne gelebt und Alexander den Großen, als dieser ihm einen Wunsch freistellte, lediglich darum gebeten haben, ihm aus der Sonne zu gehen. In der frühen Kaiserzeit erlebte der Kynismus mit dem Auftreten stoisch-kynischer Wanderphilosophen einen immensen Aufschwung. Epiktet hat dem Kynismus eine längere Abhandlung gewidmet, in der er die Vorbildhaftigkeit des kynischen Lebensentwurfs betont.
8. Die nichtjüdische religiöse Umwelt des Neuen Testaments Die religiöse Landschaft im Kaiserreich des neutestamentlichen Zeitalters ist durch eine kaum überschaubare Vielfalt gekennzeichnet. Das frühe Christentum konkurrierte mit einer Vielzahl heidnischer Kulte und musste sich auf einer Art freiem Markt der Religionen behaupten. Im offiziellen Kult spielte die Verehrung der klassischen griechischen und römischen Gottheiten nach wie vor eine zentrale Rolle, ohne dass damit die religiösen Bedürfnisse der breiten Bevölkerungsschichten abgedeckt worden wären. Das Verlangen nach Gesundheit ließ Asklepios bereits in der klassischen Epoche aus dem Schatten seines Vaters Apollo heraustreten und bis in die Spätantike hinein zum herausragenden Heilgott der griechisch-römischen Welt werden. Ungeheure Anziehungskraft verströmten die neuen Mysterienkulte aus dem Osten, die sich infolge der durch den Hellenismus in Gang gesetzten kulturgeschichtlichen Entwicklungen in rasanter Geschwindigkeit über das gesamte Römische Reich ausbreiteten und mit einheimischen Religionen vermischten. Hinzu kamen vielschichtige Phänomene der Volksfrömmigkeit wie der Glaube an Wundermänner, Orakelwesen, Magie und Astrologie. Im frühen Prinzipat gewann die göttliche Verehrung des Kaisers im offiziellen Kult stetig an Bedeutung. Ein Sonderproblem stellt das religiöse Phänomen der Gnosis dar, die sich möglicherweise erst unter dem Einfluss des Christentums entwickelt hat.
8.1 Der Asklepioskult Der herausragende Heilgott Asklepios (Aesculapius), Sohn des Apollo und der Königstochter Koronis, zählt zu den Heroen der griechischen Mythologie und wird schon bei Homer als großer Arzt gepriesen. Sein Wahrzeichen ist die Schlange, die sich um den Stab windet. Der Sage zufolge hatte Asklepios sich durch Geld dazu verleiten lassen, einen bereits der Unterwelt geweihten Menschen in das Leben zurückzuholen, und wurde deshalb von Zeus durch einen Blitzschlag getötet. Nach seinem schmachvollen Tod verblieb Asklepios nicht im Hades, sondern fand Aufnahme in den Olymp und wurde zur bedeutsamsten Heilgottheit der Antike. Die ihm zu Ehren errichteten Heiligtümer waren geistige Zentren, die über die Heilkunst hinaus durch Theater, Dichtung, Musik, aber auch durch Sport und die intensive Begegnung mit der Natur das Streben der Seele nach dem Schönen und Göttlichen förderten, damit der Mensch seine Gesundheit und Harmonie wieder finde. Als anerkannte Institutionen des antiken Lebens wirkten sie einer gesellschaftlichen Ausgrenzung kranker Menschen entgegen. Von den Heilungswundern des Asklepios geben zahlreiche Weiheinschriften Kunde, die von den Pilgern gelesen und weiterverbreitet wurden. Als weitere Votivgaben hat man Nachbildungen von geheilten Gliedmaßen gefunden. Unumschränktes Zentrum der Asklepiosverehrung war Epidauros auf der Peloponnes mit seinem im 6. Jh. v. Chr. gegründeten Asklepiosheiligtum. Bei Ausgrabungen konnten mehrere Stelen mit insgesamt siebzig Wunderhei-
Epidauros
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Nichtjüdische religiöse Umwelt
Verbreitung des Asklepioskults
lungsberichten entdeckt werden. Unter den vielfältigen Krankheiten, die in Epidauros geheilt wurden, nehmen Augenleiden und Lähmungen besonders breiten Raum ein, aber auch bei Wassersucht, Kindeswunsch, Haarausfall oder Geschwüren wurde Hilfe zuteil. Maßgebliche Heilmethode war die Inkubation, der Schlaf im Tempel der Gottheit. Nach vielfältigen Opferhandlungen und Reinigungsriten übernachteten die Heilungssuchenden in einem gesonderten Liegesaal, dem Abaton oder Enkoimeterion. Dort erschien ihnen Asklepios im Traum, um entweder sofort Heilung zu bringen oder Weisungen zu erteilen, deren Ausführung später die Genesung nach sich zog. Auch wenn die zur Ermutigung der Kranken und zur Werbung für das Heiligtum verfassten Berichte übertreiben und zum Teil phantastisch ausgeschmückt sind, setzen sie doch eine Vielzahl unbestrittener Heilungen voraus. Bewirkt wurden sie durch eine Kombination religiöser, psychologischer und medizinischer Elemente. Ein unerschütterliches Vertrauen in die Heilkraft der Gottheit und für die Psyche förderliche Traumerlebnisse während der Inkubation zogen im Zusammenspiel mit ärztlichen Praktiken Genesung nach sich. Durch systematische Filialgründungen breitete sich der Kult ab dem 5. Jh. v. Chr. zunächst im östlichen Mittelmeerraum, dann über die gesamte griechisch-römische Welt aus. Für das neutestamentliche Zeitalter ist mit rund vierhundert Asklepiostempeln im Römischen Reich zu rechnen, deren Bedeutung für das religiöse Empfinden breiter Bevölkerungsschichten kaum hoch genug veranschlagt werden kann. Hinzu kommen Isis- und Sarapisheiligtümer, an denen vergleichbare Wunderheilungen geschahen. Im Laufe der Jahrhunderte ging der zunächst durch volkstümliche Heilkunst gekennzeichnete Asklepioskult eine immer engere Bindung mit der wissenschaftlichen Medizin ein. In vorchristlicher Zeit gilt dies besonders für den Asklepiostempel auf der Insel Kos, an dessen Betrieb das dort ansässige Ärztegeschlecht der Asklepiaden beteiligt war. Ihm gehörte Hippokrates an, der einer Legende zufolge die Medizin dadurch begründet haben soll, dass er von den Votivtafeln des Asklepiosheiligtums die dort erwähnten Heilkuren abschrieb. In der Kaiserzeit kommt dem Asklepiostempel von Pergamon eine Ausnahmestellung zu, dessen Heilpraktiken im 2. Jh. n. Chr. bei dem angesehenen römischen Arzt Galen auf Zustimmung stießen und dessen Ruhm durch den Rhetor Aelius Aristides, selber langjähriger Patient in Pergamon, weit verbreitet wurde. Dabei kommen die menschlichen Züge des Heilgottes, sein Wissen um das Leiden der Menschen und seine liebevolle Fürsorge, betont zur Sprache. Von allen Göttern Griechenlands zeigt Asklepios die größte Hilfsbereitschaft und Zuwendung gegenüber den Menschen. Er wird auf Inschriften und von antiken Schriftstellern als Menschenfreund und Wohltäter gerühmt. Nicht zuletzt wegen der Ausstrahlungskraft des Heiligtums von Pergamon galt Asklepios in der griechisch-römischen Welt auch als der Retter oder Heiland (Soter) schlechthin. Diese Verehrung des Asklepios blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Christusbild der frühen Kirche. Wenn Jesus Christus ab dem 2. Jh. n. Chr. zunehmend als Arzt, Menschenfreund, Wohltäter und Retter gepriesen wird, ist dies entscheidend durch die Asklepiosfrömmigkeit beeinflusst, indem solche traditionellen Asklepiosprädikate aus der Konkurrenz mit dem Asklepioskult heraus zu populären christologischen Hoheitstiteln wurden.
Die Mysterienkulte
Weiheinschrift des Publius Aelius Theon im Asklepieion von Pergamon (2. Jh. n. Chr.) Asklepios, dem die Menschen liebenden Gott, habe ich, Publius Aelius Theon, Sohn des Zenodotos und der Zenodote, aus Rhodos, der ich einhundertzwanzig Tage lang am frühen Morgen eines jeden Tages nichts trank und fünfzehn Körner weißen Pfeffers und eine halbe Zwiebel aß auf Geheiß des Gottes und dadurch manifest aus vielen und großen Gefahren errettet wurde, geweiht zugleich auch für den Neffen Publius Aelius Kallistratos, auch Plancianus geheißen, den Sohn des Antipatros, das paidikon (wohl eine Statue, die Asklepios im Knabenalter zeigt) aufgrund eines Gelübdes. (H. MÜLLER, Ein Heilungsbericht aus dem Asklepieion von Pergamon, Chiron 17 [1987], 198 f.)
8.2 Die Mysterienkulte Mysterien sind Geheimkulte mit oft mehrstufigen Weihen, die durch intensive Bindung zum Göttlichen und Überschreitung der Alltagsgrenzen ein besseres Leben im Diesseits und Seligkeit im Jenseits verheißen. Sie spielten im religiösen Leben der Antike eine herausragende Rolle und waren über das gesamte Römische Reich verbreitet. Unser Wissen über das Mysteriengeschehen und die Mysterienweihe ist wegen der strengen Geheimhaltungspflicht begrenzt. Konstitutiv für alle Mysterien ist ein erklärender Mythos, der das im Kult gegenwärtige Geschehen in der Göttergeschichte verankert. Er beschreibt das Schicksal der Gottheit – meist ein Leidensweg, an dessen Ende Rettung und neues Leben stehen. Die Mysten gewinnen durch rituelle Handlungen im Mysteriengeschehen daran Anteil. Im Blick auf Inhalte, Organisationsformen und Sozialstruktur der einzelnen Mysterienkulte bestehen beträchtliche Unterschiede. Zu den ältesten und berühmtesten Mysterien der Antike zählt der Demeterkult von Eleusis nahe Athen. Der Mythos besagt, dass Demeters Tochter Kore von Hades gewaltsam in die Unterwelt entführt und geehelicht wurde, wobei sie nun den Namen Persephone trug. Demeter suchte verzweifelt ihr Kind, ließ währenddessen keine Saaten mehr wachsen und vermochte schließlich Persephone für zwei Drittel des Jahres in die Oberwelt zurückholen, worauf die ganze Erde wieder vor Fruchtbarkeit strotzte. Durch die alljährlichen Mysterienfeiern in Eleusis erhielt der unter Reinigung und Opfern eingeweihte Myste Anteil an der sich erneuernden Kraft der Natur und Hoffnung auf ein besseres Los im Jenseits. Die Inhalte der Weihenacht, wo die Mysten durch Schau und Nachahmung in archaische Fruchtbarkeitsriten eingebunden wurden, lassen sich nur erahnen. Wesentlicher Teil der dramatischen Vergegenwärtigung des Mythos war die Präsentation heiliger Gegenstände und Personen. Vermutlich wurde Kore-Persephone unter Gongschlägen symbolisch aus der Unterwelt heraufgeholt. Daneben spielt eine abgeschnittene Ähre als Hinweis auf Tod und Fruchtbarkeit eine Rolle. Nicht näher bestimmen lassen sich die Gegenstände in einer geheimnisvollen Kiste, die von den Mysten berührt wurden. Von archaischer Rohheit geprägt ist der Kult des Dionysos, dem Gott der
Demeterkult von Eleusis
Dionysoskult und Orphik
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Mysterien der Kybele
ungebändigten Natur. Im komplexen Dionysosmythos bündeln sich menschliche Urerfahrungen wie Wein und Rausch, Wildheit und Ekstase, Tod und Verwandlung, die in den Kultriten der Mysten zum Ausdruck gebracht werden. Weingenuss, sexuelle Handlungen und aufreizende Musik sind wesentliche Bestandteile der Mysterien, durch die man zum Bakchen, dem von göttlicher Ekstase und beseligender Entrücktheit erfüllten Anhänger des Dionysos wurde. Dabei konnte es auch zum Zerreißen von Tieren und zum Genuss rohen Fleisches kommen. Neben der Begegnung mit dem Göttlichen und dem Gewinn von Lebenskraft boten die Dionysosmysterien auch Hoffnung auf jenseitiges Leben. Dabei kam es zu einer Überlagerung durch die Orphik, für deren Anthropologie der Mythos vom Zerfleischen des Dionysos durch die Titanen konstitutiv ist. Als die Titanen Dionysos verschlungen hatten, vernichtete Zeus sie durch einen Blitzstrahl und schuf aus der Asche das Geschlecht der Menschen. Der Mensch enthält demnach die titanischen Elemente des Bösen und das aus Dionysos stammende Gute. Diese beiden Seiten werden durch Leib und Seele repräsentiert. Aus dem Kreislauf weiterer Inkarnationen kann die Seele sich nicht selber erlösen, sondern bedarf orphisch-dionysischer Mysterien, um das Ideal der körperlosen Jenseitsreise zu verwirklichen. Anschauliche Zeugnisse orphisch-dionysischer Jenseitserwartung sind in Gräbern entdeckte Goldplättchen. Sie wurden den Verstorbenen als Totenpässe mitgegeben und enthalten Informationen, was der Seele auf ihrem Weg durch die Unterwelt widerfahren wird und wie sie sich zu verhalten hat. Die Mysterien der kleinasiatischen Muttergottheit Kybele sind durch noch blutigere archaische Riten gekennzeichnet. Das Grundgerüst des Mythos besagt, dass der von der Göttin unglücklich geliebte Attis wegen Untreue mit Wahnsinn geschlagen wird, sich in diesem Zustand eigenhändig entmannt und unter einer Pinie stirbt. Attis wird zwar nicht wiederbelebt, doch bleibt sein Leichnam im Zustand der Unverweslichkeit. Der Kybelekult ist durch ekstatische Blutriten der Mysten gekennzeichnet, die im Weiheakt durch Selbstentmannung das Geschick des Attis nachvollziehen und auch bei den alljährlichen Kultfeiern durch Einritzen der Gliedmaßen ihrer engen Verbindung mit Attis Ausdruck verleihen. Ganz ähnlich war das Auftreten der Anhänger von Atargatis, der Dea Syria, deren Kult sich mit den Kybelemysterien durchdrang. Auch die – wahrscheinlich aber nicht verschnittenen – Mysten der aus Kappadokien stammenden und in Rom mit der Kriegsgöttin Bellona identifizierten Mâ fügten sich in Ekstase Verwundungen zu. Der Arzt Aretaios (1. Jh. n. Chr.) über religiösen Wahnsinn in den Mysterienkulten Eine andere Form von Wahnsinn. Es schneiden sich einige in die Gliedmaßen, wobei sie ihren Göttern in frommem Wahn einen Gefallen erweisen, als ob diese es von ihnen verlangten. Der Wahnsinn zeigt sich nur in dieser Sache, in allem anderen sind sie vernünftig. Angetrieben werden sie aber durch Flötenspiel und Ausgelassenheit oder Trunkenheit oder durch Anfeuerung seitens der Anwesenden. Und wenn der Wahnsinn vorüber ist, sind sie munter, sorglos, weil sie sich dem Gott geweiht glauben. Indessen sind sie blass und mager und auf lange Zeit infolge der schmerzhaften Wunden geschwächt. (ARETAIOS VON KAPPADOKIEN, Von den Ursachen und Kennzeichen chronischer Krankheiten I.6,11)
Der Herrscher- und Kaiserkult
Im Fall der aus Ägypten stammenden Isismysterien erzählt der vielschichtige Kultmythos davon, wie sich Isis auf die Suche nach dem Leichnam ihres von Seth ertränkten und zerstückelten brüderlichen Gemahls Osiris macht. Mit Hilfe anderer Gottheiten gelingt es ihr, die Einzelteile des Osiris zu finden, seinen Körper wieder zusammenzusetzen und zu neuem Leben zu erwecken. Das im Kult symbolisch nachvollzogene Todes- und Wiederbelebungsgeschick des Osiris besaß Vorbildfunktion für die eingeweihten Gläubigen. In Korinths Hafen Kenchreä befand sich ein bedeutendes IsisHeiligtum, über dessen Mysterienweihe Apuleius im elften Buch seiner Metamorphosen in verschlüsselter Form berichtet. Nach einer rituellen Wasserbesprengung, die oft mit der christlichen Taufe verglichen wurde, begibt sich der das Schicksal des Osiris nachahmende Myste auf eine fiktive Reise in die Totenwelt und durch die himmlischen Gefilde, an deren Ende er als eine Art neugeborenes Gottwesen angesehen wird. Der Lichtgott Mithras eroberte von Persien aus vor allem den Westen des Römischen Reiches. Der in Vereinsform organisierte und nur Männern zugängliche Mithraskult weist sieben Weihegrade auf, die hierarchisch abgestuft und mit Planeten verbunden sind. Das Durchlaufen der Weihegrade bildet für den Mysten den Aufstieg seiner Seele durch die Himmelssphären ab. Die Mithrasanhänger rekrutierten sich vor allem aus dem kaiserlichen Verwaltungsapparat und dem römischen Heer. Als Versammlungsorte dienten Höhlen, da sich Mithras dem Mythos zufolge in einer Höhle aufgehalten und dort durch die Tötung des Urstieres die Grundlagen für die Entstehung der kultivierten Welt geschaffen hatte.
Isismysterien
Mithraskult
8.3 Der Herrscher- und Kaiserkult Dem römischen Denken war die Vorstellung der Vergottung eines Menschen zu Lebzeiten oder nach dem Tod von Hause aus fremd. Der Herrscherkult hat seine Wurzeln im Osten, wo er durch Alexander den Großen und die Diadochen seine entscheidende Ausprägung erfuhr. Alexander wurde bereits zu Lebzeiten in unterschiedlichster Weise göttlich verehrt. Konsequent vorangetrieben wurde der Herrscherkult von den Ptolemäern, die sich in die Tradition der altägyptischen Königsideologie stellten. Ptolemaios I. machte Alexander zum höchsten Reichsgott und tat alles, um die Göttlichkeit des Makedonenkönigs auf sich und seine Dynastie überströmen zu lassen. Als Ptolemaios I. verstarb, rückte er im Rahmen des staatlich organisierten Herrscherkults in den Rang einer Gottheit mit Tempel und Priesterschaft empor. Bald wurden die Ptolemäerkönige schon zu Lebzeiten in den Alexanderkult einbezogen und mit Dionysos gleichgesetzt. Im Seleukidenreich sind mit zeitlicher Verzögerung ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Hervorzuheben ist Antiochos IV. Epiphanes, der sich als auf Erden offenbar gewordene Gottheit verehren ließ und im Herrscherkult ein wichtiges Instrument zur Konsolidierung seines heterogenen Reiches sah. Die Römer gerieten mit dem Vordringen in den östlichen Mittelmeerraum in den Bannkreis des Herrscherkultes, der zunächst im Osten auf römische Verwaltungsbeamte übertragen wurde und dann auch in der Reichsmetropole selber Einzug hielt. Von entscheidender Bedeutung war die sakralrecht-
Divinisierung Caesars
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Nichtjüdische religiöse Umwelt
liche Divinisierung Caesars. Sie hatte Modellcharakter für die postmortale Kaiserapotheose im Prinzipat, die allerdings solchen Herrschern verwehrt blieb, die sich durch ihr Verhalten der Vergöttlichung als unwürdig erwiesen hatten. Caesar wurde vom Senat als Divus Julius unter die Staatsgottheiten aufgenommen und erhielt auf dem Forum einen Tempel mit Standbild, Priesterschaft und Kult. Die Divinisierung Caesars Caesar starb im Alter von sechsundfünfzig Jahren und wurde unter die Götter erhoben. Und das geschah nicht nur mit breiter Zustimmung der zuständigen Instanz, sondern auch weil das Volk dieser Meinung war. Ja, während der Spiele, die Augustus am ersten Jahrestag für den unter die Götter erhobenen Caesar veranstaltete, strahlte ein Komet sieben Tage nacheinander am Himmel – er erschien etwa um sechs Uhr abends –, und man glaubte, es sei die Seele des in den Himmel aufgenommenen Caesar. Das war auch der Grund, warum man an seinem Bild über dem Scheitel noch einen Stern anbrachte. (SUETON, Caesar 88 [übers. v. H. MARTINET, Düsseldorf/Zürich 1997])
Organisation und Ideologie des Kaiserkults
Octavian, auf den Caesars Göttlichkeit abfärbte und der später den sakralen Ehrennamen Augustus (der Erhabene) empfing, hat sich im Blick auf eine göttliche Überhöhung seiner Herrschaft große Zurückhaltung auferlegt. Allerdings entstanden in den urbanen Zentren der Provinzen Stätten der Verehrung des Augustus, den man vor allem im Osten als göttlichen Beherrscher des Erdkreises und Retter des Menschengeschlechts ansah. Bereits 29 v. Chr. wurde in Pergamon ein Tempel für Augustus und die Göttin Roma errichtet. Im Jahr 9 v. Chr. ehrte der Landtag der Provinz Asia Augustus als Heiland und Gott, mit dessen Geburt die Zeit des Lebens begonnen hatte, und führte einen neuen Kalender ein, der das Jahr mit dem Geburtstag des Kaisers einsetzen ließ. Nach seinem Tod wurde Augustus dem Vorbild Caesars entsprechend unter die Staatsgottheiten aufgenommen. Die Apotheose erforderte das Auftreten von Zeugen in der Senatsversammlung, welche die Entrückung des verstorbenen Kaisers bestätigen konnten. Ein Prätor schwor, dass er gesehen habe, wie das Abbild des Augustus vom Scheiterhaufen in den Himmel emporgestiegen sei. Tiberius hat durch die Ausbreitung und Organisation der Augustusverehrung den Kaiserkult gefestigt. Er selber wurde in etlichen Städten Kleinasiens, die sich davon Vorteile erhofften, mit Tempeln bedacht. Die postmortale Divinisierung hat ihm der Senat allerdings verweigert. Gaius Caligula war der erste römische Kaiser, der seine Person nicht zuletzt zur Demütigung der Oberschicht bereits zu Lebzeiten als Gottheit inszenierte. Mit dem Versuch, durch Aufstellen seines Standbilds im Jerusalemer Tempel die Juden zur Loyalität gegenüber dem römischen Staat zu verpflichten, stürzte er den gesamten Osten des Reiches in eine schwere Krise. Claudius knüpfte wieder an die zurückhaltende Linie des Tiberius an und entwickelte keinen besonderen Ehrgeiz, von den Zeitgenossen mit göttlichen Ehren bedacht zu werden. Nero empfing unmittelbar nach der Thronerhebung eine Serie göttlicher Ehrungen und präsentierte sich selbst mit Vorliebe als Sol-Apollo. Dem aus bescheidenen Verhältnissen stammenden Vespasian kommt ein wesentlicher Anteil an der Intensivierung des Kaiserkults zu, in dem er ein
Die Gnosis
wichtiges Instrument sah, sich in die Kontinuität der julisch-claudischen Dynastie zu stellen und seine Herrschaft ideologisch zu untermauern. Domitian scheint insoweit an das Beispiel Caligulas und Neros angeknüpft zu haben, dass er sich in offiziellen Dokumenten als „unser Herr und Gott“ gab und sich auch mit diesen Nomenklaturen anreden ließ. In Ephesus wurde den Flaviern ein Tempel mit einer überdimensionalen Statue Domitians errichtet. In den meisten Städten Kleinasiens prangten Weiheinschriften mit den göttlichen Titeln des Kaisers. Der Kaiserkult diente primär politischen Zwecken. Er war Zeichen der Ergebenheit gegenüber dem Herrscher, die in religiös-kultischen Formen ausgedrückt wurde und ein bedeutsames Einigungsband für das ethnisch wie kulturell heterogene Reich darstellte. Als Medium der symbolischen Kommunikation zwischen der Reichsspitze und den lokalen Eliten leistete der Kaiserkult einen unverzichtbaren Beitrag zur Romanisierung und Integration der Provinzen. Dabei bediente er sich jener rituellen Formen, die für die Religionsausübung in der Antike charakteristisch waren, nämlich Tempelkult, Opferhandlungen, Gebete, Prozessionen, Feste und Wettspiele. Tempel oder Altäre des Kaiserkults prägten nahezu überall im Reich das Bild der urbanen Zentren. Sie wurden bewusst dort platziert, wo viele Menschen zusammenkamen und ein Höchstmaß an Öffentlichkeit gewährleistet war. Regelmäßige Feste, Umzüge und Wettkämpfe zu Ehren des göttlichen Kaisers gehörten zum festen Bestandteil des städtischen Lebens. Zentrale Bezugsgröße des Kaiserkults war das Standbild des Kaisers, das nicht nur bei Prozessionen mitgeführt wurde, sondern vor dem man auch Opferhandlungen und Gebete darbrachte, wie es Plinius in seinem bekannten Brief an Traian bezeugt (Ep. X,96). Zur Durchführung und Überwachung der Riten wurde Kultpersonal benötigt, das von den führenden Schichten der Provinzen gestellt wurde. Durch die Übernahme der begehrten, oftmals mit hohen Geldbeträgen erkauften Priesterämter konnte die lokale Oberschicht ihre soziale Reputation steigern und wurde gleichzeitig eng an die Reichsidee gebunden. Der Kaiserkult stand nicht in Konkurrenz zu anderen Kulten, sondern trat ergänzend hinzu. Für Juden wie Christen war es allerdings vom monotheistischen Gottesglauben her undenkbar, den Kaiser als göttliches Wesen anzuerkennen und vor dem Kaiserbild Gebete und Opfer darzubringen. Im Gegensatz zu den Juden waren die Christen nicht vom Kaiserkult befreit und konnten daher wegen mangelnder Staatstreue jederzeit strafrechtlich verfolgt werden.
8.4 Die Gnosis Unter der Gnosis, eigentlich „Erkenntnis“, versteht man eine religiöse Erlösungsbewegung der Spätantike, die durch eine konsequent weltverneinende Daseinsdeutung gekennzeichnet ist und durch Vermittlung von Geheimwissen Rettung verheißt. Soziologisch ist die Gnosis stark in der kaiserzeitlichen Stadtkultur verwurzelt, wo sie der gebildeten Oberschicht in Zeiten der Umwälzung Halt gab. Die Anfänge gnostischen Weltverständnisses liegen im Dunkel. Ob die Gnosis unabhängig vom Christentum aufkam oder als eine durch popularphilosophisches Gedankengut inspirierte Spielart
Ausdrucksformen des Kaiserkults
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Kennzeichen der Gnosis
Erlösermythos
christlichen Denkens entstand, bleibt umstritten. Zumindest existieren auch gnostische Texte, die keinen christlichen Einfluss aufweisen. Die Rekonstruktion der Gnosis musste sich lange Zeit auf Darstellungen aus der Feder ihrer Gegner stützen. Kirchenväter wie Irenäus, Hippolyt oder Epiphanius bieten umfangreiches Gedankengut aus gnostischen Schriften, neigen aber zur Schematisierung und bösartigen Verzerrung der Gnosis. Deshalb kommt den 1945 in Ägypten entdeckten Texten von Nag Hammadi als Originalzeugnissen gnostischen Denkens besondere Bedeutung zu. Es handelt sich um mehr als fünfzig Schriften unterschiedlichster Art, in denen sich die Vielfalt und der Reichtum der antiken Gnosis eindrucksvoll widerspiegeln. Der Terminus Gnosis bezeichnet keine einheitliche Religion mit festen Grenzen, sondern dient als Sammelbegriff für bestimmte Formen von Religiosität, die bei aller Verschiedenheit doch eine Reihe gemeinsamer Merkmale besitzen. Die Mehrzahl der gnostischen Systeme ist durch einen strengen kosmischen Dualismus gekennzeichnet. Gott hat als transzendente, überweltliche Gestalt keinerlei Anteil am Kosmos. Die Sophia brachte ohne Mitwirken Gottes oder gegen seinen erklärten Willen den negativ besetzten Weltschöpfer (Demiurg) hervor. Die Welt selber wird von bösartigen Planetenherrschern (Archonten) regiert und ist damit nicht die bergende Heimat des Menschen, sondern eine ihm feindliche Macht. Zu den Grundlinien gnostischen Denkens zählt weiterhin die Vorstellung, dass der Mensch einen nach Erlösung strebenden göttlichen Funken in sich trägt. Dabei setzt die Gnosis einen aus der platonischen Anthropologie bekannten LeibSeele-Dualismus voraus, der das wahre Ich im materiellen Körper eingesperrt und in der feindlichen Welt gefangen sieht. Erlösung besteht nach der gnostischen Weltanschauung darin, dass sich nach dem Tod der göttliche Lichtteil im Menschen vom Körper trennt und die Himmelsreise antritt. Durch die rettende Gnosis, die den Menschen zur Einsicht in seine wahre Natur und seinen himmlischen Ursprung bringt, vermag die Seele durch die Planetensphären in die heimatlichen Himmelsgefilde zurückzukehren, wobei in vielen gnostischen Texten Magie und Dämonenglaube eine zentrale Rolle spielen. Obwohl die Gnosis eine Selbsterlösung durch Erkenntnis und Weltflucht propagiert, begegnen in vielen Systemen auch Erlösergestalten. Diese vermitteln im Auftrag des höchsten Gottes die Heilsbotschaft von der rettenden Erkenntnis, weisen dem Menschen den Weg der Befreiung aus dem Kosmos und sind teilweise auch bei der Bewältigung des Seelenaufstiegs behilflich. Einen einheitlichen Erlösermythos kennt die Gnosis allerdings nicht. Sofern die Christologie in gnostische Systeme integriert wird, kommt es zu einer Mythologisierung der Christusgestalt auf Kosten der menschlichen Züge Jesu. Nicht selten begegnet eine Aufspaltung des christlichen Erlösers in zwei getrennte Wesen, nämlich in den irdisch-vergänglichen Jesus und den himmlisch-ewigen Christus. Als irdische Erscheinung ist Jesus von Nazareth mit der Offenbarung gnostischer Lehren betraut, als Christus ist er höheres Lichtwesen, das seit Anbeginn in der göttlichen Welt beim Vater weilt und niemals wirklich Mensch werden kann. Begleiterscheinungen der Gnosis sind deshalb der Doketismus, der die gesamte irdische Existenz Christi als eine Scheinexistenz betrachtet, oder die Unterscheidung zwischen Jesus und Christus als unterschiedlichen Personen.
Die Gnosis
Die Entstehung der Welt nach den „Barbelo-Gnostikern“ Dann ist nach ihrer Lehre vom ersten Engel, der beim Monogenes (Eingeborener) steht, das heilige Pneuma emaniert worden, das sie auch Sophia und Prounikos (lüstern) nennen. Als die nun sah, dass alle anderen (Äonen) in Syzygien (Paar-Verbindungen) standen, sie selbst aber nicht, da hat sie gesucht, mit wem sie eine Verbindung eingehen könne. Und als sie niemanden fand, da strengte sie sich ernsthaft an, streckte sich aus und hielt Ausschau in den unteren Regionen, weil sie meinte, hier einen Partner zu finden. Und weil sie keinen fand, sprang sie auf und war angeekelt, da sie die leidenschaftliche Suche ohne die Zustimmung des Vaters unternommen hatte. Danach dann brachte sie, von Einfalt und Güte gedrängt, ein Gebilde zusammen, in dem Unwissenheit und Vermessenheit waren. Dieses ihr Werk aber, sagen sie, ist der Protarchon (Urarchon), der Werkmeister (Demiurg) dieser Schöpfung. Sie erzählen, dass er große Kraft von der Mutter genommen und sich von ihr weg in die untere Welt begeben hat und das Firmament des Himmels schuf, in dem er nach ihren Angaben auch wohnt. Und da er Unwissenheit ist, machte er die Mächte, die unter ihm stehen, die Engel, Firmamente und alles Irdische. Dann, sagen sie, hat er sich mit der Authadeia (Anmaßung) vereinigt und die Kakia (Schlechtigkeit) gezeugt, den Zelos (Eifersucht), den Phtonos (Neid), die Eris (Streit) und die Epithymia (Begierde). Angesichts dieser Zeugungen floh die Mutter Sophia traurig von dort und begab sich in die oberen Regionen … Als sie sich fortbegab, glaubte der Demiurg, allein zu sein, und sagte deshalb „Ich bin ein eifersüchtiger Gott, und außer mir ist keiner“ (Ex 20,5; Jes 45,5 f.; 46,9). (IRENÄUS, Adversus Haereses I.29,4 [übers. v. N. BROX, Freiburg 1993])
Nicht unproblematisch stellt sich auch die Ethik der Gnosis dar. Da der Kosmos für den Gnostiker von Grund auf böse ist und die Erlösung in der Rückkehr des göttlichen Lichtfunkens im Menschen zu seinem himmlischen Ursprungsort besteht, kommt eine individuelle Verantwortung für die Welt kaum in den Blick. Es wird ein Rückzug in die Innerlichkeit gefordert, der wegen der negativen Betrachtung aller Geschöpflichkeit streng asketische Züge trägt. Wenn den Gnostikern von den Kirchenvätern auch ein aus Weltverachtung resultierender ethischer Libertinismus mit Ausschweifungen nachgesagt wird, dürfte es sich um nicht den Tatsachen entsprechende Polemik handeln. Das in weiten Teilen der alten Kirche sehr einflussreiche Denken der Gnostiker steht in deutlichem Widerspruch zum Schöpfungsverständnis und zur Erlösungslehre der Bibel. Von der Großkirche wurden die christlichen Gnostiker als Häretiker bekämpft. Dafür gab es gute theologische Gründe, wobei die Gnosis allerdings nicht nur wegen ihrer Inhalte, sondern auch wegen ihres subversiven, sich der institutionellen Kontrolle entziehenden Charakters argwöhnisch beäugt wurde.
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Anhang
Aus: Linda-Marie Günther, Herodes der Große, Darmstadt 2005.
Neutestamentliche Zeitgeschichte im Film
Neutestamentliche Zeitgeschichte im Film Einen unterhaltsamen Zugang zu ausgewählten Aspekten der neutestamentlichen Zeitgeschichte bieten Historienfilme, die den Zuschauer in eine farbenprächtige Welt faszinierender Bilder entführen. Das Medium Film bietet nicht einfach Illustrationen historischer Ereignisse, sondern interpretiert diese in bestimmter Richtung und macht erhebliche Zugeständnisse an das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums. Die nachfolgende Übersicht wendet sich zwanzig ausgewählten Filmen zur neutestamentlichen Zeitgeschichte zu, die es in der Regel mit der Wahrheit nicht allzu genau nehmen und deshalb immer kritisch an den Quellen zu messen sind. 1. Alexander der Große (Alexander the Great) USA 1956. Regie: Robert Rossen. Darsteller: Richard Burton, Fredric March, Claire Bloom, Danielle Darrieux, Peter Cushing. 136 Min. 2. Alexander USA 2004. Regie: Oliver Stone. Darsteller: Colin Farrell, Anthony Hopkins, Angelina Jolie, Val Kilmer, Christopher Plummer. 175 min.
3. Der Kampf der Makkabäer (Il vecchio testamento) I 1962. Regie: Gianfranco Parolini. Darsteller: Brad Harris, Ivano Staccioli, Margaret Taylor, Mara Lane. 96 min. 4. Spartacus USA 1960. Regie: Stanley Kubrick. Darsteller: Kirk Douglas, Laurence Olivier, Jean Simmons, Charles Laughton, Peter Ustinov, John Gavin, Nina Foch, John Ireland. 184 min.
5. Julius Caesar D / USA / I / NL 2002. Regie: Uli Edel. Darsteller: Jeremy Sisto, Richard Harris, Chris North, Christopher Walken, Tobias Moretti, Heino Ferch. 175 min. 6. Cleopatra UK / USA 1963. Regie: Joseph L. Mankiewicz. Darsteller: Elizabeth Taylor, Richard Burton, Rex Harrison, Pamela Brown, George Cole, Martin Landau, Kenneth Haigh. 233 min.
Das aufwändige Schlachtengemälde setzt das Leben, die Eroberungszüge und den frühen Tod des Makedonenkönigs gekonnt in Szene. Es handelt sich um einen spektakulären historischen Ausstattungsfilm mit zahlreichen darstellerischen Höhepunkten. Oliver Stones Filmbiografie des Makedonenkönigs bemüht sich um ein differenziertes Bild von Alexander dem Großen, der als rücksichtsloser Machtmensch wie als großartiger Visionär erscheint. Der Film hat eindrucksvolle Momente, doch werden ihm Inkonsequenzen in der Charakterisierung der Figuren und Schwächen in der Inszenierung vorgeworfen. Der Historienfilm widmet sich dem von den Makkabäern getragenen jüdischen Aufstand gegen die syrische Besatzungsmacht und stellt den Religionskampf unter Antiochos IV. in den Vordergrund. Der Film zeichnet die Geschichte des Aufstandes unter dem thrakischen Gladiator und Sklaven Spartacus in freiem Umgang mit den historischen Tatsachen nach. Mit ihrer außergewöhnlichen Bildgestaltung der Massenszenen und der kämpferischen Auseinandersetzungen vermittelt die Freiheitskämpfer-Saga ein zuweilen melodramatisches, doch eindrucksvolles Bild der Sklavenrevolte und ihrer sozialen Ursachen. Der Regisseur schuf eine hochkarätig besetzte, detailreich ausgestattete und anspruchsvoll produzierte, zuweilen aber etwas langatmige Monumentalverfilmung, die das Leben einer der schillerndsten Persönlichkeiten der Antike aufbereitet und neben den politischen Entwicklungen auch die persönlichen Tragödien der Protagonisten in den Blick nimmt. Unter den zahlreichen Verfilmungen des Lebens der ägyptischen Königin nimmt diese mit vier Oscars prämierte Hollywoodproduktion eine Ausnahmestellung ein. Elizabeth Taylor, die hier in ihrer ersten gemeinsamen Rolle mit Richard Burton (als Marcus Antonius) zu sehen ist, wurde zur modernen Verkörperung der Kleopatra schlechthin.
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Anhang 7. Ben Hur USA 1959. Regie: William Wyler. Darsteller: Charlton Heston, Stephen Boyd, Jack Hawkins, Haya Harareet, Hugh Griffith, Martha Scott, Frank Thring . 212 min.
8. Leben des Brian (Monty Python’s Life of Brian) GB 1979. Regie: Terry Jones. Darsteller: Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin, Kenneth Colle. 94 min.
9. König der Könige (King of Kings) USA 1961. Regie: Nicholas Ray. Darsteller: Jeffrey Hunter, Harry Guardino, Siobhan McKenna, Robert Ryan. 154 min.
10. Das 1. Evangelium Matthäus (Il Vangelo secondo Matteo) I 1964. Regie: Pier Paolo Pasolini. Darsteller: Enrique Irazoqui, Susanna Pasolini, Margherita Caruso. 129 min.
11. Die größte Geschichte aller Zeiten (The Greatest Story ever Told) USA 1965. Regie: George Stevens. Darsteller: Max von Sydow, Michael Anderson Jr., Carroll Baker, Ina Balin, Pat Boone, Charlton Heston, Martin Landau, David McCallum. 199 min.
Der auf dem gleichnamigen Roman von Lewis Wallace beruhende Monumentalfilm erzählt die fiktive Geschichte des Jerusalemer Kaufmannssohnes Judah Ben Hur, der wegen eines angeblichen Anschlages auf den römischen Statthalter von seinem Freund Messala verhaftet und zu lebenslangem Sklavendienst auf einer römischen Galeere verurteilt wird. Als Dank dafür, dass er dem Befehlshaber der Flotte bei einer Seeschlacht das Leben rettet, gelangt Ben Hur nach Rom und erhält von Kaiser Tiberius die Freiheit zurück. Ohne Zweifel der Höhepunkt des Films ist das legendäre Wagenrennen, in dem Ben Hur sich mit seinem Erzfeind Messala einen Kampf auf Leben und Tod liefert. Respektlos und an der Grenze des guten Geschmacks wird das Leben eines Zeitgenossen Jesu in Szene gesetzt, der von einer wilden Anhängerschar zum Messias gemacht wird. Dabei bleibt niemand ungeschoren: Die ungebildeten jüdischen Volksmassen laufen blindlings jedem vermeintlichen Messias nach; die römischen Besatzungstruppen begegnen als imperiale Witzfiguren und Pontius Pilatus wird mit seinem Sprachfehler der völligen Lächerlichkeit preisgegeben, während die untereinander heillos zerstrittenen jüdischen Freiheitskämpfer als absolute Wirrköpfe erscheinen. Das Monumentalwerk gilt bis heute als eine der gelungensten Verfilmungen biblischer Geschichte. Das Thema der römischen Fremdherrschaft zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film, der mit der Eroberung Palästinas durch Pompeius einsetzt. Barabbas wird als militanter Widerstandskämpfer porträtiert. Judas Iskarioth begegnet als Sympathisant der Aufstandsbewegung, der Jesus durch seinen Verrat zwingen will, die Engelmächte zum Beistand im Kampf gegen die Besatzungsmacht herabzurufen. Nicolas Ray geht es vor allem darum, dem Publikum Jesus als Prediger von Frieden und Gewaltlosigkeit nahe zu bringen, der in scharfem Gegensatz zur Haltung der Zeloten ein unpolitisches Evangelium der reinen Innerlichkeit verkündet. Das Werk stellt das Leben Jesu in enger Anlehnung an das Matthäusevangelium dar und beeindruckt durch seine schlichte Inszenierung. Der mit Laiendarstellern in Bergdörfern und verödeten Landschaften Süditaliens gedrehte Schwarz-Weiß-Film rückt die sozialen Gegensätze in der Lebenswelt Jesu in den Mittelpunkt und ist durch eine Parteinahme für das einfache Volk gegenüber den Reichen und Herrschenden gekennzeichnet. Das unverkennbar dem amerikanischen Frömmigkeitsgeschmack verpflichtete Werk strahlt eine bedächtige Feierlichkeit aus und lässt betont den Herrlichkeitsanspruch Jesu Christi durchscheinen. Jesus wird in den Farben volkstümlicher Heiligenmalerei gezeichnet und erscheint stets im makellosen Gewand. Der Eindruck der Feierlichkeit und Würde wird durch imposante Landschaftsaufnahmen aus den Canons im US-Bundesstaat Utah verstärkt, was die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» nach der Premiere des Films zu einer Rezension mit dem Titel «Jesus im Wilden Westen» inspirierte.
Neutestamentliche Zeitgeschichte im Film 12. Jesus Christ Superstar (1973) USA 1973. Regie: Norman Jewison. Darsteller: Ted Neeley, Carl Anderson, Yvonne Elliman, Barry Dennen, Bob Bingham, Larry Marshall, Richard Orbach, Paul Thomas. 108 min.
13. Die Passion Christi (The Passion of Christ) USA 2004. Regie: Mel Gibson. Darsteller: James Caviezel, Maia Morgenstern, Christo Jivkov, Francesco De Vito, Monica Bellucci, Mattia Sbragia, Toni Bertorelli, Luca Lionello, Hristo Shopov, Claudia Gerini. 127 min.
14. Das Gewand (The Robe) USA 1953. Regie: Henry Koster. Darsteller: Richard Burton, Jean Simmons, Victor Mature, Michael Rennie, Richard Boone, Jeff Morrow. 135 min.
15. Paulus I / D / CZ 2000. Regie: Roger Young. Darsteller: Johannes Brandrup, Franco Nero, Thomas Lockyer. 173 Min.
Der Akzent des 1971 im Londoner West End erstmals auf die Bühne gebrachten Musicals, das dem Duo Tim Rice und Andrew Lloyd Webber Weltruhm bescherte, liegt auf dem politischen Spannungsverhältnis, in das Jesus durch den Erfolg seiner Predigt bei den breiten Volksmassen gerät. Judas wird als tragische Figur interpretiert, der auf eine sozialrevolutionäre Kraft der Lehre Jesu vertraut hatte, aus Enttäuschung Verrat begeht und von seiner Verzweiflung in den Selbstmord getrieben wird. Die Verfilmung des Musicals, die in der Negev-Wüste entstand, führt nicht nur in das neutestamentliche Zeitalter hinein, sondern ist auch ein aufschlussreiches Dokument der Jugendkultur der frühen 1970er Jahre. Knapp dreißig Jahre später kam unter der Regie von Nick Morris eine von Hippies und Blumenkindern entstaubte Neuverfilmung auf den Markt, die mit ihrer Inszenierung das Stück dem Zeitgeist des Jahres 2000 anpasst. Der Film schildert den letzten Abschnitt im Leben Jesu von Nazareth und steht in der Tradition der volkstümlichen Passionsdarstellungen. Mel Gibson erhebt den Anspruch, den Prozess und die Hinrichtung Jesu Christi so zu erzählen, wie sie wirklich waren. Die ausschließliche Verwendung lateinischer, aramäischer und hebräischer Sprache, die nur durch Untertitel übersetzt wird, soll den Eindruck der Authentizität verstärken. In Wirklichkeit wird das Bild von Pontius Pilatus deutlich beschönigt und damit die Schuld der Juden am Tod Jesu ungleich stärker hervorgehoben, als es den Tatsachen entspricht. Dies zog vor allem von Seiten jüdischer Verbände in den USA den Vorwurf einer verzerrten und von Antisemitismus geprägten Darstellung der Passionsereignisse nach sich. Zudem löste der Film durch seine sichtliche Freude am detaillierten Ausmalen blutiger Gewaltszenen heftige Kontroversen aus. Mit imposanten Massenszenen und Spezialeffekten wird die fiktive Geschichte des Totengewands Jesu erzählt. Bereits seit frühester Kindheit war die schöne Diana dem Tribun Marcellus Galleo versprochen, fühlt sich nun aber zum späteren Kaiser Caligula hingezogen. Dieser lässt den lästigen Nebenbuhler kurzerhand nach Palästina versetzen. Dort erwürfelt Marcellus Galleo nach der Kreuzigung das Gewand Jesu, verliert seinen Seelenfrieden und wird schließlich von Petrus zum Christentum bekehrt. Als Fortsetzung entstand 1954 der Film «Die Gladiatoren» mit effektvoller Inszenierung grausamer Gladiatorenkämpfe. Im Gegensatz zu Jesus hat Paulus auffallend geringes Interesse bei den Filmemachern gefunden. Eine Ausnahme stellt dieser zweiteilige Spielfilm aus der Reihe der sogenannten «Kirch-Bibel» dar, der den Lebensweg des Apostels in seinen entscheidenden Etappen nachzeichnet. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf der vorchristlichen Vergangenheit und der Frühzeit des Apostels, während die späteren Missionsreisen und das Ende des Paulus nur in sehr geraffter Form in das Blickfeld kommen.
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Anhang 16. Caligula I / USA 1979. Regie: Tinto Brass. Darsteller: Malcolm McDowell, John Steiner, Teresa Ann Savoy, Peter O’Toole, Helen Mirren, John Gielgud. 150 Min. 17. Quo Vadis USA 1951. Regie: Mervyn LeRoy. Darsteller: Peter Ustinov, Leo Genn, Deborah Kerr, Robert Taylor, Finlay Currie, Nora Swinburne. 171 min.
18. Die letzten Tage von Pompeji (Gli ultimi giorni di Pompei) I 1959. Regie: Sergio Leone, Mario Bonnard. Darsteller: Steve Reeves, Christine Kaufmann, Barbara Carroll, Fernando Rey. 93 min.
19. Die letzten Stunden von Pompeji (Anno 79 – La distruzione di Ercolano) I / F 1962. Regie: Gianfranco Parolini. Darsteller: Mara Lane, Susan Paget, Jacques Berthier, Brad Harris, Philippe Hersent. 88 min.
20. Masada USA 1981. Regie: Boris Sagal. Darsteller: Peter O’Toole, Peter Strauss, Barbara Carrera, Anthony Quayle, David Warner, David A. Block. 116 min.
Der wegen seiner Aneinanderreihung von Sex- und Gewaltszenen scharf kritisierte Film widmet sich in reißerischer Form den angeblichen Grausamkeiten und Ausschweifungen des römischen Kaisers Caligula. Die auf dem mit dem Nobelpreis gekrönten Roman von Hendryk Sienkiewicz basierende Handlung dieses absoluten Klassikers der Filmgeschichte führt direkt in die Zeit der Christenverfolgungen unter Nero hinein. Der römische Kommandant Marcus Vinicius hat sich in die in Rom als Sklavin lebende Königstochter Lydia verliebt und findet durch sie Zugang zum christlichen Glauben. Nach dem Brand Roms muss er für seine Liebe büßen. Neros eifersüchtige Ehefrau Poppäa sorgt dafür, dass er zusammen mit anderen Christen in der Arena den Löwen zum Fraß vorgeworfen wird. In der Rolle des wahnsinnigen Imperators Nero brilliert Peter Ustinov. Der Historienfilm mit seiner frei erfundenen Handlung spielt unmittelbar vor Ausbruch des Vesuvs. Maskierte Räuber überfallen die Häuser reicher Bürger Pompejis, ermorden die Bewohner und hinterlassen ein Kreuzeszeichen an der Wand, um den Verdacht auf die Christen zu lenken. In Wirklichkeit sind Arbaces, Priester am Isistempel von Pompeji, und die Ägypterin Julia die Drahtzieher. Der Römer Glaucus, dessen Liebesgeschichte mit der Christin Helena im Mittelpunkt des Filmes steht, findet die Wahrheit heraus, ist aber mit den Christen in der Arena dem Tod geweiht. Währenddessen bewegt sich nach dem Ausbruch des Vesuvs die glühende, alles verzehrende Lava unaufhaltsam auf Pompeji zu. In dem wenig geschichtstreuen Spektakel wird eine den Christen zur Last gelegte Verschwörung gegen Kaiser Titus mit dem Untergang von Pompeji und Herculaneum in Verbindung gebracht. Der siegreiche Feldherr Marcus Tiberius warnt Titus vor den Umsturzplänen seines Beraters Tertius, doch der Kaiser schenkt ihm keinen Glauben. Stattdessen sendet er ihn nach Pompeji, um die Christen als die vermeintlich wahren Feinde des römischen Reiches zu vernichten. Marcus Tiberius schlägt sich auf die Seite der Gladiatoren, um gemeinsam mit ihnen gegen Tertius zu kämpfen, während die Naturkatastrophe des Vulkanausbruchs ihren Lauf nimmt. Der auf einem Roman von Ernest K. Gann basierende Film erzählt davon, wie die von den jüdischen Aufständischen besetzte und als uneinnehmbar geltende Festung Masada am Toten Meer nach ungefähr dreijähriger Belagerung von dem römischen Befehlshaber Flavius Silva erobert wird. Das Werk ist ein auf Kinolänge gekürzter Zusammenschnitt einer ursprünglich achtstündigen Fernsehserie.
Literatur
Literatur Abkürzungen für Reihen, Zeitschriften, Sammelwerke und antike Schriften richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie von S. M. Schwertner, Berlin/New York 21994. Die in den Quellenverweisen zu den einzelnen Kapiteln genannten Kürzel „KIPPENBERG /WEWERS“, „LEIPOLDT/GRUNDMANN“ und „SCHRÖTER /ZANGENBERG“ beziehen sich auf die nachfolgend angeführten Quellensammlungen. 1. QUELLEN
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d) Sozialgeschichtliche Untersuchungen zum neutestamentlichen Zeitalter BLANCK, H., Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, Darmstadt 21996. BLEICKEN, J., Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches, 2 Bde., UTB 838/839, Paderborn 31993. FIENSY, D. A., The Social History of Palestine in the Herodian Period, Lewiston 1991. KIPPENBERG, H. G., Religion und Klassenbildung im antiken Judäa, SUNT 14, Göttingen 21982. KLOFT, H., Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt, Darmstadt 1992. ROSTOVTZEFF, M., Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, 3 Bde., Darmstadt 1998 (Reprint). STAMBAUGH, J. E./BALCH, D. L., Das soziale Umfeld des Neuen Testaments, GNT 9, Göttingen 1992. STEGEMANN, E. W./STEGEMANN, W., Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 21997. S TENGER , W., „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist …!“ Eine sozialgeschichtliche Untersuchung zur Besteuerung Palästinas in neutestamentlicher Zeit, BBB 68, Frankfurt a.M. 1988. e) Religiöse Umwelt des Neuen Testaments BURKERT, W., Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, RM 15, Stuttgart 1977. KLAUCK, H.-J., Die religiöse Umwelt des Urchristentums, 2 Bde., KStTh 9,1–2, Stuttgart 1995/1996. LATTE, K., Römische Religionsgeschichte, HAW V/4, München 21967. NILSSON, M. P., Geschichte der griechischen Religion, 2 Bde., HAW V/2,1–2, München 31967/41988. RÜPKE, J., Die Religion der Römer, München 2001. f) Hellenistische und römische Philosophie ERLER, M./GRAESER, A. (Hrsg.), Philosophen des Altertums, 2 Bde., Darmstadt 2000. FLASHAR, H. (Hrsg.), Die Philosophie der Antike 4. Die hellenistische Philosophie, 2 Bde., Basel 1994. LONG, A. A./SEDLEY, D. N., Die hellenistischen Philosophen. Texte und Kommentare, Stuttgart/Weimar 2000. MAURACH, G., Geschichte der römischen Philosophie, Darmstadt 1989. R IES , W., Die Philosophie der Antike, Darmstadt 2005. SCHUPP, F., Geschichte der Philosophie im Überblick. Bd. 1 Antike, Hamburg 2003.
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Anhang 3. SPEZIALLITERATUR ZU DEN EINZELNEN KAPITELN 1. Einleitung 1.2 Die wichtigsten literarischen Quellen B ILDE , P., Flavius Josephus between Jerusalem and Rome. His Life, Works and their Importance, JSPE.S 2, Sheffield 1988. BORGEN, P., Philo of Alexandria. An Exegete for his Time, NT.S 86, Leiden 1997. FLACH, D., Römische Geschichtsschreibung, Darmstadt 31998. LENDLE, O., Einführung in die griechische Geschichtsschreibung. Von Hekataios bis Zosimos, Darmstadt 1992. M ASON , S., Flavius Josephus und das Neue Testament, UTB 2130, Tübingen/Basel 2000. MEHL, A., Römische Geschichtsschreibung. Grundlagen und Entwicklungen, Stuttgart 2001. MEISTER, K., Die griechische Geschichtsschreibung. Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus, Stuttgart 1990. SANDMEL, S., Philo of Alexandria. An Introduction, New York 1979. SHOTTER, D. C. A., Tacitus’ View of Emperors and the Principate, ANRW II.33.5 (1991), 3263–3331. 1.3 Nichtliterarische Zeugnisse (Papyri, Inschriften, Münzen, materielle Überreste) ALFÖLDI, M. R., Antike Numismatik, 2 Bde., Mainz 1978. ALKIER, S./ZANGENBERG, J. (Hrsg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments, TANZ 42, Tübingen 2003. BURNETT, A., u. a., Roman Provincial Coinage, 2 vols., London/Paris 1992–1999. COTTON, H. M./COCKLE, W. E. H./MILLAR, F. G. B., The Papyrology of the Roman Near East: A Survey, JRS 85 (1995), 214–235. E CK , W., Die Inschriften Iudäas im 1. und frühen 2. Jh. als Zeugnisse der römischen Herrschaft, in: LABAHN, M./ZANGENBERG, J. (Hrsg.), Zwischen den Reichen. Neues Testament und Römische Herrschaft, TANZ 36, Tübingen 2002, 29–50. FREVEL, C. (Hrsg.), Medien im antiken Palästina. Materielle Kommunikation und Medialität als Thema der Palästinaarchäologie, FAT II/10, Tübingen 2005. KEEL, O./KÜCHLER, M./UEHLINGER, C., Orte und Landschaften der Bibel, 2 Bde., Göttingen 1984/ 1982. LEIPOLDT, J./GRUNDMANN, W., Umwelt des Urchristen-
tums Bd. 3. Bilder zum neutestamentlichen Zeitalter, Berlin 61982. PILHOFER, P./WITULSKI, T., Archäologie und Neues Testament: Von der Palästinawissenschaft zur lokalgeschichtlichen Methode, in: ALKIER, S./BRUCKER, R. (Hrsg.), Exegese und Methodendiskussion, TANZ 23, Tübingen 1998, 237–255. REISER, M., Numismatik und Neues Testament, Bibl. 81 (2000), 457–488. RUPPRECHT, H.-A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, Darmstadt 1994. SCHMIDT, M. G., Einführung in die lateinische Epigraphik, Darmstadt 2004. STERN, E. (ed.), The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, 4 vols., Jerusalem 1993. V IEWEGER , Archäologie der biblischen Welt, UTB 2394, Göttingen 2003. ZWICKEL, W., Einführung in die biblische Landes- und Altertumskunde, Darmstadt 2002. 2. Palästina unter hellenistischer Herrschaft (333–142 v. Chr.) 2.1 Alexander der Große und der Siegeszug des Hellenismus Quellen: DIODORUS SICULUS, Bibliotheca XVII; PLUTAlexander 1–77; ARRIAN, Anabasis I–VII; JOSEPHUS , Antiquitates 11,304–347; A NONYMUS B YZAN TINUS, Vita Alexandri 20,2–5; 24,2; 39,4–6 (Alexander als Bekenner des jüdischen Gottesglaubens). ARCH,
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1–13; 2Makkabäer 4–15; JOSEPHUS, De bello Judaico 1,31–49; J OSEPHUS , Antiquitates 12,129–13,212; APPIAN, Syriaca 45–49. B AR -K OCHVA , B., Judas Maccabaeus. The Jewish Struggle against the Seleucids, Cambridge 1989. BAUMGARTEN, A. I., The Flourishing of Jewish Sects in the Maccabean Era: An Interpretation, SJStJ 55, Leiden 1997. BICKERMANN, E., Der Gott der Makkabäer. Untersuchungen über Sinn und Ursprung der makkabäischen Erhebung, Berlin 1937. BREYTENBACH, C., Zeus und Jupiter auf dem Zion und dem Berg Garizim, JSJ 28 (1997), 369–380. BRINGMANN, K., Hellenistische Reform und Religionsverfolgung in Judäa, Göttingen 1983. DAVIES, P., Hasidim in the Maccabean Period, JJS 28 (1977), 127–140. HAAG, E., Die Hasidäer und das Danielbuch, TThZ 102 (1993), 51–63. HENGEL, M., Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh. v. Chr., WUNT 10, Tübingen 1969, 464–564. KEEL, O./STAUB, U., Hellenismus und Judentum. Vier Studien zu Daniel 7 und zur Religionsnot unter Antiochus IV., OBO 178, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 2000. MILLAR. F., The Background to the Maccabean Revolution, JJS 29 (1978), 1–21. TIMPE, D., Der römische Vertrag mit den Juden von 161 v. Chr., Chiron 4 (1974), 133–152. Exkurs: Die Essener, die Qumransiedlung und die Schriftrollen vom Toten Meer Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 512–522.538–567; P HI LO , Quod omnis probus liber sit 75–91; Hypothetica 11,1–18; P LINIUS , Historia naturalis 5,73; J OSEPHUS , De bello Judaico 2,119–161; J OSEPHUS , Antiquitates 18,18–22. CALLAWAY, P. R., The History of the Qumran Community, JSPE.S 3, Sheffield 1988. GALOR, K./HUMBERT, J.-B./ZANGENBERG, J., The Site of the Dead Sea Scrolls: Archaeological Interpretations and Debates, STDJ 57, Leiden 2006. STEGEMANN, H., Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus, Herder Spektrum 4128, Freiburg 10 2007. V ANDER K AM , J. C., Einführung in die Qumranforschung. Geschichte und Bedeutung der Schriften vom Toten Meer, UTB 1998, Göttingen 1998. ZANGENBERG, J., Qumran und Archäologie. Überlegungen zu einer umstrittenen Ortslage, in: ALKIER, S./Z ANGENBERG , J. (Hrsg.), Zeichen aus Text und Stein, TANZ 42, Tübingen 2003, 262–306.
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Anhang 3. Das Hasmonäerreich (142–63 v.Chr.) 3.1 Hasmonäische Priesterfürsten (142–105 v.Chr.) Quellen: K IPPENBERG /W EWERS 26–27; 1Makkabäer 13–16; J OSEPHUS , De bello Judaico 1,50–69; J O SE PHUS, Antiquitates 13,213–300. C ARDAUNS , B., Juden und Spartaner, Hermes 95 (1967), 317–324. EFRON, J., Studies on the Hasmonean Period, StJLA 39, Leiden 1987. FISCHER, T., Rom und die Hasmonäer. Ein Überblick zu den politischen Beziehungen 164–37 v. Chr., Gymnasium 88 (1981), 139–150. SCHENKER, A., Die zweimalige Einsetzung Simons des Makkabäers zum Hohenpriester, in: DERS., Recht und Kult im Alten Testament, OBO 172, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 2000, 158–169. Exkurs: Pharisäer und Sadduzäer Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 509–512; JOSEPHUS, De bello Judaico 1,110–112; 2,162–166; JOSEPHUS, Antiquitates 13,171–173.293–298; 17,41–44; 18,12–17; Markus 7,1–23; 12,18–27.
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DEINES, R., Die Pharisäer. Ihr Verständnis im Spiegel der christlichen und jüdischen Forschung seit Wellhausen und Graetz, WUNT 101, Tübingen 1997. NEUSNER, J., The Rabbinic Traditions about the Pharisees before 70, 3 vols., Leiden 1971. SALDARINI, A. J., Pharisees, Scribes and Sadducees in Palestinian Society. A Sociological Approach, Grand Rapids/Cambridge 2001 (Reprint). S CHÄFER , P., Der vorrabbinische Pharisäismus, in: HENGEL, M./HECKEL, U. (Hrsg.), Paulus und das antike Judentum, WUNT 58, Tübingen 1991, 125– 172. STEMBERGER, G., Pharisäer, Sadduzäer, Essener, SBS 144, Stuttgart 1991. WEISS, H.-F., Pharisäer, TRE 26 (1996), 473–485. DERS., Sadduzäer, TRE 29 (1998), 589–594.
Quellen: K IPPENBERG /W EWERS 31–32; J OSEPHUS , De bello Judaico 1,131–158; J OSEPHUS , Antiquitates 14,34–79; APPIAN, Syriaca 50–51; PLUTARCH, Pompeius 39.
3.2 Das Königtum der Hasmonäer (104–63 v.Chr.)
Quellen: K IPPENBERG /W EWERS 32–38; J OSEPHUS , De bello Judaico 1,159–357; J OSEPHUS , Antiquitates 14,80–491; PLUTARCH, Caesar 48–50.
Quellen: K IPPENBERG /W EWERS 28–31; J OSEPHUS , De bello Judaico 1,70–130; JOSEPHUS, Antiquitates 13, 301–14,33. BALTRUSCH, E., Königin Salome Alexandra (76–67 v. Chr.) und die Verfassung des hasmonäischen Staates, Historia 50 (2001), 163–179. EYAL, R., The Hasmoneans. Ideology, Archaeology, Identity, Göttingen 2013.
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C ANFORA , L., Caesar. Der demokratische Diktator, München 2001, 192–219. HÖLBL, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, Darmstadt 1994, 201–214. S CHALIT , A., König Herodes. Der Mann und sein Werk, Berlin/New York 22001, 25–52.
Literatur 4.3 Das Königtum Herodes’ des Großen (37–4 v.Chr.) Quellen: K IPPENBERG / W EWERS 38–46; L EIPOLDT GRUNDMANN II 116–122; SCHRÖTER/ZANGENBERG 54– 63; JOSEPHUS, De bello Judaico 1,358–673; JOSEPHUS, Antiquitates 15,1–17,199. BALTRUSCH, E., Herodes – König im Heiligen Land, München 2012. CLAUSS, M., Kleopatra, München 22000. GÜNTHER, L. M., Herodes der Große, Darmstadt 2005. H EILIGENTHAL , R., Herodes der Große – Wohltäter oder Tyrann?, in: VON DOBBELER, A. u. a. (Hrsg.), Religionsgeschichte des Neuen Testaments (FS K. Berger), Tübingen 2000, 137–148. JAPP, S., Die Baupolitik Herodes’ des Großen, Rahden 2000. KOKKINOS, N., The Herodian Dynasty. Origins, Role in Society and Eclipse, JSPE.S 30, Sheffield 1998. LICHTENBERGER, A., Die Baupolitik Herodes des Großen, ADPV 26, Wiesbaden 1999. NETZER, E., Die Paläste der Hasmonäer und Herodes’ des Großen, Mainz 1999. ROCCA, S., Herod’s Judaea, TSAJ 122, Tübingen 2008. SCHÄFER, C., Kleopatra, Darmstadt 2006. S CHALIT , A., König Herodes. Der Mann und sein Werk, Berlin/New York 22001. V OGEL , M., Herodes. König der Juden, Freund der Römer, BG 5, Leipzig 2002. Exkurs: Kaiser Augustus und das System des Prinzipats Quellen: S CHRÖTER /Z ANGENBERG 10–22; L EIPOLDT GRUNDMANN II 105–113; SUETON, Augustus 1–101. AUSBÜTTEL, F. M., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches von der Herrschaft des Augustus bis zum Niedergang des Weströmischen Reiches, Darmstadt 1998. BLEICKEN, J., Augustus. Eine Biographie, Berlin 31999. B RINGMANN , K./S CHÄFER , T., Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, Berlin 2002. ECK, W., Augustus und seine Zeit, München 1998. KIENAST, D., Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt 31999. MEYER, E., Römischer Staat und Staatsgedanke, Zürich/München 41975. S CHLANGE -S CHÖNINGEN , H., Augustus, Darmstadt 2005. Exkurs: Der Herodianische Tempel Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 455–472; JOSEPHUS, De bello Judaico 5,184–237; JOSEPHUS, Antiquitates
15,380–425; Mischna Shekalim (Schekelsteuer) I–VIII; Mischna Tamid (Brandopfer) I–VII; Mischna Middot (Maße [des Tempels]) I–V. ADNA, J., Jerusalemer Tempel und Tempelmarkt im 1. Jahrhundert n. Chr., ADPV 25, Wiesbaden 1999. BAHAT, D., The Herodian Temple, CHJud 3 (1999), 38–58. BUSINK, T. A., Der Tempel von Jerusalem von Salomo bis Herodes, 2 Bde., Leiden, 1970/1980. FASSBECK, G., „Unermesslicher Aufwand und unübertreffliche Pracht“ (bell 1,401). Von Nutzen und Frommen des Tempelneubaus unter Herodes dem Großen, in: ALKIER, S./ZANGENBERG, J. (Hrsg.), Zeichen aus Text und Stein, TANZ 42, Tübingen 2003, 222–249. GUSSMANN, O., Das Priesterverständnis des Flavius Josephus, TSAJ 124, Tübingen 2008. 5. Die Zeit nach Herodes bis zum Jüdischen Krieg (4 v. Chr.–66 n. Chr.) 5.1 Judäa unter Archelaos und der Herrschaft römischer Statthalter Quellen: KIPPENBERG /W EWERS 48–50; J OSEPHUS , De bello Judaico 2,1–177; J OSEPHUS , Antiquitates 17, 200–18,95; Markus 15,1–47parr. ALFÖLDY, G., Pilatus und das Tiberieum von Caesarea Maritima, SCI 18 (1999), 85–108. B OND , H.K., The Coins of Pontius Pilate, JSJ 27 (1996), 241–262. B ROSHI , M., Ptolas and the Archelaus Massacre (4Q468g), JJS 49 (1998), 341–345. DEMANDT, A., Hände in Unschuld. Pontius Pilatus in der Geschichte, Köln u.a. 1999. HEILIGENTHAL, R.,/VON DOBBELER, A., Menschen um Jesus. Lebensbilder aus neutestamentlicher Zeit, Darmstadt 2001, 31–39. MÄRTIN, R.-P., Pontius Pilatus – Römer, Ritter, Richter, Frankfurt a. M. 2012. METZNER, R., Kaiphas der Hohepriester jenen Jahres, Leiden 2010. ROSEN, K., Jesu Geburtsdatum, der Census des Quirinius und eine jüdische Steuererklärung aus dem Jahr 127nC., JbAC 38 (1995), 5–15. SÄNGER, D., „Auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes“ (Iosephus ant. Iud. XVIII 64). Zur Frage einer jüdischen Beteiligung an der Kreuzigung Jesu, in: MELL, U./MÜLLER, U. B. (Hrsg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker), BZNW 100, Berlin/New York 1999, 1–25.
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Anhang Exkurs: Die Zeloten Quellen: KIPPENBERG /WEWERS 48–49.56–64; SCHRÖTER/ZANGENBERG 531–538; JOSEPHUS, De bello Judaico 2,117–118; JOSEPHUS, Antiquitates 18,1–9.23–25.
Greek Hostilities in Alexandria during the Reign of Emperor Caligula, JSJ 21 (1990), 227–235. WINTERLING, A., Caligula. Eine Biographie, München 2003.
DEINES, R., Zeloten, TRE 36 (2004), 626–630. HENGEL, M., Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n.Chr., WUNT 281, Tübingen 32011. HORSLEY, R. A./HANSON, J. S., Bandits, Prophets, and Messiahs. Popular Movements at the Time of Jesus, Minneapolis 1985.
5.4 Kaiser Claudius und seine Religionspolitik
5.2 Die Tetrarchien des Herodes Antipas und Philippos Quellen: J OSEPHUS , De bello Judaico 2,167–168. 181–183; JOSEPHUS, Antiquitates 18,27–28.36–38. 101–129.240–256; Markus 6,14–29. HOEHNER, H. W., Herod Antipas, MSSNTS 17, Cambridge 1972. J ENSEN , M. H., Herod Antipas in Galilee, WUNT II/215, Tübingen 22010. THEISSEN, G., Das „schwankende Rohr“ in Mt 11,7 und die Gründungsmünzen von Tiberias, in: DERS., Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien, NTOA 8, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1989, 26–44. 5.3 Die Caligulakrise Quellen: LEIPOLDT-GRUNDMANN II 300–307; JOSEPHUS, De bello Judaico 2,184–203; JOSEPHUS, Antiquitates 18,257–309; 19,1–161.201–211; PHILO, In Flaccum 1–191; Legatio ad Gaium 349–367; SUETON, Caligula 1–60; MALALAS, Chron. 17–21; CASSIUS DIO 59. AMELING, W., ‚Market-place’ und Gewalt. Die Juden in Alexandrien 38 n. Chr., Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft NF 27 (2003), 71–123. BERGMANN, W./HOFFMANN, C., Kalkül oder „Massenwahn“? Eine soziologische Interpretation der antijüdischen Unruhen in Alexandria 38 n. Chr., in: ERB, R./SCHMIDT, M. (Hrsg.), Antisemitismus und jüdische Geschichte (FS A. Strauss), Berlin 1987, 15–46. B ILDE , P., The Roman Emperor Gaius (Caligula)’s Attempt to Erect his Statue in the Temple of Jerusalem, STh 32 (1978), 67–93. KUSHNIR-STEIN, A., On the Visit of Agrippa I to Alexandria in AD 38, JJS 51 (2000), 227–242. PFEIFFER, S., Die Juden Alexandriens und ihr Agon um Zugehörigkeit. Der Konflikt der Jahre 38–41 n.Chr., in: GESTRICH, A. / RAPHAEL, L. (Hrsg .), Inklusion – Exklusion, Frankfurt a.M. 2004, 113–134. PUCCI BEN ZEEV, M., New Perspectives on the Jewish-
Quellen: LEIPOLDT-GRUNDMANN II 250–253; JOSEPHUS, De bello Judaico 2,204–217; JOSEPHUS, Antiquitates 19, 212–292; SUETON, Claudius 1–46; CASSIUS DIO 60.6,6; OROSIUS VII.6,15; TACITUS, Annales 11,1–12,69. BOTERMANN, H., Das Judenedikt des Kaisers Claudius. Römischer Staat und Christiani im 1. Jahrhundert, Hermes E. 71, Stuttgart 1996. ALVAREZ CINEIRA, D., Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission, HBS 19, Freiburg 1999. RIESNER, R., Die Frühzeit des Apostels Paulus. Studien zur Chronologie, Missionsstrategie und Theologie, WUNT 71, Tübingen 1994, 79–95.139–189. 5.5 Das Königreich von Agrippa I. (41–44 n. Chr.) Quellen: JOSEPHUS, De bello Judaico 2,178–219; JOSEPHUS, Antiquitates 18,126–239; 19,274–359; PHILO, In Flaccum 25–39; Apg 12. S CHENKE , L., Die Urgemeinde. Geschichtliche und theologische Entwicklung, Stuttgart 1990, 248–260. SCHWARTZ, D. R., Agrippa I. The Last King of Judaea, TSAJ 23, Tübingen 1990. THEISSEN, G., Die Verfolgung unter Agrippa I. und die Autoritätsstruktur der Jerusalemer Gemeinde, in: MELL, U./MÜLLER, U. B. (Hrsg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker), BZNW 100, Berlin/New York 1999, 263–289. 5.6 Judäa vom Tod Agrippas I. bis zum Vorabend des Jüdischen Krieges Quellen: JOSEPHUS, De bello Judaico 2,220–283; JOAntiquitates 19,360–20,268; Apg 21–26.
SEPHUS,
BARNETT, P. W., The Jewish Sign Prophets – A. D. 40– 70: Their Intentions and Origin, NTS 27 (1981), 679–697. GRAY, R., Prophetic Figures in Late Second Temple Jewish Palestine. The Evidence from Josephus, New York/Oxford 1993, 112–144. 5.7 Nero und die Christenverfolgung in Rom Quellen: TACITUS, Annales 15,38–44; Schröter/Zangenberg 29–34; S UETON, Nero 1–57; Sibyllinen IV,119– 122.137–148; V,93–110.137–154.361–385.
Literatur FUHRMANN, M., Seneca und Kaiser Nero, Darmstadt 1998. HEID, S. (Hg.), Petrus und Paulus in Rom, Freiburg 2011. KERESZTES, P., The Imperial Roman Government and the Christian Church. I. From Nero to the Severi, ANRW II.23.1 (1979), 247–315. 6. Vom Jüdischen Krieg bis zum Bar-Kochba-Aufstand 6.1 Der Jüdische Krieg (66–70 n.Chr.) Quellen: KIPPENBERG /WEWERS 57–64; LEIPOLDT-GRUNDMANN II 124–130; S CHRÖTER /Z ANGENBERG 71–92; JOSEPHUS, De bello Judaico 2,284–7,455; JOSEPHUS, Vita 17–421; T ACITUS , Historiae 5.1–13; S UETON , Vespasian 4–8; Titus 4–5; CASSIUS DIO 65.4–7; SULPICIUS SEVERUS, Chron. 2.30. BERLIN, A. M./OVERMAN, J. A., The First Jewish Revolt: Archaeology, History, and Ideology, London/New York 2002. COTTON, H. M., The Date of the Fall of Masada: The Evidence of the Masada Papyri, ZPE 78 (1989), 157–162. ELTESTER, W., Der Siebenarmige Leuchter und der Titusbogen, in: DERS. (Hrsg.), Judentum, Urchristentum, Kirche (FS J. Jeremias), BZNW 26, Berlin 2 1964, 62–76. GOODMAN, M., The Ruling Class of Judaea. The Origins of the Jewish Revolt against Rome A.D. 66–70, Cambridge 1987. KOESTER, C., The Origin and Significance of the Flight to Pella Tradition, CBQ 51 (1989), 90–106. KREISSIG, H., Die sozialen Zusammenhänge des judäischen Krieges, Berlin 1970. SCHWIER, H., Tempel und Tempelzerstörung. Untersuchungen zu den theologischen und ideologischen Faktoren im ersten jüdischen Krieg (66–74 n. Chr.), NTOA 11, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1989. W EHNERT , J., Die Auswanderung der Jerusalemer Christen nach Pella – historisches Faktum oder theologische Konstruktion? ZKG 102 (1991), 231– 255. YADIN, Y., Masada, 2 vols., Jerusalem 1989.
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6.2 Die Neuformierung des Judentums nach der Tempelzerstörung
Quellen: CASSIUS DIO 68–69; EUSEB, Historia Ecclesiastica III.32–36; Sibyllinen V,40–50.
Quellen: K IPPENBERG /W EWERS 107–232; S CHRÖTER / ZANGENBERG 628–684.
BIRLEY, A. R., Hadrian the Restless Emperor, London 1997. B OATWRIGHT , M. T., Hadrian and the Cities of the Roman Empire, Princeton 2000.
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7. Philosophische Strömungen im neutestamentlichen Zeitalter 7.1 Das Pythagoreertum Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 295–307. BURKERT, W., Lore and Science in Ancient Pythagoreanism, Cambridge 1972 (überarbeitete Fassung von DERS., Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon, Nürnberg 1962). R IEDWEG , C., Pythagoras. Leben, Lehre, Nachwirkung, München 2002. VAN DER W AERDEN , B. L., Die Pythagoreer. Religiöse Bruderschaft und Schule der Wissenschaft, Zürich/ München 1979. 7.2 Der Platonismus Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 225–251; LEIPOLDTGRUNDMANN II 333–349.
6.5 Der Bar-Kochba-Aufstand (132–135 n.Chr.) Quellen: K IPPENBERG / W EWERS 65–69; L EIPOLDT G RUNDMANN II 130–134; C ASSIUS D IO 69,12–15; JUSTIN, Apologie I.31,6; EUSEB, Historia Ecclesiastica IV.5,1–6,4; EPIPHANIUS, De mensuris et ponderibus 14; Palästin. Talmud Taanit 4,8 (68d–69a); SCHRÖTER/ ZANGENBERG 111-120. COTTON, H. M., Die Papyrusdokumente aus der judäischen Wüste und ihr Beitrag zur Erforschung der jüdischen Geschichte des 1. und 2.Jh.s. n. Chr., ZDPV 115 (1999), 228–247. ECK, W., The Bar Kokhba Revolt: The Roman Point of View, JRS 89 (1999), 76–89. HENGEL, M., Hadrians Politik gegenüber Juden und Christen, in: DERS., Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I, WUNT 90, Tübingen 1996, 358–391. MILDENBERG, L., The Coinage of the Bar Kokhba War, Aarau u.a. 1984. DERS., Der Bar-Kochba-Krieg im Lichte der Münzprägungen, in: DERS., Vestigia Leonis, NTOA 36, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1998, 241–249. SCHÄFER, P., Der Bar Kokhba-Aufstand. Studien zum zweiten jüdischen Krieg gegen Rom, TSAJ 1, Tübingen 1981. D ERS . (Hrsg.), The Bar Kokhba War Reconsidered. New Perspectives on the Second Jewish Revolt against Rome, TSAJ 100, Tübingen 2003.
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8.2 Die Mysterienkulte Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 411–431; LEIPOLDTGRUNDMANN II 81–101. BIANCHI, U., The Greek Mysteries, Leiden 1976. BURKERT, W., Antike Mysterien. Funktionen und Gehalt, München 1990. CLAUSS, M., Mithras. Kult und Mysterien, München 1990. GIEBEL, M., Das Geheimnis der Mysterien, Düsseldorf/Zürich 32003. KLOFT, H., Mysterienkulte der Antike. Götter – Menschen – Rituale, München 1999. KOLLMANN, B., Eine Mysterienweihe bei Aretaios von Kappadokien, Philologus 137 (1993), 252–257. MEYER, M. W. (ed.), The Ancient Mysteries, San Francisco 1986. ZELLER, D., Mysterien/Mysterienreligionen, TRE 23 (1994), 504–526. 8.3 Der Herrscher- und Kaiserkult
FORSCHNER, M., Die stoische Ethik, Darmstadt 21995. GUCKES, B. (Hrsg.), Zur Ethik der älteren Stoa, Göttingen 2004. HOSSENFELDER, M., Die Philosophie der Antike 3. Stoa, Epikureismus und Skepsis, München 21995, 44–99. LUCK, G., Die Weisheit der Hunde. Texte der antiken Kyniker, Stuttgart 1997. POHLENZ, M., Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, 2 Bde., Göttingen 71992/51980. STEINMETZ, P., Die Stoa, in: FLASHAR, H. (Hrsg.), Die Philosophie der Antike 4. Die hellenistische Philosophie Bd. 2, Basel 1994, 491–716. W EINKAUF , W., Die Philosophie der Stoa, Stuttgart 2001.
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8. Die religiöse Umwelt des Neuen Testaments
8.4 Die Gnosis
8.1 Der Asklepioskult
Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 685–756; LEIPOLDTGRUNDMANN II 350–418.
EDELSTEIN, E. J./EDELSTEIN, L., Asclepius. Collection and Interpretation of the Testimonies. Vol. I–II, Baltimore 1945. HERZOG, R., Die Wunderheilungen von Epidauros. Ein Beitrag zur Geschichte der Medizin und der Religion, Ph.S 22/3, Leipzig 1931. KOLLMANN, B., Halbgott in Weiß. Asklepioskult und Christentum, Welt und Umwelt der Bibel 7 (2002), 28–35. WOLTER, M., Inschriftliche Heilungsberichte und neutestamentliche Wundererzählungen, in: BERGER, K. u. a., Studien und Texte zur Formgeschichte, TANZ 7, Heidelberg 1992, 135–175.
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Quellen: SCHRÖTER/ZANGENBERG 397–410.
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172
Anhang
Glossar Chassidim: „Fromme“. Im engeren Sinne Synonym für → Hasidäer. Dekalog: Die zehn Gebote (Ex 20,2–17/Dtn 5,6–21). Dekapolis: Bund von ursprünglich zehn, überwiegend im Ostjordanland gelegenen hellenistischen Städten, der der Provinz Syrien angegliedert war. Diadochen: Die Nachfolger Alexanders des Großen, die nach seinem Tod um das Erbe kämpften und das Alexanderreich unter sich aufteilten. Ethnarch: „Volksherrscher“. U. a. Bezeichnung jener Personen, die von Roms Gnaden über das Ethnos (Stamm, Volk) der Juden herrschten, ohne den Königstitel tragen zu dürfen. Halacha: „Wandel“, „Brauch“. Die von Schriftgelehrten entwickelte Auslegung der → Tora, wie sie später hochgradig in Mischna, Tosefta und Talmud einging. Hasidäer (Asidäer): „Fromme“. Jüdische Gruppierung, die sich in der Religionsnot unter Antiochus IV. formierte, sich zeitweise am Befreiungskampf der Makkabäer beteiligte und aus der vermutlich die Pharisäer und die Essener hervorgingen. Hasmonäer: Anderer Name für die → Makkabäer, zu deren Ahnherren ein gewisser Hasmon gezählt haben soll. Meist spricht man für die Zeit des Befreiungskampfes von Makkabäern, für die Zeit der daraus hervorgegangenen Herrscherdynastie von Hasmonäern. Koilesyrien: „Hohles Syrien“. Die Senke zwischen den Quellen des Orontes und dem Toten Meer, das Hinterland der phönizischen Küste. Der Begriff schließt im antiken Sprachgebrauch oft auch Phönizien und die Küstenregion südlich des Karmelgebirges mit ein. Makkabäer: Priesterfamilie des Mattathias, die den Befreiungskampf gegen die Seleukiden führte und aus der das Königtum der → Hasmonäer hervorging. Benannt nach Judas Makkabäus (der Hammer), dem Sohn des Mattathias. Mischna: Rabbinischer Gesetzeskommentar zur → Tora. Grundlage des Talmuds. Nasiräer: Fromme, die ein in der → Tora (Num 6) beschriebenes Gelübde abgelegt haben.
Parther: In Persien ansässiges Volk, das bald nach Alexanders Tod den gesamten jenseits des Euphrat gelegenen Teil des ehemaligen Alexanderreiches eroberte und von dort immer wieder die Ostgrenzen des Römischen Reiches bedrohte. Pentateuch: Die fünf Bücher Moses. Prinzipat: Herrschaftsform des römischen Kaiserreiches, welche die formal weiterhin bestehende Republik ablöste. Ptolemäer: Von Ptolemaios I. Soter, einem der Generäle und Nachfolger Alexanders des Großen, begründete Dynastie in Ägypten, die in der Nachfolge der Pharaonen bis zum Tod Kleopatras (30 v.Chr.) das Land regierte. Rabbinen: Bezeichnung der jüdischen Gelehrten in der Zeit nach der Tempelzerstörung (70 n.Chr.). Satrapie: Einem Statthalter (Satrap) unterstellte Verwaltungseinheit innerhalb des Perserreiches. Seleukiden: Von Seleukos I. Nikanor, einem der Generäle und Nachfolger Alexanders des Großen, begründete Dynastie in Syrien, die bis zum Einmarsch von Pompeius (63 v. Chr.) Bestand hatte. Stratege: Militärischer Befehlshaber mit selbstständigem Kommando, der als Statthalter oder Gouverneur über ein ihm unterstelltes Territorium fungiert. Synhedrion (Sanhedrin): Der jüdische Hohe Rat, der sich aus siebzig Mitgliedern und dem Hohenpriester an der Spitze zusammensetzte. Syrien und Phönizien: In hellenistischer Zeit offizielle Bezeichnung jener zwischen Ptolemäern und Seleukiden umkämpften Provinz, der neben → Koilesyrien und der syrophönizisch-palästinischen Küstenebene auch das jüdische Kernland mit dem Tempelstaat zugehörte. Tora: „Weisung“. Bezeichnung für den Pentateuch, die fünf Bücher Moses mit ihren 613 Geboten und Verboten. Tetrarch: „Vierfürst“, „Teilherrscher“. Bezeichnung eines Fürsten, der über ein begrenztes Territorium herrscht. Triumvir: Mitglied des Triumvirats, einer Dreimännerherrschaft über das Römische Reich.
Stammbaum der Makkabäer bzw. Hasmonäer (in Auszügen) Mattathias († 166 v. Chr.)
Judas Makkabäus († 160 v. Chr.)
Jonathan († 143 v. Chr.)
Simon (reg. 143–134 v. Chr.)
Johannes Hyrkan (reg. 134–104 v. Chr.)
Aristobul I. (reg. 104–103 v. Chr.)
Alexander Jannai (reg. 103–76 v. Chr.) oo Alexandra Salome (reg. 76–67 v. Chr.)
Hyrkan II. (reg. 67–66; Hoherpriester 63–40 v. Chr.)
Aristobul II. (reg. 66–63 v. Chr.)
Alexandra († 31 v. Chr.) oo Alexander († 49 v. Chr.)
Antigonos (reg. 40–37 v. Chr.)
Alexander († 7 v. Chr.)
Herodes von Chalkis († 48 n. Chr.)
Aristobul III. (Hoherpriester 36–35 v. Chr.)
Aristobul († 7 v. Chr.) oo Berenike († ca. 30 n. Chr.)
Herodes Agrippa I. (reg. 41–44 n. Chr.)
Stammbaum Hasmonäer
Herodes der Große (reg. 37–4 v. Chr.) oo Mariamme († 31 v. Chr.)
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174 Anhang
Stammbaum des Herodeshauses (in Auszügen)
Antipater († 42 v. Chr.) oo Kypros
Phasael († 40 v. Chr.)
Herodes d. Gr. oo Doris
Antipater († 4 v. Chr.)
Alexander († 7 v. Chr.)
Herodes der Große (reg. 37–4 v. Chr., verheiratet in zehn Ehen)
Herodes d. Gr. oo Mariamme († 31 v. Chr.)
Aristobul († 7 v. Chr.)
oo Berenike († ca. 30 n. Chr.)
Herodes von Chalkis († 48 n. Chr.)
Agrippa II. (reg. ca. 48–100 n. Chr.)
Joseph
Herodes d. Gr. oo Malthake
Archelaos (reg. 4 v. Chr.–6 n. Chr.)
Pheroras
Salome
Herodes d. Gr. oo Kleopatra
Herodes Antipas (reg. 4 v. Chr.–38 n. Chr.)
Philippus (reg. 4 v. Chr.–33 n. Chr.)
Herodes Agrippa I. (reg. 41–44 n. Chr.) oo Kypros
Berenike oo Herodes von Chalkis († 48 n. Chr.)
Drusilla oo Felix (röm. Statthalter 52–60 n. Chr.)
Namensregister
Namensregister Agrippa (Schwiegersohn von Augustus) 72 f., 79 Agrippa I. 91, 93, 96–98, 100–105 Agrippa II. 78, 104, 106 f., 112–114, 123 Agrippina 100, 108 Albinus 107 Alexander der Große 9 f., 12, 16–26, 60, 140, 146, 151, 157 Alexander (Sohn von Aristobul II.) 61, 63 f., 67 Alexander (Sohn des Herodes) 79 f., 84 f. Alexander Balas 37 f., 42 f. Alexander Jannai 40, 48, 51, 54–57 Alexandra (Schwiegermutter des Herodes) 69 f., 73 Alexandra Salome 48, 51, 54, 56 f. Ananos I. (Hannas) 90, 91, 101 f. Ananos II. 107 f., 113, 115 Antigonos (Sohn von Aristobul II.) 61, 63, 65, 67–69 Antigonos Monophtalmos 24 f. Antigonos Gonatas 25 Antiochos III. 29 f. Antiochos IV. 10, 20, 31, 33, 34, 36, 41, 47, 49, 134, 151, 157 Antiochos V. 36 f. Antiochos VI. 43–45 Antiochos VII. 46 f. Antipater (Vater des Herodes) 55, 57, 62–69 Antipater (Sohn des Herodes) 51, 80 Antonius Pius 131 Apollonios von Tyana 138 Archelaos 49, 80 f., 83–85, 87, 89, 93, 101, 104 Aretas I. 55 Aretas III. 55, 57 f. Aretas IV. 55 f., 84, 94 f. Aristobul I. 48, 53 f. Aristobul II. 51, 57 f., 60 f., 63–65 Aristobul III. 69 f. Aristobul (Sohn des Herodes) 79 f., 101 Aristoteles 23, 28, 140–142 Augustus (Octavian) 66, 69, 71–75, 79, 80, 83–85, 90, 96, 108, 152
Dareios III. 17, 20, 22 Demetrios I. 36 f., 43 Demetrios II. 43, 45–47 Demetrios III. 56 Demetrios von Phaleron 28 Diogenes von Sinope 146 Domitian 123–127, 131, 153 Drusilla 106
Bar Kochba 9, 14, 40, 49, 89, 121, 131–135 Berenike 107, 112, 123 Brutus 66 f.
Jakobus (Bruder Jesu) 106 f., 113 Jakobus Zebedäus 103 Jason (Hoherpriester) 31–33, 55 Jason von Kyrene 10 Jesus von Nazareth 49, 53, 89, 91–95, 100, 107, 109, 148, 154, 158 f. Jochanan ben Zakkai 119–121 Johannes der Täufer 93–95 Johannes Hyrkan I. 21, 40, 45, 47 f., 51, 53, 56, 68, 75 Johannes von Gischala 88, 114–117 Jonathan Makkabäus 35, 37 f., 42–44, 48 Jonathan (Hoherpriester) 86, 105 f.
Caesar 13, 63–66, 69, 71, 75, 78, 151 f., 157 Caligula 11, 93, 96–99, 101–103, 122, 152 f., 159 f. Cassius 63, 66 f. Cassius Dio 12 f., 99, 125, 131 Cestius 113 f. Claudius 14, 99–106, 108, 114, 122 f., 152 Crassus 62 f. Cumanus 105
Eleazar (Exorzist) 114 Eleazar ben Ananias 112 f. Eleazar ben Jair 88, 117 Eleazar ben Simon 115, 117 Eliezer ben Hyrkanus 22, 121 Epiktet 124, 145 f. Epikur 142–144 Esra 19 f., 31 Fadus 104 f. Felix 105–107 Festus 107 Flaccus 11, 97 f. Flavius Silva 118, 160 Gabinius 61, 63, 67 Galba 116, 121, 126 Gallio 14, 100 Gamaliel I. 121 Gamaliel II. 121 Germanicus 96 Gessius Florus 108, 112 Hadrian 12 f., 130–135 Herodes Antipas 55, 80, 84 f., 93–96, 101 Herodes der Große 12, 51, 57, 66–70, 73–85, 87, 90, 100 f., 117 Herodes von Chalkis 104, 106 Hiskia (Räuberhauptmann) 66, 87 Hyrkan II. 56–65, 67, 69, 73
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Anhang Joseph (Tobiade) 27 Josephus 11–13, 113f, 116 f. Judas (Bruder Jesu) 125 Judas der Galiläer 84, 86–89, 105, 113, 115, 117 Judas Iskarioth 89, 158 f. Judas Makkabäus 34–37 Julia 72 f., 93 Julius Severus 134 Kaiphas 49, 91, 93 Kallisthenes 22 Kassandros 24 Kleopatra II. 47 Kleopatra III. 54 Kleopatra VII. 64 f., 67, 69–71, 73, 157. Lucuas 130 Lucius Quietus 130 f. Lukas 13, 85, 106 Lysimachos 24 f.
Platon 137–141 Plinius der Ältere 41, 123 Plinius der Jüngere 125, 128 f., 153 Plutarch 12, 139 f. Pompeius 55, 58–65, 67, 158 Pontius Pilatus 14, 21, 89, 91–93, 95, 110, 158 f. Poppäa 160 Ptolemaios I. 24–26, 28 Ptolemaios II. 26–28 Ptolemaios III. 26 f. Ptolemaios IV. 10, 29 Ptolemaios V. 29 Ptolemaios VI. 43, 47 Ptolemaios VIII. 47 Ptolemaios IX. 54 Ptolemaios XII. 64 Ptolemaios XIII. 64 f. Ptolemaios XIV. 65 Pythagoras 137 f. Quirinius 85–87, 90
Malichos I. 65 Marcus Antonius 63, 66–71, 73, 76, 157 Mariamme 67–69, 73, 79, 101 Mattathias 34f, 56 Menachem 88, 113 Mithradates von Pergamon 65 Mithradates von Pontus 60 Menelaos 32–37 Nehemia 17, 19 f., 27 Nero 100, 106, 108–112, 114–116, 121–123, 126, 128, 152 f., 160 Nerva 126 f. Nikolaos von Damaskus 12, 69 Obodas I. 55 Octavia (Schwester des Augustus) 69 f. Octavia (Ehefrau Neros) 108 Octavian: siehe Augustus Onias II. 27 Onias III. 31 f., 42, Onias IV. 32, 48, 54, 118 Otho 116, 121 Paulus von Tarsus 51, 53, 56, 94, 100, 105–107, 109, 121, 135, 159 Petronius 98 Petrus 93, 103, 109, 159 Phasael 66 f. Philipp II. 16, 22 Philipp V. 29, 59 Philippos 80, 83–85, 93, 96 f., 101, 106 Philo von Alexandria 11, 38, 42, 91, 97–98, 105, 139
Salome (Schwester des Herodes) 73, 80 Salome (Tochter der Herodias) 93, 95 Scaurus 58, 60, 62 Seleukos I. 24 f., 29 Seleukos IV. 30 f., 36 Seneca 108, 145 Simeon ben Gamaliel 113 Simon II. (Hoherpriester) 30 Simon bar Giora 88, 155, 117 Simon der Zelot 89 Simon Magus 18 Simon Makkabäus 35, 43–47, 54 Sueton 13, 97, 100, 125 Tacitus 12, 100, 109 f. Tiberius 72 f., 90 f., 96, 101 f., 110, 152, 158 Tiberius Alexander 88, 105, 116 Tigranes von Armenien 57, 60 Titus 105, 107, 114, 116–118, 123 f., 126, 160 Traian 55, 89, 125–132, 153 Trypho 42–46 Valerius Gratus 91 Varus 80, 84, 114 Vespasian 11, 40, 114–116, 118 f., 121–127, 153 f. Vitellius (Statthalter in Syrien) 92 Vitellius (römischer Kaiser) 116, 121, 123 Vologaesus 110 Zadok (Priester zur Zeit Davids) 32, 48 Zadok (Pharisäer und Zelot) 87 f. Zenon (ptolemäischer Beamter) 14, 27 Zenon (Philosoph) 144